Der Bison kehrt zurück

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Der Bison kehrt zurück
N O R T H & S O U T H D A K O TA
Masse und Macht: ausgewachsener Bulle im Fellwechsel
(links oben) und Bisonherde auf der Bad River Ranch in
South Dakota.
Der Bison kehrt zurück
Um 1800 streiften über 30 Millionen Bisons durch die Grasebenen Nordamerikas. ­Hundert
Jahre später waren sie fast ausgerottet. Inzwischen ist der Bestand wieder so gesichert, dass
es selbst Würstchen aus Bisonfleisch zu kaufen gibt. Margit Brinke und Peter Kränzle waren
unterwegs im Büffelland von North und South Dakota. Die Fotos entstammen dem Bildband
„Buffalo Ballad“ von Heidi und Hans-Jürgen Koch. Mehr zu dem Buch ab Seite 60.
„Die schwarze Masse war lebendig! Der Adler schaute auf Meilen und Abermeilen von Büffeln herab. Die schartige, regellose,
wühlende Herde hatte kein Ende; sie beherrschte die Hänge, den
Talgrund und die nebelrauchigen Bereiche jenseits des Tales.“
Der Westernautor Zane Grey (1872–1939) war nicht der Einzige,
der von den gigantischen Bisonherden, die einst über die nordamerikanische Prärie zogen, beeindruckt war. Auch die ersten Weißen,
die in den weiten Grasebenen unterwegs waren, staunten über die
mächtigen Herden. Obwohl mit dem europäischen Wisent verwandt, gab es nichts Vergleichbares in der Alten Welt. Der Bison
(„Bison bison“, amerikanisch: „buffalo“) wurde zum Sinnbild für
Weite und Kraft eines ganzen Kontinents.
Dabei leben Bisons meist nur in Gruppen von 20 bis 200 Tieren.
Nur bei ihren Wanderungen fanden sie zu riesigen Herden von bis
zu einer Million Tieren zusammen. Im Frühjahr, wenn die Great
Plains von Süden nach Norden grün wurden, zogen auch die Bisonherden auf Nahrungssuche nordwärts. Mit den ersten Schneefällen
kehrten sie dann nach Süden, bis hinunter nach Texas, zurück.
Herren der Prärie
An der Faszination des Bisons hat sich bis heute nichts geändert,
obwohl die einstigen „Herren der Prärie“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts beinahe ausgerottet worden sind. Um 1800 soll es bis zu
60 Millionen Tiere gegeben haben. Um 1850 waren es 13 bis 20
Millionen. Gut 30 Jahre später zählte man gerade noch rund 200
Exemplare.
Dafür gab es mehrere Gründe. Ohne Büffel konnten die Prärie-Indianer besser unterworfen werden, da man sie so ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage beraubte. Die Bisons galten zudem
als Nahrungskonkurrenten für das Weidevieh der weißen Siedler.
Dazu stieg seit 1870 die Nachfrage nach Bisonfellen, da man aus
ihnen unter anderem haltbare Riemen für Industriemaschinen herstellen konnte.
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Erst Schutzmaßnahmen konnten die vollständige Ausrottung
gerade noch verhindern. Sie setzten bemerkenswerterweise bereits
mit der Gründung des Yellowstone Nationalparks 1872 ein. Inzwischen tummeln sich wieder etwa eine halbe Million Bisons auf den
Grasebenen Nordamerikas. Besonders in North und South Dakota
fühlt man sich ihnen verpflichtet und räumt ihnen immer mehr
Platz im historischen Bewusstsein ein.
„Tatanka – Story of the Bison“ heißt zum Beispiel die Dauer­
ausstellung am Stadtrand von Deadwood, einer ehemaligen Wildwest-Town im Westen South Dakotas. „Tatanka“, wie die mächtigen Bullen in der Lakota-Sprache heißen, ist jedoch mehr als ein
Museum. Es versteht sich als Informationszentrum, in dem man
alles über das Wappentier der Prärie, den Bison, und über ihre
ursprünglichen Bewohner, die Lakota-Indianer, erfährt.
Albino-Bison
Nachfahren jener legendären „Warriors of the Plains“ informieren
heute Besucher über den ihnen heiligen Bison und seine Bedeutung
für ihre Kultur. Aushängeschild des Komplexes ist eine lebensgroße Skulpturengruppe einer Bisonjagd im Freien, geschaffen
von der Künstlerin Peggy Detmers.
Auch im nahen Rapid City informiert das neue Museum of the
American Bison über den einstigen Stellenwert des Tieres. „Der
Bison war für die Prärieindianer, was für uns heute das Öl ist: Er
war lebensnotwendig“, sagt Mark Halvorson, Archivar des North
Dakota Heritage Centers in Bismarck. Wie wichtig der Bison für
die Indianer der Great Plains war, zeigt allein die Bezeichnung „Pte
Oyate“, Buffalo Nation. So nannten sich die Lakota, eine der drei
Gruppen der Sioux-Indianer.
Die Büffeljagd war einst das Hauptereignis im Jahreszyklus der
Prärie-Indianer. Gemeinschaftlich organisiert und streng reglementiert jagte man anfangs die gewaltigen Tiere, indem man sie
über „Buffalo Jumps“ (Felsabbrüche) trieb, später vom Pferde­
rücken aus mit Pfeil und Bogen. Nach der Tötung folgte das müh6/14
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senen Bullen). Das Museum wurde 1993 eröffnet, nachdem zwei
Jahre zuvor die ersten „Roosevelt Bison“ aus dem Teddy Roosevelt
Nationalpark bei Medora nach Jamestown gebracht worden waren.
Betreiber des Museums und Besitzer der Herde, die auf dem
Areal rings um das Museum gehalten wird, ist die North Dakota
Buffalo Foundation (NDBF). Heute leben 30 bis 40 Tiere auf dem
Gelände, darunter die weiße Bisonkuh „White Cloud“, ihr AlbinoJunges „Dakota Miracle“ und „Dakota Legend“, ebenfalls mit weißem Fell.
Aufgefrischte Herden
Bereits seit 1914 sind Büffel im Custer State Park ansässig. Die
Parkverwaltung kaufte damals 36 Tiere vom Rancher James
„Scotty“ Philipp, der sie seinerseits von einem ehemaligen Büffeljäger erworben hatte. Unter reger Anteilnahme der Bevölkerung
– besonders der in der Pine Ridge Reservation lebenden OgalalaLakota – wurden die Bisons mit der Eisenbahn hergeschafft und im
Naturpark freigelassen. Ein symbolischer Akt, da die Black Hills
nicht nur Heimat, sondern auch ein heiliger Ort sind.
Heute strömen jeden Herbst über 10.000 Besucher in den Custer
State Park. Naturfreunde, Cowboys, Indianer, Park Ranger und
sogar Politiker fiebern einem in den ganzen USA einmaligen Event
entgegen: dem Buffalo Roundup. Sinn des Zusammentreibens der
über 1.000 Bisons ist es, die Tiere zu registrieren und auf Krank-
heiten zu untersuchen. Die Herde darf aber auch nicht zu groß
werden, um eine Überweidung in dem Naturpark zu vermeiden.
Mehr als 1.200 bis 1.500 Tiere kann der rund 300 Quadratmeter
große Custer State Park nicht verkraften.
Die im Frühjahr geborenen Kälber werden deshalb markiert,
gewogen, geimpft und gebrannt. Anschließend werden die einen
wieder in die Freiheit entlassen, die anderen für den Verkauf aussortiert. Überzählige Kälber, Kühe und Bullen werden in einer
großen Auktion im November verkauft, was etwa ein Viertel des
jährlichen Parkbudgets einbringt. Seit der Einführung 1966 ist
diese Büffel-Auktion ein großes Ereignis, das Vertreter anderer
Naturparks und Züchter aus ganz Nordamerika anlockt. Auch Prärie-Indianer kaufen hier Tiere, um eigene Herden aufzufrischen.
Mittlerweile wird Bisonfleisch sogar gewinnbringend vermarktet. Im National Buffalo Museum von Jamestown kann man das
magere, gesunde Fleisch in getrockneten Streifen oder als Würstchen kaufen. Und die ebenfalls in Jamestown gelegene Bison
Ranch at Coteau Ridge züchtet die Tiere nicht nur, sondern bietet
Gästen auch die Teilnahme an Büffeljagden zu bestimmten Terminen an. Von den mittlerweile über eine halbe Million Bisons,
die in Parks und auf Ranches gehalten werden, darf aber nur eine
streng reglementierte Zahl im Alter zwischen 18 und 24 Monaten
geschlachtet werden. Andernfalls…
Doch das hatten wir schon mal.
Ein zwei bis vier Wochen altes Jungtier folgt seiner Mutter.
same Zerlegen, meist war das Frauenarbeit. Dabei kam es nicht nur
auf das Fleisch an. Auch die Innereien, Häute, Sehnen, Knochen,
Hörner wurden auf irgendeine Weise verwendet: als Werkzeug,
zur Aufbewahrung, für Kleidung oder zum Bau von Tipis.
Das National Buffalo Museum liegt in Jamestown, North
Dakota, wo sich seit 1959 auch eine 60 Tonnen schwere BüffelRiesenstatue befindet (dem Äquivalent von rund 60 ausgewach-
North Dakota
South Dakota
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Little Missouri
National Grassland
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Jamestown
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Theodore
Roosevelt
National Park
Black Hills
National
Forest
GUIDE BISONS
29
Fargo
Bismarck
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D A K O T A
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Deadwood
Rapid City
Custer State Park
Pierre
90
29
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INFORMATIONEN
South Dakota: www.travelsd.com
North Dakota: www.ndtourism.com
ATTRAKTIONEN
Tatanka – Story of the Bison, Deadwood, SD:
www.storyofthebison.com
Museum of the American Bison, Rapid City, SD:
www.museumofthe­americanbison.com
Custer State Park, SD: www.gfp.sd.gov/state-parks/directory/
custer. Die nächsten Buffalo Roundups finden am 25.09.2015
und 30.09.2016 statt.
Black Hills, SD: www.blackhillsbadlands.com
„Buffalo City“ Jamestown, ND: www.tourjamestown.com
National Buffalo Museum, James­town, ND:
www.buffalomuseum.com
MOUNTAIN GOAT NEAR HIDDEN LAKE IN GLACIER NATIONAL PARK
VISITMT.COM
Info-Karte 26 ankreuzen
REVIEW
19. März bis 4. April 2015
Windrad und alte Gebäude in Old Town, South Dakota.
www.savannahmusicfestival.org
Konzertprogramm online ab dem 6. November
Ballade vom ungebändigten Leben
Das Fotografenpaar Heidi und Hans-Jürgen Koch hat jahrelang bei den Bisons gelebt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind
in dem ­beeindruckenden Bildband „Buffalo Ballad“ versammt. Von Roland Mischke
Die Kochs saßen im YellowstoneNationalpark bei strömendem Regen
im Auto, als sie plötzlich von einer
Herde Bisons eingekesselt wurden.
„Auf einmal kamen die tropfnassen,
zotteligen Riesengestalten über den
Berg“, erzählt Heidi Koch. „Wir konnten ihr Atmen, Schnaufen und Kauen
hören, mussten dabei aber ganz still
sitzen, um sie nicht zu irritieren.“
Heidi Koch, Hans-Jürgen Koch:
Buffalo Ballad. Deutsch und Englisch,
Edition Lammerhuber, Baden bei
Wien, 208 S., 99 Euro,
ISBN: 978-3901753732
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Überwältigende Präsenz
Die Kochs wussten: Die bis zu vier
Meter langen und bis zu 900 Kilo
schweren Tiere sind unberechenbar.
Fast jedes Jahr kommt es in den Nationalparks zu tödlichen Zwischenfällen, weil die Menschen sich respektlos
ihnen gegenüber verhalten, ihnen zu
nahe kommen oder sie gar berühren
wollen.
Die Ausstrahlung des Bisons geht
auf seine überwältigende körperliche
Präsenz zurück. Nur in einem monumentalen, kiloschweren Bildband
konnten die Fotografen Heidi Koch
und Hans-Jürgen Koch das gewaltige
Tier „bändigen“. Die 110 Schwarzweiß-Fotos, die besten aus drei Jahren
in den Prärien Nordamerikas, dokumentieren eine einzigartige animalische Existenz.
Wer in der Mitte des Bandes dem
Büffel in die Augen schaut, auf sein
geriffeltes Horn, sein dichtes Fell,
der spürt, dass in der Begegnung
Tier-Mensch tiefliegende archaische
Gefühle ausgelöst werden. Es fällt
Vom Wind zerstreut
Schuld daran war auch eine deutsche
Erfindung. Durch ein neues Gerbverfahren konnte Büffelhaut zu edlem
Leder werden. Die Nachfrage nach
dem hochwertigen Material war gewaltig, die Jäger munitionierten sich, die
Büffel wurden zum Rohstoff. Die USRegierung schickte sogar die Armee
in den Krieg gegen die Tiere, weil sie
den Bau der transkontinentalen Eisenbahnlinie zur Eroberung des Wilden
Westens störten.
„Die großen Herden brachten Fahrpläne durcheinander“, heißt es in der
„Buffalo Ballad“, „und führten zu
Verspätungen; sie beschädigten sogar
Lokomotiven, wenn die Züge nicht
rechtzeitig bremsen konnten. Die Prärie war übersät mit Schädeln und Knochen. Auch sie wurden verkauft. Aus
Knochen wurden Düngemittel.“
Das Massenschlachten endete, als
im ausgehenden 19. Jahrhundert jäh
erkannt wurde, dass das ökologische
Gleichgewicht nicht mehr gewährleis­
tet war. Denn das Präriegras wurde
nicht mehr von umherziehenden
Bisonherden festgetreten, sondern vom
Wind verstreut. Die Great Plains wurden karg und unfruchtbar. Dass man
den Indianerstämmen der Cheyenne,
Comanche, Blackfoot und anderen
die Lebensgrundlage entzogen hatte,
spielte für die Strategen keine Rolle.
1902 zählte man die letzten wilden
Bisons: Es waren 23. Theodore Roosevelt, Naturforscher und US-Präsident,
stellte die Tiere unter strengsten Schutz
und sandte sogar die Kavallerie, um
die Letzten ihrer Art zu bewachen. Auf
einmal stand fest: „Der Bison symbolisiert die amerikanische Seele.“ Inzwischen gibt es wieder 500.000 Bisons,
die meisten leben in Farmen, 30.000
wild in Schutzgebieten.
Für Heidi und Hans-Jürgen Koch
ist ihre „Buffalo Ballad“ ein Ruf, jeder
Kreatur ihren Platz zu lassen. Sie fotografierten in North und South Dakota,
Montana, Wyoming und Colorado,
zogen mit den Herden umher, sahen
die Tiere fressen, kopulieren, die
Bullen miteinander kämpfen und im
Frühjahr ihr Winterfell abstoßen. Sie
hielten spielende Kälber im Bild fest
und alte Büffel beim Sterben. All dies
in der grandiosen, sich ewig gleichbleibenden Landschaft des Mittleren
Westens. In diesem Bildband wird man
immer wieder blättern und staunen. H
Savannah hat sein Erscheinungsbild
aus der Kolonialzeit bewahrt und gilt
als eine der schönsten Städte der USA.
Die Stadt ist der Inbegriff für die Romantik
der Südstaaten. Einzigartig auch das
Savannah MuSic FeStival –
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Info-Karte 15 ankreuzen
Ruhender Bison-Bulle im Theodore Roosevelt National Park, North Dakota.
schwer, dem unergründlichen Blick
dieses Urtiers standzuhalten.
Die Fotografen haben den Bison
zum fotografischen Lebensthema
gemacht. An seiner Geschichte erzählen sie, was Globalisierung bedeutet
und wie der profitsüchtige Kapitalismus über Leichen geht. Als die Europäer den Kontinent erreichten, lebten
dort mindestens 30 Millionen Büffel. Um 1880 waren sie beinahe aus­
gerottet.