Materialien zur Vorlesung 2

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Materialien zur Vorlesung 2
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3. Sitzung Mythos
Leitfragen:
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Was ist ein Mythos im alltagssprachlichen und was im Barthesschen Sinne? Was sind
die Unterschiede in der Funktion von Mythen bei Barthes und bei Umberto Eco?
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Was ist nach R. Barthes ein sekundäres semiologisches System?
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Geben Sie ein Beispiel für eine mythologische Konstruktion unter Anwendung des
Mythosmodells Barthes‘.
Alltagsverständnis von Mythos: Ereignisse oder Geschichten, die sich in grauer Vorzeit
abgespielt haben oder erfunden wurden. So definiert auch der Duden den Begriff ‘Mythos’:
„Sage und Dichtung von Göttern, Dämonen und Helden aus der Vorzeit eines Volkes.“
Historisch bezeichnet die mythologische Erzählung eine Zeit vor jeder gesicherten
Geschichtsschreibung. Bezeichnet wird die Zeit der mündlichen Überlieferung, der
Tradierung in Liedern und Epen, in denen sich eine Gemeinschaft den Gründungsmythos
ihres Zusammenhalts immer wieder erzählt. Im Gegensatz zur schriftlichen Überlieferung ist
der Mythos wandelbar, er wird nicht immer gleich erzählt, sondern kann variieren und vor
allem kennt der Mythos keine Zeit.
Auch Barthes nähert sich dem Begriff Mythos zunächst auf diese basale Weise: In der
Präambel des Kapitels ‚Der Mythos heute’ gibt er, wie er es nennt, eine „erste einfache
Antwort, die in voller Übereinstimmung mit der Etymologie steht: der Mythos ist eine
Aussage.“
Roland Barthes strukturalistische Methode der Semiologie beruht auf dem Zeichenbegriff de
Saussures von 1916.
Ein sprachliches Zeichen besteht aus Signifikat und Signifikant. D.h. aus Inhalt und
Ausdruck. Inhalt ist das, was durch den Ausdruck, die Lautkette, als Vorstellung einer Sache
evoziert wird. Ein Zeichen bezieht sich also nicht auf einen realen Gegenstand, sondern auf
die individuelle Vorstellung von einem Gegenstand. Konventionalisiert ist lediglich der
sprachliche Ausdruck oder die psychologische Spur.
Ideologiekritisch ist Barthes‘ Modell, weil es nicht nur formale
Beschreibungsmöglichkeiten von sprachlichen Zusammenhängen ermöglichen soll, sondern
weil es Barthes um eine Kritik und eine Entlarvung von scheinbar natürlichen Aussagen als
konstruierte Aussagen geht.
Nach Barthes herrscht über viele Themen ein gesellschaftlicher Diskurs vor, der konstruierte
Aussagen naturalisiert. Barthes untersucht, so der Verlagstext zu Mythen des Alltags „was
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sich scheinbar von selbst versteht, er benennt den ideologischen Missbrauch, der sich im nur
Selbstverständlichen verbirgt.“
Beginnen wir an einem einfachen, sehr schnell einleuchtenden Beispiel also ohne das
Theoriemodell:
(Beispiel: Die Römer im Film, aus: Mythen des Alltags, S. 43-45. )
Bei einer mythologischen Konstruktion wird zwar weiterhin behauptet, dass die natürliche
oder logische Untrennbarkeit der zwei Elemente eines Zeichens bestehen würde, aber bei
genauerer Analyse stellt sich heraus, dass die Behauptung eines natürlichen Zustands die
Verschleierung einer Konstruktion ist und darüber hinaus einem bestimmten Zweck dient.
Dieser Zweck hat, nach Roland Barthes, meist ideologische Gründe und besonders in
Massenmedien finden sich mythologische Konstruktionen.
Alltagsmythen haben eine große Bedeutung gerade im Zusammenspiel mit den
Massenmedien. Mit diesen wird ein Zeichensystem 2. Ordnung errichtet. D. h. Zeichen
verdichten sich zu einer Pseudonatur, die als Menge unhinterfragter Wahrheiten und
Wertsetzungen die Spuren ihrer Verfertigung, ihrer Konstruiertheit ständig löscht.
Erläuterung Mythosmodellschema:
Signifikant – Signifikat bilden zusammen Zeichen ->
Dieses Zeichen wird zu Signifikat, das zusammen mit neuem Signifikanten ein neues
Zeichen, aber 2. Ordnung, herstellt. In diesem Übergang wird sprachlich das Zeichen der
ersten Stufe als ein natürliches Signifikat angenommen. Der inhaltliche oder besser gesagt
semiotische Zusammenhang ist hier noch gegeben.
In einem dritten Schritt wird dieser Zusammenhang dann ganz vernichtet:
Das Zeichen der zweiten Stufe wird als Signifikat verwendet, das in Kombination mit einem
weiteren Signifikanten ein drittes Zeichen bildet. Dieses ist dann der naturalisierte Mythos,
der seine Herkunft durch mehrere metonymische Verschiebungen von Zeichen zu
Signifikaten inhaltlich nicht mehr zeigt.
Diese mythologische Konstruktion tritt nach Roland Barthes in folgenden Zeichensystemen
häufig auf und wird von ihren jeweiligen Eigenschaften begünstigt: (S. 500)
"Innerhalb der Ordnung der Wahrnehmung erregen gewiss Bild und Schrift zum Beispiel
nicht denselben Typus von Bewusstsein, und in der Abbildung liegen viele Lesarten
beschlossen: ein Schema bietet sich für eine Bedeutung viel stärker an als eine Zeichnung,
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eine Imitation mehr als ein Original, eine Karikatur mehr als ein Porträt. Aber es handelt sich
eben gerade hier schon nicht mehr um eine theoretische Darstellungsmethode: es handelt sich
um dieses Bild, das für diese bestimmte Bedeutung gegeben wird. Die mythische Aussage
wird aus einer im Hinblick auf eine angemessene Mitteilung bereits bearbeitete Materie
geschaffen. Weil alle Materialien des Mythos, seien sie darstellend oder graphisch, ein
Bedeutung gebendes Bewusstsein voraussetzen, kann man unabhängig von ihrer Materie über
sie reflektieren. Diese Materie ist nicht indifferent: die Abbildung ist gewiss gebieterischer als
die Schrift, sie zwingt uns ihre Bedeutung mit einem Schlag auf, ohne sie zu analysieren,
ohne sie zu zerstreuen. Doch dies ist kein konstitutiver Unterschied mehr. Das Bild wird in
dem Augenblick, da es bedeutungsvoll wird, zu einer Schrift: es hat, wie die Schrift, den
Charakter eines Diktums."
Mythologische Aussagen sind also nicht natürlich, sondern erzeugt, sie emanzipieren sich von
ihrer Materie und deren 'natürlicher' Aussage im Sinne des Zeichenmodells. Sie sind
sekundäre semiologische Aussagen, da sie auf einer bereits bestehenden Aussage aufbauen.
(Beispiel: ‚Verleidenschaftlichte Rose‘)
Zum besseren Verständnis benennt Barthes die einzelnen Begriffe nochmals expliziter.
Auf Seite 505 und 506 unterteilt er das Modell in einen lingustisichen Part und einen
mythischen, außerdem ordnet er den einzelnen Feldern die Worte Sinn, zweimal Begriff,
Form und Bedeutung zu.
1. Bedeutendes = Sinn
2. Bedeutetes = Begriff
3. Zeichen = Form (die verleidenschaftlichte Rose)
I.
Bedeutendes = Form
II.
Bedeutetes = Begriff
III.
Bedeutung
Auf der zweiten Ebene wird nicht ein Begriff mit einem Sinn zu Bedeutung gekoppelt,
sondern mit einer bereits bestehenden Form. Dadurch entstehen dann scheinbar wahr und
natürlich wirkende Aussagen, die jedoch sekundär sind.
.Beispiel Bernsteinzimmer:
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1.Bedeutendes:
Luxuriöses Fürstengeschenk
2. Bedeutetes: Bernsteinzimmer
3. Bernsteinzimmer
I. Bernsteinzimmer
II. Geheimnisvolles Verschwinden in
den letzten Kriegstagen
III. Bernsteinzimmer
Beispiel Seifenopern – Weihnachten als mythologische Konstruktion
a)
"Weihnachten"
b) [Geburt
Jesu/
Wintersonnenwende]
c) Weihnachten
1. "TV-Szenen: Glühwein
trinken, Schnee/Kälte,
Adventsschmuck,
Geschenke"
2. [Weihnachten]
3. Weihnachten
II. [Ausnahmezeit des
sozialen/
I. "Weihnachten"
familialen Glücks]
III. Mythos Weihnachten