Abheben durch Inspiration von außen
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Abheben durch Inspiration von außen
Abheben durch Inspiration von außen Wie Airlines ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen können. Inhalt Zusammenfassung 3 1. Einleitung 4 2. Rückblick auf die letzten 20 Jahre 5 2.1 Entwicklung der Passagierzahlen 1992-2011 5 2.2 Regulierung und Deregulierung 6 2.3 Neuordnung des Marktes 7 3. Aktuelle Entwicklung und Ausblick 10 4. Erfolgsfaktoren für die Airline der Zukunft 13 4.1 Kostenmanagement 14 4.2 Erlösmanagement 17 4.3 Markenstärke 22 4.4 Kundennähe und Innovationskraft 24 4.5 Präsenz in Zielmärkten und Substanz 26 5. Bewertung und Ausblick 32 5.1 Bewertung: Kostenmanagement 32 5.2 Bewertung: Erlösmanagement 33 5.3 Bewertung: Markenstärke 33 5.4 Bewertung: Kundennähe und Innovationskraft 34 5.5 Bewertung: Präsenz in Zielmärkten und Substanz 35 5.6 Ausblick 36 Abheben durch Insipiration von außen 2 Zusammenfassung Airlines fliegen trotz Liberalisierung weiterhin in einer regulierten Industrie. Auflagen, Protektionismus, Barrieren zum Marktzugang, aber auch Vorgaben für nationale Eigentumsverhältnisse bestimmen das Tagesgeschäft. Die Airline-Industrie ist stark zyklisch und reagiert empfindlich auf externe Schocks. Airlines müssen sich auf diese Bedingungen einstellen und in ihrer Zukunftsplanung von zwei Extremszenarien ausgehen: Entweder die Märkte bleiben relativ reguliert und verzerrt oder aber sie öffnen sich vollständig. In dieser Studie fokussiert A.T. Kearney aber gerade nicht die externen und nicht oder nur wenig beeinflussbaren Faktoren, sondern wendet sich den Maßnahmen zu, die die Airlines – unabhängig vom Regulierungsszenario und den allgemeinen Rahmenbedingungen – selbst beeinflussen können. Die sieben größten Airlines in Europa und dem Nahen Osten werden näher untersucht. Diese sieben Airlines repräsentieren drei Geschäftsmodelle, darunter die drei Legacy Carrier Lufthansa, AirFrance/KLM und IAG, die zwei Low Cost Carrier Ryanair und easyJet sowie mit Emirates und Turkish Airlines die zwei größten Herausforderer aus dem Nahen Osten. A.T. Kearney zeigt auf, dass die Airlines dann erfolgreich sein werden, wenn sie nicht nur den Vergleich untereinander und unabhängig vom Geschäftsmodell wagen, sondern sich Inspiration auch innerhalb des Luftverkehrssystems zum Beispiel von Flughäfen holen. Tatsächliche Quantensprünge sind zu erwarten, wenn der Blick sogar auf die sehr kundenorientierte Konsum- und Dienstleistungsindustrie gerichtet wird. Der „Circle of Inspiration“ bleibt hinsichtlich Kostenmanagement in der Airline-Branche, lenkt die Aufmerksamkeit beim Thema Umsatzwachstum auf die Systempartner der Fluggesellschaften – die Airports – und zeigt auf, wie viel Potenzial bei Markenstärke, Kundennähe und Innovationskraft sowie bei Marktpräsenz besteht, wenn man die Top 10 weltweiter Marken oder die Top-3-Expresszusteller oder auch Automobilhersteller betrachtet. Die Studie zeigt, dass es für erfolgreiche Airlines durchaus Handlungsspielraum gibt. Die Fluggesellschaften, die diesen nutzen, werden weiterhin große Teile ihrer Mitarbeiter und Bevölkerung faszinieren und emotionalisieren. Anders als viele andere Industrien haben sie eine gute Startposition: Fliegen ist noch immer attraktiv – dazu gehört ganz natürlich, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Abheben durch Insipiration von außen 3 1. Einleitung Der Luftverkehrsmarkt ist derzeit von zahlreichen unterschiedlichen Modellen und von einem enormen Wandel geprägt. So erfuhren Low-Cost-Carrier (LCC) einen starken Wachstumstrend innerhalb Europas. Legacy-Carrier wiederum gehen Konsolidierungen ein, um sich in Anbetracht der Billiganbieter aber auch der Konkurrenz aus dem Nahen Osten, die zum Großteil auf Langstrecken ausgerichtet ist, stärker im Markt zu positionieren. Auch vor dem Hintergrund weiter steigender Kosten für Kerosin, Steuern und Abgaben stellt sich die Frage, wie sich die Airlines weiter entwickeln werden. Die internationale Regulierung der Luftverkehrsmärkte stellt einen weiteren wichtigen Faktor für die zukünftige Entwicklung der Airline-Industrie dar. Es ist daher zu überlegen, was Airlines von heute tun müssen, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und welche Erfolgsfaktoren die Gewinner von morgen verfolgen müssen. In dieser Studie wird – ausgehend von der Entwicklung der letzten 20 Jahre – beleuchtet, wie sich die Industrie in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Verharrt die Airline-Industrie international in ihrem Korsett aus regulierter Marktzugangs- und Beteiligungsregulierung? Oder schreitet die Liberalisierung und Deregulierung voran und werden wir in einigen Jahren einen Luftverkehr in global freiem Wettbewerb sehen? Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der Grad der Liberalisierung zwar das Tempo und den Zeitpunkt der weiteren Konsolidierung der Branche bestimmt, dies aber keinen Einfluss auf die Erfolgsfaktoren und ihre erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Anwendung durch die Airlines hat. Schon heute zeichnet sich ab, welche Airlines die Erfolgsfaktoren der Zukunft erkannt haben und wer sich entsprechend rüstet. Ziel der Studie ist es zu bestimmen, welche Airline-Gruppen in EMEA (Europe, Middle East und Africa) aus heutiger Sicht am besten für die Zukunft vorbereitet sind. Hierzu wurden die Top-7-Fluggesellschaften in EMEA gemessen an geflogenen Passagierkilometern (RPK, Revenue Passenger Kilometer) analysiert. Diese Top 7 setzen sich zusammen aus den drei großen Legacy-Carrier-Gruppen Air France-KLM, Lufthansa Group und IAG mit British Airways und Iberia, den zwei Low-Cost-Carriern Ryanair und easyJet sowie den beiden aufstrebenden Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten Turkish Airlines und Emirates Airline. Aus der Analyse ergeben sich fünf zentrale Kriterien, an denen sich Airlines der Zukunft messen lassen müssen: Kostenmanagement, Erlösmanagement, Markenstärke, Kundennähe und Marktpräsenz. Zentral ist die Annahme, dass ein reines Kostenmanagement, obwohl nicht zu vernachlässigen, nicht das einzige Erfolgskriterium für die Zukunft darstellt. Die Airlines werden sich vermehrt darum bemühen müssen, von anderen zu lernen und neben einer stetigen Erweiterung der Einnahmequellen auch konsequent ihre Marke auszubauen. Zudem werden sie durch nachhaltige Innovationen Kundennähe beweisen und kontinuierlich ihre Markenpräsenz, insbesondere fernab des Heimatmarktes, ausbauen müssen, um eine globale Präsenz aufzubauen. Zu jedem der Kriterien wird am Ende der Studie ein Ranking der drei analysierten Gruppen erfolgen, um die derzeitigen Vorreiter aus europäischer Sicht zu ermitteln, beziehungsweise um Nachholpotenziale für die anderen Gruppen aufzuzeigen. Die Airline-Gruppen werden hinsichtlich der einzelnen Erfolgsfaktoren untereinander verglichen. Es zeigt sich jedoch, dass ein Vergleich mit dem unmittelbaren Wettbewerb nicht mehr reicht. Es ist daher hilfreich, sich innerhalb der Luftverkehrsbranche auch die erfolgreichen Zulieferer anzuschauen und sich ein Beispiel an anderen kundennahen Branchen (Dienstleistungen, Konsumgüter) zu nehmen. Abheben durch Insipiration von außen 4 2. Rückblick auf die letzten 20 Jahre 2.1 Entwicklung der Passagierzahlen 1992-2011 Der Weltluftverkehr präsentiert sich als ein sehr dynamischer und attraktiver Wachstumsmarkt. Dies trifft insbesondere für die Mengenentwicklung zu. Die globalen Passagierzahlen sind in den letzten 20 Jahren von 1,1 Milliarden auf 2,7 Milliarden mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 4,4 Prozent im Jahr gewachsen. Das Wachstum der mit der Flugdistanz multiplizierten Kennzahl RPK liegt für den Zeitraum 1992 bis 2011 bei 4,1 Prozent (von 2,3 Billionen auf 5,2 Billionen) (Abb. 1). Im Vergleich dazu wuchs das Bruttoinlandsprodukt im selben Zeitraum nur um 3,4 Prozent. Vergleicht man allerdings nicht die Menge, sondern die Marktgröße der Airline-Industrie in Euro, so konnte die Größe der Industrie nicht mit dem rasanten Wachstum der Passagierzahlen mithalten. Tatsächlich ist der Luftverkehr in den letzten 20 Jahren real gerade einmal mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 2,7 Prozent im Jahr gewachsen. Dies ist damit zu begründen, dass die durchschnittlichen Erlöse pro Flugreisenden real gesunken sind. Nominell wuchsen die Umsätze der Airlines von 203 Milliarden US-Dollar in 1992 auf 598 Milliarden US-Dollar in 2011. Gleichzeitig ist der Luftverkehr ein sehr zyklischer Markt, der schnell von wirtschaftlichen Entwicklungen betroffen ist und zudem empfindlich auf globale Krisen reagiert – seien sie politisch (zum Beispiel Golfkriege, 11. September 2001), gesundheitlich (zum Beispiel SARS, Vogelgrippe), durch Wirtschaftskrisen bedingt oder durch Naturkatastrophen hervorgerufen (zum Beispiel Fukushima, Aschewolke durch den Ausbruch des Eyjafjallajökull). Die AirlineIndustrie schafft es nicht, nachhaltig Wert zu schaffen (Abb. 2, hier vornehmlich die in der IATA organisierten Linienfluggesellschaften). Mit einem durchschnittlichen Jahresverlust von 0,3 Prozent des Umsatzes seit 1992 wird Eigenkapital vernichtet. Und auch die Perioden mit Nettogewinnen (1995-2000, 2010-2011) liegen weit unter den Vorstellungen von Investoren und den Umsatzrenditen anderer Branchen. Abbildung 1 Entwicklung in der Luftfahrtindustrie (Index 1992 = 100) CAGR (1992-2011) Index 240 220 200 180 160 Passagiere RPK + 4,4 % + 4,1 % Flugbewegungen + 3,4 % Reale Umsätze der Airlines + 2,7 % 140 120 100 0 ’92 ’94 ’96 ’98 ’00 ’02 ’04 ’06 ’08 ’10 Quelle: A.T. Kearney; ACI; ICAO; IMF1; Weltbank 1 ACI = Airports Council International, ICAO = International Civil Aviation Organization, Internationale Zivilluftfahrtorganisation, IMF = International Monetary Fund, Internationaler Währungsfond Abheben durch Insipiration von außen 5 Abbildung 2 Jahresüberschuss der weltweit operierenden Airlines (in Prozent des Gesamtumsatzes, 1992–2011) Jahresüberschluss (Prozent) 5 4 3 2 1 0 Ø–0,3 -1 -2 -3 -4 -5 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 Quelle: ICAO; IATA 2.2 Regulierung und Deregulierung Der Luftverkehr ist traditionell von nationalen, politischen, ökonomischen und auch militärischen Interessen geprägt. Er wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts in allen Nationen als Wachstumsmotor der heimischen Wirtschaft und Verbindung zur Weltwirtschaft identifiziert. Daher wurden in nahezu allen Ländern Staatsairlines, sogenannte Flag-Carrier, gegründet. Der Verkehr wurde auf politischer Ebene sowohl national, als auch durch bilaterale Abkommen international geregelt. Das heißt, es wurde definiert, welche Airlines mit welchen Kapazitäten welche Flughäfen anfliegen und welche Länder überflogen werden durften. Die IATA definierte und regulierte unter anderem Preise, Interline-Abkommen zur gegenseitigen Akzeptanz und Verrechnung von Flugscheinen sowie Servicestandards. Der Luftverkehr wurde in den USA Ende der 70er-Jahre und in Europa von 1988 bis 1997 stufenweise für nationale beziehungsweise EU-Verkehre dereguliert und liberalisiert. In den USA und Europa durften mit der Liberalisierung die beheimateten Airlines Strecken frei auswählen und Preise frei definieren. Der Marktzugang wurde erheblich erleichtert, womit die Gründung neuer privater Airlines stark vereinfacht wurde. Dennoch bleiben einige Bereiche bis heute reguliert, wie zum Beispiel die Nationalität der Eigentümerstruktur, der Fluggesellschaften oder die Kabotage von Fluggesellschaften, die nicht zum jeweiligen Wirtschaftsraum gehören.2 In Europa wurde zudem der internationale Verkehr mit Ländern außerhalb der EU derart geregelt, dass für alle europäischen Airlines gleiche Bedingungen gelten. Es wurden daher nach und nach bilaterale Abkommen mit Nicht-EU-Staaten durch Abkommen auf EU-Ebene ersetzt oder nationale Abkommen mussten dahingehend geändert werden, dass einzelne Airlines keinen Vorteil haben. Bis heute behalten sich aber die Staaten vor, den Verkehr mit Airlines, die nicht dem Wirtschaftsraum angehören, zu regulieren, indem sie zum Beispiel bestimmen, welche Flughäfen mit welchen Kapazitäten von nicht beheimateten Airlines angeflogen werden dürfen. Die deutsche Bundesregierung bestimmt beispielsweise, dass die Emirates Airline vier Flughäfen in Deutschland anfliegen darf. 2 Unter Kabotage wird die Realisierung von Flügen innerhalb des Binnenmarkts verstanden. Innerhalb der EU handelt es sich um Kabotage wenn sowohl der Abflugs- als auch der Ankunftsort in der EU sind. Abheben durch Insipiration von außen 6 Gerne werden die Verkehrsrechte auch als politisches Druckmittel genutzt, um bestimmte Interessen durchzusetzen. So führt aktuell der Streit um den Emissionshandel für den Luftverkehr in der Europäischen Union zu Nachteilen für EU-Airlines. Als Reaktion auf die geplanten Emissionsabgaben drohte Indien zudem mit der möglichen Vergeltungsmaßnahme, Verkehrsrechte für EU-Airlines nicht mehr zu verlängern. Russland wiederum nutzt Überflugrechte und -entgelte als Druckmittel. So wurden beispielsweise Lufthansa Cargo für bestimmte Flüge temporär keine Überflugrechte gewährt. Die Vereinigten Staaten prüfen, ob sie Airlines die Teilnahme am Handelssystem für Emissionsrechte (EU ETS3) per Gesetz untersagen können. Und auch China versuchte seine politischen Interessen durchzusetzen, indem es der Lufthansa verweigerte, einen A380 nach Shanghai einzusetzen. Der weltweite Luftverkehr ist trotz deutlicher Fortschritte bei der Liberalisierung in einzelnen Regionen noch weit von einem freien Markt entfernt. 2.3 Neuordnung des Marktes Die Liberalisierung resultierte – vor allem durch den wesentlich freieren Marktzugang und die freie Preisbildung in den USA und der EU – in einem zunehmenden Wettbewerb. Es entstanden auf der Kurz- und Mittelstrecke Low-Cost-Carrier mit wesentlich günstigeren Kostenstrukturen als bei den etablierten Fluggesellschaften. Diese wurden daher gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und ihre Kostenstrukturen deutlich anzupassen. In den USA hat dies bei fast allen etablierten Airlines mindestens einmal zum (Insolvenz-)Betrieb unter den Bedingungen des sogenannten Chapter 114 geführt. So war es den US-Airlines möglich, über Neuverhandlungen Leasingverträge zu ändern, über eine Reorganisation beziehungsweise Gläubigernachlässe Schulden abzubauen und vor allem auch die hohen Personalkosten zu senken – und somit wieder profitabel zu werden. Die Reorganisation war jedoch nicht bei allen Airlines erfolgreich. Pionierunternehmen wie beispielsweise PanAm und TWA mussten ihren Betrieb einstellen, US Air (später US Airways) geriet zweimal in Folge unter Gläubigerschutz, bis sie mit America West fusionierte und zuletzt flog American Airlines unter den Bedingungen des Chapter 11. In Europa hat die Liberalisierung zu einer Privatisierung der Staatsairlines geführt. International haben die etablierten Airlines in den 90er-Jahren damit begonnen, durch Partnerschaften ihre weltweiten Netze zu erweitern. 1997 gründeten United Airlines, Thai Airways, Varig, Lufthansa und Air Canada mit der Star Alliance die erste weltumspannende Allianz mit Airlines von vier Kontinenten. Es folgten die Bündnisse oneworld und SkyTeam (Tabelle 1). Seit ihrer Gründung sind die Allianzen auf weltumspannende Netze mit teilweise weit über 20 Mitgliedern angewachsen. Im internationalen Verkehr haben die drei führenden Allianzen weltweit eine Marktabdeckung von knapp 70 Prozent5 , ab Europa liegt der Anteil sogar bei 75 bis 80 Prozent (Abb. 3). Nach der Krise 2001/2002 verstärkte sich innerhalb Europas die Konsolidierung und auch die Finanzkrise hat seit 2009 diesen Prozess noch einmal angefacht. Viele kleinere ehemalige Staatsairlines kamen nach und nach in Schwierigkeiten und wurden durch ihre größeren Konkurrenten übernommen. Innerhalb der letzten 20 Jahre formten sich drei große AirlineGruppen in Europa: IAG mit Britisch Airways und Iberia, Air France-KLM und die Lufthansa Group mit Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines und brussels airlines (Abb. 3). In Deutschland sind zudem zahlreiche Fluggesellschaften in airberlin aufgegangen, die mittlerweile zur oneworld 3 EU ETS = European Union Emission Trading System, EU-Emissionshandel 4 Nach US-Konkursrecht kann ein Unternehmen einen Insolvenzantrag nach Chapter 11 stellen und seine Geschäfte unter temporärem Gerichtsschutz vor den Gläubigern weiter führen, sich reorganisieren und sanieren. 5 IATA WATS 56th Edition Abheben durch Insipiration von außen 7 Tabelle 1: Airline-Allianzen Star Alliance SkyTeam oneworld Adria Airways Aeroflot airberlin Aegean Airlines Aerolíneas Argentinas American Airlines Air Canada Aeroméxico British Airways Air China Air Europe Cathay Pacific Air New Zealand Air France Finnair All Nippon Airways Alitalia Iberia Asiana Airlines China Airlines Japan Airlines Austrian Airlines China Eastern LAN AviancaTaca China Southern Airlines Qantas Airways Blue1 Czech Airlines Royal Jordanian Brussels Airlines Delta Air Lines S7 Airlines Copa Airlines Kenya Airways Croatia Airlines KLM Royal Dutch Airlines EgyptAir Korean Air Ethiopian Airlines Middle East Airlines LOT Saudia Lufthansa TAROM SAS Scandinavian Airlines Vietnam Airlines Singapore Airlines South African Airways Swiss TAM Linhas Aéreas TAP Portugal Thai Airways International Turkish Airlines United Airlines US Airways 27 Mitglieder 18 Mitglieder 11 Mitglieder Quelle: A.T. Kearney; Star Alliance; SkyTeam; oneworld; Stand August 2012 Allianz gehört. Aufgrund der Regulierung der Besitzanteile fand eine Konsolidierung bislang nur innerhalb der Regionen statt. Im weltweiten Maßstab ist die Konsolidierung noch vergleichsweise gering ausgeprägt. So haben die Top-5-Airline-Gruppen weltweit zusammen gerade einmal knapp 25 Prozent Marktabdeckung. Die derzeit größten fünf Airlines sind United-Continental mit 6,4 Prozent, Delta mit sechs Prozent, American Airlines mit 4,2 Prozent, Air France-KLM mit 4,2 Prozent sowie die Lufthansa Group mit 3,9 Prozent Marktanteil an RPK im Jahr 2011. Dies stellt im Vergleich zu anderen konsolidierten Branchen eine relativ unbedeutende Größenordnung dar. Aber auch die neu entstandenen Fluggesellschaften waren bei weitem nicht alle erfolgreich und viele verschwanden wieder vom Markt. Allein in Europa stellten in den letzten 20 Jahren Abheben durch Insipiration von außen 8 Abbildung 3 Konsolidierung der europäischen Airlines-Branche6 1990-1999 Lead 2000-2009 2010-heute Tyrolean Rheintalflug Lauda Air Crossair Austrian Airlines NFD Brymon Airways LTU UTA Transavia Brit Air RFG Swissair Austrian Airlines Air Berlin Aviaco Air Inter Aero Maritime Airlines konsolidiert in Iberia British Airways Air UK VLM KLM Air France Proteus Airlines CityJet Flyniki Air Berlin Dan-Air Flandre Air bmi brussels airlines dba LTU British Airways NLM Crossair Lufthansa Deutsche BA Air France eurowings SWISS Lufthansa bmi Aero Lloyd Iberia eurowings EuroBelgian Sabena Martinair Martinair Brit Air Régional Star Alliance Lufthansa Group Adria, Aegean, Croatia Airlines, LOT, SAS, TAP, Turkish Airlines oneworld airberlin IAG Finnair, S7 Airlines Skyteam Air France-KLM Aeroflot, AirEuropa, Alitalia Czech Airlines 45-50% europäischer Binnenmarkt 75-80% Interkontinentalverkehr ab Europa CityJet KLM Lufthansa Group IAG airberlin Air France-KLM Globale Airline-Allianzen Unabhängige europäische Fluggesellschaften verbunden über Alllianzen Quelle: A.T. Kearney mehr als 120 Fluggesellschaften ihren Betrieb ein. Die bis heute bedeutendsten und erfolgreichsten Low-Cost-Airlines sind Southwest Airlines in den USA, AirAsia in Asien und Ryanair in Europa. Daneben hat sich in Europa vor allem easyJet behauptet. In den letzten zehn Jahren sind zudem die Fluggesellschaften aus Asien, insbesondere China und dem Nahen Osten, rasant gewachsen. Sie haben in Europa – ähnlich wie die LCC im Kurzund Mittelstreckenbereich – den Wettbewerb auf der Langstrecke vor allem in den Nahen Osten, nach Asien und Ozeanien durch preisgünstige Verbindungen angefacht. Ähnlich wie die LCC dringen diese Airlines mit einem enormen Flottenwachstum, Kosten vorteilen und massiven neuen Kapazitäten in den Markt vor und liegen damit weit über der prognostizierten Entwicklung. Einerseits führt dies zu zusätzlichem Wachstum, weil fortan auch Langstreckenflüge für immer mehr Menschen erschwinglich werden, andererseits verschieben sich Marktanteile. Die Herausforderungen im Wettbewerb der Airlines wurden in den letzten Jahren durch immer kürzer aufeinanderfolgende Krisen sowie rasant steigende Treibstoffpreise verschärft. Treibstoffkosten machten vor zehn Jahren zum Beispiel bei Ryanair noch 22 Prozent und bei Lufthansa nur zehn Prozent der operativen Kosten aus. 2011 ist dieser Anteil bei Lufthansa auf 25 Prozent, bei Ryanair sogar auf 43 Prozent angestiegen. 6 British Midland International (bmi) gehört seit 2012 zu IAG Abheben durch Insipiration von außen 9 3. Aktuelle Entwicklung und Ausblick In den letzten vier Jahren wurde die Liberalisierung des internationalen Luftverkehrs in den USA und Europa weiter vorangetrieben. Durch Open-Skies-Abkommen, die die USA zum Beispiel mit der EU, der Schweiz, Österreich und im Oktober 2011 mit Japan geschlossen hat, wurde der inter nationale Luftverkehr weiter liberalisiert. Damit sind Verkehre zwischen diesen Regionen weitest gehend frei. Allgemein bleibt die Airline-Industrie trotz der Liberalisierungstendenzen weiterhin sehr stark durch einen staatlichen Rahmen geprägt. Die Beteiligung von ausländischen Investoren an Fluggesellschaften sowie die Rechte zum Transport innerhalb der jeweils anderen Regionen sind zum Beispiel weiterhin stark reguliert. So liegt die Obergrenze von stimmberechtigten Eigentumsanteilen ausländischer Investoren an US-Airlines bei 25 Prozent. Im EU-Raum können sich Nicht-EU-Investoren mit bis zu 49 Prozent an europäischen Luftfahrtunternehmen beteiligen. Das Festhalten an bestehenden Gesetzen zu Eigentumsverhältnissen wird von der Seite der USA unter anderem damit begründet, dass zivile Flugzeuge in den USA durch die Civil-Reserve-Air-Fleet-Bestimmung von den Streitkräften der Vereinigten Staaten zum Truppentransport eingesetzt werden können und dies bei ausländischen Besitzverhältnissen zu Problemen führen könnte. Eine vorhandene Infrastruktur mit einem rund um die Uhr operierenden Betrieb und ausreichen den Kapazitätsreserven ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Airlines, vor allem für große Hub-Carrier, die stark von ihren Drehkreuzen, den sogenannten Hubs, abhängig sind. Kapazitätsobergrenzen und Beschränkungen für einen weiteren Ausbau wie zum Beispiel in London, Paris oder Frankfurt (inklusive Nachtflugverbot) stellen eine große Herausforderung Abbildung 4 Vergleich Flughafenkapazität europäischer Drehkreuze und Wachstumsregionen7 Passagierkapazität in Mio. 140 135 Wachstumsregionen Europäische Drehkreuze 120 100 100 90 90 80 80 66 60 40 20 0 Quelle: A.T. Kearney; Jahresberichte der Flughäfen 2011; Unternehmensangaben 2012; Center of Aviation 2011 7 Die Kapazitäten in den Wachstumsregionen sind teilweise noch im Bau bzw. in Planung befindlich. Die geplante Kapazität für Dubai bezieht sich nur auf DXB ohne den neuen Flughafen DWC, der mit einer Langfristkapazität von 160 Millionen Passagieren geplant ist. Abheben durch Insipiration von außen 10 Abbildung 5 Durchschnittliche EBIT-Marge der Top-7-EMEA-Airlines 2002-2011 Low-Cost-Carrier Industrie Langstreckenfluggesellschaften Air France – KLM Industrie-Durchschnitt durchschnittliche Lufthansa Group Kapitalkosten British Airways easyJet Turkish Airlines Emirates Airline Ryanair 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Unternehmen 2002 bis 2011/12; Bloomberg für die europäischen Legacy-Carrier dar. Die Low-Cost-Airlines haben mit ihrer operativen Struktur in dieser Hinsicht einen weit größeren Handlungsspielraum, da sie Punkt-zu-PunktVerbindungen bedienen und nicht von einem konkreten Hub abhängig sind. Sie sind von den Kapazitätsengpässen an den großen Hubs nicht oder weniger betroffen. Außerhalb Europas, vor allem in Wachstumsregionen des Nahen Ostens und Asiens, wurde früh erkannt, dass die Kapazitätserweiterung einen Grundstein für das zukünftige Wachstumspotenzial darstellt. In vielen Regionen werden derzeit Mega-Flughäfen erbaut, um die rasante Zunahme an Flugaufkommen bewältigen zu können (Abb. 4). Nach einer Bloomberg-Studie konnten weltweit nur fünf Low-Cost-Carrier und sechs Langstreckenfluggesellschaften identifiziert werden, die zwischen 2000 und 2009 wenigstens die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten von sieben bis acht Prozent übertrafen. Die durchschnittliche EBIT-Marge der Airline-Industrie lag in diesem Zeitraum unter einem Prozent. Von den Top-7-EMEA-Airlines konnten nur Ryanair, Emirates Airline und Turkish Airlines in den letzten zehn Jahren die Kapitalkosten decken (Abb. 5). Die europäischen Legacy-Carrier lagen bei durchschnittlich 1,5 bis sechs Prozent und damit zwar über dem Gesamtindustriedurchschnitt, doch mit erkennbarem Abstand zur Spitzengruppe. Nun stellen sich die Fragen, ob Airlines weiterhin staatlich gestützt werden und ob Politiker an Flag-Carriern festhalten können. Dazu müssten Jahr um Jahr öffentliche Gelder in bis zu dreistelliger Millionenhöhe aufgebracht werden. Dem aktuellen Trend zufolge ist diese Frage zu verneinen. Die Finanzkrise und die Verschuldung der öffentlichen Haushalte macht eine Unterstützung der Airlines zunehmend schwieriger zu rechtfertigen und auch die Europäische Kommission hat den Staatshilfen den Kampf angesagt. Unprofitable Airlines, darunter auch Legacy-Airlines wie Malev, Olympic oder Spanair stellen den Betrieb Abheben durch Insipiration von außen 11 ein beziehungsweise werden wie Swiss, Sabena (jeweils Nachfolge-Airlines) und Austrian Airlines übernommen, fusionieren mit größeren Partnern wie Iberia und KLM oder werden wie airberlin durch Beteiligungen anderer Airlines gestützt. Aber auch die großen drei Airline-Gruppen der ehemaligen Flag-Carrier in Europa (Air France-KLM, Lufthansa Group und IAG) werden in den kommenden Jahren nachweisen müssen, dass sie eigenständig nachhaltig profitabel fliegen können. Auch wenn es aktuell widersprüchliche Anzeichen in Bezug auf eine mögliche weitere Liberalisierung des weltweiten Luftverkehrs gibt, so sind doch folgende Trends zu erkennen: • Weltweit Erweiterungen der Liberalisierung auf regionaler Ebene und Lockerung der Regulierung – es werden vermehrt Verkehrsrechte auch ohne Deregulierung gewährt • Rückgang staatlicher Unterstützung • Zunehmender internationaler Wettbewerb • Abflachen des Wachstums der LCC in den USA und Europa • Starkes Wachstum der LCC in Asien • Regionale Konsolidierung in Europa und den USA • Zunahme internationaler Beteiligungen und Verflechtungen Die Entwicklung des Luftverkehrs war stets stark von staatlicher Einflussnahme und regulatorischen Bedingungen geprägt. Daher ist auch in den kommenden Jahren davon auszugehen, dass die weitere Entwicklung mit davon geprägt wird, wie sich Regulierung und staatliche Einflussnahme auf globaler Ebene entwickeln. Auf folgende zwei Szenarien sollten sich Fluggesellschaften im äußersten Fall einstellen: A. Die Regulierung des weltweiten Luftverkehrs verharrt im Status quo. B. Der Luftverkehr wird weltweit liberalisiert. Airlines können international Kabotage betreiben und es gibt keine Marktzugangsbeschränkungen. Internationale Kapitalverflechtungen inklusive Mehrheitsbeteiligungen sind möglich und staatliche Unterstützungen entfallen. Betrachtet man einen Horizont von zehn bis 20 Jahren, sind beide Szenarien möglich. Für Szenario A spricht, dass derzeit noch nicht alle Airlines weltweit privatisiert sind, weltweit unterschiedliche Standards in der Unterstützung der Airline-Industrie bestehen und daher nach Ansicht von vielen Lobbyisten global bislang kein fairer Wettbewerb gegeben ist. Dies führt wiederum dazu, dass die „heimische Industrie“ vor unfairem Wettbewerb geschützt werden muss. Für Szenario B spricht, dass die großen Märkte, nämlich die USA, Europa, Japan und Australien bereits weitgehend liberalisiert sind und unter vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen operieren. Auch nimmt der Druck auf die öffentlichen Haushalte zu, so dass Interventionismus im Luftverkehr weniger leicht umzusetzen ist. Angesichts dieser Unsicherheit und der gegebenen externen Faktoren und staatlichen Rahmenbedingungen ist es für die Fluggesellschaften wichtig, Rezepte zu entwickeln, die sie selbst beeinflussen können und mit denen sie sich im Markt auf lange Sicht nicht nur behaupten, sondern auch ihre Stellung ausbauen können. Abheben durch Insipiration von außen 12 4. Erfolgsfaktoren für die Airline der Zukunft Airlines befinden sich in vielen Regionen und insbesondere in Europa in einem starken Wettbewerb und damit im Preiskampf am Himmel. Kostensenkungsprogramme alleine reichen dennoch nicht mehr aus, um den wirtschaftlichen, geopolitischen und regulatorischpolitischen Herausforderungen zu begegnen. Es gibt fünf entscheidende Erfolgsfaktoren, um sowohl in Szenario A, also im Status quo, als auch in Szenario B, also in einem weltweit liberalisierten Markt, zu bestehen: 1. Kostenmanagement – Kontinuität und Flexibilität 2. Erlösmanagement – alternative Quellen 3. Markenstärke – klares Werteversprechen 4. Kundennähe – bunte, innovative Unternehmen („diversity“) 5. Marktpräsenz – Präsenz in Zielmärkten, Globalisierungsstrategie Wir haben die Airlines in Bezug auf diese Kriterien verglichen. Primär wurden die sieben führenden Airlines in Europa und dem Nahen Osten, gemessen an RPK, untersucht. Sie wurden in drei Gruppen unterteilt: • Drei europäische Legacy-Carrier, vertreten durch Air France-KLM, British Airways (seit 2010 als IAG inklusive Iberia) und Lufthansa Group • Zwei europäische LCC, vertreten durch easyJet und Ryanair • Zwei Herausforderer mit Emirates Airline und Turkish Airlines Selektiv wurden zu den oben erwähnten Gruppen weitere Beispiele entweder aus der Flugindustrie oder aus anderen Industrien herangezogen. Aus der Untersuchung geht hervor, dass der Vergleich innerhalb der Airline-Industrie bezüglich traditioneller Aspekte d Dienstleistun -un gs er t un gü rts tfah ystem uf L men eh rn te Kon su m Abbildung 6 Circle of Inspiration lin e- Se po Air rts Airlines r vic e s, A ir Quelle: A.T. Kearney Abheben durch Insipiration von außen 13 (Kostenmanagement) bereits sehr aufschlussreich ist. Beim Erlösmanagement bietet es sich an, über den Tellerrand des unmittelbaren Wettbewerbs hinauszuschauen und sich ein Beispiel an den Flughäfen zu nehmen. Und wer wirklich den Wettbewerb prägen will und als „First Mover“ aus dem aktuellen verzweifelten Preiswettkampf austreten will, wird nicht umhin kommen, von anderen kundennahen Industrien (zum Beispiel Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche) zu lernen (Abb. 6). 4.1 Kostenmanagement Die Stückkosten in Eurocent pro angebotenem Sitzkilometer (ASK)8 der verschiedenen Fluggesellschaften unterscheiden sich teilweise sehr deutlich (Abb. 7). Aufgrund der geringen Beeinflussbarkeit und des hohen Anteils wurden die Kerosinkosten herausgerechnet, um die Veränderungen der beeinflussbaren Kosten stärker herauszustellen. Die Entwicklung der Kosten pro ASK ohne Kerosin war bei den untersuchten Airlines sehr unterschiedlich. Ausgehend vom höchsten Ausgangswert unter den Top 7 in EMEA, der bei 8,8 Eurocent lag, erreichte die Lufthansa Group die höchsten absoluten Einsparungen in Höhe von 2,8 Eurocent pro ASK (32 Prozent). Im selben Zeitraum reduzierte Ryanair die Stückkosten um 54 Prozent von vier auf 1,8 Eurocent. Eine bemerkenswerte Entwicklung vollzog auch Norwegian, die ihre Kosten pro ASK sogar um 8,5 Eurocent (66 Prozent) von 12,8 Eurocent im Jahr 2003 auf 4,3 Eurocent 2011 senken konnte. Norwegian profilierte sich ab September 2002 als Low-Cost-Airline und erweiterte kontinuierlichihr Flugangebot. Innerhalb weniger Jahre gelang es der Airline, sich dem Kostenniveau der Billigfluggesellschaft easyJet zu nähern. Abbildung 7 Vergleich Kosten der letzten 10 Jahre ohne Kerosin (real, Basisjahr 2011)9 Operative Kosten ohne Kerosin in Eurocent/ASK Δ Absolut CAGR (2002–2011) (2002–2011) 9,0 Air France-KLM 8,0 British Airways 7,0 Lufthansa Group 6,0 Ryanair easyJet Emirates 5,0 Turkish Airlines 4,0 – 2,3 – 1,8 – 2,8 – 1,7 – 2,2 – 0,5 – 1,4 – 4,0 % – 3,5 % – 3,8 % – 3,5 % – 7,4 % – 1,6 % – 3,1 % 3,0 2,0 1,0 ’02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 ’11 Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2002-2011/12 8 ASK = engl. available seat kilometer 9 Daten für Air France-KLM: 2003-2011. Da einige Airlines neben Passagiertransport auch andere Dienstleistungen wie zum Beispiel Cargotransport, Catering, IT-Dienstleistungen etc. anbieten, mussten zur Ermittlung der Kosten für das Passagiergeschäft teilweise Annahmen getroffen werden. Ryanair und easyJet sind reine Passagierairlines und Lufthansa weist Zahlen für das Passagiergeschäft gesondert aus, daher mussten keine Annahmen getroffen werden. Für AirFrance-KLM und Turkish Airlines konnten einzelne Kosten positionen mit dem Quotienten „Umsatz Passagiergeschäft/(Passageumsatz + Cargoumsatz)“ approximiert werden. Die Daten für British Airways und Emirates beziehen sich auf das Gesamtunternehmen, da keine Trennung vorgenommen werden konnte. Abheben durch Insipiration von außen 14 Abbildung 8 Durchschnittliches EBIT und Stückkosten Ø Operativer Gewinn 2009-2011 in Eurocent/ASK 0,6 Ryanair 0,5 Emirates Airline 0,4 easyJet 0,3 Lufthansa Group Turkish Airlines 0,2 0,1 British Airways 0,0 -0,1 -0,2 Air France-KLM 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Ø Operative Kosten 2009-2011 in Eurocent/ASK Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2010-2011/12 Im Gegensatz zu den LCC, deren Potenzial zu weiteren erheblichen Kosteneinsparungen aufgrund der bereits niedrigen Kostenstrukturen begrenzt ist, haben die europäischen Legacy-Carrier noch weiteren Raum für Kostensenkungen, womit sie ihre Ergebnisse verbessern könnten. Je nachdem wie die Airlines die Erlösseite gestalten, sagen die Stückkosten nur bedingt etwas über die Profitabilität einer Airline aus. Airlines mit niedrigen Stückkosten sind aber in der Regel profitabler. Stellt man dem durchschnittlichen inflationsbereinigten EBIT der letzten drei Jahre in Eurocent pro ASK die operativen Kosten in Eurocent pro ASK gegenüber, so zeigt sich: Ryanair, Emirates, easyJet und Turkish Airlines konnten sich gegenüber fast allen europäischen Legacy-Carriern behaupten,indem sie pro ASK sowohl höhere operative Ergebnisse als auch niedrigere operative Kosten aufwiesen (Abb. 8). Eine Ausnahme bildet Lufthansa, die trotz hoher Stückkosten einen ähnlichen Gewinn pro ASK erzielte wie eaysJet und Turkish Airlines. Alle Airlines haben gemeinsam, dass sie in den letzten Jahren ihre operative Effizienz deutlich gesteigert haben. Diese Effizienzsteigerung wurde aber durch rasant steigende Kosten bei Treibstoffen und teilweise bei Abgaben nahezu kompensiert. Verbliebene Margen wurden aufgrund des Wettbewerbs an die Kunden weitergegeben. Mittels kurzfristiger Kostensenkungsmaßnahmen versuchen die Airlines weiterhin, dem negativen Trend der steigenden Treibstoffpreise entgegenzuwirken. Um auf die Dauer jedoch wettbewerbsfähig bleiben zu können, ist ein nachhaltiges und kontinuierliches Kostenmanagement notwendig. Alle Carrier haben Strategien zum Kostenmanagement und zur Kostensenkung erarbeitet und versuchen diese umzusetzen. Dabei ist bemerkenswert, wie sich das Vorgehen der etablierten Carrier im Vergleich zu den Low-Cost-Carriern unterscheidet. Während die etablierten Airlines mit dedizierten, hintereinander geschalteten Kostensenkungsprogrammen arbeiten, haben die LCC eine Kultur des Kostenbewusstseins geschaffen und kommen ohne spezielle Programme aus. Neben den Kostensenkungsmaßnahmen ist die Flexibilität, mit der ein Unternehmen auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren kann, ein entscheidender Erfolgsfaktor. Gerade in einem sehr zyklischen Umfeld sind die Unternehmen erfolgreicher, die in kurzer Zeit auf Abheben durch Insipiration von außen 15 veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Mit Flexibilität ist gemeint, wie kurzfristig Unternehmen auf Erfolg oder Misserfolg von Produkten und Leistungen und vor allem generelle Marktentwicklungen reagieren können. Dieser Aspekt gewinnt an Bedeutung, da die Zyklizität der Konjunkturen zugenommen und sich stark beschleunigt hat. Bei fast allen untersuchten Airlines haben sich in den letzten zehn Jahren die operativen Margen verschlechtert und lagen 2011 unter dem Durchschnitt des Betrachtungszeitraumes (Abb. 9). Einzig Ryanair und easyJet konnten sich relativ schnell nach der Krise in den Jahren 2008 bis 2009 erholen. Dies ist unter anderem auf mehr Flexibilität zurückzuführen. Um festzustellen, welche Hebel und Einflussmöglichkeiten Fluggesellschaften im Sinne einerProfitmaximierung haben, lohnt sich ein Blick auf besonders erfolgreiche und flexible Unternehmen anderer Industrien. Die erfolgreichen Unternehmen haben oft einen Großteil der Wertschöpfung ausgelagert. Sie fokussieren die Wertschöpfung auf ihre Kernkompetenzen sowie die Interaktion mit den Kunden (inklusive Marketing) und verlagern Risiken und Wertschöpfung an Partner und Zulieferer. Auch viele Airlines haben Aktivitäten wie Catering, Wartung oder Passagierabfertigung ausgelagert. Schwerpunkt der betriebsinternen Aktivitäten bilden Marketing, Netzmanagement und Erlösmanagement sowie die eigentliche Produktion: der Flugbetrieb. Die unterschiedliche Wertschöpfungstiefe und der Outsourcing-Grad der einzelnen Airlines wirken sich auf den Personalkostenanteil an den operativen Kosten aus (Abb. 10). Neben der Wertschöpfungstiefe spielen auch die absoluten Personalkosten sowie der Grad der Effizienz eine Rolle. Aber grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass mit sinkendem Personalkostenanteil die Flexibilität größer wird. Nur elf Prozent der operativen Kosten von Ryanair waren 2011 Personalkosten, bei Emirates Airline und easyJet waren es lediglich 13 Prozent, wohingegen der Anteil bei den europäischen Legacy-Carriern zwischen 24 und 30 Prozent lag. Abbildung 9 Entwicklung EBIT-Margen der Airlines in den letzten zehn Jahren EBIT-Marge 32% 28% 24% 20% 16% Air France-KLM British Airways Lufthansa Group easyJet Ryanair Emirates Turkish Airlines BIP Wachstum 12% 8% 4% 0% -4% -8% ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2002-2011/12 10 10 Die jeweiligen Geschäftsjahre der Airlines enden zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dem Jahr wird jeweils der Geschäftsbericht mit dem größten Jahresanteil zugeordnet. Das Geschäftsjahr endet für Ryanair, Emirates und bis 2008 auch für British Airways und KLM-AirFrance am 31. März. Für EasyJet endet das Geschäftsjahr am 30. September, für Lufthansa, Turkish Airlines und ab 2009 auch für British Airways und KLM-AirFrance am 31. Dezember. Abheben durch Insipiration von außen 16 Abbildung 10 Anteil Personalkosten an operativen Kosten (2011) 30 % Air France-KLM British Airways 24 % Lufthansa Group 24 % 19 % Turkish Airlines Emirates 13 % easyJet 13 % Ryanair 11 % Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2011/2012 Der wesentliche Hebel der Flexibilität liegt darin, die Kapazität kurz- und mittelfristig nach oben oder unten anzupassen und die damit verbundenen wesentlichen Kostentreiber zu reduzieren. 4.2 Erlösmanagement Airlines werden sich mit reinem Kostenmanagement allein nicht mehr behaupten können. Höhere Kerosinpreise und andere Kosten können nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden. Airlines versuchen daher in unterschiedlichem Maße neue Einnahmequellen zu erschließen. Die Entwicklung der realen Erlöse pro RPK (Abb. 11) verlief bei den untersuchten Airlines unterschiedlich. Die Erlöse pro RPK sind bei Ryanair um fünf Eurocent (52 Prozent) gesunken, bei Lufthansa und AirFrance-KLM um 3,4 Eurocent (24 Prozent) beziehungsweise 2,4 Eurocent (21 Prozent). Hingegen verbuchten British Airways und easyJet eine Senkung von lediglich 1,7 Eurocent (17 Prozent) beziehungsweise 1,8 Eurocent (21 Prozent) pro RPK; Emirates Airline konnte die Erlöse sogar um 0,6 Eurocent (11 Prozent) pro RPK erhöhen. Nur durch einen ge stiegenen Sitzladefaktor von 77 auf 81 Prozent sieht es in Bezug auf ASK besser aus. Mit den Erlösen aus dem eigentlichen Fluggeschäft schaffen es die Fluggesellschaften kaum noch ihre Kosten aus dem operativen Geschäft, geschweige denn ihre Kapitalkosten zu decken. Zu groß sind der Wettbewerb und der Druck auf die Preise. Die Flughäfen haben es vorgemacht. Um sich von den Infrastrukturnutzungsentgelten unabhängig zu machen, haben alle größeren Flughäfen das Non-Aviation-Geschäft für sich entdeckt und ausgebaut. Zum Non-Aviation-Geschäft gehören unter anderem Parkhäuser, Shopping-Center, Abheben durch Insipiration von außen 17 Abbildung 11 Entwicklung Umsätze pro RPK beziehungsweise ASK (real, Basisjahr 2011) Umsatz Passagiergeschäft in Eurocent/RPK Umsatz Passagiergeschäft in Eurocent/ASK 15 11 14 10 13 9 12 8 11 7 10 6 9 5 8 4 7 6 3 5 2 4 ’02 ’03 ’04 Air France-KLM British Airways ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 Lufthansa Group easyJet ’10 ’11 1 ’02 Ryanair Emirates ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 Turkish Airlines Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2002-2011/12 Gastronomie, Hotels und Bürokomplexe. Der Bereich ist für fast alle größeren Flughäfen zur Hauptquelle für Margen geworden. Die Spitzenreiter der Branche generieren mittlerweile mehr als 50 Prozent ihrer Erlöse und den Großteil ihrer Gewinne durch diese Zusatzgeschäfte (Tabelle 2). Die drei großen Hubs in Europa erzielen rund 40 Prozent der Einnahmen aus dem Non- Aviation-Bereich. Der Anteil an der EBIT-Marge liegt für die Non-Aviation-Anteile sogar bei bis zu 80 Prozent. Somit tragen die Erlöse aus diesem Bereich überdurchschnittlich zum Ergebnis bei (Abb. 12). Tabelle 2 Anteil der Non-Aviation-Umsätze am Gesamtumsatz Flughafen Anteil Non-Aviation-Umsätze am Gesamtumsatz (2011) Top 3 mit dem höchsten Anteil Non-AviationUmsätze in Europa Oslo 58 Prozent Genf 49 Prozent London-Gatwick 47 Prozent Top-3-Hubs-Provider in Europa gemessen am Gesamtumsatz Aéroports de Paris 40 Prozent Fraport 40 Prozent London-Heathrow 38 Prozent Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Flughäfen 2011 Abheben durch Insipiration von außen 18 Abbildung 12 Umsatz- und EBIT-Aufschlüsselung europäische Hubs (2011) Illustrativ Aviation 20% Non-Aviation 60% 80% 40% Umsatz EBIT Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte Fraport; AdP; BAA (jeweils 2011) Auch Airlines versuchen durch Zusatzgeschäfte in unterschiedlichen Bereichen zusätzliche Umsätze (so genannte Ancillary Revenues) zu generieren und ihre Margen zu verbessern. Auf internationalen Flügen wird schon lange über den Duty-free-Verkauf Zusatzgeschäft generiert, wobei hier Korean Air mit etwa zwei Prozent am Gesamtumsatz als führend in der Branche gilt. Dennoch bleibt es ein vergleichsweise geringer Anteil. Das Geschäft mit Zusatzumsätzen ist in den letzten Jahren wesentlich vielseitiger geworden. Damit sind nicht die Diversifikation und Beteiligung an Tochterunternehmen gemeint, sondern zusätzliche Umsätze, die mit den Passagieren generiert werden können. Nach einer Studie von Textbox 1: Ancillary-Umsätze (Auswahl) Leistungen, die bisher inklusive waren und nun bei einigen Airlines gesondert berechnet werden • Bordverpflegung • Gepäckmitnahme • Sitzauswahl • Unterhaltung an Bord • Kreditkartenzahlung • Manueller Check-in/Ausdruck Bordkarte Zusatzleistungen mit direktem Bezug zur Flugreise • Duty-free/Bordverkauf • Besondere Sitzplätze mit mehr Beinfreiheit • Zugang zu Lounges • Priority-Check-In • Fast-Lanes • Early-Boarding • Wi-Fi Zugang • Umbuchung und Stornogebühren Provisionen für den Verkauf von Leistungen Dritter über den eigenen Vertriebskanal • Versicherungen • Mietwagen • Hotels • Flughafenzubringer Umsätze für Werbeflächen und Produktplatzierungen Partnerschaften im Kundenbindungsprogramm (Vielfliegerprogramm) • Verkauf von Meilen und Punkten zum Beispiel an Hotels, Mietwagen, Kreditkartenunternehmen, Kaufhausketten, etc. Abheben durch Insipiration von außen 19 Amadeus und IdeaWorks beziffern sich diese Ancillary Revenues weltweit auf etwa 23 Milliarden Euro. Das sind etwa 0,5 Prozent des Gesamtumsatzes der weltweiten Airline-Industrie. Das Geschäft mit Ancillaries ist aufgrund der geringen Margen für die Luftverkehrsleistung selbst für alle Airlines von großer Bedeutung. Daher versuchen sowohl die LCC als auch die „Full-ServiceCarrier“ diese auszubauen. Bislang gibt es keine eindeutige Abgrenzung dessen, was Ancillaries sind und was nicht. Daher unterscheiden sich auch Aussagen über die Höhe der AncillaryUmsätze. Zudem werden genaue Zahlen von den Fluggesellschaften nur selten veröffentlicht und transparent gemacht. Textbox 1 zeigt eine typische Auswahl an Quellen für Ancillary-Umsätze. Nach der Studie von Amadeus und IdeaWorks entfielen in den USA etwa 50 Prozent der Ancillary-Umsätze auf Vielfliegerprogramme, wovon in erster Linie die Allianz-Airlines mit global verbreiteten Kundenbindungsprogrammen profitierten. Gerade einmal ein Drittel der weltweit gesammelten Meilen wird demnach direkt durch Flüge gesammelt. Der Rest wird zum Beispiel durch Kreditkarten, Hotels oder Autovermietungen vergeben. Für jede dieser Meilen werden zwischen einem und 1,2 US-Cent an die Airlines gezahlt. Der größte Umsatz wird über die „Co-branded“ Kreditkarten generiert. Insbesondere für die Premium- und Legacy-Airlines wie zum Beispiel United Continental, Delta und American, aber auch Qantas, ist dies zum Milliardengeschäft geworden, das Kostennachteile gegenüber LCC im operativen Geschäft teilweise auszugleichen vermag (Tabelle 3). Der Markt für Zusatzleistungen befindet sich erst am Anfang und ist unter den Airlines weltweit noch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Teilweise drehen sich sogar die Verhältnisse um. So berechnen in den USA die LCC Southwest Airlines und JetBlue Airways keine Gebühren für das Gepäck, wohingegen die „Majors“ eine Gepäckgebühr kassieren. Zurzeit ist dies mit 20 Prozent Anteil an den Ancillary-Umsätzen der zweitgrößte Einzelposten. Gemessen am Gesamtumsatz wissen LCC am besten, wie sie Ancillary-Umsätze generieren (Abb. 13). 2011 lag mit der amerikanischen Low-Cost-Airline Spirit der Spitzenanteil der Ancillaries am Gesamtumsatz bei 33 Prozent. In Europa wurde dieses Konzept vor allem von easyJet und Ryanair erfolgreich umgesetzt. Beide Airlines wiesen 2011 einen Ancillary-Anteil am Gesamtumsatz von über 20 Prozent auf. In den USA schneiden die Legacy-Carrier wegen der Erlöse aus den Vielfliegerprogrammen vergleichsweise gut ab. Aber nicht alle Airlines setzen bislang auf diesen Trend. Die europäischen Legacy-Carrier setzen weitgehend weiterhin auf die Tabelle 3 Umsätze der Vielfliegerprogramme 2010 Airline Jahresumsatz (in Mio. Euro) Anzahl Mitglieder (in Mio.) United Continental 2.320 91 Delta 1.240 82 American 1.060 67 Qantas Group 880 7 TAM 390 8 Alaska 290 3 Iberia 20 4 Quelle: IdeaWorks; Geschäftsberichte der Airlines 2010 / 2011 Abheben durch Insipiration von außen 20 Abbildung 13 Höhe der Ancillaries in Prozent des Gesamtumsatzes (2011) Spirit 33 % … easyJet 21 % Ryanair 21 % 20% … 14 % United Continental … Delta 7% … Europäische Legacy-Carrier 80% 2–4 % … 40% Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2011; IdeaWorks Abbildung 14 Umsatz- und Kostenentwicklung bei Ryanair (real, Basisjahr 2011) In Eurocent/ASK Umsatz Umsatz ohne Ancillaries Operative Kosten 8 7 6 5 4 3 2 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte Ryanair 2003-2012 „all-inclusive“-Philosophie. Aus ihrer Sicht führt die Zerlegung des Produktes in Einzelteile zu Verwirrung und steigert die Komplexität. Doch auch wenn es offiziell nicht so genannt wird, erzielen die europäischen Legacy-Airlines über ihre Vielfliegerprogramme, Werbung, Bordverkauf und Verkaufsprospekte sowie kostenpflichtige Zusatzleistungen Ancillary-Umsätze. Laut Amadeus und IdeaWorks erwirtschafteten „traditionelle Airlines“ wie British Airways, EgyptAir, LAN und Scandinavian im Schnitt rund 2,9 Prozent der Umsätze mit Ancillaries. Diese Angaben sind geschätzt, da zum Beispiel die europäischen Legacy-Carrier, aber auch Airlines wie Emirates Airline und Turkish Airlines keine Angaben zu den Ancillary-Umsätzen veröffentlichen. Bei Ryanair sind die Ancillary-Umsätze seit 2008 Quintessenz der Profitabilität – ohne diese erwirtschaftete auch Ryanair keinen Gewinn (Abb. 14). Abheben durch Insipiration von außen 21 4.3 Markenstärke Kosten- und Erlösmanagement können einen erheblichen Einfluss auf die nachhaltige Profitabilität einer Airline nehmen. Wenn es aber um Marktführerschaft geht, wird es notwendig sein, sich von anderen kundennahen Unternehmen aus dem Konsumgüter- und Dienstleistungssektor inspirieren zu lassen. Ein Erfolgsfaktor im Konsumgüter- und Dienstleistungssektor ist das gelungene Platzieren der Marke. Eine Marke wird einerseits durch besondere, innovative und kundennahe Produkte gefördert, andererseits aber auch durch geschicktes, kundennahes und imageförderndes Marketing sowie eine weltweite Präsenz vorangetrieben. Dabei besteht eine klar erkennbare Korrelation zwischen dem Wert einer Marke eines Unternehmens und seiner Profitabilität (Abb. 15). Unter den Top 500 wertvollsten Marken sind nur wenige Fluggesellschaften zu finden. Sie haben im Vergleich zu anderen Branchen einen geringen Markenwert. Die höchstbewertete Airline-Marke (Emirates Airline) steht auf Platz 288 der 500 Top-Marken und hat einen Bruchteil des Wertes der Top-10-Unternehmen (fünf Prozent des Markenwerts von Apple). Aber auch im Vergleich zu den Top-3-Marken der Automobilindustrie Toyota (Platz 15), BMW (Platz 22) oder Mercedes (Platz 26) klafft eine große Lücke im Vergleich der Markenwerte. Auch die ebenfalls als Airlines operierenden Logistikdienstleister UPS (Platz 33), FedEx (Platz 83) und DHL (Platz 113) haben wesentlich höhere Markenwerte als die Passagier-Airlines. So ist der Markenwert von DHL mit 6,6 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch und der von UPS mit 14,7 Milliarden Euro sogar Abbildung 15 Vergleich von Top-Marken mit EMEA-Fluggesellschaften11 Jahresgewinn in Mrd. Euro 22 20 ... Umsatz 20 Mrd. Euro Apple 18 16 ... Umsatz 100 Mrd. Euro IBM 14 Microsoft 12 General Electric 10 Vodafone 8 4 0 -2 -4 Samsung Google Mercedes-Benz 6 2 Wallmart British Airways Air France DHL Emirates FedEx Coca Cola BMW Toyota UPS Amazon 10 Lufthansa 100 Marktwert in Mrd. Euro (logarithmisch) EMEA-Airlines unter den Top-500-Unternehmen Top-3-Logistikunternehmen Top-3-Automobilindustrie Top-10-Markenwerte weltweit Quelle: A.T. Kearney; BrandFinance; Geschäftsberichte der Unternehmen 2011/2012 11 British Airways und Air France waren im Jahr 2011 nicht unter den Top 500 Marken; der Markenwert von British Airways bezieht sich auf das Jahr 2009; der Markenwert von Air France bezieht sich auf das Jahr 2010. Abheben durch Insipiration von außen 22 fast fünfmal so hoch wie der Markenwert von Emirates mit drei Milliarden Euro und dem von Lufthansa mit 2,7 Milliarden Euro – wobei Lufthansa mit knapp 29 Milliarden Umsatz nicht wesentlich kleiner ist als FedEx mit knapp 31 Milliarden Euro Umsatz und UPS mit 38 Milliarden Euro. Top-Marken wie zum Beispiel Apple, Google und Microsoft zeigen, dass die klassischen Alleinstellungsmerkmale von Produkten in der Konsumgüter- und Dienstleistungsindustrie als solche nicht mehr ausreichen. Der Ruf herausragender Unternehmen lebt zum einen von den Eigenschaften und Besonderheiten ihrer Produkte. Zum anderen aber auch davon, ob die Unternehmen es schaffen, die Produkte weltweit zu vermarkten, ein besonderes Image aufzubauen und sich aus Sicht der Kunden von Wettbewerbern zu differenzieren. Erfolgreiche Unternehmen entwickeln oder schaffen einen Markt. Während Googles Aufstieg eine Revolution der bis dahin vorherrschenden manuell gepflegten Suchlisten mit automatisierten Algorithmen darstellte, erschuf Apple den Lifestyle Computer, den Online-Musikmarkt, ebenso wie den Smartphone-Markt und war als erstes Unternehmen auf dem Tablet-Markt erfolgreich. Beide Unternehmen profitieren bis heute von ihrer hohen Innovationskraft, haben es aber auch verstanden, ihre Produkte und ihre Marke global zu positionieren. Auch die Top-3-Logistikdienstleister haben ihre Marken global positioniert und bieten ihre Leistungen auf allen Kontinenten an. Sie haben durch eine weltweite Präsenz sowie Marketing ihren Markenwert gesteigert. Fluglinien ist dies auf globaler Ebene bisher nicht gelungen. Und auch auf europäischer Ebene stehen die Airline-Marken im direkten Vergleich zu anderen Marken eher auf den hinteren Plätzen. Zwar haben einzelne Fluggesellschaften auf ihren Heimatmärkten einen hohen Bekanntheitsgrad, dieser ist jedoch nicht mit Marke oder Image gleichzusetzen. Es gibt aber auch positive Ansätze: Ryanair hat eine zu Apple vergleichbare Chance genutzt und im Rahmen der europäischen Liberalisierung den Markt der Billigflieger geschaffen. Zudem fokussiert sich Ryanair ganz klar auf ein Kundensegment und vermittelt ein klares Werteversprechen: billiges Fliegen von A nach B. Bis heute profitiert Ryanair von dieser Position und kann auch immer noch eine deutlich höhere Umsatzrentabilität als seine Wettbewerber verzeichnen. Ryanair setzt in seiner Positionierung bewusst und explizit auf preisbewusste Kunden. Generell konnten LCC mit billigeren Flugtickets ein neues Segment an Gelegenheitsfliegern ansprechen, das sich bisher keinen Flug leisten konnte beziehungsweise wollte. Wieso fliegen dann aber trotz höherer Flugpreise Millionen von Passagieren täglich mit Legacy-Carriern? Und wie wird es ein Legacy-Carrier auch in Zukunft schaffen, dass die Kunden der Marke treu bleiben, auch wenn der Ticketpreis höher ist als bei der Konkurrenz? Die Schlüsselfaktoren hierbei sind die Differenzierung über die Positionierung und damit Produktgestaltung sowie ein entsprechend abgestimmtes Marketing. Airlines werden in der Zukunft verstärkt Zielkunden definieren, ihr Angebot und ihre Dienstleistungen an diesen ausrichten sowie ihre Ansprache und Kommunikation entsprechend gestalten müssen. Die große Herausforderung für Fluggesellschaften besteht darin, differenzierte, auf die Kundenwünsche zugeschnittene Produkte anzubieten, die die Menschen emotional ansprechen. Ein differenzierendes Kabinenambiente für Lifestyle-Kunden, wahrnehmbare Extras für den Komfort, neueste Standards bezüglich Internet und Kommunikation für Geschäftsreisende, kinder- und familienfreundliche Einrichtungen an Bord und am Gate – es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Differenzierung. Entscheidend ist die Erwartungshaltung der Kunden. Für entsprechende Zielgruppen könnten Innovationen geschaffen werden, die vom Kunden als positives Alleinstellungsmerkmal wahrgenommen und entsprechend honoriert werden. Ryanair vermittelt klar, dass es zu sehr günstigen Bedingungen die Kernleistung Flug gibt und alle Extras mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Niemand erwartet etwas anderes. Schwerer haben es Abheben durch Insipiration von außen 23 die Legacy-Carrier, die einerseits Premiumanbieter sein wollen, andererseits aber die Flugzeuge nicht allein mit Premiumkunden voll besetzen können und deswegen auch auf die preissensiblen Passagiere angewiesen sind. Da ist es schwer zu vermitteln, dass im europäischen Verkehr bei einem Billiganbieter gegen einen Aufpreis Essen nach Wahl angeboten wird, während bei einer Premiumairline in der Economy Class sehr limitiert kein oder ein vorausgewählter Snack angeboten wird. Erfolgreiche Unternehmen der Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche verkaufen nicht nur ihre guten oder besonderen Produkte, sondern erzielen ihr Preis-Premium mit den damit verbundenen Gefühlen, Wahrnehmungen und dem Lifestyle. Und auch TransportDienstleister wie UPS oder DHL haben es trotz fehlenden Potenzials an Lifestyle durch ein klares Leistungsversprechen verstanden, erfolgreich Markenwert und dadurch eine wertvolle Form der Kundenbindung zu schaffen. 4.4 Kundennähe und Innovationskraft Der Kunde ist König – ihn zu kennen, über die Mitarbeiter zu spiegeln und mit Innovationen zu überraschen, fördert das Geschäft. Innovationen sind in der Luftfahrtindustrie relativ überschaubar. Es gilt, zwischen zwei Arten von Innovationen zu unterscheiden, die zu nachhaltigen Business-Vorteilen führen: technische Neuheiten und nachhaltige Innovationen. Technische Neuheiten dienen dazu, dass Airlines mit dem Markt Schritt halten können, führen aber nicht zwingend zu einer kontinuierlichen Kaufentscheidung beim Kunden. Nachhaltige Innovationen hingegen führen dazu, dass Kunden Textbox 2: Beispiele für Innovationen in der Airline-Industrie Technische Innovationen •Fly green“: Unter dem Motto des grünen Fliegens werden Bestrebungen der Airlines sowie Flugzeugproduzenten zum umweltfreundlichen Fliegen zusammengefasst. Hierzu gehören zum Beispiel sparsamere und leisere Flugzeuge, Biotreibstoffe, weniger Wegwerfartikel, etc. Innovationen mit Nachhaltigkeitspotenzial • Kundenbindungsprogramme mittels Vielfliegerprogrammen und Allianzen: Bei vergleichbaren Flugstrecken entscheiden sich Vielflieger bevorzugt für die eigene Allianz, da sie mit Gegenwerten (Prämienmeilen, Status, etc.) kalkulieren. • N eue Produkte und Dienstleistungen wie „fliegende Betten“, Economy-Plus-Klasse, Wi-Fi an Bord, interaktives Unterhaltungsprogramm, e-Services zum Online-Check-In, etc. • L ow-Cost-Konzept: Dank dem Low Cost Konzept bekam die Airline-Industrie, allem voran im Bereich Kurzstrecken, einen Wachstumsschub. Ein neues Marktsegment wurde erschaffen. • N eue Trends: Airlines versuchen anhand von sozialen Medien näher am Kunden zu sein. • U msatzsteigerung durch Verkauf von nichtflugbezogenen Dienstleistungen. • N eue Prozesse wie Buchungssysteme beziehungsweise Hedging von Treibstoffpreisen: Diese Innovationen sind nur mittelbar zu spüren, da sie die Kostenseite der Airlines beeinflussen. Im Endeffekt profitieren Kunden dadurch, dass es zu keinen Preissteigerungen kommt, die weitergegeben werden müssen. Abheben durch Insipiration von außen 24 an das Unternehmen beziehungsweise dessen Konzepte gebunden werden und somit längerfristig die eine oder andere Airline nutzen. Vielfliegerprogramme und das viel bemühte „flache Bett“ reichen jedoch nicht mehr aus. Insbesondere die europäischen Linienfluggesellschaften haben hier Nachholbedarf. Schlüsselfaktor zum Wachstum ist eine umfassende Kundenorientierung.12 Die Kundennähe und Innovationskraft eines Unternehmens hängen in erster Linie von der Kultur im Unternehmen, von der Führung und von den Mitarbeitern ab. Besonders erfolgreiche RetailUnternehmen wie Amazon sind sehr kundenfokussiert und trimmen die Unternehmenskultur auf eine nachhaltige Kundenorientierung.13 Die gesamte Retail-Industrie hat es verstanden, wie Kundenorientierung über Category-Management in allen Prozessen der Unternehmen verankert werden kann. Für die Airline-Industrie würde das bedeuten, dass der Fluggast Ausgangspunkt aller Entscheidungen wird – von der Flugzeugbestellung über die Konzeption des Flugangebots und Ausgestaltung des Services bis hin zu zusätzlichen Angeboten. Das bedeutet für viele Unternehmen eine Revolution der Unternehmenskultur, die aktuell häufig von einer sehr starken Stellung des Produkts (Flugzeug) und damit von Ingenieuren und Technikern geprägt ist. Diversität in der Führung und bei den Mitarbeitern erweitert Sichtweisen und fördert Innovationen und kreative Lösungen. Folgende Faktoren fördern Kundennähe und Innovationskraft: • Quereinsteiger • Internationalität • Gemischte Teams aus Frauen und Männern, auch in der Top-Etage14 Diversität ist häufig auch eine Umschreibung für eine Spiegelung der Kunden in der Führung und in der Belegschaft. Eine solche Reflektion ist sehr förderlich, wenn man die Bedürfnisse seiner Fluggäste befriedigen möchte. Ist diese gepaart mit flexiblen Strukturen und einer offenen veränderungsbereiten Unternehmenskultur steht der Weg für kundennahe Innovationen offen. Um Neues zu entwickeln und erfolgreich einzuführen, bedarf es häufig eines externen Treibers, der noch nicht allzu tief im Industriealltag der Branche verwurzelt ist. Daher hat A.T. Kearney in seiner auf Diversität abzielenden Personalplanungspyramide auch „Quereinsteiger“ integriert. Das Thema Diversität wird in den kommenden Jahren auf allen Hierarchie-Ebenen verstärkt an Bedeutung gewinnen. Bezüglich der Vorstandsstruktur aller untersuchten Airlines lassen sich zwei verschiedene Cluster unterscheiden. Zum einen weisen Vorstände europäischer Legacy-Carrier eine Kultur auf, die durch Männer mit Hintergrund in der Luftfahrtindustrie geprägt ist. Zum anderen haben europäische Low-Cost-Carrier wie easyJet, Norwegian und Ryanair eine gemischtere Vorstandszusammensetzung. Spitzenreiter beim Thema Diversity im Vorstand ist easyJet. Dort besetzt eine Frau aus dem Verlagswesen den CEO-Posten, zugleich kommen sieben von zehn Vorstandsmitglieder aus einer anderen Branche als der Luftfahrtbranche. Und auch die Herausforderer aus dem Osten, Emirates Airline und Turkish Airlines, sind vergleichsweise divers. Bei Turkish Airlines ist das Management zwar von männlichen Türken geprägt, doch haben nahezu alle ihre Ausbildung im Ausland absolviert und sind schließlich in ihre 12 Vgl. auch A.T. Kearney-Studie 2010 „Wie Fliegen (wieder) Freude macht“ beziehungsweise in der aktualisierten und erweiterten Fassung auf Englisch: „Return the fun to flying“. 13 Vgl. auch „Surfing the long Summer, How market leaders grow faster than their markets“ von A.T. Kearney-Mitarbeiterin Carol Velthuis. 14 Mehrere Studien konnten aufzeigen, dass gemischte Teams die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen positiv beeinflussen. Abheben durch Insipiration von außen 25 Heimat zurückgekehrt, um ihr externes Wissen nutzbar zu machen. Bei Emirates Airline ist Internationalität das prägende Kennzeichen der Belegschaft und des Führungsteams. 4.5 Präsenz in Zielmärkten und Substanz Die Airline-Industrie ist stark fragmentiert. Die drei größten Airlines weltweit gemessen an RPK im Jahr 2011 sind mit einem Marktanteil von 4,3 bis 6,5 Prozent drei US-Airlines: • United-Continental: 333.989 (6,4 Prozent), • Delta (inklusive Northwest): 310.228 (sechs Prozent) und • American Airlines: 219.688 (4,2 Prozent) Kumuliert haben die Top 3 lediglich 17 Prozent Marktanteil am Weltmarkt. Es folgen Air France-KLM (4,2 Prozent), Lufthansa (3,9 Prozent), IAG (3,3 Prozent) und Emirates (3,1 Prozent). Somit haben die sieben größten Airlines kumuliert etwa 31 Prozent Marktanteil. Innerhalb Europas ist der Markt etwas weiter konsolidiert. Hier haben die Top-3-Airlines kumuliert über 44 Prozent Marktanteil und die größten drei Airlines jeweils Markanteile zwischen zwölf und knapp 20 Prozent (Abb. 16). Der Vergleich mit anderen Branchen zeigt, dass in der Luftfahrt noch großes Potenzial zur Konsolidierung besteht und auch auf globaler Ebene durchaus ähnliche oder noch höhere Marktanteile wie innerhalb der Airline-Industrie Europas realistisch sind (Tabelle 4). Mit voranschreitender Konsolidierung werden die heutigen Allianzsysteme durch weltweit tätige Airlines Abbildung 16 Konsolidierung im Luftverkehr und Marktanteile der Top-7-EMEA-Fluggesellschaften15 Innereuropäischer Flugverkehr (100% = 490 Mrd. RPK) Ryanair 19,2 % Andere 40,0 % Globaler Flugverkehr (100% = 5.200 Mrd. RPK) Andere 64,9 % Lufthansa Group 12,9 % IAG 7,0 % easyJet 12,3 % AirFrance-KLM 8,6 % United-Continental 6,4 % Delta 6,0 % American Airlines 4,2 % Air France-KLM 4,2 % Lufthansa Group 3,9 % IAG 3,2 % Emirates 3,1 % Ryanair 1,8 % easyJet 1,2 % Turkish 1,1 % Top 3 weltweit Top 7 EMEA Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2011/2012; Flight global; IATA WATS 2012 15 Die Anteile von Ryanair und easyJet in Europa waren 2011 gemessen an der Sitzplatzkapazität 15 beziehungsweise zwölf Prozent, gemessen an RPK 19 beziehungsweise zwölf Prozent. Abheben durch Insipiration von außen 26 Tabelle 4 Marktkonzentration in Vergleichsbranchen (2011)16 Branche Maßstab Top 3 (Marktanteil Prozent) Internationale Expresszustellungen Umsatz 80 Prozent IT – Tablets Verkaufte Tablets 75-80 Prozent Smartphones Umsatz 60 Prozent Automobilbranche Verkaufte Autos 37 Prozent Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Expresszusteller 2011; IHS Automotive Light Vehicle Sales Forecast 2012; Canaccord Genuity; www.bgr.com; Strategy Analytics mit mehr als 15 Prozent Marktanteil abgelöst. Dann könnten, so die Prognose von A.T. Kearney, kumulierte Marktanteile von über 40 Prozent der Top-3-Player auch global etabliert werden. Im Normalfall folgt in einer Branche auf die Start-Up-Phase mit rapidem Wachstum, vielen Investitionen und großer Unsicherheit im Hinblick auf die weitere Entwicklung eine Phase des gemäßigteren Wachstums und der Konsolidierung. In dieser Phase kristallisiert sich heraus, welche Unternehmen über ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfügen und die Nachfrage in Bezug auf Preis, Qualität und Image am besten befriedigen. Somit ist es ganz natürlich, dass es in diesem Rahmen zu Marktaussteigern kommen kann beziehungsweise durch Synergien und Skaleneffekte die Profitabilität verbessert werden kann. Mit Blick auf die Airline-Industrie kann festgestellt werden, dass die Start-Up-Phase der Etablierung des Personenflugverkehrs seit Jahrzehnten abgeschlossen ist, die zu erwartende Konsolidierung bisher jedoch nur eingeschränkt eingetreten ist. In Europa beobachten wir mittlerweile einen Konsolidierungsprozess, im internationalen Maßstab ist eine vergleichbare Dynamik jedoch zum heutigen Tage noch nicht vorhanden. Davon zeugt zum Beispiel die ausgebliebene Übernahme der LOT durch Turkish Airlines, weil Turkish Airlines als Nicht-EU-Mitglied keine Mehrheit an LOT erwerben durfte. Allerdings gibt es auch im regulierten Umfeld schon Markteintrittsstrategien – in Europa zum Beispiel durch Etihad bei airberlin und Air Lingus oder durch Qatar Airways bei Cargolux. Im internationalen Umfeld ist die AirAsia Group durch ihr Joint-Venture- und Franchise-System in Asien besonders innovativ, um die noch bestehenden internationalen Marktzugangsbeschränkungen zu umgehen. AirAsia hält jeweils 40 bis 49 Prozent an den Joint Ventures und Franchise-Unternehmen AirAsia Thailand (49 Prozent), AirAsia Indonesia (49 Prozent), AirAsia Philippines (40 Prozent), AirAsia Vietnam (40 Prozent) und AirAsia Japan (49 Prozent). Auch europäische Airlines sind international aktiv, allen voran die Virgin Gruppe, die neben der Mehrheit an Virgin Atlantic 20 Prozent an AirAsia X sowie 25 Prozent an Virgin America hält und der Mehrheitseigner von Virgin Australia ist. Diese Beispiele zeigen, dass selbst ohne weitere Liberalisierung eine weitere Konsolidierung möglich ist. Trotz Marktzugangsbeschränkungen kann eine internationale Marktpräsenz ausgebaut und Marken können global positioniert werden. 16 Der Marktanteil bei Smartphones bezieht sich auf das erste Quartal 2012. Die Anzahl verkaufter Autos bezieht sich auf Autos bis 3,5 Tonnen. Abheben durch Insipiration von außen 27 In den nächsten 20 Jahren ist ein Ausgleich der Diskrepanz zwischen dem Alter der AirlineIndustrie und dem Grad der Konsolidierung zu erwarten. Diese Entwicklung bringt für die Airlines zwei wesentliche Herausforderungen mit sich: 1. inanzielle Substanz: Vor dem geschilderten Hintergrund stellt sich die Frage: Wer sind F die Käufer, wer die Verkäufer der Zukunft? Es werden demnach jene Airlines nachhaltig erfolgreich sein, die eine solide finanzielle Substanz vorweisen können. Kenngrößen wie die Marktkapitalisierung, die Eigenkapitalquote und der Gesamtwert aller Assets werden dabei eine zentrale Rolle spielen. Aber auch Faktoren wie Ratings beziehungsweise Geldbeschaffungsmöglichkeiten entscheiden darüber, wer langfristig Zugang zu den Finanzmärkten und somit die Möglichkeit zum Umsetzen seiner Strategien erhalten wird. 2. arktpräsenz: Die fortschreitende Konsolidierung bringt für die Airlines automaM tisch eine Internationalisierung der Geschäfte mit sich. Eine Konzentration auf den Heimatmarkt, wie sie heute häufig auch bei den großen Playern wie der Lufthansa, IAG oder Air France-KLM zu beobachten ist (über 50 Prozent der Umsätze werden im europäischen Markt generiert), wird im zukünftigen Markt nicht mehr genügen, um zu den weltweit führenden Anbietern zu zählen. Es wird auch zu beobachten sein, welche Rolle die bislang regional agierenden LCC wie Ryanair in einem sich global konsolidierenden Markt spielen werden. Diese Airlines könnten durchaus auch in anderen Regionen (unter derselben Marke) erfolgreich sein. Dazu bedarf es nicht einmal einer weiteren Marktöffnung. Eine Möglichkeit wäre, dass Airlines mit lokalen Partnern mittels Franchise-Modellen die Marktpräsenz und die Marke in anderen Regionen stärken. Ziel der Airlines muss es sein, die Auswirkungen der globalen und lokalen Trends auf die Mobilität frühzeitig zu erkennen und ihre Strategie darauf auszurichten, ein Netz mit entsprechender Güte und Substanz aufzubauen. Finanzielle Substanz Die Marktkapitalisierung ist ein wichtiger Indikator für den Wert eines Unternehmens Insbesondere das Verhältnis zum Eigenkapital aus der Unternehmensbilanz lässt interessante Schlüsse zu (Abb. 17): • Europäische Legacy-Carrier werden vom Markt ausnahmslos schlechter bewertet, als dies auf Basis deren Eigenkapitals zu erwarten wäre. Die Anleger zweifeln offensichtlich daran, dass diese Unternehmen das Potenzial ihres Vermögens in absehbarer Zukunft realisieren können. • EasyJet und Ryanair können den gegenteiligen Effekt vorweisen. Die Investoren trauen den kosten- und preisführenden Unternehmen offenbar mehr zu als den traditionellen Airlines, wenn es darum geht, sich auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen. • Die LCC weisen eine um im Schnitt zehn Prozent höhere Eigenkapitalquote auf als die verbleibenden Airlines der Top 7 in EMEA. • In einer konsolidierten Industrie zum Beispiel derjenigen der internationalen Express zustellungen werden die Marktführer vom Markt viel positiver bewertet. Bei UPS entspricht die Marktkapitalisierung 7,7-mal dem Eigenkapital, bei FedEx 1,9-mal und bei DHL 1,6-mal. Mit einer zehnfach größeren Marktkapitalisierung als Lufthansa (45 Milliarden Euro) wird UPS auf das 7,7-fache des Eigenkapitals bewertet. Der Umsatz von UPS liegt dabei mit 38 Milliarden Euro nur um 35 Prozent über dem der Lufthansa Group (28 Milliarden Euro). Allen drei Abheben durch Insipiration von außen 28 Abbildung 17 Marktkapitalisierung und Eigenkapital17 Mrd. Euro 44 42,2 28 56% 21,7 24 20 38% 16 12 8 4 0 29% 22% 6,1 8,0 4,7 29% 5,7 1,3 Air France- Lufthansa KLM Group Eigenkapitalquote in % 18,3 37% IAG 3,8 28% 2,0 2,7 easyJet 3,3 4,4 Ryanair Marktkapitalisierung 27% 20% 11,7 11,2 29% 5,5 4,5 1,8 Emirates 0,8 Turkish Airlines UPS FedEx DHL Eigenkapital Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2011/2012; Euronext; ISE; LSE; NYSE; XETRA Zustelldienstleistern ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, ein globales Netzwerk aufzubauen und sich mit ihrer Marke als Top-Spieler am Markt zu positionieren. Festzuhalten ist, dass Kennzahlen wie die Marktkapitalisierung sowie deren Verhältnis zum Eigenkapital des Unternehmens einen Schlüssel für den Zugang zu Kapital darstellen und dass insbesondere die Netzwerk-Airlines herausgefordert sind, Strategien zum Ausgleich der momentanen Schieflage zu entwickeln. Weitere Anhaltspunkte für potenzielle Investoren sind die Ratings der großen Ratingagen turen. Insgesamt wurden von Moody’s Investor Service im Juli 2012 27 Anleihen von Luftverkehrsunternehmen (vor allem US-Airlines) und acht Anleihen von Express- und Paketdienstleistern bewertet (Abb. 18). Im Vergleich zu Airlines mit 77 Prozent der Anleihen im spekulativen Bereich (ab „Ba“ und niedriger) schnitten die Express- und Paketdienstleister mit 100 Prozent der bewerteten Anleihen mit Anlagebonität sehr gut ab, allen voran UPS mit Aa-Rating. Ein wesentlicher Grund für die schlechtere Bewertung der Airline-Anleihen ist die Kombination aus einer niedrigen Eigenkapitalquote und niedrigen Gewinnmargen. Unter den bewerteten Anleihen finden sich auch Emissionen von zwei in dieser Studie analysierten Airlines: Lufthansa (Ba-Rating) schnitt im Vergleich zu British Airways (B-Rating) besser ab. Marktpräsenz Während noch vor zwanzig Jahren Europa und Nordamerika die dominierenden Märkte für die Luftfahrt darstellten, ist bereits heute insbesondere durch den chinesischen Wirtschaftsaufschwung Asien der am schnellsten wachsende Markt. Die Anzahl der innerasiatischen Flüge wird schon bald die Flüge innerhalb Nordamerikas übertreffen und Asien somit an die Spitze katapultieren. 17 Die Höhe der Marktkapitalisierung wurde zum 2.8.2012 erhoben. Für Kursumrechnungen wurde der jeweils zum 31.12.2011 gültige Wechselkurs zum Euro herangezogen (USD 1,29590; AED 4,76539; GBP 0,83490; TRY 2,44784). Emirates Airline wird als rein staatliches Unternehmen nicht am Markt gehandelt. Abheben durch Insipiration von außen 29 Abbildung 18 Ratings in der Transport-Branche 2012 1 5 1 A Baa 5 10 Aa Ba 7 B Caa 5 Luftverkehr Express- und Paketzustellung Quelle: A.T. Kearney; Moody’s Investor Service (Juli 2012) In welchem Tempo sich diese Entwicklung in den kommenden 20 Jahren fortsetzen wird, ist nicht exakt vorherzusehen. Fakt ist aber, dass die folgenden Entwicklungen eine neue Dynamik und somit Herausforderungen für die Airline-Industrie mit sich bringen werden: • Nach einer Prognose im Airbus Market Forecast kann die Airline-Industrie mit 4,8 Prozent jährlichem Wachstum rechnen, sodass sich die heutigen 5,2 Billionen RPKs auf 12,4 Billionen mehr als verdoppeln werden. • Neben der weltgrößten Wirtschaft in China wird vor allem die Entwicklung in den bevölkerungsstarken Ländern Brasilien, Russland, Indien und Mexiko dafür sorgen, dass der Markt für Passagierflüge sowohl im Freizeitbereich als auch im Businesskontext rasant wachsen wird. • Durch den demografischen Wandel in den Ländern mit einem hohen Lebensstandard wird es in 20 Jahren eine Generation betagterer Fluggäste geben, für die Flugreisen seit Jahrzehnten zum Alltag gehören. Das wird zu einer bedeutend größeren Nachfrage aus diesem Kundensegment führen. Die Bedürfnisse dieser Gruppe – etwa in Bezug auf Services und Destinationen – müssen in der Strategie der führenden Airlines berücksichtigt werden. Die gewinnbringenden Netzwerke der Zukunft werden sich auf Grund dieser Entwicklungen sowie der fortschreitenden Liberalisierung nicht mehr so stark auf den Heimatmarkt konzentrieren können. Das Beispiel von Emirates Airline gibt uns eine gute Illustration eines international orientierten Netzwerks (Abb. 19). Diese relativ ausgeglichene Verteilung ohne Abhängigkeit vom Heimatmarkt ist darauf zurückzuführen, dass Dubai eine strategisch günstige Hub-Position besitzt und Emirates sich auf das Langstreckengeschäft konzentriert. Sie zeigt aber auch, dass es Emirates gelungen ist, ohne den Bonus eines Flag-Carriers signifikante Marktanteile in den globalen Zielmärkten zu erzielen. EasyJet und Ryanair fokussieren sich komplett auf den europäischen Markt. Aber auch diese haben in ihrem Zielmarkt Europa den Schritt aus dem Mutterland gewagt und zahlreiche Basen innerhalb Europas aufgebaut. Die Legacy-Carrier hingegen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Anbindung ihrer traditionellen Hubs. Abheben durch Insipiration von außen 30 Abbildung 19 Vergleich Umsatzverteilung auf Regionen zwischen Emirates Airline und europäischen Legacy-Carriern18 Europäische Legacy-Carrier Emirates Naher Osten und Afrika 9% Naher Osten 10 % Fernost und Australien 30 % Westasien und Indischer Ozean 12 % Afrika 10 % Asien und Australien 18 % Europa 51 % Amerika 22 % Europa 28 % Amerika 11 % Heimatmarkt Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines 2011; Geschäftsbericht Emirates 2011-12 Die Märkte in der Ferne sind gegenüber dem Heimatmarkt aufzuwerten. Das ist die Heraus forderung der Airlines, um die Basis für zukünftiges Wachstum zu schaffen. Es ist davon auszu gehen, dass sich die Industrie mit und ohne weitere Liberalisierung konsolidieren wird. Mit der richtigen Strategie dürften damit ähnliche Konsolidierungsgrade anzustreben sein wie in anderen Industrien oder wie bereits innerhalb Europas geschehen. Überträgt man die europäischen Verhältnisse und geht davon aus, dass die Top-3-Airlines zukünftig etwa 40 bis 45 Prozent Marktanteil haben werden, dann handelt es sich um Unternehmen, die eine Größenordnung von 90 Milliarden Euro Umsatz machen werden (Abb. 20). Abbildung 20 Mögliche Entwicklung Airline-Markt in Mrd. Euro 4% 590 19 % Andere Fluggesellschaften Größte Airline 478 14–16 % 4–6 % 2011 2020 entspricht 90 Mrd. Euro Umsatz Quelle: A.T. Kearney; Geschäftsberichte der Airlines; Flight global; IATA 18 Europäische Legacy-Carrier bilden den Durchschnitt aus Air France-KLM, Lufthansa Group und IAG. Abheben durch Insipiration von außen 31 5. Bewertung und Ausblick Für jeden der zuvor beschriebenen Erfolgsfaktoren wird eine qualitative Reihung der untersuchten Airline-Gruppen vorgenommen, um zu ermitteln, welche Gruppe am besten für die zukünftigen Herausforderungen positioniert ist. Die Unterschiede, die für die Platzierung der Gruppen entscheidend sind, sind bei einigen Erfolgsfaktoren sehr gering, sodass nur durch eine feinere Betrachtung der einen beziehungsweise anderen Gruppe ein besserer Platz zugewiesen werden kann. Die Low-Cost-Carrier schneiden aus heutiger Sicht am besten ab, gefolgt von den Herausforderern aus dem Nahen Osten. An dritter Stelle stehen die europäischen LegacyCarrier, die in den meisten Bereichen Nachholbedarf haben, um ihre Position in der Zukunft zu verbessern (Tabelle 5). 5.1 Bewertung: Kostenmanagement Die erfolgreichen Low-Cost-Carrier Ryanair und easyJet haben das Thema Kostenmanagement in ihren Statuten verinnerlicht. Sie haben das Kostenmanagement klar als kontinuierlichen Prozess in ihren Organisationen verankert und werden nicht müde sich weiter zu optimieren. Bei ihnen werden keine speziellen Kostensenkungsprogramme wie bei den Legacy-Carriern aufgesetzt. Zudem sind sie flexibler und und lagern mehr aus als die Legacy-Carrier, was durch den geringen Anteil der Personalkosten an den operativen Kosten deutlich wird. Aus heutiger Sicht sind die LCC – insbesondere Ryanair – im Kostenmanagement klar den europäischen LegacyCarriern, aber auch den Herausforderern aus dem Nahen Osten, überlegen. An zweiter Stelle stehen die Herausforderer aus dem Nahen Osten, denen es gelingt, einen hohen Komfort zu einem geringeren Preis als die europäischen Legacy-Carrier anzubieten. Der Grund hierfür sind Steuervorteile, niedrige Infrastrukturentgelte bei gleichzeitig hohen Kapazitätsreserven, teilweise niedrigere Treibstoffkosten, aber auch erheblich niedrigere Personalkosten und das Fehlen von starken Gewerkschaften. Von den europäischen LegacyCarriern konnte sich bislang nur die British Airways der Turkish Airlines und der Emirates Tabelle 5 Ranking der Airline-Gruppen Airline Kosten- Erlösmgmt. mgmt. Marken- Kundennähe Präsenz in Gesamt- Platz stärke und Innova- Zielmärkten ranking tionskraft und Substanz Low-CostCarrier 1. 1. 3. 1. 2. 1,6 1. Herausforderer aus dem Nahen Osten 2. 3. 1. 2. 1. 2,2 2. Europäische LegacyCarrier 3. 2. 1. 3. 3. 2,4 3. Quelle: A.T. Kearney Abheben durch Insipiration von außen 32 Airline in ihren Stückkosten annähern. Nicht zu vergessen Norwegian, die erfolgreich die Transformation zu einem LCC geschafft hat. Obwohl drei unterschiedliche Konzepte verglichen wurden (Kurz- und Mittelstreckenflüge der LCC, ein Mix aus Kurz- und Mittelstreckenflügen und Langstreckenflügen der Legacy-Carrier und Turkish Airlines sowie die reine Langstrecken-Airline Emirates Airline), zeigen die Erfolge der jeweiligen Extreme, dass das Streckennetz alleine nicht entscheidend ist. 5.2 Bewertung: Erlösmanagement Die Low-Cost-Carrier belegen auch bei den Einnahmen den ersten Platz. Es ist ihnen gelungen, binnen des letzten Jahrzehntes, für eine Fülle an gesonderten Produkten Preise zu setzen beziehungsweise das Produkt Flug auf die Minimalanforderung „Bewegung vom Ort A nach B“ zu reduzieren. Die meisten mit den Flügen verbundenen Zusatzleistungen sind kostenpflichtig. Im Vergleich zu den Legacy-Carriern konnten die LCC auch höhere operative Margen erwirtschaften, wobei festzustellen ist, dass ohne Ancillaries häufig kein Gewinn mit der reinen Flugleistung zu erwirtschaften ist. An zweiter Stelle rangieren die europäischen Legacy-Carrier. Der Fokus der Legacy-Carrier lag bislang auf der Optimierung aufwändiger Yield-Management- und Vertriebssteuerungssysteme, um die Erlöse zu verbessern. Sie haben den Trend zu Ancillary-Umsätzen noch nicht vollständig angenommen. Dennoch erzielen auch sie zum Beispiel über Vielfliegerprogramme, bezahlte Sitzplatzreservierungen, Werbung an Bord, Inflight-Shopping oder Duty-free teils erhebliche zusätzliche Einnahmen. Leider werden die Einnahmen aus diesen Aktivitäten von den europäischen Legacy-Carriern nicht gesondert veröffentlicht. Nach Hochrechnungen von A.T. Kearney liegt der Anteil der Ancillaries am Gesamtumsatz der Legacy-Carrier in Europa bei zwei bis vier Prozent inklusive der Einnahmen aus Kundenbindungsprogrammen und Kreditkartengeschäften. Hier kann man von deutlichem Potenzial zur Umsatzsteigerung und Ergebnisverbesserung ausgehen. An dritter Stelle befinden sich die Herausforderer aus dem Nahen Osten, da diese bislang nur in sehr geringem Maße Zusatzgeschäft mit den Passagieren generieren. Für Airlines aus dem Nahen Osten besteht deutliches Potenzial für zusätzliches, profitables Geschäft mit Nebenprodukten. Die Top-Airlines der Zukunft werden verstärkt über Zusatzgeschäfte ihre Einnahmequellen erweitern und entstehende Kosten verursachungsgerecht an jene Passagiere weitergeben, die Zusatzleistungen in Anspruch nehmen. Das Ziel muss darin liegen, einen erkennbaren Mehrwert für die Kunden zu schaffen beziehungsweise es muss plausibel gemacht werden, dass bestimmte Leistungen hohe Kosten verursachen und daher bezahlt werden müssen (zum Beispiel Koffer). Passagiere, die die Leistung nicht in Anspruch nehmen, müssen dementsprechend nicht zahlen. Wichtig sind hier eine klare Produktpositionierung und ein eindeutiges Werteversprechen, mit denen man den Kunden auch Phasen der Veränderung vermitteln kann. 5.3 Bewertung: Markenstärke Eine gut positionierte Marke gehört zu den Grundsteinen für das Wachstum eines Unternehmens. Die meisten Unternehmen, die einen globalen Wachstumskurs angestrebt haben, haben dies auf ein erfolgreiches, klar positioniertes Markenimage gestützt. Zudem ist ein hoher Markenwert der Grundstein für erfolgreiche Franchise-Modelle, die auch in der AirlineWelt zu weltweit präsenten Airline-Marken führen könnten. Abheben durch Insipiration von außen 33 Aus der Auswertung geht hervor, dass sowohl die Airlines aus dem Nahen Osten als auch die Legacy-Carrier den ersten Platz in dieser Kategorie einnehmen. Die Herausforderer liegen aufgrund des Markenwerts von Emirates Airline, der weltweiten Präsenz und des starken internationalen Wachstums in den Zielmärkten außerhalb der Heimatmärkte weit vorne. Die Markenwerte der Legacy-Carrier profitieren von ihrer langen Geschichte und der langjährigen globalen Präsenz. Zudem werden sie durch die Allianzsysteme beflügelt. Allerdings nimmt der Markenwert der Legacy-Carrier im Vergleich zu anderen Unternehmen in den letzten Jahren stetig ab. Lufthansa ist im jährlichen Vergleich der Global 500 bis 2012 schrittweise von Platz 199 auf Platz 341 abgefallen. Air France lag 2009 noch auf Rang 275 und ist 2012 nicht mehr unter den Top 500, ähnlich wie British Airways, die seit 2010 nicht mehr unter den Global-500Markenwerten von BrandFinance vertreten sind. Diesem Trend müssen sie in den kommenden Jahren entgegenwirken, um ihre Markenführerschaft zu behaupten und das Fundament für globales Wachstum zu legen. Den dritten Rang belegen, bedingt durch ihre regional begrenzte Präsenz, die europäischen Low-Cost-Carrier. In ihrem europäischen Zielmarkt haben die LCC durchaus starke Marken mit klarem Werteversprechen aufgebaut. Es wird eine strategische Entscheidung sein, ob sie ihre Aktivität mittel- oder langfristig globalisieren wollen. Das muss nicht heißen, dass diese Airlines in das Langstreckengeschäft einsteigen. Doch AirAsia und Virgin haben es vorgemacht, dass Airline-Marken erfolgreich über Franchising und Beteiligungen auch über Ländergrenzen hinweg und trotz Regulierung der Eigentumsverhältnisse von Airlines möglich sind. Die Top-Airline der Zukunft sollte ihre Kundensegmente klar identifizieren und muss sich bei diesen Kunden erfolgreich positionieren. Als ein globaler Spieler wird es der Airline möglich sein, gesonderte Strategien für einzelne Märkte zu haben, um sich gut positionieren zu können. Durch gezieltes Brand-Management werden mittels Marketingkampagnen vermehrt Märkte erschlossen und mittels Franchising wird der globale Einfluss erweitert. Im Extremfall kann sich die Airline aus der Passagierbeförderung mittels Outsourcing zurückziehen und sich auf die operativen Kernkompetenzen mit hoher Marge wie Netzwerkmanagement beziehungsweise Marketingmanagement konzentrieren. 5.4 Bewertung: Kundennähe und Innovationskraft Die LCC können eine der wesentlichsten Innovationen der letzten Jahrzehnte vorweisen, die von den Kunden angenommenen wurde: Das Low-Cost-Konzept. Mit diesem gelang es Unternehmen wie Ryanair beziehungsweise easyJet ein neues Kundensegment anzusprechen und somit nachhaltig einen neuen Markt für Flugreisende zu schaffen. Zudem waren sie die ersten, die das Produkt „Flug“ in Einzelteile zerlegten und diese gesondert bepreisten. Ein weiterer Faktor, der für den ersten Platz der LCC spricht, ist eine der Ursachen für die Innovationskraft: Die Diversität innerhalb der Geschäftsführung, die ein innovationsaffines Klima schafft. Beide Airlines verfügen über eine Fülle an Personal mit nicht flugindustriebezogenem Hintergrund, das neue Einsichten in die Airline einbringen kann und somit „über den Tellerrand“ hinausblickt. An zweiter Stelle rangieren die Airlines des Nahen Ostens. Das Management und die Belegschaften sind international zusammengesetzt oder haben internationale Erfahrungen gesammelt. Diese Airlines werden dank der Einführung vieler interessanter Produkte als Innovatoren und Tester neuer Technologien und Dienstleistungen wahrgenommen. Mit ihren Angeboten an modernsten Flugzeugflotten, Hightech an Bord oder Komfortsitzen beeinflussen sie die Kaufentscheidung der Kunden. Die Airlines aus dem Nahen Osten belegen bei den Abheben durch Insipiration von außen 34 Skytrax Awards für die besten Airlines stets Plätze unter den Top 10. Ihr rasantes Wachstum ist eine Bestätigung für ihre gute Kundenorientierung. Die europäischen Legacy-Carrier belegen Platz drei. Die letzten erfolgreichen Innovationen dieser Airlines liegen einige Jahre zurück und stützen sich auf den Versuch, die Geschäftsmodelle der LCC zu kopieren oder den Kabinenkomfort auf der Langstrecke zu verbessern. Ein verbleibender, aber langsam schwindender Vorteil der Legacy-Carrier sind die Allianzsysteme, mit denen sie den Kunden flächendeckende, weltumspannende Netze anbieten und in Kombination mit Meilenprogrammen zur Kundentreue animieren. Die Bedeutung der Diversität wurde von den europäischen Legacy-Carriern erkannt und wird thematisiert. Jedoch ist weiterhin zu beo bachten, dass die Umsetzung meist noch hinkt. In Punkto Kundennähe und Innovationskraft kann die Top-Airline der Zukunft mit den Parametern Diversität, Nachhaltigkeit und Innovationsgeist beschrieben werden. Für die Airline der Zukunft wird es nötig sein, Top-Teams mit diversem Hintergrund zu haben. Im Idealfall wird die Airline eine starke kundennahe Innovationskultur sowohl in der Geschäftsführung, als auch beim Management und der gesamten Belegschaft vorweisen können. Zudem muss sie sich als Innovationstreiber behaupten, der neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringt und nicht nur die Ideen anderer kopiert. 5.5 Bewertung: Präsenz in Zielmärkten und Substanz Die Präsenz in Zielmärkten und die Substanz der Airlines gibt Aufschlüsse darüber, welche Airlines in den kommenden Jahren eine Konsolidierung der Branche vorantreiben könnten. Eine weitere globale Liberalisierung des Luftverkehrs und insbesondere der Wegfall der Regulierung der Eigentumsverhältnisse würde die Konsolidierung deutlich beschleunigen. Doch auch ohne diese Entwicklung können Top-Airlines über globale Beteiligungen und Franchising eine weltweite Präsenz aufbauen. Die Bewertung der Airlines in dieser Kategorie richtet sich zum einen danach, wie gut sie in den jeweiligen Zielmärkten – insbesondere außerhalb des Heimatmarktes – Marktanteile gewinnen können. Zum anderen werden die Finanzstärke, Geldmittelgenerierung und Kapitalreserven für potenzielles zukünftiges Wachstum bewertet. Die Airlines aus dem Nahen Osten weisen im Vergleich zu europäischen Legacy-Airlines eine ähnliche Eigenkapitalstruktur auf (zum Beispiel Emirates Airline 28 Prozent Eigenkapitalquote, Lufthansa und IAG 29 Prozent), konnten aber in den vergangenen Jahren erhebliche operative Margen erzielen und somit auch mehr operativen Cashflow im Vergleich zum Gesamtkapital erwirtschaften. Nicht zu vergessen sind das enorme Wachstum und der damit verbundene kapitalintensive Flottenaufbau, der zum Beispiel von Emirates Airline geleistet wird. Zudem hat Emirates Airline in den Zielmärkten durch eine starke Präsenz bereits deutliche Marktanteile erlangt. Auf Platz zwei befinden sich die LCC. Sie haben in ihrem Zielmarkt Europa binnen weniger Jahre deutliche Marktanteile gewonnen. Ryanair ist mit knapp 20 Prozent Marktanteil deutlicher Marktführer im innereuropäischen Verkehr und easyJet ist mit über zwölf Prozent fast gleichauf mit Lufthansa (13 Prozent). Sie haben eine vergleichsweise hohe Eigenkapitalquote (easyJet 38 Prozent, Ryanair 37 Prozent) und sind zudem längerfristig profitabel. Die europäischen TopLCC werden auch vom Markt positiv bewertet, indem der Marktwert der Unternehmen den Eigenkapitalwert um mehr als 30 Prozent übersteigt. EasyJet und Ryanair haben das Potenzial zur weiteren Konsolidierung des europäischen Marktes. Außerdem hätten sie die Chance, mittels Quereinkäufen, Franchising und Beteiligungen oder durch die Erschließung neuer Strecken in andere Regionen einzusteigen. Abheben durch Insipiration von außen 35 Vergleicht man das Eigenkapital der europäischen Legacy-Carrier mit dem Marktwert der Unternehmen, so ergibt sich ein völlig umgekehrtes Bild. Die Marktwerte der Unternehmen liegen im Schnitt bei 50 Prozent des bilanzierten Eigenkapitals. Die negative Marktbewertung ist zum Beispiel darauf zurückzuführen, dass die Marktteilnehmer die Zukunftsaussichten der Airlines begrenzt positiv bewerten. Um sich auf Erfolgskurs zu bringen, müssen die europäischen Legacy-Carrier zunächst ihre internen Strukturen konsolidieren, da sie in den letzten Jahren bereits eine Welle von Akquisitionen beziehungsweise Fusionen unternommen haben, die Post-Merger-Integration jedoch nicht als vollständig abgeschlossen bezeichnet werden kann. 5.6 Ausblick Airlines können wirtschaftlich erfolgreich sein, sich als globale Spieler mit entsprechendem Marktanteil etablieren und die Allianzsysteme ablösen. Der Luftverkehr ist und bleibt ein Wachstumsmarkt. Über 2,7 Milliarden Passagiere wurden 2011 weltweit befördert und haben laut IATA 5,2 Billionen Kilometer an Bord von Flugzeugen zurückgelegt, knapp sechs Prozent mehr als im Vorjahr. LCC und die Airlines aus dem Nahen Osten haben derzeit die bessere Ausgangsbasis, um weltweit zu wachsen. Aber auch die europäischen Legacy-Carrier haben gute Chancen, wenn sie alte Gewohnheiten loslassen und zum Beispiel das Kostenmanagement nicht als Projekt, sondern als kontinuierliche Aufgabe im Tagesgeschäft verstehen. Zudem sollten sie bereit sein, Mehrwert schaffende Zusatzleistungen zu definieren und zu bepreisen und ihre weltweiten präsenten Marken auszubauen. Fliegen ist bei den meisten Menschen mit positiven Emotionen besetzt. Es bedeutet Aufregung, Abenteuer, erfolgreiche Geschäfte tätigen, Urlaub machen, die weite Welt sehen, fremde Kulturen erleben, Familie oder Freunde wiedersehen, sich verwöhnen lassen und vieles mehr. Airlines haben also eine gute Chance, neben der Kommodität von A nach B zu kommen, auch von diesem positiven Image zu profitieren und ihre Unternehmen zu globalen Marken aufzubauen. Autoren Dr. Tanja Wielgoß, Partnerin, Berlin [email protected] Jörn Grotepass, Prinzipal, Berlin [email protected] Jan Matuska, Berater, Wien [email protected] Wir danken den Kollegen Anika Martin, René Steinhaus, Dr. Thade Nahnsen und Konrad Steiner für ihre wertvolle Unterstützung. Abheben durch Insipiration von außen 36 Abheben durch Insipiration von außen 37 A.T. Kearney zählt zu den weltweit führenden Unternehmensberatungen für das Top-Management und berät sowohl global tätige Konzerne als auch führende mittelständische Unternehmen und öffentliche Institutionen. Mit strategischer Weitsicht und operativer Umsetzungsstärke unterstützt das Beratungsunternehmen seine Klienten bei der Transformation ihres Geschäftes und ihrer Organisation. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themen Wachstum und Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit sowie die Optimierung der Unternehmensperformance durch das Management von Komplexität in globalen Produktions- und Lieferketten. A.T. Kearney wurde 1926 in Chicago gegründet. 1964 eröffnete in Düsseldorf das erste Büro außerhalb der USA. Heute beschäftigt A.T. Kearney rund 3.000 Mitarbeiter in 39 Ländern der Welt. Seit 2010 berät das Unternehmen Klienten klimaneutral. Amerika (Mittel-, Nordund Südamerika) Atlanta Calgary Chicago Dallas Detroit Houston Mexico City New York San Francisco Sao Paulo Toronto Washington, D.C. 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