Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck
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Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck
Schloss Ambras Innsbruck zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Innsbrucks. Das malerische Renaissanceschloss, die wertvollen Kunstsammlungen des Habsburger Erzherzogs Ferdinand II und die prachtvolle Parkanlage sind ein Erlebnis für die ganze Familie. Der Habsburger Erzherzog Ferdinand II. ließ das Schloss für seine Gemahlin Philippine errichten und brachte dort seine wertvollen Kunstsammlungen unter. Sie sehen imposante Prunkrüstungen in der Rüstkammer, geschichtsträchtige Kuriositäten in der Kunst- und Wunderkammer darunter das älteste Gemälde Draculas, den beeindruckenden Spanischen Saal, der zu den schönsten Renaissancesälen der Welt zählt sowie die berühmte Habsburger Porträtgalerie. Das Bad der Philippine Welser gewährt Einblicke in die »Wellness«-Kultur des 16. Jahrhunderts. 1 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Inhalt Schloss Ambras Innsbruck ...................................................................................................................... 3 Einleitung ................................................................................................................................................ 3 Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck ...................................................................................... 4 Das Schloss Erzherzog Ferdinands II. ............................................................................................ 4 Philippine Welser ........................................................................................................................... 4 Nach dem Tod Ferdinands II. ......................................................................................................... 5 Sammlungsbestände übersiedeln nach Wien .................................................................................. 5 Ambras im 19. Jahrhundert ............................................................................................................ 5 Ambras im 20. Jahrhundert ............................................................................................................ 6 Das Unterschloss ..................................................................................................................................... 6 Die Rüstkammern ............................................................................................................................... 6 Erste Rüstkammer........................................................................................................................... 6 Zweite Rüstkammer ........................................................................................................................ 7 Dritte Rüstkammer ......................................................................................................................... 8 Ausgesuchte Meisterwerke ............................................................................................................. 9 Die Kunst- und Wunderkammer ....................................................................................................... 16 Kunstkammer................................................................................................................................ 16 Kleine Rüstkammer ...................................................................................................................... 19 Antiquarium .................................................................................................................................. 19 Ausgesuchte Meisterwerke ........................................................................................................... 20 Der Spanische Saal ................................................................................................................................ 38 Der Spanische Saal und das Kaiserzimmer .................................................................................. 38 Kaiserzimmer................................................................................................................................ 38 Der Schlosspark..................................................................................................................................... 39 Bacchusgrotte .................................................................................................................................... 39 Arzneimittelgarten ............................................................................................................................ 39 Das Hochschloss ................................................................................................................................... 40 Innenhof ............................................................................................................................................ 40 Das Bad der Philippine Welser ......................................................................................................... 41 Die St. Nikolaus-Kapelle .................................................................................................................. 41 Sammlung Gotischer Skulpturen ...................................................................................................... 42 Ausstellung zur Schlossgeschichte ................................................................................................... 43 Der Bauherr und Sammler Erzherzog Ferdinand II. ..................................................................... 44 Die Habsburger Porträtgalerie .......................................................................................................... 45 Geschichte der Porträtgalerie........................................................................................................ 46 15. und 16. Jahrhundert (drittes Obergeschoss)............................................................................ 46 16. und 17. Jahrhundert (zweites Obergeschoss).......................................................................... 47 17. und 18. Jahrhundert (erstes Obergeschoss) ............................................................................ 48 Ausgesuchte Meisterwerke ........................................................................................................... 48 Die Glassammlung Strasser .............................................................................................................. 52 Die Post ist da! Postmeister- Porträts der Taxis-Bordogna .............................................................. 53 Quelle & Ausgewählte Literatur ........................................................................................................... 54 2 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Schloss Ambras Innsbruck Einleitung Schloss Ambras ist nicht nur wegen seiner Sammlungen und seiner Geschichte, sondern auch als einzigartiges Renaissance- Ensemble eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Tirol. In seinen Ursprüngen geht das Schloss auf eine mittelalterliche Burganlage zurück, die als fester Sitz der Grafen von Andechs 1133 zerstört wurde und schließlich in den Besitz der Tiroler Landesfürsten überging. Die Schloss Ambras prägende Zeit beginnt mit dem Habsburger Erzherzog Ferdinand II. (1529 – 1595), der 1564 als Erbe seines Vaters Kaiser Ferdinand I. die Grafschaft Tirol erhielt. Ab 1564 baute er die Reste der mittelalterlichen Burganlage zu einem Renaissance-Schloss aus, das er seiner nicht standesgemäßen und daher heimlich angetrauten ersten Frau, der Augsburger Patrizierin Philippine Welser, schenkte. Während der heute als Hochschloss bezeichnete Bereich der Schlossanlage Wohnzwecken diente, entstand als Unterschloss ab etwa 1572 ein eigener Gebäudekomplex, der zur Aufnahme der Sammlungen Erzherzog Ferdinands II. gedacht war: der bereits zur Entstehungszeit berühmten Rüstkammern sowie der Kunst- und Wunderkammer des Erzherzogs. Die Ambraser Rüstkammern verwahren u. a. seltene Turnierharnische aus der Zeit Kaiser Maximilians I., Prunkrüstungen für höfische Feste und Rüstungen berühmter Feldherren, die Ferdinand als Memorabilien, also zum Gedächtnis an die herausragenden Taten ihrer Träger, und aufgrund ihrer künstlerischen Qualität systematisch sammelte. Die Kunst- und Wunderkammer stellt eine enzyklopädische Sammlung der Renaissance dar, in der Gegenstände aus allen Wissensgebieten das gesamte Universum veranschaulichen: Zeugnisse der Natur finden hier gleichberechtigt ihren Platz neben den Leistungen menschlichen Kunstschaffens. Besondere Erwähnung verdient der Spanische Saal, der zu den schönsten Saalbauten der Renaissance zählt. Er ist mit Porträts der Grafen von Tirol und mit prächtigen Holzintarsien ausgestattet. Bemerkenswert sind ferner der Innenhof mit Grisaillemalereien aus der Zeit um 1569 und die original erhaltene Badestube des 16. Jahrhunderts. Aus der Entstehungszeit der Schloss- und Gartenanlage ist im „Keuchengarten“ südlich des Spanischen Saals die in den Fels gehauene Bacchusgrotte erhalten geblieben, in der einst der Ambraser „Willkumb“ – ein Trinkritual – begangen wurde. Ein Teil der Sammlungen wurde zwar im Lauf der Jahrhunderte als habsburgischer Besitz in die kaiserlichen Sammlungen nach Wien transferiert und ist heute im Kunsthistorischen Museum zu bewundern, doch fanden unzählige Objekte den Weg zurück an ihren Ursprungsort. Wir können deshalb heute auf Schloss Ambras erneut einen Gutteil der Sammlungen Erzherzog Ferdinands II. bewundern, die den genius loci geprägt haben. Im Hochschloss ist seit 1976 die Habsburger Porträtgalerie untergebracht. Als jüngste Dauerausstellungen sind außerdem jene zur Glassammlung Strasser, zu den Postmeisterporträts der Taxis- Bordogna sowie zur Schlossgeschichte hinzugekommen. So ist Schloss Ambras, das vom Kunsthistorischen Museum Wien geführt wird, wegen seiner am ursprünglichen Bestimmungsort erhalten gebliebenen Sammlungen als ältestes Museum der Welt gleichermaßen selbst Exponat und ein bis heute weltweit einzigartiges Museum. 3 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck Schloss Ambras liegt cirka 100 Meter über dem vom Innfluss geschaffenen Talboden auf einem Felsen. Bereits aus dem 10. Jahrhundert sind Nachrichten über Ambras überliefert, mit der Schreibweise „Amras“ oder „Omras“. Lange vor der Stadtverleihung Innsbrucks erreichte es im Hochmittelalter überregionale Bedeutung als fester Sitz der ursprünglich in Oberbayern begüterten Grafen aus dem Haus Andechs. Von der ursprünglichen Burg der Andechser, die 1133 zerstört wurde, ist nichts mehr erhalten. Von den Andechsern ging die Burg auf dem Erbweg in den Besitz der Tiroler Landesfürsten über. Der mittelalterliche Bestand lässt sich nur noch an der Bausubstanz des Hochschlosses ablesen. Das Schloss Erzherzog Ferdinands II. Das Hochschloss war als Wohnschloss konzipiert. Unterhalb des Hochschlosses ließ Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) einen der künstlerisch bedeutendsten Saalbauten der Spätrenaissance errichten, der seit dem 19. Jahrhundert Spanischer Saal genannt wird. Südwestlich vom Hochschloss veranlasste er den Bau des so genannten Unterschlosses. Noch vor Beginn der Bauarbeiten hatte Erzherzog Ferdinand das Schloss samt der dazugehörigen Herrschaft seiner ihm damals noch geheim angetrauten Frau Philippine Welser (1527–1580) überschrieben. Noch zu Lebzeiten Philippine Welsers brachte Ferdinand seine bereits damals weithin berühmte Sammlung von Harnischen, Waffen, Portraits und Naturalien, Raritäten und Kostbarkeiten nach Schloss Ambras. 1589 ließ er ein zusätzliches Gebäude westlich des Unterschlosses für die Waffensammlung bauen. Bild: Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Kniestück in Adlerrüstung Philippine Welser Erzherzog Ferdinand war der zweitgeborene Sohn Kaiser Ferdinands I. und war als Bräutigam für eine französische und portugiesische Prinzessin im Gespräch, und sogar die beiden Königinnen Maria Tudor und Maria Stuart galten als potentielle Heiratskandidatinnen. 1557 ehelichte er jedoch heimlich Philippine Welser, die Tochter eines reichen Augsburger Patriziers und Kaufmanns. Eine solche morganatische Ehe galt zwar nach kirchlichem Recht für gültig, nach den Rechtsordnungen der meisten deutschen Städte jedoch als strafbar. Die Ehe musste daher geheimgehalten werden, und Philippine galt offiziell als unverheiratet. Erst zwei Jahre später informierte Erzherzog Ferdinand II. seinen Vater, Kaiser Ferdinand I., über die heimliche Hochzeit. 4 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Philippines allzeit und allen entgegengebrachte Hilfsbereitschaft machte sie vor allem in Tirol beliebt und nicht einmal der Adel scheute sich, seine Bitten der ehemals nicht Standesgemäßen vorzutragen. Die Anrede in den zahlreichen Bittbriefen ging vom „gnädigen Fräulein“ bis zur „durchlauchtigsten Fürstin Frau Philippine von Österreich“. Bild: Philippine Welser Nach dem Tod Ferdinands II. Der zweite Sohn von Philippine Welser und Ferdinand II. erbte 1595 das Schloss und seine Sammlungen. Dieser war jedoch wenig an der kostspieligen Erhaltung von Ambras und der Sammlung interessiert und verkaufte beides 1606 an Kaiser Rudolf II. (1552–1612). In der Folgezeit war das Schloss nicht mehr Residenz und nur selten bewohnt. Durch mangelnde Konservierungsmaßnahmen kam es zu Verlusten, die in den handgeschriebenen Inventaren überliefert sind. Vor allem Bücher, Manuskripte und vermutlich auch Handzeichnungen fielen Feuchtigkeit und Insektenfraß zum Opfer. Bild: Kaiser Rudolf II. (1552-1612) Sammlungsbestände übersiedeln nach Wien Bereits im 17. Jahrhundert ließ Kaiser Leopold I. (1640–1705) die gefährdeten wertvollsten Bestände an Büchern, Manuskripten und frühen Druckwerken nach Wien bringen. Sie befinden sich heute in der Nationalbibliothek. In extreme Gefahr geriet die Sammlung 1805 nach der Niederlage Österreichs gegen das Kaiserreich Frankreich. Erst als Napoleon I. (1769–1821) den privatrechtlichen Charakter der Ambraser Sammlung anerkannte, konnte diese 1806 nach Wien in Sicherheit gebracht werden. Ambras im 19. Jahrhundert Nach 1855 wurde das Schloss zur Sommerresidenz des Statthalters Erzherzog Karl Ludwig umgestaltet. Im Zuge dessen kam es zu tiefsten Eingriffe in Schloss und Park. Die auffallendsten Änderungen erfuhren das Vorschloss durch die Anlage einer efeubegrünten Auffahrtsrampe und der Park durch eine Umgestaltung in eine englische Parkanlage. Nach dem Verzicht Karl Ludwigs (1833– 96) auf die Statthalterschaft blieb das Schloss in mehr oder weniger ruinösem Zustand. Erst 1880 wurde es wieder in ein Museum umgewandelt und in der Folge saniert. 5 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Ambras im 20. Jahrhundert 1919 ging Schloss Ambras in den Besitz der Republik Österreich über. 1950 übernimmt das Kunsthistorische Museum die Verwaltung von Schloss und Sammlungen. In den siebziger Jahren wurde mit einer umfassenden Restaurierung des Spanischen Saals, der Wohnräume des Hochschlosses und der Malereien im Innenhof des Hochschlosses begonnen. 1974 wurden die Kunst- und Wunderkammer, 1980-81 die Rüstkammern im Unterschloss wieder aufgestellt, 1976 die Habsburger Porträtgalerie des 15. bis 19. Jahrhunderts eingerichtet. Das Unterschloss Die Rüstkammern Erzherzog Ferdinand II. war der erste, der seine Rüstkammern als Sammlung nach einem klaren Konzept aufbaute. Sein Ziel war es, die historische Rolle der Habsburger hervorzuheben und an die hervorragenden Taten berühmter Persönlichkeiten zu erinnern. Wie noch niemand vor ihm erwarb er ganz systematisch Rüstungen, Waffen und Portraits von berühmten Feldherren. Zum ersten Mal in der Geschichte des Sammelwesens berücksichtigte er bei der Präsentation auch ästhetische Gesichtspunkte wie Licht. Die Voraussetzung einer solchen Präsentation war die Einbeziehung des Publikums, zu dessen Freude und Belehrung der fürstliche Sammler alle Aspekte der Repräsentation seines Hauses entfaltete. Die Aufstellung entspricht nicht mehr der ursprünglichen, insbesondere was die Menge aber auch die Raumabfolge anlangt. Sie ist in der Absicht entstanden, die ursprüngliche Zielsetzung anhand von einzelnen Exponaten aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands anschaulich zu machen. Der erste Saal thematisiert das Ritterspiel im 15. und 16. Jahrhundert sowie die Heldendarstellung. Der zweite Saal ist Ferdinands Selbstdarstellung gewidmet, war er doch leidenschaftlicher Veranstalter von höfischen Festen. Die dritte Rüstkammer enthält im Wesentlichen Gebrauchswaffen aus dem 17. Jahrhundert aus den Beständen des österreichischen Kaiserhauses. Die Decke des Saales zeigt auf Öl gemalte Allegorien der Sternbilder umgeben vom Band der Tierkreiszeichen und in den Zwickeln die vier Elemente. Erste Rüstkammer Das ab 1572 erbaute sog. Unterschloss, eine unregelmäßige, vierflügelige, nach einer Seite geöffnete Anlage, beherbergt neben der Kunstkammer und der Bibliothek auch die sich auf zwei Gebäude erstreckenden, in mehrere Räume unterteilten Rüstkammern. 1589 erfolgte nach Westen eine Erweiterung um einen zusätzlichen Trakt zur Unterbringung der sog. Heldenrüstkammer, der jedoch aus baulichen Gründen in den Jahren 1880/81 wieder abgetragen wurde. Die Ambraser Rüstkammern unterscheiden sich von denen ihrer Zeit dadurch, dass es sich um eine gezielt zusammengestellte Sammlung handelt. Sie verdankt ihre Entstehung einer bestimmten Idee, der zufolge bewusst das interessierte Publikum sowie die ästhetischen Gesichtspunkte eingebunden 6 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum wurden. Erzherzog Ferdinand II. wählte aus den ererbten Beständen seiner Vorfahren Erzherzog Sigmunds des Münzreichen und Kaiser Maximilians I. Renn- und Stechzeuge, um die unterschiedlichen Formen des ritterlichen Turnieres zu vermitteln. Die heutige Präsentation stellt einen Turnierplatz nach und veranschaulicht dabei das sportliche „Rennen“. Der Ablauf des ritterlichen Zweikampfs wird zudem anhand von Abbildungen aus dem Freydal, dem Turnierbuch Kaiser Maximilians I., illustriert. Einen wichtigen Bestandteil der ferdinandeischen Sammlung bildete ferner die sog. Heldenrüstkammer. Ferdinand trug darin unter der Prämisse der memoria, als Zeugnisse der Geschichte, systematisch Rüstungen, Waffen und Ausrüstungsgegenstände von mehr als 120 Militärs zusammen. Diese Stücke illustrierten die besonderen Taten der ursprünglichen Besitzer und sollten auf deren Ruhm und Ehre verweisen. In den hohen Holzschränken, von denen acht aus der Zeit Ferdinands II. stammen, erinnern heute noch die Rüstungen von Francesco II. Gonzaga, Philipp Pfalzgraf bei Rhein, Andreas Teufel von Guntersdorf, Ferdinand von Bayern, dem späteren Kaiser Matthias sowie Erzherzog Maximilian III. an diesen Sammlungsaspekt. Auch Ferdinand II. selbst reihte sich mit einem leichten Reiterharnisch, der auf seine militärischen Leistungen im ungarischen Feldzug von 1556 Bezug nimmt, unter die Helden ein. Auf den Kästen sind in Anlehnung an die Präsentation im 16. Jahrhundert ebenfalls Rüstungsteile positioniert. Auch die Aufstellung der Rüstung des Riesen Bartlmä Bon sowie diejenige von Kinderharnischen am Saalende wurden der ursprünglichen musealen Situation nachempfunden. Der einzige biografische Beleg zu Bon findet sich in seinem Auftritt beim Wiener Turnier von 1560, wo er, als „Wilder Mann“ verkleidet, die Neffen Ferdinands II. auf den Turnierplatz geleitete. Die imposante Rüstung ist auf der originalen Gliederpuppe samt alter Landsknechtskleidung montiert. Ferdinand II. gab die ausgestellten Kinderrüstungen für seine Söhne Andreas und Karl aus der nicht standesgemäßen Verbindung mit Philippine Welser bei den besten Plattnern seiner Zeit in Auftrag. Auf diese Weise sollte der vermeintliche Makel ihrer Geburt kaschiert und die Söhne sollten durch die eiserne Gewandung in den elitären Kreis der Ritter integriert werden. Zweite Rüstkammer Die zweite Rüstkammer rückt den Ambraser Hausherrn Erzherzog Ferdinand II. als Veranstalter höfischer Feste und Turniere, der auch als Organisator und als Regisseur verantwortlich zeichnet, in den Mittelpunkt. Am Beginn der repräsentativen und häufig auch propagandistisch ausgerichteten Festfolgen stand der feierliche Einzug der Gäste, auf den verschiedene Turnierformen wie das Freiturnier oder das Fußturnier folgten. Als Freiturnier bezeichnet man den sportlichen Reiterkampf, der zuerst mit scharfen Lanzen und anschließend mit Schwertern ausgetragen wurde. Das Fußturnier wurde zu zweit oder in einer Gruppe mit unterschiedlichen Hau- und Stichwaffen auf einem eingezäunten Platz ausgefochten. Die Rüstungen waren Meisterwerke Prager sowie Innsbrucker Plattnereien, wobei vor allem der Innsbrucker Jakob Topf mehrere Großaufträge seitens des Hofes erhielt. Ein wahres Meisterwerk ist der in antikisierendem Stil gestaltete Hochzeitsharnisch Ferdinands II., den dieser für die Feierlichkeiten anlässlich seiner zweiten Hochzeit mit Anna Caterina Gonzaga 1582 in Auftrag gab. Die Porträts der zweiten Rüstkammer zeigen berühmte Feldherren des 16. Jahrhunderts, deren Waffen oder Rüstungen in der Ambraser Heldenrüstkammer verwahrt wurden. Diese Bildnisse dienten zum Teil als Illustration der ferdinandeischen Sammlung. Am Ende des Raumes befand sich, ursprünglich abgetrennt, die sog. Türkenkammer; in ihr wurden osmanische Ausrüstungs- und Luxusgegenstände wie Sättel, Pfeil und Bogen, Säbel, Schilde und Helme präsentiert, bei denen es sich u. a. um vom Schlachtfeld mitgebrachte Beutestücke handelt. Einzigartig und selten auf uns gekommen sind die kreisrunden Ledermosaike aus dem 16. Jahrhundert, die in den türkischen Zelten als Unterlage am Boden und als Wanddekor Verwendung fanden. Die aus Eisen getriebenen, farbig gefassten und mit 7 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Haaren besetzten Masken aus der Zeit der Statthalterschaft Ferdinands II. in Böhmen (1547–1564/67) tragen die Züge von Husaren und Mohren. Sie dienten der Verkleidung der gegnerischen Partei bei den sog. Mummereien oder husarischen Turnieren, im Zuge derer eine Gruppe als christliche Ritter gegen die Gruppe der Osmanen focht. Dritte Rüstkammer In der dritten Rüstkammer war ursprünglich die Ambraser Kunstkammer untergebracht, die heute in rekonstruierter Form in der ehemaligen Bibliothek gezeigt wird. Hier sind Rüstungen und Waffen aus dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) zu sehen. Dieser vor allem in Deutschen Landen und in Böhmen ausgetragene Krieg entstand zunächst aufgrund religiöser Gegensätze, mit seinem Fortschreiten wurde er dann zum Kampf um die Vorherrschaft in Europa. Die ausgestellten Gebrauchswaffen stammen großteils aus den Beständen des ehemaligen Wiener Zeughauses. Mit den Waffen im vorderen Teil des Saales (bis zum vierten Fenster) wird die erste Hälfte des Dreißigjährigen Krieges dokumentiert. Auf der rechten Seite befinden sich Kavallerie-, auf der linken Infanteriewaffen. Die „Arkebusierreiter“ trugen eine Arkebuse, ein kurzes Radschlossgewehr und einen Degen. Der schwere Reiterharnisch wurde nun vom leichteren Kürass abgelöst. Zwei Pistolen und ein Degen bildeten die Ausrüstung der Kürassiere. Die schwere, lange Muskete mit Luntenschloss wurde von vorne geladen und musste beim Abfeuern auf eine Gabel gestützt werden. Als einzigen Schutz trugen die Musketiere einen hutartigen Helm. Die zweite Phase des Dreißigjährigen Krieges und der Beginn der Türkenkriege unter Kaiser Leopold I. (1640–1705) werden im unteren Saalbereich dokumentiert. Während die Kavallerie mit Bügeldegen und Karabinern mit französischem Flaschenkolben ausgestattet war, trugen die Pikeniere als Fußsoldaten vier bis sechs Meter lange Spieße (Pike) und jeweils einen Degen. Die gemalte Decke des Raumes befand sich ursprünglich im fürstlichen Speisesaal in einem im 19. Jahrhundert teilweise abgebrochenen Gebäude gegenüber dem Hochschloss (heute Terrassenstöckl). 1880 wurde sie hierher transferiert. In einem ovalen Band umlaufen die zwölf Tierkreiszeichen das Universum. 37 Sternzeichen sind vor dem himmelblauen Hintergrund dargestellt, darunter auch das „Haar der Berenike“, das erst in den 1530er Jahren in die Astronomie eingeführt wurde. Die Zwickelfelder in den Ecken zeigen die vier Elemente, die Seitenfelder sind den Personifikationen der damals sieben bekannten Planeten gewidmet. Diese Malereien entstanden um 1586 und werden dem Hofmaler Erzherzog Ferdinands, Giovanni Battista Fontana, zugeschrieben. Der Künstler griff auf die Anordnung in Albrecht Dürers Holzschnitten der nördlichen und südlichen Hemisphäre von 1515 zurück, doch sind die bei Dürer in antikisierender Nacktheit wiedergegebenen Sternbilder nun – mit Ausnahme von Herkules – bekleidet. Die monumentalen Planetengötter werden hingegen in praller Freizügigkeit gezeigt. 8 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Ausgesuchte Meisterwerke Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Kniestück in Adlerrüstung | Francesco Terzio | um 1550 | Inv. Nr.: GG_8063 Erzherzog Ferdinand (1529-1595) wird hier in einem Spezialharnisch - dem Feldküriss - gezeigt, der zu einer 1547 vom Hofplattner Jörg Seusenhofer in Innsbruck angefertigten Garnitur gehört; diese zählte zu den kostspieligsten Rüstungsensembles der Zeit. Wegen des Zierelements in Form von feuervergoldeten Adlern wird die Gruppe als "Adlergarnitur" bezeichnet. Die Barttracht des jungen Erzherzogs erinnert an diejenige seines Vaters Ferdinand I. und an die seines Onkels Karl V. Er trägt den so genannten "Böhmischen Hut", eine Kopfbedeckung aus Filz und Silberdraht. Auf dem Tisch zu seiner Rechten steht der zur Garnitur gehörige Mantelhelm mit geöffnetem Visier; daneben liegen Fausthandschuhe sowie eine purpurrote Schärpe. Das Porträt (dem Bildtypus nach ein "Kniestück" - es zeigt Ferdinand bis zu den Knien) wurde aus stilistischen Gründen Francesco Terzio zugeschrieben und um 1566/67 datiert, doch schuf dieser das Bildnis wahrscheinlich schon früher, und zwar um 1556/57: Die Schärpe verweist wohl auf das Kommando des Erzherzogs in Ungarn im Jahr 1556, und das Fehlen der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, in den der Erzherzog am 28. März 1557 aufgenommen wurde, deutet darauf hin, dass das Gemälde vor diesem Zeitpunkt entstand. Dieselbe Darstellung diente als Vorlage für ein Kleinbildnis Ferdinands II., das ihn dann bereits mit dem Ordensemblem zeigt. Zur Zeit der Porträtaufnahme war der junge Habsburger Statthalter des Königreiches Böhmen (1547-1564), eines der wohlhabendsten Königreiche Europas mit der Weltmetropole Prag als Hauptstadt. Er verließ Prag nach dem Tod seines Vaters 1564 und zog nach Innsbruck, in die Residenzstadt der von seinem Vater geerbten Grafschaft Tirol. Schloss Ambras vermachte er seiner ersten, heimlich angetrauten Frau Philippine Welser; er baute es zum Wohnsitz seiner Familie und zu einem bedeutenden Museum aus. Fußkampfharnisch | Konrad Seusenhofer | 1514/1515 | Inv. Nr.: HJRK_E_1 Der Geburtsort des 1500 in Innsbruck erwähnten berühmten Plattnermeisters Konrad Seusenhofer ist nicht bekannt. Er wurde von Kaiser Maximilian I. (1493-1519) 1504 mit der Leitung der Innsbrucker Hofplattnerei betraut, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1517 innehatte. Seusenhofer stand im Hofdienst Maximilians an der Spitze eines riesigen Unternehmens, das sowohl militärische Massenerzeugnisse als auch kostbare Harnische für repräsentative Zwecke produzierte. Die Hofplattnerei erhielt am Sillfluss eine spezielle Poliermühle; zur serienmäßigen Fertigung wurden Matrizen vorgefertigt, der Transport von Harnischblechen aus Leoben war organisiert. Seusenhofers Plattnerarbeiten, speziell seine Imitationen von textilen Kleidungsstücken, gehören zu den schönsten dieser Zeit. Diese vollständig blanke Rüstung setzt sich aus Brust, Rücken samt geschlossenen Kniehosen mit Gliedschirm, Beinröhren und Schuhen zusammen. Die Besonderheit der Konstruktion des Harnisches für den Fußkampf besteht darin, dass er in eine Vorder- und eine Rückenhälfte zerlegbar ist. Helm, Kragen und Armzeuge samt Handschuhen wurden erst bei der Aufstellung in Schloss Ambras im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hinzugefügt. 1514 bestellte Kaiser Maximilian I. bei Seusenhofer einen Faltenrockharnisch für den achtjährigen 9 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Ludwig II. von Ungarn. Wahrscheinlich wurde damals auch der Fußkampfharnisch angefertigt und mitgeliefert. Den Anlass bildete die Hochzeit Ludwigs mit Maria, der Enkelin Maximilians, im Jahre 1515. Derlei festliche Aufzüge gaben nicht selten die Gelegenheit für publikumswirksame Auftritte junger Prinzen im Harnisch. Die Rüstung ist bereits in dem ältesten, ab 1581/83 entstandenen Inventar der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. erwähnt. Rennzeug | Lorenz Helmschmid | um 1495 | Inv. Nr.: HJRK_B_182 Das Rennzeug stammt aus der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II., die seit etwa 1574 im Aufbau begriffen war. Es gehörte wohl zu den vierzehn Rennzeugen aus dem Besitz Erzherzog Sigismunds und Kaiser Maximilians I., die 1582 von der Burg in Innsbruck nach Schloss Ambras gebracht und dort in der Turnierrüstkammer aufgestellt wurden. Wie kaum ein anderer Fürst seiner Zeit hatte sich Kaiser Maximilian I. (1493-1519) dem Turniersport gewidmet. Zudem ergeben seine autobiographischen Werke Freydal und Triumphzug eine vollständige Dokumentation der Turnierarten seiner Zeit sowie der Turniere, an denen er teilgenommen hat. Um die Art seiner praktischen Verwendung anschaulich zu machen, wird das Rennzeug in Abwandlung der historischen Präsentationsweise zusammen mit einem zweiten in der Ambraser Rüstkammer auf einem nachgebauten Turnierplatz ausgestellt, wofür Maximilians Turnierbuch, der Freydal, als Vorlage dient. Rennzeuge waren Spezialrüstungen für das Turnier zu Pferd, die im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts aus Kriegsrüstungen entwickelt wurden. Wegen ihrer Seltenheit repräsentieren sie als historische Dokumente des Turniersports und als Kunstwerke einen hohen ideellen, aber auch materiellen Wert. Das hier vorgestellte Rennzeug besteht in der Hauptsache aus einem Rennhut mit Stirnplatte und einem Nackenschirm, einem vorgeschnallten Rennbart, der Rennbrust mit Rüsthaken, dem Rasthaken, einem Magenblech mit Bauchreifen und Schößen und einem als Tartsche bezeichneten Schild aus lederbezogenem Holz, ferner einem Rücken mit einem als Stütze dienenden Schwänzel. Die Dilgen hängen als massiver Schenkelschutz am Sattel. Ein halbkreisförmiger Brechschild über dem Rennspieß (im vorliegenden Fall eine moderne Anfertigung) mit einem scharfen Renneisen schützt Arm und Oberkörper. Aus stilistischen Gründen wird die Rüstung den Meistern Lorenz und Jörg Helmschmid aus Augsburg zugeschrieben. Die Helmschmid zählten gemeinsam mit Konrad Seusenhofer zu den berühmtesten Plattnern dieser Zeit; sie arbeiteten auch für Kaiser Maximilian I., ihre Werke waren sehr begehrt. Rossstirn | Lorenz Helmschmid | 1485/1490 | Inv. Nr.: HJRK_B_87b Stechzeuge sind Spezialrüstungen für das Ritterspiel zu Pferd mitstumpfen Lanzen. Seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundertunterschied man eine deutsche und eine "welsche" Form. Bei der deutschen fand das Turnier auf einem abgeschrankten Platz statt, bei der"welschen" Form waren die Ritter hingegen auf dem Turnierplatz durcheine hölzerne Barriere voneinander getrennt. Die Rüstung der deutschen Form besaß keine Beinzeuge, die welsche Form hingegen komplette. Auffallend ist besonders die Helmform, die auf den Topfhelm und den Kübelhelm des 13. und 14. Jahrhunderts zurückgeht. Der Helm war an Brust und Rücken fest verbolzt; eine weiche, mit Wolle gefütterte Harnischkappe schützte den Kopf vor dem Anstoßen an die Stahlplatte des Helmes. Das hier vorgestellte Stechzeug mit rot-weißer Pferdedecke gehörte zu einer Serie von sechs aus Anlass der zweiten Hochzeit Erzherzog Sigismunds 1484 hergestellten Rüstungen. Es gelangte auf 10 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum dem Erbweg in den Besitz Maximilians I. und wurde in der Rüstkammer der Hofburgaufbewahrt. Erzherzog Ferdinand II. ließ es von dort 1582 nach Schloss Ambras bringen und in der Turnierrüstkammer ausstellen. Wegen der auf dem Helm angebrachten Marke, einem Kreuz, aus dessen Mitte schräg rechts und links ein Sparren herauswächst und das große Ähnlichkeit mit der Hausmarke der Innsbrucker Plattnerfamilie Witz aufweist, wurde die Rüstung hypothetisch dem Plattner Michel Witz dem Alten zugeschrieben. Die stabilsten Teile der massiven, etwa 45 Kilogramm wiegenden Rüstung sind der mit dem Rückenstück verschraubte Helm und die Brust. Hinzukommen das Magenblech mit den Beintaschen und das mit einem Stützblech vernietete Rückenstück. Die Arme sind durch Achseln, Scheiben sowie die Stecharme geschützt, links gibt es einen steifen Fäustling. Der mit einem Lederüberzug versehene Schild aus Holz ist an das Bruststück geknüpft. Im Gegensatz zum Rennspieß hat der Stechspieß eine drei- oder mehrzackige Krone als Spitze und eine relativ kleine Brechscheibe als Handschutz. Die Verwendung der Krone diente zur Erhöhung der Sicherheit. Vom Pferdezeug stammen ein Stechsattel, Steigriemen und Steigbügel sowie die Rossstirn mit verdeckten Augen. Küriss | Wilhelm von Worms d.Ä. | um 1525 | Inv. Nr.: HJRK_A_238 Die Rüstung besteht aus einem geschlossenen Helm mit Faltenvisier, dem Kragen, einer Kugelbrust mit Rüsthaken und an der Brust mit Lederriemen befestigten Beintaschen als Schenkel- und Unterleibsschutz, ferner dem Rücken. Asymmetrische Brechrandschultern und Armzeuge waren Elemente, deren Konstruktion besonders schwierig war, da sie als Schutz die Schulterund Achselgegend umfassen sollten, ohne die Beweglichkeit einzuschränken. Ähnlich verhielt es sich mit dem Beinzeug. Fausthandschuhe schützten die Hände. Der vorliegende Typus der Reiterrüstung ist wegen der "wellblechartigen" Gestaltung der Stahlteile als Riefelharnisch zu bezeichnen; seine Oberflächenstruktur ahmt plissierte textile Gewebe nach. Diese Fertigungsweise bildete eine Spezialität des virtuosen Treibkünstlers Konrad Seusenhofer, der als Hofplattnermeister im Dienst Kaiser Maximilians I. stand. Diese Rüstungen wurden daher auch als Maximiliansharnische bezeichnet. Derartige durch aufwendige Treibarbeit sehr attraktiv gestaltete Harnische entstanden nur über einen Zeitraum von etwa vierzig Jahren (1500-1540), und zwar vorwiegend im süddeutschen Raum. Neben Augsburg und Innsbruck ist in diesem Zusammenhang vor allem Nürnberg zu nennen, woher der hier präsentierte Harnisch stammt. Er war in der Heldenrüstkammer Erzherzog Ferdinands II. aufgestellt und gehörte ursprünglich dem Pfalzgrafen Philipp, dem jüngeren Bruder des Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz. Philipp beteiligte sich maßgeblich an der Verteidigung Wiens 1529 gegen Süleiman den Prächtigen, indem er fünf Tage vor dem Eintreffen des Sultans die Reiterei der Verteidiger durch Reichstruppen in einem kühnen Vorausritt erheblich verstärkte. Diese Aktion verhalf ihm im römischen Reich zum Ruf des Retters von Wien mit dem Beinamen "bellicosus" (der Streitbare). Außerdem wurde ihm die große Ehre zuteil, 1532 von Kaiser Karl V. in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen zu werden. 11 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Trabharnisch | | um 1555 | Inv. Nr.: HJRK_A_983 Diesen Harnisch bilden eine Sturmhaube mit geschlossenen Wangenklappen und beweglichem Naseneisen, eine Brust mit Rüsthakenlöchern und einem Bauchreifen sowie ein Rücken mit Gesäßreifen. Der Kragen und die asymmetrischen Schultern sind nicht zugehörig, werden aber bereits im ältesten, ab 1581 angelegten Inventar auf Schloss Ambras erwähnt: "Herr Anndree Teufl. Ain schwarz harnisch, vornen auf der brust ain crucefix, darneben ein knieender mann mit laubwerch geöczt und verguldt, hat nachvolgende stuckh, als kragen, ruggen und krebs, ain par ächselen sambt ainer sturmbhauben, geöczt und verguldt, darbei ist sein conterfect." Andreas Teufel begleitete Erzherzog Ferdinand II. auf dessen Feldzug 1556 in Ungarn. Er war ein wenig älter als der Erzherzog und gehörte als Stallmeister zu seiner nächsten Umgebung. Mit der Frau des Andreas Teufel, Marianne, pflegte Philippine Welser, die Gemahlin Ferdinands II., noch in Tirol freundschaftliche Kontakte. Ein Harnisch des vorliegenden Typus diente als Ausrüstung einer neuen Truppe, der mit Pistolen bewaffneten "Pferdschützen". Er unterscheidet sich vom Feldharnisch des alten Typs in der Hauptsache durch das Weglassen der Beinzeuge und Armzeuge aus Stahlplatten und ihren Ersatz durch Ringelgeflecht. Infolge des geringeren Gewichts der Rüstung erhöhte sich - als Antwort auf die hohe Mobilität der osmanischen Kavallerie - die Beweglichkeit des Trägers. Das Motiv der vergoldeten Ätzung auf der Harnischbrust, ein vor dem Kreuz kniender Ritter, stammt vom sächsischen Hofmaler Lukas Cranach dem Älteren und ist in der Folge als Harnischdekor häufig anzutreffen. Küriss | Melchior Pfeiffer | 1555/1556 | Inv. Nr.: HJRK_A_767 Der Küriss ist in der ersten Ambraser Rüstkammer im noch original aus dem 16. Jahrhundert erhaltenen 5. Harnischkasten ausgestellt und wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem am Hof zu Prag beschäftigten Plattner Melchior Pfeiffer für den Ungarn-Feldzug des Jahres 1556 angefertigt. Er repräsentiert eine Reiterrüstung etwas leichterer Bauart, wie sie um die Jahrhundertmitte unter niederländischem Einfluss eingeführt wurde. Als Helm diente zumeist eine Sturmhaube, Beinschienen wurden durch Lederstiefel ersetzt. Mit den Ereignissen des Feldzuges beschäftigt sich ausführlich der Text im Katalog zur Heldenrüstkammer aus dem Jahre 1601. Das Bildnis des Kataloges zeigt Erzherzog Ferdinand II. in einer Rüstung, die der präsentierten zumindest sehr nahe kommt. Die ausgestellte Feldbinde ist eine moderne Kopie aus dem Jahr 1984, der Kommandostab hingegen ein Original. Von den beiden genannten Hofplattnern Erzherzog Ferdinands II. scheint Pfeiffer der wichtigere gewesen zu sein. Darauf deutet eine vorübergehende Entlassung des anderen Plattners, des Wolfen Keser, wegen mangelnden Fleißes hin. Pfeiffer orientierte sich formal an den "schlanken", eleganten Linien, wie sie auch beim Innsbrucker Hofplattner Jörg Seusenhofer zu finden sind, wobei es sich um eng sitzende Harnische ohne besondere Betonung der Taille sowie des Mittelgrates der Brust handelt. Der Kriegszug Ferdinands war ein Versuch, mehrere feste Plätze und Befestigungen zu verproviantieren, und nicht eine militärische Aktion größeren Stils. Tatsächlich gelang die Verproviantierung der wichtigen Feste Szigetvár. 12 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Knechtharnisch des Hofriesen Bon und 3 Knabenrüstungen | Melchior Pfeiffer | Knechtsharnisch: um 1560, Knabenrüstungen: um 1575, Gliederpuppe: 1. H. 16. Jh. | Inv. Nr.: HJRK_A_634 und andere Die am Ende der ersten Rüstkammer von Schloss Ambras postierte Gruppe der über 2,60 m großen Gliederpuppe aus Holz in der originalen Landsknechtstracht und Rüstung sowie der Knabenharnische zieht durch ihre theatralische Inszenierung die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. In der riesigen Puppe ist der Bauer Bartlmä Bon aus Riva bei Trient in Italien dargestellt, aus dessen Leben nur ein einziges Ereignis bekannt ist: Er war der Begleiter der Neffen Erzherzog Ferdinands II. im sechsten Aufzug des Fußturniers, das in Wien im Jahre 1560 in Anwesenheit der kaiserlichen Familie veranstaltet wurde. An seinem in der Kunstkammer von Schloss Ambras ausgestellten gemalten Bildnis lassen sich im Gesicht die Merkmale eines Hypophysentumors erkennen, der wahrscheinlich den Riesenwuchs des Mannes bewirkt hat. Die heutige Aufstellung entspricht der ursprünglichen, wie sie das Inventar aus den Jahren 1581/83 dokumentiert. Unter der originalen Rüstung, die aus stilistischen Gründen um 1560 zu datieren ist, kommt das ebenfalls originale, in den Farben Rot und Weiß gehaltene, mit Schlitzen und Puffen versehene Landsknechtskostüm zum Vorschein. Vermutlich handelt es sich bei dem Harnisch um ein Werk der von Erzherzog Ferdinand gegründeten Prager Hofwerkstatt unter der Leitung seines Hofplattnermeisters, Melchior Pfeiffer. Die Knabenharnische gehörten den Söhnen Ferdinands, Andreas und Karl, und waren sowohl für Turniere zu Pferd als auch für solche zu Fuß zu verwenden. Sie sollen durch ihre Präsentation in einer Gruppe gemeinsam mit dem Hofriesen aus der Reihe der bedeutenden Persönlichkeiten, mit deren Rüstungen zusammen sie ursprünglich aufgestellt waren, besonders hervorgehoben werden. Rüstung zum Plankengestech | Jakob Topf | um 1580/1590 | Inv. Nr.: AM_WA_772 Jakob Topf wird in den Jahren von 1575 bis 1597 als Hofplattner Ferdinands II. erwähnt. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit zählten neben den Aufträgen im Dienste des Erzherzogs militärische Ausrüstungsgegenstände für das Zeughaus. Nach seinem Tod leitete seine Witwe Anna die Werkstatt. David Topf, wohl ein Bruder des Jakob, arbeitete als Plattner auf Schloss Ambras, er starb um 1594. Die Rüstung gehört zu einer Serie von zwölf gleichen Rüstungen zum Plankengestech, die in den Ambraser Inventaren aus den Jahren 1581/83 und 1596 erwähnt werden. Diesen Eintragungen zufolge wurden die Harnische nicht gleichzeitig, sondern zwischen 1580 und 1590 in mehreren Etappen hergestellt. Das Gewicht der Rüstungen von jeweils etwa 30 Kilogramm ist beträchtlich; vor allem Helm und Brust sind sehr stabil gebaut. Die Harnische des Jakob Topf unterscheiden sich von denen seines Vorgängers Melchior Pfeiffer und von den zeitgleichen durch runder gewordene Formen, wie dies besonders an Brust, Helm und Rücken zu erkennen ist. Darin differieren sie auch von den sehr schlanken Augsburger Harnischen, etwa von denjenigen des Anton Peffenhauser. Dazu ist die Helmglocke, die den Stirnschädel schützt, auffallend hoch getrieben und die Brustspitze reicht weit über die Taille hinab. Eine besondere Eigenart der Arbeitsweise des Jakob Topf ist es, dass er verschiedene Verstärkungsteile in einem Stück treibt, wie die Helmverstärkung und die Brustverstärkung sowie den linken Handschuh und den Oberarmschutz. Betroffen davon ist die linke Körperseite, die dem Stoß ausgesetzt ist. Jakob Topf ist als der letzte große höfische Plattnermeister Innsbrucks zu bezeichnen; er besaß 13 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum europäischen Rang, seine Werke waren denjenigen seiner großen Konkurrenten wie Anton Peffenhauser durchaus ebenbürtig. Halber Prunkharnisch mit Harnischröckchen, sog. Hochzeitsharnisch, Erzherzog Ferdinand von Tirol (1529-1595) | Jakob Topf | 1582 | Inv. Nr.: HJRK_A_786 Der Prunkharnisch entstand wohl anlässlich der Hochzeit Erzherzog Ferdinands II. mit Anna Caterina Gonzaga 1582; er stimmt bis in Details mit dem im Hochzeitskodex Ferdinands II. abgebildeten Leibharnisch des Erzherzogs überein (Inv.-Nr.: KK_5270). Das Nachlassinventar der Ambraser Sammlungen aus dem Jahr 1596 beschreibt "Irer fürstlich durchlaucht etc. rüstung zu der hochzeit" ausführlich: "Ain geschobene rüstung und hauben mit vergulten geeczten raifen, darüber ain leibfarb atlesses röckhl, mit silber gestuckht. Ain sattl und parsen von gleicher arbait, auf der hauben ain griener drackh mit vier grosz federbuschen, die vergult, mit leibfarber seiden, ain regiment, ain leibfarb sammete rundell." Die vom Hofplattner Erzherzog Ferdinands II., Jakob Topf, geschaffene Rüstung setzt sich aus leichtgewichtigen Platten von dünnem, getriebenem, geätztem und feuervergoldetem Stahlblech zusammen. Der offene Helm, eine so genannte Sturmhaube, ist mit einem bemalten Drachen geschmückt und an der Innenseite mit dem originalen Futter aus rotem Atlas bezogen. Die Löwenköpfe an den Schultern und die Hängelaschen sind Requisiten der antikisierenden Mode. Als Harnische all'antica oder alla romana bezeichnete man jene Luxusanfertigungen, die sich an Rüstungen römischer Imperatoren orientierten. Sie dienten repräsentativen Zwecken, wurden ab etwa 1530 zunächst in Mailand, später auch in anderen europäischen Plattnereizentren hergestellt und boten dem Träger die Möglichkeit, gleichsam selbst als antiker Held aufzutreten und dessen Tugenden für sich zu beanspruchen. In diesem Fall verkörperte Erzherzog Ferdinand möglicherweise den trojanischen Helden und sagenhaften Stammvater Roms, Aeneas. Harnisch zum Plankengestech mit Gittertartsche | | um 1555/1560 | Inv. Nr.: HJRK_A_685 Der Spezialharnisch zum Plankengestech stammt aus den Beständen der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. Er ist weder signiert noch datiert, kann jedoch stilistisch in die Zeit um 1555/60 eingeordnet werden. Dafür spricht in erster Linie die Form der Brustplatte, deren Mittelgrat ein wenig über die Taillenlinie hinausragt. Die Taille selbst bildet um den Grat einen stumpfen Winkel und ist relativ hoch angesetzt, wie dies der Mode der Zeit um 1555/60 entspricht. Im Unterschied zur italienischen Spielart mit einem glatten, anliegenden Schild verfügt die Rüstung über einen Schild deutscher Form mit einer gegitterten Tartsche. In seiner Bauart gleicht er den im nach 1557 entstandenen Turnierbuch Erzherzog Ferdinands II. abgebildeten Rüstungen. Die Zuschreibung an die Prager Hofwerkstatt erfolgte hypothetisch. Ab 1550 beschäftigte Ferdinand II., der junge Vizekönig von Böhmen, einen Hofplattner, und kurze Zeit später wurde eine Hofplattnerei eingerichtet; Wolf Keser und Melchior Pfeiffer wurden als Plattner eingestellt. Das Plankengestech, eine auch als "Neues welsches Gestech" bezeichnete Spielart des Turniers zu Pferd, wurde um 1530 eingeführt und als Zweikampf oder Gruppenkampf über eine Plankenwand hinweg ausgeführt. Anfänglich war die Ausrüstung Bestandteil einer Harnischgarnitur; von 1560 bis 1570 entstanden für diesen Zweck fast ausschließlich Spezialharnische. Turnierharnische dieser Art waren Anfertigungen nach Maß und besaßen eine perfekte Passform. Der Harnisch, der vom 14 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Hochadel im Feld getragen wurde, unterschied sich zu jener Zeit durch eine wesentlich leichtere und einfachere Bauart bereits erheblich vom Turnierharnisch. Nicht selten wurden Turnierharnische für große höfische Feste bestellt und dienten der Repräsentation des Harnischbesitzers beim Turnier, das den Höhepunkt des Festes darstellte. Lederteller | | 1. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_560 Die Tulpe ist das vorherrschende Motiv dieses in Ledermosaik gearbeiteten Tellers. Von einer zentralen Rosette ausgehend breitet sie sich astförmig in Rot-Braun oder Weiß-Braun auf schwarzem Grund aus. Zwischen den Tulpen ranken sich wilde Hyazinthen empor. Der anschließende Randstreifen besteht aus vier Feldern, die an den Seiten dreipassförmig aneinander stoßen. Darauf sind tief geschwungene, mehrfarbige Tulpen im Wechsel mit Rosetten über einem braunen Hyazinthenmotiv auf rotem Grund zu sehen. Weiße Linien grenzen diesen Streifen nach innen und außen ab. Die rhythmische Wirkung des Flächendekors beruht auf der sorgfältigen Ausführung und der symmetrischen Anordnung der Motive in kontrastreichen Farben. Das Ambraser Inventar von 1596 beschreibt mehrere Ledermosaikarbeiten: "Mer ain Türggischer Teppich, von leder allerlai farben geziert, darzue drei runde taller, auch von allerlei farben geziert". Diese Teller wurden vermutlich als Unterlage für Speisen verwendet, da sie unzerbrechlich und leicht zu transportieren waren. Die Tulpe, türkisch lalé, galt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als die türkische Blume schlechthin, weshalb die Blütezeit des Osmanischen Reiches unter Sultan Süleiman (1495–1566) dem Prächtigen auch als "Tulpenzeit" bezeichnet wird. Auf der zur Zeit Süleimans zum Osmanischen Reich gehörende Halbinsel Krim am Schwarzen Meer wuchsen wilde Tulpen, die als Handelsartikel nach Konstantinopel gebracht wurden. Der Gesandte Kaiser Ferdinands I. in Konstantinopel, Ogier Ghiselin de Busbecq, erwähnte in seinen Sendschreiben 1555 erstmals die "Tulipa Turcarum" und ließ u. a. Samen und Tulpenzwiebeln nach Wien bringen. Die erste Beschreibung der Tulpe in Europa lieferte der Naturhistoriker Conrad Gesner im Jahr 1561. Charles d'Ecluse, Leiter des "Hortus botanicus medicinae" am kaiserlichen Hof in Wien, befasste sich ebenfalls wissenschaftlich mit dieser neuen Pflanze; er war es auch, der die Tulpe in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts erstmals in Holland züchtete und damit eine Entwicklung einleitete, die im 17. Jahrhundert in gewaltigen Spekulationen am holländischen Tulpenmarkt, der so genannten "Tulipomanie", gipfelte. Die Sieger der Seeschlacht von Lepanto 1571 | Italienisch, Florenz (?) | um 1575 | Inv. Nr.: GG_8270 Eines der herausragendsten Ereignisse zu Lebzeiten Erzherzog Ferdinands II. war der Sieg der vereinigten spanischen, päpstlichen, venezianischen, genuesischen und toskanischen Flotten über die Türken und die in deren Diensten segelnden nordafrikanischen Piraten bei Lepanto im Golf von Korinth im Jahre 1571. In dieser Schlacht verloren die Türken 150 Schiffe, wodurch ihre Vorherrschaft im Mittelmeer nachhaltig gebrochen und ihrem Vordringen in Europa Einhalt geboten wurde. Das Bild befand sich laut Nachlassinventar von 1596 fol. 55v im neuen Saal von Schloss Ruhelust im Hofburgkomplex von Innsbruck. Es zeigt die Sieger dieser Schlacht, Don Juan d'Austria, Marc Antonio Colonna und Sebastiano Venier. Sie sind ganzfigurig dargestellt und werden am unteren Bildrand folgendermaßen genannt: "JOHANES AUSTRIE / MARCVS ANTONIVS [C]OLVM.[NA] / 15 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum SEBASTIANVS VENETI. DVX." Die Admirale der spanischen, päpstlichen und venezianischen Flotte tragen goldgeätzte Rüstungen, die in die Ambraser Sammlung gelangten und heute in der Hofjagdund Rüstkammer in Wien aufbewahrt werden. Im Hintergrund wird zwischen einem Felsen und einer Mauer der Golf von Korinth mit den Galeeren der vereinigten Flotten sichtbar. Don Juan d'Austria (1547-1578) entstammte der außerehelichen Beziehung Kaiser Karls V. mit der Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg. Als Zwölfjähriger wurde er von Karls Erstgeborenem, Philipp II. von Spanien, offiziell als Halbbruder anerkannt und gemeinsam mit dem um zwei Jahre älteren Thronfolger Don Carlos erzogen. 1571 erhielt er den Oberbefehl über die gemeinsame Flotte der Heiligen Liga, die sich gegen die Türken zusammengeschlossen hatte. Marc Antonio Colonna (1536-1584) gehörte einer alten, einflussreichen Adelsfamilie des Kirchenstaates an und wurde von Papst Pius V. mit dieser Expedition gegen die Türken betraut. Sebastiano Venier (um 1496 - 1578) war 1570 Prokurator von San Marco und hatte bei Lepanto den Oberbefehl über die venezianischen Truppen inne. 1577 wurde er Doge von Venedig. Die Kunst- und Wunderkammer Die Ambraser Sammlung von Erzherzog Ferdinand II. ist für die Geschichte des Sammelwesens ebenso wie als einzig am Ort erhaltene manieristische Kunstkammer von unschätzbarem Wert. Die jetzige Aufstellung folgt den Intentionen des Landesfürsten und berücksichtigt dabei alte Inventare, welche die Gegenstände und ihre Anordnung beschreiben. Das älteste davon wurde 1596 anlässlich des Todes Ferdinands II. 1595 angefertigt. Kunst- und Wunderkammern sind in der Renaissance als Universalsammlungen entstanden, die das gesamte Wissen der Zeit erfassen wollten. Die Sammler sahen sich als gottgleiche Schöpfer einer Welt im Kleinen. Ferdinand entwickelte für seine Sammlung eine besondere Art der Präsentation, bei der Objekte aus demselben Material unabhängig von ihrer Herkunft in ursprünglich 18 deckenhohen Kästen in der Mitte des Raumes gezeigt wurden. Die Sammlung enthält neben der spätmittelalterlichen Skulptur aus Birnbaumholz, dem „Tödlein“ oder Drechselarbeiten aus Elfenbein nicht nur künstlerisch und handwerklich herausragende Stücke, sondern auch wissenschaftliche Gegenstände, Objekte aus fernen Ländern, etwa die „Ryukyu Schale“, sowie Musikinstrumente. Auch rare, exotische und außergewöhnliche Stücke der Natur und Porträts von Menschen die als „Wunder“ galten – wie etwa jene der Haarmenschen – wurden gesammelt. Das Antiquarium diente zur Aufstellung antiker Skulpturen. In seinen Öffnungen sind 85 halbkreisförmige Nischen eingetieft, die mit Bildnisköpfen berühmter Persönlichkeiten des antiken Roms und mythologischen Darstellungen ausgestattet sind. Kunstkammer In der Geschichte der fürstlichen Kunstkammern des 16. Jahrhunderts nimmt die Kunst- und Wunderkammer in Schloss Ambras eine besondere Stellung ein. Sie zählt nicht nur zu den aufgrund der erhaltenen Inventare am besten dokumentierten Sammlungen ihrer Art, sondern ist darüber hinaus auch in großen Teilen an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort erhalten geblieben. Die Bezeichnung 16 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum „Kunstkammer“ finden wir erstmals im 1594 verfassten Testament Erzherzog Ferdinands II. als „kunst- oder wunder […] cämern“. Ihre jetzige Aufstellung in der ehemaligen Bibliothek im Kornschüttgebäude des Unterschlosses versucht den Intentionen ihres Begründers soweit wie möglich zu folgen. Dabei fanden alte Inventare mit der Beschreibung der Sammlungsgegenstände und ihrer Anordnung Berücksichtigung. Das älteste Inventar wurde 1596 – ein Jahr nach dem Tod Erzherzog Ferdinands – zur Erstellung seines Nachlasses angefertigt. Demnach präsentierte sich seine Sammlung in ursprünglich 18 hohen, bis zur Decke reichenden, in der Mitte des Raumes Rücken an Rücken stehenden Kästen. Aus dem Inventar geht auch das spezifische Ordnungsprinzip hervor: Objekte, die aus dem gleichen Material gefertigt waren, wurden unabhängig von Herkunft und Thema jeweils in einem Kasten vereint. Acht Kästen waren farbig bemalt, wobei bis heute nicht geklärt ist, welche Bedeutung der Farbanstrich hatte. Zahlreiche Gemälde, präparierte Tiere und vielerlei Kuriositäten, die dicht an den Wänden bzw. von der Decke hingen, steigerten noch den Eindruck der Fülle in diesem Raum. In der Kunstkammer der Renaissance versammelte sich in idealer Weise das gesamte Wissen über die Zusammensetzung des Kosmos: Das breit gefächerte Universum war mit heimischen und exotischen Hervorbringungen der Natur sowie mit Produkten der Kunstfertigkeit des Menschen – Natur und Kunst – vertreten, woraus sich die Sammlungskategorien Naturalia und Arteficialia ergeben. Weitere Kategorien waren Scientifica – Produkte menschlichen Erfindungsgeistes und wissenschaftlichen Forscherdranges (z. B. mathematische und geodätische Messgeräte) –, Antiquitates, also Zeugnisse vergangener Epochen, Mirabilia (Ungewöhnliches oder Unbekanntes, außerhalb der Konventionen Stehendes oder durch technischen Effekt Überraschendes) sowie Exotica, Zeugnisse fremder und unbekannter Kulturen. Sie vereinigen sich zu einer anschaulichen Enzyklopädie, die Objekte aus allen Wissensgebieten gleichwertig nebeneinander stellt. Der Begründer der Sammlung wird zum Schöpfer eines Mikrokosmos, in dem sich der von Gott geschaffene Makrokosmos widerspiegelt. Den Grundstock der Sammlung Erzherzog Ferdinands bildeten Geschenke, wie etwa die berühmte Saliera des florentinischen Bildhauers und Goldschmieds Benvenuto Cellini, eine Gabe des französischen Königs Karl IX. Ergänzt wurden diese durch kostbare Erbstücke aus dem Besitz der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. bis hin zu solchen des Vaters von Erzherzog Ferdinand II., Kaiser Ferdinands I. Zu den besonderen Bücherschätzen in der Kunstkammer zählten etwa mittelalterliche Handschriften wie das Ambraser Heldenbuch und die Turnierbücher Theuerdank und Freydal Kaiser Maximilians. Der weitaus größte Teil der Sammlung Ferdinands kam aber durch gezielten Ankauf zustande. Ein Netzwerk von Agenten und Händlern half bei der Beschaffung. Erworben wurden ferner komplette Sammlungsnachlässe aus Adelsbesitz. Wenn wir uns heute auf einen Rundgang durch die Kunst- und Wunderkammer begeben, finden wir eine enzyklopädische Sammlung vor, die charakteristisch für die Zeit ihrer Entstehung ist. Darüber hinaus sind in Ambras spezifische Sammlungsbereiche in unvergleichlicher Weise ausgeprägt und in einer ungewöhnlichen Reichhaltigkeit erhalten geblieben. So zählt etwa der riesige Bestand an Korallen zu den bedeutendsten seiner Art. Als Gewächs des damals noch weitgehend unerforschten Meeres war die Koralle eine in natürlich gewachsener Form hoch begehrte Naturalie, die, künstlerisch bearbeitet, auch ein zur Arteficialie überhöhtes Kunstkammerstück werden konnte. Eine absolute Ambraser Besonderheit stellen die Korallenkabinette dar, deren Ikonografie zudem auf die Herkunft der Koralle aus dem Element Wasser Bezug nimmt. Das wie eine Meeresgrotte mit Muscheln, Schnecken und geschnittenen Meeresungeheuern aus Koralle gestaltete Kabinett hat sein reales Vorbild in den begehbaren italienischen Grotten des 16. Jahrhunderts, die als architektonische Gestaltungselemente des Manierismus etwa in den Grotten der Gärten der Medici-Villa Castello bei Florenz oder in den Boboli-Gärten des Palazzo Pitti erhalten geblieben sind. Bei den Korallenbergen wird das Spiel mit Natur und Kunst auf die Spitze getrieben: Die Naturalie Koralle wird hier zu einem künstlichen Berggebilde auf Gips montiert. Der Berg entpuppt sich aber als eine Miniaturdarstellung einer topografisch realen Landschaft bzw. Gegend, wie z. B. der Martinswand bei Zirl in Tirol. 17 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Nicht weniger bedeutend in ihrer Verschmelzung von Natur und Kunst sind die Handsteine, die aus den Bergwerken in Böhmen und Tirol stammen. Ihre Bezeichnung erhielten diese oft bizarr geformten Gesteinsproben aufgrund ihrer Größe, die eine Handfläche ausfüllt. Sie bildeten, wie die meisten Handsteine, ein artifizielles Konglomerat aus verschiedenen zusammengeklebten Mineralien und wurden häufig mit winzigen silbernen oder goldenen Figuren, die Szenen aus dem Bergwerksleben und eine Kreuzigung darstellen, bestückt. Dadurch waren sie ihrer ursprünglichen Funktion entfremdet und wurden zur sammlungswürdigen Arteficialie. Unikale Holzdrechselarbeiten, die aufgrund ihres Herstellungsortes als „Berchtesgadener Arbeiten“ bezeichnet wurden, galten im 16. Jahrhundert als „kunststuckh“. Sie demonstrieren höchstes handwerkliches und technisches Können und waren als reine Schaustücke ohne jegliche Zweckbestimmung konzipiert. Ziel war es, eine technische Perfektion zu erreichen, die sich durch den filigranen Auf bau der Gebilde häufig als Übersteigerung der statischen und materiellen Möglichkeiten gestaltet. Die Drechselkunst in verschiedenen Materialien wie Holz, Horn oder Elfenbein erfreute sich bei fürstlichen Sammlern ganz besonders großer Beliebtheit und ist in der Ambraser Kunst- und Wunderkammer mit seltenen Stücken vertreten. So liegt auch den im Inventar von 1596 genannten „Doppelköpfen“ aus sehr hartem und dichtem Maserholz mit seiner schönen Zeichnung eine hervorragende technische Drechselleistung zugrunde. Oft hat man auf das Gefäß einen kleineren, aber ähnlich geformten „Kopf“ (diese Bezeichnung geht auf das lateinische Wort cuppa zurück) gestellt und es dadurch zum „Doppelkopf“ gemacht. An den Ambraser Maserholzgefäßen sind keinerlei Gebrauchsspuren feststellbar, es handelt sich also um reine Sammlungsobjekte, die aufgrund ihres außergewöhnlich großen Formates in den Bereich der Mirabilia einzuordnen sind und zu den größten erhaltenen Beispielen dieser Gattung zählen. Ungewöhnlich groß ist auch der Sammlungsbereich Glas in Schloss Ambras, vor allem der Bestand an Glasbildern ist für seine Zeit einzigartig. Erzherzog Ferdinands besondere Vorliebe galt den auf der Insel Murano in Perfektion hergestellten, nahezu transparenten Glasprodukten. 1570 gründete er die Innsbrucker Hofglashütte, in der befristet aus Murano bestellte Glasbläser arbeiteten, die nach den Vorstellungen Ferdinands Stücke von besonderer Originalität gefertigt haben. Der praktischen Verwendung beim Ambraser „Willkumb“ in der Bacchusgrotte hingegen dienten das „Gläserne Fässchen“ und das „Schiffchen“ aus Murano, wohl ebenso der aus Eisen bestehende „Fangstuhl“: Durch einen verborgenen Mechanismus wurde der bzw. die darauf Sitzende von Eisenstangen festgehalten, und dies so lange, bis der männliche Gast das mit Wein gefüllte „Fässchen“ und der weibliche das „Schiffchen“ auf einen Zug geleert hatte. Das dichte dynastische Netz der Habsburger, das sich nicht nur über ganz Europa spannte, sondern auch die spanischen und portugiesischen Besitzungen in Übersee umfasste, wirkte sich in der Kunstkammer Ferdinands besonders auf den Sammlungsbereich der Exotica aus. Die im Inventar von 1596 wenig differenziert als „indianisch“ bezeichneten Objekte aus Rhinozeroshorn, Perlmutt, Jade, Porzellan, Lack und Seide stammen u. a. aus Afrika, Indien, Persien, Ceylon, China und auch Japan. Bis heute ist in Ambras ein einzigartiger Bestand an chinesischem Porzellan und Seidenrollbildern sowie „indianischen windmachern“ (Ehrenfächern aus Siam) und Textilien erhalten geblieben. Die in Ambras auf bewahrten Chinoiserien zählen zu den ältesten Zeugnissen asiatischer Kunst in europäischen Sammlungen. Unter den Gemälden in der Kunst- und Wunderkammer finden sich neben Porträts von berühmten Persönlichkeiten auch solche von körperlich außergewöhnlich gestalteten Menschen, Groß- und Kleinwüchsigen, die dem Bereich der Mirabilia zuzurechnen sind, und nicht zuletzt auch Bilder religiösen, mythologischen oder historischen Inhalts. Ein besonderes Kuriosum stellte die Familie des Haarmenschen Petrus Gonsalvus dar, der wegen eines genetischen Defektes – dieser wurde übrigens 1993 als „Ambras-Syndrom“ in die medizinische Terminologie eingeführt – zum beliebten Forschungsobjekt für Ärzte an fürstlichen Höfen wurde. Vlad III. Tzepesch, Fürst der Walachei, hingegen war vor allem wegen seiner Grausamkeiten im Kampf gegen die Türken in der Mitte des 15. Jahrhunderts gefürchtet. Er wurde das historische Vorbild für den Roman Dracula von Bram Stoker. 18 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Schließlich wird die Sammlung durch präparierte Tiere – darunter Haifische, Echsen und ein Krokodil – komplettiert. So bietet die hier präsentierte Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. Einblick in eine Sammlung, die Eindrücke des modernen Museums vorwegnimmt. Darüber hinaus begegnen wir hier einer außergewöhnlichen Persönlichkeit des 16. Jahrhunderts, die auch noch im 21. Jahrhundert fasziniert. Kleine Rüstkammer Südlich schließt an das Antiquarium die sog. Kleine Rüstkammer an. Hier verwahrte Erzherzog Ferdinand II. im 16. Jahrhundert eine Reihe von Waffen und Ausrüstungsgegenständen aus seinem persönlichen Besitz. Zudem war eine Auswahl an damals gängigen Hiebund Stichwaffen aufgestellt. Heute werden hier zahlreiche Prunkwaffen aus dem Bereich der höfischen Jagd mit kunstvollen Verzierungen und aufwändigen Elfenbeineinlagen präsentiert. Herausragend ist die monumentale Vorzeichnung (Visierung) zum Kenotaph des Maximilian-Grabmals in der Innsbrucker Hof kirche, die der in Prag tätige Maler Florian Abel um 1561 schuf. Sie befand sich, vermutlich in gerolltem Zustand, in der Bibliothek Erzherzog Ferdinands II. Historisch bedeutend sind ferner die beiden Samurai-Rüstungen in zwei originalen Schaukästen des 16. Jahrhunderts. Sie stammen aus der Sammlung Kaiser Rudolfs II. und gelangten vermutlich als diplomatische Geschenke des Tennos nach Prag. Antiquarium Als Antiquarium wird ein Raum bezeichnet, der zur Präsentation von Objekten der Antike bestimmt ist und in dem „rare und alte Sachen“ aufgehoben werden. Solche Orte des Rückzugs, der Besinnung und des Wissens fanden um 1500 im Zuge des Renaissance-Humanismus weite Verbreitung. Antiquarien dienten der Beschäftigung mit der historischen Tradition, zeugten von einem Verständnis der klassischen Materie und demonstrierten die finanziellen Möglichkeiten ihrer Besitzer, sich solch rare Stücke leisten zu können. Auch Erzherzog Ferdinand II. richtete sich ein Antiquarium ein. Dem Fürsten ging es jedoch nicht primär um den Besitz von originalen Antiken, sondern um die dargestellten Sujets, und für eine Auseinandersetzung mit ihnen konnten genauso gut Kopien, Reduktionen und Abgüsse dienen. Das Ambraser Antiquarium erhielt seine Ausgestaltung mit 85 Nischen, die bis heute zu sehen sind, im 18. Jahrhundert. In ihnen befindet sich eine Reihe von (weiblichen und männlichen) Köpfen aus altem Bestand, welche als Porträts berühmter Persönlichkeiten der römischen Antike zu identifizieren sind. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden auch die – ursprünglich für das Grabmal Kaiser Maximilians I. gefertigten – 20 Bronzebüsten antiker Kaiser von Innsbruck nach Ambras transferiert und in den Nischen aufgestellt. 19 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Ausgesuchte Meisterwerke Kabinettschrank | | Ende 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_904 Der Kabinettschrank ist in Form eines dreigeschossigen Palastes aus Marmor und Alabaster gefertigt. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss sind durch Blendarkaden gegliedert, in denen sich männliche antikisierende bzw. weibliche Relieffigürchen befinden. Beide Geschosse werden von einem Umgang mit Balustrade abgeschlossen. Das Obergeschoss bildet einen zweistöckigen Pavillon, der von Hermen getragen ist. In der Mitte des ersten Pavillons steht ein silberner Brunnen, im zweiten Pavillon befindet sich unter einem Baldachin ein thronender Mann. Vier an den Bau angesetzte Treppentürmchen mit überkuppelten Pavillons bilden die Verbindung der Geschosse. Die Hermen an den Treppentürmen und jene des Thronbaldachins sind aus Holz gefertigt und bemalt; alle übrigen Figürchen bestehen aus Alabaster bzw. aus Bronze und sind vergoldet. An einem der Türme befindet sich am Sockel ein Schloss. Durch Aufsperren des Schlosses ist der Turm abnehmbar, dahinter gibt es eine Öffnung, die den eigentlichen Inhalt sichtbar macht: einen zylinderförmigen, drehbaren Kasten aus Holz mit 6 mal 28 übereinander liegenden Laden. Die Ausnehmungen der Laden zeigen, dass der Kasten für einen bereits vorhandenen Bestand an Pretiosen - Münzen, Kameen und Schmucksachen - angefertigt worden ist. Ein in Verwendung und Aufbau sehr ähnliches, in Augsburg entstandenes Objekt befindet sich heute in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien (Inv.-Nr. KK_3390). Es ist nahe liegend anzunehmen, dass auch dieser Kabinettschrank in Augsburg hergestellt wurde. Gondelautomat | | um 1600 | Inv. Nr.: AM_PA_386 Ein mechanisches Triebwerk macht die Gondel aus vergoldeter Bronze zu einem beweglichen Spielzeug: Zieht man sie auf, so fährt sie in einem Aktionsradius von etwa einem Quadratmeter auf Rädern umher und ändert mit den Ruderschlägen des Gondoliere, dessen Hut Federn schmücken, ihre Richtung um jeweils 90°. Unter einem Baldachin mit Seidenvorhängen sitzt ein elegantes höfisches Paar: Der in Goldbrokat gekleidete, schnauzbärtige Herr wendet der Laute spielenden Dame im roten Kleid den Kopf zu, legt seinen Arm um ihre Schulter und hebt in einem langsameren Rhythmus den anderen Arm zum Gruß. Die Figuren sind aus Holz geschnitzt und bemalt; die Kleidung, die sich an der Mode des späten 16. Jahrhunderts orientiert, ist aus Leinen, Seide und Goldborte gefertigt. Die Kopfbedeckung der Dame ist mit aufwendiger Perlenstickerei versehen. Die Tradition schiffförmiger Tafelaufsätze reicht bis ins Mittelalter zurück. Neben liturgischen Geräten wie Weihrauchschiffchen entwickelten sich in dieser Formgebung auch Trinkgefäße, Salzfässchen und rein dekorative Tafelaufsätze. Diese sollten den Reichtum und Kunstsinn des Eigentümers bezeugen. Das größte und wichtigste Zentrum der Herstellung solcher Objekte war im späten 16. und im 17. Jahrhundert Augsburg. Automaten in Schiffform sind vor allem aus der Werkstatt des Hans Schlottheim überliefert; so fertigte er beispielsweise die berühmte Uhr Karls V. in Form eines Dreimasters. An seinen Arbeiten orientierte sich wohl auch der Augsburger Goldschmied Joachim Friss, mit dessen Initialen die hier präsentierte Gondel an der vorderen Innenseite signiert ist. Der Gondelautomat ist noch 1750 im Inventar der kaiserlichen Schatzkammer in Wien genannt und gelangte erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Schloss Ambras. 20 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Palmblattfächer | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_521 Der aus einem Palmblatt gefertigte Fächer ist im Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 neben anderen "windmachern" so genau beschrieben, dass er eindeutig identifiziert werden konnte. Der Eintrag lautet: "Ain indianischer windmacher von aim ganzen plat von aim paumb, ist zu baiden seiten drei zwerchfinger brait von allerlai laubwerch gemacht, der still daran ist khrump und rot angestrichen". Die Entstehung des Fächers kann anhand des Stils auf die siamesischmalaiische Halbinsel lokalisiert werden. Er dürfte aus Malakka an der Westküste Malaysias, das seit der Eroberung durch Alfonso de Albuquerque 1511 unter portugiesischer Herrschaft stand, als Ehrengeschenk nach Europa gelangt sein. Malakka war ursprünglich von den Chinesen als Umschlagplatz für Gewürze von den nahe gelegenen Molukken gegründet worden. Es entwickelte sich bald zu einem Handelszentrum, in dem Chinesen, Araber und Inder ihre Waren tauschten. Bis zur Eroberung durch die Portugiesen war Malakka im 15. und 16. Jahrhundert Sitz des malaiischen Sultans. Anders als die langstieligen Ehrenfächer, die vor wichtigen Persönlichkeiten wie dem Sultan hergetragen wurden, war der kleine Handfächer trotz seiner aufwendigen Gestaltung wohl auch zum tatsächlichen Gebrauch bestimmt. Besonders beliebt für die Herstellung von Fächern waren die annähernd runden, ungeteilten Blätter der Strahlenpalme (z. B. Licuala grandis), einer in ganz Südostasien vorkommenden Fächerpalme. Lackschale | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_543 Die mit zinnoberrotem Lack überzogene Schale aus Holz besticht durch ihre in Sgraffito-Technik ausgeführte kostbare Dekoration: Sie wurde in bereits lackiertem Zustand flächendeckend mit Blattgold belegt; dieses wurde ausgeschabt, um die Motive - dichtes Blätterwerk, fliegende Vögel und ein Schmetterling - und deren Binnenzeichnung freizulegen. Technik und Dekor entsprechen weitgehend dem Erscheinungsbild indischer Lackarbeiten, weshalb die Schale ebenfalls in Indien zu lokalisieren ist; vielleicht stammt sie von dort ansässigen chinesischen Künstlern. Damit ist die traditionelle Einordnung nach Ryukyu, der südlichsten Insel des heutigen Japan, revidiert. Erzherzog Ferdinand II. besaß einen großen Bestand an "Exotica", deren Erwerb in engem Zusammenhang mit den verwandtschaftlichen Beziehungen Ferdinands zum spanischen und zum portugiesischen Königshaus und deren überseeischen Besitzungen zu sehen ist. So unterstützte er etwa 1580 seinen Cousin Philipp II. mit Waffen und Truppen bei der Übernahme Portugals. Zweifelsohne brachten die Truppen bei ihrer Rückkehr eine beträchtliche Anzahl von exotischen Kunstwerken mit, die im Inventar der Ambraser Sammlungen von 1596 wenig differenziert zumeist als "indianisch" bezeichnet werden. Unklar ist, ob damit die Herkunft oder die Herstellungstechnik eines fremdartigen Objektes gemeint ist. 21 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Samurai-Harnisch | | Ende 16. / Anfang 17. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_587 Diese Rüstung ist in Goldlacktechnik dekoriert. Dabei dient das aus dem Lackbaum oder Lacksumach (Rhus verniciflua) gewonnene Lackharz, das in mehreren dünnen Schichten aufgetragen und langsam getrocknet wird, sowohl als Bindemittel des Goldstaubes als auch als Schutz des lackierten Objektes gegen Feuchtigkeit, Hitze und Säure. Die ausgeführten Embleme der Rüstung - unter anderem ein Drache sowie stilisierte Blüten und Blätter der in Japan weit verbreiteten Paulownia (des Blauglockenbaums) - sind ein Hinweis darauf, dass diese Rüstung aus dem Besitz von Tokugawa Ieyasu (1543-1616) stammt, einem der drei wichtigsten Shogune, denen es gelang, um 1600 alle Gebiete Japans zu vereinen. Nachdem er anfänglich die christlichen Missionare als Handelstreibende toleriert hatte, änderte er nach etwa zehn Jahren seine Haltung, da die christliche Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott nicht mit dem feudalen Kastensystem vereinbar war. Die Missionare wurden deportiert oder getötet, die christianisierte Landbevölkerung musste wieder zum Buddhismus konvertieren oder wurde vertrieben. Um eine Wiederkehr der Christen zu verhindern, verweigerte er jeglichen weiteren Handel mit Europa. In Japan selbst gibt es insgesamt noch dreizehn Rüstungen dieser Art. Quellen berichten von weiteren nach Europa gelangten Samurai-Rüstungen. Es ist bekannt, dass König Philipp II. von Spanien und Portugal im Jahre 1584 Geschenke vom japanischen Feldherren und Politiker Toyotomi Hideyoshi (1537-1598) erhielt, der von Tokugawa Ieyasu abgelöst wurde; unter den Gaben befanden sich auch Rüstungen, Sättel und Speere. Die hier vorgestellte Rüstung stammt wahrscheinlich aus diesem Bestand und gelangte wohl über Brüssel nach Ambras. "Tödlein" | Hans Leinberger | um 1520 | Inv. Nr.: AM_PA_694 Seit dem 15. Jahrhundert wird der Tod mit den Attributen Pfeil, Bogen und Köcher verbildlicht; diese wiederum deuten den Versen des 7. Psalms Davids zufolge auf Gott hin, den gerechten Richter der Frommen wider die Gottlosen: "Gott ist ein rechter Richter. / Vnd ein Gott der teglich drewet [= droht]. / Wil man sich nicht bekeren, so hat er sein Schwert gewetzt. / Vnd seinen Bogen gespannet, vnd zielet. / Vnd hat drauff gelegt tödlich Geschos. / Seine Pfeile hat er zugericht zu verderben" (nach der Übersetzung Luthers, 1545). Die vollrund aus Birnbaumholz geschnitzte, ungefasste Figur stellt den Tod mit Pfeilen in der erhobenen Rechten, dem Bogen in der Linken und einem umgehängten Köcher dar. Rippen und Knochen liegen teilweise frei, Haut und Kleidungsreste hängen in Fetzen am Skelett. Auffallend ist der ausladende Kontrapost; dieses außergewöhnliche Standmotiv und die dynamische Körperdrehung haben dazu beigetragen, die Skulptur dem Landshuter Bildschnitzer Hans Leinberger zuzuschreiben, der zu den führenden Holzbildhauern an der Wende der Spätgotik zur Renaissance in Niederbayern zählt. Die Zuschreibung basiert auf dem Vergleich mit der Bronzefigur Albrechts IV. von Habsburg für das Grabmal Kaiser Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche, die eine ähnliche Kontrapost-Haltung zeigt. Das Modell für diese überlebensgroße Statue fertigte Hans Leinberger im Auftrag Kaiser Maximilians I. 1514 nach einem Entwurf Hans Burgkmairs an. Das "Tödlein" wurde vermutlich ebenfalls für Kaiser Maximilian I. angefertigt und ist zweifelsohne das künstlerisch bedeutendste Exponat aus maximilianeischer Zeit in der Ambraser Kunst- und Wunderkammer. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gelangte die Skulptur als Erbstück in die Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II., wo sie im Inventar 1596 wie folgt verzeichnet ist: "Der Todt mit seinem bogen und köcher, gar khunstlich von holz geschnitzlt". 22 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Schreibzeug | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_779 Das Schreibzeug aus dünnen Holzspänen trägt die Gestalt eines mehrteiligen Zentralbaues mit kreisförmigem Grundriss. Der von Türmchen und Pavillons bekrönte obere Teil ist abnehmbar; im Inneren befinden sich zwei gedrechselte Tintenfässchen und eine ebenfalls gedrechselte Sandstreubüchse. Das äußerst fragile Objekt ist ohne jegliche Zweckbestimmung als reines Schaustück einer Kunstkammer konzipiert. Ein derartiges "kunststuckh" demonstriert die künstlerischhandwerklichen Fähigkeiten im Umgang mit dem Material, es zeichnet sich durch technische Perfektion und die an die Grenzen der statischen Möglichkeiten gehende Beherrschung der Drechselkunst aus. Der 18. Kasten der Ambraser Kunst- und Wunderkammer enthielt mehrere filigrane Holzdrechselarbeiten wie ein Heiliges Grab, Spindeln und verschiedene als "spil" bezeichnete Aufsätze. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden diese Objekte am Innsbrucker Hof im Auftrag Erzherzog Ferdinands II. angefertigt. Das Nachlassinventar von 1596 beschreibt das Schreibzeug folgendermaßen: "Ain hülzener gedräxlt und geschniczlter schreibzeug, geformiert wie ain thurn, gar khunstlich gemacht". Erzherzog Ferdinand II. besaß in der Innsbrucker Hofburg nahe dem Lustgarten mehrere Werkstätten, darunter eine großzügig eingerichtete "träxlerei". In dieser wurden neben verschiedenen Schneideisen, Bohrern, Zangen, Sägen und Feilen laut Inventar von 1596 allein 325 "stuckh allerlei dräzeug" verwahrt. Die gedrechselten Objekte der Ambraser Kunstkammer weisen besonders filigrane Formen auf, die sie von anderen, zumeist aus späterer Zeit erhaltenen Drechselarbeiten stark unterscheiden, weshalb eine Entstehung im süddeutschen Raum, möglicherweise am Innsbrucker Hof, angenommen wird. Befreiung der Andromeda, Entfesselung der Winde durch Aeolus und Aeneas | Hans von Aachen | um 1600 | Inv. Nr.: AM_PA_941 Die Gemälde sind auf eine Tafel aus durchscheinendem Alabaster gemalt und stellen zwei aus der antiken Mythologie entlehnte Themen dar: auf der Vorderseite die Befreiung der Andromeda (Ovid, Metamorphosen 4, 663-722) und auf der Rückseite die Entfesselung der Winde durch Aeolus (Vergil, Aeneis 1, 49-129). Andromeda, die Tochter des Kepheus und der Kassiopeia, wird von Poseidon zur Strafe für die Prahlsucht ihrer Mutter - sie behauptete, schöner als die Nereiden zu sein, - an einen Meeresfelsen geschmiedet, um einem Seeungeheuer geopfert zu werden, doch taucht der Held Perseus auf seinem geflügelten Ross Pegasus auf und rettet die Gefesselte. Man sieht sie im Moment höchster Dramatik: Die beiden Kontrahenten - der angreifende Perseus und das aggressive Meeresungeheuer - stehen einander diagonal gegenüber, Andromeda bangt um ihr Leben. Nicht minder dramatisch ist die Entfesselung der Winde auf der Rückseite wiedergegeben: Aeolus, Herr und Bändiger der Winde, wird von Juno angestiftet, seine im Berg verschlossenen Winde zu "entfesseln", um die Schiffe des Feindes Aeneas, die Sizilien ansteuern, in höchste Gefahr zu bringen. Dargestellt ist die Szene, in der Aeolus mit seinem Szepter die Winde befreit; Juno - sie thront gleichzeitig auch in ihrem von Pfauen gezogenen Wagen am Himmel - stellt ihm als Gegenleistung eine schöne Quellnymphe in Aussicht. Schön gemaserte Steine wie Marmor und Alabaster, aber auch Halbedelsteine waren als Bildträger für religiöse oder antike Themen sehr beliebt. Hans von Aachen, der Schöpfer beider Gemälde, bediente sich bei der Darstellung des stürmischen Meeres und des düsteren, wolkenverhangenen Himmels der vorgegebenen natürlichen Struktur und Farbe des Steines und setzte starke malerische 23 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Kontraste. Er zählt zu den bedeutendsten Malern am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag und beschäftigte sich intensiv mit der am rudolfinischen Hof hoch geschätzten Malerei auf Stein. Korallenkabinett | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_961 Der hochrechteckige Holzkasten ist innen mit schwarzem Samt ausgeschlagen, die Seitenwände sind im unteren Drittel mit Spiegeln versehen und an der Decke wurde mit Goldfarbe ein Sternenhimmel gemalt. Unter und hinter einer aus Glas gestalteten Wasserfläche ist aus zerschnittenen, teilweise goldgeränderten Muscheln sowie roten und rosafarbenen Korallen eine Meeresgrotte aufgebaut, vor der sich mythologische Figuren und Seeungeheuer aus Koralle tummeln. Ihre Anzahl stimmt nicht genau mit den Angaben im Inventar von 1596 überein: In der Nautilus-Muschel, "ain perlmueter, gestalt wie ein schif", in der eine weibliche Figur mit Perlenkette steht, befanden sich ursprünglich vier weitere Korallenfiguren. Um dieses Schiff herum sind verschiedene Hippokampen, Delphine und Drachen samt Reitern angeordnet. Dieses dem Element Wasser verhaftete mythologische Programm wurde jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, und zwar noch vor dem Inventar von 1788, stark verändert: Aus anderen, vermutlich beschädigten Kabinettschränken wurden die Christusfigur auf dem Korallenzweig in der Mitte, der Kentaur und das Kind hinter der Nautilusmuschel übernommen und integriert. Das ursprüngliche Programm kann daher nur mit Vorsicht als Festzug der Galatea oder der Venus Marina interpretiert werden. Zusätzlich zu den Korallen enthält dieser Kabinettschrank Muscheln aus dem südpazifischen Raum, zarte, vermutlich in der Innsbrucker Glashütte produzierte Glasgewächse und eine bronzene Eidechse, die vermutlich im Kreis des Jamnitzer in Nürnberg entstanden ist. Erzherzog Ferdinand II. hat 1581 vom genuesischen Handelsmann Baptist Sermino um 1500 Gulden und 1590 vom venezianischen Kaufmann Baptist Vialla um 300 Kronen Korallen gekauft (Schönherr 1893, CLXXXIX, Reg. 10.924; Schönherr 1896, X, Reg. 14.148). Erst in Innsbruck oder München dürften die aus Italien importierten Korallen mit Muscheln, Glas u. a. zu derartigen Kabinettschränken zusammengefügt worden sein. Das Inventar von 1596 beschreibt sieben Kabinettschränke mit Korallen. Einen noch größeren Bestand an diesen Dioramen ähnelnden Korallenkästen besaß Ferdinands Neffe, Herzog Wilhelm V. von Bayern. Turban | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_WA_2818 Der Turban besteht aus einem hohen zylindrischen Hut mit abgerundeter Spitze aus rotem Samt, türkisch külah, und einem weißen, dünnen Leinenstoff, der um den külah gewickelt ist. 1980 erkannte man die Zusammengehörigkeit der bis dahin getrennt aufbewahrten Teile des Turbans, worauf diese einer Restaurierung unterzogen und neuerlich zusammengesetzt wurden. Das deutsche Lehnwort Turban geht in Anspielung auf die der Tulpenblüte ähnelnde Form des um den külah gewickelten Tuches auf das persischtürkische dulband (= Tulpe) zurück. Der Turban zählte zu den am meisten verbreiteten Kopfbedeckungen im Osmanischen Reich. Seine Größe gab Aufschluss über Rang und Stellung des Besitzers: So trugen hochrangige Herrscher, wie Sultan Süleiman der Prächtige (1495-1566), einen auffallend großen, in langen Stoffbahnen kunstvoll gewickelten Turban. Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 erwähnt mehrere Turbane, die in der 5. Rüstkammer, der "Türkenkammer", verwahrt wurden, darunter auch "ain pund, wie der türggisch 24 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum kaiser pflegt zu tragen, mit aim rot sammeten gipfl", der vermutlich mit dem hier gezeigten Turban identisch ist. Vlad III. Tzepesch, der Pfähler, Woywode der Walachei 1456-1462 und 1476 (gestorben 1477) | Deutsch | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: GG_8285 Vlad III. Dracula (um 1431 - 1477) entstammte der regierenden Dynastie der Walachei, die Besarab I. in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet hatte. Sein Vater, Vlad II., wurde 1431 in Nürnberg in den Drachenorden aufgenommen und bezeichnete sich von da an als Dracul, ein Beiname, den auch der Sohn unter Hinzufügung des Suffixes -a (= Sohn des Dracul) verwendete. In die Geschichte eingegangen ist Vlad III. aber aufgrund der von ihm in großer Zahl angeordneten Pfählungen als Tepes, der Pfähler. Die als Woiwoden bezeichneten Herzöge der Walachei waren Vasallen des ungarischen Königs, mussten sich aber immer wieder der Übermacht der Türken beugen und ihnen Tribut zahlen. Diese doppelte Abhängigkeit wurde vor allem dann, wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Ungarn und Türken kam, zu einem "zweischneidigen Schwert". Daneben war Vlad III. in Machtkämpfe innerhalb seiner eigenen Familie verstrickt, in der alle Söhne - auch außereheliche - zur Nachfolge berechtigt waren. Unter diesen Voraussetzungen regierte Dracula nicht durchgehend, sondern hatte dreimal die Regierung inne: 1448, 1456–1462 und 1476. Dabei gelang es dem Woiwoden immer wieder, sich eine gewisse Unabhängigkeit zu verschaffen. In seiner Heimat galt Dracula als extrem gerecht. Bekannter als seine politischen Fähigkeiten war aber seine Grausamkeit, mit der sich berühmte Gelehrte seiner Zeit wie Thomas Ebendorfer, Papst Pius II. und Michael Beheim befassten. Seine Stilisierung zum schrecklichsten aller Tyrannen verdankte Vlad III. hauptsächlich den 1460 durchgeführten und von Massenpfählungen begleiteten Strafaktionen gegen die deutschen Städte Siebenbürgens. Daher haben sich vor allem im deutschen Sprachraum die Geschichten vom "posen Dracol" ausgebreitet. Daneben dämonisierte ihn auch eine Kampagne des Ungarnkönigs Matthias Corvinius, seines ehemaligen Verbündeten. Zum blutsaugenden untoten Vampir wurde Dracula jedoch erst durch Bram Stoker in dessen Roman von 1897. Das Bild befand sich 1596 in der Bibliothek Ferdinands II. Ein weiteres, heute im KHM in Wien aufbewahrtes Porträt des Woiwoden ist Teil der Kleinbildserie des Erzherzogs. Beide Bildnisse sind Kopien aus dem 16. Jahrhundert nach einem verschollenen Original, das vermutlich während Draculas Gefangenschaft am Hof des Matthias Corvinius nach 1462 entstanden ist. Brautschale der Margarete Maultasch | | um 1340, 17. Jahrhundert (Lippenrand mit Schrift) | Inv. Nr.: KK_52 Diese Schale aus Schloss Tirol gilt traditionell als Brautschale der Margarete Maultasch. Die Inschrift am Schalenrand, "LIEBES : LANGER : MANGEL : IST MIINES : HERZEN : ANGEL", ist wohl als Anspielung darauf aufzufassen. Sie variiert einen als Inschrift auf dem Gürtel der zukünftigen Geliebten vorkommenden Vers aus dem Meleranz, einer Artuserzählung des mittelhochdeutschen Dichters Pleier. Frei übersetzt bedeutet er: Das lange Entbehren von Liebe ist der Stachel in meinem Herzen. Die Tochter Heinrichs von Tirol war als Elfjährige mit dem siebenjährigen Johann Heinrich von Böhmen verheiratet worden. Nach zehnjähriger kinderloser Ehe bezichtigte Margarete ihren Mann, die Ehe nie vollzogen zu haben, verstieß ihn und ehelichte den Wittelsbacher Markgrafen Ludwig von Brandenburg. Von ihm soll sie die Schale als Brautgeschenk erhalten haben. Auf Betreiben der Luxemburger exkommunizierte der Papst Margarete 25 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum und Ludwig wegen Ehebruchs und untersagte in der Grafschaft Tirol alle gottesdienstlichen Handlungen. Als in den folgenden Jahren Heuschreckenplage, Erdbeben und Pestepidemie Tirol heimsuchten, betrachtete dies die Bevölkerung als Strafe Gottes für Margaretes Verhalten. Daraus erklärt sich ihr Beiname Maultasch, ein Schimpfwort für lüsternes Wesen. Die Schale ist aus dünnwandigem Silberblech getrieben und am Schalenrand sowie innen feuervergoldet. Die Innenseite stellt somit die Schauseite dar, die Außenseite war vermutlich durch eine halbe, von den dreilappigen Zierblättern am Mundrand gehaltene Kokosnussschale verdeckt. Dies erklärt auch die extreme Dünnwandigkeit der Silberarbeit. Zusammen mit dieser Schale wurde ein weiterer Kokosnusspokal aus Schloss Tirol zunächst nach Ambras und 1817 nach Wien transferiert. Der Dekor aus sechs großen, siebenlappigen Blättern mit jeweils lilienbekrönten Szeptern dazwischen scheint ebenfalls auf den hochzeitlichen Zusammenhang hinzuweisen. Bei den Blättern handelt es sich vermutlich um jene des Beifußes. Diese dem Wermut verwandte Pflanze war ein begehrtes Heilkraut gegen Frauenleiden und wird heute noch volkstümlich als Jungfern- oder Mutterkraut bezeichnet. Den Boden der Schale ziert ein Sechsstern, ein Glückssymbol im hochzeitlichen Brauchtum. Truhenschloss mit eingeätztem Kruzifix | | um 1550 | Inv. Nr.: KK_824 Die Mechanik des Truhenschlosses hat sich in ausgezeichnetem Zustand erhalten und ist voll funktionsfähig: In der Mitte befindet sich eine Doppelfalle, daneben gibt es zwei Seitenfallen mit mehrfach abgewinkeltem Federmechanismus, dazu kommt eine zusätzliche Sperre. Eingerichte und Deckplatten sind in Ätztechnik dekoriert. Das Hauptmotiv auf der mittleren runden Platte unten bildet das Urteil des Paris: Bei der Hochzeit von Peleus und Thetis ist Eris, die Göttin der Zwietracht, nicht eingeladen. Aus Rache wirft sie einen Apfel mit der Aufschrift "für die Schönste" in die Hochzeitsgesellschaft. Zwischen Aphrodite, Pallas Athene und Hera entbrennt ein Streit, wem der Apfel zustünde. Zeus bestimmt Paris, den Sohn des Priamos, als Schiedsrichter und schickt den Götterboten Hermes, ihn zu holen. Um Paris für sich zu gewinnen, versucht jede der Göttinnen, ihn zu bestechen. Hera verspricht ihm Macht, Athene Weisheit und Aphrodite Liebe. Aphrodite kann das Urteil für sich entscheiden, als sie ihm als Bestechung Helena, die schönste Frau der Welt, bietet. Diese ist jedoch schon mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet. Der darauf folgende Raub der Helena gilt als der mythologische Auslöser für den Trojanischen Krieg. Dargestellt ist die Szene des Urteils selbst. Der sitzende Paris hält den Apfel noch in seiner Linken, hinter ihm steht der Götterbote Hermes, vor ihm die drei Göttinnen. Über ihren Köpfen schwebt der geflügelte Amor mit Pfeil und Bogen. Darüber wird in einem längsrechteckigen Feld mit ausgenommenen Ecken eine von fünf weiteren Wildvögeln umgebene Eule sichtbar. In Gegenüberstellung zum antiken Thema des Paris-Urteils befindet sich darüber Christus am Kreuz, flankiert von den beiden Schächern; diese Szene nimmt den größten Teil des Schlossmechanismus ein. Der Dekor der kleineren Flächen dazwischen besteht aus Putten, Fischen sowie Blatt- und Blumenmotiven. Auf der Rückseite des Schlosses sind vier achsensymmetrisch angeordnete spiralige Rundstäbe angenietet 26 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Schreibzeug mit Korallen | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_1048 Die Schreibkassette besticht durch den außerordentlich großen Korallenzweig, aus dem die den Deckel bekrönende Skulptur geschnitten wurde. Sie stellt den Meeresgott Neptun auf einem zweischwänzigen Seeungeheuer reitend dar. Er trägt in der Linken einen Schild, in der Rechten hielt er vermutlich den Dreizack. Die Kassette selbst besteht aus massivem Silber mit getriebenen Ornamenten auf der Außenseite und gegossenen tatzenförmigen Füßen. Der Deckel ist mit Motiven des Meeres wie Tritonen, den Söhnen Neptuns, und Nereiden, den Töchtern des Meergottes Nereus, sowie mit Fischen und Wellen dekoriert. Sie bilden einen mythologischen Hinweis auf die aus dem Meer stammende Koralle, ein Bezug, der in der Renaissance gerne hergestellt wurde. Die Ecken tragen Maskarons, dazwischen werden Putten, Pflanzen und Fruchtbündel sichtbar. Auf dem gewölbten Deckelrand befinden sich rollwerkumrahmte ovale Felder mit weiblichen Büsten auf den Schmalseiten und Engeln auf den Längsseiten, die von Tugendallegorien, vorne Fortitudo und Fides, hinten Temperantia und Prudentia, flankiert werden. In der Mitte des Deckels erhebt sich ein Aufsatz, welcher der Korallenfigur als Sockel dient. Diesen an den Ecken mit Sphingen geschmückten Quader kann man durch horizontales Verschieben der oberen Platte öffnen. Der eigentliche Deckel wird an einem Scharnier aufgeklappt. Auf der Innenseite eines zweiten Deckels befinden sich zwei von Rollwerkornamentik gerahmte Medaillons mit weiblichen Brustbildern. Der Kassetteninnenraum ist in vier gleich große Fächer unterteilt; in seinem Zentrum stehen Tintenfass und Streusandbüchse. Die Korallenskulptur ist vermutlich in einer italienischen Werkstatt entstanden, die Silberarbeit stammt von süddeutschen Goldschmieden. Dem Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 zufolge befand sich dieses Schreibzeug im 12. Kasten, "darinnen allerlai coralln". Münzkästchen | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_1178 Das hausförmige Kästchen steht auf vier Krallenfüßen, die jeweils eine Kugel umfassen. Es ist mit einem versilberten, durch vergoldete Grate in vier Flächen unterteilten Schindeldach gedeckt, die Ecken sind durch vergoldete Baluster betont. Auf dem Giebel steht über einer von Spangen gehaltenen Kugel aus Bergkristall die vergoldete Statuette eines bärtigen Mannes. Die Figur entspricht einem in der oberitalienischen Bronzeplastik der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts oft verwendeten Typus und stellt wahrscheinlich Zeus dar. In seiner linken Hand hat er einen Kartuschenschild, die rechte Hand ist erhoben und hielt ursprünglich einen inzwischen verlorenen Ring. Auf der Vorder- und der Rückseite sind je sechs vergoldete Silberabgüsse nach Münzen römischer Kaiser angebracht: vorne jeweils ein Sesterz von Vitellius, Galba, Domitian, Titus und Vespasian, dazu kommt eine zeitgenössische Nachempfindung eines "Sesterzen" von Otho, hinten ein Denar von Julius Caesar, jeweils ein As des Augustus und Tiberius sowie je ein Sesterz von Caligula, Claudius und Nero. Die Seitenfelder tragen Silberabgüsse nach Medaillen des Pastorino da Siena (1508-1592) und je vier silhouettierte Brustbilder: Auf der einen Seite befinden sich eine ungedeutete Szene und die Reversseite einer Medaille auf Battista Sarracus von 1556, umgeben von den Brustbildern von Sextus Tarquinius, Lucretia, Publius Cornelius Scipio Africanus und Sempronia, auf der anderen der Tiber und die Reversseite einer Medaille auf Luigi d'Este von 1560, umgeben von den Brustbildern von Lavinia, Aeneas, Servius Tullius und Tullia. Wenn die eine Seitenwand geöffnet wird, kommen vier mit Rollwerkornamenten, Putten, Vögeln und Masken dekorierte Laden zum Vorschein. Sie dienten zur Aufbewahrung von Kleinodien, wie dies 27 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum auch aus dem Inventar von 1596 hervorgeht: "In ainem clainen versilberten truhel, mit antiquiteten verseczt, auf vier vergulten adlerfuessel und in jeder corallen ain versilberte kugl, sein nachfolgende perfumierte sachen". Das Inventar enthält anschließend, nach Schubladen geordnet, eine genaue Aufzählung der darin angesammelten Objekte, die sich heute allerdings nicht mehr im Kästchen befinden. Prasser; Scherzgefäß | Christoph Gandtner | um 1580/90 | Inv. Nr.: KK_3115 Die bunt glasierte Tonfigur stellt einen auf einem Fass reitenden Mann dar, der in der rechten, erhobenen Hand eine Flasche und in der linken einen Bierkrug hält. Vor ihm steht ein Teller mit gebratenen Fleischstücken und Pasteten. Der Kopf ist abnehmbar und dient somit als Stöpsel. Weinreben und Trauben, die sowohl seine Bekränzung als auch seinen Gürtel bilden, weisen ihn als Bacchus aus. Am Boden des Fasses befindet sich das Wappen des Andreas Unterberger, eines Beraters der Anna Caterina Gonzaga, der zweiten Frau Erzherzog Ferdinands II. Das Scherzgefäß ist mit Zinnglasur in den Farben Weiß, Grün, Gelb, Blau und Braun überzogen. Die Figur gehört zu einer stilistisch und technisch einheitlichen Gruppe, zu der auch ein Tantalus, eine auf einem Igel sitzende nackte Frau als Allegorie der Geduld, ein Landsknecht, ein Fähnrich und trinkende Mönche zählen. Sie stammen vom Bildhauer und Hafner Christoph Gandtner. Der gebürtige Innsbrucker, der auch in Meran tätig war, kann eindeutig als Erzeuger dieser Figuren identifiziert werden, da die Darstellung eines Landsknechtes mit seinem vollen Namenszug signiert ist und der Fähnrich auf dem Postament das Gandtner-Wappen mit dem nach rechts springenden Einhorn aufweist. Die Figur ist wahrscheinlich erst nach dem Tod Ferdinands II. über Andreas Unterberger oder dessen Sohn in den Besitz der Witwe Anna Caterina gelangt. Als diese in das von ihr gegründete Kloster der Servitinnen eintrat, wurden sämtliche Scherzfiguren Gandtners der Ambraser Sammlung einverleibt. Im Inventar von 1621 sind auf zwei Bacchus-Figuren von ihm erwähnt. Gebetbuch der Philippine Welser | | kurz nach 1557 | Inv. Nr.: KK_3232 Der in deutscher Kanzleischrift verfasste Codex ist im Inventar der Ambraser Sammlungen aus dem Jahr 1596 erwähnt. Er enthält eine Vielzahl von Gebeten; 240 Blätter sind mit Pflanzenund Tierdarstellungen illuminiert, jeweils 33 historisierende Initialen und Dekorinitialen sowie zwei Bildtafeln zeigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Wegen der Uneinheitlichkeit des malerischen Stils ist die Mitwirkung mehrerer Hofkünstler denkbar. Als Besitzerin des Codex gilt die erste Frau des Erzherzogs, Philippine Welser, die dieser Anfang 1557 geheiratet hatte. Der Spiegel des Vorderdeckels zeigt das aufgeklebte Porträt des jungen Ferdinand mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, in den er am 28. März 1557 aufgenommen wurde. Hier abgebildet ist fol. 113r mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles nach Joh 13,26: [Und Jesus] "sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern. Da blickten die Jünger einander an, zweifelnd, von wem er rede. Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tische in dem Schoße Jesu. [...] Jener [...] spricht zu ihm: Herr, wer ist es? Jesus antwortete: Jener ist es, welchem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde. Und als er den Bissen eingetaucht hatte, gibt er ihn dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot." Möglicherweise war Erzherzog Ferdinand II. persönlich in die Erstellung des Programms dieser Szene eingebunden. Die Bildtafel steht in Hinblick auf ihre Komposition Albrecht Dürers Fassung des Themas nahe. 28 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Dieser wiederum hatte sich, wie viele Künstler der Zeit, mit dem Werk Leonardo da Vincis auseinandergesetzt. Der kastenförmige Raum, in dem sich die zwölf Apostel versammelt haben, ist direkt aus Dürers Werk übernommen. Mit großer Präzision wiedergegebene Pflanzen und Tiere umrahmen die Szene. Fässchen und Schiffchen | | 1567 (?) | Inv. Nr.: KK_3273 und KK_3307 Der Becher in Form eines Fässchens und das schiffähnliche Gefäß aus beinahe farblosem Glas dienten als Scherzgläser bei den Trinkspielen auf Schloss Ambras. Diese Feste fanden vorwiegend in der nach dem römischen Gott des Weines bezeichneten, extra für diesen Zweck angelegten Bacchusgrotte im Park südlich des Hochschlosses statt, die neben den natürlichen Höhlen des Parks zum ersten Mal 1574 im Reisebericht des Stephanus Pighius beschrieben wurde. Den Höhepunkt stellte die Trinkprobe dar: Nach dem Genuss möglichst scharf gewürzter Speisen hielten verborgene Ketten und Gitter die Gäste fest, die sich nur durch das Austrinken des jeweiligen mit Wein gefüllten Gefäßes, des "Willkomms", befreien konnten. Anschließend trugen sich die Gäste in das Ambraser Trinkbuch (Inv.-Nr. KK_5262) ein, in dem Fässchen und Schiffchen als "ain vässlein gestalt mit vier geschmeltzten raiflen" und als "ain Cristallin glass wie ain schiff" explizit beschrieben sind. Hergestellt wurden die beiden Gefäße in Murano, dem Zentrum für die Erzeugung des hoch begehrten, besonders zarten und transparenten Glases im 16. Jahrhundert. Höchstwahrscheinlich waren sie 1568 auf Bestellung von Erzherzog Ferdinand II. zusammen mit "etlich schönen dringgeschirr als schifflein allerlei Gattung vergult' und unvergult aus Venedig" geliefert worden. Nie zuvor hatte man dort so viele verschiedene Glassorten und Techniken verwendet; bis ins 17. Jahrhundert blieben die Reinheit und Dünnwandigkeit der venezianischen Gläser unerreicht in Europa. Um eine Weitergabe der Produktionsgeheimnisse an konkurrierende Glashütten zu vermeiden, stellte die Mariegola, das Statut der Glasmacher in Venedig, die Auswanderung von deren Zunftmitgliedern unter Strafe. Nur in seltenen Fällen genehmigte die Signoria (Stadtregierung) die befristete Ausleihe von Fachleuten an europäische Fürstenhöfe, wie etwa nach Innsbruck an den Hof Erzherzog Ferdinands II. Deckelpokal aus Rhinozeroshorn | Georg Pfründt | um 1650 | Inv. Nr.: KK_3715 Das Horn des indischen Panzernashorns war bei finanzkräftigen Sammlern in Europa besonders begehrt und wurde von europäischen Kunsthandwerkern häufig zu Kunstkammerstücken gestaltet. Dieser Pokal ist mit einem vollplastisch gefertigten Nashorn bekrönt, das jenes auf Albrecht Dürers Holzschnitt von 1515 zum Vorbild hat. Auf dem Tier reitet ein gekrönter, mit einem Federrock bekleideter Indianerfürst, dessen Rechte ursprünglich einen Gegenstand hielt. Hinter dem Nashorn sitzt auf angehäuften kürbisähnlichen Früchten eine nur mit einem Lendentuch bedeckte Dame mit Sonnenschirm. Die Figuren des Indianerfürsten und der Dame dürften die Darstellung exotischer Völker in Hans Burgkmairs Holzschnitt für Kaiser Maximilians Triumphzug zum Vorbild haben. Der ovale Deckel unter dem Rhinozeros ist durch vergoldete, palmettenförmige Silbermontagen begrenzt, die sich am Fuß des Pokals wiederholen. Die Öffnung am spitzen Ende des quer liegenden Horns zeigt eine Fratze, während der Dekor der übrigen Außenseiten aus Pferde reißenden Löwen, Schlangen und einem Elefanten besteht. Weitere Reliefs mit kämpfenden Seeschlangen und Delphinen sind auf dem ovalen Fuß des Pokals angebracht. Darüber erhebt sich ein vollplastisch gearbeitetes Liebespaar, das als Schaft dient und gleich gekleidet ist wie die beiden Figuren auf dem Horn. Es gibt einen Hinweis auf 29 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum das Material, gilt doch das pulverisierte Rhinozeroshorn im chinesischen Raum traditionell bis heute als Aphrodisiakum. In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums befinden sich zwei weitere Rhinozeroshornpokale (KK 3699 und 3689) mit einem nahezu gleichen Aufbau. Während der erste über ein ähnliches exotisches Liebespaar verfügt, wurden beim zweiten die Menschenfiguren durch europäische Motive - vermutlich Venus und Mars - aus Elfenbein ersetzt. Die Wiener Pokale werden dem Wachsbossierer, Medailleur und Stempelschneider Georg Pfründt zugeschrieben. Jagdtrophäe mit Wappen EH Ferdinands II. | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_3730 Die Trophäe wird im Inventar der Ambraser Kunstkammer von 1596 im Zwerchkasten erwähnt, der "painwerch" sowie gedrehte, geschnitzte Objekte enthielt: "Mer ain rechkhurnle und unden daran ain gämbskhirnle, entzwischen ir durchlaucht wappen auf pain gestochen, in der höhe ain gehües von siben dürnlein mit ainem noch höhern thurn, inwendig am gehües ain gallprunnen, alles von schön suptillen painwerch gar kunstlich geschniczelt und gedräxlt". Das außergewöhnliche Rehgeweih ist ein ungerader Achter und stammt von einem kapitalen Rehbock; seine Gabelung dürfte durch eine Verletzung des Bastgeweihs hervorgerufen worden sein. Die nach unten zeigend montierte Gamskrucke stammt wohl von einer gut gehackelten Geiß, d. h. einer solchen mit stark aufgebogenen Hörnern. Ihre Hörner wurden poliert, sodass keine Jahresringe mehr erkennbar sind. Auf dem Rehschädel ist das aus Elfenbein bestehende Wappen von Erzherzog Ferdinand II. angebracht, dem vermutlichen Schützen der beiden Tiere. Die Trophäen sind auf einer runden Platte mit Einlegearbeiten montiert, die Jagdmotive und einen Pflanzendekor aufweisen. Darüber erhebt sich vor einer mit Horn belegten Rückwand ein Aufsatz aus zarten Elfenbeinspänen. Sich nach oben verjüngend und bekrönt von einer phantastischen Kuppel, weist das auf halbkreisförmigem Grundriss aufgebaute Gebilde heute sechs Türme auf, 1596 waren es noch sieben. Die filigranen Ornamente aus Elfenbeinspänen setzen sich aus Kreisen und Halbkreisen zusammen und zeigen eine enge Verwandtschaft mit anderen Drechselarbeiten aus Holz und Elfenbein in der Ambraser Kunstkammer. Die Bearbeitung dieser manieristischen Kunststücke geht an die Grenzen der statischen Möglichkeiten und demonstriert damit die virtuose handwerkliche Beherrschung des Materials. Im Inneren des Gehäuses befindet sich ein kleiner gedrechselter Ziehbrunnen mit Kette und Kübel aus Elfenbein. Deckelbecher aus Rhinozeroshorn | | spätes 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_3732 Der Pokal zählt zu den berühmtesten exotischen Werken in den Sammlungen des Hauses Habsburg. Er befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands II. und wird bereits im Nachlassinventar von 1596 erwähnt. Das indische Rhinozeros wurde vor allem ab 1515 durch Albrecht Dürers graphische Arbeiten in Europa bekannt. Für die europäischen Sammler des 16. Jahrhunderts stellte sein Horn eines der meistbegehrten Materialien dar. Zu seiner Schönheit, Seltenheit und Exotik gesellte sich die aus dem chinesischen Raum übernommene Vorstellung von einer medizinischen Wirksamkeit. Demnach wurde es sowohl als Gift anzeigend als auch als Aphrodisiakum angesehen. Der runde, vergoldete Fuß mit vegetabilem Rankendekor und der balusterförmige Schaft erinnern an Messkelche. Der darüber angebrachte Korb mit Blütendekor stützt das Gefäßteil aus poliertem 30 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Rhinozeroshorn, das eine Versinterungen ähnelnde Struktur aufweist. Vergoldete Silberspangen verbinden den Korb mit dem Lippenrand und fixieren das Rhinozeroshorn. Der gewölbte Deckel ist getrieben und ziseliert. Sein Dekor geht einerseits auf indo-chinesische Vorbilder zurück, ist andererseits aber auch von europäischen Einflüssen geprägt. Dicht gedrängt tummeln sich ziselierte Fische, Vierbeiner und Vögel unter einer Weinranke voller Trauben. Das Ganze wird am Deckelrand von Wellen umrahmt und symbolisiert damit das Paradies als eine von Wasser umgebene Insel. Diese altorientalische Vorstellung vom Paradies und vom Lebensbaum war auch im Europa des 16. Jahrhunderts bekannt. Als Griff fungiert ein vollplastisch ausgeführter Löwe. Da zeitgleiche portugiesische Goldschmiedearbeiten ähnliche Motive aufweisen, ist eine Entstehung oder endgültige Fertigstellung in Lissabon durchaus denkbar. Derzeit ist jedoch die Hypothese am wahrscheinlichsten, dass der Pokal in einer Werkstatt in Goa gefertigt wurde. Kanne aus Perlmutt | | um 1600 | Inv. Nr.: KK_4125 Korpus und Fuß der Kanne sind ohne jeglichen Holz- oder Kupferkern frei aus verschieden konturierten, mit Messingstiften verbundenen Perlmuttplättchen aufgebaut. Lediglich die Messingstifte sowie Messingbänder an den Kanten dienen der Stabilisierung. Die Kanne besitzt weder Dekor noch Montierung; ihre Herstellungstechnik verweist auf eine Entstehung im Gujarat, wo eine Vielzahl an Perlmuttgefäßen für den europäischen Export hergestellt worden ist. Zwei Schlitze zum Durchlaufen von Flüssigkeit zwischen Hohlkörper und Ausguss belegen die praktische Verwendbarkeit der Kanne. Die Provenienz der Perlmuttkanne ist nicht feststellbar, wahrscheinlich stammt sie aber aus der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II., der im "Zwerchkasten" der Kunstkammer zahlreiche Perlmuttarbeiten verwahrte. Zwei nahezu gleiche Kannen befinden sich als Teil einer Perlmutt-Garnitur im British Museum in London (OA+2645,1–2). Perlmutt oder Perlmutter (von mittellat. mater perlarum) wird aus der glänzenden Innenschicht der Schalen von bestimmten Muschelarten und Meeresschnecken gewonnen. Es besteht chemisch zu 98 % aus dem sehr harten und spröden Mineral Aragonit und zu 2 % aus der organischen Substanz Konchyn, durch die der Aufbau der Schale erfolgt. Der Wechsel von Konchyn- und Aragonitschüppchen bewirkt, dass auffallendes Licht in unterschiedlicher Weise durchgelassen, gebrochen und reflektiert wird. Dadurch erhält Perlmutt seinen charakteristischen irisierenden Glanz, wobei die Farbnuancen des Perlmutts je nach Herkunft und Muschelart unterschiedlich sind. Bereits um 5000 v. Chr. ist die Verwendung von Perlmutt bei den Ägyptern nachweisbar. In der Antike war es besonders als Material für Einlegearbeiten gebräuchlich, und auch in der Renaissance diente Perlmutt für die Herstellung von Intarsienarbeiten, z. B. an Möbeln, Musikinstrumenten und Schäften von Schusswaffen. Als exotische Naturalie fand es vor allem im 16. Jahrhundert im Zusammenhang mit Kunstkammerstücken einer fürstlichen Sammlung Verwendung. 31 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Berg Golgotha (Handstein) | | um 1550 | Inv. Nr.: KK_4167 Die Bezeichnung "Handstein" geht auf die Größe der Gesteinsproben aus dem Bergbau zurück, die so groß waren, dass sie "eine Handfläche ausfüllen" konnten. Umgestaltet zu Berg- und Minenlandschaften mit kleinen Figurenszenen zählen sie zu den wertvollsten Manifestationen bergbaulicher Kunst. Die Voraussetzung für die Herstellung von Handsteinen bildeten Funde besonders prächtiger Metallerzstufen. Da diese als Gottesgeschenke galten, wurden häufig Darstellungen von biblischen Figuren, Heiligen oder Christus selbst in die Gestaltung der oft auch als Berg Golgotha interpretierten Handsteine mit einbezogen. In ihrer Eigenschaft als Verbindungsglieder zwischen Natur und Kunst zählten die bemerkenswerten Nebenprodukte des Bergbaus aus Böhmen, Ungarn oder Tirol zu den bevorzugten Kunstkammerstücken des 16. Jahrhunderts. Die bedeutendste Sammlung befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595), der als Bergherr direkten Einfluss auf Wahl und Gestaltung der Objekte hatte. Der hier vorgestellte Handstein stand mit zahlreichen anderen im dritten, rot ausgemalten Kasten der Ambraser Kunstkammer; er wird im Nachlassinventar von 1596 folgendermaßen beschrieben: "mer ain ganzer von digen silber handstain, oben darauf ain silbern vergultes crucifix, darauf sein zwai arztgrueben, versilbert und vergult, sambt ainem haspl und ettlich füguren von knappen, steet auf ainem hülcen plau angstrichnen fuesz". Über einem in Blau und Gold bemalten Holzfuß mit quadratischem Grundriss erhebt sich ein aus verschiedensten Gesteinssorten zusammengesetzter Berg, auf dessen Gipfel Christus am Kreuz dargestellt ist. Der Mittelteil zeigt einen Bergstollen mit arbeitenden Knappen. Deren Alltagssituation, ihre Werkzeuge und Kleidung, die Stollenverbauung und das "haspl" (= Göpelhaus - der kegelförmige Aufbau, an dem die mechanischen Hilfsmittel zum Rohstofftransport aus den Stollen angebracht waren) sind detailliert wiedergegeben. Tödlein-Schrein | Paul Reichel | um 1583 | Inv. Nr.: KK_4450 In einem Schrein aus Ebenholz steht in einer rundbogigen Nische ein menschliches Skelett; es ist ebenso wie die Nische aus Kehlheimerstein geschnitten, einem sehr fossilienreichen Kalkstein, der nach seinem Fundort auch als Solnhofer Stein bezeichnet wird. Als Vorlage diente eine Tafel aus dem 1543 in Basel erschienenen Werk des flämischen Anatomen Andreas Vesalius, De humani corporis fabrica. Eine am 17. November 1583 ausgestellte Zahlungserinnerung deutet darauf hin, dass das Werk wohl nicht allzu lange vor diesem Datum entstand; der Preis wird mit 150 Gulden angegeben. Das Objekt ist im Inventar von 1596 im sechsten Kasten auf der siebenten von insgesamt acht Stellagen verzeichnet . Die rechte Hand des durch seinen Realismus faszinierenden Skelettes greift nach einem der Äpfel vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen (Gen 2,9). Zwischen ihnen ist die Schlange dargestellt, die nach der Erzählung der Bibel das erste Menschenpaar zum Genuss der verbotenen Frucht verführte (Gen 3,1-6). Stundenglas und Buch sind zur Linken zu erkennen, die reliefierte Darstellung an der Rückwand zeigt Pfeil und Bogen sowie einen Sarg. Während im Spätmittelalter der Tod oftmals als Jäger, Schnitter oder reitendes Skelett gedacht und dargestellt wird, womit eine Allegorie des Tötens entsteht, findet hier das metaphysische Rätsel des Todes einen anderen, sehr differenzierten Ausdruck. Das Bibelwort von der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies als Strafe Gottes für den Ungehorsam des Menschen, über welches dieser nachzudenken scheint, ist in einer sehr sachlichen Weise in Szene gesetzt; das Skelett ist als anatomisch richtig wiedergegebenes Relikt des Menschen von allen Anzeichen eines grauenhaft verwesenden Körpers befreit. Pfeil und Bogen können wohl unter Anspielung auf Psalm 7 als Waffen Gottes in seiner Eigenschaft als Richter der Gerechtigkeit und Frömmigkeit verstanden werden 32 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum (Ps 7,9-18). An den Seitenwänden des Gehäuses sind ebenso wie im Mittelfeld der Türen-Innenflächen Spiegel eingelassen, womit der Betrachter dieses faszinierenden Kunstkammerstückes direkt in die Thematik einbezogen wird. Tafelaufsatz | | 4. Viertel 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_4746 Der streng achsialsymmetrisch über ovalem Grundriss angelegte Tafelaufsatz aus Elfenbein besteht aus mehreren ineinander gesteckten und ausgehöhlten Einzelteilen (Dosen), die sich nach oben verjüngen. Einfache Profilierungen wechseln mit plastisch gearbeiteten Diamantquadern an der Oberfläche ab und verleihen dem Objekt eine schlichte Eleganz. Der Tafelaufsatz ähnelt formal den aus Dosen und einer abschließenden Bekrönung zusammengesetzten "Stapeldosen" aus Elfenbein (vgl. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK_4695). Die Erfindung der Drechselarbeit in ovalen Formen wird dem Mailänder Drechsler Giovanni Ambrogio Maggiore zugeschrieben, der an den Höfen von Prag, München und Innsbruck tätig war und auch Herzog Wilhelm V. von Bayern die Kunst des Ovaldrechselns beibrachte. Das Bearbeiten des kostbaren Elfenbeins auf speziell konstruierten Drehbänken war an fast allen europäischen Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts sehr beliebt. Auch Erzherzog Ferdinand besaß - wie seine Neffen Rudolf II. in Prag und Wilhelm V. in München - eine eigene gut ausgestattete Drechselwerkstätte; sie befand sich in Schloss Ruhelust in Innsbruck. Die Kunst des Drechselns mithilfe von Maschinen galt als Überwindung der Natur, analog dazu wird der dilettierende Fürst zum Gott ähnlichen Schöpfer und Gestalter überhöht. Elfenbein war ein rares exotisches Naturprodukt und als solches ein äußerst begehrtes Material für Kunstkammerobjekte in fürstlichen Sammlungen. Zudem wurden dem Elfenbein, wie auch vielen anderen exotischen Naturalien, heilbringende Kräfte zugeschrieben. Es galt als Mittel zum Schutz vor Vergiftungen und allgemein als gesundheitsfördernd. Als Lieferanten des Elfenbeins waren die Stoßzähne des afrikanischen und asiatischen Elefanten hoch begehrt. Die Bezeichnung Elfenbein setzt sich aus dem lateinischen elephantus, dem griechischen elephas und dem daraus entlehnten mittelhochdeutschen helfant sowie aus "Bein" - für Knochen - zusammen. Maser-Doppelkopf | | 1. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_4945 Im Ambraser Inventar von 1596 werden auf fol. 478 insgesamt drei "doppelte(s) pecher" genannt. Dabei könnte es sich um MaserDoppelköpfe handeln. Allerdings verwendet das Inventar nicht den Ausdruck "choph" (von lat. cuppa), der normalerweise für kugelige Gefäße gebraucht wurde. War einem Behälter ein kleinerer, ähnlich geformter übergestülpt, wurde aus dem "Kopf" ein "Doppelkopf". Über einem achtfach gelappten Fuß erhebt sich ein bauchiger Pokal mit einem seitlichen, eingedrehten Henkel. Der als Deckel darüber gestülpte zweite Becher weist einen ähnlich gestalteten Fuß auf, der gleichzeitig als Deckelgriff dient. Wie die meisten der sieben Ambraser Gefäße aus Maserholz besitzt er eine beachtliche Größe. Das sehr harte und dichte Material wurde aus Verwachsungen oder Wurzelstöcken verschiedener Laubbäume gewonnen, die allerdings selten einen derart großen Umfang wie die Ambraser Gefäße aufweisen. Doppelkopfbecher kommen nur im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Süddeutschland, vor. Sie tauchen im 13. Jahrhundert auf und blieben über vierhundert Jahre in ihrer Kernform gleich. Angehörige aller Stände, vom Kaiser bis zum Bürger, haben sie zu Feierlichkeiten oder ausgelassenen Festen verwendet. Brautpaare und deren Gäste tranken aus dem Doppelkopf. Den Hintergrund für ihre Verwendung bildet die uralte Sitte des Minnetrinkens. Dabei wurde an bestimmten Feiertagen zu 33 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Ehren des jeweiligen Heiligen geweihter Wein zum Trinken gereicht. Dieser Trank konnte dementsprechend wundertätig wirken: Männer stärken, Frauen verschönern, Krankheiten heilen, vor allem aber vor Zauberei und Gift schützen. Dieser Effekt wurde noch gesteigert, wenn das Holz von Ölbäumen aus dem Heiligen Land stammte. Obwohl das Minnetrinken von der Kirche kaum gefördert wurde, da es häufig in derbe Trinkfeiern ausartete, stellte es im 15. und 16. Jahrhundert einen der beliebtesten und gängigsten deutschen Bräuche dar. Die Ambraser Gefäße aus Maserholz zeigen jedoch keinerlei Spuren einer Benützung und standen vermutlich nie im praktischen Gebrauch. Ihr außergewöhnliches Format entlarvt sie als Kunstkammergegenstände, die eine Drechselkunst von hohem Niveau repräsentieren. Stimmheft | | 2. Viertel 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5370 Das Stimmheft gehört zu einer Serie von vier Heften, die mit Perlen sowie Gold- und Silberfäden bestickt sind. Ihre aufwendig gestalteten Titelblätter zeigen das Kaiserwappen, den Reichsapfel, das Kreuz und das Schwert; die Hefte beinhalten die auf Leinen gestickten Noten und den Text für das in den sechs Stimmen Discantus, Contratenor I und II, Tenor, Vagans und Bassus gehaltene Lied "Martia terque quater Germania plaude / Triumphans Caesar ab Italia / Carolus ecce venit Aurea qui terris revehat regnata / Parente secula Saturno / Carolus ecce venit - Vana superstitio proculi discordia / Demens pacifer ac vindex / Carolus ecce venit" ["Kriegerisch' Germania, klatsch zwölfmal Beifall / Triumphierend aus Italien / Siehe, Kaiser Karl kommt // Der den Ländern, regiert / Von Vater Saturn, die Gold'nen Zeitalter zurückbringe / Siehe, Kaiser Karl kommt // Leer ist falscher Glaube und töricht lange Zwietracht / Siehe, Kaiser Karl kommt"]. Derartige Lieder wurden für ein bestimmtes Ereignis komponiert und gehörten wie Pauken und Trompeten, Applaus der im Spalier stehenden Menschenmenge, Glockengeläut und das emphatisch angestimmte "Te Deum Laudamus" zum festlichen Herrscher- Einzug. Anlass war in diesem Fall der Einzug Kaiser Karls V. in Innsbruck am 15. Juni 1530. Nach seiner Kaiserkrönung am 24. Februar 1530 in Bologna wird er hier als Triumphator begrüßt, der im von Glaubensspaltung zerrissenen Deutschland Eintracht und Frieden stiften soll. Seine Sendung wird mit derjenigen des Letztgeborenen aus der zweiten antiken Göttergeneration, derjenigen des Titans Saturn, gleichgesetzt. Dieser machte sich laut sagenhafter Überlieferung zum Weltenherrscher, indem er seinen Vater Uranos entthronte. Zeus / Jupiter war eines seiner Kinder. Die Stimmhefte stammen aus der Ambraser Kunst- und Wunderkammer und sind im Nachlassinventar von 1596 als "vier püechlen von leinbet, gesang darein genäet, so Kaiser Carl dedicirt worden" bezeichnet. Ihre kostbare, für den praktischen Gebrauch jedoch ungeeignete Ausführung reiht die Stimmhefte unter die herausragenden Objekte einer fürstlichen Kunst- und Wunderkammer. Muschelblasender Triton | Nicolo Roccatagliata | 1. Viertel 17. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5627 Die dem italienischen Bronzebildner Niccoló Roccatagliata (1590- 1636) zugeschriebene Figur zeigt Triton als ungewöhnlich jungen Mann - viel häufiger, vor allem als Brunnenfigur, wird er bärtig und in reiferem Alter dargestellt. Er stützt sich mit der Rechten auf einen seiner beiden Fischschwänze und bläst kräftig in sein langes gewundenes Muschelhorn, das er mit der Linken nach oben hält. Der griechische Dichter Hesiod (7. Jahrhundert v. Chr.) bezeichnet Triton als Sohn des Meeresgottes Poseidon und der Nereide Amphitrite. Zumeist wird er als Mensch wiedergegeben, dessen Oberkörper in einen Fischleib übergeht. Seit dem 34 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum 4. Jahrhundert v. Chr. ist dieser Fischleib - wie bei der vorliegenden Figur - oft doppelschwänzig. Der griechischen Mythologie zufolge lebte Triton in einem goldenen Palast am gleichnamigen See im heutigen Tunesien. Als die Argonauten auf der Heimfahrt von der Suche nach dem Goldenen Vlies durch einen Sturm in der Wüste gelandet waren, half er ihnen, indem er ihren Schiffen einen Zugang zum Meer ermöglichte. In der römischen Dichtung ist Triton nicht sehr häufig erwähnt; Vergil beschreibt in der Aeneis (Aen. 6,1262 ff.), dass Triton bei einem musikalischen Wettstreit dem Trompeter Misenus unterliegt und diesen deshalb tötet. Als Tritons Attribut dient das nach seinem Besitzer benannte Tritonshorn, das als Signalinstrument verwendbare große Gehäuse einer Meeresschnecke (die lateinische Bezeichnung der Tritonschnecke lautet Charonia tritonis). In dieses Horn blies Triton, um das Wasser einer Sintflut, die Zeus im Zorn den Menschen geschickt hatte, wieder in die Meere, Flüsse und Seen zurückfließen zu lassen. Frosch | | Anfang 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5918 Wegen ihrer kompakten Form wurden Frösche häufig für Naturabgüsse verwendet. Das große, in diesem Fall geöffnete Maul konnte gut als Behälter, beispielsweise für Tinte, verwendet werden. Dazu wurde das Tier durch Eintauchen in Branntwein getötet und in die gewünschte Position gebracht. Anschließend wurde es zuerst mehrmals mit flüssigem Ton bestrichen, damit jedes Detail der Oberfläche bei der Abformung erhalten blieb, und dann vollständig mit Ton ummantelt. Beim Brand des so vorbereiteten Werkstücks zerfiel das Tier zu Asche, und die auf diese Weise entstandene Gussform konnte mit flüssigem Metall gefüllt werden. Nach dem Erkalten des Metalls wurde die Form zerschlagen und der Naturabguss freigelegt. Um die Herstellungskosten zu senken, wurden größere Tiere im Hohlgussverfahren hergestellt. Dazu wurde das Tier in zwei oder mehr Teilen abgeformt. Die so gewonnenen, wieder verwendbaren Teilformen wurden zusammengesetzt und im Inneren mit einer genügend starken Wachsschicht ausgegossen. Nach dem Erstarren des Wachses wurden die Teilformen entfernt, das Wachsmodell des Tieres erhielt einen Kern aus Ton und wurde schließlich wieder mit Ton ummantelt. Anschließend wurde die Gussform mit flüssigem Metall gefüllt, welches das Wachs zum Schmelzen brachte und ausfließen ließ. Der besondere Reiz der Naturabgüsse besteht in ihrer täuschenden Ähnlichkeit mit lebenden Tieren. Sie zeugen einerseits von der Schöpferkraft der Künstler, die quasi die Natur neu erschufen, und erlauben es andererseits dem Betrachter, die Schönheit der Natur und Einzelheiten der Lebewesen in Ruhe zu bestaunen. Naturabgüsse waren daher bei den Besitzern von höfischen Kunst- und Naturalienkabinetten als Sammelobjekte sehr begehrt. Imagines Gentis Austriacae | Francesco Terzio | um 1558/69 | Inv. Nr.: KK_6614 Das fünfbändige Prachtwerk Francesco Terzios, Imagines Gentis Austriacae, mit zahlreichen Bildnissen von Mitgliedern des Hauses Österreich entstand unter der Patronanz Erzherzog Ferdinands II. und befand sich danach im Besitz von Karl Schurff Freiherr von Schönwert, seit 1578 Erblandjägermeister. Die vollständige Ausgabe umfasste auf 58 Blatt 74 in Kupfer gestochene Bildnisse in ganzer Figur von Fürsten aus dem Haus Habsburg, ihren Gemahlinnen, nahen Verwandten sowie realen und sagenhaften Vorfahren. Jeder Band enthielt eine inhaltlich geschlossene Porträtserie, die jeweils einem bestimmten Fürsten aus dem Haus Habsburg gewidmet war, wobei die Anordnung der Porträts nicht nach der Chronologie erfolgte. Der erste Band war Kaiser Maximilian II. zugeordnet, der zweite 35 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Erzherzog Ferdinand II., der dritte Erzherzog Karl, der vierte König Philipp II. von Spanien und schließlich der fünfte Kaiserin Maria, der Gemahlin Maximilians II. Der zweite Teil der vorliegenden Ausgabe enthält ein Titelblatt mit einer Rollwerkkartusche vor einem architektonisch gestalteten Hintergrund. Sein Hauptbereich ist einem Lobspruch von Claudius Cornelius Frangipani auf die Geschichte mit ihrem Anspruch auf ewige Gültigkeit und dauerhaften Ruhm gewidmet. Das hier vorgestellte Blatt zeigt Erzherzog Ferdinand in seiner Deutschen Rüstung; er trägt auf dem Haupt den Erzherzogshut. Ferdinand II. ließ sich hier, wie dies einer gängigen Habsburger-Ikonographie entspricht, als Herkules darstellen, worauf die auf dem Boden liegende Sturmhaube mit dem Löwenvisier und die Keule in seiner Linken, aber auch der auf der Harnischbrust dargestellte Löwenkampf hindeuten. Die lateinischen Inschriften auf den Kartuschen besagen: So lange die bedeutendsten Persönlichkeiten bestrebt sind, höchsten Ruhm zu erlangen, so lange werden weder schwere Sorgen noch große Mühsal Schrecken erzeugen, sondern mit Freude bewältigt werden. In der Lünette oberhalb des Kranzgesimses ist eine Caravelle im Sturm dargestellt; die Devise "SIC RESISTIT" bedeutet die Aufforderung, Widerstand zu leisten. Tischuhr | | um 1590/1600 | Inv. Nr.: KK_6855 An der Vorderseite der Uhr befinden sich fünf Zifferblätter. Das größte in der Mitte besteht aus sechs konzentrischen Kreisringen, von denen sich die beiden innersten, jeweils mit den Zahlen 1-24 versehenen Ringe auf die so genannten Nürnberger Stunden beziehen (Beginn der Zählung ab Sonnenaufgang). Der folgende Ring gibt die "welschen" Stunden an (Beginn der Zählung ab Sonnenuntergang, entsprechend dem Kirchentag, der sich von Abend zu Abend erstreckte). Der vierte Ring ist zweimal mit I-XII beziffert und repräsentiert die so genannte kleine oder deutsche Uhr. Am fünften Ring konnte man Viertelstunden und Minuten ablesen, während der äußerste Ring als Kalender diente, auf dem auch die wichtigsten Festtage vermerkt sind. Die kleinen Zifferblätter zeigen die Wochentage, die Tierkreiszeichen, die Sonntage und den Mondzyklus an und dienten zur Einstellung einer Weckfunktion - die Scheibe links unten ist mit "WECK" bzw. "WECK NICHT" beschriftet. Eine Punze an der linken Schmalseite belegt Augsburg als Herstellungsort. Die relativ strenge tektonische Form und die klar strukturierten Dekorelemente legen eine Datierung in die Jahre zwischen 1580 und 1600 nahe. Diese Tischuhr gleicht Arbeiten des Nikolaus Lanz, der in Innsbruck die Erzeugung kunstvoller Kleinuhren etablierte und auch Erzherzog Ferdinand II. belieferte. Sie vertritt einen zwischen 1550 und 1650 in Süddeutschland weit verbreiteten Typus, der auch als "Stutzuhr" bezeichnet wird. Charakteristisch für ihn ist das quaderförmige Gehäuse mit den beiden breiten Hauptfronten, das von einer geschwungenen, teilweise durchbrochenen Haube bekrönt wird, unter der sich die Glocken des Schlagwerks befinden. An der Herstellung solcher Uhren waren meistens zwei Meister beteiligt: Der Uhrmacher, der auch der Unternehmer war und oft die gesamte Uhr signierte, fertigte das Uhrwerk aus Eisen oder Messing, der Goldschmied war für die Ausführung des Gehäuses aus festen, feuervergoldeten Kupferplatten zuständig. 36 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Seidenbild: Vogel und Blumen | | 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_8912 Die in Ambras erhaltenen Objekte chinesischer Provenienz zählen zu den ältesten Zeugnissen asiatischer Kunst in europäischen Sammlungen. Für den Erwerb derartiger "Exotica" dürfte wohl König Philipp II. von Spanien, Erzherzog Ferdinands Cousin, aufgrund seiner überseeischen Besitzungen als Vermittler gedient haben. Zum Bestand zählen auch zwei großformatige Seidenbilder, die ursprünglich als "Rollbilder" montiert waren und erst nachträglich auf Leinwand aufgezogen worden sind. Das vorliegende Gemälde gehört thematisch in die Gruppe der "Glückwunsch-Bilder", ihre Darstellungen verstehen sich demnach als Gruß des Überbringers an den Beschenkten. Dargestellt sind drei Vogelpaare sowie Glück verheißende Pflanzen und Blüten: im Vordergrund ein Schwanenpaar mit Lilien, im Mittelgrund zwei Mandarinenten mit Kamelien und im Hintergrund schließlich Eisvögel mit Lotosblumen. Diese Vögel und Pflanzen stehen allgemein für Wohlergehen und Harmonie; im Speziellen symbolisieren sie auch Reinheit, Treue, Schönheit und Vertrautheit, weshalb sie mit Glückwünschen zur Hochzeit in Verbindung gebracht werden. Die Malerei auf Seide zeichnet sich durch außergewöhnliche Farbenfrische und das Bemühen um Detailtreue aus. Das Gemälde ist, ebenso wie sein erhaltenes Gegenstück (Inv.-Nr. KK_8913), im Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. zweifelsfrei zu identifizieren: "ein indianisch tuech, darauf ist gemalt ein großer vogel gleichwie ein schwann sambt andern vögelen, sonst von allerlai laubwerch gemalt". Glasglockenklavier | anonym | Vor 1596 | Inv. Nr.: SAM_124 Das Glasglockenklavier ist im Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 als "ain instrument von glaszwerch" genannt. Damals befand es sich mit anderen Tasten-, Streichund Blasinstrumenten im 4. Kasten der Kunstkammer. Es besteht aus einem kastenartigen, aus verschiedenen Hölzern zusammengesetzten Gehäuse mit vorspringender Klaviatur und abnehmbarem Deckel. Das von Minerva und Mars flankierte Wappen Erzherzog Ferdinands II. ziert die Vorderseite über der Klaviatur; die übrige Bemalung besteht aus Rankenornamenten, Grotesken, Musikinstrumenten und menschlichen Phantasiefiguren. Der Dekor weist eine stilistische Nähe zu den von Dionys Hallaert um 1570 gefertigten Fresken des "Spanischen Saales" in Schloss Ambras auf. Als Klangkörper dienten im Inneren des Instrumentes angebrachte schalenförmige Gläser - "Glocken" -, die mithilfe einer Tastenmechanik von filzbezogenen Klöppeln angeschlagen wurden. Die Erzeugung des Tons erfolgte über die in Schwingung gesetzten Gläser. Von den Glasglocken ist keine mehr vorhanden; 1821 hat es sie laut eines Inventarvermerkes zum Teil noch gegeben. Das Instrument ist das einzige erhaltene seiner Art und dokumentiert die Auseinandersetzung mit neuen klanglichen Möglichkeiten. Ein vergleichbares Klavier befand sich in der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. in Prag. 37 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Der Spanische Saal Der Zugang zum Saal erfolgt über das östlich davon gelegene Kaiserzimmer, dessen Stuckarbeiten zur ursprünglichen Gestaltung gehören. Sie stellen die ersten 12 römischen Imperatoren – von Cäsar bis Domitian – dar. Die malerische Gestaltung ist in das Jahr 1719 zu datieren und setzt die Thematik des Spanischen Saales fort. Sie zeigt zehn Porträts der Nachfolger von Ferdinand II. als Landesfürsten von Tirol, beginnend bei Kaiser Rudolf II. und endend bei Kaiser Karl VI. Der Spanische Saal und das Kaiserzimmer Der in den Jahren 1569 bis 1572 nach den Vorstellungen Erzherzog Ferdinands II. als Festsaal errichtete Spanische Saal zählt zu den bedeutendsten freistehenden Saalbauten der Renaissance. Die malerische Gestaltung des 43 Meter langen Saales prägen 27 ganzfigurige, von Giovanni Battista Fontana ausgeführte Porträts der Tiroler Landesfürsten, beginnend in der Ostecke mit Graf Albrecht I. von Tirol über die Grafen von Görz-Tirol und Margarethe Maultasch bis hin zu den Habsburgern, unter ihnen Ferdinand II. Die übrige Malerei an den Sockeln und Wänden schildert allegorische Figuren und mythologische Szenen: an der Ostwand Tugenden, an der Nordwand Szenen aus der Herkulesgeschichte (19. Jh.), an der Westwand die Freien Künste sowie Szenen aus der Geschichte von Romulus und Remus, im Fries Arbeiten des Herkules (16. Jh.). An den Pfeilern der Südwand sind von Dionys van Hallaert gemalte Trophäen und Grotesken zu sehen. Die Frieszone der Nord- und Ostwand zeigt stuckgerahmte, gemalte Ochsenaugen, wobei das Innere des Kreises in illusionistischer Art Himmel und Wolken wiedergibt und eine architektonische Entsprechung zu den Ochsenaugenfenstern der Süd- und Westwand angestrebt wird. Als Stukkateur kann Antonis van Brackh (oder Prackh) angenommen werden, der vermutlich mit dem Italiener Antonio Brocco zu identifizieren ist und bereits in Böhmen für Erzherzog Ferdinand II. tätig war. Bestimmend für den festlichen Gesamteindruck des Saales sind auch die vom Hoftischler Conrad Gottfried 1571 aus verschiedenen Holzarten zusammengesetzten Türen sowie die z. T. vergoldete und ebenfalls intarsierte Holzkassettendecke. Aufgrund großer Feuchtigkeitsschäden fand in den Jahren 1878 bis 1880 eine erste umfassende Restaurierung statt. Kaiserzimmer Östlich des Spanischen Saales schließt das Kaiserzimmer an, das ursprünglich als Vorraum fungierte. Der Name des kleinen Raumes leitet sich von den gleichzeitig mit dem Spanischen Saal, 1572, entstandenen Stuckarbeiten ab, die aus zwölf Relief büsten römischer Imperatoren bestehen und deren ikonografisches Vorbild in Tizians Kaiserserie (1536–1539) im Palazzo Ducale in Mantua zu finden ist. Als Stukkateur kann auch hier, wie im Spanischen Saal, Antonis van Brackh (oder Prackh) angenommen werden. Die Gipsplastiken (Titus und Vespasian) sind vermutlich erst 1719 im Zusammenhang mit dem Schlachtenbild entstanden. Die Thematik des Spanischen Saales wird hier weitergeführt: Zehn ganzfigurige Porträts stellen die Nachfolger Erzherzog Ferdinands II. als Tiroler Landesfürsten von Kaiser Rudolf II. bis Kaiser Karl VI. dar. Die malerische Ausgestaltung entstand um 1719 und wird dem Innsbrucker Maler Michael Hueber zugeschrieben. 38 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Der Schlosspark Zu Lebzeiten Erzherzog Ferdinands II. gehörte zu Schloss Ambras ein großes Waldareal. Das steil nach Osten abfallende Gelände, das heute mit seinen Felsen, Schluchten, Brücken und einem künstlich angelegten Wasserfall an den ursprünglichen Zustand erinnert, diente als Wildpark. Außerdem besaß das Schloss eine 1574 vollendete, reich gestaltete Parkanlage mit Fischteichen, Vogelvolieren und eigenen Gartenhäusern in den Lustgärten. Aus der Entstehungszeit stammen noch die in den Fels gehauene, weiträumige Bacchusgrotte, in der Gäste des Erzherzogs einst mit den berühmten Ambraser Trinkspielen empfangen wurden, sowie ein Treppenturm im „Keuchengarten“, dessen ehemalige Anlage teilweise wieder rekonstruiert ist. (Keuche = Gefängnis; der Name entstand wohl in Anlehnung an den in unmittelbarer Nähe gelegenen Gefängnisturm des mittelalterlichen Hochschlosses.) Der mit Wasserkraft betriebene „umblauffende Tisch“ und das Ballspielhaus südlich des Spanischen Saales sind nicht mehr erhalten. Unter Erzherzog Karl Ludwig, der Schloss Ambras als Sommerresidenz nutzte, wurde ab 1855 der westliche Teil des Parks zu einem Landschaftsgarten umgestaltet und der Schlosspark. Bacchusgrotte Die von einem starken Pfeiler und vier Gurtbögen gestützte Grotte wurde im Auftrag von Erzherzog Ferdinand II. im Park von Schloss Ambras angelegt. Schon ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden ausgehend von Italien europaweit in Gärten und Schlössern künstliche Grotten nach dem Vorbild der römischen Nymphäen des 2. und 3. Jahrhunderts. Solche Brunnen- und Höhlenanlagen waren den Nymphen, weiblichen Naturgeistern, geweiht. Die erste überlieferte Beschreibung der Ambraser Bacchusgrotte stammt aus dem Reisebericht von Stephanus Pighius aus dem Jahre 1574. Den Höhepunkt der Empfangszeremonie für fürstliche Gäste stellte die „Trinkprobe“ dar: Verborgene Ketten und Gitter hielten dabei die Gäste fest, die sich nur durch das Austrinken des Weines in einem vollgefüllten Gefäß, dem „Willkumb“, befreien konnten. Deshalb wurde die Grotte nach dem römischen Gott des Weines als Bacchusgrotte bezeichnet. Nach bestandener Trinkprobe trugen sich die Gäste mit einem Sinnspruch und ihrer Unterschrift in eines der drei Trinkbücher ein, die heute noch in den Ambraser Sammlungen erhalten sind. Auf diese Weise haben sich wichtige Persönlichkeiten der Zeit verewigt. Ebenfalls bis heute erhalten sind die für den Ritus verwendeten Trinkgläser. Arzneimittelgarten Der Garten wurde im Jahr 2010 als Schülerprojekt angelegt. Aufgrund der jahreszeitlich wechselnden Bepflanzung lässt sich keine allgemein gültige Liste der angepflanzten Kräuter erstellen. Die Grundlage für die Auswahl der Heilpflanzen bildete das in der Ambraser Sammlung erhaltene Arzneimittelbuch der Anna Welser von 1560/70. Es befand sich im Besitz ihrer Tochter Philippine Welser, der Schlossherrin von Ambras. Während im Mittelalter Krankenbetreuung fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wurde – Frauen waren Ärztin, Apothekerin und Krankenschwester in einem –, kam es mit der vermehrten Gründung von Universitäten und medizinischen Schulen zu einer Neuordnung des Ärzte- und Apothekerstandes. Die auf wissenschaftlicher Ausbildung beruhende, an der griechisch-arabischen Medizin orientierte Schulmedizin distanzierte sich von der empirischen Volksmedizin und griff die antike Tradition wieder auf, die weniger auf praktischen Erfahrungen als auf theoretischen Erkenntnissen beruhte. Diese Entwicklung führte zur Verdrängung der Frauen aus dem ärztlichen Betätigungsfeld. Da aber den theoretisch gebildeten Ärzten und Apothekern die Praxiserfahrung fehlte, bevorzugten die 39 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Patienten bis weit ins 16. Jahrhundert die vom wissenschaftlichen Studium ausgeschlossenen, aber erfahrenen heilkundigen Frauen, die sich in allen Gesellschaftsschichten fanden. Anna Welsers Arzneimittelbuch ist eine im Lauf der Zeit gewachsene Sammlung von im Hausgebrauch erprobten Rezepten gegen Krankheiten wie Blattern, Fraisen, Warzen, Fieber, Pest, Kopf- und Bauchschmerzen, Gelbsucht, Furunkel, Würmer und Ruhr, Schlaflosigkeit oder Unterernährung, aber auch für psychische Krankheiten. Es lassen sich Schwerpunkte erkennen, die entweder das Krankheitsbild betreffen – wie z. B. Rezepte gegen Magenbeschwerden – oder nach den verwendeten Zutaten geordnet sind, darunter Rezepte mit Quitten oder Veilchen. Auffallend sind die ausführliche Beschäftigung mit Kinderkrankheiten und der immer wiederkehrende Hinweis auf die Wichtigkeit der Zahnpflege. Auch die ausdrückliche Aufforderung, zur Arzneimittelbereitung neues Geschirr und frisch gewaschene Tücher oder sonstiges sauberes Zubehör zu verwenden, zeigt, dass Anna Welser den allgemeinen Hygienevorstellungen ihrer Zeit weit voraus war. Viele der Kräuter (Pfefferminze, Salbei, Thymian, Liebstöckel, Mutterkraut, Baldrian, Meisterwurz u.a.) werden auch heute noch als Arzneimittel verwendet. Das Hochschloss Innenhof Der zwischen 1564 und 1567 mit Grisaillemalereien al fresco (Grau-Malerei auf noch feuchtem Putz) ausgestaltete Innenhof des Hochschlosses zählt zu den am besten erhaltenen Beispielen der Freskomalerei des 16. Jahrhunderts. Die Darstellungen von Fürstentugenden und Musen, weiblichen und männlichen Helden und verschiedensten Heldentaten sollten den Fürstenstand als vorbildhaft auszeichnen. Sie beziehen sich auf den Auftraggeber Erzherzog Ferdinand II., Förderer der Künste und Gestalter großer Feste. Die Malerei übernimmt auch die architektonische Aufgabe, mit Hilfe des gleichmäßigen Dekorationssystems den unregelmäßigen Hof zu vereinheitlichen und die Enge und Steilheit des Hofraumes auszugleichen. Seit dem 15. Jahrhundert findet man in Oberitalien vergleichbare Scheinarchitekturen mit gemalten Fenstern, Skulpturen, Gesimsen und perspektivischen Verkürzungen, so beispielsweise die von Andrea Mantegna 1464 gestaltete Pescheria Vecchia in Verona. Formal und inhaltlich ist die Ausschmückung des Ambraser Innenhofs in Zusammenhang mit Schloss Litomyšl (Leitomischl), dem Schloss des Prager Erzbischofs in Horšovský Týn (Bischofteinitz) und dem Palais Martinitz in Prag zu sehen. Stichvorlagen der Künstler Virgil Solis und Jost Amann wurden sowohl für die Gestaltung der Anlagen in Böhmen als auch für Ambras verwendet. Das Parterre ist durchgängig mit Quadermalerei gestaltet. Als markanteste Szenen sind an der Westwand (gegenüber) zwischen dem ersten und zweiten Geschoss ein Bacchuszug mit Wagen, Satyrn und Bacchanten sowie zwischen dem zweiten und dritten Geschoss Orpheus, der vor den Tieren musiziert, wiedergegeben. An der Nordwand (rechts) stehen zwischen den Fenstern des ersten Geschosses die Allegorien der Freien Künste Musik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Grammatik, Dialektik und Rhetorik in architektonisch gestalteten Nischen, darüber setzt sich der Bacchuszug fort. Auf der Höhe des zweiten Geschosses markiert eine Unterbrechung der malerischen Gestaltung die Stelle, an der sich in ferdinandeischer Zeit eine Loggia befunden hat. Sie wurde im 19. Jahrhundert entfernt. Westlich vom Ansatz der Loggia sind auf einer älteren Putzschicht Reste der ursprünglichen, 40 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum farbigen Malerei zu erkennen. Die Schlachtenszenen und Ritter in den oberen Reihen sind nicht mehr identifizierbar. An der Ostwand befindet sich im Erdgeschoss ein Scheinfenster mit einem Hirschen, darüber erscheinen alttestamentarische Heldinnen wie Judith, Esther und Jael, über dem Bacchuszug gibt es zwischen erstem und zweitem Geschoss nicht identifizierte weibliche Figuren, außerdem Judith mit dem Haupt des Holofernes, eine Schlachtenszene und Ritter in fantastischen Rüstungen. An der Südwand (links) sind zwischen den Fenstern des ersten Geschosses die Tugenden Fides (Glaube), Spes (Hoffnung), Caritas (Nächstenliebe), Justitia (Gerechtigkeit), Prudentia (Klugheit), Fortitudo (Standhaftigkeit), Temperantia (Mäßigkeit) und Sapientia (Weisheit) dargestellt, darüber wieder der Bacchuszug, über diesem wahrscheinlich die neun Musen, antike Helden und eine Schlacht, ganz oben die „neuen Helden“ Alexander der Große, Gottfried von Bouillon, David, Artus, Karl der Große, Judas Makkabäus, Josua, Hector und Caesar. Das Bad der Philippine Welser Die berühmte Badewanne der Philippine Welser stellt eine kulturgeschichtliche Rarität dar. Die Wanne darf jedoch nicht allein gesehen werden, sondern mit dem Schwitz- und Heizraum sowie dem Ruheraum als Einheit wahrgenommen werden. In Schwitzbäder ging man sowohl zur Reinigung als auch nach dem Reinigungsbad zur Pflege des Körpers. So kann man sich das Baden in jener Zeit durchaus im Sinne von „Wellness“ vorstellen. Um die gesundheitsfördernde Wirkung des Bades zu erhöhen, wurden dem Wasser mitunter diverse Kräuter zugefügt. Die „Abziehstube“ wurde 1567 mit Holz vertäfelt und darüber mit einem umlaufenden Fries in Freskomalerei geschmückt. Als Vorlagen dienten Badedarstellungen von Albrecht Dürer, Virgil Solis, Hans Sebald Beham und Georg Pencz aus der Sammlung von rund 5.000 Kupferstichen und Holzschnitten, die Erzherzog Ferdinand II. besaß. Architekturtraktaten der Zeit entsprechend liegt die Ambraser Badstube nach Süden ausgerichtet und ist mit Schwitz- und Wannenbad ausgestattet. Die etwa 1,60 Meter tief in den Boden eingelassene Badewanne weist eine Verkleidung aus verzinntem Kupferblech auf. Da auf dem Wannenboden zumeist heiße Steine für die Erwärmung des Wassers lagen, war es nicht üblich, dass die Badenden direkt dort saßen; sie benutzten vielmehr Schemel oder Bänke. Der heute noch erhaltene steinerne Hocker mit hölzerner Sitzfläche dürfte zum ursprünglichen Bestand gehören. Hinzu kommen Sitzstufen, über die man auch in die Wanne gelangen konnte. Im Unterschied zur originalen Wandtäfelung ist der Fußboden neueren Datums, doch wurde er nach vorhandenen Resten nach gebaut. Die Holzdielen fallen zur Mitte hin ab und weisen Rillen auf, durch die das Tropfwasser abfließen konnte. Eine Wasserleitung transportierte das heiße Wasser aus dem Heizraum in die Wanne, während das kalte direkt über die Rohrleitung aus dem „Keuchengarten“ heraufgeführt wurde. Inventare und erhalten gebliebene Rechnungen geben uns ein gutes Bild von der ursprünglichen Ausstattung: Auf der marmornen Ablage vor dem Badfenster stand ein Springbrunnen, der mit bemalten Tierfiguren dekoriert war. Außerdem gab es hier mehrere Schaffe aus Kupfer sowie Becken aus Messing, „Lassköpfe“ (= Saugnäpfe) samt einem Fass für den Aderlass, ferner ein Laugenfass mit Sieb und Kellen aus Messing. Hier ließen die Badenden sich somit das Haar waschen, die Rasur vornehmen und sich schröpfen. Die dabei verwendeten Utensilien wie Kämme und Kosmetika wurden nicht im Bad verstaut, sondern vom Barbier verwahrt oder mit in die Wohnräume genommen. Die St. Nikolaus-Kapelle 41 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Die wechselhafte Geschichte der St. Nikolauskapelle reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Ihr heutiges Erscheinungsbild geht aber auf das 19. Jahrhundert zurück, als der Statthalter von Tirol, Erzherzog Karl Ludwig, die schadhaften Wandmalereien des 16. Jahrhunderts abschlagen ließ und eine allgemeine Neugestaltung in Auftrag gab. Mit ihrer künstlerisch gelungenen Gestaltung stellt die Kapelle im Schloss ein wichtiges Bindeglied vom Mittelalter über die Renaissance bis zur jüngeren Vergangenheit dar. Im Kapellenvorraum wird der Kapellenschatz präsentiert. Darunter befinden sich Ablassbriefe aus dem 14. Jahrhundert, prächtig bestickte Messgewänder aus dem 16. Jahrhundert und kostbares Augsburger Kirchensilber aus dem 17. Jahrhundert. Die geostete, im Jahr 1330 erstmals geweihte St. Nikolauskapelle ist ein im Grundriss quadratischer, von einem Netzrippengewölbe überspannter Raum mit 5/8-Chorschluss, der über die Umfassungsmauer des Hochschlosses hinausreicht. Durch zwei große, auf einem mittleren SandsteinRundpfeiler und zwei seitlichen Halbpfeilern ruhende Bogenöffnungen ist die Kapelle mit einem eingeschossigen Vorraum verbunden. Über dem Vorraum liegt das durch zwei spitzbogige Fenster vom Kapellenraum getrennte Oratorium. Die Langhaus-Außenmauern und die Chorfundamente der Kapelle zählen noch zum mittelalterlichen Baubestand des Schlosses. Ursprünglich bestand die Kapelle aus einem querrechteckigen Schiff mit einer vorspringenden Apsis, die im heutigen spätgotischen Chor aufgegangen ist. Im 15. Jahrhundert wurde die Apsis der Kapelle durch den 5/8Chor ersetzt, der gleichzeitig mit dem Kapellenschiff ein Sternrippengewölbe erhielt. Zur selben Zeit entstand der Kapellenvorraum. Im 16. Jahrhundert ließ Erzherzog Ferdinand II. unter der Leitung des Baumeisters Giovanni Lucchese die Kapelle erneut umbauen: Der Vorraum erhielt zwei neue Eingangstüren, eine vom Burghof her, die andere über die westlich angrenzende Sakristei, und der Vorraum wurde mit der Kapelle verbunden. Auch das Oratorium über dem Vorraum stammt aus dieser Bauetappe. Neuerliche bauliche Veränderungen folgten erst im 19. Jahrhundert, als Schloss Ambras von Erzherzog Karl Ludwig, der im Jahr 1855 Statthalter von Tirol geworden war, als Wohnsitz adaptiert wurde. Zwischen 1863 und 1867 ließ der Architekt Anton Geppert zur Sicherung entlang der Nord- und Südwand des Kapellenschiffes zwei Zuganker einbauen und die vorhandenen Mauerrisse mit Backsteinfragmenten und Teilen der im Schiff abgeschlagenen Sandsteinrippen verschließen. In der Westwand wurden die zwei spitzbogigen Fenster zum Oratorium ausgebrochen. Das Gewölbe des Schiffs wurde erneuert und die sehr schadhaften Wandmalereien des 16. Jahrhunderts wurden abgeschlagen. Nach der Neuverputzung erhielt der Innsbrucker Maler August Wörndle den Auftrag, die Kapelle auszumalen. Er orientierte sich dabei stilistisch an den Nazarenern, ikonografisch an den ursprünglichen Malereien des 16. Jahrhunderts, die vom Innsbrucker Buchbinder Franz Vischer 1834 „in Umrissen abgezeichnet“ worden waren. Dargestellt sind unterhalb der Langhausfenster an der Nordwand die Geburt Christi, der lehrende Christus und die Kreuzigung, an der Südwand Auferstehung, Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes, im Chorbogen in einer spitzgiebeligen gemalten Nische der hl. Josef und die Unbefleckte Empfängnis. Die Glasfenster wurden von den Brüdern Neuhauser aus der Innsbrucker Glasmalereischule nach Entwürfen August Wörndles angefertigt. Ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammen die Kirchenbänke und der neugotische Altar mit der vom Bildhauer Michael Stolz geschaffenen Statue des hl. Nikolaus in einer Baldachinnische. Auf der Stirnseite der Predella sind in Blendarkaden Heiligenfiguren eingestellt. Sammlung Gotischer Skulpturen 42 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Vom Innenhof ausgehend gelangt man in den Erdgeschoß des Bergfrieds, der am Ende des 13. Jahrhunderts errichtet wurde. Gemeinsam mit Teilen des Nordtrakts und der Kapelle gehört der Bergfried zum mittelalterlichen Bauabschnitt des Schlosses. Er diente als Wehrturm und bei Belagerung als sicherer Zufluchtsort. Im Erdgeschoss des am Ende des 13. Jahrhunderts errichteten Bergfrieds ist seit 1996 die Sammlung spätmittelalterlicher Bildwerke ausgestellt. Die Objekte stammen fast alle aus der Zeit Kaiser Maximilians I. (1459–1519). Als Hauptwerk gilt der Georgsaltar, der zwischen 1510 und 1515 wohl im Auftrag Maximilians I. entstand und 1777 in der Georgskapelle im Schlosspark nachweisbar ist, die in diesem Jahr abgetragen wurde. Der Kaiser, der 1493 die St. Georgs-Bruderschaft sowie 1503 eine St. Georgs-Gesellschaft gegründet hatte, fühlte sich dem Ritterheiligen besonders verbunden, symbolisierte dieser doch die Ideen der Kreuzzüge und der Abwehr der Osmanen. In den Heiligen auf den gemalten Altarflügeln werden zudem Porträts der Enkel Maximilians, der späteren Kaiser Karl V. und Ferdinand I., vermutet, was ebenfalls für einen habsburgischen Auftrag sprechen würde. Über den ursprünglichen sakralen Zusammenhang, aus dem die übrigen Figuren und Ensembles stammen, ist wenig bekannt. Die überwiegend in Niederösterreich, aber auch im Inntal, in Salzburg, Südtirol und dem Allgäu entstandenen qualitätvollen Stücke sind ein spätes Resultat habsburgischen Sammeleifers im 19. Jahrhundert. Ausstellung zur Schlossgeschichte Die Ausstellung in den Räumen der ehemaligen „gotischen Küche“ widmet sich der Geschichte des Schlosses und der Familie Erzherzog Ferdinands II. Der mittelalterliche Bestand der Burg lässt sich nur noch an der Bausubstanz des Hochschlosses ablesen, in das Bergfried, Wohnburg, Kapelle und ein weiterer Turmbau integriert sind. Ab 1564 gestaltete Erzherzog Ferdinand II. die Anlage zu einem Renaissance-Schloss um. Die Architekten und Baumeister Paul Uschall sowie Giovanni und Alberto Lucchese waren vor allem mit der Ausführung der Konzepte des Fürsten beschäftigt, der bis ins Detail die Planung und deren Umsetzung beaufsichtigte. Das um einen rechteckigen Innenhof erbaute Hochschloss umfasste vier Geschosse und war als Wohnschloss konzipiert. Am Fuß des Schlosses ließ der Erzherzog einen der schönsten und künstlerisch bedeutendsten monumentalen Saalbauten der Spätrenaissance errichten, der seit dem 19. Jahrhundert „Spanischer Saal“ genannt wird. Vor der Fassade des Saales erstreckte sich nach Süden ein Gartenparterre. Dieses war im Westen von einem eingeschossigen Gebäude, dem Ballspielhaus, im Süden vom aufragenden Schieferfelsen begrenzt, in dem sich eine Höhle, die sog. Bacchusgrotte, verbarg. Nach Osten öffnete sich der Wildpark, der sich bis in die Ebene des Inntales erstreckte und mit einem künstlich angelegten Wasserfall versehen war. Noch vor Beginn der Bauarbeiten hatte Erzherzog Ferdinand das Schloss seiner ihm damals noch geheim angetrauten Frau Philippine Welser (1527–1580) überschrieben. Die kulturhistorische Bedeutung des Schlosses liegt zweifellos in dem Umstand begründet, dass der Erzherzog noch zu Lebzeiten Philippine Welsers seine bereits damals weithin berühmte Sammlung von Harnischen, Waffen, Porträts, Naturalien, Raritäten und Kostbarkeiten in Schloss Ambras versammelte und 1589 ein zusätzliches Gebäude westlich des Unterschlosses zur Unterbringung der Waffensammlung erbauen ließ. Nach dem Tod des Fürsten im Jahre 1595 fielen das Schloss und die Sammlungen an den jüngeren Sohn aus erster Ehe, Markgraf Karl von Burgau (1560–1618). Dieser war jedoch wesentlich mehr am Ausbau seiner Residenz in Günzburg in der Markgrafschaft Burgau als an der kostspieligen Erhaltung von Ambras und der vom Vater ererbten Sammlung in der Grafschaft Tirol interessiert, zumal er dort keinerlei Fürstenrechte besaß. Deshalb trat er auch bald in Verkaufsverhandlungen mit Kaiser Rudolf 43 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum II. ein, die 1606 ratifiziert wurden. In der Folgezeit verlor das Schloss seinen Status als Residenz. Die Gebäude und die Sammlungen von Schloss Ambras wurden von den jeweiligen Landesfürsten Beamten zur Verwaltung anvertraut. Erst unter dem Statthalter Erzherzog Karl Ludwig, der das Schloss ab 1855 als neugotische Sommerresidenz umgestalten ließ, kam es zu Umbauten, die vom Architekten Ludwig Förster und dessen Sohn Heinrich ausgeführt wurden. Eine efeubewachsene Auffahrtsrampe wurde angelegt, der Bergfried erhielt ein viertes Stockwerk mit einem Türmchen, an der Südfront entstanden ein bis zum zweiten Stock reichender Treppenturm und ein Balkon. Auch die Nord- und die Westfassade wurden mit neuen Balkonen ausgestattet. Im Innenhof wurde auf Eisenkonsolen ein hölzerner, verglaster Umgang auf Höhe des zweiten Stockwerks angebracht, von dem aus Türen direkt in die Zimmer führten. 1880 wurde das Schloss wieder in ein Museum umgewandelt und die Sammlungen wurden durch die Kustoden des Kunsthistorischen Museums in Wien, Albert Ilg und Wendelin Boeheim, neu aufgestellt. Zwei Gebäude, die irreparable Schäden aufwiesen, wurden abgetragen und der Spanische Saal wurde einer umfassenden Restaurierung zugeführt. 1913 wurde das Schloss zur Sommerresidenz für den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand bestimmt. Zugleich mit den notwendigen Adaptierungsarbeiten sollte erneut der Bauzustand des 16. Jahrhunderts hergestellt werden und die neugotischen Zubauten unter Erzherzog Karl Ludwig sollten wieder entfernt werden. Die angedachte Verwendung als Sommerresidenz erlebte nie ihre Verwirklichung, da nach dem Tod des Thronfolgers im Jahre 1914 die Arbeiten eingestellt wurden. 1919 ging das Schloss als ehemaliger kaiserlicher Besitz in den der Republik Österreich über. 1922 erfolgten die ersten Maßnahmen einer Wiederherstellung und ab 1936 diente das Hochschloss wieder Museumszwecken. Nach einer abermaligen Evakuierung der Sammlungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Verwaltung zunächst durch die Schlosshauptmannschaft und ab 1950 durch das Kunsthistorische Museum übernommen. In den 70er und 80er Jahren wurden der Spanische Saal und die Wohnräume des Hochschlosses, in den späten 80er und frühen 90er Jahren wurden die Malereien des Innenhofes des Hochschlosses einer tiefgreifenden Restaurierung unterzogen. 1976 wurde die Porträtgalerie installiert. Als neue Dauerausstellungen konnten 2012 Die Post ist da! Postmeisterporträts der Taxis-Bordogna und 2013 Die Glassammlung Strasser eingerichtet werden. Der Bauherr und Sammler Erzherzog Ferdinand II. Erzherzog Ferdinand II. kam am 14. Juni 1529 als Sohn Ferdinands I. (1503–1564) und der Anna Jagiello (1503–1547) in Linz zur Welt. Die Jahre 1533 bis 1543 verbrachten er und seine Geschwister in Innsbruck, danach dienten Prag und Wien als Aufenthaltsorte der Familie. Erzherzog Ferdinand wurde als 18-Jähriger 1547 Statthalter des Königreiches Böhmen. 1556 nahm Ferdinand an einer militärischen Expedition im Königreich Ungarn gegen die Osmanen teil. Für Ferdinand selbst stellte sie – obwohl ohne entscheidende Bedeutung in der großen Auseinandersetzung mit den Osmanen – eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens dar, weshalb er 1557 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen wurde. In Prag veranstaltete er repräsentative höfische Feste, so inszenierte er u. a. 1558 den Einzug seines Vaters Ferdinand I. nach dessen Kaiserkrönung in Frankfurt. Erzherzog Ferdinand leitete Bauarbeiten am Schloss in Prag und entwarf eigenhändig das Lustschloss Stern. Nach dem Tod Kaiser Ferdinands I. 1564 erhielt Erzherzog Ferdinand die Grafschaft Tirol und die österreichischen Vorlande. Schloss Ambras wurde ausgebaut und diente als Wohnort seiner ersten, nicht standesgemäßen Frau Philippine Welser (1527– 1580) aus Augsburg, der er es zum Geschenk machte. Die Ehe musste geheim gehalten werden; die Söhne Andreas (geb. 1558) und Karl (geb. 1560) waren lediglich im Falle des Aussterbens des Hauses Österreich im Mannesstamm nachfolgeberechtigt. Nach der Erhebung von Philippines Vater Franz Welser in den Freiherrnstand konnte Philippine den Titel „geborene Freiin 44 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum von Zinnenburg“ führen. Im Zusammenhang mit der Ernennung des älteren Sohnes Andreas zum Kardinal im Jahre 1576 bestätigte der Papst die Ehe und entband die Ehegatten von dem Gelübde der Geheimhaltung. Karl erhielt die Markgrafschaft Burgau. Nach dem Tod Philippine Welsers traten die Söhne Andreas und Karl Ambras gegen die Herrschaft Irmezhofen an ihren Vater ab. 1582 heiratete der Fürst nun standesgemäß seine 16-jährige Nichte Anna Caterina Gonzaga von Mantua. Sie gebar drei Töchter und nicht den erhofften sukzessionsfähigen männlichen Erben. Am 24. Januar 1595 starb Erzherzog Ferdinand II. und wurde in der von ihm errichteten Silbernen Kapelle in der Innsbrucker Hofkirche beigesetzt. Die Habsburger Porträtgalerie Schloss Ambras ist wie kein anderer Ort für die Unterbringung der „Habsburger Porträtgalerie“ geeignet, legte doch Erzherzog Ferdinand II. neben seiner berühmten Kunst- und Wunderkammer und den Rüstkammern auch eine umfangreiche Porträtsammlung an. Teil dieser Sammlung waren Porträts berühmter Persönlichkeiten, die durch ihre Leistungen oder durch ihre Herkunft eine besondere Rolle in der Geschichte gespielt haben. Darüber hinaus hat sich auch in anderen Habsburger Residenzen wie Graz und Wien sowie in den kaiserlichen Schlössern eine große Anzahl von dynastischen Bildern erhalten, von denen eine bedeutende Auswahl heute ebenfalls in Ambras gezeigt wird. Die Habsburger Porträtgalerie umfasst die Zeitspanne vom 14. bis 18. Jahrhundert, eine Zeit also, in der die Habsburger wie kaum eine andere europäische Herrscherdynastie die Geschicke Europas mitbestimmt haben und mit den wichtigsten Herrscherhäusern verwandt oder verschwägert waren. So findet man hier nicht nur Porträts der Habsburger wie Kaiser Maximilian I., Kaiser Karl V., König Philipp II. von Spanien und der jungen Maria Theresia, sondern auch von Mitgliedern anderer Herrschergeschlechter etwa Königin Elisabeth I. von England, der Wittelsbacher, Medici, Valois, u.a.m. Der Rundgang durch die Galerie gestaltet sich als eine Reise durch die europäische Geschichte. Die Porträts spiegeln jedoch nicht nur die Heirats- und Bündnispolitik der Herrscherhäuser wieder, sondern auch die Kunst- und Kulturgeschichte der Epoche ihrer Entstehung. Eine weitere Besonderheit sind die vielen Kinderporträts, etwa das Peter Paul Rubens zugeschriebene Bild der dreijährigen Eleonora Gonzaga. Berühmte Maler standen im Dienst der Herrscherfamilien; so sieht man in Ambras Meisterwerke von Lucas Cranach d. J., Giuseppe Arcimboldo, Jakob Seisenegger, Hans von Aachen, Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Diego Velázquez und anderen. In ihrem Umfang von rund 200 Bildern und ihrer künstlerischen Qualität ist die Habsburger Porträtgalerie in Schloss Ambras der National Portrait Gallery in London oder der historischen Porträtsammlung in Schloss Versailles ebenbürtig. 45 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Geschichte der Porträtgalerie Schon Erzherzog Ferdinand II. legte als Landesfürst von Tirol eine umfangreiche Porträtkollektion an. Nach dem Vorbild des Humanisten Paolo Giovio in Como sammelte er ab 1576 Bildnisse in Miniaturformat, von Familienmitgliedern, Angehörigen deutscher und anderer Fürstenhöfe, von Päpsten, Feldherren sowie berühmten Männern und Frauen aus Vergangenheit und Gegenwart. Diese Sammlung, die den beachtlichen Umfang von rund 1.000 Porträts erreichte, ist heute im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums in Wien ausgestellt. Fast 200 Jahre nach Ferdinands Tod 1595, im Jahr 1781, kam erstmals die Idee einer separaten Habsburger Porträtgalerie auf. Schließlich wurde dann 1976 in Schloss Ambras die – zunächst als temporäre Präsentation geplante – „Porträtgalerie zur Geschichte Österreichs von 1400 bis 1800“ eröffnet. Seither werden im Hochschloss dauerhaft etwa 250 Bildnisse gezeigt, die aus den kaiserlichen Sammlungen stammen bzw. ehemals zur Ausstattung der habsburgischen Schlösser dienten. Anders als die historisch-universale Bildnissammlung Ferdinands II. ist die heutige Porträtgalerie vorrangig nach dynastisch-genealogischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Neben den namhaften Repräsentanten aus dem Hause Österreich, das mit seinen Kaisern jahrhundertelang die Geschicke Europas bestimmte, sind auch dessen weitverzweigte Familienverbindungen dokumentiert. Darüber hinaus eröffnet die Galerie einen facettenreichen Einblick in die Kunst des höfischen Porträts, das sich als eigenständige Bildgattung im Umfeld der Fürstenhöfe entwickelte und sich in der alpenländischen und süddeutschen Kunst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als feste Bildnisform etablierte. Während bürgerliche Privatpersonen Porträts von sich in erster Linie in Auftrag gaben, um die eigene Erscheinung für die Nachwelt zu überliefern, hatte das höfische Bildnis zusätzlich zumeist repräsentative Funktion; es sollte ein Idealbild des Regenten zeigen, das seine erhabene Stellung, seine Würde und sein Selbstbewusstsein widerspiegelte. Mit dem zunehmenden herrscherlichen Repräsentationsbedürfnis entwickelte sich eine immer besser organisierte Hof kunst und es entstand der neue Künstlerstand des Hofmalers. Die Habsburger beriefen einige der angesehensten Maler der Zeit in ihre Dienste, unter ihnen Jakob Seisenegger, Giuseppe Arcimboldo, Hans von Aachen, Giovanni Pietro de Pomis, Alonso Sánchez Coëllo, Bartholomäus Spranger, Francesco Terzio, Juan Pantoja de la Cruz, Joseph Heintz d. Ä., Frans Luyckx, Guido Cagnacci und Diego Velázquez. Die A mbraser Porträtgalerie zeigt Mitglieder der Familie Habsburg aus der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert; diese verdeutlichen zugleich die Geschichte der Entwicklung des Habsburgerreiches zur europäischen Großmacht. Die Gemälde sind in drei Stockwerken des Hochschlosses ausgestellt; der Rundgang beginnt mit den ältesten Porträts im dritten Obergeschoss und endet mit den jüngsten Bildnissen im ersten Obergeschoss. In einem Teil der Räume des zweiten Stockwerks gibt die Ausstattung mit Fresken (Darstellungen von Tieren, Pf lanzen, Früchten, ein Fries mit Kampfszenen etc.) zu erkennen, dass diese Räume ursprünglich Erzherzog Ferdinand II. und seiner Familie vorbehalten waren. 15. und 16. Jahrhundert (drittes Obergeschoss) Nach dem Aussterben der Babenberger war das Herzogtum Österreich in den Besitz der Habsburger gelangt; 1453 wurde es zum Erzherzogtum erhoben. Vor allem unter Maximilian I. (1459 –1519, Kaiser ab 1508) gelang eine enorme Ausweitung der habsburgischen Territorien: Durch seine Ehe mit Maria von Burgund 1477 sicherte er seinen Nachkommen das Erbe dieses reichen Landes, durch die Hochzeiten seiner Kinder Philipp der Schöne und Margarethe gewannen die Habsburger den spanischen Thron und durch die Verheiratung von zweien seiner Enkel in der „Wiener Doppelhochzeit“ 1515 gelangte sein Haus an die Königskronen von Ungarn und Böhmen. Mit großem 46 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Geschick begründete Maximilian I. so die Vormachtstellung der Habsburger, die in den kommenden Jahrhunderten andauern sollte. Karl V. (1500–1558, Kaiser ab 1530), der seinem Großvater auf dem Kaiserthron nachfolgte, war der eigentliche Gewinner dieser Politik. Unter Karls Regentschaft erreichten die habsburgischen Besitzungen ihre größte Dimension: Der Kaiser herrschte über weite Teile Europas und durch seine Kolonien in Übersee hatte er eine Universalmonarchie errichtet, ein Reich, „in dem die Sonne nicht unterging“. 1526 heiratete Karl Isabella, Infantin von Portugal. Bereits 1521/22 hatte er seinem Bruder Ferdinand (1503–1564, Kaiser ab 1558) die österreichischen Erblande überlassen und ihn zu seinem Stellvertreter während seiner Abwesenheit im Reich ernannt. Ferdinand I. hatte somit das Erzherzogtum Österreich, die innerösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten, Krain etc.) sowie Tirol und die Vorlande erhalten; er war ab 1526/27 König von Ungarn und Böhmen und wurde schon 1531 zum römisch-deutschen König gewählt. Mit seiner Frau Anna Jagiello, der Erbin von Ungarn und Böhmen, hatte er 15 Kinder, darunter Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595), ab 1564 Landesfürst von Tirol und Herr von Schloss Ambras. Während Karls Nachkommen die spanische Linie der Habsburger fortsetzten, fielen die Erblande und die Kaiserwürde der von Ferdinand begründeten Linie zu. 16. und 17. Jahrhundert (zweites Obergeschoss) Philipp II. (1527–1598) erbte von seinem Vater Karl V. nicht nur den spanischen Königsthron, sondern auch die Niederlande, Burgund und die Gebiete in Italien. Aus seinen vier Ehen gingen acht Kinder hervor, darunter sein Nachfolger als König von Spanien und Portugal, Philipp III. (1578– 1621), der mit Erzherzogin Margarethe von Österreich verheiratet war. Die österreichische Linie der Habsburger setzte Kaiser Maximilian II. (1527–1576, Kaiser ab 1564) fort, ein Sohn Ferdinands I. Während seiner Regentschaft begannen die Hochzeiten der Habsburger untereinander; die enge Vernetzung der österreichischen und spanischen Linie diente auch einer Stärkung des Reiches gegenüber Frankreich und den Osmanen. Allein sieben der insgesamt 15 Nachkommen von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich heirateten in die Fürstenhäuser von Spanien, Polen, der Toskana, von Bayern, Mantua und Siebenbürgen ein. Rudolf II. (1552–1612, Kaiser ab 1576), der den Hof nach Prag verlegte, erwies sich als besonderer Förderer von Kunst und Wissenschaft; unter ihm erfuhren die österreichischen Kunstsammlungen einen bedeutenden Ausbau. Sein Bruder Matthias (1557–1619, Kaiser ab 1612) residierte wieder in Wien. Matthias’ fromme Frau Anna ließ das Wiener Kapuzinerkloster erbauen, wo fast alle österreichischen Habsburger ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Mit Ferdinand II. (1578–1637, Kaiser ab 1619) gelangte ein weiterer Enkel Ferdinands I. auf den Thron. Streng katholisch erzogen, tat sich Ferdinand II. als rigoroser Verfechter der Gegenreformation hervor. Mit Hilfe seines Vetters Maximilian I. von Bayern, des Führers der Katholischen Liga, schlug er den Aufstand der Protestanten in Böhmen nieder, der mit dem „Prager Fenstersturz“ 1618 den Dreißigjährigen Krieg eingeleitet hatte. Nach den böhmisch-pfälzischen und den niedersächsisch-dänischen Auseinandersetzungen erreichte der Krieg schließlich mit dem Eingreifen Schwedens und Frankreichs auf Seiten der Protestanten seine verheerendsten Ausmaße. Die ab 1644 von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657, Kaiser ab 1637) angestrebten Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück gelangten erst 1648 zu einem erfolgreichen Abschluss. 47 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum 17. und 18. Jahrhundert (erstes Obergeschoss) Aus den drei Ehen Ferdinands III. gingen elf Kinder hervor, von denen viele in den europäischen Hochadel einheirateten. Erzherzog Leopold Wilhelm, der jüngere Bruder Ferdinands III., tat sich als Statthalter der spanischen Niederlande besonders durch ein außergewöhnliches Mäzenatentum hervor; seine Sammlungen bilden den Grundstock der Wiener Gemäldegalerie. Unter Kaiser Leopold I. (1640 –1705, Kaiser ab 1658), während dessen absolutistischer Regentschaft es zu einem letzten Höhepunkt der Gegenreformation kam, keimte der französisch-habsburgische Konflikt wieder auf. Zudem verteidigte Leopold I. Wien 1683 erfolgreich gegen die erneute Belagerung durch die Osmanen. 1701 eröffnete er im Streit um die Thronfolge des letzten spanischen Habsburgers den „Spanischen Erbfolgekrieg“ gegen Frankreich, der von seinem Sohn Joseph I. (1678–1711, Kaiser ab 1705) fortgesetzt wurde. Schließlich wurde jedoch Philipp von Anjou aus dem Hause Bourbon spanischer König und der zuvor proklamierte jüngere Sohn Leopolds I., Karl VI. (1685–1740, Kaiser ab 1711), musste auf die spanische Krone verzichten. Maria Theresia (1717–1780), Tochter Karls VI., heiratete Franz Stephan von Lothringen, dessen Kaiserkrönung sie 1745 durchsetzte. Die stark am Katholizismus orientierte Herrscherin, die trotz aller barocken Traditionen politisch eine Vielzahl von Reformen einleitete, gilt als prägende Gestalt eines aufgeklärten Absolutismus. Die Tiroler Linie der Habsburger erlosch mit den Erzherzögen Ferdinand Karl (1628–1662) und Sigismund Franz (1630– 1665), den beiden Söhnen Leopolds V. Ausgesuchte Meisterwerke Diptychon: König Philipp I. der Schöne (1478-1506) als Sechzehnjähriger und Margarethe, die Schwester König Philipps I. des Schönen, im 14. Lebensjahr | Meister der St. Georgsgilde | um 1494 | Inv. Nr.: GG_4446 und GG_4447 Kaiser Karl V. (1500-1558) im Harnisch, Bildnis in halber Figur | Tiziano Vecellio, gen. Tizian | Mitte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: GG_8060 Als Vorlage für dieses Gemäldes diente das im Original verlorene Portrait, das Tizian nach der Schlacht bei Mühlberg in Augsburg anfertigte und das in zahlreichen Kopien, darunter Bildnisse von Juan Pantoja de la Cruz und Rubens, überliefert ist. Im Vergleich mit einigen anderen Ausführungen gibt dieses Gemälde das Original Tizians genauer wieder. Der Reiterharnisch, den Karl V. auf dem Bildnis trägt, ist vermutlich eine Arbeit des Desiderius Helmschmid aus Augsburg von 1547/48, nicht jedoch der Harnisch der Schlacht von Mühlberg, den einige andere Kopien zeigen. Karl V. wurde im Jahr 1500 in Gent als ältester Sohn Philipps des Schönen und Juanas von Kastilien geboren. Infolge des Todes seines Vaters und der Krankheit seiner Mutter wurde er unter Aufsicht seiner Tante Margarete in den Niederlanden erzogen und bereits 1515 für volljährig erklärt. Nach dem Tod seines Großvaters mütterlicherseits, Ferdinand von Aragon, wurde er 1516 König von Spanien; von seinem Großvater väterlicherseits, Maximilians I., erbte er 1519 die österreichischen Länder und die Niederlande. Durch eine Erbteilung mit seinem 48 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Bruder Ferdinand I. kam es zu einer spanischen und österreichischen Linie der Habsburger. 1530 wurde Karl V. in Bologna zum Kaiser gekrönt. Seine Regierungszeit ist von unablässigen kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich, den europäischen Nationalstaaten und den protestantischen deutschen Reichsfürsten erfüllt. 1547 gelang dem Kaiser in der Schlacht bei Mühlberg ein Sieg über die protestantischen Reichsfürsten. 1556 legte der Kaiser seine Würden nieder und zog sich nach San Jeronimo de Yuste zurück, wo er 1558 starb. Erzherzogin Anna (1528-1590), Tochter von Ferdinand I., Bildnis in ganzer Figur | Jakob Seisenegger | um 1545 | Inv. Nr.: GG_3236 Die Erzherzogin trägt ein Kleid, das der deutschen Renaissancemode entspricht, die erst nach der Jahrhundertmitte von der spanischen verdrängt wurde. Das Erscheinungsbild der Dargestellten ist vor allem durch den reichen Fall des Kleides, die weiten, bauschigen Ärmel und den gefältelten Rock bestimmt. Die eng anliegende Frisur wird von einem Haarnetz bedeckt; darauf sitzt ein flaches Barett. Erzherzogin Anna wurde 1528 in Prag als Tochter König Ferdinands I. und seiner Gemahlin Anna von Ungarn geboren. 1544 wurde sie mit Karl, Herzog von Orléans, verlobt, 1546 mit Herzog Albrecht V. von Bayern vermählt. Eines dieser beiden Ereignisse könnte der Anlaß für die Entstehung dieses Bildnisses gewesen sein. Das Bild stammt von Jakob Seisenegger, der ab 1531 Hofmaler Ferdinands I. war und zahlreiche Portraits der Familienmitglieder gemalt hat. Maximilian II. (1527-1576) und seine Gemahlin Maria von Spanien (1528-1603) und seine Kinder Anna (1549-1580), Rudolf (15521612) und Ernst (1553-1595) | Giuseppe Arcimboldo | um 1563 nach einer Vorlage von 1553/54 | Inv. Nr.: GG_3448 Schloss Ambras, weithin sichtbar oberhalb von Innsbruck gelegen, zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Landeshauptstadt. Seine kulturhistorische Bedeutung ist untrennbar mit der Persönlichkeit Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595) verbunden, der als echter Renaissancefürst die Künste und Wissenschaften förderte. Er begründete die prachtvollen Ambraser Sammlungen, zu deren Unterbringung er im Bereich des Unterschlosses eine nach modernsten Kriterien konzipierte Museumsanlage errichten ließ. In der heutigen Ausstellung wird versucht, des Erzherzogs Kunst- und Wunderkammer, seine Heldenrüstkammer und Rüstkammern sowie sein Antiquarium zu rekonstruieren. Im Hochschloss befanden sich zu Ferdinands Zeiten die Wohnräume. Heute ist dort auf drei Stockwerke verteilt die Habsburger Portraitgalerie mit Bildnissen von Albrecht III. (1349-1395) bis Kaiser Franz I. (17681835) zu sehen. Ausgestellt sind mehr als 200 Bildnisse, unter ihnen wertvollste Arbeiten bekannter Künstler wie Lukas Cranach, Anton Mor, Tizian, van Dyck und Diego Velásquez. Im Erdgeschoß des Hochschlosses ist die Sammlung spätmittelalterlicher Bildwerke untergebracht, deren Prunkstück der Georgsaltar Kaiser Maximilians I. ist. 49 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum König Philipp II. von Spanien (1527-1598), Brustbild in spanischer Hoftracht mit dem Orden vom Goldenen Vlies | Alonso Sánchez Coello | um 1568 | Inv. Nr.: GG_9375 Alonso Sánchez Coello, ein Schüler Anthonis Mors, war zuerst Hofmaler Johanns III. von Portugal, dann Philipps II. von Spanien. Dieses Brustbild des Königs ist die Variante eines ebenfalls dem Sánchez zugeschriebenen Portraits im Prado in Madrid, auf dem auch noch die Hände des Dargestellten zu sehen sind. Philipp II. trägt die spanische Hoftracht mit dem Orden vom Goldenen Vlies, dem Zeichen des gleichnamigen Ritterordens, den die Habsburger von den Burgundern übernommen hatten. Philipp II., "El Prudente" (= der Weise) genannt, wurde 1527 als Sohn Kaiser Karls V. und der Isabella von Portugal geboren. 1556 wurde er König von Spanien. Seine Regierung brachte Spaniens Vormachtstellung innerhalb der europäischen Staaten. Philipp II. erlitt auch einige große Niederlagen: 1579/81 gingen die nördlichen Provinzen der Niederlande verloren, und 1588 wurde die spanische Armada von England besiegt. Dem stand die Erwerbung Portugals und seines großen Kolonialreiches gegenüber. Der größte Sieg des Jahrhunderts war jedoch die Vernichtung der türkischen Flotte in der Schlacht von Lepanto 1571 unter der Führung von Don Juan deAustria, eines Halbbruders König Philipps. Dessen vier Eheschließungen mit Maria von Portugal, Maria Tudor, Isabella von Valois und Erzherzogin Anna entsprachen politischen Zielen. Die Gewissenhaftigkeit und die unbedingte Selbstbeherrschung Philipps II. waren ebenso bewundert wie gefürchtet. Infantin Anna (1601-1666), Königin von Frankreich, Bildnis in ganzer Figur mit einem Löwenäffchen | Juan Pantoja de la Cruz | 1604 datiert | Inv. Nr.: GG_3421 Eleonore von Gonzaga (1598-1655), Kaiserin, im Alter von zwei Jahren, Kniestück | Peter Paul Rubens | um 1600/1601 | Inv. Nr.: GG_3339 Im Inventar Erzherzog Leopold Wilhelms aus dem Jahr 1659 wird das Bild als Werk des Peter Paul Rubens bezeichnet. Es müßte sich demnach um eines der ersten Werke handeln, die der Künstler für den mantuanischen Hof gemalt hat, auch wenn Unterschiede zu der einige Jahre später entstandenen Malerei des Meisters feststellbar sind. Peter Paul Rubens befand sich zunächst im Dienst des Herzogs Vincenzo Gonzaga in Mantua, bevor er Hofmaler der Regenten der Niederlande wurde. Die im Alter von etwa 3 Jahren dargestellte Eleonore Gonzaga wurde 1598 als Tochter des Herzogs Vincenzo I. von Mantua und der Eleonore de Medici geboren. Auf dem Bildnis ist die kleine Prinzessin mit einem roten Überkleid ausgestattet, das durch aufgenähte Borten wie vorne verschnürt wirkt. Außer einer reichen Agraffe im Haar und einer langen Kette trägt sie auf dem Ärmel des Kleides ein großes Schmuckstück mit einer emaillierten Meerkatze. Es könnte sich vielleicht um jenes Stück handeln, das in ihrem zahlreiche kostbare Schmuckstücke verzeichnenden Inventar aus dem Jahr 1644 als "1 Aff mit einer Sackpfeiffen mit Demant und Rubin" genannt wird. 1622 wurde die wegen ihrer besonderen Schönheit berühmte Prinzessin mit Kaiser Ferdinand II. als dessen zweite Gemahlin vermählt. Sie stiftete sowohl in Graz als auch in Wien Klöster der Karmelitinnen. 50 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Anna de' Medici (1616-1676), Erzherzogin, mit einem Schoßhündchen, Dreiviertelporträt | Justus Sustermans | um 1630 | Inv. Nr.: GG_803 Vittoria della Rovere (1622-1694) im Alter von vier bis fünf Jahren | Lorenzo Lippi | um 1626/1628 | Inv. Nr.: GG_4518 Erzherzog Karl Joseph (1649-1664) mit Eichhörnchen, im Alter von vier bis fünf Jahren | Cornelis Sustermans | um 1653/1654 | Inv. Nr.: GG_3188 Das Bild ist das einzige mit voller Signatur überlieferte Hofportrait von Cornelis Sustermans, dem jüngeren Bruder des bekannteren Justus. Cornelis war im Atelier seines Bruders ausgebildet worden und seit 1623 in Wien für den kaiserlichen Hof tätig. Das Bildnis zeigt den Erzherzog in ganzer Figur im Alter von vier bis fünf Jahren und mit einem Eichhörnchen. Auffallend ist seine eigenartige Kleidung, die in Paris angeblich als kindliche Kleidung des jungen Ludwig XIV. ausgebildet worden ist. Die weiten Stiefel haben spitzengefüllte Trichter, die kurze, "rhingrave" genannte Hose sitzt tief auf den Hüften, das kurze, offene Jäckchen reicht kaum bis zur Taille, und darunter quillt ein Hemd mit bauschigen Hemdärmeln hervor. Eine Überfülle von Spitzen, Bandschlaufen und Bandrosetten schmückt das Gewand. Nicht minder dekorativ wirkt der große, hohe Hut mit seiner Schleife und den wallenden Federn. Karl Joseph kam 1649 als einziger Sohn Kaiser Ferdinands III. und dessen zweiter Gemahlin Maria Leopoldine auf die Welt. Er wurde für den geistlichen Stand bestimmt und trat bereits als 13-jähriger die Nachfolge Erzherzog Leopold Wilhelms als Bischof von Passau an. Dieser hatte an Karl Joseph kurz vor seinem Tod auch die Würde des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens abgetreten und ihn zum Erben seines gesamten Besitzes mit Ausnahme der Kunstsammlung eingesetzt. Karl Joseph starb jedoch bereits im Jahre 1664. 51 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Die Glassammlung Strasser Die Sammlung Strasser ist eine der weltweit bedeutendsten Glassammlungen. Sie wurde in mehr als 50-jähriger Sammeltätigkeit von Prof. Rudolf Strasser angelegt und umfasst insgesamt über 300 kostbare Gläser aus dem Zeitraum von der Renaissance bis zum Klassizismus, die in den wichtigsten europäischen Glaserzeugungsgebieten produziert wurden. Der Sammler wurde 1919 als Rudolf Strasser von Györvár in Pressburg (Bratislava) geboren und wuchs im elterlichen Barockschloss Majorháza auf. Hier waren es, um einen Ausdruck Strassers zu verwenden, „lachende“ Biedermeiergläser, die durch Licht und Farbe seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Rudolf Strasser begann seine Sammeltätigkeit im New York der späten 1950er Jahre. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Corning Museum of Glass im Staat New York ergab Impulse für Studien und Publikationen. Sein besonderes Interesse lag bald auf der historischen Aussage der Gläser. Gerade Erzherzog Ferdinand II., Herr von Ambras und Gründer der musealen Sammlungen in diesem Schloss, prägte mit seiner Vorliebe für die Glaskunst und seiner eigenen Sammellust das Kunstverständnis Strassers. Als Sammler italienischer Kunst der Renaissance ließ sich Ferdinand II. über Händler und Diplomaten venezianisches Glas liefern, dessen klarer Glanz die Reinheit des Bergkristalls kunstvoll nachahmte und das deshalb auch als cristallo bezeichnet wurde; auf diese Weise wurden die genannten Erzeugnisse zu begehrten Kostbarkeiten. Zu den frühesten Dekoren venezianischen Glases gehört der auch als Diamantgravur bezeichnete Diamantriss. Dabei werden durch einen über die kalte Oberfläche des Glases gezogenen Stift mit Diamantspitze Ornamente oder Beschriftungen eingraviert. Die Herstellung von farbigem Glas durch Beimischung von Metalloxiden wurde ebenfalls in venezianischen Hütten des 15. Jahrhunderts perfektioniert und in der Folge auch im Norden aufgenommen. Durch die Kaltmalerei und besonders durch die Entwicklung der Emailmalerei kamen weitere Ausdrucksmöglichkeiten in Hinblick auf die Farbigkeit hinzu. Gerade nördlich der Alpen erlebten diese Techniken ihre charakteristische Blüte. Narrativ vorgetragene weltlich-politische oder religiöse Bildthemen sowie heraldische Motive oder an der Hafnerkunst orientierte Ornamente schmücken zahlreiche Gläser aus dem 16. und vor allem dem 17. Jahrhundert. Die opaken Dekore wurden zu jener Zeit zunehmend dichter und überziehen die Gefäße oft zur Gänze. Im 17. Jahrhundert gelang in der Stadt Nürnberg, die sich in geografischer Nähe zu wichtigen Glaszentren befand, bedeutenden Künstlern die Entwicklung eigenständiger Glasveredelungstechniken und -stile. Zwar hatte der Dreißigjährige Krieg (1618 –1648) dem Nürnberger Umland stark zugesetzt, doch brachte gerade das in der Stadt abgehaltene Friedensmahl von 1649 einen Aufschwung und neues Selbstverständnis. Der Glasschnitt des Barock und die Eigenart des böhmischen Hausmalers Ignaz Preissler, aber auch die Anmut diamantpunktierter Gläser der Niederlande des späten 18. Jahrhunderts sind Bereiche der Glasveredelung, die Rudolf Strasser in besonderem Maße interessierten. Eine Besonderheit der Sammlung Strasser stellen ferner die sog. Goldrubingläser dar: Die tiefrote Farbpracht des Goldrubinglases wurde im 17. und 18. Jahrhundert durch Montierungen aus Gold und Silber sowie mit Gold- und Schnittdekoren auf kostbare Art gesteigert. Gold ist auch Bestandteil des Glases selbst, dessen Schein demjenigen von Rubinen gleicht. Diesem feurigen Edelstein wurden seit jeher stärkende Kräfte nachgesagt. Rot wurde zudem mit Macht und Privilegien assoziiert. In der Alchemie hoffte man, über die Experimente mit dem Goldrubinglas den „Stein der Weisen“ zu erlangen, jene Substanz, die unedle Metalle in Gold oder Silber verwandeln sollte. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich kam die Sammlung Strasser 2004 in den Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien; 2013 wurden 70 Objekte der Wiener Kunstkammer zugeordnet. Der weitaus größere Teil der Gläser fand im selben Jahr seine endgültige Heimat in Schloss Ambras. 52 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Die Post ist da! Postmeister- Porträts der Taxis-Bordogna Schloss Ambras Innsbruck verdankt Carlos Tasso de Saxe- Coburgo e Bragança eine großzügige Schenkung von zehn Postmeisterporträts aus dem Hause Taxis-Bordogna, die in der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert entstanden sind. Die Präsentation dieser Porträts wird durch kulturhistorisch relevante Leihgaben aus dem Familien- und Postarchiv der Freiherren und Grafen von TaxisBordogna (heute Tiroler Landesarchiv) sowie durch solche aus dem Musikinstrumentenmuseum Schloss Kremsegg (Kremsmünster) bereichert. Zusammen mit Objekten aus den Sammlungen des Kunsthistorischen Museums Wien machen sie die Entwicklung und Geschichte des historischen Postund Transportwesens in Tirol für den Besucher anschaulich erlebbar. Der Name Taxis ist untrennbar mit der Geschichte des Post-, Transport- und Kommunikationswesens verbunden, im 18. Jahrhundert galt die Familie sogar als die „Erfinderin der Post“. Die aus Bergamo stammenden Taxis verstanden es zunächst, als Kuriere und Boten in Diensten der Päpste und der Republik Venedig ein neuartiges, effizientes Transportnetz zu etablieren. Aus der weiten Verzweigung der Familie ergab sich die Möglichkeit zum Aufbau eines europaweit tätigen Unternehmens. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die durch Heirat entstandene Seitenlinie der Bordogna von Taxis (nicht zu verwechseln mit den Thurn und Taxis, Regensburg, und den Thurn-Valsassina Taxis, Innsbruck) ihren Firmensitz in Brixen, Bozen und Trient. Aufgrund ihres wirtschaftlichen und organisatorischen Geschicks waren die Angehörigen der Familie eng mit dem Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II., dem Begründer der Ambraser Sammlungen, verbunden und nahmen auch aktiv am Innsbrucker Hofleben des Renaissancefürsten teil. 53 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum Quelle Schloss Ambras Innsbruck. Wien 2013. Herausgegeben von Sabine Haag. Kunsthistorisches Museum Wien. Texte: Annette Kranz, Thomas Kuster, Veronika Sandbichler, Katharina Seidl (ISBN 978-3-99020-053-7) Die Geschichte von Schloss Ambras, die ausgesuchten Meisterwerke, sowie kursiv markierte Absätze wurden der Homepage www.schlossambras-innsbruck.at entnommen. Ausgewählte Literatur Josef Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, 2 Bde., Innsbruck 1885, 1888 Günther Heinz – Karl Schütz, Porträtgalerie zur Geschichte Österreichs von 1400 bis 1800, Wien 1976 Elisabeth Scheicher – Ortwin Gamber – Kurt Wegerer – Alfred Auer, Kunsthistorisches Museum Sammlungen Schloß Ambras. Die Kunstkammer, Innsbruck 1977 Elisabeth Scheicher – Ortwin Gamber – Alfred Auer, Die Rüstkammern auf Schloß Ambras, Wien 1981 Elisabeth Scheicher, Schloß Ambras, in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck: Die Hofbauten, Wien 1986, 509–623 Alfred Auer – Veronika Sandbichler – Karl Schütz – Christian Beaufort-Spontin, Schloß Ambras (Kunstführer Electa/Kunsthistorisches Museum), Mailand 1996 Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Philippine Welser & Anna Caterina Gonzaga. Die Gemahlinnen Erzherzog Ferdinands II., Innsbruck (Schloss Ambras) 1998 Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Alle Wunder dieser Welt. Die kostbarsten Kunstwerke aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595), Innsbruck (Schloss Ambras) 2001 Meisterwerke der Sammlungen Schloss Ambras (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, hg. von Wilfried Seipel, Bd. 9), Wien 2008 Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), Die Post ist da! Postmeisterporträts der Taxis-Bordogna, Innsbruck (Schloss Ambras) 2012 Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), „Das Glück ist ein gläsern Ding …“. Die Glassammlung Strasser, Innsbruck (Schloss Ambras) 2013 54 © Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum