Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck

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Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck
Schloss Ambras Innsbruck zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten
Innsbrucks. Das malerische Renaissanceschloss, die wertvollen
Kunstsammlungen des Habsburger Erzherzogs Ferdinand II und die
prachtvolle Parkanlage sind ein Erlebnis für die ganze Familie.
Der Habsburger Erzherzog Ferdinand II. ließ das Schloss für seine Gemahlin Philippine
errichten und brachte dort seine wertvollen Kunstsammlungen unter.
Sie sehen imposante Prunkrüstungen in der Rüstkammer, geschichtsträchtige Kuriositäten in
der Kunst- und Wunderkammer darunter das älteste Gemälde Draculas, den beeindruckenden
Spanischen Saal, der zu den schönsten Renaissancesälen der Welt zählt sowie die berühmte
Habsburger Porträtgalerie. Das Bad der Philippine Welser gewährt Einblicke in die
»Wellness«-Kultur des 16. Jahrhunderts.
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© Ticketing & Tourismus, Schloss Ambras Innsbruck, Kunsthistorisches Museum
Inhalt
Schloss Ambras Innsbruck ...................................................................................................................... 3
Einleitung ................................................................................................................................................ 3
Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck ...................................................................................... 4
Das Schloss Erzherzog Ferdinands II. ............................................................................................ 4
Philippine Welser ........................................................................................................................... 4
Nach dem Tod Ferdinands II. ......................................................................................................... 5
Sammlungsbestände übersiedeln nach Wien .................................................................................. 5
Ambras im 19. Jahrhundert ............................................................................................................ 5
Ambras im 20. Jahrhundert ............................................................................................................ 6
Das Unterschloss ..................................................................................................................................... 6
Die Rüstkammern ............................................................................................................................... 6
Erste Rüstkammer........................................................................................................................... 6
Zweite Rüstkammer ........................................................................................................................ 7
Dritte Rüstkammer ......................................................................................................................... 8
Ausgesuchte Meisterwerke ............................................................................................................. 9
Die Kunst- und Wunderkammer ....................................................................................................... 16
Kunstkammer................................................................................................................................ 16
Kleine Rüstkammer ...................................................................................................................... 19
Antiquarium .................................................................................................................................. 19
Ausgesuchte Meisterwerke ........................................................................................................... 20
Der Spanische Saal ................................................................................................................................ 38
Der Spanische Saal und das Kaiserzimmer .................................................................................. 38
Kaiserzimmer................................................................................................................................ 38
Der Schlosspark..................................................................................................................................... 39
Bacchusgrotte .................................................................................................................................... 39
Arzneimittelgarten ............................................................................................................................ 39
Das Hochschloss ................................................................................................................................... 40
Innenhof ............................................................................................................................................ 40
Das Bad der Philippine Welser ......................................................................................................... 41
Die St. Nikolaus-Kapelle .................................................................................................................. 41
Sammlung Gotischer Skulpturen ...................................................................................................... 42
Ausstellung zur Schlossgeschichte ................................................................................................... 43
Der Bauherr und Sammler Erzherzog Ferdinand II. ..................................................................... 44
Die Habsburger Porträtgalerie .......................................................................................................... 45
Geschichte der Porträtgalerie........................................................................................................ 46
15. und 16. Jahrhundert (drittes Obergeschoss)............................................................................ 46
16. und 17. Jahrhundert (zweites Obergeschoss).......................................................................... 47
17. und 18. Jahrhundert (erstes Obergeschoss) ............................................................................ 48
Ausgesuchte Meisterwerke ........................................................................................................... 48
Die Glassammlung Strasser .............................................................................................................. 52
Die Post ist da! Postmeister- Porträts der Taxis-Bordogna .............................................................. 53
Quelle & Ausgewählte Literatur ........................................................................................................... 54
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Schloss Ambras Innsbruck
Einleitung
Schloss Ambras ist nicht nur wegen seiner Sammlungen und seiner Geschichte, sondern auch als
einzigartiges Renaissance- Ensemble eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Tirol.
In seinen Ursprüngen geht das Schloss auf eine mittelalterliche Burganlage zurück, die als fester Sitz
der Grafen von Andechs 1133 zerstört wurde und schließlich in den Besitz der Tiroler Landesfürsten
überging.
Die Schloss Ambras prägende Zeit beginnt mit dem Habsburger Erzherzog Ferdinand II. (1529 –
1595), der 1564 als Erbe seines Vaters Kaiser Ferdinand I. die Grafschaft Tirol erhielt. Ab 1564 baute
er die Reste der mittelalterlichen Burganlage zu einem Renaissance-Schloss aus, das er seiner nicht
standesgemäßen und daher heimlich angetrauten ersten Frau, der Augsburger Patrizierin Philippine
Welser, schenkte. Während der heute als Hochschloss bezeichnete Bereich der Schlossanlage
Wohnzwecken diente, entstand als Unterschloss ab etwa 1572 ein eigener Gebäudekomplex, der zur
Aufnahme der Sammlungen Erzherzog Ferdinands II. gedacht war: der bereits zur Entstehungszeit
berühmten Rüstkammern sowie der Kunst- und Wunderkammer des Erzherzogs. Die Ambraser
Rüstkammern verwahren u. a. seltene Turnierharnische aus der Zeit Kaiser Maximilians I.,
Prunkrüstungen für höfische Feste und Rüstungen berühmter Feldherren, die Ferdinand als
Memorabilien, also zum Gedächtnis an die herausragenden Taten ihrer Träger, und aufgrund ihrer
künstlerischen Qualität systematisch sammelte. Die Kunst- und Wunderkammer stellt eine
enzyklopädische Sammlung der Renaissance dar, in der Gegenstände aus allen Wissensgebieten das
gesamte Universum veranschaulichen: Zeugnisse der Natur finden hier gleichberechtigt ihren Platz
neben den Leistungen menschlichen Kunstschaffens. Besondere Erwähnung verdient der Spanische
Saal, der zu den schönsten Saalbauten der Renaissance zählt. Er ist mit Porträts der Grafen von Tirol
und mit prächtigen Holzintarsien ausgestattet.
Bemerkenswert sind ferner der Innenhof mit Grisaillemalereien aus der Zeit um 1569 und die original
erhaltene Badestube des 16. Jahrhunderts.
Aus der Entstehungszeit der Schloss- und Gartenanlage ist im „Keuchengarten“ südlich des
Spanischen Saals die in den Fels gehauene Bacchusgrotte erhalten geblieben, in der einst der
Ambraser „Willkumb“ – ein Trinkritual – begangen wurde.
Ein Teil der Sammlungen wurde zwar im Lauf der Jahrhunderte als habsburgischer Besitz in die
kaiserlichen Sammlungen nach Wien transferiert und ist heute im Kunsthistorischen Museum zu
bewundern, doch fanden unzählige Objekte den Weg zurück an ihren Ursprungsort. Wir können
deshalb heute auf Schloss Ambras erneut einen Gutteil der Sammlungen Erzherzog Ferdinands II.
bewundern, die den genius loci geprägt haben.
Im Hochschloss ist seit 1976 die Habsburger Porträtgalerie untergebracht. Als jüngste
Dauerausstellungen sind außerdem jene zur Glassammlung Strasser, zu den Postmeisterporträts der
Taxis- Bordogna sowie zur Schlossgeschichte hinzugekommen.
So ist Schloss Ambras, das vom Kunsthistorischen Museum Wien geführt wird, wegen seiner am
ursprünglichen Bestimmungsort erhalten gebliebenen Sammlungen als ältestes Museum der Welt
gleichermaßen selbst Exponat und ein bis heute weltweit einzigartiges Museum.
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Die Geschichte von Schloss Ambras Innsbruck
Schloss Ambras liegt cirka 100 Meter über dem vom Innfluss geschaffenen Talboden auf einem
Felsen. Bereits aus dem 10. Jahrhundert sind Nachrichten über Ambras überliefert, mit der
Schreibweise „Amras“ oder „Omras“. Lange vor der Stadtverleihung Innsbrucks erreichte es im
Hochmittelalter überregionale Bedeutung als fester Sitz der ursprünglich in Oberbayern begüterten
Grafen aus dem Haus Andechs.
Von der ursprünglichen Burg der Andechser, die 1133 zerstört wurde, ist nichts mehr erhalten. Von
den Andechsern ging die Burg auf dem Erbweg in den Besitz der Tiroler Landesfürsten über. Der
mittelalterliche Bestand lässt sich nur noch an der Bausubstanz des Hochschlosses ablesen.
Das Schloss Erzherzog Ferdinands II.
Das Hochschloss war als Wohnschloss konzipiert. Unterhalb
des Hochschlosses ließ Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595)
einen der künstlerisch bedeutendsten Saalbauten der
Spätrenaissance errichten, der seit dem 19. Jahrhundert
Spanischer Saal genannt wird. Südwestlich vom Hochschloss
veranlasste er den Bau des so genannten Unterschlosses.
Noch vor Beginn der Bauarbeiten hatte Erzherzog Ferdinand
das Schloss samt der dazugehörigen Herrschaft seiner ihm
damals noch geheim angetrauten Frau Philippine Welser
(1527–1580) überschrieben.
Noch zu Lebzeiten Philippine Welsers brachte Ferdinand
seine bereits damals weithin berühmte Sammlung von
Harnischen, Waffen, Portraits und Naturalien, Raritäten und Kostbarkeiten nach Schloss Ambras.
1589 ließ er ein zusätzliches Gebäude westlich des Unterschlosses für die Waffensammlung bauen.
Bild: Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Kniestück in Adlerrüstung
Philippine Welser
Erzherzog Ferdinand war der zweitgeborene Sohn Kaiser
Ferdinands I. und war als Bräutigam für eine französische
und portugiesische Prinzessin im Gespräch, und sogar die
beiden Königinnen Maria Tudor und Maria Stuart galten als
potentielle Heiratskandidatinnen. 1557 ehelichte er jedoch
heimlich Philippine Welser, die Tochter eines reichen
Augsburger Patriziers und Kaufmanns.
Eine solche morganatische Ehe galt zwar nach kirchlichem
Recht für gültig, nach den Rechtsordnungen der meisten
deutschen Städte jedoch als strafbar. Die Ehe musste daher
geheimgehalten werden, und Philippine galt offiziell als
unverheiratet. Erst zwei Jahre später informierte Erzherzog
Ferdinand II. seinen Vater, Kaiser Ferdinand I., über die
heimliche Hochzeit.
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Philippines allzeit und allen entgegengebrachte Hilfsbereitschaft machte sie vor allem in Tirol beliebt
und nicht einmal der Adel scheute sich, seine Bitten der ehemals nicht Standesgemäßen vorzutragen.
Die Anrede in den zahlreichen Bittbriefen ging vom „gnädigen Fräulein“ bis zur „durchlauchtigsten
Fürstin Frau Philippine von Österreich“.
Bild: Philippine Welser
Nach dem Tod Ferdinands II.
Der zweite Sohn von Philippine Welser und Ferdinand II. erbte
1595 das Schloss und seine Sammlungen. Dieser war jedoch
wenig an der kostspieligen Erhaltung von Ambras und der
Sammlung interessiert und verkaufte beides 1606 an Kaiser
Rudolf II. (1552–1612). In der Folgezeit war das Schloss nicht
mehr Residenz und nur selten bewohnt. Durch mangelnde
Konservierungsmaßnahmen kam es zu Verlusten, die in den
handgeschriebenen Inventaren überliefert sind. Vor allem
Bücher, Manuskripte und vermutlich auch Handzeichnungen
fielen Feuchtigkeit und Insektenfraß zum Opfer.
Bild: Kaiser Rudolf II. (1552-1612)
Sammlungsbestände übersiedeln nach Wien
Bereits im 17. Jahrhundert ließ Kaiser Leopold I. (1640–1705) die gefährdeten wertvollsten Bestände
an Büchern, Manuskripten und frühen Druckwerken nach Wien bringen. Sie befinden sich heute in der
Nationalbibliothek. In extreme Gefahr geriet die Sammlung 1805 nach der Niederlage Österreichs
gegen das Kaiserreich Frankreich. Erst als Napoleon I. (1769–1821) den privatrechtlichen Charakter
der Ambraser Sammlung anerkannte, konnte diese 1806 nach Wien in Sicherheit gebracht werden.
Ambras im 19. Jahrhundert
Nach 1855 wurde das Schloss zur Sommerresidenz des Statthalters Erzherzog Karl Ludwig
umgestaltet. Im Zuge dessen kam es zu tiefsten Eingriffe in Schloss und Park. Die auffallendsten
Änderungen erfuhren das Vorschloss durch die Anlage einer efeubegrünten Auffahrtsrampe und der
Park durch eine Umgestaltung in eine englische Parkanlage. Nach dem Verzicht Karl Ludwigs (1833–
96) auf die Statthalterschaft blieb das Schloss in mehr oder weniger ruinösem Zustand. Erst 1880
wurde es wieder in ein Museum umgewandelt und in der Folge saniert.
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Ambras im 20. Jahrhundert
1919 ging Schloss Ambras in den Besitz der Republik Österreich über. 1950 übernimmt das
Kunsthistorische Museum die Verwaltung von Schloss und Sammlungen. In den siebziger Jahren
wurde mit einer umfassenden Restaurierung des Spanischen Saals, der Wohnräume des Hochschlosses
und der Malereien im Innenhof des Hochschlosses begonnen. 1974 wurden die Kunst- und
Wunderkammer, 1980-81 die Rüstkammern im Unterschloss wieder aufgestellt, 1976 die Habsburger
Porträtgalerie des 15. bis 19. Jahrhunderts eingerichtet.
Das Unterschloss
Die Rüstkammern
Erzherzog Ferdinand II. war der erste, der seine Rüstkammern als Sammlung nach einem klaren
Konzept aufbaute. Sein Ziel war es, die historische Rolle der Habsburger hervorzuheben und an die
hervorragenden Taten berühmter Persönlichkeiten zu erinnern. Wie noch niemand vor ihm erwarb er
ganz systematisch Rüstungen, Waffen und Portraits von berühmten Feldherren. Zum ersten Mal in der
Geschichte des Sammelwesens berücksichtigte er bei der Präsentation auch ästhetische
Gesichtspunkte wie Licht. Die Voraussetzung einer solchen Präsentation war die Einbeziehung des
Publikums, zu dessen Freude und Belehrung der fürstliche Sammler alle Aspekte der Repräsentation
seines Hauses entfaltete.
Die Aufstellung entspricht nicht mehr der ursprünglichen, insbesondere was die Menge aber auch die
Raumabfolge anlangt. Sie ist in der Absicht entstanden, die ursprüngliche Zielsetzung anhand von
einzelnen Exponaten aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands anschaulich zu machen.
Der erste Saal thematisiert das Ritterspiel im 15. und 16. Jahrhundert sowie die Heldendarstellung.
Der zweite Saal ist Ferdinands Selbstdarstellung gewidmet, war er doch leidenschaftlicher
Veranstalter von höfischen Festen. Die dritte Rüstkammer enthält im Wesentlichen Gebrauchswaffen
aus dem 17. Jahrhundert aus den Beständen des österreichischen Kaiserhauses. Die Decke des Saales
zeigt auf Öl gemalte Allegorien der Sternbilder umgeben vom Band der Tierkreiszeichen und in den
Zwickeln die vier Elemente.
Erste Rüstkammer
Das ab 1572 erbaute sog. Unterschloss, eine unregelmäßige, vierflügelige, nach einer Seite geöffnete
Anlage, beherbergt neben der Kunstkammer und der Bibliothek auch die sich auf zwei Gebäude
erstreckenden, in mehrere Räume unterteilten Rüstkammern. 1589 erfolgte nach Westen eine
Erweiterung um einen zusätzlichen Trakt zur Unterbringung der sog. Heldenrüstkammer, der jedoch
aus baulichen Gründen in den Jahren 1880/81 wieder abgetragen wurde.
Die Ambraser Rüstkammern unterscheiden sich von denen ihrer Zeit dadurch, dass es sich um eine
gezielt zusammengestellte Sammlung handelt. Sie verdankt ihre Entstehung einer bestimmten Idee,
der zufolge bewusst das interessierte Publikum sowie die ästhetischen Gesichtspunkte eingebunden
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wurden. Erzherzog Ferdinand II. wählte aus den ererbten Beständen seiner Vorfahren Erzherzog
Sigmunds des Münzreichen und Kaiser Maximilians I. Renn- und Stechzeuge, um die
unterschiedlichen Formen des ritterlichen Turnieres zu vermitteln. Die heutige Präsentation stellt einen
Turnierplatz nach und veranschaulicht dabei das sportliche „Rennen“. Der Ablauf des ritterlichen
Zweikampfs wird zudem anhand von Abbildungen aus dem Freydal, dem Turnierbuch Kaiser
Maximilians I., illustriert. Einen wichtigen Bestandteil der ferdinandeischen Sammlung bildete ferner
die sog. Heldenrüstkammer. Ferdinand trug darin unter der Prämisse der memoria, als Zeugnisse der
Geschichte, systematisch Rüstungen, Waffen und Ausrüstungsgegenstände von mehr als 120 Militärs
zusammen. Diese Stücke illustrierten die besonderen Taten der ursprünglichen Besitzer und sollten auf
deren Ruhm und Ehre verweisen. In den hohen Holzschränken, von denen acht aus der Zeit
Ferdinands II. stammen, erinnern heute noch die Rüstungen von Francesco II. Gonzaga, Philipp
Pfalzgraf bei Rhein, Andreas Teufel von Guntersdorf, Ferdinand von Bayern, dem späteren Kaiser
Matthias sowie Erzherzog Maximilian III. an diesen Sammlungsaspekt. Auch Ferdinand II. selbst
reihte sich mit einem leichten Reiterharnisch, der auf seine militärischen Leistungen im ungarischen
Feldzug von 1556 Bezug nimmt, unter die Helden ein. Auf den Kästen sind in Anlehnung an die
Präsentation im 16. Jahrhundert ebenfalls Rüstungsteile positioniert.
Auch die Aufstellung der Rüstung des Riesen Bartlmä Bon sowie diejenige von Kinderharnischen am
Saalende wurden der ursprünglichen musealen Situation nachempfunden. Der einzige biografische
Beleg zu Bon findet sich in seinem Auftritt beim Wiener Turnier von 1560, wo er, als „Wilder Mann“
verkleidet, die Neffen Ferdinands II. auf den Turnierplatz geleitete. Die imposante Rüstung ist auf der
originalen Gliederpuppe samt alter Landsknechtskleidung montiert. Ferdinand II. gab die ausgestellten
Kinderrüstungen für seine Söhne Andreas und Karl aus der nicht standesgemäßen Verbindung mit
Philippine Welser bei den besten Plattnern seiner Zeit in Auftrag. Auf diese Weise sollte der
vermeintliche Makel ihrer Geburt kaschiert und die Söhne sollten durch die eiserne Gewandung in den
elitären Kreis der Ritter integriert werden.
Zweite Rüstkammer
Die zweite Rüstkammer rückt den Ambraser Hausherrn Erzherzog Ferdinand II. als Veranstalter
höfischer Feste und Turniere, der auch als Organisator und als Regisseur verantwortlich zeichnet, in
den Mittelpunkt. Am Beginn der repräsentativen und häufig auch propagandistisch ausgerichteten
Festfolgen stand der feierliche Einzug der Gäste, auf den verschiedene Turnierformen wie das
Freiturnier oder das Fußturnier folgten. Als Freiturnier bezeichnet man den sportlichen Reiterkampf,
der zuerst mit scharfen Lanzen und anschließend mit Schwertern ausgetragen wurde. Das Fußturnier
wurde zu zweit oder in einer Gruppe mit unterschiedlichen Hau- und Stichwaffen auf einem
eingezäunten Platz ausgefochten. Die Rüstungen waren Meisterwerke Prager sowie Innsbrucker
Plattnereien, wobei vor allem der Innsbrucker Jakob Topf mehrere Großaufträge seitens des Hofes
erhielt. Ein wahres Meisterwerk ist der in antikisierendem Stil gestaltete Hochzeitsharnisch Ferdinands
II., den dieser für die Feierlichkeiten anlässlich seiner zweiten Hochzeit mit Anna Caterina Gonzaga
1582 in Auftrag gab.
Die Porträts der zweiten Rüstkammer zeigen berühmte Feldherren des 16. Jahrhunderts, deren Waffen
oder Rüstungen in der Ambraser Heldenrüstkammer verwahrt wurden. Diese Bildnisse dienten zum
Teil als Illustration der ferdinandeischen Sammlung. Am Ende des Raumes befand sich, ursprünglich
abgetrennt, die sog. Türkenkammer; in ihr wurden osmanische Ausrüstungs- und Luxusgegenstände
wie Sättel, Pfeil und Bogen, Säbel, Schilde und Helme präsentiert, bei denen es sich u. a. um vom
Schlachtfeld mitgebrachte Beutestücke handelt. Einzigartig und selten auf uns gekommen sind die
kreisrunden Ledermosaike aus dem 16. Jahrhundert, die in den türkischen Zelten als Unterlage am
Boden und als Wanddekor Verwendung fanden. Die aus Eisen getriebenen, farbig gefassten und mit
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Haaren besetzten Masken aus der Zeit der Statthalterschaft Ferdinands II. in Böhmen (1547–1564/67)
tragen die Züge von Husaren und Mohren. Sie dienten der Verkleidung der gegnerischen Partei bei
den sog. Mummereien oder husarischen Turnieren, im Zuge derer eine Gruppe als christliche Ritter
gegen die Gruppe der Osmanen focht.
Dritte Rüstkammer
In der dritten Rüstkammer war ursprünglich die Ambraser Kunstkammer untergebracht, die heute in
rekonstruierter Form in der ehemaligen Bibliothek gezeigt wird. Hier sind Rüstungen und Waffen aus
dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) zu sehen. Dieser vor allem in Deutschen Landen und in
Böhmen ausgetragene Krieg entstand zunächst aufgrund religiöser Gegensätze, mit seinem
Fortschreiten wurde er dann zum Kampf um die Vorherrschaft in Europa. Die ausgestellten
Gebrauchswaffen stammen großteils aus den Beständen des ehemaligen Wiener Zeughauses. Mit den
Waffen im vorderen Teil des Saales (bis zum vierten Fenster) wird die erste Hälfte des
Dreißigjährigen Krieges dokumentiert. Auf der rechten Seite befinden sich Kavallerie-, auf der linken
Infanteriewaffen. Die „Arkebusierreiter“ trugen eine Arkebuse, ein kurzes Radschlossgewehr und
einen Degen. Der schwere Reiterharnisch wurde nun vom leichteren Kürass abgelöst. Zwei Pistolen
und ein Degen bildeten die Ausrüstung der Kürassiere. Die schwere, lange Muskete mit Luntenschloss
wurde von vorne geladen und musste beim Abfeuern auf eine Gabel gestützt werden. Als einzigen
Schutz trugen die Musketiere einen hutartigen Helm.
Die zweite Phase des Dreißigjährigen Krieges und der Beginn der Türkenkriege unter Kaiser Leopold
I. (1640–1705) werden im unteren Saalbereich dokumentiert. Während die Kavallerie mit Bügeldegen
und Karabinern mit französischem Flaschenkolben ausgestattet war, trugen die Pikeniere als
Fußsoldaten vier bis sechs Meter lange Spieße (Pike) und jeweils einen Degen.
Die gemalte Decke des Raumes befand sich ursprünglich im fürstlichen Speisesaal in einem im 19.
Jahrhundert teilweise abgebrochenen Gebäude gegenüber dem Hochschloss (heute Terrassenstöckl).
1880 wurde sie hierher transferiert. In einem ovalen Band umlaufen die zwölf Tierkreiszeichen das
Universum. 37 Sternzeichen sind vor dem himmelblauen Hintergrund dargestellt, darunter auch das
„Haar der Berenike“, das erst in den 1530er Jahren in die Astronomie eingeführt wurde. Die
Zwickelfelder in den Ecken zeigen die vier Elemente, die Seitenfelder sind den Personifikationen der
damals sieben bekannten Planeten gewidmet. Diese Malereien entstanden um 1586 und werden dem
Hofmaler Erzherzog Ferdinands, Giovanni Battista Fontana, zugeschrieben. Der Künstler griff auf die
Anordnung in Albrecht Dürers Holzschnitten der nördlichen und südlichen Hemisphäre von 1515
zurück, doch sind die bei Dürer in antikisierender Nacktheit wiedergegebenen Sternbilder nun – mit
Ausnahme von Herkules – bekleidet. Die monumentalen Planetengötter werden hingegen in praller
Freizügigkeit gezeigt.
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Ausgesuchte Meisterwerke
Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Kniestück in
Adlerrüstung | Francesco Terzio | um 1550 | Inv. Nr.: GG_8063
Erzherzog Ferdinand (1529-1595) wird hier in einem
Spezialharnisch - dem Feldküriss - gezeigt, der zu einer 1547 vom
Hofplattner Jörg Seusenhofer in Innsbruck angefertigten Garnitur
gehört; diese zählte zu den kostspieligsten Rüstungsensembles der
Zeit. Wegen des Zierelements in Form von feuervergoldeten Adlern
wird die Gruppe als "Adlergarnitur" bezeichnet. Die Barttracht des
jungen Erzherzogs erinnert an diejenige seines Vaters Ferdinand I.
und an die seines Onkels Karl V. Er trägt den so genannten
"Böhmischen Hut", eine Kopfbedeckung aus Filz und Silberdraht.
Auf dem Tisch zu seiner Rechten steht der zur Garnitur gehörige
Mantelhelm mit geöffnetem Visier; daneben liegen Fausthandschuhe sowie eine purpurrote Schärpe.
Das Porträt (dem Bildtypus nach ein "Kniestück" - es zeigt Ferdinand bis zu den Knien) wurde aus
stilistischen Gründen Francesco Terzio zugeschrieben und um 1566/67 datiert, doch schuf dieser das
Bildnis wahrscheinlich schon früher, und zwar um 1556/57: Die Schärpe verweist wohl auf das
Kommando des Erzherzogs in Ungarn im Jahr 1556, und das Fehlen der Collane des Ordens vom
Goldenen Vlies, in den der Erzherzog am 28. März 1557 aufgenommen wurde, deutet darauf hin, dass
das Gemälde vor diesem Zeitpunkt entstand. Dieselbe Darstellung diente als Vorlage für ein
Kleinbildnis Ferdinands II., das ihn dann bereits mit dem Ordensemblem zeigt. Zur Zeit der
Porträtaufnahme war der junge Habsburger Statthalter des Königreiches Böhmen (1547-1564), eines
der wohlhabendsten Königreiche Europas mit der Weltmetropole Prag als Hauptstadt. Er verließ
Prag nach dem Tod seines Vaters 1564 und zog nach Innsbruck, in die Residenzstadt der von seinem
Vater geerbten Grafschaft Tirol. Schloss Ambras vermachte er seiner ersten, heimlich angetrauten
Frau Philippine Welser; er baute es zum Wohnsitz seiner Familie und zu einem bedeutenden Museum
aus.
Fußkampfharnisch | Konrad Seusenhofer | 1514/1515 | Inv. Nr.: HJRK_E_1
Der Geburtsort des 1500 in Innsbruck erwähnten berühmten Plattnermeisters
Konrad Seusenhofer ist nicht bekannt. Er wurde von Kaiser Maximilian I.
(1493-1519) 1504 mit der Leitung der Innsbrucker Hofplattnerei betraut, die er
bis zu seinem Tod im Jahr 1517 innehatte. Seusenhofer stand im Hofdienst
Maximilians an der Spitze eines riesigen Unternehmens, das sowohl militärische
Massenerzeugnisse als auch kostbare Harnische für repräsentative Zwecke
produzierte.
Die Hofplattnerei erhielt am Sillfluss eine spezielle Poliermühle; zur
serienmäßigen Fertigung wurden Matrizen vorgefertigt, der Transport von
Harnischblechen aus Leoben war organisiert. Seusenhofers Plattnerarbeiten,
speziell seine Imitationen von textilen Kleidungsstücken, gehören zu den
schönsten dieser Zeit.
Diese vollständig blanke Rüstung setzt sich aus Brust, Rücken samt geschlossenen Kniehosen mit
Gliedschirm, Beinröhren und Schuhen zusammen. Die Besonderheit der Konstruktion des Harnisches
für den Fußkampf besteht darin, dass er in eine Vorder- und eine Rückenhälfte zerlegbar ist. Helm,
Kragen und Armzeuge samt Handschuhen wurden erst bei der Aufstellung in Schloss Ambras im
letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hinzugefügt.
1514 bestellte Kaiser Maximilian I. bei Seusenhofer einen Faltenrockharnisch für den achtjährigen
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Ludwig II. von Ungarn. Wahrscheinlich wurde damals auch der Fußkampfharnisch angefertigt und
mitgeliefert. Den Anlass bildete die Hochzeit Ludwigs mit Maria, der Enkelin Maximilians, im Jahre
1515. Derlei festliche Aufzüge gaben nicht selten die Gelegenheit für publikumswirksame Auftritte
junger Prinzen im Harnisch.
Die Rüstung ist bereits in dem ältesten, ab 1581/83 entstandenen Inventar
der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. erwähnt.
Rennzeug | Lorenz Helmschmid | um 1495 | Inv. Nr.: HJRK_B_182
Das Rennzeug stammt aus der Ambraser Sammlung Erzherzog
Ferdinands II., die seit etwa 1574 im Aufbau begriffen war. Es
gehörte wohl zu den vierzehn Rennzeugen aus dem Besitz Erzherzog
Sigismunds und Kaiser Maximilians I., die 1582 von der Burg in
Innsbruck nach Schloss Ambras gebracht und dort in der
Turnierrüstkammer aufgestellt wurden. Wie kaum ein anderer Fürst
seiner Zeit hatte sich Kaiser Maximilian I. (1493-1519) dem
Turniersport gewidmet. Zudem ergeben seine autobiographischen
Werke Freydal und Triumphzug eine vollständige Dokumentation der
Turnierarten seiner Zeit sowie der Turniere, an denen er
teilgenommen hat. Um die Art seiner praktischen Verwendung
anschaulich zu machen, wird das Rennzeug in Abwandlung der
historischen Präsentationsweise zusammen mit einem zweiten in der Ambraser Rüstkammer auf einem
nachgebauten Turnierplatz ausgestellt, wofür Maximilians Turnierbuch, der Freydal, als Vorlage
dient. Rennzeuge waren Spezialrüstungen für das Turnier zu Pferd, die im ersten Viertel des 15.
Jahrhunderts aus Kriegsrüstungen entwickelt wurden. Wegen ihrer Seltenheit repräsentieren sie als
historische Dokumente des Turniersports und als Kunstwerke einen hohen ideellen, aber auch
materiellen Wert. Das hier vorgestellte Rennzeug besteht in der Hauptsache aus einem Rennhut mit
Stirnplatte und einem Nackenschirm, einem vorgeschnallten Rennbart, der Rennbrust mit Rüsthaken,
dem Rasthaken, einem Magenblech mit Bauchreifen und Schößen und einem als Tartsche bezeichneten
Schild aus lederbezogenem Holz, ferner einem Rücken mit einem als Stütze dienenden Schwänzel. Die
Dilgen hängen als massiver Schenkelschutz am Sattel. Ein halbkreisförmiger Brechschild über dem
Rennspieß (im vorliegenden Fall eine moderne Anfertigung) mit einem scharfen Renneisen schützt
Arm und Oberkörper. Aus stilistischen Gründen wird die Rüstung den Meistern Lorenz und Jörg
Helmschmid aus Augsburg zugeschrieben. Die Helmschmid zählten gemeinsam mit Konrad
Seusenhofer zu den berühmtesten Plattnern dieser Zeit; sie arbeiteten auch für Kaiser Maximilian I.,
ihre Werke waren sehr begehrt.
Rossstirn | Lorenz Helmschmid | 1485/1490 | Inv. Nr.: HJRK_B_87b
Stechzeuge sind Spezialrüstungen für das Ritterspiel zu Pferd mitstumpfen
Lanzen. Seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundertunterschied man eine
deutsche und eine "welsche" Form. Bei der deutschen fand das Turnier auf
einem abgeschrankten Platz statt, bei der"welschen" Form waren die
Ritter hingegen auf dem Turnierplatz durcheine hölzerne Barriere
voneinander getrennt. Die Rüstung der deutschen Form besaß keine
Beinzeuge, die welsche Form hingegen komplette. Auffallend ist besonders
die Helmform, die auf den Topfhelm und den Kübelhelm des 13. und 14.
Jahrhunderts zurückgeht. Der Helm war an Brust und Rücken fest
verbolzt; eine weiche, mit Wolle gefütterte Harnischkappe schützte den
Kopf vor dem Anstoßen an die Stahlplatte des Helmes.
Das hier vorgestellte Stechzeug mit rot-weißer Pferdedecke gehörte zu einer Serie von sechs aus
Anlass der zweiten Hochzeit Erzherzog Sigismunds 1484 hergestellten Rüstungen. Es gelangte auf
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dem Erbweg in den Besitz Maximilians I. und wurde in der Rüstkammer der Hofburgaufbewahrt.
Erzherzog Ferdinand II. ließ es von dort 1582 nach Schloss Ambras bringen und in der
Turnierrüstkammer ausstellen. Wegen der auf dem Helm angebrachten Marke, einem Kreuz, aus
dessen Mitte schräg rechts und links ein Sparren herauswächst und das große Ähnlichkeit mit der
Hausmarke der Innsbrucker Plattnerfamilie Witz aufweist, wurde die Rüstung hypothetisch dem
Plattner Michel Witz dem Alten zugeschrieben.
Die stabilsten Teile der massiven, etwa 45 Kilogramm wiegenden Rüstung sind der mit dem
Rückenstück verschraubte Helm und die Brust. Hinzukommen das Magenblech mit den Beintaschen
und das mit einem Stützblech vernietete Rückenstück. Die Arme sind durch Achseln, Scheiben sowie
die Stecharme geschützt, links gibt es einen steifen Fäustling. Der mit einem Lederüberzug versehene
Schild aus Holz ist an das Bruststück geknüpft. Im Gegensatz zum Rennspieß hat der Stechspieß eine
drei- oder mehrzackige Krone als Spitze und eine relativ kleine Brechscheibe als Handschutz. Die
Verwendung der Krone diente zur Erhöhung der Sicherheit. Vom Pferdezeug stammen ein Stechsattel,
Steigriemen und Steigbügel sowie die Rossstirn mit verdeckten Augen.
Küriss | Wilhelm von Worms d.Ä. | um 1525 | Inv. Nr.: HJRK_A_238
Die Rüstung besteht aus einem geschlossenen Helm mit Faltenvisier, dem
Kragen, einer Kugelbrust mit Rüsthaken und an der Brust mit Lederriemen
befestigten Beintaschen als Schenkel- und Unterleibsschutz, ferner dem
Rücken. Asymmetrische Brechrandschultern und Armzeuge waren Elemente,
deren Konstruktion besonders schwierig war, da sie als Schutz die Schulterund Achselgegend umfassen sollten, ohne die Beweglichkeit einzuschränken.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Beinzeug. Fausthandschuhe schützten die
Hände.
Der vorliegende Typus der Reiterrüstung ist wegen der "wellblechartigen"
Gestaltung der Stahlteile als Riefelharnisch zu bezeichnen; seine
Oberflächenstruktur ahmt plissierte textile Gewebe nach. Diese
Fertigungsweise bildete eine Spezialität des virtuosen Treibkünstlers Konrad
Seusenhofer, der als Hofplattnermeister im Dienst Kaiser Maximilians I. stand.
Diese Rüstungen wurden daher auch als Maximiliansharnische bezeichnet. Derartige durch
aufwendige Treibarbeit sehr attraktiv gestaltete Harnische entstanden nur über einen Zeitraum von
etwa vierzig Jahren (1500-1540), und zwar vorwiegend im süddeutschen Raum. Neben Augsburg und
Innsbruck ist in diesem Zusammenhang vor allem Nürnberg zu nennen, woher der hier präsentierte
Harnisch stammt. Er war in der Heldenrüstkammer Erzherzog Ferdinands II. aufgestellt und gehörte
ursprünglich dem Pfalzgrafen Philipp, dem jüngeren Bruder des Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz.
Philipp beteiligte sich maßgeblich an der Verteidigung Wiens 1529 gegen Süleiman den Prächtigen,
indem er fünf Tage vor dem Eintreffen des Sultans die Reiterei der Verteidiger durch Reichstruppen in
einem kühnen Vorausritt erheblich verstärkte. Diese Aktion verhalf ihm im römischen Reich zum Ruf
des Retters von Wien mit dem Beinamen "bellicosus" (der Streitbare). Außerdem wurde ihm die große
Ehre zuteil, 1532 von Kaiser Karl V. in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen zu werden.
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Trabharnisch | | um 1555 | Inv. Nr.: HJRK_A_983
Diesen Harnisch bilden eine Sturmhaube mit geschlossenen
Wangenklappen und beweglichem Naseneisen, eine Brust mit
Rüsthakenlöchern und einem Bauchreifen sowie ein Rücken mit
Gesäßreifen. Der Kragen und die asymmetrischen Schultern sind nicht
zugehörig, werden aber bereits im ältesten, ab 1581 angelegten
Inventar auf Schloss Ambras erwähnt: "Herr Anndree Teufl. Ain
schwarz harnisch, vornen auf der brust ain crucefix, darneben ein
knieender mann mit laubwerch geöczt und verguldt, hat nachvolgende
stuckh, als kragen, ruggen und krebs, ain par ächselen sambt ainer
sturmbhauben, geöczt und verguldt, darbei ist sein conterfect."
Andreas Teufel begleitete Erzherzog Ferdinand II. auf dessen Feldzug
1556 in Ungarn. Er war ein wenig älter als der Erzherzog und gehörte
als Stallmeister zu seiner nächsten Umgebung. Mit der Frau des Andreas Teufel, Marianne, pflegte
Philippine Welser, die Gemahlin Ferdinands II., noch in Tirol freundschaftliche Kontakte.
Ein Harnisch des vorliegenden Typus diente als Ausrüstung einer neuen Truppe, der mit Pistolen
bewaffneten "Pferdschützen". Er unterscheidet sich vom Feldharnisch des alten Typs in der
Hauptsache durch das Weglassen der Beinzeuge und Armzeuge aus Stahlplatten und ihren Ersatz
durch Ringelgeflecht. Infolge des geringeren Gewichts der Rüstung erhöhte sich - als Antwort auf die
hohe Mobilität der osmanischen Kavallerie - die Beweglichkeit des Trägers. Das Motiv der
vergoldeten Ätzung auf der Harnischbrust, ein vor dem Kreuz kniender Ritter, stammt vom
sächsischen Hofmaler Lukas Cranach dem Älteren und ist in der Folge als Harnischdekor häufig
anzutreffen.
Küriss | Melchior Pfeiffer | 1555/1556 | Inv. Nr.: HJRK_A_767
Der Küriss ist in der ersten Ambraser Rüstkammer im noch original aus dem
16. Jahrhundert erhaltenen 5. Harnischkasten ausgestellt und wurde mit
hoher Wahrscheinlichkeit von dem am Hof zu Prag beschäftigten Plattner
Melchior Pfeiffer für den Ungarn-Feldzug des Jahres 1556 angefertigt. Er
repräsentiert eine Reiterrüstung etwas leichterer Bauart, wie sie um die
Jahrhundertmitte unter niederländischem Einfluss eingeführt wurde. Als Helm
diente zumeist eine Sturmhaube, Beinschienen wurden durch Lederstiefel
ersetzt. Mit den Ereignissen des Feldzuges beschäftigt sich ausführlich der
Text im Katalog zur Heldenrüstkammer aus dem Jahre 1601. Das Bildnis des
Kataloges zeigt Erzherzog Ferdinand II. in einer Rüstung, die der
präsentierten zumindest sehr nahe kommt. Die ausgestellte Feldbinde ist eine
moderne Kopie aus dem Jahr 1984, der Kommandostab hingegen ein
Original. Von den beiden genannten Hofplattnern Erzherzog Ferdinands II. scheint Pfeiffer der
wichtigere gewesen zu sein. Darauf deutet eine vorübergehende Entlassung des anderen Plattners, des
Wolfen Keser, wegen mangelnden Fleißes hin. Pfeiffer orientierte sich formal an den "schlanken",
eleganten Linien, wie sie auch beim Innsbrucker Hofplattner Jörg Seusenhofer zu finden sind, wobei
es sich um eng sitzende Harnische ohne besondere Betonung der Taille sowie des Mittelgrates der
Brust handelt.
Der Kriegszug Ferdinands war ein Versuch, mehrere feste Plätze und Befestigungen zu
verproviantieren, und nicht eine militärische Aktion größeren Stils. Tatsächlich gelang die
Verproviantierung der wichtigen Feste Szigetvár.
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Knechtharnisch des Hofriesen Bon und 3 Knabenrüstungen |
Melchior Pfeiffer | Knechtsharnisch: um 1560, Knabenrüstungen:
um 1575, Gliederpuppe: 1. H. 16. Jh. | Inv. Nr.: HJRK_A_634 und
andere
Die am Ende der ersten Rüstkammer von Schloss Ambras postierte
Gruppe der über 2,60 m großen Gliederpuppe aus Holz in der
originalen Landsknechtstracht und Rüstung sowie der
Knabenharnische zieht durch ihre theatralische Inszenierung die
Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. In der riesigen Puppe ist
der Bauer Bartlmä Bon aus Riva bei Trient in Italien dargestellt, aus
dessen Leben nur ein einziges Ereignis bekannt ist: Er war der
Begleiter der Neffen Erzherzog Ferdinands II. im sechsten Aufzug des
Fußturniers, das in Wien im Jahre 1560 in Anwesenheit der
kaiserlichen Familie veranstaltet wurde. An seinem in der Kunstkammer von Schloss Ambras
ausgestellten gemalten Bildnis lassen sich im Gesicht die Merkmale eines Hypophysentumors
erkennen, der wahrscheinlich den Riesenwuchs des Mannes bewirkt hat. Die heutige Aufstellung
entspricht der ursprünglichen, wie sie das Inventar aus den Jahren 1581/83 dokumentiert. Unter der
originalen Rüstung, die aus stilistischen Gründen um 1560 zu datieren ist, kommt das ebenfalls
originale, in den Farben Rot und Weiß gehaltene, mit Schlitzen und Puffen versehene
Landsknechtskostüm zum Vorschein. Vermutlich handelt es sich bei dem Harnisch um ein Werk der
von Erzherzog Ferdinand gegründeten Prager Hofwerkstatt unter der Leitung seines
Hofplattnermeisters, Melchior Pfeiffer.
Die Knabenharnische gehörten den Söhnen Ferdinands, Andreas und Karl, und waren sowohl für
Turniere zu Pferd als auch für solche zu Fuß zu verwenden. Sie sollen durch ihre Präsentation in einer
Gruppe gemeinsam mit dem Hofriesen aus der Reihe der bedeutenden Persönlichkeiten, mit deren
Rüstungen zusammen sie ursprünglich aufgestellt waren, besonders hervorgehoben werden.
Rüstung zum Plankengestech | Jakob Topf | um 1580/1590 |
Inv. Nr.: AM_WA_772
Jakob Topf wird in den Jahren von 1575 bis 1597 als Hofplattner
Ferdinands II. erwähnt. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit zählten
neben den Aufträgen im Dienste des Erzherzogs militärische
Ausrüstungsgegenstände für das Zeughaus. Nach seinem Tod leitete seine
Witwe Anna die Werkstatt. David Topf, wohl ein Bruder des Jakob,
arbeitete als Plattner auf Schloss Ambras, er starb um 1594. Die Rüstung
gehört zu einer Serie von zwölf gleichen Rüstungen zum Plankengestech,
die in den Ambraser Inventaren aus den Jahren 1581/83 und 1596 erwähnt
werden. Diesen Eintragungen zufolge wurden die Harnische nicht
gleichzeitig, sondern zwischen 1580 und 1590 in mehreren Etappen
hergestellt. Das Gewicht der Rüstungen von jeweils etwa 30 Kilogramm ist
beträchtlich; vor allem Helm und Brust sind sehr stabil gebaut. Die Harnische des Jakob Topf
unterscheiden sich von denen seines Vorgängers Melchior Pfeiffer und von den zeitgleichen durch
runder gewordene Formen, wie dies besonders an Brust, Helm und Rücken zu erkennen ist. Darin
differieren sie auch von den sehr schlanken Augsburger Harnischen, etwa von denjenigen des Anton
Peffenhauser. Dazu ist die Helmglocke, die den Stirnschädel schützt, auffallend hoch getrieben und
die Brustspitze reicht weit über die Taille hinab. Eine besondere Eigenart der Arbeitsweise des Jakob
Topf ist es, dass er verschiedene Verstärkungsteile in einem Stück treibt, wie die Helmverstärkung und
die Brustverstärkung sowie den linken Handschuh und den Oberarmschutz. Betroffen davon ist die
linke Körperseite, die dem Stoß ausgesetzt ist.
Jakob Topf ist als der letzte große höfische Plattnermeister Innsbrucks zu bezeichnen; er besaß
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europäischen Rang, seine Werke waren denjenigen seiner großen Konkurrenten wie Anton
Peffenhauser durchaus ebenbürtig.
Halber Prunkharnisch mit Harnischröckchen, sog.
Hochzeitsharnisch, Erzherzog Ferdinand von Tirol
(1529-1595) | Jakob Topf | 1582 | Inv. Nr.: HJRK_A_786
Der Prunkharnisch entstand wohl anlässlich der Hochzeit
Erzherzog Ferdinands II. mit Anna Caterina Gonzaga 1582;
er stimmt bis in Details mit dem im Hochzeitskodex
Ferdinands II. abgebildeten Leibharnisch des Erzherzogs
überein (Inv.-Nr.: KK_5270). Das Nachlassinventar der
Ambraser Sammlungen aus dem Jahr 1596 beschreibt "Irer
fürstlich durchlaucht etc. rüstung zu der hochzeit"
ausführlich: "Ain geschobene rüstung und hauben mit vergulten geeczten raifen, darüber ain leibfarb
atlesses röckhl, mit silber gestuckht. Ain sattl und parsen von gleicher arbait, auf der hauben ain
griener drackh mit vier grosz federbuschen, die vergult, mit leibfarber seiden, ain regiment, ain
leibfarb sammete rundell."
Die vom Hofplattner Erzherzog Ferdinands II., Jakob Topf, geschaffene Rüstung setzt sich aus
leichtgewichtigen Platten von dünnem, getriebenem, geätztem und feuervergoldetem Stahlblech
zusammen. Der offene Helm, eine so genannte Sturmhaube, ist mit einem bemalten Drachen
geschmückt und an der Innenseite mit dem originalen Futter aus rotem Atlas bezogen. Die
Löwenköpfe an den Schultern und die Hängelaschen sind Requisiten der antikisierenden Mode. Als
Harnische all'antica oder alla romana bezeichnete man jene Luxusanfertigungen, die sich an
Rüstungen römischer Imperatoren orientierten. Sie dienten repräsentativen Zwecken, wurden ab etwa
1530 zunächst in Mailand, später auch in anderen europäischen Plattnereizentren hergestellt und
boten dem Träger die Möglichkeit, gleichsam selbst als antiker Held aufzutreten und dessen Tugenden
für sich zu beanspruchen. In diesem Fall verkörperte Erzherzog Ferdinand möglicherweise den
trojanischen Helden und sagenhaften Stammvater Roms, Aeneas.
Harnisch zum Plankengestech mit Gittertartsche | | um 1555/1560 |
Inv. Nr.: HJRK_A_685
Der Spezialharnisch zum Plankengestech stammt aus den Beständen der
Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. Er ist weder signiert noch
datiert, kann jedoch stilistisch in die Zeit um 1555/60 eingeordnet werden.
Dafür spricht in erster Linie die Form der Brustplatte, deren Mittelgrat
ein wenig über die Taillenlinie hinausragt. Die Taille selbst bildet um den
Grat einen stumpfen Winkel und ist relativ hoch angesetzt, wie dies der
Mode der Zeit um 1555/60 entspricht. Im Unterschied zur italienischen
Spielart mit einem glatten, anliegenden Schild verfügt die Rüstung über
einen Schild deutscher Form mit einer gegitterten Tartsche. In seiner
Bauart gleicht er den im nach 1557 entstandenen Turnierbuch Erzherzog
Ferdinands II. abgebildeten Rüstungen. Die Zuschreibung an die Prager
Hofwerkstatt erfolgte hypothetisch. Ab 1550 beschäftigte Ferdinand II., der junge Vizekönig von
Böhmen, einen Hofplattner, und kurze Zeit später wurde eine Hofplattnerei eingerichtet; Wolf Keser
und Melchior Pfeiffer wurden als Plattner eingestellt.
Das Plankengestech, eine auch als "Neues welsches Gestech" bezeichnete Spielart des Turniers zu
Pferd, wurde um 1530 eingeführt und als Zweikampf oder Gruppenkampf über eine Plankenwand
hinweg ausgeführt. Anfänglich war die Ausrüstung Bestandteil einer Harnischgarnitur; von 1560 bis
1570 entstanden für diesen Zweck fast ausschließlich Spezialharnische. Turnierharnische dieser Art
waren Anfertigungen nach Maß und besaßen eine perfekte Passform. Der Harnisch, der vom
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Hochadel im Feld getragen wurde, unterschied sich zu jener Zeit durch eine wesentlich leichtere und
einfachere Bauart bereits erheblich vom Turnierharnisch. Nicht selten wurden Turnierharnische für
große höfische Feste bestellt und dienten der Repräsentation des Harnischbesitzers beim Turnier, das
den Höhepunkt des Festes darstellte.
Lederteller | | 1. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_560
Die Tulpe ist das vorherrschende Motiv dieses in Ledermosaik
gearbeiteten Tellers. Von einer zentralen Rosette ausgehend breitet
sie sich astförmig in Rot-Braun oder Weiß-Braun auf schwarzem
Grund aus. Zwischen den Tulpen ranken sich wilde Hyazinthen
empor. Der anschließende Randstreifen besteht aus vier Feldern,
die an den Seiten dreipassförmig aneinander stoßen. Darauf sind
tief geschwungene, mehrfarbige Tulpen im Wechsel mit Rosetten
über einem braunen Hyazinthenmotiv auf rotem Grund zu sehen.
Weiße Linien grenzen diesen Streifen nach innen und außen ab. Die
rhythmische Wirkung des Flächendekors beruht auf der
sorgfältigen Ausführung und der symmetrischen Anordnung der
Motive in kontrastreichen Farben. Das Ambraser Inventar von
1596 beschreibt mehrere Ledermosaikarbeiten: "Mer ain Türggischer Teppich, von leder allerlai
farben geziert, darzue drei runde taller, auch von allerlei farben geziert". Diese Teller wurden
vermutlich als Unterlage für Speisen verwendet, da sie unzerbrechlich und leicht zu transportieren
waren.
Die Tulpe, türkisch lalé, galt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als die türkische Blume
schlechthin, weshalb die Blütezeit des Osmanischen Reiches unter Sultan Süleiman (1495–1566) dem
Prächtigen auch als "Tulpenzeit" bezeichnet wird. Auf der zur Zeit Süleimans zum Osmanischen Reich
gehörende Halbinsel Krim am Schwarzen Meer wuchsen wilde Tulpen, die als Handelsartikel nach
Konstantinopel gebracht wurden. Der Gesandte Kaiser Ferdinands I. in Konstantinopel, Ogier
Ghiselin de Busbecq, erwähnte in seinen Sendschreiben 1555 erstmals die "Tulipa Turcarum" und ließ
u. a. Samen und Tulpenzwiebeln nach Wien bringen. Die erste Beschreibung der Tulpe in Europa
lieferte der Naturhistoriker Conrad Gesner im Jahr 1561. Charles d'Ecluse, Leiter des "Hortus
botanicus medicinae" am kaiserlichen Hof in Wien, befasste sich ebenfalls wissenschaftlich mit dieser
neuen Pflanze; er war es auch, der die Tulpe in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts erstmals in
Holland züchtete und damit eine Entwicklung einleitete, die im 17. Jahrhundert in gewaltigen
Spekulationen am holländischen Tulpenmarkt, der so genannten "Tulipomanie", gipfelte.
Die Sieger der Seeschlacht von Lepanto 1571 | Italienisch,
Florenz (?) | um 1575 | Inv. Nr.: GG_8270
Eines der herausragendsten Ereignisse zu Lebzeiten
Erzherzog Ferdinands II. war der Sieg der vereinigten
spanischen, päpstlichen, venezianischen, genuesischen und
toskanischen Flotten über die Türken und die in deren
Diensten segelnden nordafrikanischen Piraten bei Lepanto im
Golf von Korinth im Jahre 1571. In dieser Schlacht verloren
die Türken 150 Schiffe, wodurch ihre Vorherrschaft im
Mittelmeer nachhaltig gebrochen und ihrem Vordringen in
Europa Einhalt geboten wurde.
Das Bild befand sich laut Nachlassinventar von 1596 fol. 55v im neuen Saal von Schloss Ruhelust im
Hofburgkomplex von Innsbruck. Es zeigt die Sieger dieser Schlacht, Don Juan d'Austria, Marc
Antonio Colonna und Sebastiano Venier. Sie sind ganzfigurig dargestellt und werden am unteren
Bildrand folgendermaßen genannt: "JOHANES AUSTRIE / MARCVS ANTONIVS [C]OLVM.[NA] /
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SEBASTIANVS VENETI. DVX." Die Admirale der spanischen, päpstlichen und venezianischen Flotte
tragen goldgeätzte Rüstungen, die in die Ambraser Sammlung gelangten und heute in der Hofjagdund Rüstkammer in Wien aufbewahrt werden. Im Hintergrund wird zwischen einem Felsen und einer
Mauer der Golf von Korinth mit den Galeeren der vereinigten Flotten sichtbar.
Don Juan d'Austria (1547-1578) entstammte der außerehelichen Beziehung Kaiser Karls V. mit der
Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg. Als Zwölfjähriger wurde er von Karls
Erstgeborenem, Philipp II. von Spanien, offiziell als Halbbruder anerkannt und gemeinsam mit dem
um zwei Jahre älteren Thronfolger Don Carlos erzogen. 1571 erhielt er den Oberbefehl über die
gemeinsame Flotte der Heiligen Liga, die sich gegen die Türken zusammengeschlossen hatte. Marc
Antonio Colonna (1536-1584) gehörte einer alten, einflussreichen Adelsfamilie des Kirchenstaates an
und wurde von Papst Pius V. mit dieser Expedition gegen die Türken betraut. Sebastiano Venier (um
1496 - 1578) war 1570 Prokurator von San Marco und hatte bei Lepanto den Oberbefehl über die
venezianischen Truppen inne. 1577 wurde er Doge von Venedig.
Die Kunst- und Wunderkammer
Die Ambraser Sammlung von Erzherzog Ferdinand II. ist für die Geschichte des Sammelwesens
ebenso wie als einzig am Ort erhaltene manieristische Kunstkammer von unschätzbarem Wert.
Die jetzige Aufstellung folgt den Intentionen des Landesfürsten und berücksichtigt dabei alte
Inventare, welche die Gegenstände und ihre Anordnung beschreiben. Das älteste davon wurde 1596
anlässlich des Todes Ferdinands II. 1595 angefertigt.
Kunst- und Wunderkammern sind in der Renaissance als Universalsammlungen entstanden, die das
gesamte Wissen der Zeit erfassen wollten. Die Sammler sahen sich als gottgleiche Schöpfer einer Welt
im Kleinen. Ferdinand entwickelte für seine Sammlung eine besondere Art der Präsentation, bei der
Objekte aus demselben Material unabhängig von ihrer Herkunft in ursprünglich 18 deckenhohen
Kästen in der Mitte des Raumes gezeigt wurden.
Die Sammlung enthält neben der spätmittelalterlichen Skulptur aus Birnbaumholz, dem „Tödlein“
oder Drechselarbeiten aus Elfenbein nicht nur künstlerisch und handwerklich herausragende Stücke,
sondern auch wissenschaftliche Gegenstände, Objekte aus fernen Ländern, etwa die „Ryukyu Schale“,
sowie Musikinstrumente. Auch rare, exotische und außergewöhnliche Stücke der Natur und Porträts
von Menschen die als „Wunder“ galten – wie etwa jene der Haarmenschen – wurden gesammelt.
Das Antiquarium diente zur Aufstellung antiker Skulpturen. In seinen Öffnungen sind 85
halbkreisförmige Nischen eingetieft, die mit Bildnisköpfen berühmter Persönlichkeiten des antiken
Roms und mythologischen Darstellungen ausgestattet sind.
Kunstkammer
In der Geschichte der fürstlichen Kunstkammern des 16. Jahrhunderts nimmt die Kunst- und
Wunderkammer in Schloss Ambras eine besondere Stellung ein. Sie zählt nicht nur zu den aufgrund
der erhaltenen Inventare am besten dokumentierten Sammlungen ihrer Art, sondern ist darüber hinaus
auch in großen Teilen an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort erhalten geblieben. Die Bezeichnung
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„Kunstkammer“ finden wir erstmals im 1594 verfassten Testament Erzherzog Ferdinands II. als
„kunst- oder wunder […] cämern“. Ihre jetzige Aufstellung in der ehemaligen Bibliothek im
Kornschüttgebäude des Unterschlosses versucht den Intentionen ihres Begründers soweit wie möglich
zu folgen. Dabei fanden alte Inventare mit der Beschreibung der Sammlungsgegenstände und ihrer
Anordnung Berücksichtigung. Das älteste Inventar wurde 1596 – ein Jahr nach dem Tod Erzherzog
Ferdinands – zur Erstellung seines Nachlasses angefertigt. Demnach präsentierte sich seine Sammlung
in ursprünglich 18 hohen, bis zur Decke reichenden, in der Mitte des Raumes Rücken an Rücken
stehenden Kästen. Aus dem Inventar geht auch das spezifische Ordnungsprinzip hervor: Objekte, die
aus dem gleichen Material gefertigt waren, wurden unabhängig von Herkunft und Thema jeweils in
einem Kasten vereint. Acht Kästen waren farbig bemalt, wobei bis heute nicht geklärt ist, welche
Bedeutung der Farbanstrich hatte. Zahlreiche Gemälde, präparierte Tiere und vielerlei Kuriositäten,
die dicht an den Wänden bzw. von der Decke hingen, steigerten noch den Eindruck der Fülle in
diesem Raum.
In der Kunstkammer der Renaissance versammelte sich in idealer Weise das gesamte Wissen über die
Zusammensetzung des Kosmos: Das breit gefächerte Universum war mit heimischen und exotischen
Hervorbringungen der Natur sowie mit Produkten der Kunstfertigkeit des Menschen – Natur und
Kunst – vertreten, woraus sich die Sammlungskategorien Naturalia und Arteficialia ergeben. Weitere
Kategorien waren Scientifica – Produkte menschlichen Erfindungsgeistes und wissenschaftlichen
Forscherdranges (z. B. mathematische und geodätische Messgeräte) –, Antiquitates, also Zeugnisse
vergangener Epochen, Mirabilia (Ungewöhnliches oder Unbekanntes, außerhalb der Konventionen
Stehendes oder durch technischen Effekt Überraschendes) sowie Exotica, Zeugnisse fremder und
unbekannter Kulturen. Sie vereinigen sich zu einer anschaulichen Enzyklopädie, die Objekte aus allen
Wissensgebieten gleichwertig nebeneinander stellt. Der Begründer der Sammlung wird zum Schöpfer
eines Mikrokosmos, in dem sich der von Gott geschaffene Makrokosmos widerspiegelt.
Den Grundstock der Sammlung Erzherzog Ferdinands bildeten Geschenke, wie etwa die berühmte
Saliera des florentinischen Bildhauers und Goldschmieds Benvenuto Cellini, eine Gabe des
französischen Königs Karl IX. Ergänzt wurden diese durch kostbare Erbstücke aus dem Besitz der
Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. bis hin zu solchen des Vaters von Erzherzog Ferdinand II.,
Kaiser Ferdinands I. Zu den besonderen Bücherschätzen in der Kunstkammer zählten etwa
mittelalterliche Handschriften wie das Ambraser Heldenbuch und die Turnierbücher Theuerdank und
Freydal Kaiser Maximilians. Der weitaus größte Teil der Sammlung Ferdinands kam aber durch
gezielten Ankauf zustande. Ein Netzwerk von Agenten und Händlern half bei der Beschaffung.
Erworben wurden ferner komplette Sammlungsnachlässe aus Adelsbesitz.
Wenn wir uns heute auf einen Rundgang durch die Kunst- und Wunderkammer begeben, finden wir
eine enzyklopädische Sammlung vor, die charakteristisch für die Zeit ihrer Entstehung ist. Darüber
hinaus sind in Ambras spezifische Sammlungsbereiche in unvergleichlicher Weise ausgeprägt und in
einer ungewöhnlichen Reichhaltigkeit erhalten geblieben. So zählt etwa der riesige Bestand an
Korallen zu den bedeutendsten seiner Art. Als Gewächs des damals noch weitgehend unerforschten
Meeres war die Koralle eine in natürlich gewachsener Form hoch begehrte Naturalie, die, künstlerisch
bearbeitet, auch ein zur Arteficialie überhöhtes Kunstkammerstück werden konnte.
Eine absolute Ambraser Besonderheit stellen die Korallenkabinette dar, deren Ikonografie zudem auf
die Herkunft der Koralle aus dem Element Wasser Bezug nimmt. Das wie eine Meeresgrotte mit
Muscheln, Schnecken und geschnittenen Meeresungeheuern aus Koralle gestaltete Kabinett hat sein
reales Vorbild in den begehbaren italienischen Grotten des 16. Jahrhunderts, die als architektonische
Gestaltungselemente des Manierismus etwa in den Grotten der Gärten der Medici-Villa Castello bei
Florenz oder in den Boboli-Gärten des Palazzo Pitti erhalten geblieben sind. Bei den Korallenbergen
wird das Spiel mit Natur und Kunst auf die Spitze getrieben: Die Naturalie Koralle wird hier zu einem
künstlichen Berggebilde auf Gips montiert. Der Berg entpuppt sich aber als eine Miniaturdarstellung
einer topografisch realen Landschaft bzw. Gegend, wie z. B. der Martinswand bei Zirl in Tirol.
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Nicht weniger bedeutend in ihrer Verschmelzung von Natur und Kunst sind die Handsteine, die aus
den Bergwerken in Böhmen und Tirol stammen. Ihre Bezeichnung erhielten diese oft bizarr geformten
Gesteinsproben aufgrund ihrer Größe, die eine Handfläche ausfüllt. Sie bildeten, wie die meisten
Handsteine, ein artifizielles Konglomerat aus verschiedenen zusammengeklebten Mineralien und
wurden häufig mit winzigen silbernen oder goldenen Figuren, die Szenen aus dem Bergwerksleben
und eine Kreuzigung darstellen, bestückt. Dadurch waren sie ihrer ursprünglichen Funktion entfremdet
und wurden zur sammlungswürdigen Arteficialie.
Unikale Holzdrechselarbeiten, die aufgrund ihres Herstellungsortes als „Berchtesgadener Arbeiten“
bezeichnet wurden, galten im 16. Jahrhundert als „kunststuckh“. Sie demonstrieren höchstes
handwerkliches und technisches Können und waren als reine Schaustücke ohne jegliche
Zweckbestimmung konzipiert. Ziel war es, eine technische Perfektion zu erreichen, die sich durch den
filigranen Auf bau der Gebilde häufig als Übersteigerung der statischen und materiellen Möglichkeiten
gestaltet. Die Drechselkunst in verschiedenen Materialien wie Holz, Horn oder Elfenbein erfreute sich
bei fürstlichen Sammlern ganz besonders großer Beliebtheit und ist in der Ambraser Kunst- und
Wunderkammer mit seltenen Stücken vertreten. So liegt auch den im Inventar von 1596 genannten
„Doppelköpfen“ aus sehr hartem und dichtem Maserholz mit seiner schönen Zeichnung eine
hervorragende technische Drechselleistung zugrunde. Oft hat man auf das Gefäß einen kleineren, aber
ähnlich geformten „Kopf“ (diese Bezeichnung geht auf das lateinische Wort cuppa zurück) gestellt
und es dadurch zum „Doppelkopf“ gemacht. An den Ambraser Maserholzgefäßen sind keinerlei
Gebrauchsspuren feststellbar, es handelt sich also um reine Sammlungsobjekte, die aufgrund ihres
außergewöhnlich großen Formates in den Bereich der Mirabilia einzuordnen sind und zu den größten
erhaltenen Beispielen dieser Gattung zählen.
Ungewöhnlich groß ist auch der Sammlungsbereich Glas in Schloss Ambras, vor allem der Bestand an
Glasbildern ist für seine Zeit einzigartig. Erzherzog Ferdinands besondere Vorliebe galt den auf der
Insel Murano in Perfektion hergestellten, nahezu transparenten Glasprodukten. 1570 gründete er die
Innsbrucker Hofglashütte, in der befristet aus Murano bestellte Glasbläser arbeiteten, die nach den
Vorstellungen Ferdinands Stücke von besonderer Originalität gefertigt haben. Der praktischen
Verwendung beim Ambraser „Willkumb“ in der Bacchusgrotte hingegen dienten das „Gläserne
Fässchen“ und das „Schiffchen“ aus Murano, wohl ebenso der aus Eisen bestehende „Fangstuhl“:
Durch einen verborgenen Mechanismus wurde der bzw. die darauf Sitzende von Eisenstangen
festgehalten, und dies so lange, bis der männliche Gast das mit Wein gefüllte „Fässchen“ und der
weibliche das „Schiffchen“ auf einen Zug geleert hatte.
Das dichte dynastische Netz der Habsburger, das sich nicht nur über ganz Europa spannte, sondern
auch die spanischen und portugiesischen Besitzungen in Übersee umfasste, wirkte sich in der
Kunstkammer Ferdinands besonders auf den Sammlungsbereich der Exotica aus. Die im Inventar von
1596 wenig differenziert als „indianisch“ bezeichneten Objekte aus Rhinozeroshorn, Perlmutt, Jade,
Porzellan, Lack und Seide stammen u. a. aus Afrika, Indien, Persien, Ceylon, China und auch Japan.
Bis heute ist in Ambras ein einzigartiger Bestand an chinesischem Porzellan und Seidenrollbildern
sowie „indianischen windmachern“ (Ehrenfächern aus Siam) und Textilien erhalten geblieben. Die in
Ambras auf bewahrten Chinoiserien zählen zu den ältesten Zeugnissen asiatischer Kunst in
europäischen Sammlungen.
Unter den Gemälden in der Kunst- und Wunderkammer finden sich neben Porträts von berühmten
Persönlichkeiten auch solche von körperlich außergewöhnlich gestalteten Menschen, Groß- und
Kleinwüchsigen, die dem Bereich der Mirabilia zuzurechnen sind, und nicht zuletzt auch Bilder
religiösen, mythologischen oder historischen Inhalts. Ein besonderes Kuriosum stellte die Familie des
Haarmenschen Petrus Gonsalvus dar, der wegen eines genetischen Defektes – dieser wurde übrigens
1993 als „Ambras-Syndrom“ in die medizinische Terminologie eingeführt – zum beliebten
Forschungsobjekt für Ärzte an fürstlichen Höfen wurde. Vlad III. Tzepesch, Fürst der Walachei,
hingegen war vor allem wegen seiner Grausamkeiten im Kampf gegen die Türken in der Mitte des 15.
Jahrhunderts gefürchtet. Er wurde das historische Vorbild für den Roman Dracula von Bram Stoker.
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Schließlich wird die Sammlung durch präparierte Tiere – darunter Haifische, Echsen und ein Krokodil
– komplettiert.
So bietet die hier präsentierte Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. Einblick in eine
Sammlung, die Eindrücke des modernen Museums vorwegnimmt. Darüber hinaus begegnen wir hier
einer außergewöhnlichen Persönlichkeit des 16. Jahrhunderts, die auch noch im 21. Jahrhundert
fasziniert.
Kleine Rüstkammer
Südlich schließt an das Antiquarium die sog. Kleine Rüstkammer an. Hier verwahrte Erzherzog
Ferdinand II. im 16. Jahrhundert eine Reihe von Waffen und Ausrüstungsgegenständen aus seinem
persönlichen Besitz. Zudem war eine Auswahl an damals gängigen Hiebund Stichwaffen aufgestellt.
Heute werden hier zahlreiche Prunkwaffen aus dem Bereich der höfischen Jagd mit kunstvollen
Verzierungen und aufwändigen Elfenbeineinlagen präsentiert. Herausragend ist die monumentale
Vorzeichnung (Visierung) zum Kenotaph des Maximilian-Grabmals in der Innsbrucker Hof kirche, die
der in Prag tätige Maler Florian Abel um 1561 schuf. Sie befand sich, vermutlich in gerolltem
Zustand, in der Bibliothek Erzherzog Ferdinands II. Historisch bedeutend sind ferner die beiden
Samurai-Rüstungen in zwei originalen Schaukästen des 16. Jahrhunderts. Sie stammen aus der
Sammlung Kaiser Rudolfs II. und gelangten vermutlich als diplomatische Geschenke des Tennos nach
Prag.
Antiquarium
Als Antiquarium wird ein Raum bezeichnet, der zur Präsentation von Objekten der Antike bestimmt
ist und in dem „rare und alte Sachen“ aufgehoben werden. Solche Orte des Rückzugs, der Besinnung
und des Wissens fanden um 1500 im Zuge des Renaissance-Humanismus weite Verbreitung.
Antiquarien dienten der Beschäftigung mit der historischen Tradition, zeugten von einem Verständnis
der klassischen Materie und demonstrierten die finanziellen Möglichkeiten ihrer Besitzer, sich solch
rare Stücke leisten zu können. Auch Erzherzog Ferdinand II. richtete sich ein Antiquarium ein. Dem
Fürsten ging es jedoch nicht primär um den Besitz von originalen Antiken, sondern um die
dargestellten Sujets, und für eine Auseinandersetzung mit ihnen konnten genauso gut Kopien,
Reduktionen und Abgüsse dienen. Das Ambraser Antiquarium erhielt seine Ausgestaltung mit 85
Nischen, die bis heute zu sehen sind, im 18. Jahrhundert. In ihnen befindet sich eine Reihe von
(weiblichen und männlichen) Köpfen aus altem Bestand, welche als Porträts berühmter
Persönlichkeiten der römischen Antike zu identifizieren sind. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden
auch die – ursprünglich für das Grabmal Kaiser Maximilians I. gefertigten – 20 Bronzebüsten antiker
Kaiser von Innsbruck nach Ambras transferiert und in den Nischen aufgestellt.
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Ausgesuchte Meisterwerke
Kabinettschrank | | Ende 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_904
Der Kabinettschrank ist in Form eines dreigeschossigen Palastes aus Marmor
und Alabaster gefertigt. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss sind
durch Blendarkaden gegliedert, in denen sich männliche antikisierende bzw.
weibliche Relieffigürchen befinden. Beide Geschosse werden von einem
Umgang mit Balustrade abgeschlossen. Das Obergeschoss bildet einen
zweistöckigen Pavillon, der von Hermen getragen ist. In der Mitte des ersten
Pavillons steht ein silberner Brunnen, im zweiten Pavillon befindet sich unter
einem Baldachin ein thronender Mann. Vier an den Bau angesetzte
Treppentürmchen mit überkuppelten Pavillons bilden die Verbindung der
Geschosse. Die Hermen an den Treppentürmen und jene des Thronbaldachins
sind aus Holz gefertigt und bemalt; alle übrigen Figürchen bestehen aus
Alabaster bzw. aus Bronze und sind vergoldet. An einem der Türme befindet sich am Sockel ein
Schloss. Durch Aufsperren des Schlosses ist der Turm abnehmbar, dahinter gibt es eine Öffnung, die
den eigentlichen Inhalt sichtbar macht: einen zylinderförmigen, drehbaren Kasten aus Holz mit 6 mal
28 übereinander liegenden Laden. Die Ausnehmungen der Laden zeigen, dass der Kasten für einen
bereits vorhandenen Bestand an Pretiosen - Münzen, Kameen und Schmucksachen - angefertigt
worden ist. Ein in Verwendung und Aufbau sehr ähnliches, in Augsburg entstandenes Objekt befindet
sich heute in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien (Inv.-Nr. KK_3390). Es ist
nahe liegend anzunehmen, dass auch dieser Kabinettschrank in Augsburg hergestellt wurde.
Gondelautomat | | um 1600 | Inv. Nr.: AM_PA_386
Ein mechanisches Triebwerk macht die Gondel aus
vergoldeter Bronze zu einem beweglichen Spielzeug: Zieht
man sie auf, so fährt sie in einem Aktionsradius von etwa
einem Quadratmeter auf Rädern umher und ändert mit den
Ruderschlägen des Gondoliere, dessen Hut Federn
schmücken, ihre Richtung um jeweils 90°. Unter einem
Baldachin mit Seidenvorhängen sitzt ein elegantes höfisches
Paar: Der in Goldbrokat gekleidete, schnauzbärtige Herr
wendet der Laute spielenden Dame im roten Kleid den Kopf
zu, legt seinen Arm um ihre Schulter und hebt in einem langsameren Rhythmus den anderen Arm zum
Gruß. Die Figuren sind aus Holz geschnitzt und bemalt; die Kleidung, die sich an der Mode des
späten 16. Jahrhunderts orientiert, ist aus Leinen, Seide und Goldborte gefertigt. Die Kopfbedeckung
der Dame ist mit aufwendiger Perlenstickerei versehen.
Die Tradition schiffförmiger Tafelaufsätze reicht bis ins Mittelalter zurück. Neben liturgischen
Geräten wie Weihrauchschiffchen entwickelten sich in dieser Formgebung auch Trinkgefäße,
Salzfässchen und rein dekorative Tafelaufsätze. Diese sollten den Reichtum und Kunstsinn des
Eigentümers bezeugen. Das größte und wichtigste Zentrum der Herstellung solcher Objekte war im
späten 16. und im 17. Jahrhundert Augsburg. Automaten in Schiffform sind vor allem aus der
Werkstatt des Hans Schlottheim überliefert; so fertigte er beispielsweise die berühmte Uhr Karls V. in
Form eines Dreimasters. An seinen Arbeiten orientierte sich wohl auch der Augsburger Goldschmied
Joachim Friss, mit dessen Initialen die hier präsentierte Gondel an der vorderen Innenseite signiert
ist. Der Gondelautomat ist noch 1750 im Inventar der kaiserlichen Schatzkammer in Wien genannt
und gelangte erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Schloss Ambras.
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Palmblattfächer | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_521
Der aus einem Palmblatt gefertigte Fächer ist im Nachlassinventar
Erzherzog Ferdinands II. von 1596 neben anderen "windmachern" so
genau beschrieben, dass er eindeutig identifiziert werden konnte. Der
Eintrag lautet: "Ain indianischer windmacher von aim ganzen plat von
aim paumb, ist zu baiden seiten drei zwerchfinger brait von allerlai
laubwerch gemacht, der still daran ist khrump und rot angestrichen". Die
Entstehung des Fächers kann anhand des Stils auf die siamesischmalaiische Halbinsel lokalisiert werden. Er dürfte aus Malakka an der
Westküste Malaysias, das seit der Eroberung durch Alfonso de
Albuquerque 1511 unter portugiesischer Herrschaft stand, als
Ehrengeschenk nach Europa gelangt sein. Malakka war ursprünglich von
den Chinesen als Umschlagplatz für Gewürze von den nahe gelegenen
Molukken gegründet worden. Es entwickelte sich bald zu einem Handelszentrum, in dem Chinesen,
Araber und Inder ihre Waren tauschten. Bis zur Eroberung durch die Portugiesen war Malakka im 15.
und 16. Jahrhundert Sitz des malaiischen Sultans.
Anders als die langstieligen Ehrenfächer, die vor wichtigen Persönlichkeiten wie dem Sultan
hergetragen wurden, war der kleine Handfächer trotz seiner aufwendigen Gestaltung wohl auch zum
tatsächlichen Gebrauch bestimmt.
Besonders beliebt für die Herstellung von Fächern waren die annähernd runden, ungeteilten Blätter
der Strahlenpalme (z. B. Licuala grandis), einer in ganz Südostasien vorkommenden Fächerpalme.
Lackschale | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_543
Die mit zinnoberrotem Lack überzogene Schale aus Holz besticht
durch ihre in Sgraffito-Technik ausgeführte kostbare Dekoration: Sie
wurde in bereits lackiertem Zustand flächendeckend mit Blattgold
belegt; dieses wurde ausgeschabt, um die Motive - dichtes Blätterwerk,
fliegende Vögel und ein Schmetterling - und deren Binnenzeichnung
freizulegen. Technik und Dekor entsprechen weitgehend dem
Erscheinungsbild indischer Lackarbeiten, weshalb die Schale ebenfalls
in Indien zu lokalisieren ist; vielleicht stammt sie von dort ansässigen
chinesischen Künstlern. Damit ist die traditionelle Einordnung nach
Ryukyu, der südlichsten Insel des heutigen Japan, revidiert.
Erzherzog Ferdinand II. besaß einen großen Bestand an "Exotica", deren Erwerb in engem
Zusammenhang mit den verwandtschaftlichen Beziehungen Ferdinands zum spanischen und zum
portugiesischen Königshaus und deren überseeischen Besitzungen zu sehen ist. So unterstützte er etwa
1580 seinen Cousin Philipp II. mit Waffen und Truppen bei der Übernahme Portugals. Zweifelsohne
brachten die Truppen bei ihrer Rückkehr eine beträchtliche Anzahl von exotischen Kunstwerken mit,
die im Inventar der Ambraser Sammlungen von 1596 wenig differenziert zumeist als "indianisch"
bezeichnet werden. Unklar ist, ob damit die Herkunft oder die Herstellungstechnik eines fremdartigen
Objektes gemeint ist.
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Samurai-Harnisch | | Ende 16. / Anfang 17. Jahrhundert |
Inv. Nr.: AM_PA_587
Diese Rüstung ist in Goldlacktechnik dekoriert. Dabei dient das aus dem
Lackbaum oder Lacksumach (Rhus verniciflua) gewonnene Lackharz, das
in mehreren dünnen Schichten aufgetragen und langsam getrocknet wird,
sowohl als Bindemittel des Goldstaubes als auch als Schutz des lackierten
Objektes gegen Feuchtigkeit, Hitze und Säure. Die ausgeführten Embleme
der Rüstung - unter anderem ein Drache sowie stilisierte Blüten und
Blätter der in Japan weit verbreiteten Paulownia (des
Blauglockenbaums) - sind ein Hinweis darauf, dass diese Rüstung aus dem
Besitz von Tokugawa Ieyasu (1543-1616) stammt, einem der drei
wichtigsten Shogune, denen es gelang, um 1600 alle Gebiete Japans zu
vereinen. Nachdem er anfänglich die christlichen Missionare als
Handelstreibende toleriert hatte, änderte er nach etwa zehn Jahren seine Haltung, da die christliche
Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott nicht mit dem feudalen Kastensystem vereinbar
war. Die Missionare wurden deportiert oder getötet, die christianisierte Landbevölkerung musste
wieder zum Buddhismus konvertieren oder wurde vertrieben. Um eine Wiederkehr der Christen zu
verhindern, verweigerte er jeglichen weiteren Handel mit Europa.
In Japan selbst gibt es insgesamt noch dreizehn Rüstungen dieser Art. Quellen berichten von weiteren
nach Europa gelangten Samurai-Rüstungen. Es ist bekannt, dass König Philipp II. von Spanien und
Portugal im Jahre 1584 Geschenke vom japanischen Feldherren und Politiker Toyotomi Hideyoshi
(1537-1598) erhielt, der von Tokugawa Ieyasu abgelöst wurde; unter den Gaben befanden sich auch
Rüstungen, Sättel und Speere. Die hier vorgestellte Rüstung stammt wahrscheinlich aus diesem
Bestand und gelangte wohl über Brüssel nach Ambras.
"Tödlein" | Hans Leinberger | um 1520 | Inv. Nr.: AM_PA_694
Seit dem 15. Jahrhundert wird der Tod mit den Attributen Pfeil, Bogen und
Köcher verbildlicht; diese wiederum deuten den Versen des 7. Psalms
Davids zufolge auf Gott hin, den gerechten Richter der Frommen wider die
Gottlosen: "Gott ist ein rechter Richter. / Vnd ein Gott der teglich drewet
[= droht]. / Wil man sich nicht bekeren, so hat er sein Schwert gewetzt. /
Vnd seinen Bogen gespannet, vnd zielet. / Vnd hat drauff gelegt tödlich
Geschos. / Seine Pfeile hat er zugericht zu verderben" (nach der
Übersetzung Luthers, 1545).
Die vollrund aus Birnbaumholz geschnitzte, ungefasste Figur stellt den
Tod mit Pfeilen in der erhobenen Rechten, dem Bogen in der Linken und
einem umgehängten Köcher dar. Rippen und Knochen liegen teilweise frei,
Haut und Kleidungsreste hängen in Fetzen am Skelett. Auffallend ist der ausladende Kontrapost;
dieses außergewöhnliche Standmotiv und die dynamische Körperdrehung haben dazu beigetragen, die
Skulptur dem Landshuter Bildschnitzer Hans Leinberger zuzuschreiben, der zu den führenden
Holzbildhauern an der Wende der Spätgotik zur Renaissance in Niederbayern zählt. Die Zuschreibung
basiert auf dem Vergleich mit der Bronzefigur Albrechts IV. von Habsburg für das Grabmal Kaiser
Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche, die eine ähnliche Kontrapost-Haltung zeigt. Das Modell
für diese überlebensgroße Statue fertigte Hans Leinberger im Auftrag Kaiser Maximilians I. 1514
nach einem Entwurf Hans Burgkmairs an. Das "Tödlein" wurde vermutlich ebenfalls für Kaiser
Maximilian I. angefertigt und ist zweifelsohne das künstlerisch bedeutendste Exponat aus
maximilianeischer Zeit in der Ambraser Kunst- und Wunderkammer. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
gelangte die Skulptur als Erbstück in die Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II., wo sie im Inventar
1596 wie folgt verzeichnet ist: "Der Todt mit seinem bogen und köcher, gar khunstlich von holz
geschnitzlt".
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Schreibzeug | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_PA_779
Das Schreibzeug aus dünnen Holzspänen trägt die Gestalt eines
mehrteiligen Zentralbaues mit kreisförmigem Grundriss. Der von
Türmchen und Pavillons bekrönte obere Teil ist abnehmbar; im Inneren
befinden sich zwei gedrechselte Tintenfässchen und eine ebenfalls
gedrechselte Sandstreubüchse. Das äußerst fragile Objekt ist ohne jegliche
Zweckbestimmung als reines Schaustück einer Kunstkammer konzipiert.
Ein derartiges "kunststuckh" demonstriert die künstlerischhandwerklichen
Fähigkeiten im Umgang mit dem Material, es zeichnet sich durch
technische Perfektion und die an die Grenzen der statischen Möglichkeiten
gehende Beherrschung der Drechselkunst aus. Der 18. Kasten der
Ambraser Kunst- und Wunderkammer enthielt mehrere filigrane
Holzdrechselarbeiten wie ein Heiliges Grab, Spindeln und verschiedene als
"spil" bezeichnete Aufsätze. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden diese Objekte am Innsbrucker Hof
im Auftrag Erzherzog Ferdinands II. angefertigt. Das Nachlassinventar von 1596 beschreibt das
Schreibzeug folgendermaßen: "Ain hülzener gedräxlt und geschniczlter schreibzeug, geformiert wie
ain thurn, gar khunstlich gemacht".
Erzherzog Ferdinand II. besaß in der Innsbrucker Hofburg nahe dem Lustgarten mehrere Werkstätten,
darunter eine großzügig eingerichtete "träxlerei". In dieser wurden neben verschiedenen
Schneideisen, Bohrern, Zangen, Sägen und Feilen laut Inventar von 1596 allein 325 "stuckh allerlei
dräzeug" verwahrt. Die gedrechselten Objekte der Ambraser Kunstkammer weisen besonders filigrane
Formen auf, die sie von anderen, zumeist aus späterer Zeit erhaltenen Drechselarbeiten stark
unterscheiden, weshalb eine Entstehung im süddeutschen Raum, möglicherweise am Innsbrucker Hof,
angenommen wird.
Befreiung der Andromeda, Entfesselung der Winde durch
Aeolus und Aeneas | Hans von Aachen | um 1600 |
Inv. Nr.: AM_PA_941
Die Gemälde sind auf eine Tafel aus durchscheinendem
Alabaster gemalt und stellen zwei aus der antiken Mythologie
entlehnte Themen dar: auf der Vorderseite die Befreiung der
Andromeda (Ovid, Metamorphosen 4, 663-722) und auf der
Rückseite die Entfesselung der Winde durch Aeolus (Vergil,
Aeneis 1, 49-129). Andromeda, die Tochter des Kepheus und
der Kassiopeia, wird von Poseidon zur Strafe für die
Prahlsucht ihrer Mutter - sie behauptete, schöner als die Nereiden zu sein, - an einen Meeresfelsen
geschmiedet, um einem Seeungeheuer geopfert zu werden, doch taucht der Held Perseus auf seinem
geflügelten Ross Pegasus auf und rettet die Gefesselte. Man sieht sie im Moment höchster Dramatik:
Die beiden Kontrahenten - der angreifende Perseus und das aggressive Meeresungeheuer - stehen
einander diagonal gegenüber, Andromeda bangt um ihr Leben.
Nicht minder dramatisch ist die Entfesselung der Winde auf der Rückseite wiedergegeben: Aeolus,
Herr und Bändiger der Winde, wird von Juno angestiftet, seine im Berg verschlossenen Winde zu
"entfesseln", um die Schiffe des Feindes Aeneas, die Sizilien ansteuern, in höchste Gefahr zu bringen.
Dargestellt ist die Szene, in der Aeolus mit seinem Szepter die Winde befreit; Juno - sie thront
gleichzeitig auch in ihrem von Pfauen gezogenen Wagen am Himmel - stellt ihm als Gegenleistung
eine schöne Quellnymphe in Aussicht.
Schön gemaserte Steine wie Marmor und Alabaster, aber auch Halbedelsteine waren als Bildträger
für religiöse oder antike Themen sehr beliebt. Hans von Aachen, der Schöpfer beider Gemälde,
bediente sich bei der Darstellung des stürmischen Meeres und des düsteren, wolkenverhangenen
Himmels der vorgegebenen natürlichen Struktur und Farbe des Steines und setzte starke malerische
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Kontraste. Er zählt zu den bedeutendsten Malern am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag und beschäftigte
sich intensiv mit der am rudolfinischen Hof hoch geschätzten Malerei auf Stein.
Korallenkabinett | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert |
Inv. Nr.: AM_PA_961
Der hochrechteckige Holzkasten ist innen mit schwarzem Samt
ausgeschlagen, die Seitenwände sind im unteren Drittel mit
Spiegeln versehen und an der Decke wurde mit Goldfarbe ein
Sternenhimmel gemalt. Unter und hinter einer aus Glas gestalteten
Wasserfläche ist aus zerschnittenen, teilweise goldgeränderten
Muscheln sowie roten und rosafarbenen Korallen eine Meeresgrotte
aufgebaut, vor der sich mythologische Figuren und Seeungeheuer
aus Koralle tummeln. Ihre Anzahl stimmt nicht genau mit den
Angaben im Inventar von 1596 überein: In der Nautilus-Muschel,
"ain perlmueter, gestalt wie ein schif", in der eine weibliche Figur
mit Perlenkette steht, befanden sich ursprünglich vier weitere
Korallenfiguren. Um dieses Schiff herum sind verschiedene Hippokampen, Delphine und Drachen
samt Reitern angeordnet. Dieses dem Element Wasser verhaftete mythologische Programm wurde
jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, und zwar noch vor dem Inventar von 1788, stark verändert: Aus
anderen, vermutlich beschädigten Kabinettschränken wurden die Christusfigur auf dem Korallenzweig
in der Mitte, der Kentaur und das Kind hinter der Nautilusmuschel übernommen und integriert. Das
ursprüngliche Programm kann daher nur mit Vorsicht als Festzug der Galatea oder der Venus Marina
interpretiert werden.
Zusätzlich zu den Korallen enthält dieser Kabinettschrank Muscheln aus dem südpazifischen Raum,
zarte, vermutlich in der Innsbrucker Glashütte produzierte Glasgewächse und eine bronzene Eidechse,
die vermutlich im Kreis des Jamnitzer in Nürnberg entstanden ist. Erzherzog Ferdinand II. hat 1581
vom genuesischen Handelsmann Baptist Sermino um 1500 Gulden und 1590 vom venezianischen
Kaufmann Baptist Vialla um 300 Kronen Korallen gekauft (Schönherr 1893, CLXXXIX, Reg. 10.924;
Schönherr 1896, X, Reg. 14.148). Erst in Innsbruck oder München dürften die aus Italien importierten
Korallen mit Muscheln, Glas u. a. zu derartigen Kabinettschränken zusammengefügt worden sein. Das
Inventar von 1596 beschreibt sieben Kabinettschränke mit Korallen. Einen noch größeren Bestand an
diesen Dioramen ähnelnden Korallenkästen besaß Ferdinands Neffe, Herzog Wilhelm V. von Bayern.
Turban | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: AM_WA_2818
Der Turban besteht aus einem hohen zylindrischen Hut mit abgerundeter
Spitze aus rotem Samt, türkisch külah, und einem weißen, dünnen
Leinenstoff, der um den külah gewickelt ist. 1980 erkannte man die
Zusammengehörigkeit der bis dahin getrennt aufbewahrten Teile des
Turbans, worauf diese einer Restaurierung unterzogen und neuerlich
zusammengesetzt wurden.
Das deutsche Lehnwort Turban geht in Anspielung auf die der Tulpenblüte
ähnelnde Form des um den külah gewickelten Tuches auf das
persischtürkische dulband (= Tulpe) zurück. Der Turban zählte zu den am
meisten verbreiteten Kopfbedeckungen im Osmanischen Reich. Seine
Größe gab Aufschluss über Rang und Stellung des Besitzers: So trugen
hochrangige Herrscher, wie Sultan Süleiman der Prächtige (1495-1566),
einen auffallend großen, in langen Stoffbahnen kunstvoll gewickelten Turban.
Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 erwähnt mehrere Turbane, die in der 5.
Rüstkammer, der "Türkenkammer", verwahrt wurden, darunter auch "ain pund, wie der türggisch
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kaiser pflegt zu tragen, mit aim rot sammeten gipfl", der vermutlich mit dem hier gezeigten Turban
identisch ist.
Vlad III. Tzepesch, der Pfähler, Woywode der Walachei 1456-1462
und 1476 (gestorben 1477) | Deutsch | 2. Hälfte 16. Jahrhundert |
Inv. Nr.: GG_8285
Vlad III. Dracula (um 1431 - 1477) entstammte der regierenden
Dynastie der Walachei, die Besarab I. in der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts gegründet hatte. Sein Vater, Vlad II., wurde 1431 in
Nürnberg in den Drachenorden aufgenommen und bezeichnete sich
von da an als Dracul, ein Beiname, den auch der Sohn unter
Hinzufügung des Suffixes -a (= Sohn des Dracul) verwendete. In die
Geschichte eingegangen ist Vlad III. aber aufgrund der von ihm in
großer Zahl angeordneten Pfählungen als Tepes, der Pfähler. Die als
Woiwoden bezeichneten Herzöge der Walachei waren Vasallen des
ungarischen Königs, mussten sich aber immer wieder der Übermacht der Türken beugen und ihnen
Tribut zahlen. Diese doppelte Abhängigkeit wurde vor allem dann, wenn es zu Auseinandersetzungen
zwischen Ungarn und Türken kam, zu einem "zweischneidigen Schwert". Daneben war Vlad III. in
Machtkämpfe innerhalb seiner eigenen Familie verstrickt, in der alle Söhne - auch außereheliche - zur
Nachfolge berechtigt waren. Unter diesen Voraussetzungen regierte Dracula nicht durchgehend,
sondern hatte dreimal die Regierung inne: 1448, 1456–1462 und 1476. Dabei gelang es dem
Woiwoden immer wieder, sich eine gewisse Unabhängigkeit zu verschaffen. In seiner Heimat galt
Dracula als extrem gerecht. Bekannter als seine politischen Fähigkeiten war aber seine Grausamkeit,
mit der sich berühmte Gelehrte seiner Zeit wie Thomas Ebendorfer, Papst Pius II. und Michael
Beheim befassten. Seine Stilisierung zum schrecklichsten aller Tyrannen verdankte Vlad III.
hauptsächlich den 1460 durchgeführten und von Massenpfählungen begleiteten Strafaktionen gegen
die deutschen Städte Siebenbürgens. Daher haben sich vor allem im deutschen Sprachraum die
Geschichten vom "posen Dracol" ausgebreitet. Daneben dämonisierte ihn auch eine Kampagne des
Ungarnkönigs Matthias Corvinius, seines ehemaligen Verbündeten. Zum blutsaugenden untoten
Vampir wurde Dracula jedoch erst durch Bram Stoker in dessen Roman von 1897. Das Bild befand
sich 1596 in der Bibliothek Ferdinands II. Ein weiteres, heute im KHM in Wien aufbewahrtes Porträt
des Woiwoden ist Teil der Kleinbildserie des Erzherzogs. Beide Bildnisse sind Kopien aus dem 16.
Jahrhundert nach einem verschollenen Original, das vermutlich während Draculas Gefangenschaft
am Hof des Matthias Corvinius nach 1462 entstanden ist.
Brautschale der Margarete Maultasch | | um 1340, 17. Jahrhundert
(Lippenrand mit Schrift) | Inv. Nr.: KK_52
Diese Schale aus Schloss Tirol gilt traditionell als Brautschale der
Margarete Maultasch. Die Inschrift am Schalenrand, "LIEBES :
LANGER : MANGEL : IST MIINES : HERZEN : ANGEL", ist wohl
als Anspielung darauf aufzufassen. Sie variiert einen als Inschrift auf
dem Gürtel der zukünftigen Geliebten vorkommenden Vers aus dem
Meleranz, einer Artuserzählung des mittelhochdeutschen Dichters
Pleier. Frei übersetzt bedeutet er: Das lange Entbehren von Liebe ist
der Stachel in meinem Herzen. Die Tochter Heinrichs von Tirol war
als Elfjährige mit dem siebenjährigen Johann Heinrich von Böhmen
verheiratet worden. Nach zehnjähriger kinderloser Ehe bezichtigte
Margarete ihren Mann, die Ehe nie vollzogen zu haben, verstieß ihn
und ehelichte den Wittelsbacher Markgrafen Ludwig von Brandenburg. Von ihm soll sie die Schale als
Brautgeschenk erhalten haben. Auf Betreiben der Luxemburger exkommunizierte der Papst Margarete
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und Ludwig wegen Ehebruchs und untersagte in der Grafschaft Tirol alle gottesdienstlichen
Handlungen. Als in den folgenden Jahren Heuschreckenplage, Erdbeben und Pestepidemie Tirol
heimsuchten, betrachtete dies die Bevölkerung als Strafe Gottes für Margaretes Verhalten. Daraus
erklärt sich ihr Beiname Maultasch, ein Schimpfwort für lüsternes Wesen. Die Schale ist aus
dünnwandigem Silberblech getrieben und am Schalenrand sowie innen feuervergoldet. Die Innenseite
stellt somit die Schauseite dar, die Außenseite war vermutlich durch eine halbe, von den dreilappigen
Zierblättern am Mundrand gehaltene Kokosnussschale verdeckt. Dies erklärt auch die extreme
Dünnwandigkeit der Silberarbeit. Zusammen mit dieser Schale wurde ein weiterer Kokosnusspokal
aus Schloss Tirol zunächst nach Ambras und 1817 nach Wien transferiert. Der Dekor aus sechs
großen, siebenlappigen Blättern mit jeweils lilienbekrönten Szeptern dazwischen scheint ebenfalls auf
den hochzeitlichen Zusammenhang hinzuweisen. Bei den Blättern handelt es sich vermutlich um jene
des Beifußes. Diese dem Wermut verwandte Pflanze war ein begehrtes Heilkraut gegen Frauenleiden
und wird heute noch volkstümlich als Jungfern- oder Mutterkraut bezeichnet. Den Boden der Schale
ziert ein Sechsstern, ein Glückssymbol im hochzeitlichen Brauchtum.
Truhenschloss mit eingeätztem Kruzifix | | um 1550 |
Inv. Nr.: KK_824
Die Mechanik des Truhenschlosses hat sich in ausgezeichnetem
Zustand erhalten und ist voll funktionsfähig: In der Mitte befindet
sich eine Doppelfalle, daneben gibt es zwei Seitenfallen mit
mehrfach abgewinkeltem Federmechanismus, dazu kommt eine
zusätzliche Sperre. Eingerichte und Deckplatten sind in Ätztechnik
dekoriert. Das Hauptmotiv auf der mittleren runden Platte unten
bildet das Urteil des Paris: Bei der Hochzeit von Peleus und Thetis
ist Eris, die Göttin der Zwietracht, nicht eingeladen. Aus Rache wirft
sie einen Apfel mit der Aufschrift "für die Schönste" in die
Hochzeitsgesellschaft. Zwischen Aphrodite, Pallas Athene und Hera
entbrennt ein Streit, wem der Apfel zustünde. Zeus bestimmt Paris, den Sohn des Priamos, als
Schiedsrichter und schickt den Götterboten Hermes, ihn zu holen. Um Paris für sich zu gewinnen,
versucht jede der Göttinnen, ihn zu bestechen. Hera verspricht ihm Macht, Athene Weisheit und
Aphrodite Liebe. Aphrodite kann das Urteil für sich entscheiden, als sie ihm als Bestechung Helena,
die schönste Frau der Welt, bietet. Diese ist jedoch schon mit Menelaos, dem König von Sparta,
verheiratet. Der darauf folgende Raub der Helena gilt als der mythologische Auslöser für den
Trojanischen Krieg. Dargestellt ist die Szene des Urteils selbst. Der sitzende Paris hält den Apfel noch
in seiner Linken, hinter ihm steht der Götterbote Hermes, vor ihm die drei Göttinnen. Über ihren
Köpfen schwebt der geflügelte Amor mit Pfeil und Bogen.
Darüber wird in einem längsrechteckigen Feld mit ausgenommenen Ecken eine von fünf weiteren
Wildvögeln umgebene Eule sichtbar. In Gegenüberstellung zum antiken Thema des Paris-Urteils
befindet sich darüber Christus am Kreuz, flankiert von den beiden Schächern; diese Szene nimmt den
größten Teil des Schlossmechanismus ein. Der Dekor der kleineren Flächen dazwischen besteht aus
Putten, Fischen sowie Blatt- und Blumenmotiven. Auf der Rückseite des Schlosses sind vier
achsensymmetrisch angeordnete spiralige Rundstäbe angenietet
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Schreibzeug mit Korallen | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert |
Inv. Nr.: KK_1048
Die Schreibkassette besticht durch den außerordentlich
großen Korallenzweig, aus dem die den Deckel bekrönende
Skulptur geschnitten wurde. Sie stellt den Meeresgott Neptun
auf einem zweischwänzigen Seeungeheuer reitend dar. Er
trägt in der Linken einen Schild, in der Rechten hielt er
vermutlich den Dreizack. Die Kassette selbst besteht aus
massivem Silber mit getriebenen Ornamenten auf der
Außenseite und gegossenen tatzenförmigen Füßen. Der Deckel ist mit Motiven des Meeres wie
Tritonen, den Söhnen Neptuns, und Nereiden, den Töchtern des Meergottes Nereus, sowie mit Fischen
und Wellen dekoriert. Sie bilden einen mythologischen Hinweis auf die aus dem Meer stammende
Koralle, ein Bezug, der in der Renaissance gerne hergestellt wurde. Die Ecken tragen Maskarons,
dazwischen werden Putten, Pflanzen und Fruchtbündel sichtbar. Auf dem gewölbten Deckelrand
befinden sich rollwerkumrahmte ovale Felder mit weiblichen Büsten auf den Schmalseiten und Engeln
auf den Längsseiten, die von Tugendallegorien, vorne Fortitudo und Fides, hinten Temperantia und
Prudentia, flankiert werden.
In der Mitte des Deckels erhebt sich ein Aufsatz, welcher der Korallenfigur als Sockel dient. Diesen an
den Ecken mit Sphingen geschmückten Quader kann man durch horizontales Verschieben der oberen
Platte öffnen. Der eigentliche Deckel wird an einem Scharnier aufgeklappt. Auf der Innenseite eines
zweiten Deckels befinden sich zwei von Rollwerkornamentik gerahmte Medaillons mit weiblichen
Brustbildern. Der Kassetteninnenraum ist in vier gleich große Fächer unterteilt; in seinem Zentrum
stehen Tintenfass und Streusandbüchse.
Die Korallenskulptur ist vermutlich in einer italienischen Werkstatt entstanden, die Silberarbeit
stammt von süddeutschen Goldschmieden. Dem Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596
zufolge befand sich dieses Schreibzeug im 12. Kasten, "darinnen allerlai coralln".
Münzkästchen | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_1178
Das hausförmige Kästchen steht auf vier Krallenfüßen, die jeweils eine
Kugel umfassen. Es ist mit einem versilberten, durch vergoldete Grate in
vier Flächen unterteilten Schindeldach gedeckt, die Ecken sind durch
vergoldete Baluster betont. Auf dem Giebel steht über einer von Spangen
gehaltenen Kugel aus Bergkristall die vergoldete Statuette eines bärtigen
Mannes. Die Figur entspricht einem in der oberitalienischen Bronzeplastik
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts oft verwendeten Typus und stellt
wahrscheinlich Zeus dar. In seiner linken Hand hat er einen
Kartuschenschild, die rechte Hand ist erhoben und hielt ursprünglich
einen inzwischen verlorenen Ring.
Auf der Vorder- und der Rückseite sind je sechs vergoldete Silberabgüsse
nach Münzen römischer Kaiser angebracht: vorne jeweils ein Sesterz von Vitellius, Galba, Domitian,
Titus und Vespasian, dazu kommt eine zeitgenössische Nachempfindung eines "Sesterzen" von Otho,
hinten ein Denar von Julius Caesar, jeweils ein As des Augustus und Tiberius sowie je ein Sesterz von
Caligula, Claudius und Nero. Die Seitenfelder tragen Silberabgüsse nach Medaillen des Pastorino da
Siena (1508-1592) und je vier silhouettierte Brustbilder: Auf der einen Seite befinden sich eine
ungedeutete Szene und die Reversseite einer Medaille auf Battista Sarracus von 1556, umgeben von
den Brustbildern von Sextus Tarquinius, Lucretia, Publius Cornelius Scipio Africanus und Sempronia,
auf der anderen der Tiber und die Reversseite einer Medaille auf Luigi d'Este von 1560, umgeben von
den Brustbildern von Lavinia, Aeneas, Servius Tullius und Tullia.
Wenn die eine Seitenwand geöffnet wird, kommen vier mit Rollwerkornamenten, Putten, Vögeln und
Masken dekorierte Laden zum Vorschein. Sie dienten zur Aufbewahrung von Kleinodien, wie dies
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auch aus dem Inventar von 1596 hervorgeht: "In ainem clainen versilberten truhel, mit antiquiteten
verseczt, auf vier vergulten adlerfuessel und in jeder corallen ain versilberte kugl, sein nachfolgende
perfumierte sachen". Das Inventar enthält anschließend, nach Schubladen geordnet, eine genaue
Aufzählung der darin angesammelten Objekte, die sich heute allerdings nicht mehr im Kästchen
befinden.
Prasser; Scherzgefäß | Christoph Gandtner | um 1580/90 |
Inv. Nr.: KK_3115
Die bunt glasierte Tonfigur stellt einen auf einem Fass reitenden Mann
dar, der in der rechten, erhobenen Hand eine Flasche und in der linken
einen Bierkrug hält. Vor ihm steht ein Teller mit gebratenen Fleischstücken
und Pasteten. Der Kopf ist abnehmbar und dient somit als Stöpsel.
Weinreben und Trauben, die sowohl seine Bekränzung als auch seinen
Gürtel bilden, weisen ihn als Bacchus aus. Am Boden des Fasses befindet
sich das Wappen des Andreas Unterberger, eines Beraters der Anna
Caterina Gonzaga, der zweiten Frau Erzherzog Ferdinands II. Das
Scherzgefäß ist mit Zinnglasur in den Farben Weiß, Grün, Gelb, Blau und
Braun überzogen. Die Figur gehört zu einer stilistisch und technisch
einheitlichen Gruppe, zu der auch ein Tantalus, eine auf einem Igel
sitzende nackte Frau als Allegorie der Geduld, ein Landsknecht, ein Fähnrich und trinkende Mönche
zählen. Sie stammen vom Bildhauer und Hafner Christoph Gandtner. Der gebürtige Innsbrucker, der
auch in Meran tätig war, kann eindeutig als Erzeuger dieser Figuren identifiziert werden, da die
Darstellung eines Landsknechtes mit seinem vollen Namenszug signiert ist und der Fähnrich auf dem
Postament das Gandtner-Wappen mit dem nach rechts springenden Einhorn aufweist. Die Figur ist
wahrscheinlich erst nach dem Tod Ferdinands II. über Andreas Unterberger oder dessen Sohn in den
Besitz der Witwe Anna Caterina gelangt. Als diese in das von ihr gegründete Kloster der Servitinnen
eintrat, wurden sämtliche Scherzfiguren Gandtners der Ambraser Sammlung einverleibt. Im Inventar
von 1621 sind auf zwei Bacchus-Figuren von ihm erwähnt.
Gebetbuch der Philippine Welser | | kurz nach 1557 | Inv. Nr.: KK_3232
Der in deutscher Kanzleischrift verfasste Codex ist im Inventar der
Ambraser Sammlungen aus dem Jahr 1596 erwähnt. Er enthält eine
Vielzahl von Gebeten; 240 Blätter sind mit Pflanzenund Tierdarstellungen
illuminiert, jeweils 33 historisierende Initialen und Dekorinitialen sowie
zwei Bildtafeln zeigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Wegen
der Uneinheitlichkeit des malerischen Stils ist die Mitwirkung mehrerer
Hofkünstler denkbar. Als Besitzerin des Codex gilt die erste Frau des
Erzherzogs, Philippine Welser, die dieser Anfang 1557 geheiratet hatte.
Der Spiegel des Vorderdeckels zeigt das aufgeklebte Porträt des jungen
Ferdinand mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, in den er am
28. März 1557 aufgenommen wurde. Hier abgebildet ist fol. 113r mit einer
Darstellung des Letzten Abendmahles nach Joh 13,26: [Und Jesus] "sprach: Wahrlich, wahrlich, ich
sage euch: Einer von euch wird mich überliefern. Da blickten die Jünger einander an, zweifelnd, von
wem er rede. Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tische in dem Schoße Jesu. [...]
Jener [...] spricht zu ihm: Herr, wer ist es? Jesus antwortete: Jener ist es, welchem ich den Bissen,
wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde. Und als er den Bissen eingetaucht hatte, gibt er ihn dem
Judas, Simons Sohn, dem Iskariot." Möglicherweise war Erzherzog Ferdinand II. persönlich in die
Erstellung des Programms dieser Szene eingebunden.
Die Bildtafel steht in Hinblick auf ihre Komposition Albrecht Dürers Fassung des Themas nahe.
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Dieser wiederum hatte sich, wie viele Künstler der Zeit, mit dem Werk Leonardo da Vincis
auseinandergesetzt. Der kastenförmige Raum, in dem sich die zwölf Apostel versammelt haben, ist
direkt aus Dürers Werk übernommen. Mit großer Präzision wiedergegebene Pflanzen und Tiere
umrahmen die Szene.
Fässchen und Schiffchen | | 1567 (?) |
Inv. Nr.: KK_3273 und KK_3307
Der Becher in Form eines Fässchens und das schiffähnliche
Gefäß aus beinahe farblosem Glas dienten als Scherzgläser
bei den Trinkspielen auf Schloss Ambras. Diese Feste fanden
vorwiegend in der nach dem römischen Gott des Weines
bezeichneten, extra für diesen Zweck angelegten
Bacchusgrotte im Park südlich des Hochschlosses statt, die neben den natürlichen Höhlen des Parks
zum ersten Mal 1574 im Reisebericht des Stephanus Pighius beschrieben wurde. Den Höhepunkt
stellte die Trinkprobe dar: Nach dem Genuss möglichst scharf gewürzter Speisen hielten verborgene
Ketten und Gitter die Gäste fest, die sich nur durch das Austrinken des jeweiligen mit Wein gefüllten
Gefäßes, des "Willkomms", befreien konnten. Anschließend trugen sich die Gäste in das Ambraser
Trinkbuch (Inv.-Nr. KK_5262) ein, in dem Fässchen und Schiffchen als "ain vässlein gestalt mit vier
geschmeltzten raiflen" und als "ain Cristallin glass wie ain schiff" explizit beschrieben sind.
Hergestellt wurden die beiden Gefäße in Murano, dem Zentrum für die Erzeugung des hoch
begehrten, besonders zarten und transparenten Glases im 16. Jahrhundert. Höchstwahrscheinlich
waren sie 1568 auf Bestellung von Erzherzog Ferdinand II. zusammen mit "etlich schönen
dringgeschirr als schifflein allerlei Gattung vergult' und unvergult aus Venedig" geliefert worden. Nie
zuvor hatte man dort so viele verschiedene Glassorten und Techniken verwendet; bis ins 17.
Jahrhundert blieben die Reinheit und Dünnwandigkeit der venezianischen Gläser unerreicht in
Europa. Um eine Weitergabe der Produktionsgeheimnisse an konkurrierende Glashütten zu
vermeiden, stellte die Mariegola, das Statut der Glasmacher in Venedig, die Auswanderung von deren
Zunftmitgliedern unter Strafe. Nur in seltenen Fällen genehmigte die Signoria (Stadtregierung) die
befristete Ausleihe von Fachleuten an europäische Fürstenhöfe, wie etwa nach Innsbruck an den Hof
Erzherzog Ferdinands II.
Deckelpokal aus Rhinozeroshorn | Georg Pfründt | um 1650 |
Inv. Nr.: KK_3715
Das Horn des indischen Panzernashorns war bei finanzkräftigen
Sammlern in Europa besonders begehrt und wurde von europäischen
Kunsthandwerkern häufig zu Kunstkammerstücken gestaltet. Dieser Pokal
ist mit einem vollplastisch gefertigten Nashorn bekrönt, das jenes auf
Albrecht Dürers Holzschnitt von 1515 zum Vorbild hat. Auf dem Tier reitet
ein gekrönter, mit einem Federrock bekleideter Indianerfürst, dessen
Rechte ursprünglich einen Gegenstand hielt. Hinter dem Nashorn sitzt auf
angehäuften kürbisähnlichen Früchten eine nur mit einem Lendentuch
bedeckte Dame mit Sonnenschirm. Die Figuren des Indianerfürsten und
der Dame dürften die Darstellung exotischer Völker in Hans Burgkmairs
Holzschnitt für Kaiser Maximilians Triumphzug zum Vorbild haben. Der ovale Deckel unter dem
Rhinozeros ist durch vergoldete, palmettenförmige Silbermontagen begrenzt, die sich am Fuß des
Pokals wiederholen. Die Öffnung am spitzen Ende des quer liegenden Horns zeigt eine Fratze,
während der Dekor der übrigen Außenseiten aus Pferde reißenden Löwen, Schlangen und einem
Elefanten besteht. Weitere Reliefs mit kämpfenden Seeschlangen und Delphinen sind auf dem ovalen
Fuß des Pokals angebracht. Darüber erhebt sich ein vollplastisch gearbeitetes Liebespaar, das als
Schaft dient und gleich gekleidet ist wie die beiden Figuren auf dem Horn. Es gibt einen Hinweis auf
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das Material, gilt doch das pulverisierte Rhinozeroshorn im chinesischen Raum traditionell bis heute
als Aphrodisiakum.
In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums befinden sich zwei weitere
Rhinozeroshornpokale (KK 3699 und 3689) mit einem nahezu gleichen Aufbau. Während der erste
über ein ähnliches exotisches Liebespaar verfügt, wurden beim zweiten die Menschenfiguren durch
europäische Motive - vermutlich Venus und Mars - aus Elfenbein ersetzt. Die Wiener Pokale werden
dem Wachsbossierer, Medailleur und Stempelschneider Georg Pfründt zugeschrieben.
Jagdtrophäe mit Wappen EH Ferdinands II. | | 2. Hälfte 16. Jahrhundert |
Inv. Nr.: KK_3730
Die Trophäe wird im Inventar der Ambraser Kunstkammer von 1596 im
Zwerchkasten erwähnt, der "painwerch" sowie gedrehte, geschnitzte Objekte
enthielt: "Mer ain rechkhurnle und unden daran ain gämbskhirnle,
entzwischen ir durchlaucht wappen auf pain gestochen, in der höhe ain
gehües von siben dürnlein mit ainem noch höhern thurn, inwendig am gehües
ain gallprunnen, alles von schön suptillen painwerch gar kunstlich
geschniczelt und gedräxlt". Das außergewöhnliche Rehgeweih ist ein
ungerader Achter und stammt von einem kapitalen Rehbock; seine Gabelung
dürfte durch eine Verletzung des Bastgeweihs hervorgerufen worden sein. Die
nach unten zeigend montierte Gamskrucke stammt wohl von einer gut
gehackelten Geiß, d. h. einer solchen mit stark aufgebogenen Hörnern. Ihre
Hörner wurden poliert, sodass keine Jahresringe mehr erkennbar sind. Auf dem Rehschädel ist das
aus Elfenbein bestehende Wappen von Erzherzog Ferdinand II. angebracht, dem vermutlichen
Schützen der beiden Tiere. Die Trophäen sind auf einer runden Platte mit Einlegearbeiten montiert,
die Jagdmotive und einen Pflanzendekor aufweisen. Darüber erhebt sich vor einer mit Horn belegten
Rückwand ein Aufsatz aus zarten Elfenbeinspänen. Sich nach oben verjüngend und bekrönt von einer
phantastischen Kuppel, weist das auf halbkreisförmigem Grundriss aufgebaute Gebilde heute sechs
Türme auf, 1596 waren es noch sieben. Die filigranen Ornamente aus Elfenbeinspänen setzen sich aus
Kreisen und Halbkreisen zusammen und zeigen eine enge Verwandtschaft mit anderen
Drechselarbeiten aus Holz und Elfenbein in der Ambraser Kunstkammer. Die Bearbeitung dieser
manieristischen Kunststücke geht an die Grenzen der statischen Möglichkeiten und demonstriert damit
die virtuose handwerkliche Beherrschung des Materials. Im Inneren des Gehäuses befindet sich ein
kleiner gedrechselter Ziehbrunnen mit Kette und Kübel aus Elfenbein.
Deckelbecher aus Rhinozeroshorn | | spätes 16. Jahrhundert |
Inv. Nr.: KK_3732
Der Pokal zählt zu den berühmtesten exotischen Werken in den
Sammlungen des Hauses Habsburg. Er befand sich im Besitz
Erzherzog Ferdinands II. und wird bereits im Nachlassinventar von
1596 erwähnt.
Das indische Rhinozeros wurde vor allem ab 1515 durch Albrecht
Dürers graphische Arbeiten in Europa bekannt. Für die europäischen
Sammler des 16. Jahrhunderts stellte sein Horn eines der
meistbegehrten Materialien dar. Zu seiner Schönheit, Seltenheit und
Exotik gesellte sich die aus dem chinesischen Raum übernommene
Vorstellung von einer medizinischen Wirksamkeit. Demnach wurde es
sowohl als Gift anzeigend als auch als Aphrodisiakum angesehen.
Der runde, vergoldete Fuß mit vegetabilem Rankendekor und der balusterförmige Schaft erinnern an
Messkelche. Der darüber angebrachte Korb mit Blütendekor stützt das Gefäßteil aus poliertem
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Rhinozeroshorn, das eine Versinterungen ähnelnde Struktur aufweist. Vergoldete Silberspangen
verbinden den Korb mit dem Lippenrand und fixieren das Rhinozeroshorn. Der gewölbte Deckel ist
getrieben und ziseliert. Sein Dekor geht einerseits auf indo-chinesische Vorbilder zurück, ist
andererseits aber auch von europäischen Einflüssen geprägt. Dicht gedrängt tummeln sich ziselierte
Fische, Vierbeiner und Vögel unter einer Weinranke voller Trauben. Das Ganze wird am Deckelrand
von Wellen umrahmt und symbolisiert damit das Paradies als eine von Wasser umgebene Insel. Diese
altorientalische Vorstellung vom Paradies und vom Lebensbaum war auch im Europa des 16.
Jahrhunderts bekannt. Als Griff fungiert ein vollplastisch ausgeführter Löwe. Da zeitgleiche
portugiesische Goldschmiedearbeiten ähnliche Motive aufweisen, ist eine Entstehung oder endgültige
Fertigstellung in Lissabon durchaus denkbar. Derzeit ist jedoch die Hypothese am
wahrscheinlichsten, dass der Pokal in einer Werkstatt in Goa gefertigt wurde.
Kanne aus Perlmutt | | um 1600 | Inv. Nr.: KK_4125
Korpus und Fuß der Kanne sind ohne jeglichen Holz- oder
Kupferkern frei aus verschieden konturierten, mit Messingstiften
verbundenen Perlmuttplättchen aufgebaut. Lediglich die
Messingstifte sowie Messingbänder an den Kanten dienen der
Stabilisierung. Die Kanne besitzt weder Dekor noch Montierung;
ihre Herstellungstechnik verweist auf eine Entstehung im Gujarat,
wo eine Vielzahl an Perlmuttgefäßen für den europäischen Export
hergestellt worden ist. Zwei Schlitze zum Durchlaufen von
Flüssigkeit zwischen Hohlkörper und Ausguss belegen die praktische
Verwendbarkeit der Kanne. Die Provenienz der Perlmuttkanne ist
nicht feststellbar, wahrscheinlich stammt sie aber aus der Ambraser
Sammlung Erzherzog Ferdinands II., der im "Zwerchkasten" der
Kunstkammer zahlreiche Perlmuttarbeiten verwahrte. Zwei nahezu gleiche Kannen befinden sich als
Teil einer Perlmutt-Garnitur im British Museum in London (OA+2645,1–2).
Perlmutt oder Perlmutter (von mittellat. mater perlarum) wird aus der glänzenden Innenschicht der
Schalen von bestimmten Muschelarten und Meeresschnecken gewonnen. Es besteht chemisch zu 98 %
aus dem sehr harten und spröden Mineral Aragonit und zu 2 % aus der organischen Substanz
Konchyn, durch die der Aufbau der Schale erfolgt. Der Wechsel von Konchyn- und
Aragonitschüppchen bewirkt, dass auffallendes Licht in unterschiedlicher Weise durchgelassen,
gebrochen und reflektiert wird. Dadurch erhält Perlmutt seinen charakteristischen irisierenden Glanz,
wobei die Farbnuancen des Perlmutts je nach Herkunft und Muschelart unterschiedlich sind. Bereits
um 5000 v. Chr. ist die Verwendung von Perlmutt bei den Ägyptern nachweisbar. In der Antike war es
besonders als Material für Einlegearbeiten gebräuchlich, und auch in der Renaissance diente
Perlmutt für die Herstellung von Intarsienarbeiten, z. B. an Möbeln, Musikinstrumenten und Schäften
von Schusswaffen. Als exotische Naturalie fand es vor allem im 16. Jahrhundert im Zusammenhang
mit Kunstkammerstücken einer fürstlichen Sammlung Verwendung.
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Berg Golgotha (Handstein) | | um 1550 | Inv. Nr.: KK_4167
Die Bezeichnung "Handstein" geht auf die Größe der Gesteinsproben aus
dem Bergbau zurück, die so groß waren, dass sie "eine Handfläche
ausfüllen" konnten. Umgestaltet zu Berg- und Minenlandschaften mit kleinen
Figurenszenen zählen sie zu den wertvollsten Manifestationen bergbaulicher
Kunst. Die Voraussetzung für die Herstellung von Handsteinen bildeten
Funde besonders prächtiger Metallerzstufen. Da diese als Gottesgeschenke
galten, wurden häufig Darstellungen von biblischen Figuren, Heiligen oder
Christus selbst in die Gestaltung der oft auch als Berg Golgotha
interpretierten Handsteine mit einbezogen. In ihrer Eigenschaft als
Verbindungsglieder zwischen Natur und Kunst zählten die bemerkenswerten
Nebenprodukte des Bergbaus aus Böhmen, Ungarn oder Tirol zu den
bevorzugten Kunstkammerstücken des 16. Jahrhunderts. Die bedeutendste
Sammlung befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595), der als Bergherr direkten
Einfluss auf Wahl und Gestaltung der Objekte hatte. Der hier vorgestellte Handstein stand mit
zahlreichen anderen im dritten, rot ausgemalten Kasten der Ambraser Kunstkammer; er wird im
Nachlassinventar von 1596 folgendermaßen beschrieben: "mer ain ganzer von digen silber handstain,
oben darauf ain silbern vergultes crucifix, darauf sein zwai arztgrueben, versilbert und vergult, sambt
ainem haspl und ettlich füguren von knappen, steet auf ainem hülcen plau angstrichnen fuesz".
Über einem in Blau und Gold bemalten Holzfuß mit quadratischem Grundriss erhebt sich ein aus
verschiedensten Gesteinssorten zusammengesetzter Berg, auf dessen Gipfel Christus am Kreuz
dargestellt ist. Der Mittelteil zeigt einen Bergstollen mit arbeitenden Knappen. Deren Alltagssituation,
ihre Werkzeuge und Kleidung, die Stollenverbauung und das "haspl" (= Göpelhaus - der kegelförmige
Aufbau, an dem die mechanischen Hilfsmittel zum Rohstofftransport aus den Stollen angebracht
waren) sind detailliert wiedergegeben.
Tödlein-Schrein | Paul Reichel | um 1583 | Inv. Nr.: KK_4450
In einem Schrein aus Ebenholz steht in einer rundbogigen Nische ein
menschliches Skelett; es ist ebenso wie die Nische aus Kehlheimerstein
geschnitten, einem sehr fossilienreichen Kalkstein, der nach seinem
Fundort auch als Solnhofer Stein bezeichnet wird. Als Vorlage diente
eine Tafel aus dem 1543 in Basel erschienenen Werk des flämischen
Anatomen Andreas Vesalius, De humani corporis fabrica. Eine am 17.
November 1583 ausgestellte Zahlungserinnerung deutet darauf hin,
dass das Werk wohl nicht allzu lange vor diesem Datum entstand; der
Preis wird mit 150 Gulden angegeben. Das Objekt ist im Inventar von
1596 im sechsten Kasten auf der siebenten von insgesamt acht Stellagen
verzeichnet . Die rechte Hand des durch seinen Realismus
faszinierenden Skelettes greift nach einem der Äpfel vom Baum der Erkenntnis des Guten und des
Bösen (Gen 2,9). Zwischen ihnen ist die Schlange dargestellt, die nach der Erzählung der Bibel das
erste Menschenpaar zum Genuss der verbotenen Frucht verführte (Gen 3,1-6). Stundenglas und Buch
sind zur Linken zu erkennen, die reliefierte Darstellung an der Rückwand zeigt Pfeil und Bogen sowie
einen Sarg. Während im Spätmittelalter der Tod oftmals als Jäger, Schnitter oder reitendes Skelett
gedacht und dargestellt wird, womit eine Allegorie des Tötens entsteht, findet hier das metaphysische
Rätsel des Todes einen anderen, sehr differenzierten Ausdruck. Das Bibelwort von der Vertreibung
des Menschen aus dem Paradies als Strafe Gottes für den Ungehorsam des Menschen, über welches
dieser nachzudenken scheint, ist in einer sehr sachlichen Weise in Szene gesetzt; das Skelett ist als
anatomisch richtig wiedergegebenes Relikt des Menschen von allen Anzeichen eines grauenhaft
verwesenden Körpers befreit. Pfeil und Bogen können wohl unter Anspielung auf Psalm 7 als Waffen
Gottes in seiner Eigenschaft als Richter der Gerechtigkeit und Frömmigkeit verstanden werden
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(Ps 7,9-18). An den Seitenwänden des Gehäuses sind ebenso wie im Mittelfeld der Türen-Innenflächen
Spiegel eingelassen, womit der Betrachter dieses faszinierenden Kunstkammerstückes direkt in die
Thematik einbezogen wird.
Tafelaufsatz | | 4. Viertel 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_4746
Der streng achsialsymmetrisch über ovalem Grundriss angelegte Tafelaufsatz
aus Elfenbein besteht aus mehreren ineinander gesteckten und ausgehöhlten
Einzelteilen (Dosen), die sich nach oben verjüngen. Einfache Profilierungen
wechseln mit plastisch gearbeiteten Diamantquadern an der Oberfläche ab und
verleihen dem Objekt eine schlichte Eleganz. Der Tafelaufsatz ähnelt formal
den aus Dosen und einer abschließenden Bekrönung zusammengesetzten
"Stapeldosen" aus Elfenbein (vgl. Wien, Kunsthistorisches Museum,
Kunstkammer, Inv.-Nr. KK_4695).
Die Erfindung der Drechselarbeit in ovalen Formen wird dem Mailänder
Drechsler Giovanni Ambrogio Maggiore zugeschrieben, der an den Höfen von
Prag, München und Innsbruck tätig war und auch Herzog Wilhelm V. von
Bayern die Kunst des Ovaldrechselns beibrachte. Das Bearbeiten des kostbaren Elfenbeins auf
speziell konstruierten Drehbänken war an fast allen europäischen Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts
sehr beliebt. Auch Erzherzog Ferdinand besaß - wie seine Neffen Rudolf II. in Prag und Wilhelm V. in
München - eine eigene gut ausgestattete Drechselwerkstätte; sie befand sich in Schloss Ruhelust in
Innsbruck. Die Kunst des Drechselns mithilfe von Maschinen galt als Überwindung der Natur, analog
dazu wird der dilettierende Fürst zum Gott ähnlichen Schöpfer und Gestalter überhöht.
Elfenbein war ein rares exotisches Naturprodukt und als solches ein äußerst begehrtes Material für
Kunstkammerobjekte in fürstlichen Sammlungen. Zudem wurden dem Elfenbein, wie auch vielen
anderen exotischen Naturalien, heilbringende Kräfte zugeschrieben. Es galt als Mittel zum Schutz vor
Vergiftungen und allgemein als gesundheitsfördernd. Als Lieferanten des Elfenbeins waren die
Stoßzähne des afrikanischen und asiatischen Elefanten hoch begehrt. Die Bezeichnung Elfenbein setzt
sich aus dem lateinischen elephantus, dem griechischen elephas und dem daraus entlehnten
mittelhochdeutschen helfant sowie aus "Bein" - für Knochen - zusammen.
Maser-Doppelkopf | | 1. Hälfte 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_4945
Im Ambraser Inventar von 1596 werden auf fol. 478 insgesamt drei
"doppelte(s) pecher" genannt. Dabei könnte es sich um MaserDoppelköpfe handeln. Allerdings verwendet das Inventar nicht den
Ausdruck "choph" (von lat. cuppa), der normalerweise für kugelige Gefäße
gebraucht wurde. War einem Behälter ein kleinerer, ähnlich geformter
übergestülpt, wurde aus dem "Kopf" ein "Doppelkopf". Über einem
achtfach gelappten Fuß erhebt sich ein bauchiger Pokal mit einem
seitlichen, eingedrehten Henkel. Der als Deckel darüber gestülpte zweite
Becher weist einen ähnlich gestalteten Fuß auf, der gleichzeitig als
Deckelgriff dient. Wie die meisten der sieben Ambraser Gefäße aus
Maserholz besitzt er eine beachtliche Größe. Das sehr harte und dichte
Material wurde aus Verwachsungen oder Wurzelstöcken verschiedener Laubbäume gewonnen, die
allerdings selten einen derart großen Umfang wie die Ambraser Gefäße aufweisen.
Doppelkopfbecher kommen nur im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Süddeutschland, vor. Sie
tauchen im 13. Jahrhundert auf und blieben über vierhundert Jahre in ihrer Kernform gleich.
Angehörige aller Stände, vom Kaiser bis zum Bürger, haben sie zu Feierlichkeiten oder ausgelassenen
Festen verwendet. Brautpaare und deren Gäste tranken aus dem Doppelkopf. Den Hintergrund für
ihre Verwendung bildet die uralte Sitte des Minnetrinkens. Dabei wurde an bestimmten Feiertagen zu
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Ehren des jeweiligen Heiligen geweihter Wein zum Trinken gereicht. Dieser Trank konnte
dementsprechend wundertätig wirken: Männer stärken, Frauen verschönern, Krankheiten heilen, vor
allem aber vor Zauberei und Gift schützen. Dieser Effekt wurde noch gesteigert, wenn das Holz von
Ölbäumen aus dem Heiligen Land stammte. Obwohl das Minnetrinken von der Kirche kaum gefördert
wurde, da es häufig in derbe Trinkfeiern ausartete, stellte es im 15. und 16. Jahrhundert einen der
beliebtesten und gängigsten deutschen Bräuche dar. Die Ambraser Gefäße aus Maserholz zeigen
jedoch keinerlei Spuren einer Benützung und standen vermutlich nie im praktischen Gebrauch. Ihr
außergewöhnliches Format entlarvt sie als Kunstkammergegenstände, die eine Drechselkunst von
hohem Niveau repräsentieren.
Stimmheft | | 2. Viertel 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5370
Das Stimmheft gehört zu einer Serie von vier Heften, die mit Perlen
sowie Gold- und Silberfäden bestickt sind. Ihre aufwendig gestalteten
Titelblätter zeigen das Kaiserwappen, den Reichsapfel, das Kreuz und
das Schwert; die Hefte beinhalten die auf Leinen gestickten Noten und
den Text für das in den sechs Stimmen Discantus, Contratenor I und
II, Tenor, Vagans und Bassus gehaltene Lied "Martia terque quater
Germania plaude / Triumphans Caesar ab Italia / Carolus ecce venit Aurea qui terris revehat regnata / Parente secula Saturno / Carolus
ecce venit - Vana superstitio proculi discordia / Demens pacifer ac
vindex / Carolus ecce venit" ["Kriegerisch' Germania, klatsch
zwölfmal Beifall / Triumphierend aus Italien / Siehe, Kaiser Karl kommt // Der den Ländern, regiert /
Von Vater Saturn, die Gold'nen Zeitalter zurückbringe / Siehe, Kaiser Karl kommt // Leer ist falscher
Glaube und töricht lange Zwietracht / Siehe, Kaiser Karl kommt"]. Derartige Lieder wurden für ein
bestimmtes Ereignis komponiert und gehörten wie Pauken und Trompeten, Applaus der im Spalier
stehenden Menschenmenge, Glockengeläut und das emphatisch angestimmte "Te Deum Laudamus"
zum festlichen Herrscher- Einzug.
Anlass war in diesem Fall der Einzug Kaiser Karls V. in Innsbruck am 15. Juni 1530. Nach seiner
Kaiserkrönung am 24. Februar 1530 in Bologna wird er hier als Triumphator begrüßt, der im von
Glaubensspaltung zerrissenen Deutschland Eintracht und Frieden stiften soll. Seine Sendung wird mit
derjenigen des Letztgeborenen aus der zweiten antiken Göttergeneration, derjenigen des Titans
Saturn, gleichgesetzt. Dieser machte sich laut sagenhafter Überlieferung zum Weltenherrscher, indem
er seinen Vater Uranos entthronte. Zeus / Jupiter war eines seiner Kinder. Die Stimmhefte stammen
aus der Ambraser Kunst- und Wunderkammer und sind im Nachlassinventar von 1596 als "vier
püechlen von leinbet, gesang darein genäet, so Kaiser Carl dedicirt worden" bezeichnet. Ihre
kostbare, für den praktischen Gebrauch jedoch ungeeignete Ausführung reiht die Stimmhefte unter die
herausragenden Objekte einer fürstlichen Kunst- und Wunderkammer.
Muschelblasender Triton | Nicolo Roccatagliata | 1. Viertel
17. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5627
Die dem italienischen Bronzebildner Niccoló Roccatagliata (1590- 1636)
zugeschriebene Figur zeigt Triton als ungewöhnlich jungen Mann - viel
häufiger, vor allem als Brunnenfigur, wird er bärtig und in reiferem Alter
dargestellt. Er stützt sich mit der Rechten auf einen seiner beiden
Fischschwänze und bläst kräftig in sein langes gewundenes Muschelhorn,
das er mit der Linken nach oben hält. Der griechische Dichter Hesiod (7.
Jahrhundert v. Chr.) bezeichnet Triton als Sohn des Meeresgottes
Poseidon und der Nereide Amphitrite. Zumeist wird er als Mensch
wiedergegeben, dessen Oberkörper in einen Fischleib übergeht. Seit dem
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4. Jahrhundert v. Chr. ist dieser Fischleib - wie bei der vorliegenden Figur - oft doppelschwänzig.
Der griechischen Mythologie zufolge lebte Triton in einem goldenen Palast am gleichnamigen See im
heutigen Tunesien. Als die Argonauten auf der Heimfahrt von der Suche nach dem Goldenen Vlies
durch einen Sturm in der Wüste gelandet waren, half er ihnen, indem er ihren Schiffen einen Zugang
zum Meer ermöglichte. In der römischen Dichtung ist Triton nicht sehr häufig erwähnt; Vergil
beschreibt in der Aeneis (Aen. 6,1262 ff.), dass Triton bei einem musikalischen Wettstreit dem
Trompeter Misenus unterliegt und diesen deshalb tötet.
Als Tritons Attribut dient das nach seinem Besitzer benannte Tritonshorn, das als Signalinstrument
verwendbare große Gehäuse einer Meeresschnecke (die lateinische Bezeichnung der Tritonschnecke
lautet Charonia tritonis). In dieses Horn blies Triton, um das Wasser einer Sintflut, die Zeus im Zorn
den Menschen geschickt hatte, wieder in die Meere, Flüsse und Seen zurückfließen zu lassen.
Frosch | | Anfang 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_5918
Wegen ihrer kompakten Form wurden Frösche häufig für
Naturabgüsse verwendet. Das große, in diesem Fall geöffnete
Maul konnte gut als Behälter, beispielsweise für Tinte,
verwendet werden. Dazu wurde das Tier durch Eintauchen in
Branntwein getötet und in die gewünschte Position gebracht.
Anschließend wurde es zuerst mehrmals mit flüssigem Ton
bestrichen, damit jedes Detail der Oberfläche bei der
Abformung erhalten blieb, und dann vollständig mit Ton ummantelt. Beim Brand des so vorbereiteten
Werkstücks zerfiel das Tier zu Asche, und die auf diese Weise entstandene Gussform konnte mit
flüssigem Metall gefüllt werden. Nach dem Erkalten des Metalls wurde die Form zerschlagen und der
Naturabguss freigelegt. Um die Herstellungskosten zu senken, wurden größere Tiere im
Hohlgussverfahren hergestellt. Dazu wurde das Tier in zwei oder mehr Teilen abgeformt. Die so
gewonnenen, wieder verwendbaren Teilformen wurden zusammengesetzt und im Inneren mit einer
genügend starken Wachsschicht ausgegossen. Nach dem Erstarren des Wachses wurden die
Teilformen entfernt, das Wachsmodell des Tieres erhielt einen Kern aus Ton und wurde schließlich
wieder mit Ton ummantelt. Anschließend wurde die Gussform mit flüssigem Metall gefüllt, welches
das Wachs zum Schmelzen brachte und ausfließen ließ. Der besondere Reiz der Naturabgüsse besteht
in ihrer täuschenden Ähnlichkeit mit lebenden Tieren. Sie zeugen einerseits von der Schöpferkraft der
Künstler, die quasi die Natur neu erschufen, und erlauben es andererseits dem Betrachter, die
Schönheit der Natur und Einzelheiten der Lebewesen in Ruhe zu bestaunen. Naturabgüsse waren
daher bei den Besitzern von höfischen Kunst- und Naturalienkabinetten als Sammelobjekte sehr
begehrt.
Imagines Gentis Austriacae | Francesco Terzio | um 1558/69 |
Inv. Nr.: KK_6614
Das fünfbändige Prachtwerk Francesco Terzios, Imagines Gentis
Austriacae, mit zahlreichen Bildnissen von Mitgliedern des Hauses
Österreich entstand unter der Patronanz Erzherzog Ferdinands II. und
befand sich danach im Besitz von Karl Schurff Freiherr von Schönwert,
seit 1578 Erblandjägermeister. Die vollständige Ausgabe umfasste auf 58
Blatt 74 in Kupfer gestochene Bildnisse in ganzer Figur von Fürsten aus
dem Haus Habsburg, ihren Gemahlinnen, nahen Verwandten sowie
realen und sagenhaften Vorfahren. Jeder Band enthielt eine inhaltlich
geschlossene Porträtserie, die jeweils einem bestimmten Fürsten aus dem
Haus Habsburg gewidmet war, wobei die Anordnung der Porträts nicht
nach der Chronologie erfolgte. Der erste Band war Kaiser Maximilian II. zugeordnet, der zweite
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Erzherzog Ferdinand II., der dritte Erzherzog Karl, der vierte König Philipp II. von Spanien und
schließlich der fünfte Kaiserin Maria, der Gemahlin Maximilians II.
Der zweite Teil der vorliegenden Ausgabe enthält ein Titelblatt mit einer Rollwerkkartusche vor einem
architektonisch gestalteten Hintergrund. Sein Hauptbereich ist einem Lobspruch von Claudius
Cornelius Frangipani auf die Geschichte mit ihrem Anspruch auf ewige Gültigkeit und dauerhaften
Ruhm gewidmet. Das hier vorgestellte Blatt zeigt Erzherzog Ferdinand in seiner Deutschen Rüstung;
er trägt auf dem Haupt den Erzherzogshut. Ferdinand II. ließ sich hier, wie dies einer gängigen
Habsburger-Ikonographie entspricht, als Herkules darstellen, worauf die auf dem Boden liegende
Sturmhaube mit dem Löwenvisier und die Keule in seiner Linken, aber auch der auf der Harnischbrust
dargestellte Löwenkampf hindeuten. Die lateinischen Inschriften auf den Kartuschen besagen: So
lange die bedeutendsten Persönlichkeiten bestrebt sind, höchsten Ruhm zu erlangen, so lange werden
weder schwere Sorgen noch große Mühsal Schrecken erzeugen, sondern mit Freude bewältigt werden.
In der Lünette oberhalb des Kranzgesimses ist eine Caravelle im Sturm dargestellt; die Devise "SIC
RESISTIT" bedeutet die Aufforderung, Widerstand zu leisten.
Tischuhr | | um 1590/1600 | Inv. Nr.: KK_6855
An der Vorderseite der Uhr befinden sich fünf Zifferblätter. Das größte
in der Mitte besteht aus sechs konzentrischen Kreisringen, von denen
sich die beiden innersten, jeweils mit den Zahlen 1-24 versehenen Ringe
auf die so genannten Nürnberger Stunden beziehen (Beginn der Zählung
ab Sonnenaufgang). Der folgende Ring gibt die "welschen" Stunden an
(Beginn der Zählung ab Sonnenuntergang, entsprechend dem
Kirchentag, der sich von Abend zu Abend erstreckte). Der vierte Ring ist
zweimal mit I-XII beziffert und repräsentiert die so genannte kleine oder
deutsche Uhr. Am fünften Ring konnte man Viertelstunden und Minuten
ablesen, während der äußerste Ring als Kalender diente, auf dem auch
die wichtigsten Festtage vermerkt sind. Die kleinen Zifferblätter zeigen
die Wochentage, die Tierkreiszeichen, die Sonntage und den
Mondzyklus an und dienten zur Einstellung einer Weckfunktion - die Scheibe links unten ist mit
"WECK" bzw. "WECK NICHT" beschriftet. Eine Punze an der linken Schmalseite belegt Augsburg als
Herstellungsort. Die relativ strenge tektonische Form und die klar strukturierten Dekorelemente legen
eine Datierung in die Jahre zwischen 1580 und 1600 nahe.
Diese Tischuhr gleicht Arbeiten des Nikolaus Lanz, der in Innsbruck die Erzeugung kunstvoller
Kleinuhren etablierte und auch Erzherzog Ferdinand II. belieferte. Sie vertritt einen zwischen 1550
und 1650 in Süddeutschland weit verbreiteten Typus, der auch als "Stutzuhr" bezeichnet wird.
Charakteristisch für ihn ist das quaderförmige Gehäuse mit den beiden breiten Hauptfronten, das von
einer geschwungenen, teilweise durchbrochenen Haube bekrönt wird, unter der sich die Glocken des
Schlagwerks befinden.
An der Herstellung solcher Uhren waren meistens zwei Meister beteiligt: Der Uhrmacher, der auch
der Unternehmer war und oft die gesamte Uhr signierte, fertigte das Uhrwerk aus Eisen oder
Messing, der Goldschmied war für die Ausführung des Gehäuses aus festen, feuervergoldeten
Kupferplatten zuständig.
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Seidenbild: Vogel und Blumen | | 16. Jahrhundert | Inv. Nr.: KK_8912
Die in Ambras erhaltenen Objekte chinesischer Provenienz zählen zu den
ältesten Zeugnissen asiatischer Kunst in europäischen Sammlungen. Für
den Erwerb derartiger "Exotica" dürfte wohl König Philipp II. von Spanien,
Erzherzog Ferdinands Cousin, aufgrund seiner überseeischen Besitzungen
als Vermittler gedient haben. Zum Bestand zählen auch zwei großformatige
Seidenbilder, die ursprünglich als "Rollbilder" montiert waren und erst
nachträglich auf Leinwand aufgezogen worden sind.
Das vorliegende Gemälde gehört thematisch in die Gruppe der
"Glückwunsch-Bilder", ihre Darstellungen verstehen sich demnach als
Gruß des Überbringers an den Beschenkten.
Dargestellt sind drei Vogelpaare sowie Glück verheißende Pflanzen und
Blüten: im Vordergrund ein Schwanenpaar mit Lilien, im Mittelgrund zwei
Mandarinenten mit Kamelien und im Hintergrund schließlich Eisvögel mit Lotosblumen. Diese Vögel
und Pflanzen stehen allgemein für Wohlergehen und Harmonie; im Speziellen symbolisieren sie auch
Reinheit, Treue, Schönheit und Vertrautheit, weshalb sie mit Glückwünschen zur Hochzeit in
Verbindung gebracht werden. Die Malerei auf Seide zeichnet sich durch außergewöhnliche
Farbenfrische und das Bemühen um Detailtreue aus. Das Gemälde ist, ebenso wie sein erhaltenes
Gegenstück (Inv.-Nr. KK_8913), im Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. zweifelsfrei zu
identifizieren: "ein indianisch tuech, darauf ist gemalt ein großer vogel gleichwie ein schwann sambt
andern vögelen, sonst von allerlai laubwerch gemalt".
Glasglockenklavier | anonym | Vor 1596 |
Inv. Nr.: SAM_124
Das Glasglockenklavier ist im Nachlassinventar Erzherzog
Ferdinands II. von 1596 als "ain instrument von glaszwerch"
genannt. Damals befand es sich mit anderen Tasten-,
Streichund Blasinstrumenten im 4. Kasten der Kunstkammer.
Es besteht aus einem kastenartigen, aus verschiedenen
Hölzern zusammengesetzten Gehäuse mit vorspringender Klaviatur und abnehmbarem Deckel. Das
von Minerva und Mars flankierte Wappen Erzherzog Ferdinands II. ziert die Vorderseite über der
Klaviatur; die übrige Bemalung besteht aus Rankenornamenten, Grotesken, Musikinstrumenten und
menschlichen Phantasiefiguren. Der Dekor weist eine stilistische Nähe zu den von Dionys Hallaert um
1570 gefertigten Fresken des "Spanischen Saales" in Schloss Ambras auf. Als Klangkörper dienten im
Inneren des Instrumentes angebrachte schalenförmige Gläser - "Glocken" -, die mithilfe einer
Tastenmechanik von filzbezogenen Klöppeln angeschlagen wurden. Die Erzeugung des Tons erfolgte
über die in Schwingung gesetzten Gläser. Von den Glasglocken ist keine mehr vorhanden; 1821 hat es
sie laut eines Inventarvermerkes zum Teil noch gegeben. Das Instrument ist das einzige erhaltene
seiner Art und dokumentiert die Auseinandersetzung mit neuen klanglichen Möglichkeiten. Ein
vergleichbares Klavier befand sich in der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. in Prag.
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Der Spanische Saal
Der Zugang zum Saal erfolgt über das östlich davon gelegene Kaiserzimmer, dessen Stuckarbeiten
zur ursprünglichen Gestaltung gehören. Sie stellen die ersten 12 römischen Imperatoren – von Cäsar
bis Domitian – dar. Die malerische Gestaltung ist in das Jahr 1719 zu datieren und setzt die Thematik
des Spanischen Saales fort. Sie zeigt zehn Porträts der Nachfolger von Ferdinand II. als Landesfürsten
von Tirol, beginnend bei Kaiser Rudolf II. und endend bei Kaiser Karl VI.
Der Spanische Saal und das Kaiserzimmer
Der in den Jahren 1569 bis 1572 nach den Vorstellungen Erzherzog Ferdinands II. als Festsaal
errichtete Spanische Saal zählt zu den bedeutendsten freistehenden Saalbauten der Renaissance. Die
malerische Gestaltung des 43 Meter langen Saales prägen 27 ganzfigurige, von Giovanni Battista
Fontana ausgeführte Porträts der Tiroler Landesfürsten, beginnend in der Ostecke mit Graf Albrecht I.
von Tirol über die Grafen von Görz-Tirol und Margarethe Maultasch bis hin zu den Habsburgern,
unter ihnen Ferdinand II. Die übrige Malerei an den Sockeln und Wänden schildert allegorische
Figuren und mythologische Szenen: an der Ostwand Tugenden, an der Nordwand Szenen aus der
Herkulesgeschichte (19. Jh.), an der Westwand die Freien Künste sowie Szenen aus der Geschichte
von Romulus und Remus, im Fries Arbeiten des Herkules (16. Jh.). An den Pfeilern der Südwand sind
von Dionys van Hallaert gemalte Trophäen und Grotesken zu sehen.
Die Frieszone der Nord- und Ostwand zeigt stuckgerahmte, gemalte Ochsenaugen, wobei das Innere
des Kreises in illusionistischer Art Himmel und Wolken wiedergibt und eine architektonische
Entsprechung zu den Ochsenaugenfenstern der Süd- und Westwand angestrebt wird. Als Stukkateur
kann Antonis van Brackh (oder Prackh) angenommen werden, der vermutlich mit dem Italiener
Antonio Brocco zu identifizieren ist und bereits in Böhmen für Erzherzog Ferdinand II. tätig war.
Bestimmend für den festlichen Gesamteindruck des Saales sind auch die vom Hoftischler Conrad
Gottfried 1571 aus verschiedenen Holzarten zusammengesetzten Türen sowie die z. T. vergoldete und
ebenfalls intarsierte Holzkassettendecke.
Aufgrund großer Feuchtigkeitsschäden fand in den Jahren 1878 bis 1880 eine erste umfassende
Restaurierung statt.
Kaiserzimmer
Östlich des Spanischen Saales schließt das Kaiserzimmer an, das ursprünglich als Vorraum fungierte.
Der Name des kleinen Raumes leitet sich von den gleichzeitig mit dem Spanischen Saal, 1572,
entstandenen Stuckarbeiten ab, die aus zwölf Relief büsten römischer Imperatoren bestehen und deren
ikonografisches Vorbild in Tizians Kaiserserie (1536–1539) im Palazzo Ducale in Mantua zu finden
ist. Als Stukkateur kann auch hier, wie im Spanischen Saal, Antonis van Brackh (oder Prackh)
angenommen werden. Die Gipsplastiken (Titus und Vespasian) sind vermutlich erst 1719 im
Zusammenhang mit dem Schlachtenbild entstanden. Die Thematik des Spanischen Saales wird hier
weitergeführt: Zehn ganzfigurige Porträts stellen die Nachfolger Erzherzog Ferdinands II. als Tiroler
Landesfürsten von Kaiser Rudolf II. bis Kaiser Karl VI. dar. Die malerische Ausgestaltung entstand
um 1719 und wird dem Innsbrucker Maler Michael Hueber zugeschrieben.
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Der Schlosspark
Zu Lebzeiten Erzherzog Ferdinands II. gehörte zu Schloss Ambras ein großes Waldareal. Das steil
nach Osten abfallende Gelände, das heute mit seinen Felsen, Schluchten, Brücken und einem künstlich
angelegten Wasserfall an den ursprünglichen Zustand erinnert, diente als Wildpark. Außerdem besaß
das Schloss eine 1574 vollendete, reich gestaltete Parkanlage mit Fischteichen, Vogelvolieren und
eigenen Gartenhäusern in den Lustgärten. Aus der Entstehungszeit stammen noch die in den Fels
gehauene, weiträumige Bacchusgrotte, in der Gäste des Erzherzogs einst mit den berühmten Ambraser
Trinkspielen empfangen wurden, sowie ein Treppenturm im „Keuchengarten“, dessen ehemalige
Anlage teilweise wieder rekonstruiert ist. (Keuche = Gefängnis; der Name entstand wohl in
Anlehnung an den in unmittelbarer Nähe gelegenen Gefängnisturm des mittelalterlichen
Hochschlosses.) Der mit Wasserkraft betriebene „umblauffende Tisch“ und das Ballspielhaus südlich
des Spanischen Saales sind nicht mehr erhalten. Unter Erzherzog Karl Ludwig, der Schloss Ambras
als Sommerresidenz nutzte, wurde ab 1855 der westliche Teil des Parks zu einem Landschaftsgarten
umgestaltet und der Schlosspark.
Bacchusgrotte
Die von einem starken Pfeiler und vier Gurtbögen gestützte Grotte wurde im Auftrag von Erzherzog
Ferdinand II. im Park von Schloss Ambras angelegt. Schon ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts
entstanden ausgehend von Italien europaweit in Gärten und Schlössern künstliche Grotten nach dem
Vorbild der römischen Nymphäen des 2. und 3. Jahrhunderts. Solche Brunnen- und Höhlenanlagen
waren den Nymphen, weiblichen Naturgeistern, geweiht. Die erste überlieferte Beschreibung der
Ambraser Bacchusgrotte stammt aus dem Reisebericht von Stephanus Pighius aus dem Jahre 1574.
Den Höhepunkt der Empfangszeremonie für fürstliche Gäste stellte die „Trinkprobe“ dar: Verborgene
Ketten und Gitter hielten dabei die Gäste fest, die sich nur durch das Austrinken des Weines in einem
vollgefüllten Gefäß, dem „Willkumb“, befreien konnten. Deshalb wurde die Grotte nach dem
römischen Gott des Weines als Bacchusgrotte bezeichnet.
Nach bestandener Trinkprobe trugen sich die Gäste mit einem Sinnspruch und ihrer Unterschrift in
eines der drei Trinkbücher ein, die heute noch in den Ambraser Sammlungen erhalten sind. Auf diese
Weise haben sich wichtige Persönlichkeiten der Zeit verewigt. Ebenfalls bis heute erhalten sind die für
den Ritus verwendeten Trinkgläser.
Arzneimittelgarten
Der Garten wurde im Jahr 2010 als Schülerprojekt angelegt. Aufgrund der jahreszeitlich wechselnden
Bepflanzung lässt sich keine allgemein gültige Liste der angepflanzten Kräuter erstellen. Die
Grundlage für die Auswahl der Heilpflanzen bildete das in der Ambraser Sammlung erhaltene
Arzneimittelbuch der Anna Welser von 1560/70. Es befand sich im Besitz ihrer Tochter Philippine
Welser, der Schlossherrin von Ambras.
Während im Mittelalter Krankenbetreuung fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wurde – Frauen
waren Ärztin, Apothekerin und Krankenschwester in einem –, kam es mit der vermehrten Gründung
von Universitäten und medizinischen Schulen zu einer Neuordnung des Ärzte- und Apothekerstandes.
Die auf wissenschaftlicher Ausbildung beruhende, an der griechisch-arabischen Medizin orientierte
Schulmedizin distanzierte sich von der empirischen Volksmedizin und griff die antike Tradition
wieder auf, die weniger auf praktischen Erfahrungen als auf theoretischen Erkenntnissen beruhte.
Diese Entwicklung führte zur Verdrängung der Frauen aus dem ärztlichen Betätigungsfeld. Da aber
den theoretisch gebildeten Ärzten und Apothekern die Praxiserfahrung fehlte, bevorzugten die
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Patienten bis weit ins 16. Jahrhundert die vom wissenschaftlichen Studium ausgeschlossenen, aber
erfahrenen heilkundigen Frauen, die sich in allen Gesellschaftsschichten fanden.
Anna Welsers Arzneimittelbuch ist eine im Lauf der Zeit gewachsene Sammlung von im
Hausgebrauch erprobten Rezepten gegen Krankheiten wie Blattern, Fraisen, Warzen, Fieber, Pest,
Kopf- und Bauchschmerzen, Gelbsucht, Furunkel, Würmer und Ruhr, Schlaflosigkeit oder
Unterernährung, aber auch für psychische Krankheiten. Es lassen sich Schwerpunkte erkennen, die
entweder das Krankheitsbild betreffen – wie z. B. Rezepte gegen Magenbeschwerden – oder nach den
verwendeten Zutaten geordnet sind, darunter Rezepte mit Quitten oder Veilchen.
Auffallend sind die ausführliche Beschäftigung mit Kinderkrankheiten und der immer wiederkehrende
Hinweis auf die Wichtigkeit der Zahnpflege. Auch die ausdrückliche Aufforderung, zur
Arzneimittelbereitung neues Geschirr und frisch gewaschene Tücher oder sonstiges sauberes Zubehör
zu verwenden, zeigt, dass Anna Welser den allgemeinen Hygienevorstellungen ihrer Zeit weit voraus
war.
Viele der Kräuter (Pfefferminze, Salbei, Thymian, Liebstöckel, Mutterkraut, Baldrian, Meisterwurz
u.a.) werden auch heute noch als Arzneimittel verwendet.
Das Hochschloss
Innenhof
Der zwischen 1564 und 1567 mit Grisaillemalereien al fresco (Grau-Malerei auf noch feuchtem Putz)
ausgestaltete Innenhof des Hochschlosses zählt zu den am besten erhaltenen Beispielen der
Freskomalerei des 16. Jahrhunderts. Die Darstellungen von Fürstentugenden und Musen, weiblichen
und männlichen Helden und verschiedensten Heldentaten sollten den Fürstenstand als vorbildhaft
auszeichnen. Sie beziehen sich auf den Auftraggeber Erzherzog Ferdinand II., Förderer der Künste
und Gestalter großer Feste.
Die Malerei übernimmt auch die architektonische Aufgabe, mit Hilfe des gleichmäßigen
Dekorationssystems den unregelmäßigen Hof zu vereinheitlichen und die Enge und Steilheit des
Hofraumes auszugleichen. Seit dem 15. Jahrhundert findet man in Oberitalien vergleichbare
Scheinarchitekturen mit gemalten Fenstern, Skulpturen, Gesimsen und perspektivischen
Verkürzungen, so beispielsweise die von Andrea Mantegna 1464 gestaltete Pescheria Vecchia in
Verona.
Formal und inhaltlich ist die Ausschmückung des Ambraser Innenhofs in Zusammenhang mit Schloss
Litomyšl (Leitomischl), dem Schloss des Prager Erzbischofs in Horšovský Týn (Bischofteinitz) und
dem Palais Martinitz in Prag zu sehen. Stichvorlagen der Künstler Virgil Solis und Jost Amann
wurden sowohl für die Gestaltung der Anlagen in Böhmen als auch für Ambras verwendet.
Das Parterre ist durchgängig mit Quadermalerei gestaltet. Als markanteste Szenen sind an der
Westwand (gegenüber) zwischen dem ersten und zweiten Geschoss ein Bacchuszug mit Wagen,
Satyrn und Bacchanten sowie zwischen dem zweiten und dritten Geschoss Orpheus, der vor den
Tieren musiziert, wiedergegeben. An der Nordwand (rechts) stehen zwischen den Fenstern des ersten
Geschosses die Allegorien der Freien Künste Musik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Grammatik,
Dialektik und Rhetorik in architektonisch gestalteten Nischen, darüber setzt sich der Bacchuszug fort.
Auf der Höhe des zweiten Geschosses markiert eine Unterbrechung der malerischen Gestaltung die
Stelle, an der sich in ferdinandeischer Zeit eine Loggia befunden hat. Sie wurde im 19. Jahrhundert
entfernt. Westlich vom Ansatz der Loggia sind auf einer älteren Putzschicht Reste der ursprünglichen,
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farbigen Malerei zu erkennen. Die Schlachtenszenen und Ritter in den oberen Reihen sind nicht mehr
identifizierbar.
An der Ostwand befindet sich im Erdgeschoss ein Scheinfenster mit einem Hirschen, darüber
erscheinen alttestamentarische Heldinnen wie Judith, Esther und Jael, über dem Bacchuszug gibt es
zwischen erstem und zweitem Geschoss nicht identifizierte weibliche Figuren, außerdem Judith mit
dem Haupt des Holofernes, eine Schlachtenszene und Ritter in fantastischen Rüstungen. An der
Südwand (links) sind zwischen den Fenstern des ersten Geschosses die Tugenden Fides (Glaube),
Spes (Hoffnung), Caritas (Nächstenliebe), Justitia (Gerechtigkeit), Prudentia (Klugheit), Fortitudo
(Standhaftigkeit), Temperantia (Mäßigkeit) und Sapientia (Weisheit) dargestellt, darüber wieder der
Bacchuszug, über diesem wahrscheinlich die neun Musen, antike Helden und eine Schlacht, ganz oben
die „neuen Helden“ Alexander der Große, Gottfried von Bouillon, David, Artus, Karl der Große, Judas
Makkabäus, Josua, Hector und Caesar.
Das Bad der Philippine Welser
Die berühmte Badewanne der Philippine Welser stellt eine kulturgeschichtliche Rarität dar. Die
Wanne darf jedoch nicht allein gesehen werden, sondern mit dem Schwitz- und Heizraum sowie dem
Ruheraum als Einheit wahrgenommen werden. In Schwitzbäder ging man sowohl zur Reinigung als
auch nach dem Reinigungsbad zur Pflege des Körpers. So kann man sich das Baden in jener Zeit
durchaus im Sinne von „Wellness“ vorstellen. Um die gesundheitsfördernde Wirkung des Bades zu
erhöhen, wurden dem Wasser mitunter diverse Kräuter zugefügt.
Die „Abziehstube“ wurde 1567 mit Holz vertäfelt und darüber mit einem umlaufenden Fries in
Freskomalerei geschmückt. Als Vorlagen dienten Badedarstellungen von Albrecht Dürer, Virgil Solis,
Hans Sebald Beham und Georg Pencz aus der Sammlung von rund 5.000 Kupferstichen und
Holzschnitten, die Erzherzog Ferdinand II. besaß.
Architekturtraktaten der Zeit entsprechend liegt die Ambraser Badstube nach Süden ausgerichtet und
ist mit Schwitz- und Wannenbad ausgestattet. Die etwa 1,60 Meter tief in den Boden eingelassene
Badewanne weist eine Verkleidung aus verzinntem Kupferblech auf. Da auf dem Wannenboden
zumeist heiße Steine für die Erwärmung des Wassers lagen, war es nicht üblich, dass die Badenden
direkt dort saßen; sie benutzten vielmehr Schemel oder Bänke. Der heute noch erhaltene steinerne
Hocker mit hölzerner Sitzfläche dürfte zum ursprünglichen Bestand gehören. Hinzu kommen
Sitzstufen, über die man auch in die Wanne gelangen konnte.
Im Unterschied zur originalen Wandtäfelung ist der Fußboden neueren Datums, doch wurde er nach
vorhandenen Resten nach gebaut. Die Holzdielen fallen zur Mitte hin ab und weisen Rillen auf, durch
die das Tropfwasser abfließen konnte. Eine Wasserleitung transportierte das heiße Wasser aus dem
Heizraum in die Wanne, während das kalte direkt über die Rohrleitung aus dem „Keuchengarten“
heraufgeführt wurde.
Inventare und erhalten gebliebene Rechnungen geben uns ein gutes Bild von der ursprünglichen
Ausstattung: Auf der marmornen Ablage vor dem Badfenster stand ein Springbrunnen, der mit
bemalten Tierfiguren dekoriert war. Außerdem gab es hier mehrere Schaffe aus Kupfer sowie Becken
aus Messing, „Lassköpfe“ (= Saugnäpfe) samt einem Fass für den Aderlass, ferner ein Laugenfass mit
Sieb und Kellen aus Messing. Hier ließen die Badenden sich somit das Haar waschen, die Rasur
vornehmen und sich schröpfen. Die dabei verwendeten Utensilien wie Kämme und Kosmetika wurden
nicht im Bad verstaut, sondern vom Barbier verwahrt oder mit in die Wohnräume genommen.
Die St. Nikolaus-Kapelle
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Die wechselhafte Geschichte der St. Nikolauskapelle reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Ihr
heutiges Erscheinungsbild geht aber auf das 19. Jahrhundert zurück, als der Statthalter von Tirol,
Erzherzog Karl Ludwig, die schadhaften Wandmalereien des 16. Jahrhunderts abschlagen ließ und
eine allgemeine Neugestaltung in Auftrag gab. Mit ihrer künstlerisch gelungenen Gestaltung stellt die
Kapelle im Schloss ein wichtiges Bindeglied vom Mittelalter über die Renaissance bis zur jüngeren
Vergangenheit dar.
Im Kapellenvorraum wird der Kapellenschatz präsentiert. Darunter befinden sich Ablassbriefe aus
dem 14. Jahrhundert, prächtig bestickte Messgewänder aus dem 16. Jahrhundert und kostbares
Augsburger Kirchensilber aus dem 17. Jahrhundert.
Die geostete, im Jahr 1330 erstmals geweihte St. Nikolauskapelle ist ein im Grundriss quadratischer,
von einem Netzrippengewölbe überspannter Raum mit 5/8-Chorschluss, der über die
Umfassungsmauer des Hochschlosses hinausreicht. Durch zwei große, auf einem mittleren SandsteinRundpfeiler und zwei seitlichen Halbpfeilern ruhende Bogenöffnungen ist die Kapelle mit einem
eingeschossigen Vorraum verbunden. Über dem Vorraum liegt das durch zwei spitzbogige Fenster
vom Kapellenraum getrennte Oratorium. Die Langhaus-Außenmauern und die Chorfundamente der
Kapelle zählen noch zum mittelalterlichen Baubestand des Schlosses. Ursprünglich bestand die
Kapelle aus einem querrechteckigen Schiff mit einer vorspringenden Apsis, die im heutigen
spätgotischen Chor aufgegangen ist. Im 15. Jahrhundert wurde die Apsis der Kapelle durch den 5/8Chor ersetzt, der gleichzeitig mit dem Kapellenschiff ein Sternrippengewölbe erhielt. Zur selben Zeit
entstand der Kapellenvorraum.
Im 16. Jahrhundert ließ Erzherzog Ferdinand II. unter der Leitung des Baumeisters Giovanni Lucchese
die Kapelle erneut umbauen: Der Vorraum erhielt zwei neue Eingangstüren, eine vom Burghof her,
die andere über die westlich angrenzende Sakristei, und der Vorraum wurde mit der Kapelle
verbunden. Auch das Oratorium über dem Vorraum stammt aus dieser Bauetappe. Neuerliche bauliche
Veränderungen folgten erst im 19. Jahrhundert, als Schloss Ambras von Erzherzog Karl Ludwig, der
im Jahr 1855 Statthalter von Tirol geworden war, als Wohnsitz adaptiert wurde. Zwischen 1863 und
1867 ließ der Architekt Anton Geppert zur Sicherung entlang der Nord- und Südwand des
Kapellenschiffes zwei Zuganker einbauen und die vorhandenen Mauerrisse mit Backsteinfragmenten
und Teilen der im Schiff abgeschlagenen Sandsteinrippen verschließen. In der Westwand wurden die
zwei spitzbogigen Fenster zum Oratorium ausgebrochen. Das Gewölbe des Schiffs wurde erneuert und
die sehr schadhaften Wandmalereien des 16. Jahrhunderts wurden abgeschlagen.
Nach der Neuverputzung erhielt der Innsbrucker Maler August Wörndle den Auftrag, die Kapelle
auszumalen. Er orientierte sich dabei stilistisch an den Nazarenern, ikonografisch an den
ursprünglichen Malereien des 16. Jahrhunderts, die vom Innsbrucker Buchbinder Franz Vischer 1834
„in Umrissen abgezeichnet“ worden waren. Dargestellt sind unterhalb der Langhausfenster an der
Nordwand die Geburt Christi, der lehrende Christus und die Kreuzigung, an der Südwand
Auferstehung, Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes, im Chorbogen in einer spitzgiebeligen
gemalten Nische der hl. Josef und die Unbefleckte Empfängnis. Die Glasfenster wurden von den
Brüdern Neuhauser aus der Innsbrucker Glasmalereischule nach Entwürfen August Wörndles
angefertigt. Ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammen die Kirchenbänke und der neugotische Altar
mit der vom Bildhauer Michael Stolz geschaffenen Statue des hl. Nikolaus in einer Baldachinnische.
Auf der Stirnseite der Predella sind in Blendarkaden Heiligenfiguren eingestellt.
Sammlung Gotischer Skulpturen
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Vom Innenhof ausgehend gelangt man in den Erdgeschoß des Bergfrieds, der am Ende des 13.
Jahrhunderts errichtet wurde. Gemeinsam mit Teilen des Nordtrakts und der Kapelle gehört der
Bergfried zum mittelalterlichen Bauabschnitt des Schlosses. Er diente als Wehrturm und bei
Belagerung als sicherer Zufluchtsort.
Im Erdgeschoss des am Ende des 13. Jahrhunderts errichteten Bergfrieds ist seit 1996 die Sammlung
spätmittelalterlicher Bildwerke ausgestellt. Die Objekte stammen fast alle aus der Zeit Kaiser
Maximilians I. (1459–1519). Als Hauptwerk gilt der Georgsaltar, der zwischen 1510 und 1515 wohl
im Auftrag Maximilians I. entstand und 1777 in der Georgskapelle im Schlosspark nachweisbar ist,
die in diesem Jahr abgetragen wurde. Der Kaiser, der 1493 die St. Georgs-Bruderschaft sowie 1503
eine St. Georgs-Gesellschaft gegründet hatte, fühlte sich dem Ritterheiligen besonders verbunden,
symbolisierte dieser doch die Ideen der Kreuzzüge und der Abwehr der Osmanen. In den Heiligen auf
den gemalten Altarflügeln werden zudem Porträts der Enkel Maximilians, der späteren Kaiser Karl V.
und Ferdinand I., vermutet, was ebenfalls für einen habsburgischen Auftrag sprechen würde.
Über den ursprünglichen sakralen Zusammenhang, aus dem die übrigen Figuren und Ensembles
stammen, ist wenig bekannt. Die überwiegend in Niederösterreich, aber auch im Inntal, in Salzburg,
Südtirol und dem Allgäu entstandenen qualitätvollen Stücke sind ein spätes Resultat habsburgischen
Sammeleifers im 19. Jahrhundert.
Ausstellung zur Schlossgeschichte
Die Ausstellung in den Räumen der ehemaligen „gotischen Küche“ widmet sich der Geschichte des
Schlosses und der Familie Erzherzog Ferdinands II. Der mittelalterliche Bestand der Burg lässt sich
nur noch an der Bausubstanz des Hochschlosses ablesen, in das Bergfried, Wohnburg, Kapelle und ein
weiterer Turmbau integriert sind. Ab 1564 gestaltete Erzherzog Ferdinand II. die Anlage zu einem
Renaissance-Schloss um. Die Architekten und Baumeister Paul Uschall sowie Giovanni und Alberto
Lucchese waren vor allem mit der Ausführung der Konzepte des Fürsten beschäftigt, der bis ins Detail
die Planung und deren Umsetzung beaufsichtigte.
Das um einen rechteckigen Innenhof erbaute Hochschloss umfasste vier Geschosse und war als
Wohnschloss konzipiert. Am Fuß des Schlosses ließ der Erzherzog einen der schönsten und
künstlerisch bedeutendsten monumentalen Saalbauten der Spätrenaissance errichten, der seit dem 19.
Jahrhundert „Spanischer Saal“ genannt wird. Vor der Fassade des Saales erstreckte sich nach Süden
ein Gartenparterre. Dieses war im Westen von einem eingeschossigen Gebäude, dem Ballspielhaus, im
Süden vom aufragenden Schieferfelsen begrenzt, in dem sich eine Höhle, die sog. Bacchusgrotte,
verbarg. Nach Osten öffnete sich der Wildpark, der sich bis in die Ebene des Inntales erstreckte und
mit einem künstlich angelegten Wasserfall versehen war.
Noch vor Beginn der Bauarbeiten hatte Erzherzog Ferdinand das Schloss seiner ihm damals noch
geheim angetrauten Frau Philippine Welser (1527–1580) überschrieben. Die kulturhistorische
Bedeutung des Schlosses liegt zweifellos in dem Umstand begründet, dass der Erzherzog noch zu
Lebzeiten Philippine Welsers seine bereits damals weithin berühmte Sammlung von Harnischen,
Waffen, Porträts, Naturalien, Raritäten und Kostbarkeiten in Schloss Ambras versammelte und 1589
ein zusätzliches Gebäude westlich des Unterschlosses zur Unterbringung der Waffensammlung
erbauen ließ.
Nach dem Tod des Fürsten im Jahre 1595 fielen das Schloss und die Sammlungen an den jüngeren
Sohn aus erster Ehe, Markgraf Karl von Burgau (1560–1618). Dieser war jedoch wesentlich mehr am
Ausbau seiner Residenz in Günzburg in der Markgrafschaft Burgau als an der kostspieligen Erhaltung
von Ambras und der vom Vater ererbten Sammlung in der Grafschaft Tirol interessiert, zumal er dort
keinerlei Fürstenrechte besaß. Deshalb trat er auch bald in Verkaufsverhandlungen mit Kaiser Rudolf
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II. ein, die 1606 ratifiziert wurden. In der Folgezeit verlor das Schloss seinen Status als Residenz. Die
Gebäude und die Sammlungen von Schloss Ambras wurden von den jeweiligen Landesfürsten
Beamten zur Verwaltung anvertraut. Erst unter dem Statthalter Erzherzog Karl Ludwig, der das
Schloss ab 1855 als neugotische Sommerresidenz umgestalten ließ, kam es zu Umbauten, die vom
Architekten Ludwig Förster und dessen Sohn Heinrich ausgeführt wurden.
Eine efeubewachsene Auffahrtsrampe wurde angelegt, der Bergfried erhielt ein viertes Stockwerk mit
einem Türmchen, an der Südfront entstanden ein bis zum zweiten Stock reichender Treppenturm und
ein Balkon. Auch die Nord- und die Westfassade wurden mit neuen Balkonen ausgestattet. Im
Innenhof wurde auf Eisenkonsolen ein hölzerner, verglaster Umgang auf Höhe des zweiten
Stockwerks angebracht, von dem aus Türen direkt in die Zimmer führten.
1880 wurde das Schloss wieder in ein Museum umgewandelt und die Sammlungen wurden durch die
Kustoden des Kunsthistorischen Museums in Wien, Albert Ilg und Wendelin Boeheim, neu
aufgestellt. Zwei Gebäude, die irreparable Schäden aufwiesen, wurden abgetragen und der Spanische
Saal wurde einer umfassenden Restaurierung zugeführt. 1913 wurde das Schloss zur Sommerresidenz
für den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand bestimmt. Zugleich mit den
notwendigen Adaptierungsarbeiten sollte erneut der Bauzustand des 16. Jahrhunderts hergestellt
werden und die neugotischen Zubauten unter Erzherzog Karl Ludwig sollten wieder entfernt werden.
Die angedachte Verwendung als Sommerresidenz erlebte nie ihre Verwirklichung, da nach dem Tod
des Thronfolgers im Jahre 1914 die Arbeiten eingestellt wurden.
1919 ging das Schloss als ehemaliger kaiserlicher Besitz in den der Republik Österreich über. 1922
erfolgten die ersten Maßnahmen einer Wiederherstellung und ab 1936 diente das Hochschloss wieder
Museumszwecken. Nach einer abermaligen Evakuierung der Sammlungen im Zweiten Weltkrieg
wurde die Verwaltung zunächst durch die Schlosshauptmannschaft und ab 1950 durch das
Kunsthistorische Museum übernommen. In den 70er und 80er Jahren wurden der Spanische Saal und
die Wohnräume des Hochschlosses, in den späten 80er und frühen 90er Jahren wurden die Malereien
des Innenhofes des Hochschlosses einer tiefgreifenden Restaurierung unterzogen. 1976 wurde die
Porträtgalerie installiert. Als neue Dauerausstellungen konnten 2012 Die Post ist da!
Postmeisterporträts der Taxis-Bordogna und 2013 Die Glassammlung Strasser eingerichtet werden.
Der Bauherr und Sammler Erzherzog Ferdinand II.
Erzherzog Ferdinand II. kam am 14. Juni 1529 als Sohn Ferdinands I. (1503–1564) und der Anna
Jagiello (1503–1547) in Linz zur Welt. Die Jahre 1533 bis 1543 verbrachten er und seine Geschwister
in Innsbruck, danach dienten Prag und Wien als Aufenthaltsorte der Familie. Erzherzog Ferdinand
wurde als 18-Jähriger 1547 Statthalter des Königreiches Böhmen. 1556 nahm Ferdinand an einer
militärischen Expedition im Königreich Ungarn gegen die Osmanen teil. Für Ferdinand selbst stellte
sie – obwohl ohne entscheidende Bedeutung in der großen Auseinandersetzung mit den Osmanen –
eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens dar, weshalb er 1557 in den Orden vom Goldenen
Vlies aufgenommen wurde.
In Prag veranstaltete er repräsentative höfische Feste, so inszenierte er u. a. 1558 den Einzug seines
Vaters Ferdinand I. nach dessen Kaiserkrönung in Frankfurt. Erzherzog Ferdinand leitete Bauarbeiten
am Schloss in Prag und entwarf eigenhändig das Lustschloss Stern. Nach dem Tod Kaiser Ferdinands
I. 1564 erhielt Erzherzog Ferdinand die Grafschaft Tirol und die österreichischen Vorlande. Schloss
Ambras wurde ausgebaut und diente als Wohnort seiner ersten, nicht standesgemäßen Frau Philippine
Welser (1527– 1580) aus Augsburg, der er es zum Geschenk machte. Die Ehe musste geheim gehalten
werden; die Söhne Andreas (geb. 1558) und Karl (geb. 1560) waren lediglich im Falle des
Aussterbens des Hauses Österreich im Mannesstamm nachfolgeberechtigt. Nach der Erhebung von
Philippines Vater Franz Welser in den Freiherrnstand konnte Philippine den Titel „geborene Freiin
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von Zinnenburg“ führen. Im Zusammenhang mit der Ernennung des älteren Sohnes Andreas zum
Kardinal im Jahre 1576 bestätigte der Papst die Ehe und entband die Ehegatten von dem Gelübde der
Geheimhaltung. Karl erhielt die Markgrafschaft Burgau.
Nach dem Tod Philippine Welsers traten die Söhne Andreas und Karl Ambras gegen die Herrschaft
Irmezhofen an ihren Vater ab. 1582 heiratete der Fürst nun standesgemäß seine 16-jährige Nichte
Anna Caterina Gonzaga von Mantua. Sie gebar drei Töchter und nicht den erhofften
sukzessionsfähigen männlichen Erben. Am 24. Januar 1595 starb Erzherzog Ferdinand II. und wurde
in der von ihm errichteten Silbernen Kapelle in der Innsbrucker Hofkirche beigesetzt.
Die Habsburger Porträtgalerie
Schloss Ambras ist wie kein anderer Ort für die Unterbringung der „Habsburger Porträtgalerie“
geeignet, legte doch Erzherzog Ferdinand II. neben seiner berühmten Kunst- und Wunderkammer und
den Rüstkammern auch eine umfangreiche Porträtsammlung an. Teil dieser Sammlung waren Porträts
berühmter Persönlichkeiten, die durch ihre Leistungen oder durch ihre Herkunft eine besondere Rolle
in der Geschichte gespielt haben. Darüber hinaus hat sich auch in anderen Habsburger Residenzen
wie Graz und Wien sowie in den kaiserlichen Schlössern eine große Anzahl von dynastischen Bildern
erhalten, von denen eine bedeutende Auswahl heute ebenfalls in Ambras gezeigt wird.
Die Habsburger Porträtgalerie umfasst die Zeitspanne vom 14. bis 18. Jahrhundert, eine Zeit also, in
der die Habsburger wie kaum eine andere europäische Herrscherdynastie die Geschicke Europas
mitbestimmt haben und mit den wichtigsten Herrscherhäusern verwandt oder verschwägert waren. So
findet man hier nicht nur Porträts der Habsburger wie Kaiser Maximilian I., Kaiser Karl V., König
Philipp II. von Spanien und der jungen Maria Theresia, sondern auch von Mitgliedern anderer
Herrschergeschlechter etwa Königin Elisabeth I. von England, der Wittelsbacher, Medici, Valois,
u.a.m.
Der Rundgang durch die Galerie gestaltet sich als eine Reise durch die europäische Geschichte. Die
Porträts spiegeln jedoch nicht nur die Heirats- und Bündnispolitik der Herrscherhäuser wieder,
sondern auch die Kunst- und Kulturgeschichte der Epoche ihrer Entstehung. Eine weitere
Besonderheit sind die vielen Kinderporträts, etwa das Peter Paul Rubens zugeschriebene Bild der
dreijährigen Eleonora Gonzaga. Berühmte Maler standen im Dienst der Herrscherfamilien; so sieht
man in Ambras Meisterwerke von Lucas Cranach d. J., Giuseppe Arcimboldo, Jakob Seisenegger,
Hans von Aachen, Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Diego Velázquez und anderen. In ihrem
Umfang von rund 200 Bildern und ihrer künstlerischen Qualität ist die Habsburger Porträtgalerie in
Schloss Ambras der National Portrait Gallery in London oder der historischen Porträtsammlung in
Schloss Versailles ebenbürtig.
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Geschichte der Porträtgalerie
Schon Erzherzog Ferdinand II. legte als Landesfürst von Tirol eine umfangreiche Porträtkollektion an.
Nach dem Vorbild des Humanisten Paolo Giovio in Como sammelte er ab 1576 Bildnisse in
Miniaturformat, von Familienmitgliedern, Angehörigen deutscher und anderer Fürstenhöfe, von
Päpsten, Feldherren sowie berühmten Männern und Frauen aus Vergangenheit und Gegenwart. Diese
Sammlung, die den beachtlichen Umfang von rund 1.000 Porträts erreichte, ist heute im Münzkabinett
des Kunsthistorischen Museums in Wien ausgestellt.
Fast 200 Jahre nach Ferdinands Tod 1595, im Jahr 1781, kam erstmals die Idee einer separaten
Habsburger Porträtgalerie auf. Schließlich wurde dann 1976 in Schloss Ambras die – zunächst als
temporäre Präsentation geplante – „Porträtgalerie zur Geschichte Österreichs von 1400 bis 1800“
eröffnet. Seither werden im Hochschloss dauerhaft etwa 250 Bildnisse gezeigt, die aus den
kaiserlichen Sammlungen stammen bzw. ehemals zur Ausstattung der habsburgischen Schlösser
dienten.
Anders als die historisch-universale Bildnissammlung Ferdinands II. ist die heutige Porträtgalerie
vorrangig nach dynastisch-genealogischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Neben den namhaften
Repräsentanten aus dem Hause Österreich, das mit seinen Kaisern jahrhundertelang die Geschicke
Europas bestimmte, sind auch dessen weitverzweigte Familienverbindungen dokumentiert. Darüber
hinaus eröffnet die Galerie einen facettenreichen Einblick in die Kunst des höfischen Porträts, das sich
als eigenständige Bildgattung im Umfeld der Fürstenhöfe entwickelte und sich in der alpenländischen
und süddeutschen Kunst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als feste Bildnisform etablierte.
Während bürgerliche Privatpersonen Porträts von sich in erster Linie in Auftrag gaben, um die eigene
Erscheinung für die Nachwelt zu überliefern, hatte das höfische Bildnis zusätzlich zumeist
repräsentative Funktion; es sollte ein Idealbild des Regenten zeigen, das seine erhabene Stellung, seine
Würde und sein Selbstbewusstsein widerspiegelte. Mit dem zunehmenden herrscherlichen
Repräsentationsbedürfnis entwickelte sich eine immer besser organisierte Hof kunst und es entstand
der neue Künstlerstand des Hofmalers. Die Habsburger beriefen einige der angesehensten Maler der
Zeit in ihre Dienste, unter ihnen Jakob Seisenegger, Giuseppe Arcimboldo, Hans von Aachen,
Giovanni Pietro de Pomis, Alonso Sánchez Coëllo, Bartholomäus Spranger, Francesco Terzio, Juan
Pantoja de la Cruz, Joseph Heintz d. Ä., Frans Luyckx, Guido Cagnacci und Diego Velázquez.
Die A mbraser Porträtgalerie zeigt Mitglieder der Familie Habsburg aus der Zeit vom 14. bis zum 18.
Jahrhundert; diese verdeutlichen zugleich die Geschichte der Entwicklung des Habsburgerreiches zur
europäischen Großmacht. Die Gemälde sind in drei Stockwerken des Hochschlosses ausgestellt; der
Rundgang beginnt mit den ältesten Porträts im dritten Obergeschoss und endet mit den jüngsten
Bildnissen im ersten Obergeschoss. In einem Teil der Räume des zweiten Stockwerks gibt die
Ausstattung mit Fresken (Darstellungen von Tieren, Pf lanzen, Früchten, ein Fries mit Kampfszenen
etc.) zu erkennen, dass diese Räume ursprünglich Erzherzog Ferdinand II. und seiner Familie
vorbehalten waren.
15. und 16. Jahrhundert (drittes Obergeschoss)
Nach dem Aussterben der Babenberger war das Herzogtum Österreich in den Besitz der Habsburger
gelangt; 1453 wurde es zum Erzherzogtum erhoben. Vor allem unter Maximilian I. (1459 –1519,
Kaiser ab 1508) gelang eine enorme Ausweitung der habsburgischen Territorien: Durch seine Ehe mit
Maria von Burgund 1477 sicherte er seinen Nachkommen das Erbe dieses reichen Landes, durch die
Hochzeiten seiner Kinder Philipp der Schöne und Margarethe gewannen die Habsburger den
spanischen Thron und durch die Verheiratung von zweien seiner Enkel in der „Wiener
Doppelhochzeit“ 1515 gelangte sein Haus an die Königskronen von Ungarn und Böhmen. Mit großem
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Geschick begründete Maximilian I. so die Vormachtstellung der Habsburger, die in den kommenden
Jahrhunderten andauern sollte. Karl V. (1500–1558, Kaiser ab 1530), der seinem Großvater auf dem
Kaiserthron nachfolgte, war der eigentliche Gewinner dieser Politik. Unter Karls Regentschaft
erreichten die habsburgischen Besitzungen ihre größte Dimension: Der Kaiser herrschte über weite
Teile Europas und durch seine Kolonien in Übersee hatte er eine Universalmonarchie errichtet, ein
Reich, „in dem die Sonne nicht unterging“. 1526 heiratete Karl Isabella, Infantin von Portugal. Bereits
1521/22 hatte er seinem Bruder Ferdinand (1503–1564, Kaiser ab 1558) die österreichischen Erblande
überlassen und ihn zu seinem Stellvertreter während seiner Abwesenheit im Reich ernannt. Ferdinand
I. hatte somit das Erzherzogtum Österreich, die innerösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten,
Krain etc.) sowie Tirol und die Vorlande erhalten; er war ab 1526/27 König von Ungarn und Böhmen
und wurde schon 1531 zum römisch-deutschen König gewählt. Mit seiner Frau Anna Jagiello, der
Erbin von Ungarn und Böhmen, hatte er 15 Kinder, darunter Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595), ab
1564 Landesfürst von Tirol und Herr von Schloss Ambras. Während Karls Nachkommen die
spanische Linie der Habsburger fortsetzten, fielen die Erblande und die Kaiserwürde der von
Ferdinand begründeten Linie zu.
16. und 17. Jahrhundert (zweites Obergeschoss)
Philipp II. (1527–1598) erbte von seinem Vater Karl V. nicht nur den spanischen Königsthron,
sondern auch die Niederlande, Burgund und die Gebiete in Italien. Aus seinen vier Ehen gingen acht
Kinder hervor, darunter sein Nachfolger als König von Spanien und Portugal, Philipp III. (1578–
1621), der mit Erzherzogin Margarethe von Österreich verheiratet war. Die österreichische Linie der
Habsburger setzte Kaiser Maximilian II. (1527–1576, Kaiser ab 1564) fort, ein Sohn Ferdinands I.
Während seiner Regentschaft begannen die Hochzeiten der Habsburger untereinander; die enge
Vernetzung der österreichischen und spanischen Linie diente auch einer Stärkung des Reiches
gegenüber Frankreich und den Osmanen. Allein sieben der insgesamt 15 Nachkommen von Erzherzog
Karl II. von Innerösterreich heirateten in die Fürstenhäuser von Spanien, Polen, der Toskana, von
Bayern, Mantua und Siebenbürgen ein. Rudolf II. (1552–1612, Kaiser ab 1576), der den Hof nach
Prag verlegte, erwies sich als besonderer Förderer von Kunst und Wissenschaft; unter ihm erfuhren die
österreichischen Kunstsammlungen einen bedeutenden Ausbau. Sein Bruder Matthias (1557–1619,
Kaiser ab 1612) residierte wieder in Wien. Matthias’ fromme Frau Anna ließ das Wiener
Kapuzinerkloster erbauen, wo fast alle österreichischen Habsburger ihre letzte Ruhestätte finden
sollten. Mit Ferdinand II. (1578–1637, Kaiser ab 1619) gelangte ein weiterer Enkel Ferdinands I. auf
den Thron. Streng katholisch erzogen, tat sich Ferdinand II. als rigoroser Verfechter der
Gegenreformation hervor. Mit Hilfe seines Vetters Maximilian I. von Bayern, des Führers der
Katholischen Liga, schlug er den Aufstand der Protestanten in Böhmen nieder, der mit dem „Prager
Fenstersturz“ 1618 den Dreißigjährigen Krieg eingeleitet hatte. Nach den böhmisch-pfälzischen und
den niedersächsisch-dänischen Auseinandersetzungen erreichte der Krieg schließlich mit dem
Eingreifen Schwedens und Frankreichs auf Seiten der Protestanten seine verheerendsten Ausmaße.
Die ab 1644 von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657, Kaiser ab 1637) angestrebten
Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück gelangten erst 1648 zu einem erfolgreichen
Abschluss.
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17. und 18. Jahrhundert (erstes Obergeschoss)
Aus den drei Ehen Ferdinands III. gingen elf Kinder hervor, von denen viele in den europäischen
Hochadel einheirateten. Erzherzog Leopold Wilhelm, der jüngere Bruder Ferdinands III., tat sich als
Statthalter der spanischen Niederlande besonders durch ein außergewöhnliches Mäzenatentum hervor;
seine Sammlungen bilden den Grundstock der Wiener Gemäldegalerie. Unter Kaiser Leopold I. (1640
–1705, Kaiser ab 1658), während dessen absolutistischer Regentschaft es zu einem letzten Höhepunkt
der Gegenreformation kam, keimte der französisch-habsburgische Konflikt wieder auf. Zudem
verteidigte Leopold I. Wien 1683 erfolgreich gegen die erneute Belagerung durch die Osmanen. 1701
eröffnete er im Streit um die Thronfolge des letzten spanischen Habsburgers den „Spanischen
Erbfolgekrieg“ gegen Frankreich, der von seinem Sohn Joseph I. (1678–1711, Kaiser ab 1705)
fortgesetzt wurde. Schließlich wurde jedoch Philipp von Anjou aus dem Hause Bourbon spanischer
König und der zuvor proklamierte jüngere Sohn Leopolds I., Karl VI. (1685–1740, Kaiser ab 1711),
musste auf die spanische Krone verzichten. Maria Theresia (1717–1780), Tochter Karls VI., heiratete
Franz Stephan von Lothringen, dessen Kaiserkrönung sie 1745 durchsetzte. Die stark am
Katholizismus orientierte Herrscherin, die trotz aller barocken Traditionen politisch eine Vielzahl von
Reformen einleitete, gilt als prägende Gestalt eines aufgeklärten Absolutismus. Die Tiroler Linie der
Habsburger erlosch mit den Erzherzögen Ferdinand Karl (1628–1662) und Sigismund Franz (1630–
1665), den beiden Söhnen Leopolds V.
Ausgesuchte Meisterwerke
Diptychon: König Philipp I. der Schöne (1478-1506) als
Sechzehnjähriger und Margarethe, die Schwester König
Philipps I. des Schönen, im 14. Lebensjahr |
Meister der St. Georgsgilde | um 1494 |
Inv. Nr.: GG_4446 und GG_4447
Kaiser Karl V. (1500-1558) im Harnisch, Bildnis in
halber Figur | Tiziano Vecellio, gen. Tizian | Mitte 16.
Jahrhundert | Inv. Nr.: GG_8060
Als Vorlage für dieses Gemäldes diente das im Original
verlorene Portrait, das Tizian nach der Schlacht bei Mühlberg in
Augsburg anfertigte und das in zahlreichen Kopien, darunter
Bildnisse von Juan Pantoja de la Cruz und Rubens, überliefert ist.
Im Vergleich mit einigen anderen Ausführungen gibt dieses Gemälde
das Original Tizians genauer wieder.
Der Reiterharnisch, den Karl V. auf dem Bildnis trägt, ist vermutlich
eine Arbeit des Desiderius Helmschmid aus Augsburg von 1547/48,
nicht jedoch der Harnisch der Schlacht von Mühlberg, den einige
andere Kopien zeigen.
Karl V. wurde im Jahr 1500 in Gent als ältester Sohn Philipps des
Schönen und Juanas von Kastilien geboren. Infolge des Todes seines
Vaters und der Krankheit seiner Mutter wurde er unter Aufsicht
seiner Tante Margarete in den Niederlanden erzogen und bereits
1515 für volljährig erklärt. Nach dem Tod seines Großvaters mütterlicherseits, Ferdinand von
Aragon, wurde er 1516 König von Spanien; von seinem Großvater väterlicherseits, Maximilians I.,
erbte er 1519 die österreichischen Länder und die Niederlande. Durch eine Erbteilung mit seinem
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Bruder Ferdinand I. kam es zu einer spanischen und österreichischen Linie der Habsburger. 1530
wurde Karl V. in Bologna zum Kaiser gekrönt. Seine Regierungszeit ist von unablässigen
kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich, den europäischen
Nationalstaaten und den protestantischen deutschen Reichsfürsten erfüllt. 1547 gelang dem Kaiser in
der Schlacht bei Mühlberg ein Sieg über die protestantischen Reichsfürsten. 1556 legte der Kaiser
seine Würden nieder und zog sich nach San Jeronimo de Yuste zurück, wo er 1558 starb.
Erzherzogin Anna (1528-1590), Tochter von Ferdinand I., Bildnis in ganzer
Figur | Jakob Seisenegger | um 1545 | Inv. Nr.: GG_3236
Die Erzherzogin trägt ein Kleid, das der deutschen Renaissancemode entspricht,
die erst nach der Jahrhundertmitte von der spanischen verdrängt wurde. Das
Erscheinungsbild der Dargestellten ist vor allem durch den reichen Fall des
Kleides, die weiten, bauschigen Ärmel und den gefältelten Rock bestimmt. Die
eng anliegende Frisur wird von einem Haarnetz bedeckt; darauf sitzt ein flaches
Barett.
Erzherzogin Anna wurde 1528 in Prag als Tochter König Ferdinands I. und
seiner Gemahlin Anna von Ungarn geboren. 1544 wurde sie mit Karl, Herzog
von Orléans, verlobt, 1546 mit Herzog Albrecht V. von Bayern vermählt. Eines
dieser beiden Ereignisse könnte der Anlaß für die Entstehung dieses Bildnisses
gewesen sein.
Das Bild stammt von Jakob Seisenegger, der ab 1531 Hofmaler Ferdinands I. war und zahlreiche
Portraits der Familienmitglieder gemalt hat.
Maximilian II. (1527-1576) und seine Gemahlin Maria von Spanien
(1528-1603) und seine Kinder Anna (1549-1580), Rudolf (15521612) und Ernst (1553-1595) | Giuseppe Arcimboldo | um 1563 nach
einer Vorlage von 1553/54 | Inv. Nr.: GG_3448
Schloss Ambras, weithin sichtbar oberhalb von Innsbruck gelegen,
zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Landeshauptstadt.
Seine kulturhistorische Bedeutung ist untrennbar mit der
Persönlichkeit Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595) verbunden, der
als echter Renaissancefürst die Künste und Wissenschaften förderte.
Er begründete die prachtvollen Ambraser Sammlungen, zu deren
Unterbringung er im Bereich des Unterschlosses eine nach
modernsten Kriterien konzipierte Museumsanlage errichten ließ.
In der heutigen Ausstellung wird versucht, des Erzherzogs Kunst- und Wunderkammer, seine
Heldenrüstkammer und Rüstkammern sowie sein Antiquarium zu rekonstruieren. Im Hochschloss
befanden sich zu Ferdinands Zeiten die Wohnräume. Heute ist dort auf drei Stockwerke verteilt die
Habsburger Portraitgalerie mit Bildnissen von Albrecht III. (1349-1395) bis Kaiser Franz I. (17681835) zu sehen. Ausgestellt sind mehr als 200 Bildnisse, unter ihnen wertvollste Arbeiten bekannter
Künstler wie Lukas Cranach, Anton Mor, Tizian, van Dyck und Diego Velásquez. Im Erdgeschoß des
Hochschlosses ist die Sammlung spätmittelalterlicher Bildwerke untergebracht, deren Prunkstück der
Georgsaltar Kaiser Maximilians I. ist.
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König Philipp II. von Spanien (1527-1598), Brustbild in spanischer
Hoftracht mit dem Orden vom Goldenen Vlies | Alonso Sánchez Coello |
um 1568 | Inv. Nr.: GG_9375
Alonso Sánchez Coello, ein Schüler Anthonis Mors, war zuerst Hofmaler
Johanns III. von Portugal, dann Philipps II. von Spanien. Dieses Brustbild
des Königs ist die Variante eines ebenfalls dem Sánchez zugeschriebenen
Portraits im Prado in Madrid, auf dem auch noch die Hände des
Dargestellten zu sehen sind.
Philipp II. trägt die spanische Hoftracht mit dem Orden vom Goldenen
Vlies, dem Zeichen des gleichnamigen Ritterordens, den die Habsburger
von den Burgundern übernommen hatten.
Philipp II., "El Prudente" (= der Weise) genannt, wurde 1527 als Sohn
Kaiser Karls V. und der Isabella von Portugal geboren. 1556 wurde er
König von Spanien. Seine Regierung brachte Spaniens Vormachtstellung innerhalb der europäischen
Staaten. Philipp II. erlitt auch einige große Niederlagen: 1579/81 gingen die nördlichen Provinzen
der Niederlande verloren, und 1588 wurde die spanische Armada von England besiegt. Dem stand die
Erwerbung Portugals und seines großen Kolonialreiches gegenüber. Der größte Sieg des
Jahrhunderts war jedoch die Vernichtung der türkischen Flotte in der Schlacht von Lepanto 1571
unter der Führung von Don Juan deAustria, eines Halbbruders König Philipps. Dessen vier
Eheschließungen mit Maria von Portugal, Maria Tudor, Isabella von Valois und Erzherzogin Anna
entsprachen politischen Zielen. Die Gewissenhaftigkeit und die unbedingte Selbstbeherrschung
Philipps II. waren ebenso bewundert wie gefürchtet.
Infantin Anna (1601-1666), Königin von Frankreich, Bildnis in ganzer
Figur mit einem Löwenäffchen | Juan Pantoja de la Cruz | 1604 datiert |
Inv. Nr.: GG_3421
Eleonore von Gonzaga (1598-1655), Kaiserin, im Alter von zwei Jahren,
Kniestück | Peter Paul Rubens | um 1600/1601 | Inv. Nr.: GG_3339
Im Inventar Erzherzog Leopold Wilhelms aus dem Jahr 1659 wird das Bild
als Werk des Peter Paul Rubens bezeichnet. Es müßte sich demnach um
eines der ersten Werke handeln, die der Künstler für den mantuanischen
Hof gemalt hat, auch wenn Unterschiede zu der einige Jahre später
entstandenen Malerei des Meisters feststellbar sind. Peter Paul Rubens
befand sich zunächst im Dienst des Herzogs Vincenzo Gonzaga in Mantua,
bevor er Hofmaler der Regenten der Niederlande wurde.
Die im Alter von etwa 3 Jahren dargestellte Eleonore Gonzaga wurde 1598
als Tochter des Herzogs Vincenzo I. von Mantua und der Eleonore de
Medici geboren. Auf dem Bildnis ist die kleine Prinzessin mit einem roten
Überkleid ausgestattet, das durch aufgenähte Borten wie vorne verschnürt
wirkt. Außer einer reichen Agraffe im Haar und einer langen Kette trägt sie
auf dem Ärmel des Kleides ein großes Schmuckstück mit einer emaillierten
Meerkatze. Es könnte sich vielleicht um jenes Stück handeln, das in ihrem
zahlreiche kostbare Schmuckstücke verzeichnenden Inventar aus dem Jahr
1644 als "1 Aff mit einer Sackpfeiffen mit Demant und Rubin" genannt
wird.
1622 wurde die wegen ihrer besonderen Schönheit berühmte Prinzessin mit Kaiser Ferdinand II. als
dessen zweite Gemahlin vermählt. Sie stiftete sowohl in Graz als auch in Wien Klöster der
Karmelitinnen.
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Anna de' Medici (1616-1676), Erzherzogin, mit einem Schoßhündchen,
Dreiviertelporträt | Justus Sustermans | um 1630 | Inv. Nr.: GG_803
Vittoria della Rovere (1622-1694) im Alter von vier bis fünf Jahren |
Lorenzo Lippi | um 1626/1628 | Inv. Nr.: GG_4518
Erzherzog Karl Joseph (1649-1664) mit Eichhörnchen, im Alter von vier
bis fünf Jahren | Cornelis Sustermans | um 1653/1654 |
Inv. Nr.: GG_3188
Das Bild ist das einzige mit voller Signatur überlieferte Hofportrait von
Cornelis Sustermans, dem jüngeren Bruder des bekannteren Justus.
Cornelis war im Atelier seines Bruders ausgebildet worden und seit 1623
in Wien für den kaiserlichen Hof tätig.
Das Bildnis zeigt den Erzherzog in ganzer Figur im Alter von vier bis fünf
Jahren und mit einem Eichhörnchen. Auffallend ist seine eigenartige
Kleidung, die in Paris angeblich als kindliche Kleidung des jungen Ludwig
XIV. ausgebildet worden ist. Die weiten Stiefel haben spitzengefüllte
Trichter, die kurze, "rhingrave" genannte Hose sitzt tief auf den Hüften,
das kurze, offene Jäckchen reicht kaum bis zur Taille, und darunter quillt
ein Hemd mit bauschigen Hemdärmeln hervor. Eine Überfülle von Spitzen,
Bandschlaufen und Bandrosetten schmückt das Gewand. Nicht minder
dekorativ wirkt der große, hohe Hut mit seiner Schleife und den wallenden
Federn.
Karl Joseph kam 1649 als einziger Sohn Kaiser Ferdinands III. und dessen
zweiter Gemahlin Maria Leopoldine auf die Welt. Er wurde für den
geistlichen Stand bestimmt und trat bereits als 13-jähriger die Nachfolge
Erzherzog Leopold Wilhelms als Bischof von Passau an. Dieser hatte an
Karl Joseph kurz vor seinem Tod auch die Würde des Hochmeisters des
Deutschen Ritterordens abgetreten und ihn zum Erben seines gesamten
Besitzes mit Ausnahme der Kunstsammlung eingesetzt. Karl Joseph starb
jedoch bereits im Jahre 1664.
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Die Glassammlung Strasser
Die Sammlung Strasser ist eine der weltweit bedeutendsten Glassammlungen. Sie wurde in mehr als
50-jähriger Sammeltätigkeit von Prof. Rudolf Strasser angelegt und umfasst insgesamt über 300
kostbare Gläser aus dem Zeitraum von der Renaissance bis zum Klassizismus, die in den wichtigsten
europäischen Glaserzeugungsgebieten produziert wurden.
Der Sammler wurde 1919 als Rudolf Strasser von Györvár in Pressburg (Bratislava) geboren und
wuchs im elterlichen Barockschloss Majorháza auf. Hier waren es, um einen Ausdruck Strassers zu
verwenden, „lachende“ Biedermeiergläser, die durch Licht und Farbe seine Aufmerksamkeit auf sich
zogen.
Rudolf Strasser begann seine Sammeltätigkeit im New York der späten 1950er Jahre. Eine enge
Zusammenarbeit mit dem Corning Museum of Glass im Staat New York ergab Impulse für Studien
und Publikationen. Sein besonderes Interesse lag bald auf der historischen Aussage der Gläser. Gerade
Erzherzog Ferdinand II., Herr von Ambras und Gründer der musealen Sammlungen in diesem Schloss,
prägte mit seiner Vorliebe für die Glaskunst und seiner eigenen Sammellust das Kunstverständnis
Strassers. Als Sammler italienischer Kunst der Renaissance ließ sich Ferdinand II. über Händler und
Diplomaten venezianisches Glas liefern, dessen klarer Glanz die Reinheit des Bergkristalls kunstvoll
nachahmte und das deshalb auch als cristallo bezeichnet wurde; auf diese Weise wurden die genannten
Erzeugnisse zu begehrten Kostbarkeiten.
Zu den frühesten Dekoren venezianischen Glases gehört der auch als Diamantgravur bezeichnete
Diamantriss. Dabei werden durch einen über die kalte Oberfläche des Glases gezogenen Stift mit
Diamantspitze Ornamente oder Beschriftungen eingraviert. Die Herstellung von farbigem Glas durch
Beimischung von Metalloxiden wurde ebenfalls in venezianischen Hütten des 15. Jahrhunderts
perfektioniert und in der Folge auch im Norden aufgenommen. Durch die Kaltmalerei und besonders
durch die Entwicklung der Emailmalerei kamen weitere Ausdrucksmöglichkeiten in Hinblick auf die
Farbigkeit hinzu. Gerade nördlich der Alpen erlebten diese Techniken ihre charakteristische Blüte.
Narrativ vorgetragene weltlich-politische oder religiöse Bildthemen sowie heraldische Motive oder an
der Hafnerkunst orientierte Ornamente schmücken zahlreiche Gläser aus dem 16. und vor allem dem
17. Jahrhundert. Die opaken Dekore wurden zu jener Zeit zunehmend dichter und überziehen die
Gefäße oft zur Gänze.
Im 17. Jahrhundert gelang in der Stadt Nürnberg, die sich in geografischer Nähe zu wichtigen
Glaszentren befand, bedeutenden Künstlern die Entwicklung eigenständiger Glasveredelungstechniken
und -stile. Zwar hatte der Dreißigjährige Krieg (1618 –1648) dem Nürnberger Umland stark zugesetzt,
doch brachte gerade das in der Stadt abgehaltene Friedensmahl von 1649 einen Aufschwung und
neues Selbstverständnis. Der Glasschnitt des Barock und die Eigenart des böhmischen Hausmalers
Ignaz Preissler, aber auch die Anmut diamantpunktierter Gläser der Niederlande des späten 18.
Jahrhunderts sind Bereiche der Glasveredelung, die Rudolf Strasser in besonderem Maße
interessierten.
Eine Besonderheit der Sammlung Strasser stellen ferner die sog. Goldrubingläser dar: Die tiefrote
Farbpracht des Goldrubinglases wurde im 17. und 18. Jahrhundert durch Montierungen aus Gold und
Silber sowie mit Gold- und Schnittdekoren auf kostbare Art gesteigert. Gold ist auch Bestandteil des
Glases selbst, dessen Schein demjenigen von Rubinen gleicht. Diesem feurigen Edelstein wurden seit
jeher stärkende Kräfte nachgesagt. Rot wurde zudem mit Macht und Privilegien assoziiert. In der
Alchemie hoffte man, über die Experimente mit dem Goldrubinglas den „Stein der Weisen“ zu
erlangen, jene Substanz, die unedle Metalle in Gold oder Silber verwandeln sollte.
Nach ihrer Rückkehr nach Österreich kam die Sammlung Strasser 2004 in den Besitz des
Kunsthistorischen Museums in Wien; 2013 wurden 70 Objekte der Wiener Kunstkammer zugeordnet.
Der weitaus größere Teil der Gläser fand im selben Jahr seine endgültige Heimat in Schloss Ambras.
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Die Post ist da!
Postmeister- Porträts der Taxis-Bordogna
Schloss Ambras Innsbruck verdankt Carlos Tasso de Saxe- Coburgo e Bragança eine großzügige
Schenkung von zehn Postmeisterporträts aus dem Hause Taxis-Bordogna, die in der Zeit vom 16. bis
zum 18. Jahrhundert entstanden sind. Die Präsentation dieser Porträts wird durch kulturhistorisch
relevante Leihgaben aus dem Familien- und Postarchiv der Freiherren und Grafen von TaxisBordogna (heute Tiroler Landesarchiv) sowie durch solche aus dem Musikinstrumentenmuseum
Schloss Kremsegg (Kremsmünster) bereichert. Zusammen mit Objekten aus den Sammlungen des
Kunsthistorischen Museums Wien machen sie die Entwicklung und Geschichte des historischen Postund Transportwesens in Tirol für den Besucher anschaulich erlebbar.
Der Name Taxis ist untrennbar mit der Geschichte des Post-, Transport- und Kommunikationswesens
verbunden, im 18. Jahrhundert galt die Familie sogar als die „Erfinderin der Post“. Die aus Bergamo
stammenden Taxis verstanden es zunächst, als Kuriere und Boten in Diensten der Päpste und der
Republik Venedig ein neuartiges, effizientes Transportnetz zu etablieren. Aus der weiten Verzweigung
der Familie ergab sich die Möglichkeit zum Aufbau eines europaweit tätigen Unternehmens. Ab der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die durch Heirat entstandene Seitenlinie der Bordogna von
Taxis (nicht zu verwechseln mit den Thurn und Taxis, Regensburg, und den Thurn-Valsassina Taxis,
Innsbruck) ihren Firmensitz in Brixen, Bozen und Trient. Aufgrund ihres wirtschaftlichen und
organisatorischen Geschicks waren die Angehörigen der Familie eng mit dem Tiroler Landesfürsten
Erzherzog Ferdinand II., dem Begründer der Ambraser Sammlungen, verbunden und nahmen auch
aktiv am Innsbrucker Hofleben des Renaissancefürsten teil.
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Quelle
Schloss Ambras Innsbruck. Wien 2013.
Herausgegeben von Sabine Haag. Kunsthistorisches Museum Wien.
Texte: Annette Kranz, Thomas Kuster, Veronika Sandbichler, Katharina Seidl
(ISBN 978-3-99020-053-7)
Die Geschichte von Schloss Ambras, die ausgesuchten Meisterwerke, sowie kursiv markierte Absätze
wurden der Homepage www.schlossambras-innsbruck.at entnommen.
Ausgewählte Literatur
Josef Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, 2 Bde., Innsbruck 1885, 1888
Günther Heinz – Karl Schütz, Porträtgalerie zur Geschichte Österreichs von 1400 bis 1800, Wien 1976
Elisabeth Scheicher – Ortwin Gamber – Kurt Wegerer – Alfred Auer, Kunsthistorisches Museum
Sammlungen Schloß Ambras. Die Kunstkammer, Innsbruck 1977
Elisabeth Scheicher – Ortwin Gamber – Alfred Auer, Die Rüstkammern auf Schloß Ambras, Wien
1981
Elisabeth Scheicher, Schloß Ambras, in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck: Die Hofbauten,
Wien 1986, 509–623
Alfred Auer – Veronika Sandbichler – Karl Schütz – Christian Beaufort-Spontin, Schloß Ambras
(Kunstführer Electa/Kunsthistorisches Museum), Mailand 1996
Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Philippine Welser & Anna Caterina Gonzaga. Die
Gemahlinnen Erzherzog Ferdinands II., Innsbruck (Schloss Ambras) 1998
Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Alle Wunder dieser Welt. Die kostbarsten Kunstwerke aus
der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595), Innsbruck (Schloss Ambras) 2001
Meisterwerke der Sammlungen Schloss Ambras (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, hg.
von Wilfried Seipel, Bd. 9), Wien 2008
Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), Die Post ist da! Postmeisterporträts der Taxis-Bordogna,
Innsbruck (Schloss Ambras) 2012
Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), „Das Glück ist ein gläsern Ding …“. Die Glassammlung
Strasser, Innsbruck (Schloss Ambras) 2013
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