das programm

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das programm
DAS PROGRAMM
Trigonale 2012
Das Programm
Unserem Publikum,
unseren Künstlerinnen und Künstlern
Vorwort
Trigonale 2012
Wenn der Sommer schon an Fahrt verloren hat und sich die
letzten Urlaubs- und Feriengedanken mit den ersten Blicken
auf das letzte Jahresviertel vermengen, kommt für Freunde
der Alten Musik die Zeit, ihr Leben für einige Tage wieder
vornehmlich »trigonal« auszurichten.
Ein trigonales Leben ist durch die Liebe zu und das Verlangen nach Alter Musik geprägt, aber auch durch die Bereitschaft gekennzeichnet, abendliche (bisweilen nächtliche
oder frühmorgendliche) Fahrten an unterschiedlichste Orte
zu unternehmen und dabei immer das Programmbuch im
»Reclam-Stil« mitzuführen.
Mit begeistertem Herz hat Stefan Schweiger die trigonale programmiert und mit seinem Team souverän vorbereitet. Nach
unserer Überzeugung kann das Verlangen nach Alter Musik
durch die geplanten Darbietungen gestillt werden. Wir laden
Sie herzlich dazu ein, zahlreich das Konzertangebot zu nutzen, und bedanken uns gleichzeitig für Ihre Treue.
Vorstand der trigonale
Martin Wiedenbauer
Hans Slamanig
Albrecht Haller
Dem üblichen Konzept eines Musikfestivals, nämlich Konzerte unterschiedlicher Ensembles aneinanderzureihen, die
für ihren Auftritt kurzfristig an- und danach sofort wieder
abreisen, hat Stefan Schweiger die Idee entgegen- und diese
mittlerweile auch umgesetzt, Künstler für eine längere Zeit
als »bloß« für den einen Konzertabend nach Kärnten zu
holen. Dadurch entsteht die – wie wir hören, auch von den
Künstlern sehr geschätzte – Möglichkeit, innerhalb der trigonale neue Projekte zu formen und spannende, noch nicht
dagewesene Formationen zu bilden.
- 4 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 5 -
Seite | Konzerte
10
Barokksolistene & S.i.R.
Der Krieg und die Sterne
28
Ensemble Sirocco & S.i.R.
Itinerari italiani
44
Ensemble Pentagonale
Der letzte Akt des Mittelalters
80
Dorothee Oberlinger & Franco Pavan
Un Viaggio Musicale
92
Dresdner Kammerchor
Israelsbrünnlein
110
Barokksolistene & S.i.R.
The Image of Melancholy
120
Echo du Danube & Ann Allen
Maria Maddalena
156
Ghislieri Consort & Clare Wilkinson
Sweeter than Roses
Fortsetzung ...
S.I.R. = SIngers in Residence
- 6 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 7 -
Seite | Konzerte
Fortsetzung ...
178
Barokksolistene
Alehouse-Session No. 2
186
Catalina Vicens & Katharina Schmölzer
A la Luz del Alba
200
Eclipse
Kinder- und Familienkonzert
212
Ensemble Prisma, Markus Hering & S.i.R.
Der Kopf des Georg Friedrich Händel
260
Eclipse & Friends
Forgotten Secrets
266
Andrea & Paolo Pandolfo & S.i.R.
Time Machine
272
Cappella Nova Graz,
Domkantorei St. Pölten,
Les Cornets Noirs
Vespro della Beata Vergine
316
Anhang
S.I.R. = SIngers in Residence
- 8 - Trigonale 2012 – Programm
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Freitag, 07.09. | 19 Uhr
Rathaus St. Veit
supported by
Der Krieg und die Sterne
Jon Balke: Piano, Soundscape*
Krieg und Frieden, Himmel und Erde, Leben und
Tod, Freude und Leid, Nacht und Tag. Universelle
Konzepte, die alle Menschen seit Urbeginn der
Zeiten beschäftigt haben.
Hanna Herfurtner: Sopran
Isabelle Rejall: Mezzosopran
Jakob Bloch Jespersen: Bass
Marc Mauillon: Bariton
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Barokksolistene
Bjarte Eike: Violine, Leitung
Milos Valent: Violine, Viola
Dasa Valentova: Violine, Viola
Thomas Pitt: Cello
Mattias Frostenson: Violone
Hans Knut Sveen: Cembalo, Orgel
Fredrik Bock: Theorbe, Gitarre
Torun Torbo: Flöten
Monika Fischaleck: Barockfagott, Dulzian
Alexis Kossenko: Flöten
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*Der Begriff Soundscape (Klanglandschaft) ist ein englisches Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen Sound und Landscape.
Die Soundscape beschreibt die akustische Hülle, die eine Person an
einem bestimmten Ort umgibt.
E inle itun g
Im 17. Jahrhundert wurde Europa von endlosen Kriegen
heimgesucht. In »Battalia« fing der österreichische Komponist H.I.F. Biber unterschiedliche Aspekte des Krieges ein
und machte sich dabei gekonnt instrumentelle Klänge und
Effekte zu Nutze, die man eher in der avantgardistischen
Musik des 20. Jahrhunderts vermutet hätte.
Die Musik wird zum Trinkgelage, zum traurigen Lebewohl
an den Liebsten, zum Marsch und zur blutigen Schlacht, bis
schließlich alles mit einer Klage für den verwundeten Soldaten
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endet – dramatisch, ja, aber das ganze Stück ist dem Gott des
Weines und des Bieres – Bacchus – gewidmet!
in dem die Komponisten der Avantgarde lebhaftes Interesse
an Sternen und Planeten bekundeten.
Die Flucht in einen – oftmals grotesken – Humor war für
den Europäer des 17. Jahrhunderts eine wirksame Möglichkeit, der grausamen Wirklichkeit (Pest, Hunger und Religionskriege) für kurze Zeit zu entkommen.
In seinem wunderbar meditativen Werk »Tierkreis« assoziierte Stockhausen die zwölf Sternzeichen mit der Zwölftonreihe: Er versah jedes Sternzeichen mit einer Note und komponierte einen Strang kurzer, traumgleicher Melodien um diese
Note. Stockhausen fordert die Musiker auf, seine Melodien
frei zu verwenden; sie können auf beliebigen Instrumenten
gespielt werden, wobei er zu einem hohen Maß an Improvisation ermutigt.
Der Blick in die Sterne bot eine weitere Möglichkeit zur
Flucht ...
Es lag in der Natur der Barockmusik, den Hörer durch die
Musik auf eine höhere emotionale oder geistige Ebene befördern zu wollen. Er kann von der dissonanten Traurigkeit und
Hoffnungslosigkeit in seinem Inneren erlöst werden, wenn
die Harmonien der Musik ihn mit der großen Harmonie
des Kosmos verbinden. Man ging damals davon aus, dass die
Klänge des Universums sich in perfekter Übereinstimmung
zueinander befanden – anders als die misstönende Wirklichkeit auf Erden. Wissenschaftler wie J. Kepler begründeten
ihre Forschungen auf den pythagoreischen Prinzipien der
»Sphärenharmonie«. Kepler vertrat die Ansicht, dass die Musiktheorie und die Beziehungen zwischen den Planeten und
der Sonne auf denselben Grundsätzen beruhten. Ebenso wie
die Musik eine wichtige Rolle für die Wissenschaftler des 17.
Jahrhunderts spielte, erfreuten sich Themen der Astrologie
und der Astronomie in der Musik großer Beliebtheit.
Improvisation und »broken consorts« (gemischte Ensembles
mit unterschiedlichen Instrumentengruppen und/oder Sängern) waren im 16. und 17. Jahrhundert weit verbreitet.
Dieser Umstand bietet auch uns die Möglichkeit, all unser
Material frei zu verwenden und dadurch aus jedem Auftritt
ein neues und einzigartiges Konzert zu machen.
Und auch wenn Stockhausens »Tierkreis« in diesem Programm eine Sonderstellung einnehmen mag, so ist dieses
Werk dennoch der rote Faden, der alles zusammenhält und
die Jahrhunderte des Barocks und der Moderne im Einklang
miteinander schwingen lässt.
Wir hören Werke von H.I.F. Biber, J. F. Rebel, C. Gesualdo,
J. Dowland, K. Stockhausen u.a.
Diesem astralen Aspekt möchten wir uns widmen, wobei wir
nicht nur auf die Musik des Barocks und der Renaissance
eingehen, sondern auch auf die Werke des 20. Jahrhunderts,
Mein besonderer Dank gilt Veronika Skuplik, die mich mit
»Tierkreis« bekannt gemacht hat und mir so die Möglichkeit
zur Entwicklung dieses Programms eröffnete. Bjarte Eike 2012
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In eigener Sache
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Das diesjährige Eröffnungskonzert der trigonale ist mehr als
je zuvor ein Work-in-progress-Projekt. Verständlicherweise
bringt das Zusammenführen von Künstlern, die bisher noch
nie miteinander auf der Bühne standen, auch einige Risiken
mit sich. Um diese auf ein Mindestmaß zu reduzieren, behält
sich der künstlerische Leiter Bjarte Eike vor, die letztendlich
zur Aufführung gelangenden Stücke erst im Zuge der Proben in den Tagen vor dem Konzert festzulegen. Aus diesem
Grund lag uns bei Drucklegung das endgültige Programm
noch nicht vor.
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Danke.
Allen Helfern hier auf Erden ...
... und auch im Himmel.
Stefan Schweiger, Leiter der Trigonale
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supported by
www.barokksolistene.no
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Ba ro k k s o li s te ne , unter der künstlerischen Leitung
des führenden norwegischen Barockviolinisten Bjarte Eike,
ist ein Ensemble der Alten Musik, das 2005 gegründet
wurde und in flexibler Formation auftritt. Es bietet seinen
Instrumentalisten mit hohem solistischen Niveau – sie alle
zählen auf ihrem Instrument zu den herausragenden Interpreten in Europa – die Gelegenheit, sich als Künstler und
Kammermusiker weiterzuentwickeln. Sie treten außerdem
in Formationen wie Kammerorchestern, Pub Bands, frei improvisierenden Gruppen, Crossover-Ensembles oder kleinen
und intimen Kammerensembles auf. Durch Bjartes engagierte, bewusst persönliche und innovative Programmgestaltung
und die mitreißende virtuose Spielweise der Musiker vermittelt das Ensemble einem breiten Publikum Barockmusik auf
verblüffend natürliche Art. Seine Konzerte werden oftmals
als spielerisch und wegweisend beschrieben.
BarSol gibt etwa 50 Konzerte pro Jahr. Für die nächste Zukunft steht eine Reihe spannender Einladungen und Projekte
in ganz Europa auf seinem Programm.
BarSol und die Mezzo-Sopranistin Tuva Semmingsen spielten
den Soundtrack für Lars von Triers Film »Antichrist« ein. Die
Aufnahme »London Calling« mit Semmingsen und BarSol ist
der Auftakt zu einer Reihe von mindestens sechs Aufnahmen
im Rahmen der neuen Zusammenarbeit zwischen BarSol und
dem Label BIS.
BarSol wird vom Norwegischen Kulturrat gefördert.
Bjarte Eike, Barockviolinist, sprengt
Seit seinen Anfängen war BarSol Ensemble in Residence bei
verschiedenen Festivals in ganz Europa. Zu den Spielorten
und Stationen seiner Auftritte zählen: Bergen International
Festival, Rikskonsertene, Maijazz Stavanger, Copenhagen Jazzfestival, trigonale, Kings Place London, Stockholm Early Music
Festival und BBC Proms, um nur einige zu nennen. BarSol
arbeitet regelmäßig mit der Den Ny Opera in Esbjerg, Dänemark, mit dem Danish Radio Vokalensemblet und den Vestfoldfestspillene in Norwegen zusammen.
die Grenzen der klassischen Musik. Ständig auf der Suche nach neuen Projekten
zwischen den musikalischen Genres, gewinnt er mit seinem mitreißenden Spiel
neue Publikumsschichten und überrascht
als künstlerischer Leiter von BarSol immer wieder mit neuen
und innovativen Konzepten.
Als frei schaffender Geiger und Konzertmeister erkundet er
ständig alternative Wege zur klassischen Musik. Obwohl seine
musikalischen Grundlagen auf der sogenannten 'Historisch
Informierten Aufführungspraxis' (HIP) fußen, integriert er
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gern andere künstlerische Aspekte – bildende Künste, Tanz,
Erzählkunst, Improvisation usw. – in seine Aufführungen.
Neben BarSol arbeitet er regelmäßig mit Ensembles wie
Concerto Copenhagen, Concerto Palatino, I Fagiolini, Dunedin Consort, Caecilia-Concert, Weser Renaissance, Sirius Viols,
Chelycus, Altapunta und Bergen Barock zusammen. Er erfährt
zurzeit ein zunehmendes Interesse europäischer Ensembles
und Orchester, die ihn als Gast-Konzertmeister und Dirigent
einladen.
Bjarte Eike tritt auch in verschiedenen Crossover-Formationen auf, etwa dem Magnetic North Orchestra oder dem frei
improvisierenden Streichtrio Stryk!; ferner entwickelte er das
Projekt SIWAN gemeinsam mit dem Komponisten Jon Balke
und der marokkanischen Jazzsängerin Amina Alaoui (die
Einspielung von Siwan bei ECM erhielt den »Jahrespreis der
Deutschen Schallplattenkritik 2009«).
Er studierte an der Grieg-Akademie in Norwegen sowie bei
Richard Gwilt in London. Bjarte Eike war Artist in Residence
beim Bergen International Festival 2008 und beim Nordwind
Festival for performing Arts in Berlin 2009. Er hat bei zahlreichen Einspielungen mitgewirkt. Gegenwärtig lehrt er Barockvioline an der Norwegischen Musikakademie und ist Gastdozent am Königlich Dänischen Musikkonservatorium.
Jon Balke, Pianist, Keyboarder, Kom-
ponist, Arrangeur und Schlagzeuger, begann seine professionelle Laufbahn 1974,
als er sich Arild Andersens Band für Studioarbeiten für das deutsche Label ECM
anschloss. Seine musikalische Karriere hat
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seither mehrere Phasen durchlaufen, in denen er als Ko-Leiter mehrerer skandinavischer Gruppen fungierte, darunter:
E'OLEN, eine Zusammenarbeit mit westafrikanischen
Musikern (1978 – 1988),
SURDU, ein Trio, das sich von ethnischen Klängen
inspirieren ließ (1977 – 1979),
OSLO 13, eine 13-köpfige Jazzband mit Schwerpunkt
auf Eigenkompositionen (1980 – 1993),
MASQUALERO, ein Quintett mit Jon Christensen und
Arild Andersen,
POINT4, ein »Doppelduo« mit zwei Pianos und zwei
Schlagzeugen.
Seit 1989 initiiert er eigene Projekte, für die er auch
komponiert:
JØKLEBA, mit Audun Kleive und Per Jørgensen,
MAGNETIC NORTH ORCHESTRA, Kammermusikensemble,
BATAGRAF, ein als Percussion Think Tank bezeichnetes
Schlagorchester,
SIWAN, mit Amina Aaloui und Jon Hasell.
Seine Kompositionsarbeiten spannen einen breiten Bogen
über Ensembles und Projekte in Ballett und Theater, mit
Symphonieorchestern, Sängern und Jazzgruppen. Spartenübergreifende Projekte führten ihn zu Kooperationen mit
bildenden Künstlern wie Kjell Bjorgeengen und Tone Myskja
oder mit den Choreographen Francesco Scavetta und Giorgio
Rossi.
Als Begleitmusiker hat er mit zahlreichen Sängerinnen und
Sängern gearbeitet, darunter Radka Toneff, Sidsel Endresen,
Anne Li Drecker, Karin Krogh und Trine Lise Vaering, ebenso
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wie Liveauftritte und Studioaufnahmen mit Künstlern wie
Archie Shepp, John Surman, Airto Moreira/Flora Purim, Michael
Urbaniak, Enrico Rava, George Russel, Paolo Fresu, Nguyen Le
und Marilyn Mazur.
Hanna Herfurtner wurde in Mün-
chen geboren, wo sie auch ihren ersten
Gesangsunterricht bei Prof. Thomas Gropper erhielt. In ihrer Jugend sang sie in verschiedenen Chören und lernte so früh ein
breites Repertoire kennen, insbesondere
die Oratorien von Bach und Händel.
Nach dem Abitur studierte sie Theaterwissenschaft und
Kunstgeschichte an der Universität München, bevor sie zum
Gesangsstudium zunächst an die Musikhochschule Stuttgart
zu Prof. Bernhard Jäger-Böhm, dann an die Universität der
Künste Berlin zu Prof. Julie Kaufmann ging.
Kehrte sie nach ihrem Studium zunächst als Solistin zu den
Chören ihrer Jugendtage zurück, so ist sie inzwischen als
Konzertsängerin mit Werken von Monteverdi bis Honegger
im gesamten deutschsprachigen Raum zu hören.
Einer ihrer Schwerpunkte war seit jeher die Alte Musik. So
sang sie 2007 bei den Opernfestspielen Bad Hersfeld in Monterverdis »Orfeo« die Ninfa, die Euridice und La Musica und
gewann 2010 den dritten Preis beim Cesti-Wettbewerb der
Festwochen für Alte Musik Innsbruck sowie den Sonderpreis Resonanzen des Konzerthauses Wien, wo sie seither regelmäßig
im Bachkantaten-Projekt unter der Leitung von Luca Pianca zu hören ist. Außerdem konzertiert sie immer wieder mit
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der Lautten Compagney Berlin. Im selben Jahr bestand Hanna
ihr Operndiplom. Bei der Ruhrtriennale 2009 sang sie eine
nackte Jungfrau in »Moses und Aron« von Arnold Schönberg
und im darauffolgenden Jahr die Titelpartie in der Uraufführung von Hans Werner Henzes »Gisela«.
Im Sommer 2011 konnte man Hanna als ungeborenes Kind in
der »Frau ohne Schatten« von Richard Strauss unter der Leitung von Christian Thielemann bei den Salzburger Festspielen
erleben. Seit Januar 2012 ist sie Ensemblemitglied am Staatstheater Kiel, wo sie unter anderem als Olympia in »Hoffmanns
Erzählungen« von Jaques Offenbach und als Fraarte in Händels
»Radamisto« zu hören sein wird.
Auch der Liedgesang liegt ihr sehr am Herzen. Wesentliche
Impulse dafür erhielt sie von Axel Bauni und Eric Schneider.
Im Herbst 2009 gewann sie beim Paula-Salomon-LindbergWettbewerb in Berlin den ersten Preis. In den vergangenen
zwei Jahren war Hanna mit verschiedenen Programmen unter anderem beim Heidelberger Frühling, dem Coburger Musikverein und im Konzerthaus Wien zu Gast. Im August 2012
wird sie mit dem »Italienischen Liederbuch« von Hugo Wolf
beim Rheingau Musikfestival zu hören sein.
Isabelle Rejall wurde 1985 in Pots-
dam geboren und studiert seit 2007 bei
KS Prof. Thomas Quasthoff an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.
Weiteren Unterricht erhielt die junge
Mezzosopranistin von Christine Schäfer,
Britta Schwarz und Prof. Burkhard Kehring. Während ihres
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Studiums sammelte sie erste Bühnenerfahrungen bei den
Opernproduktionen der HfM Hanns Eisler als Zita in »Gianni Schicchi«, Bastien in »Bastien et Bastienne« und Nutrice
in »L'incoronazione di Poppea«. Darüber hinaus gastierte sie
als Solistin bei Lunchkonzerten in der Philharmonie Berlin, bei
den Händelfestspielen Halle und bei den Thüringer Bachwochen
Erfurt mit dem Fratres Ensemble, beim Bach-Chor Berlin, bei
den Stuttgarter Bachwochen, bei der Singakademie Frankfurt
a.d. Oder sowie am Mozarteum Salzburg. Im Dezember 2012
wird Isabelle Rejall als Solistin in J. S. Bachs »Weihnachtsoratorium« unter der Leitung von Prof. J. P. Weigle, mit dem
Philharmonischen Chor in der Philharmonie Berlin sowie beim
Lyrischen Salon in Weimar debütieren.
Jakob Bloch Jespersen hat über Jahre hinweg den Schwerpunkt
seiner Arbeit besonders auf die Musik des Barocks und auf das
zeitgenössische Repertoire gelegt. Seine Autorität in diesen
beiden Bereichen ist in ganz Europa anerkannt und hat zur
Zusammenarbeit mit dem Concerto Copenhagen, der Lautten
Compagney, den Ensembles Arte Dei Suonatori und Trinity
Baroque, dem Leipziger Kammerorchester, der London Sinfonietta, I Solisti del Vento, dem Kammerensemble Neue Musik
Berlin und dem Theatre of Voices geführt.
Marc Mauillon, französischer Bari-
Die musikalische Erziehung von Jakob
Bloch Jespersen begann bereits als
Knabe im Kopenhagener Knabenchor. In
weiterer Folge studierte er an der Königlich Dänischen Musikakademie und an der
Königlichen Opernakademie, wo er 2007
sein Diplom erhielt. Private Studien führten ihn darüber hinaus zum Dirigenten Hervé Niquet nach Paris.
2006 gab er sein Debüt am Königlich Dänischen Theater als
Angelotti in Puccinis »Tosca«. Er sang weiters den Basilio in
Rossinis »Il Barbiere di Siviglia«, den Masetto in Mozarts
»Don Giovanni«, den Collatinus in Brittens »The Rape of Lucretia«, den Magister in der DVD-Aufnahme von Carl Nielsens »Masquerade« sowie Rollen in zahlreichen Produktionen
zeitgenössischer Opern.
ton, wurde 1980 geboren. Er studierte bei
Peggy Bouveret am Conservatoire National
Supérieur de Musique de Paris, wo er 2004
sein Studium abschließen konnte. Seine
große Liebe gilt der Alten Musik – und
so arbeitet er hauptsächlich mit Ensembles wie La Petite
Bande (Sigiswald Kuijken) oder Les Arts Florissants (William
Christie) zusammen.
Sein Operndebüt gab der junge Bariton dennoch als Papageno
unter der Leitung Alain Altinoglus, in einer Produktion, die
später mit dem Orchestre National d'Île de France auf Tournee
ging. Bald sang er auch den Guglielmo in Mozarts »Cosi fan
tutte«, den Aeneas in Purcells »Dido and Aeneas«, oder Bernardino in »Benvenutto Cellini« mit dem Orchestre National
de France unter John Nelson. Marc Mauillon gibt auch gerne
Liederabende, wobei sein Repertoire von Machaut, Monteverdi und Lully über Mozart und Schubert bis hin zu Mahler,
Korngold, Poulenc, Aperghis oder Scelsi reicht.
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Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn der letzten Jahre zählen eine Einladung zu den Berliner Philharmonikern unter
William Christie, Bachs »Matthäus-Passion« mit dem Orchestre National de France unter Kurt Masur, oder eine »Dido and
Aeneas«-Produktion unter William Christie bei den Wiener
Festwochen 2006.
Auf CD kann man den Bariton gemeinsam mit vielfältigen
Ensembles erleben. Seine erste Solo-CD mit Werken von
Guillaume de Machaut wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt
ist mit seiner Beteiligung die CD »Le remède de fortune«,
ebenfalls mit Werken de Machauts erschienen.
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www.marcmauillon.com
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Samstag, 08.09. | 19 Uhr
Rathaus St. Veit
Itinerari italiani
E inle itun g
Vom italienischen Einfluß auf deutsche
Komponisten des 17. Jahrhunderts
»Auch ich war in Arkadien«.
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Ensemble Sirocco
Nathalie Houtman: Blockflöte
Roswitha Dokalik: Violine
Raphaël Collignon: Cembalo
Thomas Yvrard: Orgel
Singers in Residence
Hanna Herfurtner: Sopran
Isabelle Rejall: Mezzosopran
- 28 - Trigonale 2012 – Programm
Johann Wolfgang v. Goethe, Motto der »italienischen Reise«.
Wege von und nach Italien lassen sich für alle im heutigen
Programm vertretenen Komponisten nachzeichnen. Bis weit
ins 19. Jahrhundert gilt eine ausgedehnte Italienreise als regelrechter Bildungsauftrag. Im Gegensatz zur heutigen Zeit,
in der die Reise nach Rom mit dem Flugzeug eine Sache von
wenigen Stunden ist, war ein solches Unterfangen um 1600
kein Spaziergang.
Heinrich Schütz' zweite Reise nach Venedig im Jahr 1628 war
in puncto Strapazen eher mit einer modernen Erstbegehung in Patagonien vergleichbar, angesichts der Wirren des
30-jährigen Krieges aber wahrscheinlich weit gefahrvoller!
Jede Beschreibung der kriegerischen Handlungen zwischen
1618 und 1648 würde diesen Rahmen sprengen, zu kompliziert ist das Netz der weit auseinanderliegenden, kreuz und
quer durch ganz Europa verlaufenden Konflikte. »Der Krieg
ernährt den Krieg«, dieses kurze Zitat, dem Feldherrn Wallenstein in den Mund gelegt, lässt jedoch die Auswirkungen
auf die Zivilbevölkerung deutlich erahnen.
Trigonale 2012 – Programm - 29 -
Das lateinische Original (»Et in Arcadia ego«) des erwähnten
goetheschen Mottos findet sich viel früher auf einem Bild
des Italieners Barbieri, das kurz vor Ausbruch des 30-jährigen Krieges entstand. Mitten im schönsten arkadischen
Idyll ziert er hier einen Sockel, auf dem ein Totenschädel
ruht: »Auch ich, der Tod, bin in Arkadien« – ein intensives
Vorausahnen des alles prägenden barocken Spannungsfeldes
zwischen »memento mori« (Gedenken der Sterblichkeit) und
»carpe diem!« (Pflücke [Nutze] den Tag!). Aber es tritt nicht
unvermutet auf, sondern findet sich vielmehr in der Antike
bei Lukrez in dessen mehr als 6000 Verse umfassenden Abhandlung »De Rerum Natura«:
O wie arm ist der Menschen Verstand, wie blind ihr Verlangen!
In welch finsterer Nacht und in wie viel schlimmen Gefahren
Fließt dies Leben, das bisschen, dahin!
Erkennt man denn gar nicht,
Dass die Natur nichts anderes erheischt, als dass sich der Körper
Wenigstens frei von Schmerzen erhält und der Geist sich beständig
Heiteren Sinnes erfreut und Sorgen und Ängsten entrückt ist?
(2:14-19)
Die Rückbesinnung auf antike Ideale – »ad fontes«, wie es
Erasmus von Rotterdam nannte – hatte bereits Petrarca wortgewaltig gefordert. Von überall trug man alte Schriften
zusammen. Man bewunderte antike Dichter, Redner und
Philosophen und eiferte ihnen in geschliffener Rhetorik
und poetischen Formulierungen nach. Verbunden mit dem
generell erstarkenden Selbstbewusstsein des Menschen, erhob sich vor allem die Sprachkultur zu neuen Höhen und
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bereitete Dichtern wie Dante oder Shakespeare den Boden.
Lukrez' Gedicht fand erstaunlich rasch Verbreitung in den
humanistischen Kreisen jener Zeit und hinterließ deutliche
Spuren in Philosophie und Kunst.
Diese neue Affinität zur Sprache machte ihren Einfluss auch
in der Musik geltend, etwa in der Forderung nach mehr Textdeutlichkeit. Versuche zur musikalischen Belebung der antiken Dramen seit Beginn des 16. Jahrhunderts durch Zirkel
wie die Florentiner Camerata gaben der Musik aber einen
gänzlich neuen Impuls: Sie ordnet sich nun vollständig dem
Text unter. Was hier entsteht, wird Inbegriff der Barockmusik: mit wenigen Akkorden begleiteter Sologesang, emotional
befeuert durch die Wiederentdeckung antiker Affektenlehren. Ersten und leuchtenden Höhepunkt bildet das Schaffen
des genialen Claudio Monteverdi.
Der Ruhm des prosperierenden, weltoffenen Italiens, dessen
gesellschaftliches Klima die Entwicklungen der Renaissance
begünstigte, war trotz der Umwälzungen des 16. Jahrhunderts
ungebrochen. Wer etwas auf sich hielt, sandte sein künstlerisches Personal – nicht nur Musiker – für einige Zeit zum
Studium nach Italien. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel erkannte die Begabung des jungen Heinrich Schütz und schickte
ihn für ganze drei Jahre nach Venedig. Schütz, der zeitlebens
nur Giovanni Gabrieli, Organist an der Kirche San Marco,
als seinen einzigen Lehrer angab, wirkte mit seiner genialen
Transferierung der italienischen Monodie in die reformierte
deutsche Sprache epochal für den gesamten deutschen Raum.
Trigonale 2012 – Programm - 31 -
Die Italien-Mode des 17. Jahrhunderts verdeutlichen nicht
zuletzt Sammel-Abschriften verschiedenster Werke italienischer und deutscher Komponisten, wie das Rost-Manuskript, dem einige der heute zu hörenden Werke entstammen.
Die Wiener Hofkapelle wird ab 1619, dem Jahr der Heirat
von Ferdinand II. und Eleonora Gonzaga, in deren familiären
Diensten Monteverdi steht, regelrecht italianisiert. »Einheimischen« Talenten, wie etwa Johann Caspar von Kerll, ermöglicht man Studien in Italien. Die Hofkapellmeister sind ausschließlich Italiener, was mit wenigen Ausnahmen bis weit
ins 18. Jahrhundert Sitte bleibt. Der in Scheibbs geborene
Heinrich Schmelzer, zuvor beliebter Ballettkomponist am Hof,
ist der erste österreichische Hofkapellmeister, pestbedingt allerdings nur ein Jahr (1679).
Mit Georg Muffat schließt sich ein besonderer Kreis: Als Knabe gelangte der Florentiner Jean-Baptiste Lully – ursprünglich
Giovanni Battista Lulli – um 1646 an den französischen Hof
und wurde ein sehr enger Freund des sechs Jahre jüngeren
Königs Ludwig XIV. Seine immense kompositorische Begabung machte ihn zum Aushängeschild und Inbegriff französischer Musik. Muffat, der aus Savoyen stammt, hat Begabung wie Glück, einige Jahre bei Lully studieren zu dürfen.
Derart perfekt durch einen Italiener im französischen Stil
geschult, vervollkommnet er sich später bei Corelli in Rom
im italienischen Stil und gilt, auch aufgrund der weiten Verbreitung seiner Concerti grossi und Traktate, als Wegbereiter
und Erfinder der »vereinigten Stile«, der »goûts réunis«.
Ewald Donhoffer
In den Norden kommt der italienische Einfluss über Jan Pieterszoon Sweelinck, genannt »Orpheus von Amsterdam«, der
wahrscheinlich in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts in
Venedig bei Zarlino studierte. Die Lösung von der Vokalpolyphonie geht im Norden mit enormen Entwicklungen
auf dem Gebiet des Orgel- und Cembalobaus einher. Große
Tastenumfänge und leichtgängiges Spiel ermöglichen einen
höchst virtuosen und expressiven Tasten-Stil, als dessen Meister Dietrich Buxtehude gerühmt wird: des stylus phantasticus.
Als Organist an St. Marien in Lübeck war Buxtehude auch
für geistliche Konzerte, die so genannten Abendmusiken, zuständig. Sein umfangreiches Œuvre an Vokalmusik und Kantaten ist bereits ganz selbstverständlich dem nun etablierten
Genius Wort-Ton-Verhältnis verpflichtet.
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Trigonale 2012 – Programm - 33 -
Pro g r a mm
Johann Rosenmüller
Georg Muffat
(1619 – 1684)
(1653 – 1704)
(Nuremberg, 1682)
Presto - Adagio - Grave - Presto - Adagio - Presto
(2 keyboards solo)
1. Sonata Quarta à 3
Heinrich Schütz
(1585 – 1672)
6. Passacaglia
Heinrich Schütz
7. Exultavit cor meum
2. Liebster, sagt in süssem Schmerzen
Dieterich Buxtehude
8. Herr, wenn ich nur dich hab
Johann Michael Nicolai
BuxWV 38
(1629 – 1685)
3. Sonata à 2
Johann Heinrich Schmelzer
(Rost Manuscript, ca 1650, Bibliothèque Nationale de France)
(1623 – 1680)
Christoph Bernhard
(Rost Manuscript)
(1628 – 1692)
9. Pastorella à 2
4. Aus der Tieffen
Anonymous
10. Variationes à 2
Johann Kaspar Kerll
(Rost Manuscript)
(1627 – 1693)
5. Sonata à 2
Dieterich Buxtehude
(Rost Manuscript)
(ca. 1637 – 1707)
11. Liebster, meine Seele saget
BuxWV 70
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Trigonale 2012 – Programm - 35 -
T e x te
2. Liebster, sagt in süssem Schmerzen
Liebster, sagt in süssem Schmerzen
deine Sulamithin dir,
komm doch, saget sie von Herzen,
küsse mich, o meine Zier,
deine Huld ist zu erheben
für des schönsten Weines Reben.
Dein Geruch der ist viel besser,
Als der feist Olivensaft
an dem syrischen Gewässer,
Als des Balsams edle Kraft,
darum müssen auf dich schauen
und dich lieben die Jungfrauen.
Zeuch mich hinter dir, wir kommen,
folgen deinen Händen nach,
nun er hat mich eingenommen
in sein heilges Schlafgemach,
Will mich wissen an den Enden,
wo sich meine Brunst kann wenden.
- 36 - Trigonale 2012 – Programm
Wem darf ich an Glücke weichen,
weil mich der so sehnlich liebt,
dem kein Wein ist zu vergleichen,
den die beste Traube giebt!
Allen Leute, welche leben,
Müssen meinen Freunden erheben.
Meint ihr, dass ich minder gelte,
o ihr Töchter Solyme,
weil ich schwarz bin, wie die Zelte
an der heissen Mohrensee,
könnt ich Schönheit doch noch leihen
Salomons Tapezereien.
Dass ich braune Haut gewonnen,
Seht mich darum nicht so an,
Ich bin schwarzbraun von der Sonnen,
Ihre Brunst hat dies gethan,
Seit dass mich in Zorn und Hassen
meiner Mutter Kinder fassen.
Ich muss ihnen stets verwachen
ihre Berg und ihren Wein,
Ihre Berge, welche machen,
dass ich itzund schwarz soll sein,
aber mein Berg blieb nur liegen,
weil ich musste sie vergnügen.
Trigonale 2012 – Programm - 37 -
4. Aus der Tieffen ruff ich
7. Exultavit cor meum
Aus der Tieffen ruff ich, Herr, zu Dihr.
Herr, höre meine Stimme,
Laß deine Ohren merken
auff die Stimme meines Flehens.
Exultavit cor meum in Domino
et exaltatum est cornu meum in Deo
dilatatum est os meum super inimicos meos
quia laetata sum in salutari tuo,
non est sanctus ut est Dominus.
Neque enim est alius extra te.
Et non est fortis sicut Deus noster.
So du wilst, Herr, Sünde zurechnen,
Herr, wer wird bestehen?
Denn bei Dir ist die Vergebung,
Daß man Dich fürchte.
Ich harre des Herrn;
Meine Seele harret,
und ich hoffe auf sein Wort.
Meine Seele wartet auff den Herrn
von einer Morgenwache biß zur andern.
Israel hoffe auff den Herren;
Denn bei dem Herren ist die Gnade
und viel Erlösung bei ihm,
Und Er wird Israel erlösen
aus allen seinen Sünden.
- 38 - Trigonale 2012 – Programm
Freude und Glück bewegt mich in Gott, dem Herrn.
Hoch und erhaben ragt nun mein Horn
durch die Kraft des Herren;
siehe, weit öffnet sich mein Mund wider alle meine Feinde.
Freude beseelt und erfüllt mein Herz,
denn du bist mein Erretter.
Nichts ist heilig wie du,
Herre Gott, denn es gibt keinen Gott als nur dich allein,
nichts ist so mächtig wie Jehovah, unser Herr und König.
8. Herr, wenn ich nur dich hab
Herr, wenn ich nur dich hab,
so frag ich nichts nach Himmel und Erden,
wenn mir gleich Leib und Seel' verschmacht.
So bist du doch Gott allezeit
meines Herzens Trost und mein Heil.
Alleluja.
Trigonale 2012 – Programm - 39 -
11. Liebster, meine Seele saget
Liebster, meine Seele saget
Mit durchaus verliebtem Sinn
Und mit vollem Sehnen fraget:
Liebster, ach, wo bist du hin?
Komm, mein Heiland, mein Verlangen,
Komm von Libanon gegangen.
Lass dich finden, o dein Jammer!
Dann so will ich führen dich
Hin zu meiner Mutter Kammer,
Ja, ich will bemühen mich,
Meine Lust, dich nicht zu lassen
Auf die Gassen, auf die Strassen.
Sage mir doch, bitt' ich, sage,
O du Sarons Blume, du,
Wo zugegen in Mittage
Nimmst du meine süsse Ruh?
Ach, wo pflegst du samt den Schafen
Auszuruhen, auszuschlafen?
Komm, ach komm, lass deine Liebe
Dein Panier sein über mir,
Mich deine Absein nicht betrübe,
Sondern lass mich für und für
Unter deinen Armen sitzen,
Deine Liebesflamm erhitzen.
Alleluja.
- 40 - Trigonale 2012 – Programm
Raphaël Collignon studierte an den
Musikhochschulen von Paris, Straßburg,
Den Haag, Amsterdam und Brüssel, wo
er höchste Auszeichnungen in den Bereichen Klavier, Kammermusik, Cembalo,
Basso Continuo und Jazz (Improvisation) erhielt. 2005 unternahm er gemeinsam mit der Flötistin
Nathalie Houtman eine einjährige Welttournee. Dieses Projekt führte zu Auftritten und Begegnungen auf Musikbühnen in Russland, Asien, Afrika und Südamerika.
Als Basso Continuo-Spieler wird er regelmäßig zur Zusammenarbeit mit diversen Ensembles und den bedeutendsten
Musikern der heutigen Barock-Szene eingeladen (Ton Koopman, Jordi Savall, Chiara Banchini, Lars Ulrik Mortensen,
Christophe Coin, Emmanuelle Haim, Alfredo Bernardini, Andrew Manze, François-Xavier Roth u.a.). Darüber hinaus widmet er sich zunehmend der Komposition von Werken für die
darstellenden Künste (Tanz, Theater, Zirkus & Film).
Roswitha Dokalik wurde 1980 in
Wien geboren. Sie studierte Violine an
der Hochschule für Musik und darstellende
Kunst und am Konservatorium der Stadt
Wien bei Eugenia Polatschek, weiters an der
Anton Bruckner Privatuniversität in Linz
bei Alfred Staar und Josef Sabaini. Sie schloss ihre Instrumental- und Pädagogikstudien mit ausgezeichneten Erfolgen ab
und setzte das Studium der historischen Aufführungspraxis bei Michi Gaigg in Linz und Enrico Gatti am Koninklijk
Trigonale 2012 – Programm - 41 -
Conservatorium in Den Haag fort. Noch während ihres Studiums substituierte sie im Brucknerorchester Linz und spielte
seitdem Konzerte, Tourneen und CD-Aufnahmen mit dem
L'Orfeo Barockorchester, EUBO, Orchestra of the Age of Enlightenment, Ricercar Consort, Ensemble Aurora, Sirocco, Austrian
Baroque Company, Hofkapelle München und vielen mehr. Sie
ist Gründungsmitglied des Harmony of Nations Baroque Orchestra und außerdem als Violinpädagogin tätig.
Nathalie Houtman erhielt nicht nur
einen ersten Preis im Fach Klavier am
Konservatorium von Mons, darüber hinaus
schloss sie auch ihr Studium am Brüsseler
Konservatorium im Fach Blockflöte mit
Auszeichnung ab. Später studierte sie in
Amsterdam und anschließend in Den Haag, wo sie 2007 mit
dem Master of Music abschloss. Sie trat mit Frédéric de Roos
(La Pastorella) auf, mit dem sie als Solistin »Corellis Concerto Grosso« (Diapason d'or) einspielte. Ferner arbeitete sie
mit Les Muffatis, dem Ensemble More Maiorescu, dem Ensemble Laterna Magica sowie mit dem Ensemble Apsara im
Repertoire der zeitgenössischen Musik. Ihr Interesse an der
indischen Musik führte zur wiederholten Zusammenarbeit
mit Harsh Wardhan, dem indischen Meister auf der Bansuri,
in Indien. Nathalie Houtman wurde auf verschiedenen Wettbewerben ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie 2007 den
Preis der Fondation Belge de la Vocation, der ihr weiterführende Recherchen im Bereich der traditionellen asiatischen
Flötenmusik ermöglichte.
- 42 - Trigonale 2012 – Programm
Thomas Yvrard war 2005 Mitglied
des Barockorchesters der Europäischen
Union unter der Leitung von Lars Ulrik
Mortensen und Jaap ter Linden. Im Herbst
2007 wirkte er im Rahmen der XIV. Barockakademie in Ambronay an der Aufführung der französischen Oper »Le Carnaval et la Folie«
von André-Cardinal Destouches unter der Leitung von Hervé
Niquet mit. Als Austauschstudent in Amsterdem belegte er
außerdem Cembalokurse bei Menno van Delft.
Thomas Yvrard lehrt Basso Continuo am Konservatorium in
Douai in Nordfrankreich sowie historische Improvisation am
Konservatorium von Boulogne-Billancourt. Er ist Mitglied
der Ensembles L'oxymore und Sirocco und war 2008/2009
Preisträger des Mécenat Musical Société Générale.
Die weiteren Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
Hanna Herfurtner, Seite 20
Isabelle Rejall, Seite 21
Trigonale 2012 – Programm - 43 -
Samstag, 08.09. | 22 Uhr
Klosterkirche St. Veit
Der letzte Akt des Mittelalters –
Kristalline Polyphonie des Trecento
Ensemble Pentagonale
Kerstin Ansorge: Gotische Harfe
Claudia Caffagni: Gesang
Marilin Lips: Gesang
Sara Mancuso: Gotische Harfe,
Organetto, Clavicymbalum
Matthias Otto: Laute, Fidel
Christoph Prendl: Fidel, Organetto
Stefanie Pritzlaff: Blockflöten, Traversflöte
Marie Verstraete: Fidel, Blockflöten
E inle itun g
Der letzte Akt – das »Fin de siècle« des Trecento: Dieses hier
bewusst gewählte Leitthema klingt zunächst einmal wie der
Titel oder zumindest vielleicht wie das letzte »Kapitel« eines
Dramas von Francesco Petrarca oder Dante Alighieri ... oder
vielleicht doch von Giovanni Boccaccio? Ohne jedoch weiter
darauf eingehen zu wollen, ob diese drei nun zu Lebzeiten
tatsächlich »Dramen« verfasst haben – sie alle waren Mitbegründer des Humanismus und zählen zu den wichtigsten
Vertretern der frühen italienischen Literatur –, lebten sie in
einer Zeit, die, aus heutiger Sicht betrachtet, gemeinhin als
äußerst facettenreich, ja in vielerlei Hinsicht sogar als geheimnisvoll eingeschätzt wird.
Der Protagonist des »letzten Aktes« dieser Geschichte ist
also der Mensch des Mittelalters, der sich nur sehr zögerlich vom geordneten Weltbild der katholischen Kirche löst
und sich auf eine Reise begibt, die ihn letztlich wieder – oder
sollte man besser sagen »zum ersten Mal erst so richtig«? – zu
sich selbst führt und ihn seine Individualität erkennen lässt.
Die Suche nach neuen Ufern zu Beginn des 15. Jahrhunderts
findet ihren Widerhall auch in der Musik. Über die Gattungsgrenzen von Chanson und Motette hinweg experimentieren Komponisten mit immer komplexeren Rhythmen und
- 44 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 45 -
Melodieführungen. In diese vielfältige musikalische Welt
tritt nun ein franko-flämischer Musiker, dessen Schaffen einen Wendepunkt in dieser Entwicklung darstellt: Johannes
Ciconia. Sein Werk ist ein paradigmatisches Beispiel für die
Inspiration, die aus einem überreichen kulturellen Umfeld
geschöpft werden kann und selbst wiederum zu neuen Ausdrucksformen führt.
Von der Person Johannes Ciconias ist uns ein eher undurchsichtiges Flechtwerk an Informationen über das Leben und
Werk eines Menschen erhalten, der mit seinen Kompositionen nachweislich die Musik des späten italienischen Trecento bis in die Mitte des Quattrocento hinein geprägt hat.
Verschiedene Forschungen haben bereits zur Rekonstruktion
seiner Biografie beigetragen, stetig neu entdeckte Quellen
hinterfragen, erweitern und ergänzen das Gesamtbild. Zumindest so viel ist sicher: Johannes Ciconia starb vor genau
600 Jahren, nämlich im Jahre 1412 zwischen dem 10. Juni
und 12. Juli in Padua. Papst Bonifaz IX., seines Zeichens
Papst zur Hochphase des großen Schismas, genauer gesagt
der Kirchenspaltung der lateinischen Kirche, die zwischen
den Jahren 1378 und 1417 ihren Lauf nahm, bezeichnete ihn
in einem an Ciconia selbst gerichteten Brief, datiert auf den
27. April des Jahres 1391 und erst kürzlich in den Vatikanischen Archiven wiederentdeckt, als clerico leodiensi, was auf
eine Herkunft aus dem belgischen Liège/Lüttich hindeutet.
Es handelt sich hierbei um einen wichtigen Baustein zur
Rekonstruktion der nur fragmentarisch erhaltenen Biografie
eines Komponisten, dessen Existenz unweigerlich im direkten Zusammenhang mit seinen Werken betrachtet werden
- 46 - Trigonale 2012 – Programm
muss. Die Tatsache, dass sein Vater den gleichen Namen trug
wie er, nämlich Jehan de Chywongne, macht es nicht gerade
leichter, ihn nicht mit anderen Klerikern aus Lüttich zu verwechseln, die nachweislich in der Zeit zwischen 1350 und
1453 in Flandern, Südfrankreich und Italien gelebt haben.
Entsprechend kann man nun von den folgenden Fakten ausgehen: Höchstwahrscheinlich um das Jahr 1370 in Lüttich
geboren, wuchs Johannes Ciconia dort als unehelicher Sohn
des Domherrn der Stiftskirche St. Johannes Evangelist auf.
Eine Auflistung derselben Kirche aus dem Jahr 1385 registrierte ihn dort als duodenus, einen Chorknaben. In einem in
Padua aufgefundenen Dokument bezeichnet er selbst seinen
Vater als quondam Joannis de civitate Leodii, also einen »gewissen Johannes aus der Stadt Leodium«. Im Jahr 1391 stand er
nachweislich in Rom im Dienst von Philippe d'Alençon, einem
treuen Kardinal des römischen Papstes. Diese Konstellation
wiederum war ausschlaggebend für den bereits erwähnten
päpstlichen Brief, der seine uneheliche Abstammung defectus natalium de presbitero genitus als hinfällig deklarierte, um
ihm so eine Karriere in der Kirche zu ermöglichen, die ihm
andernfalls verwehrt geblieben wäre.
Bezüglich seiner Karriere als Musiker ist bekannt, dass er ab
April 1403 bis zu seinem Tod als cantor et custos an der Kathedrale von Padua angestellt war. Sogar das genaue »Gehalt«,
ein beneficium mansionarie von 100 Gold-denari bereits ab
1402, das ihm vom Domkapitel zugestanden wurde, ist überliefert. Für die Zeit davor – zwischen 1391 und 1401 – fehlt
es leider erheblich an Dokumenten, so dass nur eine äußerst
vorsichtige Analyse seines musikalischen Schaffens, seiner
Trigonale 2012 – Programm - 47 -
Präsenz in musikalischen Quellen sowie seiner stilistischen
und textuellen Entwicklung darüber Aufschluss geben kann,
für wen und wo Ciconia möglicherweise gearbeitet bzw. gelebt haben mag. Ein Beispiel hierfür ist das Madrigal Una
panthera, das, nach einem längeren möglichen Aufenthalt in
Rom bis in die späten 1390er-Jahre, auf eine aktive Präsenz
am Hofe der Visconti in Pavia nach dieser Zeit und vor seinem Aufenthalt in Padua hindeutet. Als eines von mehreren
Werken Ciconias, die mit den Visconti in Verbindung gebracht
werden können, ist bei diesem Stück genau bekannt, wofür es
geschrieben worden ist, nämlich anlässlich Lazzaro Guinigi
di Luccas Besuch in Pavia im Frühling des Jahres 1399, um
eine Allianz mit Gian Galeazzo Visconti einzugehen.
Betrachtet man Ciconias Kompositionsweise genauer, so fällt
eine tatsächlich neuartige Satztechnik auf, die eine Koordinierung der Oberstimmen nicht nur mit dem so genannten
Tenor, sondern auch untereinander vorsieht. Man könnte
sie in ihrer Wirkung mit dem etwa zur selben Zeit erfundenen Facettenschliff vergleichen, der Edelsteinen, je nach
Lichteinfall, zu immer neuen Farbnuancen verhilft: ein treffendes Beispiel für die Faszination des so oft proklamierten
»dunklen Mittelalters« für das Licht und dessen mannigfaltige Schattierungen! Wie verhält sich dies nun im direkten
Vergleich mit anderen Kompositionen aus der Zeit und/
oder dem Umfeld Ciconias? Eine andere Herangehensweise,
um sich an diesen Musiker und seine Umwelt gewissermaßen »heranzutasten« und ein besseres Verständnis dieser fast
schon »kristallinen« Polyphonie zu erlangen, ist es, sich mit
Zeitgenossen und Werken von Menschen auseinanderzuset- 48 - Trigonale 2012 – Programm
zen, die Ciconia vielleicht sogar selbst gekannt haben könnte.
Entsprechend beginnt hier eine Reise aus der Neuzeit zurück
ins Mittelalter. Und der Protagonist? Die für sich selbst sprechende Musik.
Stefanie Pritzlaff
Das Ensemble Pentagonale bedankt sich ganz herzlich für die
tatkräftige Unterstützung von und für die Zusammenarbeit
mit Claudia Caffagni vom Ensemble laReverdie. Sie lieferte uns in den vergangenen Jahren bei weitem nicht nur die
nötigen Informationen aus ihrer eigenen Forschungsarbeit
(Claudia Caffagni »Omaggio a Johannes Ciconia (ca. 1370 –
1412): Un modello per i mottetti di Ciconia: Marce Marcum
imitaris«, in Marcianum, VIII, 1, (2012)), um beispielsweise
den oben stehenden Text verfassen zu können. Wir durften
unglaublich viel von ihr lernen, sie hat uns nicht nur begleitet, sondern im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrem Elan
und ihrer Freude an mittelalterlicher Musik angesteckt und
begeistert.
Trigonale 2012 – Programm - 49 -
Pro g r a mm
Grazioso da Padova
Johannes Ciconia
(fl. 2. Hälfte des 14. Jh.)
(um 1370 – 1412)
1. Gloria 1)
Pierre Tailhandier
(fl. um 1390)
7. Lizadra donna 9)
Ballata
Bartolino da Padova
2. Credo 2)
(um 1365 – 1405) /Anonymus
8A. La doulse cere di un fier animal 3)
Jacopo da Bologna
(fl. 1335 – 1365)
3. Aquila altera
Madrigal
8B. La doulse cere di un fier animal 6)
6)
Instrumental
Jacopo da Bologna
Paolo da Firenze
(fl. 1335 – 1365)
(um 1355 – 1412)
Motette
Virelai
Jacob de Senleches
Johannes Ciconia
10. O Virum omnimoda / O lux et decus /
Beate Nicholae 10)
4. Lux purpurata/diligite justitiam 1)
(fl. 1382/1383 – 1395)
5. La harpe de melodie 8)
Matteo da Perugia
9. Sofrir m'estuet et plus non puis durer 7)
Motette
(fl. 1400 – 1416)
6. Serà quel zorno may 4)
Johannes Ciconia
11. Una panthera in compagnia di Marte 5)
Ballata
Madrigal
- 50 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 51 -
Francesco Landini
12. De! Dinmi tu 3)
Madrigal / Caccia
Filippotto da Caserta
(fl. 1380 – 1410)
13. En attendant souffrir m'estuet grief payne 4)
Ballata
Johannes Ciconia
(fl. um 1390)
14. Venecie mundi splendor / Michael,
qui stena domus 10)
Motette
Quellen:
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
10)
Padova: Biblioteca Universitaria, 684
Apt: Cathédrale Sainte-Anne, Bibliothèque du Chapitre
Firenze: Biblioteca Medicea-Laurenziana, Palatino 87
(Codice Squarcialupi)
Modena: Biblioteca Estense e Universitaria a.M.5.24
Lucca: Archivio di Stato 184 (Codice Mancini)
Faenza: Biblioteca Comunale 117
Paris: Bibliothèque Nationale, fonds italien 568
Chantilly: Bibliothèque du Musèe Condè 564
Parma: Archivio di Stato, Busta n.75 (frammenti musicali)
Bologna: Civico Museo Bibliografico Musicale, Ms Q 15
- 52 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 53 -
T e x te
1. Gloria
1. Gloria
2. Credo
2. Credo
3. Aquila altera – Instrumental
3. Aquila altera – Instrumental
4. Lux purpurata/diligite justitiam
4. Lux purpurata/diligite justitiam
Triplum:
Triplum:
Lux purpurata radiis
venti fugare tenebras.
Clementi vigens principe.
Licht, das unter der Herrschaft
eines milden Fürsten erblüht,
kommt, geziert mit Strahlen, die Dunkelheit zu vertreiben.
Honoris namque claritas
ipsius toti seculo
numen acquirit celebre
virtutis atque gratie.
Seine Ehre und Glanz erlangen
während seines ganzen Zeitalters
berühmte Autorität in
Tugend und Gnade.
Salvator rei publice.
Virtutum cultor optimus.
Verus amator efficax.
Constans in omni studio.
Et nil permittens irritum.
Clemens et iustus dominus.
Onustus arrogantibus.
Retter des Staates.
Größter Erschaffer von Tugend.
Wahrer und nachhaltig Liebender.
Beständig in allem Eifer.
Und nichts Fehlerhaftes Zulassender.
Milder und gerechter Herr.
Von Anmaßenden belastet.
- 54 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 55 -
Misericors egentibus
emittit lumen omnibus
salutis atque premii.
Barmherzig gegenüber den Bedürftigen.
Er sendet aus Licht des Heils
und des Verdienstes für alle.
Motetus:
Motetus:
Diligite iustitiam
qui iudicatis machinam.
Prodesse cunctis discite.
Obesse nulli querite.
Hoc proprium est principis.
Ut sit exutum viciis.
Solicitudo presuli
sit comes, ut pacifice
quiescant ejus populi.
Wähle Gerechtigkeit,
Du, der du das Staatsgetriebe wertest.
Lerne, Allen zu helfen.
Trachte danach, Keinen zu verletzen.
Dies ist die Besonderheit eines Fürsten.
Dass er ohne Laster sei.
Möge Besorgnis der Begleiter des Beschützers sein.
Damit sein Volk
in Frieden leben kann.
5. La harpe de melodie – Instrumental
5. La harpe de melodie – Instrumental
6. Serà quel zorno may
6. Wird dieser Tag je kommen
Serà quel zorno may
dolze madonna mia
che per toa cortesia
prenda el mio cor che vive in tanti guai?
Wird dieser Tag je kommen,
meine süße Gebieterin,
da du durch deine Güte
mein Herz ergreifst, das so in Qualen lebt?
Certo non ben convensi
zentil cosa trovar senza pietate
ne che in summa beltate
cortesia manchi ai lassi spirti accensi.
Sicher ziemt es sich nicht,
Edles zu finden ganz ohne Erbarmen,
auf dass in höchster Schönheit nicht
die Güte fehlt, ach, unglücklich entbrannte Geister!
- 56 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 57 -
Dunque perché non pensi
al mio grave dolore
non vedi tu che'l core
per te si struze et manca in pianti omai.
Warum denkst du dann nicht
an meinen tiefen Schmerz?
Siehst du nicht, dass dies Herz
für dich sich aufzehrt und in Tränen bald vergeht?
Serà quel zorno mai
dolze madonna mia
che per toa cortesia
prenda el mio cor che vive in tanti guai.
Wird dieser Tag je kommen,
meine süße Gebieterin,
da du durch deine Güte
mein Herz ergreifst, das so in Qualen lebt?
7. Lizadra donna
7. Meine schöne Dame
Lizadra donna che lo mio cuor contenti,
rendime pace omai di mei tormenti.
Meine schöne Dame, die mein Herz erfreut,
befreie mich von meinen Qualen.
Tu say ben che honesto amor e pura fede
strinse lo mio cour di doglia e di martiri.
Senca aver may per ben amar mercede,
men ianto a gl'ochi, al pecto men sospiri.
Sie wissen genau, dass ehrliche Liebe und reiner Glauben
mein Herz mit Schmerz und Leid umschlingen.
Ohne jemals Trost erhalten zu haben, dich zutiefst zu lieben,
noch meine Augen weniger weinen,
noch weniger Seufzer in meiner Brust sind.
Dimando a consollare I mey desire,
qualche conforto ay mei fieri lamenti.
- 58 - Trigonale 2012 – Programm
Ich flehe um Linderung meiner Wünsche,
etwas Trost für meine grausamen Klagen.
Trigonale 2012 – Programm - 59 -
8A. La doulse cere di un fier animal
8A. Das sanfte Antlitz eines wilden Tieres
La doulse cere di un fier animal
se poit entendre pour sanefiance
grant ardimant et umble semblance.
Das sanfte Antlitz eines wilden Tieres
kann verstanden werden, als dass es großen Wagemut bezeigt,
gepaart mit einem bescheidenen Auftreten.
Le vis human, le buste d'un lion.
intre segiés d'un brief allegier
que dit lialmant sans doctier.
Ein menschliches Gesicht, die Büste eines Löwen,
umgürtet, damit es Erleichterung bringt,
was auf eine ehrliche Art und Weise spricht, ohne zu predigen.
A son col porta une scuto tout blans,
que de gonbrier il fut tout garans.
Er trägt, herabhängend an seinem Hals, einen Schild,
vollkommen in Weiß, sodass es Schutz erfahre vor allen Angreifern.
8B. La doulse cere di un fier animal
8B. Das sanfte Antlitz eines wilden Tieres
Instrumental
Instrumental
9. Sofrir m'estuet et plus non puis durer
9. Ich muss leiden und kann nicht länger
Sofrir m'estuet et plus non puis durer
le grant forze d'amour:
je fort languis con joye en grant doulour.
Ich muss leiden und kann nicht länger
die große Kraft der Liebe ertragen.
Ich schmachte tief, Freude und große Trauer in perfekter Balance.
Vidon gli ochi mortal di razi accesa
fiammegiar una stella al modo d'un sole;
la vista mia non pote far difesa:
passo el razo al core onde si dole.
Meine sterblichen Augen sahen einen Stern,
brennend wie eine Sonne, umgeben von hellen Strahlen.
Mein Augenlicht konnte keinen Schild aufstellen: ein Strahl
traf bis ins Herz, das daher in Schmerzen sich windet.
- 60 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 61 -
Non val sospir, non fe, non dir parole.
en grant doyl est mon cuer:
je pourport esperans in douls amour.
Es gibt keinen Punkt im Seufzen, im Zusichern von Glauben,
im Sprechen von Worten. Mein Herz ist in großer Trauer.
Ich trage in mir Hoffnung auf süße Liebe.
Sofrir m'estuet et plus non puis durer
le grant fors d'amour:
je fort languis con joye en grant doulour.
Ich muss leiden und kann nicht länger die große Kraft
der Liebe ertragen.
Ich schmachte tief, Freude und große Trauer in perfekter Balance.
10. Cantus I
10. Cantus I
O Virum omnimoda veneracione dignum
Lasset uns andächtig den Mann anflehen, würdig aller
Cantus II
Cantus II
O Lux et decus Tranensium, Nicholay peregrine,
O Licht und Stolz von Trani, Nicolas der Pilger,
cunctarum virtutum meritis decoratum
quem Dominus Tranensibus patronum pie concessit,
cuius precibus adjuvari,
devote deposcimus.
Amen.
qui in celis gloriaris cum sanctis perenniter,
in hac valle miserie nos suspirantes protégé,
qu carnis exuti ergastudo ad superos pertrahamur
dicentes: Miserere nobis, domine.
Amen.
- 62 - Trigonale 2012 – Programm
Verehrung, geschmückt mit den Belohnungen aller seiner Taten,
dem der Herr Gnade zu Trani beschieden hat
als seinen Heiligen Schutzpatron
und dem durch seine Gebete geholfen wird.
Amen.
der Herrlichkeit im Himmel mit den Heiligen für immer
erfahren hat, uns zu beschützen in diesem Jammertal,
so dass, nachdem er dem Gefängnis des Fleisches entkommen ist,
wir auffahren und sagen können: Herr, erbarme dich unser.
Amen.
Trigonale 2012 – Programm - 63 -
Tenor
Tenor
O Beate Nicholae,
Seliger Nicolas,
supplicum vota suscipe, flagitamus,
ut quos presencia tua declarasti
eterno tueare presidio
et perenniter gratulemur
tua festa colentes,
Amen.
wir bitten dich, die Petitionen deiner Bittsteller anzunehmen,
dass wir, denen du in deiner Anwesenheit erklärt hast,
du würdest sie schützen durch deine ewige Hilfe,
so auch, deine Feste einhaltend,
unendlichen Dank erwerbend,
Amen.
11. Una panthera
11. Ein Panther
Una pantera in conpagnia de Marte,
candido Jove d'un sereno adorno
constante è l'arme chi la guarda intorno:
Ein Panther in Begleitung des Mars,
makelloser (weißer) Jupiter an einem geschmückten Himmel,
das ist für den, der ihn anschaut, eine beständige Verteidigung.
Questa guberna la città Luccana
con soa dolceca el cielo dispensa e dona,
secondo el meritar, iusta corona,
Dieser Panther beherrscht die Stadt Lucca.
Mit seiner Süße verbreitet und schenkt der Himmel,
verdientermaßen eine gerechte Krone,
dando a ciascun mortal, che ne sia degno
triumpho, gloria e parte in questo regno.
indem er jedem Sterblichen, der ihrer würdig ist,
Triumph, Ruhm und Anteil an diesem Reich verleiht.
- 64 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 65 -
12. De! Dinmi tu
12. Komm' schon! Erzähl' mir
De! Dinmi tu che se'così fregiato
di perle d'oro,
quando tu ti vedi, chi ti par esser?
Par aver non credi
ricc'a cavallo ben accompagnato?
Ma un fum'è quel che per gloria tieni
et fregi drappi e tondi palafreni.
Ah che! Di chi dite ch'a quel ch'i'sento?
Ogni stato di gente cerca vento.
Komm' schon! Erzähl' mir, wer so
mit goldenen Perlen verziert ist,
wenn du dich selbst anschaust, welches Bild siehst du?
Denkst du wirklich nicht, dass es von Bedeutung ist,
ob du reich bist oder ein Pferd reitest oder ob dir ein prunkvoller
Hofstaat folgt? Aber was für eine Illusion ist es, dass du deinen
Ruhm, Zierrat, Kleider und gut genährte Pferde betrachtest.
Ah! Von wem sagt ihr, dass er (tatsächlich) besitzt, was ich so
höre? Jede Art Mensch sucht die Illusion [Wind].
13. En attendant souffrir m'estuet grief payne
13. Solange ich warte geschieht es,
dass ich große Leiden ertrage
En attendant souffrir m'estuet grief payne
et en langour vivre c'est ma destinée.
Puis que venir ne puis a la fontayne
tant est de ruisiaus en tour avironée.
Celle virtu lia Dieüs donée quelle puet souplir
ciascuns a soufisance, per sa dignié et très nouble pousance.
Li grant ruissiaus, que la font leur amaine
si ont leur condustour estopée. Si c'om ne puet trouver
la droit vaine tant est coronpue l'iaue, et troublée.
Solange ich warte geschieht es, dass ich große Leiden ertrage
und es ist mein Schicksal, in Sehnsucht zu leben,
da ich nicht zu der Quelle gelangen kann,
die von vielen Bächen umgeben ist.
Gott hat ihr eine solche Tugend gegeben, dass sie, dank ihrer
Würde und sehr edlen Macht, alle Bäche reichlich versorgen kann.
Die großen Bäche, die die Quelle versorgt, haben ihren eigenen
Lauf verstopft, so dass man die rechte Ader nicht finden kann,
so verdorben und verschmutzt ist das Wasser.
Guster n'en puis une seule alevée
si Nobleté n'a [de] moy remenbrance
per sa dignité et [très noble pousance].
Ich kann keinen einzigen Schluck genießen,
solange sich der Adel nicht an mich erinnert hat dank seiner Würde und sehr edlen Macht.
- 66 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 67 -
14. Cantus I
14. Cantus I
Venecie, mundi splendor,
Venedig, du Bewunderte der Welt
Italie cum sis decor,
in te viget omnis livor
regulis mundicie.
und Stolz Italiens!
In dir blüht alles Streben
nach einem Kanon an Eleganz.
Gaude, mater maris, salus,
qua purgatur quisque malus,
terre ponti to es palus,
miserorum baiula.
Gaude late, virgo digna,
principatus portas signa
(tibi soli sunt condigna)
ducalis dominii.
Freue dich, du Mutter des Meeres,
du rettende Kraft, durch die jeder Übeltäter gereinigt wird.
Du bist ein Pfahl zu Land und Meer,
eine Unterstützung für die Niedrigen.
Freue dich außerordentlich, du ehrenwerte Jungfrau.
Du trägst das Wappen
eines herzoglichen Fürstentums,
das dir allein zugeeignet worden ist.
Gaude, victrix exterorum,
nam potestas Venetorum
nulli cedit perversorum,
domans terram, maria;
Freue dich, du Eroberin der Heiden,
für die Macht von Venedig,
das Land und Meere zähmt,
überlässt nichts den Verdorbenen;
Nam to vincis manus fortis,
pacem reddis tuis portis,
et disrumpis fauces mortis,
tuorum fidelium.
Denn du eroberst die Kräfte der Mächtigen,
du stellst in deinen Toren den Frieden
deiner Gläubigen wieder her,
und du brichst die Klauen des Todes.
Pro te canit cove pia
(tui statum in hac via
el conservet et maria)
Johannes Ciconia.
Für dich, mit frommer Stimme, singt
(dass Gott und Maria auf diese Weise
dich bewahren können wie du bist)
Johannes Ciconia.
- 68 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 69 -
Cantus II
Cantus II
Michael qui Stena domus
Michael, der du die Last
Tu ducatus portas onus,
honor tibi, quia bonus
vitam duces celibem.
des herzoglichen Hauses von Stena trägst,
Ehre dir, denn du, ein guter Mensch,
weiß ein Leben im Zölibat zu führen.
Phebo camper, princeps alme,
tibi mundus promit »salve«;
spargis tuis fructum palme,
victor semper nobilis.
Herrlicher Prinz, der du wie Phoebus bist,
es grüßt dich die Welt, und du,
der immer edle Sieger,
teilst die Früchte des Sieges unter deinem Volk auf.
Clemens, Justus approbaris,
decus morum appellaris,
tu defensor estimaris fidei catholice.
Du bist geachtet als barmherzig und gerecht denkend;
du wirst gelobt als ein Ausbund an Tugend,
du bist geschätzt als Verteidiger des katholischen Glaubens.
Bonis pandis munus dignum,
malis fundis pene signum
leges suas ad candignum
gladio justitie.
Auf Gutes verleihst du die richtige Belohnung,
während du auf Böses, wie es war,
dein Gesetz mit dem Schwert der Gerechtigkeit,
als gerechtes Zeichen verhängst.
Sagax, prudens, mitis pater,
(lex divina, cum sis mater)
mentis virtus tibi frater,
zelator reipublice.
Du bist ein strenger, kluger, bescheidener Vater
(während du, das göttliche Gesetz, die Mutter der Kunst),
die Macht des Geistes ist dein Bruder,
O Wächter des Staates.
Sedem precor tibi dari,
Deo celi famulari,
ejus throno copulari,
per eternal secula. Amen.
Ich bete darum, dass dir ein Platz gegeben wird
und damit du Gott im Himmel dienen kannst,
auf dass du mit diesem Thron
auf ewige Zeiten vereint sein mögest. Amen.
- 70 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 71 -
E n s e mb le Pe ntag o nale
Das Ensemble Pentagonale verdankt seine Entstehung dem
glücklichen Zusammentreffen von fünf Musikern aus verschiedenen europäischen Ländern, die 2009 an einem Meisterkurs mit Claudia Caffagni vom Ensemble laReverdie im
Rahmen des Festivals trigonale teilnahmen.
In den folgenden Jahren haben sich weitere Mitglieder angeschlossen. Das Ensemble ist dadurch ein Schmelztiegel von
vielfältigen musikalischen und kulturellen Ideen geworden,
die die einzelnen Mitglieder durch ihre individuellen Erfahrungen gesammelt haben.
Die Musiker verbindet ihre Passion für das musikalische
Repertoire des Mittelalters, dem sie mit einem gründlichen
Studium der Quellen begegnen.
Das Ensemble gab sein Debüt 2010 in Venedig.
- 72 - Trigonale 2012 – Programm
Kerstin Ansorge studierte Blockflöte
an der Universität der Künste Berlin bei
Prof. Gerd Lünenbürger und schloss ihr
Studium mit dem Diplom ab. Sie vertiefte ihre Kenntnisse vor allem im Bereich der Mittelaltermusik bei Prof. Pierre
Hamon und David Chappuis am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse Lyon im Rahmen eines ErasmusAustauschprogrammes.
Bei dieser Gelegenheit entdeckte sie ihre Passion für die gotische Harfe, die sie bei Angélique Mauillon studierte.
Seitdem widmet sie sich vor allem der Mittelalter- und Renaissancemusik und spielt Konzerte mit verschiedenen Ensembles in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und
Spanien. Sie unterrichtet Blockflöte und Harfe in Lyon.
Claudia Caffagni wurde 1966 in
Bologna geboren. Bereits im zarten Kindesalter begann sie mit dem Blockflötenspiel. Doch um den unweigerlich erdrückenden Vergleich mit ihrer Schwester,
einer Flötenvirtuosin, zu vermeiden, fing
sie mit dreizehn Jahren an, bei ihrem Vater Mirco Lautenunterricht zu nehmen und verliebte sich rettungslos in dieses
Instrument. Während eines langen Werdegangs im In- und
Ausland absolvierte sie ihr Studium zunächst bei Federico
Marincola und später bei Paul O'Dette und Jacob Lindberg,
bei dem sie 1989 das Diplom »Lute performing« am Royal College of Music in London erhielt und schließlich bei
Trigonale 2012 – Programm - 73 -
Hopkinson Smith an der Schola Cantorum Basiliensis studierte.
1984, mit der Gründung einer ersten Formation des Ensembles laReverdie gemeinsam mit Ella de Mircovich und einem
befreundeten Lautenisten, begann sie, die eigene Musikforschung über die Grenzen der Renaissance hinaus zu betreiben (ein Repertoire, mit dem sie auch solistisch auftrat), hin
zur faszinierenden Welt der mittelalterlichen Musik. Die Zusammenarbeit mit dem Ensemble laReverdie bewog Claudia
dazu, sich der mittelalterlichen Laute zu widmen und Gesang bei Elisabetta Tandura zu studieren.
Gemeinsam mit dem Ensemble laReverdie übt sie eine intensive Konzerttätigkeit aus und nimmt an den bedeutendsten
Festivals in ganz Europa teil. Darüber hinaus trat sie 2011
beim Festival Cervantino in Mexiko auf. Tonaufnahmen
erfolgten für Radio3 (Italien), den Süddeutschen Rundfunk,
den Bayerischen Rundfunk, den Südwestfunk und den Westdeutschen Rundfunk sowie für BRT3, Radio Klara (Belgien),
France Musique (Frankreich), ORF 1, Antenna 2 (Portugal),
Rne und RTVE (Spanien), Radio2 (Polen), Radio Televizija
Slovenja (Slowenien), Espace2 (Schweiz) und KRO Radio4
(Holland). Es folgten Einspielungen für die Plattenlabels
Nuova Era und Giulia und seit 1993 regelmäßig für das vormals französische und heutige italienische Label ARCANA
in Koproduktion mit dem WDR (Westdeutscher Rundfunk).
Insgesamt wurden sechzehn Plattenproduktionen veröffentlicht, die zahlreiche Auszeichnungen erhielten.
Konservatorium Giuseppe Tartini in Triest, hält Vorlesungen
über mittelalterliche Musik an der Accademia Internazionale
della Musica di Milano, lehrt Plektrum-Laute und frühe Notationskunde an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen und ist seit 2003 Dozentin bei den Corsi Internazionali
di Musica Antica in Urbino. Als Gesangssolistin arbeitet sie
auch mit Accordone zusammen.
Neben dem Studium und ihrer Tätigkeit im Bereich der
Musik absolvierte sie das Diplomstudium Architektur am
Istituto Universitario di Architettura in Venedig mit ausgezeichnetem Erfolg. Ihre interdisziplinäre Diplomarbeit mit
dem Titel »Il temperamento in musica e in architettura: la
Schola Riccatiana« erschien im Vorjahr. Claudia ist ebenso als
Begutachterin von Diplomarbeiten tätig, die sich mit interdisziplinären Themen zwischen Musik und Architektur befassen. Seit 1990 ist sie stolze Mutter eines Sohnes, Lorenzo,
der jahrelang einer der leidenschaftlichsten Anhänger des
Ensembles laReverdie war.
Marilin Lips studierte Mittelalterge-
Mit Leidenschaft der musikwissenschaftlichen Forschung
verbunden, engagiert sie sich immer stärker in der Lehre: So
lehrte sie Historische Aufführungspraxis der Alten Musik am
sang bei Maria Staak in ihrer Geburtsstadt Tallinn. Seit 1996 ist sie Mitglied
des Ensembles Rondellus, eines der bekanntesten Alte-Musik-Ensembles Estlands. Mit Rondellus sang sie Konzerte in
verschiedenen europäischen Ländern und nahm an den CDAufnahmen Carmina Sanctorum (1989) und Adoratur Rosa
(2009) teil. Sie vertiefte ihre Kenntnisse und Erfahrungen in
Meisterkursen unter der Leitung von Claudia Caffagni und
- 74 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 75 -
erlernte frühchristlichen Gesang bei Iegor Reznikoff. Heute
ist sie aktiv als Sängerin und studiert gleichzeitig den Masterstudiengang Kulturtheorie an der Universität Tallinn. Ihr
Ziel ist es, Mittelaltergesang mit der gegenwärtigen Methodik der Kulturtheorie zu erforschen, wobei sie ihre Erfahrungen als Sängerin mit der Ausbildung im Bereich der Semiotik und Literaturtheorie verbinden möchte.
Sara Mancuso, gotische Harfe, Cla-
vicymbalum, Organetto, studierte Klavier
am Konservatorium B. Marcello in Venedig und widmet sich seither der Alten
Musik. Sie studierte Cembalo, Klavichord und Hammerflügel bei M. Giorgio
Cerasoli und Bernard Brauchli und nahm an zahlreichen Meisterkursen für mittelalterliche Musik teil, unter anderem mit
dem Ensemble laReverdie, organisiert von F.I.M.A (Urbino),
und bei Claudia Caffagni im Rahmen der trigonale.
Heute gilt ihre Passion hauptsächlich der gotischen Harfe,
die sie bei Hannelore Devaere und Marina Bonetti studiert.
Sie ist Mitglied des spanischen Ensembles für mittelalterliche Musik Puy de sons d'autre fois und dem venezianischen
Ensemble La Frottola. Seit zwei Jahren arbeitet sie mit dem
Ensemble laReverdie zusammen, mit dem sie bei einer CDAufnahme beim Label Arcana mitgewirkt hat.
- 76 - Trigonale 2012 – Programm
Matthias Otto, Mittelalterlaute und
Fidel, entstammt einer Musikerfamilie.
Erste musikalische Ausbildung (Gesang,
Violine) in einem Knabenchor (Dresdner
Kreuzchor). Danach Studium der Chemie
und Violine sowie aktive Mitwirkung in
verschiedensten Ensembles in Leipzig, Wien und Dresden.
Spezialisierung auf Barockvioline bei Simon Standage, auf
Theorbe bei Frank Pschichholz und auf Mittelalterlaute bei
Claudia Caffagni. Mitwirkungen bei zahlreichen Barockaufführungen und in verschiedenen Mittelalterformationen.
Christoph Prendl, Fidel und Or-
ganetto, studierte Cembalo bei Brett
Leighton und Viola da gamba bei Claire
Pottinger an der Bruckner-Universität
Linz sowie Viola da gamba und frühe
Streichinstrumente bei Paolo Pandolfo
und Randall Cook an der Schola Cantorum Basiliensis.
Wichtige Impulse erhielt er überdies von Jesper B. Christensen, Jörg-Andreas Bötticher und Anthony Rooley im Rahmen
seines Studiums in Basel. Als Cembalist und Gambist hat er
in vielen Ländern Europas Konzerte gegeben, unter anderem
bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, auf den historischen Instrumenten der Sammlung Beurmann im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und in der Konzertreihe
Les Goûts Réunis in Lausanne. Er musiziert mit bekannten
Alte-Musik-Ensembles wie The Earle His Viols, Rayuela, dem
Sestina Consort und Les Cornets Noirs. 2011 erhielt er einen
Trigonale 2012 – Programm - 77 -
Sonderpreis für die beste Ausführung stilgerechter eigener
Verzierungen beim Internationalen Telemann-Wettbewerb in
Magdeburg. Zurzeit absolviert er ein Masterstudium in Theorie der Alten Musik bei Johannes Menke und Felix Diergarten
an der Schola Cantorum Basiliensis.
Stefanie Pritzlaff, Blockflöten und
Traversflöte, studierte Maschinenwesen
an der TU München sowie Historische
Aufführungspraxis mit Hauptfach Traversflöte bei Marion Treupel-Franck,
Hans-Joachim Fuss und Michael Eberth
in München (Konzertdiplom 2011) und Blockflöte mit
Schwerpunkt auf Neue Musik bei Iris Lichtinger in Augsburg
und mit Schwerpunkt auf Mittelalterliche Musik bei Prof.
Maurice van Lieshout in München. Pädagogischer Abschluss
im Fach Querflöte 2012. Zahlreiche Meisterkurse u.a. bei
Han Tol, Barthold Kuijken, Kees Boeke, Gabriel Persico, Kate
Clark, Liane Ehlich und Claudia Caffagni lieferten wichtige
Impulse. Im Moment promoviert sie in Musikwissenschaften
an der LMU München.
2003 gewann sie einen 1. Bundespreis im Wettbewerb Jugend Musiziert (Blockflöte solo) sowie einen Sonderpreis für
zeitgenössische Musik. 2010 war sie Finalistin in der 24th International Competition for Early Music in Kofu, Yamanashi,
Japan (Traverso solo). Sie ist Mitglied in diversen Ensembles,
spezialisiert auf Mittelalter, Barock und Frühklassik sowie
moderne Musik mit Konzerttätigkeiten besonders im süddeutschen Raum.
- 78 - Trigonale 2012 – Programm
Marie Verstraete, Blockflöte, Fidel.
Die gebürtige Belgierin spezialisiert sich
sowohl als Musikwissenschaftlerin als
auch in der musikalischen Praxis (Fidel,
Blockflöte und Renaissancegambe) auf
die Musik des Mittelalters und der Renaissance. Ihre Faszination für diese Musik festigte sie durch
zahlreiche Studien in Belgien, Deutschland, Italien und in
der Schweiz, u.a. bei J. Van Goethem, B. Spanhove, K. Boeke,
C. Caffagni, N. Schwindt, L. Duftschmid, R. Cook, C. Pasetto,
P. Memelsdorff und B. Bagby.
Trigonale 2012 – Programm - 79 -
Sonntag, 09.09. | 11 Uhr | Schloss Ebenthal
15 Uhr | Pfarrkirche St. Peter bei Taggenbrunn
Un Viaggio Musicale
Dorothee Oberlinger: Blockflöte
Franco Pavan: Theorbe
Was dem zunächst so schlicht anmutenden Instrument hier an
Virtuosität, an Klangfarben und an melodischer Ausdruckskraft abverlangt wird, steht ebenbürtig neben den Qualitäten,
die man heute allgemein mit dem ebenso bevorzugten Soloinstrument der Barockzeit, der Violine, verbindet. Die Theorbe
war neben dem Cembalo das zentrale Harmonieinstrument
des Basso continuo und wurde – wie die Laute auch – als Soloinstrument eingesetzt. Sie war somit meist Bestandteil der
Besetzung eines barocken Kammerkonzerts, wie man es auf
zahlreichen Abbildungen dieser Zeit sehen kann – Blockflöte
und Theorbe bildeten also ein beliebtes Gespann.
Flauto diretto, flûte à bec, recorder, voice flute … – unter den mannigfachen Bezeichnungen, die sich im Laufe der Zeit für die
Blockflöte einbürgerten, sticht eine romanische Form als mit
Abstand poetischste heraus: flauto dolce oder flûte douce. Der
darin angesprochenen Süße und Anmut des Klangs galt die
Sympathie der Komponisten im 17. und 18. Jahrhundert, wenn
sie in ihren Opern und Kantaten, ebenso aber in der konzertierenden Instrumentalmusik Blockflöten-Partien schrieben.
Das heutige Konzert gewährt charakteristische Einblicke in
die Welt des barocken Kammerkonzerts in künstlerischen
Metropolen wie Hamburg, Paris, London oder Venedig, wo
man immer mehr dem goût melé zugetan war und sich fremden Nationalstilen öffnete. So wurde z.B. London in seiner
geradezu euphorischen Begeisterung für den römischen Violinmeister Arcangelo Corelli zur Hauptstadt des Concerto italiano und seiner Virtuosen. Zu den Italienern, die nach ersten
Anstellungen in der Heimat ihr Glück in London suchten
und fanden, gehört der Mailänder Giuseppe Sammartini. Bekannt gemacht hatte ihn in England wiederum der findige
Verleger John Walsh, als er 1727 ein Dutzend seiner Triosonaten druckte – mehr als ein Jahr, bevor ihr Komponist selbst
an der Themse eintraf und schnell zum Lieblings-Oboisten
- 80 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 81 -
E inle itun g
Viaggio Musicale – Musik des europäischen
Hochbarock für Blockflöte und Theorbe
Händels avancierte. Sammartini war von der Bandbreite der
englischen Blockflötensorten offensichtlich sehr angetan; so
komponierte er etwa ein Konzert für die höhere Fifth-Flute.
Sammartinis Sonate G-Dur op. 8 Nr. IV aus den »Six Solos«,
die 1760 posthum von John Johnson gedruckt wurden, ist im
galanten Stil geschrieben und weist in ihrem eröffnenden Andante schon empfindsame Züge im Stil eines Sicilianos auf.
Allenfalls Vivaldi-Forschern dürfte der Name Ignazio Sieber
(ca. 1680 – ca. 1757) heute noch etwas sagen, falls der Komponist der vor nicht allzu langer Zeit wiederentdeckten sechs
Blockflötensonaten überhaupt mit dem Oboen- und Flötenlehrer am Ospedale della Pietá in Venedig identisch ist. Nicht
zu überhörende Parallelen zu einigen Werken seines dortigen
Kollegen Vivaldi machen dies allerdings wahrscheinlich.
Eine Reminiszenz an die große Zeit des »Roi du Soleil« Ludwig XIV. bilden die Kompositionen von Marin Marais. Er
war ein Gambenschüler des heute biographisch kaum mehr
greifbaren Monsieur de Sainte-Colombe, des bedeutendsten
Gambisten seiner Zeit, über den Marais jedoch bald hinauswuchs. 1679 wurde er zum Officier ordinaire de la Chambre du
Roi ernannt; er blieb in den Diensten Ludwig XIV. und bis
1725 bei Ludwig XV. Seine »Couplets de Folie« greifen die
Variationen des römischen Violinmeisters Arcangelo Corelli
über die damals allerorten beliebte Follia-Weise auf. Marais
erlaubt im Vorwort seiner 1701 veröffentlichten »Folies« ausdrücklich die Ausführung auf anderen Instrumenten.
Eine Besonderheit der Bibliothek des Schlosses Ebenthal stellen die handgeschriebenen Lauten-, Theorben- und Bassgamben-Tabulaturen (aus der Zeit zwischen 1660 und 1720)
dar, die bereits faksimiliert veröffentlicht wurden. In diesem
Konzert erklingen zwei Kompositionen von Hotman und
Bartolotti, die im Goëss-Manuskript (ca.1650 – 1670) unter
65 Kompositionen für Theorbe bzw. Erzlaute und 26 Kompositionen für Laute zu finden sind.
Inszenierte der Sonnenkönig Ludwig XIV. seine offiziellen Anlässe mit Prunk und Pracht, so zog er für seine »Recrèation« am
späteren Abend leisere Töne vor: Gewöhnlich ließ er, wie sein
Kammerherr Marquis de Dangeau berichtet, Robert de Visée
kommen, damit er für ihn auf der Gitarre spiele. Nach dem
Tode des Königs erschienen diese intimen Stücke sehr bald im
Druck, in einer Fassung für ein beliebiges Melodieinstrument
und eine Bassstimme, daraus entstammt auch die Suite a-Moll.
- 82 - Trigonale 2012 – Programm
Der Gambist und Theorbist Nicolas Hotman wurde vermutlich in Brüssel geboren und übersiedelte im Jahr 1620 nach
Paris, wo er wahrscheinlich von André Maugars unterrichtet
wurde. 1636 bezeichnet ihn Marin Mersenne als einen der
besten Gambisten und Theorbenspieler seiner Zeit. In Nachfolge von Louis Couperin übernimmt er 1661 bis zu seinem
Tod drei Jahre später das Amt des Ordinarius der »Musique
de Chambre du Roi«. Hotman gilt als Begründer der französischen Gambenschule und war vermutlich der Lehrer
von Monsieur Demachy und Monsieur de Sainte-Colombe.
Er beeinflusste bedeutende französische Gambenvirtuosen
wie Marin Marais, Louis de Caix d'Hervelois und Antoine Forqueray. Seine Kompositionen für Gambe und Theorbe sind
Trigonale 2012 – Programm - 83 -
spieltechnisch schwierig und fanden im Verhältnis zu seinem
Bekanntheitsgrad nur geringe Verbreitung.
Angelo Michele Bartolotti (um 1615 – um 1681) war ein italienischer Gitarrist, Komponist und Theorbist. Wahrscheinlich wurde Bartolotti in Bologna geboren. Er gehörte zu einer
Gruppe italienischer Musiker, die am Hof der Königin Christina von Schweden in den frühen 1650er Jahren beschäftigt
waren. Wahrscheinlich folgte er ihr nach Rom und reiste im
Jahr 1658 mit ihr nach Paris. Während seiner Jahre in Italien
veröffentlichte er zwei bedeutende Sammlungen von Gitarrenmusik. Bartolotti wurde in Frankreich als einer der besten
Theorbisten bekannt und u.a. von Constantijn Huygens und
René Ouvrard hoch gelobt. Seine Abhandlung über das Basso-continuo-Spiel auf der Theorbe (»Tabelle pour apprendre
facilement en toucher la Theorbe sur la Basse«, Paris 1669)
gehört zu den wichtigsten Quellen des 17. Jahrhunderts zu
diesem Thema.
Georg Philipp Telemann, 1681 in Magdeburg geboren, war
wohl einer der produktivsten Komponisten der Barockzeit.
Sein außerordentlich umfangreiches Werk umfasste alle damals gängigen Musikgattungen. Hieraus ist auch ein großes
Repertoire für die von ihm außerdem selbst gespielte »Flûte
a béc« hervorgegangen, das aus zahlreichen Solokonzerten,
Sonaten, Trios, Quartetten und Soloparts in Kantaten und
Opern besteht. »Der getreue Music-Meister« war Telemanns
erfolgreicher »musikalischer Fortsetzungsroman«, den er
zwischen 1728 und 1729 in Hamburg veröffentlichte. Im
Jahre 1728 gründete er gemeinsam mit Johannes Valentin
- 84 - Trigonale 2012 – Programm
Görner die gleichnamige Zeitschrift. Alle 14 Tage erschien
eine neue Ausgabe, die zwei bis drei Musikstücke für verschiedene Besetzungen enthielt: Trios, Duette, Soli, Arien,
Generalbasslieder (»Singe-Sachen«), Fugen und anderes
mehr. Ganz im Sinne der Aufklärung war die Zeitschrift für
ein breiteres bürgerliches Publikum gedacht, das Anregungen
für das alltägliche häusliche Musizieren suchte. Die hieraus
entnommene kontrapunktisch kunstvoll gearbeitete viersätzige »Sonata da chiesa à diversi strumenti« in g-Moll, die in
ihrer Anlage an Kirchensonaten Arcangelo Corellis erinnert,
erscheint in Telemanns Werkkatalog auch als Komposition
für Oboe, Flauto traverso oder Violine solo. »Der getreue
Music-Meister« lässt hier die Besetzung des Melodieinstrumentes offen. Die Sonate f-Moll, ebenfalls in der traditionellen viersätzigen Form der »Sonata da chiesa« gesetzt,
ist mit »Fagotto solo« betitelt, aber auch auf der Blockflöte
spielbar, wie es Telemann am Ende des finalen Vivace anmerkt: »Diß Solo kann auch auf der Flûte à bec gespielet werden.«
Bei der Veröffentlichung dieser Sonate im »getreuen MusicMeister« zeigte sich Telemann von seiner geschäftstüchtigen
Seite: Die Kompositionen wurden nie auf einen Schlag veröffentlicht, so dass sich der Interessierte immer die nächste
Folge der Zeitschrift besorgen musste, um das ganze Werk
spielen zu können.
Der klagende Kopfsatz (»Triste«), dessen Eingangsmotiv
ein Seufzen naturalistisch nachzuahmen scheint, ist ein
Kompendium barocker Affektenlehre und Rhetorik. Telemanns Intervallbehandlung, die unerwarteten und kühnen
Harmonien sowie sein Umgang mit der Melodik machen
Trigonale 2012 – Programm - 85 -
diese Sonate mit zum Kunstvollsten innerhalb seiner Blockflötenwerke. Die Tonart f-Moll erfordert auf der Blockflöte
viele im Charakter eher matt klingende Gabelgriffe, was den
beabsichtigten Affekt der Trauer verstärkt. Johann Mattheson
schreibt 1713 zur Bedeutung von f-Moll innerhalb der barocken Tonartencharakteristik: Der »Ton« f-Moll »scheinet
eine gelinde und gelassene wiewol dabey tieffe und schwere mit
etwas Verzweiflung vergesellschaffte tödliche Hertzens-Angst
vorzustellen und ist über die massen beweglich. Er drücket eine
schwartze hülflose MELANCHOLIE schön aus und will dem
Zuhörer bisweilen ein Grauen oder einen Schauder verursachen.«
Dorothee Oberlinger
- 86 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 87 -
Pro g r a mm
Ignazio Sieber
Angelo Michele [Bartolotti]
(ca. 1680 – ca. 1757)
(ca. 1600 – 1668)
Preludio Largo/Corrente Allegro/Ceciliana
Largo/Capricio Allegro
Blockflöte, Basso continuo
Aus dem Lautenbuch der Goëss-Bibliothek, Schloss Ebenthal
Marin Marais
Sonata in f-Moll
aus »Der getreue Music-Meister«
Sonata VII
(1656 – 1728)
Sarabande/Passacaglia
Georg Philipp Telemann
(ca. 1681 – 1767)
Voiceflute solo
Triste/Allegro/Andante/Vivace
Blockflöte, Basso continuo
Robert de Visée
Giuseppe Sammartini
(ca. 1655 – ca. 1733)
(1695 – 1750)
Les Folies d'Espagne (Extract)
Suite in a-Moll aus »Pièces de théorbe et de
luth mises en partition, dessus et basse«, 1716
Prelude/Allemande: Grave/Courante/Sarabande/Gigue/
Rondeau »La Montsermeil«
Blockflöte, Basso continuo
Sonata op. 1 no. IV G-Dur
Andante/Allegro/Adagio/Minuet
Blockflöte, Basso continuo
Nicolas Hotman
(1614 – 1663)
Allemande
Aus dem Lautenbuch der Goëss-Bibliothek, Schloss Ebenthal
- 88 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 89 -
Dorothee Oberlinger, 1969 in
Franco Pavan, der italienische Laute-
Aachen geboren, studierte Blockflöte
in Köln, Amsterdam und Mailand. Als
»Instrumentalistin des Jahres« wurde sie
2008 mit dem renommierten Musikpreis
Echo Klassik für ihre CD »Italian Sonatas« ausgezeichnet. Ihr Debüt gelang ihr 1997 mit dem 1.
Preis im internationalen Wettbewerb SRP/Moeck U.K. in
London und einem anschließenden Konzert in der Wigmore Hall. Seitdem ist Dorothee Oberlinger regelmäßig zu Gast
bei den großen Festivals und Konzertreihen in ganz Europa,
Amerika und Asien und spielt als Solistin mit dem von ihr
2002 gegründeten Ensemble 1700 sowie mit renommierten
Barockensembles und Orchestern wie den Sonatori de la Gioiosa Marca, Musica Antiqua Köln, der Akademie für Alte Musik
Berlin, London Baroque, der Academy of Ancient Music oder
Zefiro.
Neben ihrer intensiven Beschäftigung mit der Musik des
17. und 18. Jahrhunderts widmet sich Dorothee immer wieder auch der zeitgenössischen Musik, so wirkte sie an der
jüngsten CD »Touch« des Schweizer Pop-Duos Yello mit.
Seit 2009 ist sie Intendantin der traditionsreichen Arolser
Barockfestspiele und seit 2004 ist sie Professorin an der Universität Mozarteum Salzburg, wo sie das dortige Institut für
Alte Musik leitet.
nist und Theorbist, ist für das trigonalePublikum kein Unbekannter. Nicht nur
als coverface der trigonale 2009, sondern
auch als Gast in mehreren Konzerten –
solistisch und mit verschiedenen Ensembles – ist er uns vertraut geworden und ans Herz gewachsen.
Er schloss sein Studium der Laute und Musikwissenschaft
in Mailand mit »summa cum laude« ab und ist seither mit
den wichtigsten italienischen Ensembles im Bereich der Alten Musik, wie Concerto Italiano, Accordone, La Cappella della
Pietà dei Turchini, La Risonanza, La Venexiana sowie mit dem
Londoner Ensemble Trinity Baroque aufgetreten. Er arbeitet
mit namhaften Dirigenten zusammen und hat in den bedeutendsten Konzerthäusern weltweit gastiert. Weiters konzertierte er in Uruguay, Chile, Mexiko, Kolumbien, Brasilien,
China, Ägypten und Marokko. Franco Pavan hat über 40 CDs
aufgenommen und Preise wie den Gramophon Award, Diapason
d'Or oder Premio Vivaldi della Fondazione Cini (Venedig) gewonnen. Seine Soloaufnahme »Le Mouton Fabuleux« gewann
den Premio del Disco Amadeus 2009. Er unterrichtet die Fächer
Laute und Kammermusik für historische Musikinstrumente
am Konservatorium E. F. Dall'Abaco in Verona und schrieb
musikwissenschaftliche Artikel über die Geschichte der Laute und die Musik des frühen 17. Jh. sowie eine Abhandlung
über neue Dokumente zu Monteverdi und Gesualdo. Auch hat
er an der neuen Ausgabe des New Grove Dictionary of Music
and Musicians und an der Enzyklopädie »Die Musik in Geschichte und Gegenwart« mitgearbeitet und ist Mitglied des
Redaktionskomitees des Journal of the Lute Society of America.
- 90 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 91 -
Sonntag, 09.09. | 18 Uhr
Seminarkirche Tanzenberg
Israelsbrünnlein
Dresdner Kammerchor
Sandra Bernhardt, Elisabeth Göckeritz, Birgit
Jacobi, Maria Stosiek, Marie Luise Werneburg,
Nicola Zöllner: Sopran
Stefan Kunath, Franziska Neumann,
Inga Philipp, Ulrich Weller: Alt
Tobias Mäthger, Claudius Pobbig,
Clemens Volkmar: Tenor
Dirk Döbrich, Georg Preissler, Felix Rumpf,
Felix Schwandtke: Bass
Wolfgang Kostujak: Orgel
Jarek Thiel: Violoncello
Michael Dücker: Theorbe
Hans-Christoph Rademann: Leitung
- 92 - Trigonale 2012 – Programm
E inle itun g
Eine mitteldeutsche Karriere. Man hüte sich davor, zu schreiben »nur«, denn der geografische Lebensradius eines Johann
Sebastian Bach war kaum weiter gespannt, und dennoch stellt
niemand in Zweifel, dass bei Werken des berühmten Thomaskantors hoher Kunst zu begegnen sei. Hohe Kunst in
gleicher Weise, vielleicht etwas sperriger im Klangbild, vielleicht etwas fremder im Hörvertrauten, vielleicht ein wenig
»weiter weg« im Lebensgefühl, begegnet uns gleichermaßen
bei Johann Hermann Schein. Rund einhundert Jahre vor Bach
an gleicher Stelle – geografisch: Leipzig – und in gleicher
Position – anstellungstechnisch: Thomaskantor – geschaffene
»Hohe Kunst«. Und man mag sich angesichts des Schreibens an den Leipziger Rat vom September 1629, in welchem
der Thomaskantor Schein die verschlechterten Arbeitsbedingungen beklagte und sich verteidigen musste gegen den
Vorwurf, er sei nicht fleißig genug und vernachlässige die
Aufsicht über seine Schützlinge an der Thomasschule, wiederum an die Streitigkeiten zwischen Thomaskantor Bach
und dem Leipziger Rat erinnert fühlen. Es waren auch da vor
allem wohl die widerstreitenden wissenschaftlichen und musikalischen Forderungen, die gestellt wurden, denen Johann
Hermann Schein in seiner Position als »General-Director der
Music […] in beyden Kirchen allhier in Leipzig« begegnete,
er, der zu seinen »normalen« musikalischen Verpflichtungen
Trigonale 2012 – Programm - 93 -
wöchentlich zehn wissenschaftliche und vier musikalische
Unterrichtsstunden zu erteilen hatte. Dennoch scheint er ein
gutes und enges, ja regelrecht freundschaftliches Verhältnis
zu den Einflussreichen und Oberen der Stadt gepflegt zu haben, wovon Ratswahlmusiken wie zahlreiche Hochzeits- und
Trauerkompositionen für Leipzigs hochgestellte und gutbetuchte Bürger zeugen. Auch seine 1623 erschienene Sammlung »Israelis Brünnlein«, was da sind »Auserlesene KrafftSprüchlein / Altes und Newen Testaments / Von 5 und 6
Stimmen sambt / dem General-Baß«, widmete der seit 1616
als Thomaskantor wirkende Schein den Bürgermeistern und
dem Rat der Stadt Leipzig.
Wo aber kam dieser hochgebildete, musikalisch ambitionierte
und ebenso über die neuesten Entwicklungen informierte wie
im gesellschaftlichen Umgang geübte Musiker her? Geboren
am 20. Januar 1586 im erzgebirgischen Grünhain, wuchs
er nach dem Tod des Vaters ab 1594 in Dresden auf, wurde
1599 Kapellknabe in der Dresdner Hofkapelle und dort von
Hofkapellmeister Rogier Michael und Kapellknabenpräzeptor Andreas Petermann in seiner musikalischen Entwicklung
begleitet. Weitere Stationen waren nach dem Stimmwechsel
der Besuch der Landesschule Pforta ab 1603 und der Beginn
des Universitätsstudiums in Leipzig 1608. Gottfried von Wolffersdorff, Hauptmann auf Schloss Weißenfels und Assessor
des Kurfürstl. Sächs. Ober-Hof-Gerichts zu Leipzig, berief
ihn 1613 als Hauslehrer und Hausmusikdirektor. 1615 ging
Schein als Hofkapellmeister nach Weimar und folgte kurz
darauf 1616 Sethus Calvisius im Amt des Leipziger Thomaskantors.
- 94 - Trigonale 2012 – Programm
Dass wir es mit einem der bedeutendsten Komponisten des 17.
Jahrhunderts zu tun haben, mag schon andeuten, dass Wolfgang Caspar Printz 1690 in seiner »Historischen Beschreibung der Edelen Sing- und Kling-Kunst« Johann Hermann
Schein benannte als denjenigen, »welcher einer von dreyen gewesen / derer Nahmen von dem Buchstaben S anfangen / und die
man zu dieser Zeit für die besten drey Componisten in Teutschland gehalten. Diese drey berühmte S aber seyen gewesen Schütz /
Schein / Scheit.« Und Printz führte weiter aus: »Eben zu dieser
Zeit hat Johann Hermann Schein / Director Musices zu Leipzig
keinen geringen Ruhm erworben. Er ist aber vornemlich fürtrefflich gewesen in dem Stylo Madrigalesco, in welchem er keinem
Italiener / vielweniger einem andern etwas nachgeben dörffen.
Seine Villanellen seyn vor der Zeit sehr hoch geachtet worden; und
hat er die Texte dazu selbst gerichtet.« – Das sagt viel über Schein
und dessen Ruf, zumal in einer Zeit, da Traditionsverständnis
im Sinne kontinuierlich gesteigerter Kreativitätslinien und
notwendiger Selbstfindungspunkte für künstlerische Positionierung noch lange nicht erfunden waren. Untermauert
wird dies am Beispiel des »Israelis Brünnlein« zumal, denn
die in Leipzig gedruckte Sammlung erlebte als einziges unter
Scheins geistlichen Werken noch 22 Jahre nach seinem Tod
eine Neuauflage!
Johann Hermann Schein selbst schrieb in seiner Vorrede, die
vorgelegten Kompositionen seien »bey fürfallenden occasionen musicirt« worden – was da sind Hochzeiten, Begräbnisse, Ratswahlfeiern, Promotionen usw. – und »So wol für
sich allein mit lebendiger Stim und Instrumenten / Als auch
in die Orgel / Clavicimbel bequemlich zugebrauchen«. Unter
Trigonale 2012 – Programm - 95 -
diesen 26 Motetten finden sich 23 auf alttestamentarische
Texte komponierte Stücke, was der Sammlung den Namen
gab. Übrigens allesamt kurz und knapp gehaltene Stücke,
keines mehr als fünf Minuten dauernd. Die Textquellen, aus
denen Schein schöpfte, sind die unversiegbaren »Brünnlein«
der Psalmen Davids, der Bücher Mose, der Propheten, des
Hohelieds Salomo und anderer Teile des Alten Testaments.
Zwei Kompositionen, »Ach Herr, ach meiner schone« und
»O, Herr Jesu Christe«, basieren auf freien Dichtungen, die
höchstwahrscheinlich Schein selbst verfasste. Alle Stücke sind
für fünf Stimmen gesetzt – ausgenommen das abschließende
sechsstimmige Madrigal –, denen ein Basso continuo ad libitum zugeordnet wurde, wobei dieser den Charakter eines
Basso seguente, also eines der vokalen Bassstimme folgenden
Instrumentalbasses, hat. Das begegnet uns auch bei Monteverdi oder in Ludovico da Viadanas Sammlung der »Cento
concerti ecclesiastici«, die 1619 in Frankfurt publiziert worden waren. Mag sein, dass diese Sammlung die erste Quelle
war, durch die Schein mit dieser neuen Art zu komponieren in
Berührung kam. Mag sein, dass aber auch der intensive Austausch mit dem ihm seit seiner Weißenfelser Zeit befreundeten Heinrich Schütz den Impuls setzte, denn Schein selbst
hat Italien nie bereist. Wie auch immer, hier schließt sich
der Bogen zu Printz und dessen Äußerung, Schein sei »fürtrefflich gewesen in dem Stylo Madrigalesco«, zumal derselbe
in seinem umfänglichen Werktitel des »Israelis Brünnlein«
dieses Charakteristikum selbst hervorhebt: »auf eine sonderbar Anmutige Italian-Madrigalische Manier« habe er sie
komponiert.
Scheins Sammlung besitzt solitären Charakter im deutschen
Musikschaffen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, was
in erster Linie auf der extrem intensiven Wortbezogenheit
seiner Musik, seiner bildhaft musikalischen Textdarstellung
beruht. Ähnlich wie Heinrich Schütz in seiner »Geistlichen
Chormusik« strebte auch Johann Hermann Schein eine Vermittlung zwischen der deutsch-niederländischen Motettentradition und der expressiven Tonsprache des modernen Madrigals Monteverdi'scher Prägung an, doch hat Schein in viel
weiter reichendem Maße als Schütz expressive Elemente der
Textausdeutung benutzt, sodass er die Stücke mit Recht als
»Geistliche Madrigale« bezeichnen konnte. Walter Webeck attestiert ihm hier eine singuläre Meisterschaft. Durch virtuose
Behandlung der fünf Singstimmen und des Generalbasses,
ohne dass ein Übermaß an Virtuosität oder Vereinzelung
der Stimmen auch nur im Ansatz entstünde, gelingen Schein
Klangeffekte und Farbkontraste, die auch für heutige Ohren
unerhört und mitreißend sind. Keine Möglichkeit für einen
expressiven Ausdruck bleibt ungenutzt, reiche Dramatik und
kühne Harmonik überraschen, sind bis ins Detail der einzelnen Stimme zu verfolgen. Das alles ist ihm aber nicht Selbstzweck, denn seine Musik habe, so Johann Hermann Schein
in der Vorrede seines »Banchetto musicale«, »Christlicher
Andacht, bey verrichtung des Gottesdienstes und auch ziemlicher ergötzlichkeit bey ehrlichen Zusammenkünfften, alternis vicibus zu dienen«. – Hohe Kunst, die ohne ihre Wurzeln
nicht zu denken ist.
- 96 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 97 -
Dr. Christina Siegfried war lange Jahre Dramaturgin und
Pressesprecherin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci. Seit
2008 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der SchumannBriefedition und seit 2009 Geschäftsführerin der Mitteldeutschen Barockmusik e.V. und des Heinrich Schütz Musikfestes.
»D ie s e Mus ik k a nn Se e le n re parie re n .«
Hans-Christoph Rademann im Gespräch mit Oliver Geisler
über Johann Hermann Schein
Oliver Geisler: Johann Hermann Schein stammt aus Grünhain
im Erzgebirge und verbrachte da seine Kindheit. Zeit seines
Lebens wird ihm das Erzgebirge ein Sehnsuchtsort bleiben.
Auch das Titelblatt des »Israelsbrünnleins« ziert der Schriftzug »Johann Hermann Schein / Grünhain«. Ist Verwurzelung
ein Lebensgefühl, das Du mit ihm teilst?
Hans-Christoph Rademann: Erzgebirge und Musikalität – das
sind fast schon Synonyme. Musik gehörte und gehört zum
Alltag dieser Region. Das Erzgebirge ist historisch gesehen
der Nährboden für den wirtschaftlichen und kulturellen
Reichtum der mitteldeutschen Städte. Unzählige Musiker
und Sänger aus dem Erzgebirge prägten die Musikkultur in
Dresden, Leipzig und weiteren Orten. Und Persönlichkeiten
wie Johann Hermann Schein, Johann Kuhnau oder Gottfried
Heinrich Stölzel haben vom Erzgebirge ausgehend mitteleuropäische Musikgeschichte geschrieben. Gleichzeitig ist da
aber stets – in den Biografien wie mitunter in den Werken –
eine ganz starke Verwurzelung, auch Bescheidenheit spürbar.
Bei den Werken Scheins spüre ich vor allem eine besondere
Klarheit und auch Einfachheit ohne urbane und höfische
- 98 - Trigonale 2012 – Programm
Schnörkel. Und ja – auch mir ist das Erzgebirge als meine
Heimat ein wichtiger Ort geblieben. Die Musik meiner
Kindheit ist lebensprägend und die gewisse Bescheidenheit,
Demut und Bodenständigkeit eines Johann Hermann Schein
kann einem nur Vorbild sein.
Geisler: In den Motetten des »Israelsbrünnleins« ist viel von
Schmerz, Vergänglichkeit, Verlust und Leid die Rede. Müssen wir uns Schein als einen traurigen Menschen in einer
traurigen Zeit vorstellen?
Rademann: Ja und nein. Schein ist wie sein Freund Heinrich
Schütz natürlich nicht ohne die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges zu denken, der als Signatur dieser Epoche
alles beeinflusst. Und wie Schütz hat Schein viel persönliches
Leid erfahren. Von seinen zehn Kindern sterben sieben im
Kindesalter. Die eigens dafür komponierten Begräbnismusiken sind absolut bewegende Werke. Die Vergänglichkeitsthematik der Motetten des »Israelsbrünnleins« sind immer
auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. Schein schildert
mitunter sehr drastisch, aber eben immer auch mit großer
Klarheit, Szenarien des Leidens und Vergehens.
Aber dann atmet diese Musik wieder eine Zuversicht, die ihresgleichen sucht. Diese Musik kann Seelen reparieren. Fast
schon programmatisch lese ich da die Zeile »Am guten Tage
sei guter Dinge, und den bösen Tag nimm auch für gut« aus
der Motette »Siehe an die Werk Gottes«. Scheins »Israelsbrünnlein« repräsentiert eine Geisteshaltung, die mich tief
beeindruckt.
Trigonale 2012 – Programm - 99 -
Pro g r a mm
T e x te
Johann Hermann Schein
Ihr Heiligen, lobsinget dem Herren,
(1586 – 1630)
danket und preiset seine Heiligkeit!
Denn sein Zoren währet einen Augenblick,
und er hat Lust zum Leben.
Den Abend lang währet das Weinen,
aber des Morgens die Freude.
Psalm 30,5–6
Ihr Heiligen, lobsinget dem Herren
Ach Herr, ach meiner schone
Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen
Die mit Tränen säen
Siehe, nach Trost war mir sehr bange
Siehe an die Werk Gottes
Drei schöne Ding
Paus e
Wem ein tugendsam Weib bescheret ist
Freue Dich des Weibes Deiner Jugend
Lieblich und schöne sein ist nichts
Ich bin jung gewesen
Lehre uns bedenken
Ich freue mich im Herren
Der Herr denket an uns
Nun danket alle Gott
- 100 - Trigonale 2012 – Programm
Ach Herr, ach meiner schone,
nach dei'm Grimm mir nicht ablehne.
Denn deine Pfeil zumal
machen mir große Qual.
O weh, mein armes Herz
empfindet großen Schmerz.
O du, mein lieber Herre Gott,
hilf mir in meiner großen Not.
Dichter unbekannt
Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen,
der Herr hat mein vergessen.
Kann auch ein Weib ihres Kindeleins vergessen,
dass sie sich nicht erbarme
über den Sohn ihres Leibes?
Und ob sie desselbigen vergesse,
so will ich doch dein nicht vergessen.
Siehe, in die Hände hab' ich dich gezeichnet.
Jesaja 49,14–16a
Trigonale 2012 – Programm - 101 -
Die mit Tränen säen
Drei schöne Ding sind,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
Psalm 126,5–6
die beide Gott und Menschen wohlgefallen;
wenn Brüder eins sind,
wenn die Nachbarn sich lieb haben,
wenn Mann und Weib sich miteinander
wohl begehen.
Jesus Sirach 25,1–2
Siehe, nach Trost war mir sehr bange.
Du aber hast dich meiner Seelen herzlich
angenommen, dass sie nicht verdürbe.
Denn du wirfest alle meine Sünde hinter dich
zurücke. Denn die Hölle lobet dich nicht,
so rühmet dich der Tod nicht,
und die in die Gruben fahren,
warten nicht auf deine Wahrheit.
Sondern allein, die da leben,
loben dich, wie ich jetzt tu.
Jesaja 38,17–19a
Paus e
Siehe an die Werk Gottes,
Sie ist lieblich wie eine Hinde,
und holdselig wie ein Rehe.
Lass dich ihre Liebe allezeit sättigen,
und ergötze dich allewege in ihrer Liebe.
Sprüche Salomos 5,18–19
denn wer kann das schlecht machen,
das er krümmet?
Am guten Tag sei guter Dinge,
und den bösen Tag nimm auch für gut;
denn diesen schaffet Gott neben jenem,
dass der Mensch nicht wissen soll, was künftig ist.
Prediger Salomo 7,13–14
- 102 - Trigonale 2012 – Programm
Wem ein tugendsam Weib bescheret ist,
die ist viel edeler, denn die köstlichen Perlen.
Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen,
und Nahrung wird ihm nicht mangeln.
Sie tut ihm Liebs und kein Leid sein lebelang.
Sprüche Salomos 31,10–13
Freue Dich des Weibes Deiner Jugend.
Trigonale 2012 – Programm - 103 -
Lieblich und schöne sein ist nichts;
ein Weib, das den Herren fürchtet,
das soll man loben.
Sie wird gerühmet werden
von den Früchten ihrer Hände,
und ihre Werk werden sie loben in den Toren.
Sprüche Salomos 31,30–31
Ich bin jung gewesen und alt worden
und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen
oder seinen Samen nach Brot gehen.
Bleibe fromm und halt dich recht,
denn solchem wird's zuletzt wohl gehen.
Psalm 37,25–37
Lehre uns bedenken,
dass wir sterben müssen;
auf dass wir klug werden.
Herr, kehre dich wieder zu uns,
und sei deinen Knechten genädig.
Fülle uns früh mit deiner Gnade.
So wollen wir rühmen und fröhlich sein
unser lebelang.
Psalm 90,12–14
Ich freue mich im Herren,
und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott;
denn er hat mich angezogen
mit den Kleidern des Heiles
und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet,
- 104 - Trigonale 2012 – Programm
wie einen Bräutigam
mit priesterlichem Schmuck gezieret
und wie eine Braut in ihrem Geschmeide bärdet.
Jesaja 61,10
Der Herr denket an uns und segnet uns.
Er segnet das Haus Israel,
er segnet das Haus Aaron;
er segnet, die den Herren fürchten,
beide, Kleine und Große.
Der Herre segne euch je mehr und mehr,
euch und eure Kinder.
Ihr seid die Gesegneten des Herren,
der Himmel und Erden gemacht hat.
Psalm 115,12–15
Nun danket alle Gott,
der große Ding tut an allen Enden,
der uns vom Mutterleibe an
lebendig erhält und tut uns alles Guts.
Er gebe uns ein fröhliches Herz
und verleihe immerdar Friede
zu unser Zeit in Israel,
und dass seine Gnade stets bei uns bleib;
und erlöse uns so lange wir leben.
Jesus Sirach 50,24–26
Trigonale 2012 – Programm - 105 -
D r e s d ne r K a mme rch o r
Der Dresdner Kammerchor gehört zu den Spitzenchören
Deutschlands und ist bekannt für seinen unverwechselbaren
Klang von großer Intensität und Klarheit. Lebendige Ausstrahlung sowie die oft gerühmte klangliche Homogenität
und Transparenz sind die Stärken des international gefragten
Ensembles. Eine Vielzahl von Rundfunk- und CD-Aufnahmen sowie die Zusammenarbeit mit international bedeutenden Dirigenten und Orchestern wie René Jacobs, Sir
Roger Norrington, Adam Fischer und Riccardo Chailly sowie
der Sächsischen Staatskapelle, dem Gewandhausorchester Leipzig, The Orchestra of the Age of Enlightenment, Concerto Köln
und der Akademie für Alte Musik Berlin unterstreichen das
Renommee des Chores.
In der Konzertsaison 2012/13 wird der Dresdner Kammerchor,
neben Konzerten mit seinem Gründer und Chefdirigenten
Hans-Christoph Rademann, mit Christian Thielemann, Reinhard Goebel, Vaclav Luks und Stefan Parkman konzertieren.
Regelmäßig erhält das Ensemble Einladungen zu international renommierten Festivals. Im Sommer 2012 gastierte der
Dresdner Kammerchor erstmals bei den Salzburger Festspielen.
Der Dresdner Kammerchor wirkt als Botschafter und Bewahrer der sächsischen Musikschätze von Weltgeltung. Er ist impulsgebend für die Pflege der Alten Musik.
Bis 2017 realisieren Hans-Christoph Rademann und der Dresdner Kammerchor gemeinsam mit dem Carus-Verlag Stuttgart
- 106 - Trigonale 2012 – Programm
und MDR Figaro die erste Heinrich-Schütz-Gesamteinspielung. Zahlreiche (Erst-)Einspielungen mit Meisterwerken der sächsischen Musikgeschichte finden international
höchste Anerkennung und werden mit Auszeichnungen gewürdigt.
Der Dresdner Kammerchor ist Schöpfer romantischer Klangtableaus und Erkunder moderner Tonsprachen des 20.
und 21. Jahrhunderts. Die eigene Konzertreihe »Dresdner
Kammchor. a cappella« lotet die Möglichkeiten der Chormusik vom 16. bis zum 21. Jahrhundert aus. Und in der eigens
initiierten Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik findet
eine intensive Auseinandersetzung mit der Gegenwart und
Zukunft vokalen Musizierens statt.
www.dresdner-kammerchor.de
Hans-Christoph Rademann zählt
heute zu den gefragtesten Chordirigenten
und anerkanntesten Chorklangspezialisten weltweit. Wegweisend sind seine Konzerte und Einspielungen mit dem Dresdner Kammerchor und dem Dresdner Barockorchester, besonders der mitteldeutschen Musikschätze des 17.
und 18. Jahrhunderts. Seit 2009 arbeitet er mit dem Dresdner
Kammerchor in Kooperation mit dem MDR und dem CarusVerlag Stuttgart an der ersten Gesamteinspielung der Werke
von Heinrich Schütz. Aber ebenso finden seine Interpretationen romantischer Werke und zeitgenössischer Kompositionen höchste Anerkennung.
Trigonale 2012 – Programm - 107 -
1985 gründete er den Dresdner Kammerchor, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist.
Er arbeitet mit Dirigenten wie Semyon Bychkov, Roger Norrington, Christoph Eschenbach, Sir Simon Rattle und Christian
Thielemann zusammen. Bei Gastspielen dirigierte er weltbekannte Orchester und Chöre, u.a. die Sächsische Staatskapelle,
das Freiburger Barockorchester, Concerto Köln und die Akademie
für Alte Musik Berlin, das Rundfunksinfonieorchester Berlin,
das Rotterdam Philharmonic Orchestra, den National Chamber
Choir of Ireland, das Collegium Vocale Gent und die Bachakademie Stuttgart. Zahlreiche Konzertreisen führten ihn in die
renommierten europäischen Musikzentren sowie in die USA,
nach Israel, Südafrika, Indien, Sri Lanka, Argentinien, Uruguay und Japan. Hans-Christoph Rademann wurde mehrfach
mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet
und erhielt außerdem wiederholt den Grand Prix du Disque,
den Diapason d'Or, den pizzicato Supersonic und den Choc de
Classica.
1994 wurde Hans-Christoph Rademann für seine Verdienste
um das Dresdner Musikleben mit dem Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden ausgezeichnet. 2008 wurde ihm die
Sächsische Verfassungsmedaille verliehen. Von 1999 bis 2004
leitete Rademann den Chor des Norddeutschen Rundfunks.
Seit 2000 ist er Professor für Chorleitung an der Hochschule
für Musik Carl Maria von Weber in Dresden. Seit 2007 ist
er Chefdirigent des RIAS Kammerchores. 2008 initiierte er in
Berlin das Dirigentenforum, das den internationalen Dirigentennachwuchs fördert. Darüber hinaus ist er Intendant
des Musikfestes Erzgebirge, das im September 2010 seine Premiere feierte. Hans-Christoph Rademann ist Schirmherr des
Christlichen Hospizdienstes Dresden e.V. und Mitglied des Stiftungsrates der Erzgebirgischen Theater- und Orchesterstiftung.
Im Sommer 2013 wird Hans-Christoph Rademann als Nachfolger Helmuth Rillings die Leitung der Internationalen Bachakademie Stuttgart übernehmen.
- 108 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 109 -
Mittwoch, 12.09. | 19 Uhr
Stiftskirche St. Georgen
supported by
The Image of Melancholy
Der Einfluss der Viersäftelehre auf die Musik
der Renaissance und des Barocks
K o nz e
r t mi t
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S i n g e i d e n ce
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Barokksolistene
Bjarte Eike: Violine, Leitung
Per Buhre: Violine, Viola
Milos Valent: Violine, Viola
Judith Maria Blomsterberg, Thomas Pitt: Cello
Hans Knut Sveen: Cembalo, Orgel
Fredrik Bock: Theorbe, Gitarre
Tuva Semmingsen: Mezzosopran
Singers in Residence
Hanna Herfurtner: Sopran
Ida Aldrian: Mezzosopran
Jan Petryka: Tenor
Ulfried Staber: Bass
E inle itun g
Der griechische Arzt Hippokrates (460 – 370 v. Chr.) entwickelte eine Theorie zu den vier Temperamenten. Er glaubte,
dass die menschlichen Gemütsverfassungen, Verhaltensweisen und Emotionen durch Körpersäfte verursacht würden
– Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Überwog einer
dieser Säfte, so ergab sich daraus ihm zufolge ein bestimmter
Charakter oder Persönlichkeitstyp. Dabei entsprach Blut
dem Sanguiniker (impulsiv, reizbar, kreativ), Schleim dem
Phlegmatiker (entspannt, ruhig, faul, abwartend), gelbe Galle
dem Choleriker (ehrgeizig, aggressiv, leidenschaftlich) und
schwarze Galle dem Melancholiker (introvertiert, nachdenklich, künstlerisch-kreativ, traurig, leidenschaftlich).
Die alten Griechen dachten, dass sich bestimmte musikalische Modi oder Tonfolgen auf das Gleichgewicht der vier
- 110 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 111 -
Körpersäfte auswirkten, und setzten deshalb Musik ein, um
die verschiedenen Gemütsarten zu beeinflussen bzw. zu heilen. Diese Auffassung fand ebenfalls Eingang in die Musik
der Renaissance und des Barocks – durch Rhetorik und Affekte ließen sich nicht nur die Stimmungen des Menschen
beeinflussen, sondern auch seine Gesundheit.
Der Begriff Melancholie geht zurück auf das griechische
»Melankholia« (melas = schwarz + khole = Galle) und wurde
schon früh mit Künstlern assoziiert. Ein trauriger und nachdenklicher Gemütszustand mit dem Vermögen, Trauer, Niedergeschlagenheit usw. auszudrücken oder zu verursachen,
war seit jeher ein beliebtes Ausdrucksmittel für Dichter, Maler, Komponisten und Musiker.
Im post-elisabethanischen England um 1600 stand die Melancholie bei Komponisten hoch im Kurs. Sie veröffentlichten umfangreiche Musikbände mit melancholischen Titeln.
John Dowland war geradezu ein Synonym für Melancholie.
Sein Motto war: 'Semper Dowland, semper dolens' (Einmal
Dowland, stets voller Schmerzen). Ähnliche Kult- oder Modebewegungen in Künstlerkreisen kamen in späteren Jahrhunderten auf.
Wir wollen in diesem Programm die Emotionen im Spannungsfeld der Melancholie ausloten. Meiner Meinung nach
ist Melancholie nicht nur mit Traurigkeit und Verzweiflung
verbunden – sie steht auch für Reflexion, Meditation und
Trost. In verschiedenen Traditionen der Volksmusik sind
Brautlieder häufig in Moll – oder in einer Kombination aus
- 112 - Trigonale 2012 – Programm
Dur und Moll – geschrieben. Auch Freude und Glück können mit Melancholie verbunden sein – Clowns sind hierfür
das beste Beispiel. Gleichzeitig handelt es sich in vielerlei
Hinsicht um die persönlichste aller Stimmungen: Auf der
Bühne kann ein Schauspieler an der Oberfläche bleiben oder
nur »seine Rolle spielen« und dennoch komisch, impulsiv
und glücklich wirken. Wenn er jedoch Melancholie darstellen will, muss er sich zwangsläufig öffnen und seinen innersten Gefühlen Ausdruck verleihen.
Dieses Projekt ist als Exkursion in unterschiedliche Musikstile, Nationalitäten und Genres gedacht – mit der Melancholie als gemeinsames Thema. Von jeher waren es die
»traurigen Lieder«, die mich persönlich am nachhaltigsten
beeindruckten – sei es in der Klassik, in der Barockmusik,
im Jazz, Rock oder in der zeitgenössischen Musik. Ich wollte
schon seit langem ein Projekt wie dieses präsentieren und
freue mich nun sehr, es hier bei der trigonale aus der Taufe
heben zu können.
Die Arbeiten zu diesem Programm sind zurzeit noch im
Gang und deshalb steht noch nicht fest, welche Stücke wir
spielen werden. Klar ist hingegen unser Ziel: ein meditativer,
schöner, inniger und bewegender Abend – unser Verständnis
von Melancholie.
Bjarte Eike 2012
Trigonale 2012 – Programm - 113 -
Die norwegische Sängerin Tuva Semmingsen erhielt ihre Ausbildung an der
Norwegischen Staatlichen Musikakademie
und an der Königlichen Opernakademie in
Kopenhagen. Sie bestritt ihr Debüt 1999
an der Königlichen Oper in Kopenhagen
als Cherubino in der »Hochzeit des Figaro«. Als Ensemblemitglied der Königlichen Oper hatte sie unter anderem Auftritte in »Giulio Cesare«, in »Egitto« (Sesto), in »La Cenerentola« (Angelina), in »Il Barbiere di Siviglia« (Rosina), in »Il
Ritorno d'Ulisse«, in Patria (Minerva und Melanto), als Nerone in »L'Incoronazione di Poppea« und als Rosmira in Händels
»Partenope«. Außerhalb Dänemarks war sie in der Cenerentola
in Glyndebourne und an der Königlichen Oper in Stockholm
zu hören, im »Barbiere di Siviglia« in Nancy, Reims und Oslo,
in »Giulio Cesar« in Oslo und Lille mit Le Concert d'Astrée
unter Emanuelle Haïm und in »Orlando Furioso« mit dem
Ensemble Matheus unter Jean-Christophe Spinosi. Aktuelle Auftritte beinhalten den »Giulio Cesare« mit der Capela Krakowiensis unter Jan Tomasz Adamus und eine Rückkehr an das
Stockholmer Schlosstheater Drottningholm in Joseph Haydns
»Orlando Palatino«.
Tuvas Stimme erklingt mit Bjarte Eike & Barokksolistene auf
dem Soundtrack zu Lars von Triers Horrorfilm »Antichrist«.
Mit den Barokksolistene entstand auch ein kürzlich veröffentlichtes Album mit Musik von Händel und dessen Zeitgenossen unter dem Titel »London Calling«. Weitere Aufnahmen
umfassen Vivaldis »Sum in medio« und »Gloria e Imeneo«
mit dem King's Consort, die Titelrolle in Vivaldis »Ottone«
in Villa, weiters »Giulio Cesare« und »Partenope« auf DVD.
Ida Aldrian wurde in Bruck an der
Mur geboren. Mit fünf Jahren erhielt
sie ihren ersten Unterricht in Blockflöte,
später auch in Klavier, Geige und Gesang.
Von klein auf war sie fasziniert vom
Singen und tat dies mit Begeisterung
in verschiedensten Chören. Bei Sigrid Rennert erhielt sie
schließlich ihren ersten Gesangsunterricht. Nach der Matura folgten das Gesangsstudium an der Universität für Musik
und darstellende Kunst Wien zunächst bei Prof. Leopold Spitzer,
nun bei Prof. Karlheinz Hanser und Abschlüsse der Diplomstudien Lied und Oratorium bei Prof. KS Marjana Lipovšek
sowie Musikdramatische Darstellung bei Prof. Uwe Theimer
und Prof. Didier Orlowsky mit Auszeichnung.
Meisterkurse bei Bernarda Fink, Thomas Hampson, Peter Kooji,
KS Marjana Lipovšek, KS Wicus Slabbert u.a. gaben der jungen
Künstlerin stets neue Impulse und Möglichkeiten, sich vor
allem stilistisch weiterzuentwickeln.
Ida ist Preisträgerin beim Wettbewerb Prima la musica (2004)
und erhielt mehrmals den Förderungspreis der Universität
für Musik und darstellende Kunst Wien. Des Weiteren ist sie
Preisträgerin bei Musica Juventutis (2010). Im Jahr 2011 wurde ihr der Preis der Armin Weltner Stiftung zuerkannt.
Ihre große Liebe gilt dem Musizieren mit Originalklangensembles, so kann sie trotz ihrer jungen Karriere bereits
auf eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Ensembles und
Orchestern wie der Wiener Akademie, dem Haydn Quartett,
barucco, dem L'Orfeo Barockorchester u.a. zurückblicken.
Jüngste Engagements führten Ida in J. Haydns »Stabat Mater«
unter der Leitung von Martin Haselböck zum Musikfestival
- 114 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 115 -
ion 2009 und nach Lateinamerika. Darüber hinaus trat sie als
Altsolistin bei den Bach-Tagen Bad Hersfeld auf.
Im Januar 2011 sang sie Bach-Kantaten im Rahmen des
Kammermusikzyklus der Musica Angelica in Los Angeles, im
April 2011 debütierte sie unter Fabio Luisi mit den Wiener
Symphonikern in Mendelssohns »Sommernachtstraum« im
Wiener Musikverein.
Neben ihrer Konzerttätigkeit fühlt sich Ida auch auf der
Opernbühne zuhause. 2008 verkörperte sie in G. F. Händels
»Alcina« die Rolle der Bradamante (Neue Studiobühne und
Schlosstheater Schönbrunn in Wien). Bei den donauFESTWOCHEN im Strudengau war sie als Aristea in A. Vivaldis
»L'Olimpiade« zu hören und im Jänner 2010 stand sie als
Dorabella in W. A. Mozarts »Cosi fan Tutte« im Schlosstheater
Schönbrunn (Wien) unter der Leitung von Martin Haselböck
auf der Bühne.
Sohn einer Musikerfamilie, bekam seinen
ersten Cellounterricht mit 9 Jahren am
Brucknerkonservatorium Linz. Nach seiner
Matura am Linzer Musikgymnasium ging
er an die Kunstuniversität Graz, wo er sein
Violoncellostudium abschloss. Seinem ersten Gesangsunterricht bei Gertrud Schulz in Linz folgten Studien bei Rotraud
Hansmann in Sologesang, bei KS Marjana Lipovšek in Lied
und Oratorium sowie Musikdramatische Darstellung bei Didier von Orlowsky an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Der lyrische Tenor hat sich auf dem Gebiet sakraler Musik von franko-flämischer Vokalpolyphonie
über Bachs Kantatenwerk, Oratorien und Messen der Wiener
Klassiker bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen ein
breit gefächertes Repertoire erarbeitet.
Jan singt mit Klangkörpern wie: Arnold Schoenberg Chor,
Bruckner Orchester Linz, Mozarteum Orchester Salzburg, RSO
Wien, Symphonieorchester Vorarlberg, Wiener Akademie, Pandolfis Consort Wien und Ensemble Cinquecento.
Als Tenor in der 2. Symphonie von A. Schnittke war er unter
der Leitung von Dennis Russell Davies zu hören, unter
Erwin Ortner sang er im Musikverein den Tenor im Soloquartett in Franz Schmidts »Buch mit sieben Siegeln«.
Auf der Opernbühne sang Jan am Bregenzer Landestheater
als Tamino-Cover in der »Zauberflöte« (Ltg. Gérard Korsten),
beim Festival Reinsberg den Damon in »Acis und Galatea«
unter Martin Haselböck, bei den Wiener Festwochen den Bartholomew in H. Birtwistles »Last Supper« sowie den Jungen –
die Hauptrolle in E. L. Leitners Oper »Die Sennenpuppe« –
am Innsbrucker Landestheater. Am Theater an der Wien verkörperte er den Tom Rakewell bei einer Produktion von Strawinskys »Rake's Progress« für Kinder. Er wirkte auch als Solist in der Kinderoper »Das Traumfresserchen« an der Wiener
Staatsoper 2009/2010 mit.
2012 und 2013 bestreitet Jan u.a. eine Matthäus PassionTournee mit der Wiener Akademie unter Martin Haselböck,
eine Konzertreise mit dem Bach Consort Wien zu den Händelfestspielen in Halle/Saale, Auftritte mit dem Ensemble Cinquecento in Österreich und Belgien, mehrere Liederabende
mit F. Schuberts »Die schöne Müllerin« sowie ein Konzert mit
polnischer Renaissancemusik mit dem Clemencic Consort im
Wiener Musikverein.
- 116 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 117 -
Jan Petryka, geboren in Warschau als
Ulfried Staber wurde in Fohnsdorf in
der Steiermark geboren. In der örtlichen
Musikschule erhielt er seine erste musikalische Ausbildung auf der Violine und
am Klavier. 1995 begann er an der Universität für Musik und darstellende Kunst
Graz das Lehramtsstudium für Musik. Im Rahmen dieses
Studiums bekam er erstmals Gesangsunterricht bei Elisabeth
Batrice und begann 1998 ein Gesangspädagogikstudium bei
Martin Klietmann, das er im Juni 2005 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Während seines Studiums entdeckte er
die Liebe zur Chormusik. Er war Mitglied der Domkantorei
Graz, cantus, cappella nova und anderen Chören und Ensembles mit denen er in ganz Europa und Asien viele Konzerte bei
verschiedensten Festivals bestreiten durfte.
Seine solistische Konzerttätigkeit erstreckt sich auf ganz Österreich, Italien und Deutschland, wo er u.a. die Oratorien
sowie zahlreiche Kantaten von Bach, »Die Schöpfung« von
Haydn oder die »Marienvesper« von Monteverdi sang.
Auftritte im Rahmen zahlreicher Festivals, u.a. styriarte, Carinthischer Sommer, trigonale, Feste musicale per S.Rocco/Venedig, la strada, Psalm 2003, Ecchi Lontani Cagliari.
Er ist Mitglied des Renaissance-Vokalensembles Cinquecento,
das sich mit der Vokalpolyphonie des 16. Jh. beschäftigt
(zahlreiche preisgekrönte CD-Erscheinungen bei hyperion),
sowie des Männerquartetts schnittpunktvokal, welches seinen
Bogen vom Kärntnerlied über Auftragskompositionen bis hin
zur Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Wolfgang Puschnig spannt (Pasticciopreis Jänner 2007, Hans Koller Preis 2007
mit W. Puschnig). Er arbeitet immer wieder mit verschiedenen
- 118 - Trigonale 2012 – Programm
Ensembles wie Weserrenaissance (M. Cordes), dem Clemencic
Consort, dem Huelgas Ensemble (P. van Nevel) oder dem Balthasar Neumann Chor (Th. Hengelbrock) zusammen.
Die weiteren Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
Barokksolistene, Seite 16
Bjarte Eike, Seite 17
Hanna Herfurtner, Seite 20
Trigonale 2012 – Programm - 119 -
Donnerstag, 13.09. | 19 Uhr
Seminarkirche Tanzenberg
Maria Maddalena – Azione sacra
(Antonio Bertali, 1605 – 1669)
Poesia di Antonio Draghi
Hanna Morrison: Maddalena (Sopran)
Franz Vitzthum: Maria (Altus)
Andreas Post: Amor verso Dio, Primo Peccatore (Tenor)
Markus Flaig: Pentimento, Secondo Peccatore
(Bassbariton)
Echo du Danube
Friederike Otto: Zink
Sebastian Kuhn: Zink
Christoph Hamborg: Posaune
Martin Jopp: Violine
Elisabeth Wiesbauer: Violine
Ghislaine Wauters: Viola da gamba
Johanna Valencia: Viola da gamba
Richard Carter: Viola da gamba
Lutz Gillmann: Orgel
Johannes Vogt: Laute
Johanna Seitz: Harfe
Elisabeth Seitz: Salterio
Michele Claude: Perkussion
Christian Zincke: Viola da gamba, Violone, Leitung
Ann Allen: Regie
- 120 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 121 -
E inle itun g
Bar seines strahlenden Schmuckes
läuft der schöne Lenker des lichten Tages auf ewiger Bahn.
Der Sonnengott weint,
eingehüllt in grauses Entsetzen über einen,
der hier zu Grabe liegt.
Der Mond beschreitet heute nicht mehr
mit seinem Silberfuß die Himmels Wege.
Trüb, verschleiert, gestützt auf diese Urne,
beweint er sein erloschenes Leben.
Das ist Schwulst! Und genau so wird Literatur des Barock
von der Literaturkritik durchaus abwertend bezeichnet, als
Schwulststil.
Die Aufgabe, für die erste (Wieder-)Aufführung von Maria
Maddalena eine deutsche Übersetzung der Lyrik von Antonio
Draghi zu erstellen, war nicht leicht. In der wirren Fülle von
Metaphern und Allegorien entpuppte sich eine wunderbare
Poetik und eine Poetik des Wunderbaren. Langsam kristallisierten sich die anfangs leeren Worthülsen zu einer eindrücklichen mystischen Verzückung.
Bei dieser ersten Annäherung entstanden sofort Ideen, dieses
Werk in einen aktuellen Kontext zu stellen. Nicht um zu verfremden oder zu kommentieren, sondern aus dem Bedürfnis
seiner Aktualität gerecht zu werden.
Antonio Bertali wurde im März 1605 in Verona geboren. In
dem Domkapellmeister Stefano Bernardi hatte er einen ausgezeichneten Lehrer und Förderer. Dessen guten Beziehungen zu den Habsburgern eröffneten dem jungen Bertali
eine Karriere an der Wiener Hofkapelle, die ihn bis zur Position des Hofkapellmeisters (seit 1649) und schließlich zur
Erhebung in den Adelsstand (1654) bringen sollten.
In einer Kaiserlichen Resolution vom Juli des Jahres 1666
heißt es, dass er 42 Jahre im Dienst des Hofes gestanden
war, er muss also bereits 1624, im Alter von 19 Jahren, nach
Wien gekommen sein. Die ersten Urkunden führen ihn als
Instrumentalisten an 4. Stelle der Streicher an. Bis zu seinem
Tode im Jahre 1669 hatte er drei musikbegeisterten Kaisern
gedient – Ferdinand II., Ferdinand III. und Leopold I.
Und dann die Verbindung zu Bertalis Musik, zu seiner empfindsamen Melodik und kühnen Harmonik! Keine Spur
mehr von leerem Pathos und prunkhafter Aufgeblasenheit.
Eine Welt der hemmungslosen mystischen Ekstase, die unmittelbar berühren und ergreifen kann.
Die Musikkultur des Kaiserhofes war von den ganz persönlichen Interessen der Regenten geprägt. Seit Ferdinand III.
betätigten sich Kaiser gerne und durchaus gekonnt als Komponisten, Musik war also nicht nur eines unter vielen Mitteln
der Repräsentation, sondern ein persönliches Anliegen. Somit waren die Herrscher selbst in der Lage, die Leistungen,
der für den Hofdienst in Frage kommenden Musiker zu beurteilen, was dem Niveau der Hofkapelle zweifellos zugute
kam.
- 122 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 123 -
Mit der Regentschaft von Leopold I. (1658 – 1705) kam es
dann zu regelmäßigen Aufführungen Musik-dramatischer
Werke, die in den Zwanzigerjahren begonnen hatten. Insgesamt waren es etwa 400 Werke, Opern, Oratorien, Sepolcri
und Serenaten, die in diesem Zeitraum aufgeführt wurden.
Auch die Kaiserinnen aus dem Hause Gonzaga, Eleonora I. –
die Frau Ferdinand des II., und insbesondere Eleonora II., die
mit Ferdinand dem III. verheiratet war, hatten an der Ausprägung des Kulturlebens einen nicht zu unterschätzenden
Einfluss. Die ohnehin dominierende kulturelle Ausrichtung
nach Italien, die sich mit der Durchsetzung der Gegenreformation in Österreich verstärkt hatte, wurde weiter vertieft.
Eleonora II. rief die Accademia degli Illustrati ins Leben, an
der nach italienischem Vorbild über gegebene Themen Reden gehalten, Gedichte rezitiert und neue Musikwerke aufgeführt wurden. Der venezianischen Botschafter Alvise Molin
schreibt ihr die Einführung des Oratoriums in Wien zu.
In Italien hatte sich bald aus dem Oratorium, einem »außerliturgischen Gottesdienste« eine Vergnügungsmusik entwickelt, bei der die Grenzen zur Oper immer mehr verschwammen.
Nicht so in Wien. Der Zweck der religiösen Erbauung war
bis in 18. Jahrhundert im Vordergrund. So waren auch szenische Aufführungen eher die Ausnahme. Die explizit szenische Form des Oratoriums in Wien war das Sepolcro – die
Beweinung und Verehrung des im Grab liegenden Christus.
Der Name leitet sich von dem Aufführungshinweis »al
- 124 - Trigonale 2012 – Programm
Santissimo Sepolcro« ab, wurde aber eher selten verwendet.
Geläufiger waren die Bezeichnungen »azione sacra« und vor
allem »azione rappresentativa«.
Seine Blütezeit erlebte es während der Regierungszeit Leopold I., der auch selbst einige Werke zu dieser Gattung beisteuerte. Sein »il Transito di S. Giuseppe« kam seit 1680 über
zwei Jahrzehnte fast jährlich zur Aufführung. Auch für die
Werke anderer lieferte er Einlagearien, wie zum Beispiel für
Antonio Draghis »la Vita nella Morte«.
Neben dem Oratorium waren es im Katholischen verwurzelte
Traditionen, die zu der speziellen Ausprägung des Sepolcro
führten. So kann man eine Verbindung zum mittelalterlichen
Geistlichen Spiel, in Wien insbesondere dem Passionsspiel
am Karfreitag in St. Stefan, sehen. Natürlich spielt auch die
übliche Praktik, am Karfreitag eine Nachbildung des heiligen
Grabes zu errichten, eine Rolle.
Aufführungen fanden ausschließlich am Gründonnerstag in
der Privatkapelle der Eleonora II. und am Karfreitag, mit jeweils einem anderen Stück, in der Hofburgkapelle statt – in
der Kapelle der Eleonora mit Aktion und auch mit Kostümen,
aber ohne weiterer Szenerie, vor einer Nachbildung des heiligen Grabes, während man in der Hofburgkapelle zusätzlich
einen gemalten Prospekt errichtete.
Bertalis Sepolcro »Maria Maddalena« aus dem Jahre 1663 ist
in jeder Hinsicht typisch für die Gattung. Neben Maria und
Maria Magdalena agieren allegorische Figuren.
Trigonale 2012 – Programm - 125 -
Weitere Charakteristika sind die kürzere einteilige Form, der
tableau-lehrhafte Aufbau – im Gegensatz zur darstellenden
Handlung eines Oratoriums geht es um die Versenkung in
den Schmerz, der zur Hoffnung auf Auferstehung führt.
Die meist homophone Schreibweise und die häufig tiefe Instrumentierung mit Violen, dichte Chromatik – alles steht im
Dienst des Affektes der Trauer, der Klage und des Schmerzes.
Christian Zincke
Sepolcro »Maria Maddalena«
Es war aber allda Maria Magdalena und die andere Maria, die
setzten sich gegen das Grab.
Matthäus 27,61
Maria Magdalena und Maria, Mutter Gottes, durchleben
nach der Krisis der Karfreitagsereignisse eine lange Nacht voller Schmerzen, Leid und Trauer. Sie haben Jesus Kreuzigung
miterlebt, seinen Leichnam zur nahe gelegenen Grabesstätte
(dem Sepulchrum) im Garten von Golgatha begleitet und
wachen, warten und beten dort in qualvoller Entrückung.
Tu mentre al Ciel salisti
L’inferno al Cor m’appristi
Während du zum Himmel aufgestiegen bist
Hast du in meinem Herzen die Hölle aufgestoßen
- 126 - Trigonale 2012 – Programm
Oben stehendes Zitat stammt aus Antonio Bertalis Libretto
für das Sepolcro »Maria Maddalena«, das zur Osterzeit unter
der Leitung des musikalisch ausnehmend engagierten Kaisers
Ferdinand II. in der Wiener Hofkapelle aufgeführt wurde. Das
Sepolcro war ein sehr besonderes Genre einer Miniaturoper
sakralen Inhalts, mit einem Aspekt der Ostergeschichte als
Gegenstand. Es unterschied sich von seinem gewichtigeren
großen Bruder, dem Oratorium, durch seine kürzere Dauer
und das stärker eingeschränkte Thema, jedoch auch durch
seinen Operncharakter im Gebrauch von Kostümen, eines
Bühnenbilds und einer gespielten Handlung, selbst wenn es
ausschließlich als Teil eines Gottesdienstes aufgeführt wurde.
Gemäß den Regieanweisungen aus erhaltenen Quellen öffnete sich zu Aufführungsbeginn ein Vorhang, der das Grabmal freigab, während im Verlauf des Sepolcro die Mitglieder
des Ensembles Handlungen zu vollziehen hatten, die den
Umständen des Stücks entsprachen (u.a. trauern, ein Kreuz
tragen, einen Schleier heben, niederknien oder Blumen bringen).
Im Wissen um die einstige Aufführungspraxis habe ich für
die heutige Darbietung meiner Imagination erlaubt, sich auf
diesen Augenblick der Menschheitsgeschichte zu fokussieren, um zu sehen, wie ich aus der Inspiration durch die Musik, die ursprüngliche Praxis und die Erzählung selbst eine
atmosphärische und aussagekräftige Inszenierung erzeugen
kann, die Herz und Seele eines heutigen Publikums berührt.
Ann Allen (Übersetzung Gregor Chudoba)
Trigonale 2012 – Programm - 127 -
T e x te
Sinfonia
Symphonie
Pentimento
Pentimento
Non più di raggi adorno scorre
l'eterne strade il bel Retor del giorno
mà in un horrore involto piange il sole divin
ch'è qui sepolto piange il sole divin che è qui sepolto.
Bar seines strahlenden Schmuckes läuft der schöne Lenker
des lichten Tages auf ewiger Bahn.
Der Sonnengott weint, eingehüllt in grauses Entsetzen
über einen, der hier zu Grabe liegt.
Amor verso dio
Amor verso dio
Con piè d'argento oggi le vie del Cielo
non più calca la luna
mà sol di fosco velo sù quest'urna sacrata
lagrima la sua vita hor tramontata.
Der Mond beschreitet heute nicht mehr
mit seinem Silberfuß die Himmels Wege.
Trüb, verschleiert, gestützt auf diese Urne,
beweint er sein erloschenes Leben.
Amor verso dio & Pentimento
Amor verso dio & Pentimento
Vieni oh morte, e dove sei?
Tu le porte apri à l'alma et à gl'omei.
Wo bist Du, Tod? Komm doch, Tod! Wo bist du?
Öffne den verwandten Seelen diese Pforten!
Pentimento
Pentimento
In terra per mè piu morte non v'è ...
Auf Erden ist fürderhin kein Tod für mich.
Amor verso dio
Amor verso dio
Per far immortale mia doglia letale
al Cielo Sali non è più qui.
Um meinen tödlichen Schmerz zu verewigen,
fuhr er zum Himmel auf, weilt nicht mehr hier.
Amor verso dio & Pentimento
Amor verso dio & Pentimento
Pur troppo (abi trista sorte)
in Paradiso osò dèntrar la Morte.
O Weh! Trauriges Schicksal!
Den Tritt ins Paradies wagte der Tod.
- 128 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 129 -
Amor verso dio
Amor verso dio
Amico e qual conforto appresti à miei lamenti.
Freund welchen Trost hast du für meine Klagen?
Pentimento
Pentimento
Se'l mio Signor è morto
non hò in me, che tormenti.
Da mein Herr tot ist,
trage ich nichts als Qualen in mir.
Amor verso dio
Amor verso dio
Sospirando s'accresche il Martire.
Seufzend wächst die Pein.
Pentimento
Pentimento
Lagrimando l'annnegli il dolore.
Weinen mag den Schmerz ersticken.
Amor verso dio & Pentimento
Amor verso dio & Pentimento
Nel flebile humore ne i nostri sospiri sbilla
il cor l'alma spiri spilla il cor.
In Fluten der Zähren verströme sich das Herz!
Mit unseren Seufzern hauche die Seele ihr Leben aus!
Sonata
Sonate
Pentimento
Pentimento
D'occhi privi oh Dio
si si restin pur gl'orbi rotanti se
del Ciel racchiude i vanti
una pietra in questo di ...
Des Augenlichts beraubt, blind nur,
dreht sich der Erdkreis weiter –
O Gott! Wenn an diesem Tag ein Grab
von Stein des Himmels Glorie verbirgt und einschließt, so …
Amor verso dio
Amor verso dio
... restin pur gli Astri, e le sfere sregolate
ogn'hor confuse già
per me sono deluse le speranze del godere.
… mögen Sterne und Welten-Sphären
in ewiger Verwirrung verharren!
Jegliche Hoffnung auf irdischen Genuß ist ja enttäuscht.
- 130 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 131 -
Pentimento
Pentimento
freddo marmo al mio cordoglio amollisci tua durezza
le tue viscere di scogli al mio pianto ò prega,
ò spezza al mio pianto o piega ò spezza.
Kalter, harter Marmor, weiche meinem Gram!
Biege dich, du felsiger Schoß oder brich entzwei,
vor meinem Weinen!
Amor verso dio
Amor verso dio
Lagrime amare scendete irrigate
non siete avare di vostre stille
e à mille à mille scorrete te grondate grondate da gl'ochi
dolenti in vivi torrenti.
Rendimi il mio Giesu. Sasso immortale rendimi
il mio Giesu sasso immortale ch'in si fiero martoro
la tua pietade la tua pietade imploro.
Bittere Tränen, stürzt herab! Ihr Wasserbäche,
geizt nicht mit eueren Tropfen!
Tausendfach rinnet aus meinen schmerzenden Augen
in lebendigen Strömen!
Gib mir meinen Jesum wieder, ewiger Fels!
In wilder Pein erflehe ich deine Barmherzigkeit.
Amor verso dio & Pentimento
Amor verso dio & Pentimento
La terra s'inondi
Il mondo s'affondi da l'acque il suolo s'ingobre il Cielo
S'oscurino i Cieli
e l'aria si veli da l'ombre il Cielo s'ingombre.
Versinke in Fluten, o Erde!
Ertrinke im Wasser, o Welt!
Himmel, verfinstre dich,
verhülle, verschatte Dich, Luft!
Amor verso dio
Amor verso dio
Andiam Compagno altrove
per far più grave il nostro affanno
in tanto che leggiero è quel duol,
che sfoga in pianto.
Andere Wege lass uns suchen, mein Gefährte,
unseren Schmerz zu vertiefen,
da doch der Schmerz sanfter wird,
wenn er im Weinen zergeht.
Pentimento
Pentimento
Signore ohimé senza te che faró? Moriró.
Herr, ach ohne dich, was soll ich tun? Sterben will ich.
- 132 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 133 -
Amor verso dio & Pentimento
Amor verso dio & Pentimento
si si moriamo e se il morir c'è tolto con disusate tempre
gema il cor pianga il Ciglio,
e l'Alma sempre con disusate tempre gema il cor.
So wollen wir sterben.
Und ist dies verwehrt, so ächzen und
weinen maßlos Augen und Herz.
Sonata
Sonate
Maria
Maria
Questa, Maria, questa questa e la sponda funesta
questo è l' Anello del mio Filgio, e Signore
figlio del figlio ascolta il mio dolore
Tu nel trovar il solo solinga hor qui mi lasci priva
di tramontana in Mar di duolo Tu mentre
al Ciel salisti l'inferno
al Cor m'appristi in tanto affanno
oh Dio chi mi dà il figlio mio priva d'humanita
a ita nel tuo morir
ohimè muor la mia vita.
Maria, dies ist das unselige Gefild,
dies ist der Ring, das Siegel meines Sohnes, meines Herrn.
Sohn aller Söhne, Einziger, gib acht auf meine Schmerzen.
Du Unvergleicher im Finden, lässest mich nun allein,
ohne Kraft, in einem Meer von Schmerzen.
Da du zum Himmel auffuhrest
öffnete sich das Inferno des Leidens meinem Herzen.
Ach Gott, wer gibt mir meinen Sohn zurück?
In deinem Sterben stirbt mein Leben,
bar jeden menschlichen Beistands.
Ahi sospiri ahi sospiri uscite pur uscite pur uscite
mà non partite nò nò non partite
che mentre i miei martiri uscendo allegerite piu tardi morirò.
Ach, ihr Seufzer, gehet aus!
Doch, nein, verlasst mich nicht!
Denn ihr erleichtert meine Martern, ehe ich sterbe.
Sonata
Sonate
Maddalena
Maddalena
Oh Madre sconsolata o Maria sventurata
datemi il mio Signore o notte o giorno
chi di voi me lo invola? Chi mi lo rende oimè
chi mi consola? Voi Celesti Potente.
O trostlos betrübte Mutter! Ach unglückliche Maria! O Tag!
O Nacht! Ach, gebt mir meinen Herrn!
Wer hat ihn entwendet, wer gibt ihn mir wieder?
Ach, wer tröstet mich? Ihr hohen Mächte!
- 134 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 135 -
se pur merta pietà
chi seco più non l'hà Voi pietose
al mio duolo concedetemi solo
o che venga il mio nume à questo seno,
o che di doglia al fin qui venga meno.
Wenn nur der Erbarmen verdient,
wer von allem Erbarmen verlassen ist, so neiget euch
zu meinem Schmerz und gewährt mir einzig,
dass mein Gott entweder an diesen Busen komme,
oder dass ich vor Schmerzen hier den Geist aufgebe!
Ahi sospiri trattener non vi sò, mà pur uscite
si e in queasto di il Cor turbato
spiri anch'esso frà voi l'ultimo fiato.
Ach Seufzer! Ich kann Euch nicht zurückhalten, entfahret nur!
Und mit euch soll an diesem Tage
auch dies verwirrte Herz den letzten Atemzug tun.
Maria
Maria
Mio celato tesoro per cui vivendo io moro
pupilla del Cor mio povera,
e cieca senza te son io.
Mein geheimer Schatz, durch den ich lebendig sterbe,
du armer Augenstern meines Herzens!
Ohne Dich bin ich NICHTS, gar nichts.
Maddalena
Maddalena
Mà qual inigua sorte tiene quest'Alma in vita
trà continui tormenti in rio Martiro?
Se pur non è la Morte altro ch'è sol sospiro!
Doch, welch niederträchtiges Schicksal hält diese Seele im Leben,
inmitten ständiger Qualen, grausamer Marter?
Wenn doch der Tod nichts anderes mehr ist, als nur ein Seufzer?
Maria
Maria
No che morir non deggio ... mà se già morta sono ...
mà se le l'Alma è partita come qui resto in vita
cadavere già fatto è questo corpo esangue
e freddo corre entro le vene il sangue.
Nein, sterben darf ich nicht.
Doch wenn die Seele entflohen ist, wie soll ich hier leben?
Ein Kadaver ist dieser blutleere Körper schon geworden.
Kalt fließt in den Adern das Blut.
- 136 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 137 -
Maddalena
Maddalena
Nò che morir non deggio mà se già morta sono
come qui resto in vita; mà se in te vivo o Dio hor,
che da me sei tolto almen
nel tuo viva il mio Cor sepolto.
Nein, sterben darf ich nicht. Doch wenn die Seele entflohen ist,
wie kann ich hier leben? Wenn ich nun in dir lebe, O Gott,
jetzt da du mir genommen bist, dann lebe mein Herz,
begraben in dem Deinen.
Maria & Maddalena
Maria & Maddalena
Nel mondo nel Cielo non resti pupilla,
ch'in humida sbilla
non scenda dal Ciglio non resti pupilla.
Auf Erden, im Himmel verbleibe kein Auge unausgeweint,
und keine Wimper sei,
von der nicht nass die schweren Tränentropfen fallen.
Maddalena
Maddalena
Chi mi da mio Maestro, ...
wer gibt mir meinen Meister, …
Maria
Maria
... chi mi rende il mio figlio?
Tu che suggesti il sangue?
Ch'io già per allatarti al sen mi tratti, deh per pietà ritorna
vieni, e rasciugua omai con tue lucide bende
quel sangue che da gl'occhi hora mi scende
mà non v'è chi m'ascolti?
Chi il mio figli m'invola
chi mi lo rende ohimè chi mi consola.
… wer meinen Sohn mir wieder?
Blut saugtest du aus meiner Brust, als ich dich nährte.
Ach um der Barmherzigkeit willen, komm zurück!
Komm und trockne mit deinen leuchtenden Blicken
jenes Blut, das jetzt aus meinen Augen niederstürzt!
Ist da denn niemand, der mich hörte?
Wer stiehlt mir meinen Sohn?
Wer gibt ihn mir zurück? Ach, wer tröstet mich?
Sonata
Sonate
Peccatore 1mo
Peccator 1mo
Versate pur versate in liquidi torrenti occhi miei lagrimosi i
nostri guai da la bocca esalate rapidi miei sospiri
e con lievi respiri ristorate per poco i miei scontenti.
Zerfließet, ihr weinenden Augen in Fluten der Zähren,
über unserem Unheil. Entringt euch dem Munde, ihr Seufzer,
und erquicket mit sanftem Atem ein wenig mein Unglück.
- 138 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 139 -
Dal Vostro mormorio cessate in tanto
o fonti che scendendo da monti m'intonate
à l'orecchio offeso Dio ahi che scuotendo
i Venti de gli arbori
le frondi dicono in accenti
Perfido Perfido,
Dio ti chiama e non rispondi? Non rispondi?
À la morte d'un Dio per cui spezzanti
i marmi sarà intiero il cor mio?
Troppo grave è il mio peccato
il mio peccato qui fermar
io voglio i passi se fui molle,
e delicato unó spirar soura de'sassi spirar soura de'sassi.
Lasst ab von eurem Murmeln,ihr Quellen.
Euer brausender Sturz vom Berge herab
tönt mir im Ohr wie des beleidigten Gottes Stimme,
der im Winde die Bäume schüttelt,
das Laub in stummen Akzenten reden macht:
»Treuloser, Heimtückischer!«
Gott ruft dich und du antwortest nicht?
Bei Gottes Tod spalten sich die Felsen.
Und mein Herz sollte nicht brechen?
Zu schwer ist meiner Sünden Schuld.
Hier will ich die Schritte verhalten,
will ganz weich und zart werden,
um hinzusterben über diesen Felsen.
Hora si che ben m'avegg'io ch'immortal
è il languir mio ed'eterno è
il dolor mio s'una Vita dogliosa è il mio morire.
Folle come credei
trà caduche bellezze
lontan da la Morte i pensier miei?
E pur non è beltade altro
che un fiore che se in nobil recinto
pomposo un di si mostra nascé col giorno
et è col giorno estinto.
Nun merk' ich wohl, dass mein Schmachten unendlich ist
und ewig meine Qual, da mein Sterben
sich schmerzlich nur dem Leben entringt.
Du Narr! Wie konntest du glauben,
durch vergängliche Schönheit
die Gedanken des Tod zu bannen?
Ist Schönheit ja nichts anderes
als die Blume im edlen Hag,
die voller Pracht sich zeigt an einem Tag,
und am anderen schon verlöscht.
Peccatori
Peccatori
Non cosi ratto si strugge il candor di bianca
neve come il ben da noi se'n fugge al girar di tepo lieve.
Schneller als die Reinheit des Schnees vergeht, flieht das Gute
von uns im unbemerkten Dreh'n der Zeit, im Nu.
Sonatina
Sonatine
- 140 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 141 -
Peccatore 2do
Peccator 2do
Scelerato se vissi ingoiami pur terra
con dispietata guerra mi tormentin
gl'Abbissi nascondetemi o rupi
lá ne'centri più cupi
forsenate mie brame
à la giusta vendetta
in van mi celo se fui prodigo
e indegno a le miserie
hor mi condanna il Cielo.
Oh, ich Frevler, ich Missetäter! Und ich lebe noch?
Verschlingt, bekämpft mich nicht ohn' Erbarmen die Erde,
foltern mich nicht die Abgründe?
Verbergt mich, ihr Felsen, in innerster, tiefster Finsternis!
Dorthin, ins Herz des Dunkels
zieht mich mein verrücktes Verlangen.
Umsonst verstecke ich mich vor der gerechten Rache.
Mich, den unwürdigen, verlorenen Sohn,
verdammt nun der Himmel zur Pein.
Peccatori
Peccatori
Ben comprendo
Hora intendo che quel ch'il Mondo dà tutto
é fumo tutt'è un ombra, e vanità.
Gut, verstehe ich / Nun begreife ich:
die Gaben der Welt
sind Rauch, Schatten und Wahn.
Maddalena
Maddalena
Se peccaste infelici piangete i nostri falli,
ch'una goccia di pianto
che pentita sgorgo da mesto lume
suole portar d'eterno bene un fiume.
Unglückliche Sünder, weinet über unsere Fehltritte!
Denn schon der Tropfen einer einzigen Träne,
quellend voll Reue aus trauerndem Auge,
kann uns einen Strom ewigen Gutes zufließen lassen.
Maria
Maria
Nel bagno ne l'onda che scorre, che gronda da gli occhi
dolenti si lavi ogni errore
si mondi del core le piaghe fetenti.
Im Bad, in der Welle, die aus trauernden Augen gleitet,
wäscht jeder Fehler sich rein.
Im Herzen reinigen sich die abscheulichsten Wunden.
Peccatori
Peccatori
Al lume giocondo de l'Alba
nascente al sol moribondo.
Beim heiteren Licht der aufsteigenden Morgendämmerung
Für den einsam Sterbenden.
- 142 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 143 -
se'l Ciel mirerò afflitto, e gemente ogn'hor piangerò
À l'emenda à l'emenda si si ne disperiam nò nò
che se proprio è di noi peccar sovente.
Iddio perdona ogn'hor perdona ogn'hor
à chi si pense à chi si pense si pense.
Im Anblick des Himmels
werde ich stets betrübt und seufzend weinen.
Die Versöhnung ist da, es weicht die Verzweiflung.
Immer wieder vergibt Gott
dem reuigen Sünder.
Maddalena
Maddalena
Farfalletta semplicetta,
che volasci di due lumi à i bei splendori d'eternare
se pensate la tua Vita
in sozziardori t'inganasti.
Kleiner, naiver Schmetterling,
Du flogst auf den Glanz zweier blendender Augensterne.
Dachtest Du dein Leben zu verewigen,
indem Du es befleckst, so täuschtest Du Dich.
Maria & Maddalena
Maria & Maddalena
Cosi qui si pesca cosi si nascode
col' homo ne l'onde la morte ne lesca.
Der Fischer versteckt in den Wellen die Angel,
den Köder, den Tod.
Sonata
Sonate
Peccatori
Peccatori
Speranze gradite se per mio conforto
dal Cielo venite nel Cor già ui porto
ben care apparite speranze gradite.
Erwünschte Hoffnung, wenn Du zu meinem Trost
vom Himmel kommst, so trage ich dich schon im Herzen.
Erscheine, Du teure, ersehnte Hoffnung, komm!
Sonatina
Sonatine
Maria & Maddalena
Maria & Maddalena
Troppo folle e chi segue un van piacere
se travia dal buon
sertiere troppo in sù pazzo l'estolle.
Verrückt ist, wer eitlem Vergnügen folgt.
Er kommt vom rechten Wege ab
und rühmt sich wie ein Narr.
- 144 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 145 -
Peccatori
Peccatori
E troppo fragille vostra beltà troppo èmutabile
la vostra eta troppo troppo emutabile la vostra età.
Zerbrechlich ist unsere Schönheit,
gebrechlich unser Alter.
Maddalena
Maddalena
Se nutri di speranza
tuoi desir vani, e infermi sappio ò Mortal,
ch al fin solo s'avanza penitenza Terror, sepolcro,
e vermi sepolcro e vermi.
Nährst Du nur Hoffnungen,
sind deine Wünsche eitel und krank, so wisse Du Sterblicher:
Am Ende bleiben nur Reue, Angst und Schrecken,
Grab und Würmer.
Maria, Maddalena, Peccatori
Maria, Maddalena, Peccatori
Sappi o mortal,
che solo s'avanza peniteza terror, sepolcro,
e vermi sepolcro, e vermi.
Wisse dies, o Sterblicher!
Am Ende bleiben nur Reue, Angst und Schrecken,
Grab und Würmer.
- 146 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 147 -
Ech o du Da nub e
Der Name gefällt mir immer noch, auch wenn sich manche
mit der Aussprache schwer tun. Der Begriff Echo hat Poesie, er ist musikalisch, klingend. Ohne Zweifel gibt es Echos,
doch haben sie etwas Immaterielles, als pendelten sie zwischen zwei Welten. Und die Donau, an der ich aufgewachsen
bin, liebe ich ja sowieso.
Es gefällt mir, Freunde einzuladen, mit ihnen Projekte zu
verfolgen, Pläne zu schmieden über Musik zu diskutieren,
Aufführungskonzepte zu entwickeln und am allermeisten
gemeinsam Musik zu machen.
Inzwischen waren wir auf Festivals, in recht fernen Ländern,
haben musikalische Schätze ans Tageslicht gebracht, haben
einfach viel Schönes gemeinsam erlebt. Ich hoffe es geht so
weiter.
Seit seiner Gründung im Jahr 1999 begeistert Echo du Danube
das Publikum bei Festivals und Konzerten im In- und Ausland. So gastierte es bei renommierten Festivals, wie dem Resonanzen-Festival Wien, den Feste Musicali Köln, dem Carinthischen Sommer, Österreich, dem Krakau-Festival, Polen und
dem Shakespeare-Festival, Neuss, dem MDR Musiksommer und
gab umjubelte Konzerte in ganz Europa, Marokko, im Libanon und Südkorea. Zahlreiche CD- und Rundfunkaufnahmen
(Accent, Naxos, Hessischer Rundfunk, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk) dokumentieren den außergewöhnlichen Klang und die umfassende Vitalität des Ensembles.
- 148 - Trigonale 2012 – Programm
Programme von Echo du Danube sind oft Wiederentdeckungen, die intensive Recherchen und Bibliotheksarbeit voraussetzen. Diese oft spannende und langwierige Arbeit sieht
die Gruppe als wichtigen Aspekt des Musikerdaseins und als
Quelle neuer Inspiration.
Ann Allen wurde in England geboren.
Sie studierte Musikwissenschaft an der Universität von Manchester und Barockoboe und
Blockflöte in London an der Royal Academy
of Music, bevor sie nach Basel an die Schola
Cantorum Basiliensis kam. Hier spezialisierte sie sich auf Musik des Mittelalters und das Spiel der Schalmei. Mit ihrem Ensemble Mediva, das sich der Musik des
Mittelalters widmet, behauptete sie sich als Finalistin beim
EMN Young Artists Competition (England) und der Antwerp
Young Artists Presentation (Belgien). Sie arbeitet als Barockoboistin und als Spielerin früher Holzblasinstrumente mit unterschiedlichen Ensembles und Orchestern in ganz Europa.
2003 rief Ann Allen das Nox Illuminata Festival ins Leben,
in der Musik mit Licht, Dekorationen, Visuals und Theater
lebendig gemacht wird. Das Festival findet jährlich in Basel
statt und wurde vom Festspielhaus St. Pölten (Österreich) in
sein Programm aufgenommen. Darüberhinaus inszeniert Ann
Allen die Konzertreihe »ILLUMINATIONEN« im Burghof
Lörrach (Deutschland).
Trigonale 2012 – Programm - 149 -
Hannah Morrison
Franz Vitzthum, geboren in der Oberpfalz,
Die aus einer schottisch-isländischen
Familie stammende junge Sopranistin
Hannah Morrison wuchs in Holland auf,
wo sie am Maastrichter Konservatorium
von 1998 bis 2003 Gesang und Klavier
studierte. Nach dem Diplom wechselte sie an die Hochschule
für Musik Köln, Abteilung Wuppertal, und schloss ihre Ausbildung bei Frau Prof. Barbara Schlick Anfang 2009 mit dem
Konzertexamen ab. Gleichzeitig machte sie den »Masters in
Music in Performance« in der Londoner Guildhall School of
Music and Drama bei Prof. Rudolf Piernay. Diverse Meisterkurse bei berühmten Künstlern wie Matthias Goerne, Christoph Eschenbach, Roger Vignoles, Sir Thomas Allen und Dame
Kiri Te Kanawa rundeten ihre Ausbildung ab.
Erste Bühnenerfahrung sammelte Hannah als Carolina in Cimarosas »Il matrimonio segreto« am Stadttheater Aachen.
Hannah Morrisons besondere Leidenschaft gilt dem Konzert
und dem Lied. Hier war sie schon viel solistisch im In- und
Ausland tätig: Im Oratorienbereich u.a. mit J.S.Bachs «Weihnachtsoratorium«, der »Matthäuspassion«, G.F. Händels
»Jephta«, Haydns »Schöpfung« und »Sieben letzten Worte«.
Sie gastiert regelmäßig mit den Ensembles Les Arts Florissants unter Paul Agnew und William Christie, Holland Baroque Society, L'arte del mondo unter Werner Erhardt, Echo du
Danube und L'Arpeggiata unter Christina Pluhar. Seit 2009
bildet sie ein Duo mit der aus Südafrika stammenden Pianistin Lara Jones. Im Liedbereich feierte Hannah schon Erfolge
in England (Oxford Festival, London, King's Place, Wigmore
Hall u.a.) mit den Pianisten Eugene Asti und Graham Johnson.
erhielt seine erste musikalische Ausbildung
bei den Regensburger Domspatzen.
Sein Gesangsstudium absolvierte er 2007 bei
Kai Wessel an der Musikhochschule Köln. Schon
während seiner Ausbildung erhielt er zahlreiche Preise und Stipendien.
Die Presse lobt Franz Vitzthums Stimme als intonationssicheren, linear geführten Countertenor, der mühelos in die
Mezzolage reicht und durch außergewöhnliche Klangschönheit überzeugt. Mittlerweile folgten Einladungen zu SoloAbenden beim Rheingau Musik Festival, den Händel-Festspielen in Halle, Karlsruhe und Göttingen, zu La Folle Journée
in Nantes und dem Bach Festival Philadelpia. Er arbeitete u.a.
mit den Dirigenten Nicolas McGegan, Andrew Parrott,
Hermann Max, Peter Neumann und Christoph Poppen zusammen. Desweiteren hat er bei diversen Opern- und Oratorienproduktionen mitgewirkt, u.a. bei Scherz, Satire, Ironie
und tiefere Bedeutung (Glanert), Jephta und Solomon (Händel),
Orfeo (Gluck) und Orlando generoso (Steffani) und zuletzt in
Spartaco (Porsile) an der Winteroper in Schwetzingen.
Franz Vitzthum ist auch vielgefragter Kammermusikpartner.
So konzertiert er regelmäßig mit dem Lautenisten Julian
Behr, dem Basler Ensemble Capricornus und singt mit dem
von ihm gegründeten Vokalensemble Stimmwerck. Diese vielseitige Tätigkeit spiegelt sich in seiner Diskographie wider:
Nach seiner Debüt-CD Ich will in Friede fahren mit dem Gambenconsort Les Escapades hat Vitzthum kürzlich unter dem
Titel Himmels-Lieder eine weitere Solo-CD mit geistlichen
Barockliedern für das Label Christophorus aufgenommen.
- 150 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 151 -
Der Tenor Andreas Post wird besonders für seine stimmschönen und eindringlichen Interpretationen der großen
Evangelistenpartien von Johann Sebastian
Bach geschätzt.
Seine Konzerttätigkeit führt ihn auch regelmäßig ins Ausland, wobei vor allem Frankreich, Italien,
Skandinavien, Luxemburg und die Niederlande sowie Israel, Mazedonien, Südafrika, die Ukraine und Singapur zu
nennen sind. Er arbeitet mit Dirigenten wie Hermann Max,
Helmuth Rilling, Philippe Herreweghe, Ludger Rémy, Jos van
Veldhoven, Jan Willem de Vriend oder Michael Hofstetter und
mit Ensembles wie Concerto con Anima, Le Chardon, Les Amis
de Philippe, Combattimento Consort Amsterdam, Hannoversche
Hofkapelle, Musica Alta Ripa, Collegium Vocale Gent, Monteverdichor Hamburg und der Nederlandse Bachvereniging.
Andreas Post ist gern gesehener Gast der Telemannfesttage
Magdeburg, Musikfestspiele Dresden, Tage Alter Musik Regensburg, Händelfestspiele Halle, Ludwigsburger Schloßfestspiele und
Mozartfest Augsburg.
Auf der Opernbühne gestaltete er den Astromonte in der
wiederentdeckten Oper »Der Stein der Weisen« an der unter
anderem auch Mozart komponierte, Palemone in Josef Schusters wieder entdeckter Oper »Amor e Psiche«, »Pedrillo« in
Mozarts »Die Entführung aus dem Serail«, einer Koproduktion des Göttinger Sinfonieorchesters und des Deutschen Theaters
Göttingen in der Saison 2006/07, Tamino in »Die Zauberflöte« bei den Festspielen Gut Immling 2008 und Uriel in einer Bühnenversion von Haydns Oratorium »Die Schöpfung«
anlässlich des 300. Jubiläums der Stadt Ludwigsburg 2009.
2012 wird er bei den Tagen Alter Musik Regensburg erneut in
einer Oper von Josef Schuster mitwirken.
Sein besonderes Engagement gilt dem Kunstlied, dem er sich
seit 1995 gemeinsam mit der Pianistin und Liedbegleiterin
Tatjana Dravenau intensiv widmet. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit sind drei Solo-CDs erschienen, zuletzt 2008
»Die schöne Müllerin« von Franz Schubert. Seit 2008 erarbeitet Andreas Post zeitgenössisches Liedrepertoire zusammen
mit Axel Bauni, mit dem er Lieder von Reimann und Rihm
beim Kissinger Sommer zur Uraufführung brachte. 2011 gestaltete er zusammen mit Jan Philip Schulze die Uraufführung
von Trojahns Rilke-Zyklus »Dir zur Feier«.
Zahlreiche CD- und Rundfunkproduktionen dokumentieren sein breit gefächertes Repertoire. In 2012 erscheint eine
CD mit Arien von J.S. Bach, C.P.E. Bach, G.Ph. Telemann
und R. Keiser, die Andreas Post zusammen mit dem Orchester Le Chardon eingespielt hat. Andreas Post absolvierte sein
Gesangsstudium in der Klasse von Prof. KS Soto Papoulkas
an der Folkwang-Hochschule in Essen. Das Konzertexamen
bestand er mit Auszeichnung. Der Preisträger des 11. Internationalen Bach-Wettbewerbs Leipzig lebt in Essen.
- 152 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 153 -
Markus Flaig kam über die Orgel zur
Musik und über ein Schul- und Kirchenmusikstudium zum Gesang. In Horb am
Neckar geboren, studierte er bei Prof.
Beata Heuer-Christen in Freiburg und bei
Prof. Berthold Possemeyer in Frankfurt am
Main; seit Herbst 2006 arbeitet er mit Carol Meyer-Bruetting.
Konzertreisen führten den Bassbariton durch ganz Europa,
nach Kolumbien, Mexiko und Korea sowie nach Japan für
eine Tournee unter Masaaki Suzuki, im Herbst 2010 schließlich nach Brasilien, Uruguay und Argentinien für Aufführungen der »h-moll-Messe« mit dem Thomanerchor Leipzig.
Zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen unter Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Hermann Max und
Konrad Junghänel zeugen von seinem breit gefächerten Repertoire. Es reicht von der Renaissance über die Oratorien
aus Barock, Klassik und Romantik bis hin zu Uraufführungen
zeitgenössischer Komponisten.
2004 wurde Markus Flaig Preisträger des Internationalen
Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs Leipzig. Vor kurzem hat
er für die edition chrismon zusammen mit dem Ensemble Alta
Ripa sein erstes Solo-Album eingespielt mit Kantaten von
Bach (BWV 82), Telemann und Graupner.
Bereits während seines Kirchenmusikstudiums erhielt er einen ersten Gastvertrag an den Städtischen Bühnen Freiburg
für die Partie des Azarias in Benjamin Brittens Kirchenparabel »The burning fiery furnace«. Seither war er in Opern
von Strauss, Schwehr, Monteverdi, Purcell und Rameau auf den
Bühnen von Baden-Baden, Schwetzingen, Bayreuth, Hannover und Frankfurt zu sehen.
Seit 1997 erarbeitet er sich mit dem Pianisten Jörg Schweinbenz ein umfangreiches Liedrepertoire.
- 154 - Trigonale 2012 – Programm
Christian Zincke, geboren in Wien,
studierte Viola da gamba bei Jaap ter
Linden, Rainer Zipperling und Philippe
Pierlot und absolvierte sein Diplom am
Koninklijk Conservatorium in Den Haag.
Er konzertiert europaweit als Solist und
Continuospieler.
Christian Zincke ist Mitglied namhafter Ensembles wie La
Stagione Frankfurt, Camerata Köln, dem Main-Barockorchester Frankfurt, Capella Thuringia, Bell Arte Salzburg u.a. mit denen
er CDs und Rundfunkaufnahmen einspielt und in ganz Europa konzertiert.
Im Jahr 1999 gründete er das Ensemble Echo du Danube.
Christian Zincke liebt es in Bibliotheken, Dissertationen und
dem Internet nach bislang unerhörter Musik zu forschen. Einige Entdeckungen aus dieser Tätigkeit gibt er in der Edition
Walhall heraus. Diese äußerst spannende Arbeit sieht er als
wichtigen Aspekt des Musikerdaseins und als Quelle neuer
Inspiration. Außerdem versucht er Menschen aller Altersgruppen das Gambenspiel zu vermitteln.
Christian Zincke spielt auf einer Viola da gamba aus Sachsen,
ca. 1710 bzw. einem Violone aus dem Alemannischen Raum
aus dem frühen 18. Jahrhundert.
Trigonale 2012 – Programm - 155 -
Freitag, 14.09. | 18.30 Uhr
Rathaus St. Veit
Sweeter than Roses
Sweeter than roses, or cool evening breeze
on a warm flowery shore ...
Ghislieri Consort
Clare Wilkinson: Mezzosopran
Marco Bianchi: Violine I
Barbara Altobello: Violine II
Chiara Zanisi: Viola
Alberto Guerrero: Barockcello
Franco Pavan: Theorbe
Maria Cecilia Farina: Orgel
- 156 - Trigonale 2012 – Programm
E inle itun g
Music for a While
Das Programm des heutigen Abends widmet sich vorwiegend der von Henry Purcell für das Theater geschriebenen
Vokalmusik.
Der Stil Purcells ist so hochgradig individuell, dass er bis heute in der Geschichte der britischen Musik als Einzelfall gilt.
Die Wurzeln seines Schaffens reichen tief in den Boden der
englischen Kultur, seine Werke aber sind mehr als nur Früchte eines bestimmten Umfelds; es sind einzigartige Blüten, die
nur Purcell hervorzubringen vermochte und die sein Schaffen
zu etwas völlig Außergewöhnlichem machen – zu einer von
der Welt losgelösten, glücklichen Insel, die derart unabhängig ist, dass sie ganz ohne den sie umgebenden Kontext auszukommen scheint.
Das Theaterschaffen von Purcell beginnt im Jahre 1680 mit
der Komposition der Szenenmusik zum Drama »Theodosius« von Nathaniel Lee. Von da an schreibt Purcell bis zu seinem Tode unzählige Bühnenwerke und widmet sich diesem
Schaffensbereich in den letzten sechs Lebensjahren mit besonderer Intensität.
Trigonale 2012 – Programm - 157 -
Doch werfen wir einen Blick auf die Epoche, in der Purcell
aktiv ist: Zu jener Zeit unterliegt das musikalische Leben auf
der britischen Insel ganz anderen Bedingungen und Richtlinien als auf dem restlichen europäischen Kontinent. Insbesondere ist im damaligen England die Tradition des dramatischen Theaters verankert, und so sehr die Musik auch als
wichtiges Element der Theaterhandlung anerkannt scheint,
wird sie oft nur als Beiwerk zum Bühnengeschehen gesehen.
Der größte Teil der von Purcell verfassten Szenenmusik, von
der das heutige Programm einige Kostproben geben möchte,
besteht aus kurzen Kompositionen, die problemlos aus dem
Theaterkontext, für den sie ursprünglich vorgesehen waren,
herausgelöst werden können, sich also ebenso gut dazu eignen, separat gesungen oder gespielt zu werden.
Tradition eine barocke Grandiosität verlangen, die in der
Vergangenheit den Durst nach imposanten Bühneneffekten, Erhabenheit und Prunk stillen sollte. So nährt sich die
moderne Aufführung dieser Werke zwar nicht mehr von jener Bühnenaufmachung, doch aber von der Großartigkeit
der Musik Purcells, deren Prächtigkeit nach wie vor ihre
wichtigste Stärke darstellt. Höhepunkte dieses prunkvollen
Werkes sind die zahlreichen Sologesänge, die die Bühnenhandlung bereichern.
Einen wesentlichen Beitrag stellen fünf Werke dar, die in
den letzten sechs Schaffensjahren des Autors entstanden:
»Dioclesian« aus dem Jahre 1690 nach dem Libretto von
Beaumont und Fletcher; »King Arthur« von 1691 zu einem
Text von John Dryden; »The Fairy Queen« von 1692 zum
»Sommernachtstraum« von Shakespeare; »The Indian Queen«
von 1695 und »The Tempest« aus dem selben Jahr zum
gleichnamigen Werk von Shakespeare. Alles Kompositionen,
die schon zu Lebzeiten Purcells ein zweifelsohne starkes Interesse und Echo hervorriefen.
Besondere Hervorhebung verdient »Dido and Aeneas«,
das erstmalig 1689 in einer Mädchenschule von Chelsea
aufgeführt wurde. Es handelt sich um eine ernste Oper im
wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch um eine Miniatur von
kaum einer Stunde Dauer, in der die Wiederaufnahme eines
wiederholten und sehr charakteristischen Typs von begleiteter Monodie erkennbar ist, der sich zwar grundlegend von
den Rezitativen der italienischen Komponisten unterscheidet, dennoch aber seine Wurzeln in den »Nuove musiche«
des Italieners Caccini hat. Nebst diesem außergewöhnlichen
Typ von Arioso sind auch Chöre und Tänze wiederzuerkennen, die zum Teil unter dem Einfluss des französischen Stils
stehen. Die dabei zustande kommende Mischung ist weder
italienisch noch französisch oder englisch gefärbt, sondern
ein Beispiel für den nur Purcell eigenen Stil.
Die Wiederaufführung dieser Stücke ist heutzutage als Operninszenierung im etymologischen Sinne des Begriffes undenkbar, da die zitierten Werke sowohl in der italienischen – insbesondere der venezianischen – als auch in der französischen
Kehren wir an dieser Stelle wieder zum anfangs formulierten
Konzept zurück. Henry Playford, der den ersten Band von »Orpheus Britannicus« – hierbei handelt es sich um eine Sammlung von Purcell-Arien – herausgibt, schreibt im Vorwort
- 158 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 159 -
zur zweiten Auflage: Das außergewöhnliche, alle Musikbereiche umfassende Talent des Autors ist wohlbekannt; doch
besondere Bewunderung verdienen seine Vokalkompositionen, in denen er auf geniale Weise die Energie der englischen Sprache zum Ausdruck zu bringen und damit die
Zuhörer zutiefst zu verblüffen und zu bewegen wusste.
In der Tat erlaubt der Großteil seiner Arien bis heute keine
Zuschreibung zu einem der »englischen Stile«, und dies eben
dank ihrer Fähigkeit, die Bedeutung der Worte so vollständig
auszuschöpfen, dass diese mit der Musik in völligen Einklang
treten, wodurch eine fesselnd einfache Struktur entsteht, die
die einzigartige melodische Sprache des Autors prägt. Daher ordnen viele die Arien Purcells eben nicht der englischen
Musik als solche oder einer der britannischen Strömungen
zu, sondern definieren sie schlicht und einfach als »Purcellstil«. Dieser ist mit der Zeit zu einem Inbegriff geworden,
zu einem unverwechselbaren stilistischen Kodex, durch den
sich nur das Werk des Meisters aus Westminster auszeichnet.
Raffaella Valsecchi, übersetzt von Sibylle Kirchbach
- 160 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 161 -
Pro g r a mm
Henry Purcell
Paus e
(1659 – 1695)
1. Ouvertüre in d-moll
2. Fairest Isle
Aus King Arthur
3. Music for a While
Aus der Bühnenmusik zu Oedipus, King of Thebes
4. Prelude, Hornpipe, Air, Chaconne
Aus The Fairy Queen
5. If love's a sweet passion
Aus The Fairy Queen
9. Sonata IV
aus der Sonate in 4 Teilen
10. Sweeter than Roses
Aus Pausanius, the Betrayer of his Country
11. Ouvertüre 'in Mr P. Opera'
Wahrscheinlich die Ouvertüre zum Prolog aus
Dido and Aeneas
12. Dry those eyes
Aus The Tempest
13. Bonduca Ouvertüre
6. When I have often heard
young maids complaining
14. Dido's Lament
Aus The Fairy Queen
aus Dido and Aeneas
7. Fantasia Upon One Note
8. Hark how all Things with one Sound rejoice
Aus The Fairy Queen
- 162 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 163 -
T e x te
2. Fairest Isle
2. Du schönste Insel
Fairest isle, all isles excelling,
Seat of pleasure and of love
Venus here will choose her dwelling,
And forsake her Cyprian grove.
Cupid from his fav'rite nation
Care and envy will remove;
Jealousy, that poisons passion,
And despair, that dies for love.
Du schönste Insel, bist schöner als alle deines gleichen,
bist Heim von Leidenschaft und Liebe.
Venus wird dich für sich auserwählen,
wird für dich ihren Hain auf Cypern ganz vergessen.
Amor wird dich, liebstes seiner Länder,
erlösen von allem Leid und Neid,
wird dich befreien von der Eifersucht, dem Gift der Gefühle, und
von der Verzweiflung derer, die sich in Liebesqualen verzehren.
Gentile murmurs, sweet complaining,
Sighs that blow the fire of love,
Soft repulses, kind disdaining,
Shall be all the pains you prove.
Ev'ry swain shall pay his duty,
Grateful ev'ry nymph shall prove;
And as these excel in beauty,
Those shall be renown'd for love.
Leises Murren, sanftes Stöhnen,
stilles Seufzen, dass die Liebe neu entfacht,
sanfte Ablehnung, zärtliche Verwehrung,
sollen die schlimmsten Qualen sein.
Jeder Liebender wird großzügig geben,
Jede Nymphe wird dankbar erwidern;
Und während die Damen durch ihre Schönheit betören,
vollbringen die Männer im Namen der Liebe Heldentaten.
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Trigonale 2012 – Programm - 165 -
3. Music for a While
3. Musik für einen Augenblick
Music for a while
Shall all your cares beguile.
Wond'ring how your pains were eas'd
And disdaining to be pleas'd
Till Alecto free the dead
From their eternal bands,
Till the snakes drop from her head,
And the whip from out her hands.
Musik für einen Augenblick
wird alle deine Sorgen heilen.
Während du staunst wie deine Schmerzen vergehen,
und das Vergnügen noch verschmähst,
bis Alekto die Toten befreit
von ihren ewigen Banden,
bis die Schlangen von ihrem Haupt abfallen
und die Peitsche aus ihren Händen gleitet.
5. If Love's a Sweet Passion
5. Wenn die Liebe eine süße Leidenschaft sein soll
If Love's a Sweet Passion,
why does it torment?
If a Bitter, oh tell me
whence comes my content?
Since I suffer with pleasure,
why should I complain,
Or grieve at my Fate,
when I know 'tis in vain?
Yet so pleasing the Pain is,
so soft is the Dart,
That at once it both wounds me
and tickles my Heart.
Wenn die Liebe eine süße Leidenschaft sein soll,
warum bringt sie mir dann so viel Qualen?
Ist sie Bitterkeit, so sag,
warum zerschmelze ich vor Freude?
Ihretwegen leide ich voller Vergnügen,
warum sollte ich mich dann beklagen,
warum sollte ich meines Schicksals wegen jammern,
weiß ich doch, wie nichtig es ist?
Der Schmerz ist so erfüllend,
seine Pfeile stechen so süß,
dass sie zu ein und der selben Zeit
das Herz verletzen und es wohlig kitzeln.
I press her hand gently
Look languishing down,
And by Passionate Silence
Sanft drücke ich ihre Hand,
senke den schmachtenden Blick,
und im leidenschaftserfüllten Schweigen
- 166 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 167 -
I make my love known.
But oh! how I'm blest
When so kind she does prove,
By some willing mistake
To discover her love.
When in striving to hide,
She reveals all her flame,
And our eyes tell each other
What neither dares name.
lasse ich sie meine Liebe erraten.
Doch wie glücklich bin ich,
wenn sie sich zärtlich zeigt,
und durch vorgetäuschte Ungeschicktheit
auch mir ihre Verliebtheit zu verstehen gibt.
Wenn sie so tut, als ob sie versuchen würde, sie zu verstecken,
und so das Brennen in ihrer Brust erst richtig verrät.
Mit den Blicken erklären wir einander
alle unaussprechlichen Gefühle.
6. When I have often heard
6. Wie oft habe ich gehört
When I have often heard
Young maids complaining
That when men promise most
They most deceive,
Then I thought none of them
Worthy my gaining;
And what they swore,
I would never believe.
But when so humbly one
made his addresses, with looks so soft
and with language so kind,
I thought it sin to refuse his caresses;
Nature o'ercame,
and I soon chang'd my mind.
Wie oft habe ich gehört
wie die Mädchen sich beklagten,
dass die Männer, je mehr sie versprechen,
um so mehr bereit sind, ihre Versprechen zu brechen,
daher war ich vollauf überzeugt, dass niemals
ein Mann mein Herz erobert hätte;
denn niemals hätte ich
seinen Schwüren Glauben geschenkt.
Doch dann kam dieser demütige Jüngling
und umwarb mich, schaute mich so zärtlich an
und sprach so voller Liebenswürdigkeit,
dass es eine Sünde gewesen wäre,
sich seinen Liebkosungen zu verwehren;
die Natur hat über mich gesiegt
und hat mich zu anderen Überzeugungen gebracht.
Mag er mir auch falsche Versprechen geben,
mag er mich mit Kunst und List verführen,
Should he employ all his wit in deceiving,
Stretch his invention, and artfully feign,
- 168 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 169 -
I find such charms,
such true joy in believing,
I'll have the pleasure,
let him have the pain.
If he proves perjur'd,
I shall not be cheated,
He may deceive himself, but never me;
'Tis what I look for,
and shan't be defeated,
For I'll be as false and inconstant as he.
ich fühle mich ganz verzaubert dabei,
schenke ihm Glauben mit solchem Genuss,
dass ich nur Freude haben kann
und alle Qualen ihm überlassen werde.
Sollte er seine Versprechen brechen,
werde nicht ich die Betrogene sein,
nur sich selbst kann er belügen, mich aber niemals;
ich habe gefunden, was ich begehrte,
und ich werde mich nicht geschlagen geben,
werde lieber meineidig und wankelmütig werden wie er.
8. Hark how all Things with one Sound rejoice
8. Hör, wie alles in einem Klang sich vereint
Hark how all things with one sound rejoice,
And the world seems to have one voice!
Hör, wie alles in einem Klang sich vereint,
wie die ganze Welt eine einzige Stimme zu haben scheint.
10. Sweeter than Roses
10. Süßer als Rosen
Sweeter than Roses,
or cool evening breeze
On a warm flowery shore
Was the dear kiss,
First trembling made me freeze,
Then shot like fire all o'er.
What magic has victorious love!
For all I touch or see
Since that dear kiss, I hourly prove,
All is love to me.
Süßer als Rosen
und süßer als Abendfrische
war auf dem blumenübersäten Strand
jener kostbare Kuss,
der mich zuerst zitternd erstarren ließ
und dann wie ein Brand meinen ganzen Körper verschlang.
Wie zauberhaft ist doch die Liebe, wird sie erwidert!
Denn alles was ich nun sehe und berühre
verwandelt sich nach diesem Kuss
in Liebe.
- 170 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 171 -
12. Dry those eyes
12. Trockne deine Augen
Dry those eyes which are o'erflowing,
All your storms are over blowing.
While you in this isle are biding,
You shall feast without providing.
Ev'ry dainty you can think of,
Ev'ry wine that you can drink of
Shall be yours and want
Shall shun you,
Ceres' blessing too is on you.
Trockne deine Augen, die vor Traurigkeit zerschmelzen,
denn die dunklen Wolken werden sich bald verziehen.
Während du auf dieser Insel weilst,
kannst du sorglos glücklich sein.
Jeden Leckerbissen, der dir vorschwebt,
jeden Wein, den dein Herz begehrt,
sollst du haben und an nichts
soll es dir fehlen.
Für uneingeschränkte Hülle und Fülle will Ceres bürgen.
14. Dido's Lament
14. Dido's Lamento
When I am laid in earth
May my wrongs create
No trouble in thy breast;
Remember me, but ah! forget my fate.
Wenn ich liegen werde, liegen in der Erde,
Soll keines meiner Versagen
dir irgendeine Qual bereiten.
Gedenke meiner, doch bitte! vergiss mein Los.
Übersetzungen Sibylle Kirchbach
- 172 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 173 -
G his lie ri Co n s o rt & Ch o ir wurde 2003 von
dem italienischen Dirigenten Giulio Prandi, der Organistin
Maria Cecilia Farina, dem Violinisten Marco Bianchi und dem
Cellisten Alberto Guerrero ins Leben gerufen. Das auf historischen Instrumenten musizierende Ensemble vereint 20
Choristen mit einigen der erfahrensten und angesehensten
italienischen Barock-Instrumentalisten, die zugleich langjährige Mitglieder renommierter italienischer Gruppen sind.
Das Ensemble widmet sich insbesondere der Neuentdeckung
des sakralen Chor- und Instrumentalrepertoires Italiens aus
dem 18. Jahrhundert und bringt in seinen Konzerten gern
seltene und unveröffentlichte Werke von Komponisten dieser
Epoche zur Aufführung. Schon bald nach seiner Gründung
wurde das Ghislieri-Consort zu einem der gefragtesten jungen
Ensembles Italiens und trat mit Solisten wie Roberta Invernizzi, Gloria Banditelli, Romina Basso, Christian Senn, Emanuela Galli, Maria Grazia Schiavo und José Maria Lo Monaco auf.
Clare Wilkinson, Mezzosopran, wur-
Das Ghislieri-Consort ist Ensemble in Residence am Collegio
Ghislieri in Pavia, einer der renommiertesten Hochschuleinrichtungen Italiens, sowie Mitglied des Circuito Lombardo di
Musica Antica und gastiert regelmäßig in Mailand, Villa Reale
di Monza, Brescia und Mantua.
de in Manchester in eine Musikerfamilie
geboren und gab bereits im Alter von 17
Jahren ihr erstes professionelles Konzert.
Sie studierte Altphilologie am Trinity
College in Cambridge und sang dort im
international renommierten Chor. Im Anschluss daran folgte
ein Aufbaustudium im Fach Gesang am Trinity College of
Music in London.
Im Jahr 2004 traf sie erstmals auf Sir John Eliot Gardiner.
Seither sang sie alle großen Werke von Bach und zahlreiche
Werke anderer Komponisten unter seiner Leitung. Darüber
hinaus hat Clare in Bach-Projekten Andrew Parrotts – dem
Weihnachtsoratorium sowie der von ihm rekonstruierten
Trauer-Music – gesungen und mit renommierten Künstlern wie Daniel Reuss, Michael Willens, Laurence Cummings,
Christophe Rousset, Nicolas Kramer, Bart Van Reyn, Richard
Egarr und Charles Olivieri-Munroe zusammengearbeitet. Als
leidenschaftliche Kammermusikerin tritt sie regelmäßig mit
den Gamben-Ensembles Fretwork und The Rose Consort of Viols auf. Clare fühlt sich auch auf der Schauspielbühne zuhause. Als Mitglied von I Fagiolini wirkte sie an dem mehrfach
ausgezeichneten szenischen Projekt »The Full Monteverdi«
mit. Weitere Rollen waren die der Messagiera in Monteverdis »L'Orfeo«, Venere in Monteverdis »Ballo dell' Ingrante«,
Galatea in Händels »Acis and Galatea«, die Zweite Witwe in
Purcells »Dido and Aeneas«, Zinnia in Chabriers »L'Etoile«
sowie Penelope in Guido Morinis »Odissea«.
Zahlreiche CD-Aufnahmen zeugen von Clares reichem, künstlerischen Schaffen. Die Aufnahme von Händels »Messiah«
- 174 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 175 -
Im Jahr 2010 erschien eine für das italienische Magazin
Amadeus eingespielte CD-Monographie über Giacomo Antonio Perti (Bologna, 1661 – 1756), im selben Jahr begann das
Ensemble die Zusammenarbeit mit Sony Deutsche Harmonia
Mundi, wobei die erste CD aus dieser Kooperation im kommenden November erscheinen wird.
mit dem Dunedin Consort wurde mit dem Gramophone Award
ausgezeichnet. Von der Kritik gelobt wurde außerdem die
Aufnahme der »Matthäuspassion« (Dunedin Consort), die
Aufnahme der »Markuspassion« mit Amarcord und der Kölner Akademie sowie ihr Album »Four Gentlemen of the Chapel Royal« mit dem Rose Consort of Viols.
Zu den gegenwärtigen und künftigen Engagements zählen
das »Weihnachtsoratorium« mit dem Scottish Chamber Orchestra / Richard Egarr, der »Messias« mit The Netherlands
Bach Society / Jos van Veldhoven, die »Bach-Kantaten« mit der
Capella Augustina / Andreas Spering in Brühl, die »Matthäuspassion« für den Bachkoor Holland / Gijs Leenaers und Haydns
»Nelson-Messe« für das SCO / Adam Fischer.
Einige der jüngst veröffentlichten CDs von Clare sind »Welt,
Gute Nacht« von J. C. Bach mit den English Baroque Soloists /
Gardiner sowie die »Trauermusik« J. S. Bachs für Fürst Leopold
mit den Taverner Players / Parrott. Eine gemischte RecitalCD mit Fretwork »The Silken Tent« steht auf der Website
von Fretwork (www.fretwork.co.uk) zum Download zur Verfügung.
www.clare-wilkinson.com
- 176 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 177 -
Freitag, 14.09. | 21 Uhr
Rathaus St. Veit
supported by
www.barokksolistene.no
Alehouse-Session No. 2
Der Klang der Londoner taverns und alehouses
im 17. Jahrhundert, versetzt mit guter Laune,
Humor und Bier.
Barokksolistene
Bjarte Eike: Violine, Leitung
Milos Valent: Violine, Viola
Mattias Frostenson: Violone
Fredrik Bock: Theorbe, Gitarre
Hans Knut Sveen: Cembalo
Helge Norbakken: Percussion
Tuva Semmingsen: Mezzosopran
Thomas Guthrie: Bass
Steve Player: Barockgitarre, Tanz
- 178 - Trigonale 2012 – Programm
E inle itun g
Für Bjarte Eike, dem heurigen Titelhelden der trigonale und
Leiter von Barokksolistene (BAS), ist es gleichsam eine Conditio-sine-qua-non, Auftritte im Rahmen unseres Festivals
damit zu verknüpfen, auch einen Abend in Form einer Alehouse-Session gestalten zu dürfen. Nach dem überwältigenden Erfolg der ersten Alehouse-Session bei der trigonale
2010 kommen wir deswegen seinem Wunsch gerne nach –
wohl sehr zur Freude unseres Publikums.
Doch wer meint, es handle sich hierbei um eine Wiederholung, der irrt. Was sich nicht ändert, ist die Idee, traditionelle Folk Music auf Kompositionen von Henry Purcell und
seinesgleichen treffen zu lassen – das alles im Ambiente der
Londoner Tavernen und Alehäuser des 17. Jahrhunderts.
Neu ist hingegen, dass mit Steve Player ein herausragender
Barockgitarrist und Tänzer auf der Bühne steht, der diese
Alehouse-Session zu einem Musikereignis machen wird, das
Sie nicht nur akustisch in Erinnerung behalten werden. Mit
dem slowakischen Geigenvirtuosen Milos Valent und der norwegischen Mezzosopranistin Tuva Semmingsen können wir
zwei weitere trigonale-Debütanten bei uns begrüßen.
Trigonale 2012 – Programm - 179 -
An Alehouse Session –
Pub-Musik wie in alten Zeiten
Wandernde Musikanten –
im London des 17. Jahrhunderts und heute
Pubs – auch als taverns oder Alehäuser bekannt – sind dem
Engländer seit dem Mittelalter ein zweites Zuhause. Seit jeher erfüllten hier Smalltalk, Gesang, Musik und nie nachlassendes Klirren der Biergläser die Räume mit Leben. Im
ausgehenden 17. Jahrhundert, als die Theater aus religiösen
Gründen geschlossen waren, wurden viele dieser Gaststätten
zu so genannten »Musickhouses«, in denen Musiker zusammentrafen, um vor einem ebenso enthusiastischen wie bierdurstigen Publikum Konzerte im intimen Rahmen zu geben.
In diesen Etablissements begegnete man außerdem den Sängern der zahlreichen »Song-Clubs« mit ihren Darbietungen
zu mehr oder weniger frechen bzw. kritischen Texten. Auch
Henry Purcell und andere bekannte Musiker traten hier auf
und präsentierten ihre neuen Werke oder lieferten sich lebhafte musikalische Gefechte mit den lokalen Vertretern der
Populären Musik.
Das Londoner Musikgeschehen in der Barockzeit war von
Dynamik, Energie und pulsierender Lebensfreude gekennzeichnet. Zahlreiche Komponisten und Musiker strömten
aus ganz Europa in diese Stadt, in der Hoffnung, ihren Lebensunterhalt in einem der vielen Musikhäuser oder in den
neu erbauten Theatern und Opernhäusern verdienen zu können. Musik erfreute sich in England großer Beliebtheit, und
London war voller Musiker, die von einem Aufführungsort
zum nächsten eilten – ein Phänomen, das freischaffenden
Musikern der heutigen Zeit nicht unbekannt sein dürfte ...
»Ein Haus der Sünde könnte man sagen, nicht aber ein Haus der
Dunkelheit, da die Kerzen nie verlöschen … Es ist wie in einem
jener Länder weit im Norden, wo es um Mitternacht ebenso hell
ist wie am Mittag.«
John Earle, Microcosmographie: Or a Peece of the World
Discovered (1628)
- 180 - Trigonale 2012 – Programm
Im Gegensatz zu Italien, Frankreich und Deutschland im 17.
und 18. Jahrhundert gehörten in England die Orchester weder dem Hof noch waren sie Bestandteil der aristokratischen
Kultur. Der Englische Hof und seine Kultur wurden durch
die puritanische Revolution und den Beginn des Commonwealth zeitweilig abgeschafft. König Charles II. wurde 1660
zusammen mit seinem Hofstaat wieder eingesetzt, hatte aber
mit den ständigen Querelen zwischen Katholiken und Protestanten, Whigs und Tories, Stadt und Hof und mit dem
Parlament zu kämpfen, das dem englischen Haushalt sehr
straffe Zügel anlegte.
Ebenso wie sein Mentor und finanzieller Förderer Ludwig
XIV. hatte Charles II. eine Gruppe von 24 Streichern eingestellt. Ludwig konnte es sich leisten, seine Musiker in Vollzeit
zu beschäftigen, die Musiker von Charles hingegen mussten
Trigonale 2012 – Programm - 181 -
zusätzlich in den Theatern und öffentlichen Konzerthäusern
der Stadt arbeiten, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.
Die englischen Aristokraten stellten Musiker zu bestimmten
Anlässen ein; außerdem kauften sie Abonnements für die
Opern- und Konzertsaison. Auch der König war Abonnent,
da ihm weder die Theater noch die Konzertsäle noch die
in ihnen spielenden Orchester gehörten. Im 18. Jahrhundert wurde es üblich, dass die Veranstalter und Förderer von
Konzerten Anzeigen in den Zeitungen veröffentlichten und
Karten über Abonnements, in Läden oder an der Haustür
verkauften. Die Kartenverkäufe waren offen für alle – man
musste nicht Mitglied der Aristokratie sein, um Musik hören
zu können.
Musik sorgte in London im 17. und 18. Jahrhundert für Begeisterungsstürme, zugleich aber gab es keine Orchester, die
Musikern eine Vollzeitanstellung boten. Dies führte dazu,
dass London vor freischaffenden Musikern schier überquoll.
Musiker, die in einem Moment zwischen Biergläsern und
schreienden Menschen auf einem der vielen informellen
volkstümlichen Konzerte in den Tavernen und Alehäusern
und im nächsten Augenblick auf den großen Wohltätigkeitsveranstaltungen der Stadt spielten, bevor sie zu einer Opernaufführung in Bühnenhäusern wie dem King's Theatre im
Haymarket eilten. Zwischen Mai und September, außerhalb
der Theaterspielzeiten, waren die Musiker in den so genannten Pleasure Gardens anzutreffen – riesigen Freiluftveranstaltungen mit Musik.
- 182 - Trigonale 2012 – Programm
Musiker im London des 18. Jahrhunderts zu sein, bedeutete
eine äußerst vielseitige Schaffensweise und ausreichend Kapazität, um das ganze Jahr über zu spielen. Für die meisten
bedeutete es aber auch eine so geringe Bezahlung, dass sie
konstant arbeiten mussten, damit Essen auf dem Tisch stand.
Sie hatten keinerlei Sicherheit und nur sehr wenig Rechte,
und oft genug waren sie gezwungen, ohne Gage zu spielen,
in der Hoffnung, dass ein reicher Gentleman im Publikum
ihnen aus Mitleid ein paar shillings geben würde.
Wie ist es dem freischaffenden Musiker in den letzten 350
Jahren ergangen?
Die Mitglieder von Barokksolistene spielen und singen mit einer Menge unterschiedlicher Ensembles in Kirchen und Konzertsälen, in Theatern, Opernhäusern, Pubs sowie – wenn ihnen
danach ist – auf der Straße (oftmals in Verbindung mit einem
Besuch im Pub). Manchmal sind sie so in Zeitnot, dass vor dem
Konzertsaal bereits ein Taxi wartet, um sie von einem Gig
zum nächsten zu bringen. Dann wieder ist der Terminkalender so leer, dass sie sich fragen, ob die Welt sie vergessen hat.
Es fällt auf, dass sich im Leben freischaffender Musiker in
den letzten 350 Jahren verblüffend wenig geändert hat – vielleicht mit der Ausnahme, dass ein Musiker mit den heutigen
Gagen ein relativ anständiges Einkommensniveau erreichen
kann. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die deutlichsten Parallelen vielleicht zwischen den Musikern der
Barockzeit und den heutigen Interpreten dieses Repertoires
bestehen.
Bjarte Eike
Trigonale 2012 – Programm - 183 -
Die Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
Barokksolistene, Seite 16
Bjarte Eike, Seite 17
Tuva Semmingsen, Seite 114
- 184 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 185 -
Samstag, 15.09. | 6 Uhr
Burgkirche Hochosterwitz
A la Luz del Alba
Wenn der Tag anbricht …
Geistliche Musik des 13. und 14. Jh. aus Spanien
Catalina Vicens: Organetto und Rezitation
Katharina Schmölzer: Rezitation
E inle itun g
Der ewige Kreislauf von Tag / Nacht, Licht / Dunkelheit,
Leben / Tod beschäftigt uns Menschen seit jeher. Im anbrechenden Tag besiegt das Licht die Dunkelheit, und für die
Christen wird mit dem neuen Morgen die Auferstehung gepriesen.
Der Beginn dieser kontemplativen Klangreise findet im Kloster Huelgas (»Platz der Zuflucht«) nahe Burgos im nördlichen
Zentralspanien statt. Dieses Kloster wurde für Frauen königlicher oder adliger Herkunft gegründet, die ein religiöses Leben anstrebten, und der Heiligen Jungfrau Maria gewidmet.
Hier entstand der »Codex Las Huelgas«, eine kaleidoskopische Anthologie europäischer Mehrstimmigkeit und Einstimmigkeit, die das gesamte 13. und das frühe 14. Jahrhundert umspannt. Seine Notation gibt einen Übergangszustand
zwischen der älteren modalen Notre-Dame-Notation und der
definierten Mensuralnotation um 1300 wieder und enthält
zahlreiche Messestücke sowie mehrere Werke, die besonders
für Marienfeste und weibliche Heilige geschrieben wurden.
Unter der Herrschaft Alfonso X., genannt »der Weise« (El
Sabio), König von Kastilien und León, entwickelte sich nicht
nur Las Huelgas zu einem kulturellen Zentrum, sondern die
gesamte Region, in der die Cantigas de Santa Maria entstanden. Sie sind eine Sammlung vertonter Geschichten, welche
von den Wundern der Heiligen Jungfrau Maria erzählen und
in einer mittelalterlichen Sprache der iberischen Halbinsel,
verfasst wurden.
Mit geistlicher Musik zu Ehren der Jungfrau Maria, dem
Morgenstern, wird dieser Kreislauf klanglich entworfen.
Im Südosten Spaniens, im heutigen Katalonien, finden wir einen anderen wichtigen Wallfahrtsort der Marienverehrung –
das Kloster von Montserrat. Hier entstand im 14. Jahrhundert
- 186 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 187 -
eine Handschrift mit Liedern und Gedichten, die der Marienfrömmigkeit dienten. Die Lieder der »Llibre Vermell de
Montserrat« wurden für die Pilger niedergeschrieben, damit
sie während ihrer Nachtwache geistliche Lieder in katalanischer, okzitanischer und lateinischer Sprache singen konnten.
Die Jungfrau Maria, als eine Figur des Glaubens und der
Hoffnung, der Wunder und der Liebe, geleitet uns in einen
neuen Tag.
- 188 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 189 -
Pro g r a mm
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
1. Maria virgo virginum
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
2. Omnium in te Christe
Llibre Vermell de Montserrat (Anonym 14. Jh.)
3. Splendens ceptigera
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
4. Kirie: Rex virginum amator
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
5. Gloria
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
6. Salve virgo regia
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
7. Prosa: Stabat iuxta Christi crucem
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
8. Planctus: Quis dabit capiti
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
9. Audi pontus
- 190 - Trigonale 2012 – Programm
Llibre Vermell de Montserrat (Anonym 14. Jh.)
10. Maria Matrem
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
11. Motet: Salve virgo regia/
Ave gloriosa/Domino
Cantigas de Santa Maria (Anonym 13. Jh.)
12. Miragres muitos pelos reïs faz
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
13. Benedicamus Domino
Cantigas de Santa Maria (Anonym 13. Jh.)
14. Quena Virgen ben servirá
Llibre Vermell de Montserrat (Anonym 14. Jh.)
15. Imperayritz de la ciudad joyosa
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
16. Discant: Fa fa mi/Ut re mi
Llibre Vermell de Montserrat (Anonym 14. Jh.)
17. Polorum regina
Codex Las Huelgas (Anonym 13., 14. Jh.)
18. Benedicamus domino
Trigonale 2012 – Programm - 191 -
T e x te
2. Omnium in te Christe
Omnium in te christe credecium
terge sordes mencium,
ut hac nocte prava nocte exeamus
et securi summo mane surgamus.
Und allen, die wir an dich, Christus, glauben,
reinige unsere Seelen von der Verderbtheit,
damit wir heute Nacht dem bösen Feind entgehen
und am letzten Morgen fröhlich erwachen mögen.
6. Salve virgo regia
Heil dir, königliche Jungfrau, Mutter des Sanftmuts,
Jungfrau voll der Gnade, ruhmreiche Königin,
vollkommene Mutter eines erlauchten Kindes,
die du sitzt in der Herrlichkeit des Himmelreichs.
Vom König der Könige im Himmel Mutter
und auch Schwester,
Hort der Reinheit, der hellste Stern;
auf dem Thron der Gerechtigkeit sitzt du
im Angesicht aller himmlischen Mächte.
- 192 - Trigonale 2012 – Programm
Die Freudigen versammeln sich und schenken dir
frohe Lieder verschiedenster Art:
So voller Kraft, so siegesgewiss,
so wunderschön, Mutter der Kirche.
Du Licht der Welt und fromme Mutter,
dir gehorchen die höchsten Sterne des Himmels.
Sie verharren, ergriffen vor Deiner Schönheit,
Sonne, Mond und alle Sterne am Firmament.
Jungfrau, du herrschst über alle,
die Engel preisen dich über dem Äther.
Heil dir, du starke Beschützerin der Geistlichkeit
und wahre Helferin der Armen.
Du bist der keusche Mond der Gerechtigkeit.
Du Mutter der Gnade und Zuflucht
für das Leben der Sünder,
starke Trösterin der Notleidenden: Hilf uns nach dem Tod,
wenn wir das elende Leben verlassen,
und aus Gnade, nicht nach unserem Verdienst,
führe uns zum Vater und zum Sohn.
Trigonale 2012 – Programm - 193 -
7. Prosa: Stabat iuxta Christi crucem
Aufrecht vor dem Kreuz Christi,
Aufrecht sah sie den Meister des Lebens
Vom Leben Abschied nehmen.
Aufrecht, siehe die Mutter,
die schon nicht mehr Mutter war.
Aufrecht betrachtet die Jungfrau das Kreuz
Und das Leid der beiden Lichter,
Das des Gottes, das des Menschen,
Doch weinte sie mehr um ihr eigenes als um das andere.
Sie aufrecht, Er am Kreuze hängend,
Was Er in seinem Fleisch erlitt,
Verspürte sie in ihrem Busen.
In ihrem Herzen ward sie an das Kreuz genagelt,
In ihrem Herzen auch vom Schwert
Durchbohrt, die Mutter des Lammes.
In ihrem Herzen nahm sie die Krone des Martyriums,
In ihrem Herzen war sie verzehrt
Von der Liebe Glut.
Siehe, wie diese Hände wieder zum Leben erwachen
Und die Füße, vom Eisen durchbohrt,
Und die offenen Augen.
Siehe, das Haupt bekränzt von Dornen,
Die ganze Erde fühlt mit und folgt
Jeder Bewegung.
Die heiligen Lippen vom Speichel befleckt,
Die Haut aufgesprungen von der Geißel,
So viele Ströme Blut.
- 194 - Trigonale 2012 – Programm
Und die niederträchtigen Verspottungen
Vollenden, was noch gefehlt hat zum Verlust
Und zum Leid der Jungfrau.
Sie weiß, was Weinen heißt für eine Mutter,
Wie schmerzlich es ist, zu gebären.
Diesen Schmerz, den die Geburt einst heilte,
Findet sie wieder vor dem Leichnam ihres Sohnes.
Wohlan denn, Mutter, sei glücklich,
Dass die Nacht Deiner Tränen nun,
Durchtränkt vom Licht, zur Freude werde.
Schenke das Glück des Morgens
Auch unserer Nacht,
Die länger dauert als drei Tage.
Schenk' uns von nun an Deinen Sohn. Amen.
9. Audi pontus, audi tellus
Wasser, hört, und all ihr festen Lande,
Hört, des Ozeans Gestande,
Höre, du Mensche, und alles, was da lebt unter der Sonne,
Er naht, Er kommt, hier ist Er,
An diesem Tage, an diesem Tage jetzt,
An diesem wunderbaren Tag, dem Tag der Bitternis.
Bald wird der Himmel sich verdüstern,
Die Sonne schwinden, und der Mond entfliehen,
Die Sterne werden auf die Erde fallen.
Weh, weh, Unglücklicher,
Ihr armen Menschenwesen,
Wozu dieses Rennen nach unnützen Vergnügen?
Trigonale 2012 – Programm - 195 -
14. Cantiga »Quena Virgen ben servirá«
Ein Mönch spazierte durch einen Garten und entdeckte
dort eine Quelle. Er setzte sich hin, betete zur Jungfrau
Maria und bat sie, ihm doch schon jetzt einen kleinen
Vorgeschmack vom Paradies zu geben.
Als er sein Gebet beendet hatte, begann ein kleiner Vogel
sein Lied zu singen. Verzückt lauschte der Mönch dem
lieblichen Gesang ganze 300 Jahre lang, obwohl es ihm
schien, nur eine kurze Weile zugehört zu haben.
Als er zum Kloster zurückging, sah er ein großes Tor, das
er nie zuvor gesehen hatte. Sein altes Kloster fand er nicht
wieder. Er betrat die Kirche, aber keiner seiner Mitbrüder
war dort. Andere hatten ihren Platz eingenommen.
Der Mönch erzählte ihnen, was er erlebt hatte, und sie
lobten die heilige Jungfrau Maria für dieses Wunder.
Unsere Königin aller Himmel, Morgenstern,
nimm unsere Sünden hinweg.
Vor der Geburt, Jungfrau, befruchtet durch Gott,
verbliebst du immer unversehrt.
Auch bei der Geburt, Jungfrau, fruchtbar durch Gott,
verbliebst du immer unversehrt.
Auch nach der Geburt, Jungfrau, Mutter,
verbliebst du immer unversehrt.
17. Polorum regina
Polorum regina omnium nostra.
Stella matutina dele scelera.
Ante partum virgo Deo gravida
Semper permansisti inviolata.
Et in partu virgo Deo fecunda
Semper permansisti inviolata.
Et post partum virgo mater enixa
Semper permansisti inviolata.
- 196 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 197 -
Catalina Vicens, historische Tasten-
instrumente und Perkussion, wurde in
Santiago de Chile geboren. Bereits im Alter
von 18 Jahren erhielt sie ein Stipendium,
um bei Lionel Party am renommierten
Curtis Institute of Music in Philadelphia,
USA, Cembalo zu studieren. Ein weiteres Stipendium des
DAAD ermöglichte es ihr, ihre Studien bei Prof. Robert Hill
in Freiburg fortzusetzen. Anschließend studierte Catalina
Cembalo bei Andrea Marcon an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel, wo sie schließlich, verzaubert durch die Musik
des Mittelalters, ein weiteres Studium mittelalterlicher Tasteninstrumente bei Corina Marti anschloss.
Seit 2006 nimmt sie zusätzlich Perkussionunterricht bei
Lehrern wie Glen Velez, Murat Coskun u.a., Unterricht in Historischer Perkussion bei Pedro Estevan (Hesperion XXI) und
Michael Metzler, in Barockpauke bei Philip Tarr und in Iranischer Perkussion bei Madjid Khaladj.
Im Jahr 2008 wurde ihr der 1. Preis beim Fritz-NeumayerWettbewerb für historische Tasteninstrumente verliehen. Als
Solistin sowie mit verschiedenen Ensembles trat sie in den
USA, Südamerika und ganz Europa in den renommiertesten
Theatern wie dem Teatro Colon (Argentinien), dem The Kimmel Center (USA), dem Teatro Sao Paulo (Brasilien), dem Palace of Arts (Ungarn), der Semperoper Dresden (Deutschland)
und dem Theater Basel (Schweiz) auf. Neben ihrer Mitwirkung bei vielen Aufnahmen und ihren Auftritten bei den
wichtigsten Festivals und Konzertreihen der Alten Musik,
nahm sie an Meisterkursen von Gustav Leonhardt, Jesper
Christensen, Pedro Memelsdorff, Christophe Deslignes, Christophe
- 198 - Trigonale 2012 – Programm
Rousset und anderen teil. Catalina unterrichtet auch selbst bei
Meisterkursen in verschiedenen Ländern Europas und Südamerikas.
Katharina Schmölzer, geboren in
Villach, aufgewachsen in Wien. Nach der
Matura Italienischstudium in Rom und
anschließend Kunstgeschichtestudium in
Wien. Schauspielunterricht bei Justus
Neumann.
Ab 1986 Schauspielstudium am Mozarteum in Salzburg. Ein
prägendes Erlebnis war das Shakespeare-Seminar mit Peter
Zadek. Ab 1989 Engagements an Bühnen in Deutschland,
Österreich und der Schweiz, u.a. Stadttheater Bern, Schauspielhaus Zürich, Staatstheater Mannheim, Theater in der Josefstadt, Salzburger Festspiele. Freie Theaterproduktionen mit
dem Klagenfurter Ensemble.
Ab der Spielzeit 2012/13 Ensemblemitglied am Stadttheater
Klagenfurt.
Katharina Schmölzer ist Mutter von zwei Töchtern und lebt
mit ihrer Familie zurzeit in Villach.
Trigonale 2012 – Programm - 199 -
Samstag, 15.09. | 14 Uhr
Burg Hochosterwitz
Long, Long Time Ago ...
Geschichten und Geheimnisse
längst vergangener Tage
und
K in d e r - n z e r t
Fa m ili e n ko
Eclipse
Layil Barr: Blockflöten, Viola da gamba
Jean Kelly: Harfen
Ripton Lindsay: Tanz
Johanna von der Deken: Erzählerin
- 200 - Trigonale 2012 – Programm
E inle itun g
Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem sich mittelalterliche
Sagen und Geschichten besser erzählen ließen, als auf der
schon seit Jahrhunderten als Wahrzeichen unseres wunderschönen Landes geltenden Burg Hochosterwitz. Und wenn
diese Geschichten noch dazu mit alter Musik zu tun haben,
ist es Grund genug für uns, das diesjährige Kinder- & Familienkonzert im einzigartigen Ambiente der Khevenhüllerschen
Burg stattfinden zu lassen.
Da ist zum Beispiel die Geschichte von König Richard Löwenherz und seiner Gefangennahme: Wurde er von seinem
Heer befreit? Seinen Edelleuten? Seiner Familie? Nein, es
war sein getreuer Troubadour Blondel, der auf der Suche nach
ihm Harfe spielend durch das Land zog und ihm zur Freiheit
verhalf.
Doch Geheimnisse aus längst vergangenen Tagen zu lüften,
ist nur ein kleiner Teil dessen, was uns das Ensemble Eclipse
in diesem magischen Programm aus Sagen und Geschichten
– begleitet von mittelalterlicher Musik – bereiten wird. So
können wir auch alten Instrumenten lauschen, wie zum Beispiel einer mittelalterlichen Harfe, einer Doppelflöte, einer
Riesenflöte und einer Harfe, deren Klang uns an einen Esel
erinnern wird.
Trigonale 2012 – Programm - 201 -
Neben Musik erleben wir aber auch den beeindruckenden
jamaikanischen Tänzer Ripton Lindsay, der auf seine Weise
traditionellen und zeitgenössischen Tanz mit Elementen des
Hip-Hop, Reggae und des Jazz verbindet.
Johanna von der Deken, unserem Publikum bestens bekannt
als Moderatorin des letztjährigen Kinderkonzerts, wird abermals als Erzählerin in Erscheinung treten und uns mit ihrer
wunderbaren Stimme durch das Programm begleiten.
Kommt und lasst euch königlich unterhalten und vergesst
nicht eure Eltern und Großeltern zu diesem Konzert mitzubringen. Doch seid nicht verwundert, wenn ihr euch ganz
plötzlich in der Rolle des Musikers wiederfinden solltet …
Eclip se
Von der Harfenistin Joy Smith und der Blockflötenvirtuosin
Layil Barr ins Leben gerufen, bereichert dieses innovative
und mitreißende Ensemble die Szene der alten Musik mit
seinem hervorragenden Spiel und seiner farbenfrohen Präsentation um frischen Wind und neue Raffinesse. Die Musiker stellen dabei gleichermaßen die meisterhafte Beherrschung ihrer Instrumente und ihren exquisiten Geschmack
in Inhalt und Form unter Beweis.
Dieses außergewöhnliche internationale Ensemble spielt
auf selten gehörten und gesehenen Instrumenten und fügt
so Alte Musik, zeitgenössische Musik und Tanz zu einem
neuen Ganzen. Mit ihren phantasievollen Kostümen und der
szenischen Gestaltung bereiten uns die Musiker von Eclipse
ein Fest für die Sinne.
Zu den weltweiten Engagements zählen das Brighton Early
Music Festival, das Stour Early Music Festival, die Internationalen Festspiele von Mersin, die Internationale Konzertreihe
von Istanbul, die Konzertreihe des Royal Northern College of
Music, Barbican, Hackney Empire, Glastonbury Festival, Womad
und andere mehr. Außerdem traten sie live im Fernsehen und
im Rundfunk auf, darunter bei den Sendern BBC Radio 3 & 4,
und wurden zu »selected artists« des Making Music Concert
Promoters' Programms 2008 gewählt.
Eclipse ist eines der spannendsten Ensembles in der gegenwärtigen Alten Musikszene. Mit ausgeprägtem Gespür für
- 202 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 203 -
aufführungstechnische Details und mit einigen der besten
Musiker der jungen Generation unter seinen Mitgliedern,
präsentiert das Ensemble in seinen Konzerten eine farbenfrohe Mischung aus virtuoser Musik, Erzählkunst, Theater
und Tanz.
Johanna von der Deken wurde in
Graz geboren, lernte am dortigen Konservatorium Violine und absolvierte eine
Schauspielausbildung an der Schule des
Wiener Volkstheaters. Es folgten Engagements in Fernsehen, Film und Theater.
Ihre Gesangsausbildung erhielt sie am Konservatorium der
Stadt Wien, sowie im Privatstudium bei Hilde Rössel-Majdan,
Hilde Zadek und Herwig Reiter. Ihr vielfältiges Repertoire erstreckt sich von Barockmusik bis zu zeitgenössischen Werken.
Die lyrische Sopranistin gastierte im Rahmen von Opernprojekten am Theater an der Wien, der Grazer Oper, der Berliner Staatsoper, der Wiener Kammeroper, der Neuen Oper Wien,
dem Wiener Odeon, bei der Ruhrtriennale, der Oper Klosterneuburg, am Wiener Schauspielhaus, am Stadttheater Klagenfurt, beim Carinthischen Sommer, sowie an der Pariser Opéra
Garnier. Im Konzertbereich wurde sie zur Zusammenarbeit
mit renommierten Ensembles wie Die Reihe, das Klangforum
Wien, die Wiener Akademie, Armonico Tributo, das HaydnTrio Eisenstadt, Ensemble Prisma Wien, La Capella Reial de
Catalunya sowie die Wiener Symphoniker eingeladen. Projekte
der jüngsten Vergangenheit waren »König David« von Arthur
Honegger im Wiener Konzerthaus, »Opern der Zukunft« an
- 204 - Trigonale 2012 – Programm
der Grazer Oper, »Death in Venice« im Theater an der Wien,
»Xenos-Szenen« von Beat Furrer mit dem Klangforum Wien,
Haydns »Schöpfung« bei der Styriarte, »Sinfonia« von L. Berio
im Herkulessaal in München unter R. Chailly sowie »Jahrlang
ins Ungewisse hinab« von F. Cerha unter J. Kalitzke im Mozarteum Salzburg.
Seit vielen Jahren macht Johanna von der Deken in Zusammenarbeit mit der Jeunesse, der Philharmonie Luxemburg sowie der Styriarte Kinderproduktionen, die von Opernbearbeitungen (»Die Entführung aus dem Serail«, »Die Hochzeit
des Figaro«, »La finta giardiniera«, »Il mondo della luna«),
über Konzertprogramme (»Es werde Licht«) bis zu eigenen
Stücken (»Ein Lipizzaner in Havanna«) führen, und für die
sie stets als Texterin, als auch als Sängerin tätig war. Zur Zeit
schreibt sie im Auftrag der Wiener Staatsoper an dem Libretto
für eine Kinderoper, die von Lisi Naske vertont wird.
Layil Barr, Blockflöten und Viola
da gamba, gilt als eine der virtuosesten
Blockflötistinnen aller Zeiten. Ihr Spiel
wurde als »unvergesslich« und »umwerfend« beschrieben, wobei sie in besonderer Weise für ihre dynamische Interpretation von Musik aller Epochen bekannt wurde.
Sie studierte an der Rubin Academy of Music in Jerusalem
und am Trinity College of Music in London bei Philip Thorby. Während dieser Zeit gestaltete sie Sendungen für das Jerusalem Music Centre und wurde mit verschiedenen Preisen
ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der AmerikaTrigonale 2012 – Programm - 205 -
Israel-Kulturstiftung, dem Dorothy Stone Award und der TCM
Silver Medal for Early Music. Als Solistin trat Layil Barr mit
verschiedenen Orchestern auf, darunter das Royal Artillery
Orchestra und das Israelische Kammerorchester, und gab Gastspiele in den USA, in China, Korea, Israel, Ägypten, Italien,
Spanien, Frankreich, Irland und im Vereinigten Königreich.
Während ihres Studiums am Trinity College of Music wurde
sie von Alison Crum in das Spiel der Viola da gamba eingeführt.
Layil Barr spielt mit zahlreichen Gruppen aus den Genres
Alte Musik und Weltmusik, darunter Le Concert Des Nations
unter der Leitung von Jordi Savall, The Telling, Charivari
Agreable, Minerva u.a.
irischen Familie, die seit mehreren Generationen professionelle Musiker hervorbringt. 1996 errang Jean ein Stipendium
für ein Harfenstudium am Royal College
of Music in London. Seit ihrem Abschluss
lebt sie in London und erfreut sich als vielseitige Harfenistin zahlreicher Engagements. Sie geht regelmäßig mit dem
Locrian Ensemble auf Tournee, unter Darbietung von Harfenkonzerten und eigenen Arrangements irischer Musik. Aus
der Zusammenarbeit mit dem Ensemble erwuchsen auch
drei CD-Aufnahmen, darunter Händels Harfenkonzert und
Mozarts Konzert für Flöte und Harfe. Eine CD mit Kammermusik von Richard Arnell wurde vom Gramophone Magazine mit einer besonderen Empfehlung versehen. Aufnahmen
von Jean erschienen darüber hinaus auch beim Guild Label.
Im Mai 2011 erhielt Jean eine Einladung nach Dublin, um
anlässlich des historischen Besuchs von Königin Elizabeth zu
spielen. Ihre Harfenmusik bildet einen Bestandteil einer Reihe von Filmmusiken. Sie hat mit Katie Melua ebenso Aufnahmen erstellt wie mit den Chieftains und für BBC Radio
und Fernsehen. Im Duett mit Sir James Galway trat sie 2005
auf RTE Television (Irland) zur Schlussfeier der Kulturhauptstadt Cork auf. Als Bühnenmusikerin für die Boomerang Theatre Company aus Cork spielte Jean in Wien und St. Petersburg und war 2006 Teil einer Produktion der Rough Magic
Theatre Company am Soho Theatre in London.
Gemeinsam mit Nobelpreisträger Seamus Heaney trat sie bei
der Eröffnungsfeier des Welt-Harfen-Kongresses in Dublin
auf und begleitete die irische Präsidentin Mary McAleese
auf einem Staatsbesuch nach Österreich. Jean hat mit dem
bekannten israelischen Sänger sephardischer Lieder Yasmin
Levy Harfe gespielt. Besondere Freude bereitet ihr traditionelle irische Folkmusik, zugleich spielt sie auch mittelalterliche Harfe und Fidel in der Londoner Gruppe Joglaresa, die
sich auf Alte Musik spezialisiert.
Jean bildet ein Duo mit ihrer Schwester Fiona Kelly, preisgekrönte Flötistin, Stipendiatin an der Juilliard School of Music
und gegenwärtig in New York wohnhaft. Sie konzertierten
innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs, zuletzt
mit dem Irish Chamber Orchestra und einer Darbietung von
Mozarts Konzert für Flöte und Harfe als Höhepunkt. Für
P&O Kreuzfahrten wirkten sie bei den Classic Music Festivals
at Sea mit Richard Baker als Gastgeber mit, daneben brachten
sie auch mit weiteren irischen Musikern der Londoner Szene
eine CD unter dem Titel »Toss the Feathers« heraus.
- 206 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 207 -
Jean Kelly, Harfe, stammt aus einer
»Ein Vergnügen für Ohr wie Auge, war die reizende Jean Kelly
der Star in Händels köstlichem Harfenkonzert mit dem Locrian
Ensemble, eine bezaubernde Kombination.« Bournemouth Echo
Neben seiner Tätigkeit als Tänzer und Choreograph ist Ripton
auch DJ, Moderator und Poet und hat mit Afrika Bambaataa
von der Zulu Nation, mit Daddy G (Massive Attack), Aquasky,
Freq Nasty, Mr Benn und anderen zusammengearbeitet.
Ripton Lindsay, Tanz.
»Musik verleiht uns ein Gespür für Identität, Bestimmung und Zeit.
Es ist wichtig, ehrlich gegenüber sich selbst
und in seinem Tun zu bleiben.«
Unter Bewahrung der überlieferten Werte von Jamaika und
insbesondere der Maroons, der Nachkommen geflohener
schwarzafrikanischer Sklaven in der Karibik und auf dem
amerikanischen Kontinent, hat Ripton Lindsay seine eigene
ausgeprägte Handschrift entwickelt, die traditionellen Tanz
mit Hip-Hop, Reggae und Jazz vereint.
Ripton gewinnt mit seinen Auftritten und Choreographien
die Herzen des Publikums auf der ganzen Welt, bei Karnevalsparaden ebenso wie bei Festivals, als Darsteller gleichermaßen wie als Workshopleiter.
Ripton war Gründer und von 1992 bis 2000 Künstlerischer
Leiter der Nkiru Performing Troupe, die sich auf traditionellen
jamaikanischen Tanz und Gegenwartstanz spezialisierte.
Im Verlauf seiner Karriere hat Ripton unter anderem mit der
deutschen Filmproduktionsfirma Polyphon, mit MTV, der
Dave Matthews Band und dem Jazzmusiker Alex Wilson zusammengearbeitet. Er absolvierte Auftritte bei zahlreichen
Festivals, darunter das WOMAD (World of Music, Arts and
Dance) im Vereinigten Königreich und in Abu Dhabi, in
Glastonbury, beim Big Chill und dem Shambala Festival.
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Trigonale 2012 – Programm - 209 -
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Trigonale 2012 – Programm - 211 -
Samstag, 15.09. | 19 Uhr
Rathaus St. Veit
Der Kopf des
Georg Friedrich Händel
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Aus einer Erzählung von Gert Jonke
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Ensemble Prisma Wien
Gelesen von Markus Hering
Singers in Residence
Hanna Herfurtner: Sopran
Ida Aldrian: Mezzosopran
Jan Petryka: Tenor
Ulfried Staber: Bass
»Der Kopf des Georg Friedrich Händel« ist ein Projekt der
trigonale 2012, an dem viele Köpfe beteiligt sind. Sie alle hier
aufzuzählen, ist weit weniger wichtig (die Namen stehen ja
ohnehin alle im Programmheft), als darüber zu erzählen, wie
all diese Köpfe in den Prozess eines »Work in progress» eingebunden sind.
»Der Kopf des Georg Friedrich Händel« ist ein kurzweiliger,
launischer und musikalischer Text über verschiedene Lebenssituationen des barocken Genius, wie sie sich zugetragen haben mögen – oder auch nicht! Der Kopf des Markus Hering
wird beim Vortragen des Textes das eine Mal dramatisch
lesen, ein anderes Mal poetisch, hier seine Stimme forte erheben, dort piano, diese Passage allegro, jene adagio anlegen,
worauf der Kopf des Thomas Fheodoroff mit seinem Ensemble
und den vier Sängern in Residence musikalisch reagieren, interagieren, kontrastieren, reflektieren etc. wird.
Was wird gespielt? Soviel steht fest: Musik vom Kopf des
Georg Friedrich Händel – Lassen Sie sich überraschen!
Thomas Fheodoroff: Leitung
Ingrid Ahrer: Gestaltung/Dramaturgie
- 212 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 213 -
Ich möchte mit der Sprache nicht nur erzählen,
sondern auch Musik machen.
Das ist mein Wunsch.
So im guten alten homerschen Sinn.
Er brach diesen Weg aber ab und schrieb in seinen damaligen
Erzählungen über die Pumphosenwissenschaft, die Zwanzighosenuniversitätsmusikwissenschaft und lebte fortan als Anrainer des Geisteswissenschaftenlandstrichs.
Sprache und Musik bei Gert Jonke
Längst hatte er zu schreiben begonnen. Schon im Gymnasium war diese zweite Leidenschaft in ihm erwacht, als der
Deutschlehrer jenes Gedicht von Trakl auf die Schultafel
geschrieben hatte: Der grüne Sommer ist so leise geworden.
Ab diesem Augenblick begann er zu dichten. Zuerst nur im
Kopf, seine »Kopfgeburten«, dann fing er zu schreiben an
– im Stile Trakls natürlich. (In der damaligen Kärntner Literatur-Zeitschrift Der Bogen wurden seine Jugendversuche
abgedruckt, und er wurde ganz rasch als große Nachwuchsbegabung präsentiert – auch im Rathaus von St. Veit, bei den
St. Veiter Literaturtagen 1964.)
Im 8. Feber 1946 als uneheliches Kind einer sehr begabten
Pianistin geboren, die ihre aufsteigende Karriere nach der
Geburt des Sohnes Gert Friedrich abbrechen mußte. Der
Vater, ein Musikinstrumentenbauer und ZiehharmonikaFabrikant, kümmerte sich nie um das Kind und blieb für den
Buben eine Sehnsuchtsfigur.
Musik war von Anfang an bestimmend für Jonkes Leben.
Die Mutter Hedy gab tagsüber Klavierunterreicht fürs Auskommen, am Abend spielte sie für den Buben Ravel, Chopin,
Debussy – ein Ritual, es waren die prägenden Momente für
sein Leben.
Künstler wollte er werden, am besten Musiker. Es kam dann
doch anders. Am städtischen Konservatorium in Klagenfurt
studierte er zunächst Klavier. (Er war mit sich nicht zufrieden und führte es auf seine zu kurzen Finger zurück; später
erzählte er allerdings, daß er nicht fleißig genug war, und er
bedauerte dies auch im Nachhinein.)
Dann, nachdem er dem Mief der lust-, kunst- und phantasiefeindlichen Nachkriegs-Atmosphäre der Provinz entfliehen konnte, studierte er in Wien an der Filmakademie, danach u. a. Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft.
Der erste große Erfolg des jungen Jonke war der Geometrische Heimatroman, den er nach einer Persien- und Afghanistanreise schrieb. Ein im gesamten deutschen Sprachraum
hochgelobter ungewöhnlicher »Anti-Heimatroman« war ein
Sprach-Experiment, in dem er mit seiner methodischen
Forschungsarbeit begann. Form und Inhalt ergänzten sich,
waren auf der Höhe des zeitgenössischen Empfindens. Der
junge Schriftsteller schrieb an gegen die Einverleibung von
Mensch und Natur durch die Gesellschaft, gegen die vollkommen künstlich werdende Welt der totalen Machbarkeit,
die durchrationalisierte Welt, die dann in Totalitarismus umschlägt. Auch in seinen beiden nächsten Romanen blieb er bei
seiner konsequenten Radikalität: Glashausbesichtigung, 1970,
- 214 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 215 -
und Die Vermehrung der Leuchttürme, 1971 in Berlin geschrieben und ebenfalls im deutschen Suhrkamp Verlag erschienen.
M. Kersting schrieb damals in der Zeit: Es handelt sich um eine
Dichtung, die ihren eigenen Apparat, die Sprache untersucht, also
einen erkenntniskritischen Vorgang in das eigene Medium verlegt.
Die ersten Bücher sind strenge Kompositionen. Musikalische Formen werden hier eingesetzt: musikalisch-architektonische, rondo-, refrain- und variationsartige Strukturen,
Wiederholungen, Übertreibungen, Umkehrungen usw. Ganze Passagen sind in rhythmischer Prosa abgefaßt. Mit der
Wort-Klang-Poetik in seinen Sprachkunstwerken erzielte
Jonke höchste musikalische Wirkung.
In dem Essay Die Überschallgeschwindigkeit der Musik protestiert Jonke heftig gegen Nietzsches Auffassung, die Sprache
könne als Organ und Symbol der Erscheinungen nie und nirgends das tiefste Innere der Musik nach außen kehren, sondern bleibe immer, sobald sie sich auf Nachahmung der Musik einläßt, nur in einer äußeren Berührung mit der Musik.
In Jonkes späteren Werken, der großen Roman-Trilogie, seinem dramatischen Werk, seinen Erzählungen und Novellen,
seinen Musik-Essays wird dann die Musik selbst oder der
Musiker zum Thema.
Nach der Musikgeschichte (Literarisches Colloquium Berlin)
und Beginn einer Verzweiflung. Epiloge (Residenz Verlag), Im
Inland und im Ausland auch usw., erscheint 1977 der Roman
Schule der Geläufigkeit (Suhrkamp).
- 216 - Trigonale 2012 – Programm
Mit diesem Buch verändert Jonke sein Schreiben. Weg vom
radikal Experimentellen interessiert ihn nicht mehr die formale, distanzierte Herangehensweise, sondern er stellt das
Subjekt, das ICH in den Mittelpunkt: Künstlerpersönlichkeiten mit ihrer Hoffnung, mit Hilfe der Kunst der Welt
zu entkommen. Die Sehnsucht nach dem Ideal ist nun ein
starkes Motiv - nach einer Utopie: der idealen Kunst, Form,
Sprache, Musik und - nach der idealen Frau.
( Jonke ist auch hier sehr konsequent in seinen grandiosen
literarisch-philosophischen Entwürfen. Seine Protagonisten
treibt eine Unbedingtheit in Perfektionsexzesse, die gefährliche Grenzgänge zwischen Genie und Wahnsinn herausfordern. Die absolute Konsequenz ist die Sehnsucht nach
Selbstauflösung in der Kunst, im Tod, oder das Verschwinden
/ die Auflösung findet gleichzeitig mit dem apokalyptischen
Weltzusammenbruch statt.)
In dem ersten Teil des Buches, Gegenwart der Erinnerung,
wird ein Fest einer städtischen bürgerlichen Gesellschaft, zu
dem auch der Komponist Burgmüller, die Hauptfigur der Erzählung, vom Photographen Diabelli und seiner Schwester
Johanna eingeladen wird, wiederholt – und zwar so genau,
daß es keinerlei Abweichung zum Fest des Vorjahres gibt,
daß Zeit und Geschichte aufgehoben scheinen - die vollständige Gegenwart der Erinnerung.
Ein kaum ertragbarer Zustand, der nur durch ein wunderbares Ereignis, die Erfüllung der Sehnsucht, das Erleben
des Unsagbaren, des Unbeschreiblichen – der idealen Musik aufTrigonale 2012 – Programm - 217 -
gehoben wird. Bei Jonke ist es die reine und vollkommene
Naturmusik.
Dem Pianisten Schleifer gelingt es, die wunderbarste Musik
hörbar werden zu lassen, ohne daß er je ein Instrument »wirklich« in Einsatz gebracht hat, durch die virtuoseste der mir je
untergekommenen Lautlosigkeiten, die er seinem Instrument entlockte. Alle Empfindungs-Grenzen werden dabei überschritten, »vernichtend schöne« Todesnähe stellt sich ein – um den
Preis des Vergessens, die Erinnerungslosigkeit. Die Musik ist
wohl zu hören, aber niemals ist es möglich, sie zu wiederholen, sie zu notieren. Einzig mit Hilfe der Sprache kann eine
solche Musik beschrieben und damit transformiert werden.
(…) Als die Nachtluft plötzlich ganz leise schwingend zu klingen begann, ein leicht vibrierendes Summen war von überall auf
mich eingedrungen, oder war es ein daherschwebendes Singen von
Tönen in einer kaum für möglich gehaltenen Höhe, das der gerade
eben aufgekommene leichte Wind zerstreute. Ich hatte die Empfindung von überlagerten wandernden Tonwolken und sich ballenden Klangnebeln, welche sich ineinander verschoben, herbeiund hinwegwälzten, eine ganz leise, kaum hörbare, vernichtend
schöne Musik, wie sie mir bislang noch niemals untergekommen
war, ganz hoch, aber gleichzeitig ganz tief wohltuend abgedunkelt; leicht verschwommene, hauchdünne Luftakkordflächen, zusammengeknüpft aus den von der Landschaft aufgestiegenen Tönen, sämtlicher in der Gegend denkbarer Tonstufen (…)
fließend, ein mich durchflutender Musikwind, der in mir unbekannte Empfindungen und Gefühle auslöste, denen ich ganz
kurz glaubte, nicht gewachsen zu sein, und die ich nicht benennen konnte (…), ich wurde von einer Art traumhaft glücklichen
Trauer erfaßt (…), und dann befiel mich unsagbar glückliche
Freude. (Aus: Schule der Geläufigkeit)
Auch im zweiten Buch der Trilogie, Der ferne Klang, das 1979
im Residenz Verlag erscheint, ist, neben der Suche nach der
wunderbaren einzigen Frau, Musik als Metapher ein großes
Thema. Der Komponist Burgmüller und ICH-Erzähler begibt sich auf eine Reise, die immer wieder am Anfangspunkt
endet. Auch hier lösen sich Raum, Zeit und Wirklichkeit auf,
letztlich schwindet alles dahin. Der Komponist hat schon
längst aufgehört zu komponieren, er scheitert an seinen viel
zu hohen ästhetischen Ansprüchen, an der Unrealisierbarkeit
dessen, was in seiner Phantasie anklingt. Er verlegt sich auf
die Erforschung der Möglichkeit und der Unmöglichkeit
der Musik. (Hier schließt Jonke die existentielle Krise mit
der modernen Musik zusammen – die Kommunikation wird
zum großen Problem.)
Ich fühlte die einzelnen Töne zart über meine Haut gleitend
durch meinen Kopf streifend meinen gesamten Körper hindurch-
Doch dann verwandelt sich die Landschaft in eine Musikhülle, in Tonhitzeklangwolken und Melodiegewebeschwaden,
und es kommt zu einem stetigen Tönen der Landschaft,
das schließlich die Zerstörung durch sich selbst ankündigt.
Das Tönen des fernen Klanges überschwemmt die Stadt, die
Landschaft, nimmt alles mit sich – ein überwältigend schöner
Untergang – Apokalypse und Neuanfang zugleich. Jonke bezieht sich auf die Oper von Franz Schreker: Die Ouvertüre der
- 218 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 219 -
überwältigenden Schönheit eines herbeigehofften Unterganges, die
herbeigesehnte erregend berührende Zerstörung der Natur durch
sich selbst, die nun so lange sich weiter zerstört, bis die Leute aus
ihr herausverschwunden sind und sie, befreit von den Menschen,
wieder neu beginnen kann (…)
Der Roman hat drei grandiose Finale. Der Dichter stellt alles
wieder in Frage, schafft Irritation: Daß sich diese ganze Welt
endgültig als eine völlig lächerlich irrtümliche geradezu göttlich
überirdische Witzkosmik, als kosmischer Witz in Form einer
geradezu transzendentalen Impertinenz herausstellen könnte.
Doch das Besinnen auf das Brauchbarste, was wir haben, auf
unsere Gefühle und Empfindungen, kann auch als Aufforderung genommen werden:
»Ich«, was heißt denn schon »ich«? Können Sie mir das sagen?
Nein? Na sehen Sie. Richtig »ich« könnte man vielleicht höchstens
dann zu sich sagen, wenn die Empfindungen und Gefühle, das
ohnedies Brauchbarste, worüber man verfügen kann, wirklich in
vollem Ausmaß empfinden und fühlen könnten, was alles empfindbar und fühlbar wäre, wären sie nicht abhängig und gefesselt
von einem anatomisch-spießbürgerlichen Körpersystem, das auf
Grund seines dilettantischen Aufbaus ihre vollwertige Entfaltung verhindern muß. Und an ein solches »Ich« käme man, wenn
überhaupt, ganz langsam tastend heran, und selbstverständlich
ausschließlich per Sie.
liches und ausgefallenes Buch, daß man von der üblichen Aufgabe
einer Rezension, darzustellen, wovon es handele und wie es davon
handle, fast verzagen müßte, wäre nicht da der Wunsch, möglichst
viele Leser möchten sich einlassen auf diese phantastische Fahrt,
wo einem Hören und Sehen derart vergeht, daß man Hören und
Sehen von neuem lernt.
Nach den drei Romanen, in denen die erfundenen Künstler, Musikkünstler, Komponisten, deren Leben mit seinem
Leben, seinen Erfindungen assoziativ verwoben ist, schreibt
Jonke jetzt über drei reale Komponisten, an denen er nicht
nur historisch biographisch interessiert ist: Händel, Beethoven und Webern sind die Helden (s)einer absoluten Kunst.
1985/86 wird der Spielfilm Geblendeter Augenblick – Anton
Weberns Tod (Hessischer Rundfunk) mit Peter Fitz als Anton
von Webern gedreht. Jonke schreibt das Drehbuch und ist
auch wesentlich an der Umsetzung beteiligt. Im Film wird
Weberns Biographie mit den Lebenslinien jenes amerikanischen Besatzungssoldaten, der aus einem tragischen Versehen heraus im September 1945 den großen Komponisten
in Mittersill erschoß, verknüpft und in einer »Engführung«
aufeinander bezogen.
Ulrich Greiner schrieb bei Erscheinen des Buches am 9. 10.
1979 in der FAZ:
Gert Jonkes Roman »Der ferne Klang« ist ein so außergewöhn-
Hier geht es wieder um Jonkes Zentralthema, die Suche nach
der idealen Musik. Schweigen und Stille an der Grenze zum
Verstummen sind Voraussetzungen für das Entstehen der
wahren Musik. In der Musik Weberns scheint Hörbares nur
aus der Stille hervorzubrechen, um »die Zeit aufzuheben« –
ein Ideal.
- 220 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 221 -
Der Dirigent Anton von Webern verlangt in einer Probe
eines Violinkonzerts von Alban Berg von seinen Musikern,
daß sie die Stille beherrschen, ein »schweigendes Orchester«
sind. Erst die nicht gespielte Musik ist die wirkliche Musik. Die »makellose Stille, wie er sie haben wollte« wird nur
ein einziges Mal erreicht. Webern versucht die Aufführung
zu verhindern, um die Idee dieser Musik rein zu bewahren.
Jonke schreibt in seinem Essay Die Überschallgeschwindigkeit
der Musik über die Verunreinigung der Musik durch Umsetzung in materielle Gestalt: Und außerdem ist ja auch jede Art
von Musikwiedergabe nichts anderes als eine Art von Musikbeschreibung in einer jeweils verschiedenen Form der Wiedergabe
des Notentextes, den der Komponist niedergeschrieben hat – und
nicht die Musik selbst.
Die Novelle Geblendeter Augenblick – Anton Weberns Tod wurde 2006 im Buch Strandkonzert mit Brandung, (Verlag Jung
und Jung, Salzburg/Wien) herausgegeben - gemeinsam mit
Der Kopf des Georg Friedrich Händel und Seltsame Sache – Ein
Melodram für Lorenzo da Ponte.
Der Kopf des Georg Friedrich Händel ist zunächst eine Musikbiographie des 18. Jahrhunderts. Natürlich bleibt es bei
Jonke nicht bei einer Erzählung im hergebrachten Sinn. Es
beginnt 1748 mit der Feuerwerksmusik und geht dann auf
den Tod Händels im Jahr 1759 über. Am 13. April ( Jonke
nennt keine Jahreszahl) verlassen ihn die Kräfte. Es ist ihm,
als würde er über seinem eigenen Körper … schweben, und er
ist als ein durchsichtiges Spiegeln von bisher noch niemals gehörten Klängen empfindbar geworden... Einen Tag danach ist
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Händel gestorben, wie in den Biographien nachzulesen ist.
Bei Jonke kommt dann die Rückblende: Am 13. April, genau
zweiundzwanzig Jahre zuvor, aber war ihm schon Ähnliches widerfahren, allerdings ohne derart hingegeben entschlossene Endgültigkeit. Händel hatte schon damals einen »Schlagfluß«, der
ihn halbseitig gelähmt machte, und nur in langen, energisch
und berserkerhaften betriebenen Anstrengungen hatte er es
damals geschafft, wieder arbeitsfähig zu werden.
In Händels Rückschau auf sein Leben erfährt man die für
ihn guten und schlechten Begegnungen, u. a. mit John Gay,
dessen erfolgreiche Beggar's Opera den italienischen Opern
Händels mit ihren Luftgöttern eine große Konkurrenz gewesen war und ihn in eine schwere Krise brachte. Händels
Kunstentwurf ist Jonke viel näher. Händel wird von Jonke gezeigt, wie er in seinem Schaffensrausch, der den Messias hervorbringt, an die Grenzen des Vorstellbaren gelangt. - Wie
er nach einem peinigenden Gefühl des Unvermögens seine
Aufhebung und zugleich die höchstmögliche Steigerung in
der Kunst erlebt. - Die ideale Musik: die schwebende Ambivalenz von Leben und Tod. Jonke schreibt in seinem Essay
Die Überschallgeschwindigkeit der Musik davon, wie Kunst es
zustandebringt, mit Worten »Unsagbares« auszudrücken, mit
Tönen und Klängen »Unhörbares« erahnbar bzw. empfindbar
zum Fühlen zu bringen.
Ein unfaßbar selbstverständliches Glücksempfindungsblitzen
durchdrang Händel immer wieder, und eine Freude durchflutete
den Komponisten wie heftiger Aschenregen, der sich aus ihm erhob
und auch die letzten Spuren in ihm ausgebrannter Ruinenschatten
Trigonale 2012 – Programm - 223 -
fortströmte ins unerreichbar tiefe Vergessen der gewissenhaft
abgeklärten Lagunen seiner Erinnerung, als wären mit seinem
Wiedererwachen gemeinsam auch bisher fremd gewesene Bereiche
eines ganz neuen Fühlens und Wissens hochgetaucht, die er spüren, aber nicht benennen konnte, doch, benennen, klingend übertragen, und war er allen verstecktesten Rätseln hautnah auf der
Spur mit den Tönen seiner gerade neu komponierten Musik, hörbar, deren Auflösung aufklingen zu lassen, bisher Unbegreifliches,
Unaussprechliches und Undenkbares zu deutlich begreifbar genau
vernehmlichen Gestalten geformt.
Händel ist ein Ideal, ihm wird die Erfüllung zuteil. Jonke
geht in seiner Dichtung wieder an den Anfang zurück – Zeit
ist aufgehoben, es existiert die reine Gegenwart in der Vergangenheit und Zukunft. Im Tode schließt sich der Kreis.
Händel ist der einzige Künstler, dem Jonke diese Vollendung,
die ästhetische Utopie, die endgültige Erfüllung erlaubt.
Und am 13. April spürte Händel, wie der Horizont von weit
hinter der Stadt durch die Gassen wanderte und an seinem Bett
sich niederließ (…), während er schon über seinem eigenen Körper
zu schweben glaubte (…), während der Horizont mit Händel
schon hinter den Stadtrand an den Saum des beginnenden Ozeans
wieder zurückgelehnt war, ganz weit hinter dem stehengebliebenen, in diesem Landstrich hinter der Stadt einfach steckengebliebenen Fluß.
Ingrid Ahrer
- 224 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 225 -
E n s e mb le Prism a Wie n
Prisma steht für Spielfreude, Wahrhaftigkeit und Vision in
der Musik! In einem physikalischen Prisma wird einfallendes
Licht in seine Strahlen aufgespalten, um dem Betrachter in
seiner schönsten und reinsten Form – als Regenbogen – neu
zu erscheinen.
Übertragen auf das akustische Erleben nehmen wir Klang in
unser Prisma auf, um ihn dem Zuhörer in seiner Reinheit
und Wahrheit zu präsentieren.
Prisma spielt herausragende Musik aller Stilepochen in variablen Besetzungen und natürlich auch am jeweils historischen
Instrumentarium. Die Zusammenarbeit mit erstklassigen
Sängern und Instrumentalisten wird gesucht, Auftragswerke
an zeitgenössische Komponisten werden vergeben.
Der Reiz des erhöhten künstlerischen Anspruchs an jedes
einzelne Ensemblemitglied ist durch die Idee einer vergrößerten Kammermusik gegeben. Die Grenzen des Möglichen
sind dabei stets Herausforderung zur Erweiterung der Besetzungsgröße – eine »gewachsene« Gruppierung also, die den
hundertprozentigen Einsatz aller Beteiligten erfordert.
Die mitwirkenden Musiker sind dem Gründer und Leiter
des Ensembles Thomas Fheodoroff als Kammermusik- oder
Orchesterpartner, bzw. als Lehrer oder Schüler langjährig
bekannt. Durch diese Wurzeln ist eine gemeinsame musikalische und stilistische Annäherung an die jeweilige Musik –
gleich einem gemeinsamen »Dialekt« – gewährleistet.
- 226 - Trigonale 2012 – Programm
Prisma wurde 2004 gegründet und war u.a. bei der Styriarte,
beim Klangfrühling und im Wiener Konzerthaus zu Gast.
Gert Jonke, geboren am 8.1.1946 in
Klagenfurt, gestorben am 4.1.2009 in
Wien. Er studierte an der Universität in
Wien Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaften und besuchte die Wiener Hochschule für Musik und Darstellende
Kunst / Abteilung Film und Fernsehen. 1971 ging er mit
einem Stipendium nach West-Berlin, wo er fünf Jahre blieb.
Es folgten ein einjähriger Aufenthalt in London und ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten und nach Südamerika.
Ab 1978 lebte Gert Jonke mit Unterbrechungen in Wien.
Unter den zahlreichen Auszeichnungen: 1977 Ingeborg Bachmann-Preis; 1997 Erich Fried-Preis; 2001 Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur; 2005 Kleistpreis; 2006
Arthur Schnitzler-Preis; »Nestroy« Theater-Preis für das beste Stück des Jahres 2003, Chorphantasie, 2006 für Die versunkene Kathedrale, und 2008 für Der freie Fall.
Bücher (Auswahl):
Geometrischer Heimatroman. Suhrkamp, Frankfurt am Main
1969, Jung und Jung, Salzburg 2004
Glashausbesichtigung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970
Beginn einer Verzweiflung. Residenz, Salzburg 1970
Musikgeschichte. Literarisches Colloquium, Berlin 1970
Die Vermehrung der Leuchttürme. Suhrkamp, Frankfurt am
Main 1971
Trigonale 2012 – Programm - 227 -
Im Inland und im Ausland auch. Suhrkamp, Frankfurt am
Main 1974
Schule der Geläufigkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977
und 2006
Der ferne Klang. Residenz, Salzburg 1979; Jung und Jung,
Salzburg 2002
Erwachen zum großen Schlafkrieg. Residenz, Salzburg 1982,
Jung und Jung, Salzburg 2011
Stoffgewitter. Residenz, Salzburg 1996
Himmelsstraße – Erdbrustplatz oder Das System von Wien.
Residenz, Salzburg 1999, Jung und Jung, Salzburg 2001
Chorphantasie. Literaturverlag Droschl, Graz 2003
Redner rund um die Uhr. Jung und Jung, Salzburg 2003
Strandkonzert mit Brandung: Georg Friedrich Händel – Anton
Webern – Lorenzo da Ponte. Jung und Jung, Salzburg 2006
Die versunkene Kathedrale. Verlag der Autoren, Frankfurt am
Main 2006
Alle Stücke. Jung und Jung, Salzburg 2008
Alle Gedichte. Jung und Jung, Salzburg 2010
Theaterstücke (Auswahl):
Die Hinterhältigkeit der Windmaschinen. UA Steirischer
Herbst 1981
Damals vor Graz. UA Forum Stadtpark Graz 1989
Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist. Theatersonate, UA
Styriate Graz 1990. Weitere Aufführungen: u.a. Hamburger
Kammerspiele 1993/94 mit Ulrich Wildgruber, TV-Aufzeichnung (ORF, NDR, arte)
Opus 111. UA Volkstheater Wien 1993
- 228 - Trigonale 2012 – Programm
Gegenwart der Erinnerung. UA Volkstheater Wien 1995
Es singen die Steine. UA Stadttheater Klagenfurt 1998
Insektarium. UA Volkstheater Wien 1999, Thalia-Theater
Hamburg 2012 u. a.
Die Vögel. UA Volkstheater Wien 2002
Chorphantasie. UA Kulturhauptstadt Europas/Theater Graz/
Burgtheater Wien 2003
Redner rund um die Uhr. UA Semper-Depot Wien 2004
Seltsame Sache. UA Ruhrtriennale 2005
Die versunkene Kathedrale. UA Burgtheater Wien 2005
Der freie Fall. UA Burgtheater Wien 2008
Film und Fernsehen (Auswahl):
Händels Auferstehung. Hessischer Rundfunk 1980, Regie:
Klaus Lindemann
Geblendeter Augenblick – Anton Weberns Tod. Hessischer
Rundfunk 1986
Redner rund um die Uhr – eine Sprechsonate. Aufzeichnung
einer Theateraufführung des theater 04 aus dem SemperDepot Wien, Fernsehadaption und Bildregie: Martin
Polasek, ORF/3sat 2004
Reise zum unerforschten Grund des Horizonts. Ein Portrait
des Dichters Gert Jonke. Buch und Regie: Ingrid Ahrer und
Martin Polasek, ORF/3sat, kurtmayerfilm 2008 (Österr.
Fernsehpreis für Bildungsprogramme 2008)
Trigonale 2012 – Programm - 229 -
Thomas Fheodoroff wurde in Kla-
genfurt geboren und erhielt am dortigen
Konservatorium seinen ersten Geigenunterricht. Nach der Matura studierte
er Violine an der Wiener Musikuniversität bei Günter Pichler und Ernst Kovacic.
1996 schloss er sein Studium mit Auszeichnung ab. Weitere
Anregungen holte er sich von Künstlern wie Igor Ozim, Erich
Höbarth, Thomas Zehetmair und György Kurtág.
Einladungen im In- und Ausland als Solist und Ensembleleiter sowie Auftritte als Kammermusiker führen ihn in nahezu alle Länder Europas, in den Nahen Osten, nach Japan,
in die USA, außerdem zu Festivals wie z.B. zur Styriarte, zum
Carinthischen Sommer, zum Rheingau-Musikfestival und zu
den Händelfestspielen Halle. Fheodoroff gab Solokonzerte und
Kammermusikabende u.a. im Wiener Musikverein und Konzerthaus. Dabei arbeitete er mit Musikern wie E. Kovacic, R.
Leopold, Ch. Hinterhuber, dem Quatuor Mosaique, F. Boesch, M.
Bilson, B. Fink, den Brüdern Kutrowatz uvm. zusammen.
Seit 1990 ist Thomas Fheodoroff Mitglied des Concentus
Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt, außerdem ist er
Professor für Violine an der Wiener Musikuniversität.
Ingrid Ahrer arbeitete als Schauspielerin
in Italien, Deutschland, Österreich und in
den USA. Sie war zuletzt als Dramaturgin
und Regisseurin und als Künstlerische Leiterin tätig. Mit Gert Jonke verwirklichte sie
Kunstprojekte und Inszenierungen. Bei dem
- 230 - Trigonale 2012 – Programm
Film »Reise zum unerforschten Grund des Horizonts«
(2008), einem Portrait des Dichters Gert Jonke, führte Ingrid
Ahrer gemeinsam mit Martin Polasek Regie.
Markus Hering
Geboren am 26.04.1960 in Siegen/Westfalen. Nach dem Abitur 1979 Ausbildung
zum Tischler.
1983 – 87 Ausbildung an der Hochschule
für Darstellende Kunst Hannover.
1987 – 89 erstes Engagement am Staatstheater Kassel.
1989 – 91 Städtische Bühnen Frankfurt am Main, dort erste
Arbeit mit Hans Gratzer in »Nathan der Weise«.
1991 – 93 Schauspielhaus Wien, »Roberto Zucco«, »Prelude to
a Kiss«, »Heimatstöhnen«, »Nietzsche«.
Arbeiten mit Hans Gratzer und Andreas Vitasek.
1993 – 2011 Engagement am Burgtheater. Arbeiten u.a. mit
Claus Peymann, Leander Haussmann, Karlheinz Hackl, Gabor
Zambeki, Tamas Ascher, Theu Boermans, Stefan Kimmig, Roland
Schimmelpfennig, Stefan Bachmann und mehrere Male mit
Christiane Pohle, die die Stücke von Gert Jonke inszenierte.
2003 »Nestroy« als bester Darsteller in Gert Jonkes »Chorphantasie«.
Trigonale 2012 – Programm - 231 -
2008 »Nestroy« als bester Darsteller für »Verbrennungen«,
»Pool«, »Freier Fall«, letzteres wieder ein Stück von Gert Jonke.
Seit 1993 auch Arbeiten für Kino und TV. Regisseure waren u.a. Dieter Wedel, Michael Kreihsl, Diethard Klante, Rolf
Schübel, Thomas Roth, Costa-Gavras.
2008 »Whisky mit Wodka«, Kinofilm, Regie Andreas Dresen.
2010 »Das Leben ist zu lang«, Kinofilm, Regie Dani Levy.
Im Lauf der Jahre hat sich Markus Hering immer wieder der
Literatur gewidmet und mit einer Vielzahl von Lesungen
den deutschsprachigen Raum bereist. Mit seiner erfolgreichen Lesung aus dem finnischen Epos Kalevala war er
auch in Helsinki zu Gast. Markus Hering hat einige Hörbücher aufgenommen. Neben dem erwähnten Kalevala war
es zuletzt Arno Geigers »Alles über Sally«.
Markus Hering lebt mit seiner Familie in Wien.
Die weiteren Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
Hanna Herfurtner, Seite 20
Ida Aldrian, Seite 115
Jan Petryka, Seite 116
Ulfried Staber, Seite 118
Foto rechts: Umschlagseite zu »Strandkonzert mit Brandung. Georg
Friedrich Händel – Anton Webern – Lorenzo da Ponte«. (Verlag
Jung und Jung, Salzburg 2006).
- 232 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 233 -
Gert Jonke
DE R KO PF DE S G EO RG FR IE DR ICH HÄ NDE L
In manchen Gegenden der Welt gibt es den Brauch, in der
ersten Frühlingsnacht auf den höchsten Bergen und Hügeln
des Landes auf riesigen Scheiterhaufen den Winter zu verbrennen. Die letzten Schneeflocken, so glaubt man, wirbeln
dann spätestens mit dem Aschenregen der dabei oft entflammt zerstäubenden Wälder davon.
Im Jahre 1748 wurde der Frieden von Aachen gefeiert, indem man den Krieg verbrannte. Die besseren Zeiten sollten
mit einem prächtigen Feuerwerk begonnen werden. Man
stellte den Pyrotechnikern ein möglichst massives Gebäude
auf, damit sie ihre brennenden Gemälde umso waghalsiger
in den Nachthimmel werfen konnten. Und Händel gab man
das größte Orchester, das es bis damals je gegeben haben soll,
damit das Feuer seiner Musik das bunt flammende Firmamentbild würdig begleite.
12.000 Menschen waren meist zu Fuß zur Veranstaltung gekommen. Leider muß das Gebäude, das man konstruiert hatte, doch nicht massiv genug gewesen sein, denn als auf dem
Höhepunkt der Feier alles explodierte, niederbrannte und katastrophale Panik ausbrach, mag vielleicht Händel einer der
wenigen gewesen sein, denen aufgefallen war, daß die letzten Toten dieses verbrannten Krieges auch die ersten Toten
dieses neuen, schon angebrannten Friedens gewesen waren.
- 234 - Trigonale 2012 – Programm
Am nächsten Tag wiederholte er die Musik ohne Feuerbegleitung zu Gunsten eines Findlingshospitals.
Am 13. April spürte Händel, wie sich der ganze Barockhorizont von weit hinter London durch die Gassen der Stadt
hauseinwärts über sein Bett beugte und die Straße von draußen durchs Fenster ins Zimmer stürzte, als er schon über seinem eigenen Körper zu schweben meinte und sich darüber
und darunter als ein durchsichtiges Spiegeln von zuvor niemals gehörten Klängen empfand, welche durch seine wie die
Ebenen des Kontinents ausgeweitete Kammer wehten, wohin sich der Horizont mit Händel aus dessen Zimmer heraus
schon wieder zurücklehnte ganz weit hinter den stehengebliebenen Fluß, aus dem jene Klänge luftaufwärts kletterten, als
deren durchsichtige Spiegelung sich Händel noch eine Zeitlang empfinden konnte, und im Vergleich dazu mußte ihm das
gerade noch im Ansatz hörbar gewordene Echo des beginnenden Osterglockenläutens vorgekommen sein wie das aufdringliche Fallen eines schäbig verrosteten Blechscherbens
auf den Boden des katzenkopfpflastergemusterten Himmels.
Am 13. April, genau zweiundzwanzig Jahre zuvor, aber war
ihm schon einmal Ähnliches widerfahren, allerdings ohne derart hingegeben entschlossene Endgültigkeit. Der Diener legte
die gesamte ihm verfügbare Aufmerksamkeit in die Sorgfalt
bei der Verrichtung seines Dienstes an jenem Nachmittag,
Trigonale 2012 – Programm - 235 -
denn der Meister war, verärgert wie Iange nicht mehr, hinter
dem donnernden Haustor treppenaufwärts geschäumt, weil
ihn die Nachlässigkeit eines oder mehrerer Mitglieder des
bei ihm angestellten schlampig singenden Vokalpersonals
im Theater an die Wände seines Jähzorns gedrängt hatte,
so daß er sein Ausbrechen in bedrohliche Handgreiflichkeit
nur mehr durch das Verschwinden seiner Person verhindern
konnte, deren Schritte auf und ab nach wie vor erregt am
Plafond zu hören waren.
Die Nachlässigkeiten im Laufe der Vorbereitungen zur Aufführung hatten ein erträgliches Maß überschritten; zwar
kosteten ihn die Darsteller ein Vermögen, waren aber dieses
Vermögen auch einzulösen weder fähig noch bemüht.
Er hielt sie nicht einmal mehr für gefühlvoll genug, die Stille
eines verlassenen Zimmers, die auf einem vergilbten leeren
Papier vergraben eingezeichnet gewesen wäre, vom Notenblatt schweigend herunterzusingen, und die Erregung, die
ihm aus dem Kopf gestiegen, hatte schon den Plafond zum
Dachboden durchbrochen, daß er nur mehr das Bedürfnis
verspürte, sämtliche Tausende der abgespielt verstimmten
ihm jemals zugemuteten unbrauchbaren Cembali seines Lebens gleichzeitig von der Kante des Kreidefelsens in Dover
in den Kanal hinunterdonnern und am Grunde des Meeres
stranden zu lassen.
nenne man also singen, und wie habe das denn geklungen,
und er verfüge über völlig anderweitige Vorstellungen von
der menschlichen Stimme. Aber natürlich habe das geklungen, wurde entgegnet, wie man gesungen und wie am Norenblatt vermerkt gewesen von ihm, und was, er habe gar nichts
gehört, antworteten die Sänger und wollten auch gleich zum
Beweis schon wieder zu singen beginnen, aber jetzt wollte
Händel nichts mehr hören, aufhören, schrie er und hielt sich
die Ohren zu, sofort aufhören mit Singen, er könne kein
Singen mehr hören, und ab jetzt werde einfach nichts mehr
gesungen.
Das Haus in der Brookstreet galt schon lange vielen Nachbarn als ein Narrenhaus. Oft rauschten nachts vom wogenden Cembalo die schlafraubendsten Chaconnen oder Sarabanden durchs offen vergessene Tor, oder flackerte aus dem
geöffneten Fenster das schreiende Brüllen beim Singen oder
brüllende Singen beim Schreien oder auch singende Schreien
beim Brüllen in erstarrter Heroik italienischer Opernkonvention oder aus der Kehle des verrückt gewordenen Deutschen,
einem unkorrekt musizierenden Gesangsorgan drohend um
den Kopf geschlagen.
Die erschrockenen Sänger natürlich versuchten, ihn zu beruhigen, man habe doch gesungen, so, wie er gewollt, was,
erwiderte er, gesungen, nein, er habe nichts gehört, so was
Der Diener hatte es beinah soweit gebracht, mit seinen immer bauchiger gewölbten Seifenblasen das spöttische Gezeter der Lachtauben aus den Dachrinnen zu verscheuchen, als
ihm eine seiner hochgestiegenen Kugeln derart übertrieben
krachend zu platzen schien, daß er, um sogleich bei der Behebung einer vermuteten häuslichen Katastrophe hilfreich zur
Stelle zu sein, treppenaufwärts rannte. Das Zimmer schien
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Trigonale 2012 – Programm - 237 -
leer, als wäre es eben verlassen worden; unbesetzt das speckige Glänzen vom Sitzleder des respektgebietenden Generalmusikdirektorensessels hinterm Schreibtisch; schon wollte
er wieder hinaus, da sah er den Meister reglos steif am Boden,
seine Augen weit geöffnet ausgehöhlt im starren Blick, als
strömten durch sie nicht nur die vergangenen Stunden jenes
Tages, sondern langsam auch alle vorhergegangenen Wochen
und Jahre aus seinem hilflos mächtigen Körper ins Zimmer
heraus, hinab durchs Treppenhaus fließend beim Tor auf die
Straße, stadtauswärts als ein immer schwächer hörbar sich
entfernendes Stöhnen und Röcheln. Auch der Kopist war ins
Zimmer hereingestürzt, erschrocken, und im gemeinsamen
Entsetzen der Angst um das Leben des Dienstherrn legten
sie den unregelmäßig zuckenden Körper aufs Bett.
Kopisten auf seinem kleinen einpferdigen Gefährt durch die
Straßen zurück zu Händel trieb; er eilte das Treppenhaus besorgt aufwärts schreitend ins Zimmer, fühlte den Puls, verschnürte den schlaff ihm wegsinkenden Arm und verkündete
laut und deutlich wie grundsätzlich zu Beginn eines jeden
Krankenhausbesuches »Aderlaß«, habe man nicht gehört,
»Aderlaß!«, eine Tätigkeit übrigens, die fast seine Lieblingsbeschäftigung und seiner Meinung gemäß eine stets angebrachte grundsätzliche Vorbeugemaßnahme darstellte.
Dann stürmte der Kopist, den Diener mit der Anweisung zurücklassend, Stirne und Augen des Zusammengebrochenen
mit kalt gefeuchteten Tüchern zu kühlen, aus dem Haus.
Wie durch eine wild ausgebrochene Jagd scheuchte der
Kutscher die Pferde zum Haus des Doktors, der sofort von
der Beobachtung der wunderbaren Spektralpracht seiner
gesammelten Harnproben abließ und gemeinsam mit dem
Die fragenden Blicke des Kopisten, was ihm denn fehle,
konnte er nur mit der Ratlosigkeit seiner Schultergesten erwidern, leider kein leichtes, sagte er dann, nicht einmal ein
schweres Fieber, und auch keine Angina, eher Angina pectoris, eine vorübergehende Ohnmacht wohl in jedem Falle,
entweder durch plötzliche Blutleere des Gehirns oder aber
andererseits die Möglichkeit geringerer Natur einer vorübergehenden Kongestion aufgrund plötzlicher Überfüllung
des Kopfes, eine nie fehlende Begleiterscheinung übrigens
der beginnenden Wechseljahre, die plötzlichen Bildungen
von großen Höhlungen in den Kurven der Gedankenfalten,
wie er leider sehe, da sich nichts bewege, das eine Auge zum
Beispiel vergesse plötzlich, ordnungsgemäß die vorschriftsgemäße Lidschlagtätigkeit richtig durchzuführen, was ihn
auf leider Apoplektisches schließen lasse, ein Schlagfluß,
- 238 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 239 -
Ein glücklicher Zufall trieb das Gefährt eines herzoglichen
Gönners herbei, der den Mann sofort erkannte und hielt.
Laut wurde in die Kutsche hineingerufen, man möge bitte
den Arzt zu holen behilflich zu werden die Güte aufbringen,
denn Händel sei gerade leider dabei, ansonsten zu sterben.
Der Diener war dem Verlangen nach einer Schüssel nachgekommen, schon drang die Nadel in die Vene, aus welcher
durch den angeschlossenen Schlauch lange fiebriges Blut ins
Gefäß dampfte, bis Händel endlich erleichtert aufseufzte.
aufgrund zu großer Aufregungen im Laufe zu fetter und allzu
ausführlicher Ernährungstätigkeit und wohl auch zu hohem
Alkoholgenuß übrigens möglicherweise.
Vier Monate lebte er nur in der linken Hälfte seines Körpers,
die ohne die andere, nicht erfühlbare hilflos im Bett baumelte
und schwer neben ihm lag. So war er sich selbst widerwillig
zu einem ihm anhängenden unerbittlichen Gefängniswärter
geworden, der ihn hinter Schloß und Riegel hielt, zu welchen
die Schlüssel verlorengegangen.
Kein Wort, kein Ton entkam seinen schief herabhängenden
Lippen, kein Zeichen befreite seine abgestorbene Hand aus
Papier. Nur manchmal, wenn Freunde kamen, ihm Musik zu
bereiten, war es, als begönnen die Töne und Klänge sich in
seinen Augen zu spiegeln, als würden die ihm vorgetragenen
Melodienketten von seinen Pupillen kopfeinwärts gezogen,
während seine bewegliche Körperhälfte vergeblich aus dem
Bett zu schwanken versuchte hausauswärts, als wollte er aus
der Dämmerung der Krankenstube den wie eine im Zimmer
erwachte Nachtfaltergesellschaft flatternd durchs Fenster in
den Tag wehenden Harmonien nachfolgen.
Vor allem, um ihm aus diesem wehrlosen Stillstand zu etwas
Abwechslung zu verhelfen, und wohl kaum in der Hoffnung
auf eine Besserung – auf Heilung wäre er gar nie gekommen
–, empfahl der Arzt, den Komponisten in die dampfenden
Kurbäder von Aachen bringen zu lassen, vielleicht erführen
dort die Leiden des Meisters ein wenig der dringend nötig
gewordenen Linderung.
- 240 - Trigonale 2012 – Programm
Mag diese den Reglosen fortbewegende Reise ihn auch zu
einer kurzen Reise durch die erblaßten Bilderstürme seiner
Erinnerung veranlaßt haben, an seine vor Jahrzehnten ständigen Reisen.
Zum Beispiel nach Lübeck. Er besuchte den berühmtesten
Orgelmeister des Landes, Dietrich Buxtehude, um sich um
das Amt des Organisten auf der damals größten Orgel der
Welt zu bewerben, das er auch liebend gern bekommen und
übernommen hätte, wäre nicht die Übernahme der Stelle
mit der unumgehbaren Verpflichtung verknüpft gewesen, die
Tochter des alten Vorgängers in den Ehestand zu übernehmen; als er aber diese zum ersten und letzten Male zu Gesicht bekommen, so daß der tragische Atem ihrer bedauernswert schuldlosen Häßlichkeit sein Gesicht streifte, hatte er
sofort seine dringend erforderlich gewordene Abreise erklärt.
Oder kurz danach die für ihn so entscheidende Reise nach
Italien, wo ihm bald die vornehmsten und großzügigsten
Mäzene die Türklinken der Eingangstore ihrer Lustschlösser,
Villen und Paläste aufdrängend in die Hand hineindrückten,
mit dem Ersuchen, so lange als möglich zu bleiben und seine
Musik zu hören den Vorzug zu gewähren.
Händel war vielleicht der erste Musiker, der sich bitten und
nichts befehlen zu lassen verstanden hatte. Er saß nicht, wie
viel später noch Haydn, an der Dienstbotentafel, sondern
wurde von den höchsten Herrschaften als ein Herr behandelt, der sich auf die Zerlegung von Artischocken, Seespinnen, Fasanen, Hummern oder Kapaunen ebenso gut verstand
Trigonale 2012 – Programm - 241 -
wie auf die Zerlegung von Akkorden und Tonleitern. In
Italien war fast alles erfunden worden, was für Händel lebenswichtig gewesen. Wahrscheinlich auch Italien selbst.
Schon Hunderte Jahre vorher hatte ein gewisser Guido von
Arezzo die Notenschrift erfunden, die es u. a. Händel erst
ermöglichte, Musik zu notieren, und wodurch auch erst die
sogenannte abendländische Kunstmusik entstehen konnte.
In Italien wuchsen die Geigen fast schon mit den Bäumen
unter der Rinde eingebaut aus der Erde, was den bis heute
unübertroffensten Instrumentenbauern dort daraufhin wenig
Schwierigkeiten bereitete, die bis heute unübertroffensten
Instrumente aus dem Holz herauszuschnitzen. Etwas später
hatten einige ganz besonders »Werktreue« oder Prinzipienreiter versucht, die antike Tragödie in ihren Aufführungspraktiken genau wiederholend zu rekonstruieren. Aus diesem
vielleicht von manchen als peinlich bezeichneten Mißverständnis heraus entstand dann die sogenannte »Oper«.
Woraus man den Schluß ziehen könnte, daß der besonders
starre Vorsatz absolutester Werktreue und Prinzipiengerechtigkeit entweder zu einem peinlichen Mißverständnis oder
zu Jahrhunderte umwälzenden epochalen Neuerungen führen kann oder aber auch Jahrhunderte umwälzende epochale
Neuerungen nichts anderes als ebenso ein peinliches Mißverständnis darstellen. Das italienische Mißverständnis »Oper«
werktreu weitergeführt hat jahrhundertelang bewirkt, daß die
Leute ein Musiktheater auch oder vor allem dann nur original italienisch aufgeführt bekommen haben mußten, wenn
sie die italienische Sprache gar nicht verstanden. Sicher hat es
auch den einen oder anderen Komponisten damals gegeben,
der haufenweise italienische Libretti komponierte, ohne ein
einziges Wort seiner Werke zu verstehen. Vielleicht ähnlich
der katholischen Messe das Lateinische, woraus sich mancher vielleicht gar nicht schwer dazu verleiten ließe, die Oper
bis heute als eine Art höherer weltlicher Kirchenanstalt zu
bezeichnen.
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Trigonale 2012 – Programm - 243 -
Wer aus Italien kam, war damals sofort anerkannt und weltberühmt. Deshalb wollte jeder, der etwas mehr auf sich hielt
als üblich, aus Italien kommen oder Italiener sein. Halb
Europa hielt etwas auf sich, hätte sich am liebsten in »Italien« umgetauft und führte deshalb die italienische Oper in
ganz Europa ein. Händel z. B. in London. Er war mit seiner
»Agrippina« in Venedig bekannt geworden. Im Laufe der
ihm auferlegten musikalischen Wettkämpfe war ihm einzig
einmal jener ihm gleichwertig befundene Domenico Scarlatti
begegnet, der ihn zunächst am Flügel übertraf.
Die in unüberblickbar vielfarbigem Edelsteinglitzern durch
die Luft gleitenden Sonaten des Italieners waren der beängstigenden Vollstimmigkeit der die Raume ausgefüllt verschließenden Passacaglien des Deutschen einfach spielend
davon gelaufen.
Sein kühner Klaviersatz, seine Terzenläufe und Oktavengänge, die seine Finger oft beinahe als Lichtstrahlen erscheinen
ließen, die auf die Tastatur gefallen waren, wurden ihm aber
später von der Orgel, auf der ihn Händel übertraf, durch
die Blasbalge einfach unsichtbar in die Pfeifen hinein verschluckt.
Der denkwürdigste aller Mäzene war jener Ottoboni gewesen, ein Kardinal, der seine schwer zahlbaren Freundinnen zu
einem einträchtigen Chor von den damals besten Malern des
Landes gepinselter Ölgemälde an den Wänden seines Schlafgemachs versammelt hatte, dargestellt als locker bekleidete
Gestalten berühmter weiblicher Heiliger, geordnet gemäß
des laufenden römischen Kirchenkalenderjahres.
Dieser sogenannte Kardinal hatte ihn zu jenen sogenannten
arcadischen Gesellschaften eingeladen, im Laufe derer Parkfestlichkeiten die damals vornehmsten Leute des Landes sich
in parfumierte Schäferkostüme warfen in der Begleitung des
stumpfsinnigen Blökens der frisch gewaschenen und sorgfältig shampoonierten Schafe, welche sie nicht nur zu hüten,
sondern immer auch ins Trockene retten zu müssen meinten;
in den von ihren oft herkulisch geprüften Dienern täglich
gesäuberten Augiasstallarchitekturimitationen und beim
Gesang dilettierender Epigonen, derer in vergilischem Abglanz matten Verse von der unerreichbaren Schönheit des
einfachen Lebens am Lande, kamen sie sich vor wie aus den
vergangenen Jahrtausenden zurückgebliebene, übriggelassene Halbgötter der antiken Natur, in welcher sie das Auftauchen der Nymphen aus dem Plätschern der Bäche jede
Sekunde erwarteten oder hilflos durch die Sträucher baumelnd den hinterhältigen Zaubern einer verborgenen Circe
sich entkommen wähnten, welche sie um ein Haar in jene
Schweine verwandelt hätte, als welche sie durchaus nicht gehütet werden wollten, aber der chefgöttliche Stier, der sich
der unbezwinglich schönen Europa näherte und sie vielleicht
auch schon auf seine Schultern zu hieven verstanden hatte,
- 244 - Trigonale 2012 – Programm
wird wohl kaum mehr dazu gekommen sein, mit ihr im Meer,
geschweige denn im Tiber davonzuschwimmen, sondern er
wird sich wohl bald als ein Ochse herausgestellt haben, der
auf einer Wiese über dem Feuer gespalten gedreht worden
sein dürfte.
Was Händel als lange danach verbliebene Erinnerung davon
noch gegenwärtig geblieben war, mag ihm vielleicht viel später zur Idee seines Singspieles »Acis und Galathea« gereicht
haben, jener Geschichte von dem die Schäferin liebenden
Schäfer, der von der Schäferin geliebt wird, aber die rasende
Eifersucht eines vom brennenden Verlangen nach der Schäferin getriebenen Polyphemen fährt dazwischen, der ob des
einträchtigen Glückes der beiden verzweifelt und eines Tages
einen Felsen auf den gerade genau unter ihm aufgestellten
Viehhüter fallen läßt, der zu Tode getroffen unterm herabgestürzten Berg begraben unterm Stein in nach wie vor fortgesetzt gesungenem Klagen anhält, welches aus dem Felsen
eine klagende Quelle zu entspringen veranlaßt, aus der sich
ein munter weiterklagend durchs Land davonlaufender Bach
zu ergießen beginnt, dessen Wellen aber aus nichts anderem
bestehen als dem immer länger bis zum Ende der Gegend
gebreiteten Kleid der nach immer weiter singend den ihr
weggenommenen Hirten beklagenden Hirtin, die das Wasser
entlang den Wellen ihrer Kleiderschleppe folgend weitergeht,
bis sie entweder in den nächsten ihren Weg kreuzenden Fluß
oder aber ins Meer sich ergießt im Laufe der friedlich erlösenden Mündung.
Trigonale 2012 – Programm - 245 -
Während Händel die Sänger zu sich ans Cembalo rief, um
mit ihnen weiter zu proben, hatte der Tanzmeister gebeten,
mit seinen Darstellungsschülern zu üben beginnen zu dürfen, und zierte sich in seinen folgenden Gebärden wie ein
Kammerjäger, dem eine Wanze durch die ständig herumgefuchtelten Lappen gehen könnte, während er seinen choreographisch unterwiesenen Darstellern vorzuführen begann
und jene nachzumachen aufforderte, wie man sich ohne von
Hektik getrieben systematisch bewegt, als würde man soeben auf ein Tafelbild hinaufgezeichnet, ruhig geordnet im
ständigen Blick den Betrachtern zugewandt, gemäß den
unumstößlichen Regeln herrschender Dramaturgie möglichst gleichgeschaltet links und rechts zum selben Zeitpunkt
auftretend, von rechts als etwas Gutes und von links als das
Böse und in der Mitte nur, als sei man der leibhaftige Deus
ex machina, und wie man seinen Widersacher während eines
unweigerlichen Duells mit dem Dolch oder sonst einem spitzen Gegenstand, der gerade bei der Hand, im Laufe ganz
bestimmter in welcher Lage auch immer mehr oder weniger
günstig im Zuge was für einer Bewegung und in welchem
Takt am besten ordnungsgemäß zu erstechen habe.
Hauptsächlich wollte Händel Gewißheit darüber erlangen,
ob die Sängerin kurz vorher, als er einmal seinen scharfüberwachenden Blick von ihr abgewandt hatte, das hohe C auch
selbst gesungen oder ob schon wieder der Kastrat ihres Liebhabers den Ton aus ihrem Hals sich gefischt hatte, weil er
ihn besser zu treffen verstand als sie, bis ihn das Schnarchen
des Polyphemen, der selbst sein ihm aufgemaltes Auge auf
der Stirn geschlossen hatte (aus Erschöpfung aufgrund der
- 246 - Trigonale 2012 – Programm
täglich acht- bis zehnstündigen Proben), einem Zornkrampf
übergab, der ihn das Theater zu verlassen zwang und der vielleicht auch jenen Schlag herbeigeleitet haben mag, der später
zu Haus seinen Körper geteilt hatte.
Wieviel Musik doch in ihm eingesperrt war, die immer bedrängender aus ihm herauswollte, aber im bewegungsunfähigen Körper als einem immer dichter und beinah schon
bedrohlich vielstimmig verwobenen Harmonienkreislauf für
immer gefangen schien und ihn manchmal schon bedenklich ungeordnet aus allen hörbaren Tönen gleichzeitig zusammengesetzt durchdrang, als hätte sein Kopf zufällig das
Echo der Explosionen eines Urlauts vom Zerspritzen einer
niemandem je begreiflich weit entfernten fremden Sonne
empfangen, und als hätte sich dann der Schatten des Lärmens ihres mehrere Millionen Dämmerungsjahre langsamen
Erlöschens hinter seine Stirne verirrt. Sein Drängen, sich
endlich wieder allem zu öffnen und die Ordnung im inneren
Klanguniversum wieder herzustellen, ließ zwar sein Klagen
heftiger und schmerzlicher ansteigen, ließ ihn aber zugleich
immer entschlossener und stärker werden, fast ähnlich den
heißen Quellen, die aus dem Innern der Erde strömten, im
dampfenden Kreislauf des Planeten vom Herzschlag eingeschlafener Vulkane hochgetrieben.
Von Anfang an ignorierte er die Ärzte samt deren kleinmütiger Warnung, nicht länger als täglich drei Stunden im
Wasser zu schwitzen, sein Körper würde sonst von der mit
dem durchs Zentrum des Planeten getriebenen Wasser hochgeschwemmten geheimnisvollen Macht des glühenden
Trigonale 2012 – Programm - 247 -
Erdmittelpunktes erdrückt. Aber mehr erdrückt, als er ohnedies war, konnte er nicht werden, deshalb überließ er sich
ganz den Thermen, vertraute sich blind deren Gewalt an,
hüllte sich derart hingegeben in den Dampf der Geysire, als
ließe er sich vom Inneren des Planeten umarmen beim Versuch, sich den Körperkäfig wegschwemmen und abstreifen zu
lassen, fast so, als wäre er unter die unerforschte Oberfläche
der Welt hinabgetaucht, um sie sich in ihrer Gesamtheit als
einen heißen Umschlag umzubinden.
Neun Stunden ließ er sich täglich durchs Wasser gleiten, und
es war, als löste sich nach und nach das unsichtbare Gefängnis
von ihm, aufgebrochen in den schwefeligen Dampfwolken.
Schon nach einer Woche schleppte er sich ohne Hilfe durch
die vornehm gekachelten Hallen des Bades, da in seinen verwelkten Arm wieder Bewegung einkehrte, und auch seine
abgeschlafft hängenden Lippen begannen sich zu straffen
zur Formung langsam wiedergewonnener Worte und Sätze,
die seine dankbare Verwunderung zu staunendem Leuchten
brachte, als wäre mit den wieder ausdruckverleihbaren Gefühlen und Empfindungen auch vieles, was noch nie zuvor
ihm ins Gedächtnis getaucht gewesen, hochgekommen, das
er zwar spüren, aber nicht benennen konnte.
los gehorchten und seinen Anforderungen entsprachen, ließ
er den gesamten Innenraum das steinernen Schiffes dankbar
aus dem vollen Werk herausrauschen und durchs Dachgestühl fluten, daß die steinernen Seitenplanken zu zittern begannen, während er seinen zu ganz neuer unbekannter Beweglichkeit erwachten Körper von der Orgel durch die ganze
Halle gespannt zu fühlen meinte als einen Bestandteil jenes
übermächtigen Tönens durchs Marmorschiff, das berstend
vollgefüllt war von den Korridoren dieser geöffneten Harmonieschleusen, und beinahe schien dieses Kirchengebäude
sich zu bewegen, ganz locker und leicht schwankend, als wären dem Dach des riesigen backsteingezimmerten Frachters
draußen am Turm die Segel gesetzt worden für eine beginnende Reise die Ebenen Flanderns auswärts zur Küste über
den Kanal des Meeres, zurück ihn sofort zu befördern, mitten
hinein in die Hauptstadt der Insel.
Sofort begann er so viel wie vorher noch nie zu arbeiten, um
alles, was in verloren gelähmter Zeit versäumt werden mußte,
zu notieren, endlich auf die Oberfläche der Systematik seines Notenpapiers hinaufzubefreien, um alles, was angestaut
verblieben war, musikalisch geordnet erklingbar auszubreiten.
Am letzten Tag vor der Abreise schritt er durch die Hallen des
Domes emporenaufwärts zur ihm bereits geöffneten Orgel.
Zunächst begann er vorsichtig nur mit der Linken allein einige Finger über das obere Manual gleiten zu lassen, und dann
erst führte er die Rechte, zunächst ängstlich, am unteren Manual hinzu, und als auch deren Finger seinen Befehlen tadel-
Um seinen vertragswidrig schon vor einer halben Ewigkeit in
Hannover sitzengelassenen fürstlichen Dienstherrn, welcher
aufgrund günstiger Verwandtschaftsverwicklungen einerseits
und der englischen königlichen weiblichen Kinderlosigkeit
andererseits einmal zum künftigen König der Insel vorgesehen war, wieder zu versöhnen, befahl er selbst dem Fließen
der Wassermusik der Themse, seinem Rhythmus und keinem
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Trigonale 2012 – Programm - 249 -
der aufkommenden Windstöße sich unterzuordnen und deren Wellen, genau nach seiner Pfeife tanzend, an die Uferböschung und die Bordwände der über sie hinweggleitenden
Schiffe zu schlagen.
Bald aber kehrten die schlechten Zeiten wieder zu ihm zurück. Zunächst unterbrach der Tod der Königin alle Aufführungen. Aber auch danach blieben die Zuschauer fern, durch
einen ausgebrochenen spanischen Erbfolgekrieg vom Geldmangel überrascht oder aber übersättigt vom schnurgeraden
Ernst der ihnen in jenen Krisenwochen immer unverständlicher gewordenen Erhabenheit seiner steifen italienischen
Opernhelden und Heldenopern, die ihnen entweder nicht
mehr fein genug waren oder zu fein geworden. Das Theater
blieb leer, und so verließen ihn auch bald alle anderen und
selbstverständlich auch Ihre Impertinenzen, die sogenannten Herren Kastraten, welche sich aus ihrem astronomischen
finanziellen, ihn ausblutenden Verdienst durch den oft nur
mangelhaften Gesang seiner Arien vielfach die kuriosesten
Paläste bauen lassen konnten, und hatten sie es vielleicht
ihm heimzahlen wollen, was ihnen im Knabenalter angetan
worden war von den unverantwortlichen Sauschneidern der
fürchterlichen, den Fortbestand der Gesangskultur zu sichern
vermeinenden Kinderchorleiter, vor deren verstümmelnder
Gewalt keine sich der Pubertät nähernde schöne Stimme sicher sein konnte.
versuchte, geriet ihm nun mehr blaß zu kraftlosen Klangschattengewächsen, bis er, auch des letzten verbliebenen Mutes verlustig, zu schreiben aufhörte.
Warum die heißen Quellen ihn nicht bei sich behalten hätten, und warum er einer bedenklichen Befreiung wie dieser
ausgesetzt war, fragte er sich, wenn er müde abends durch
die Öde der überfüllten Straßen, die ihm wie leergefegt vorkamen, irrte, und welche ihm wie von den Gefühlen seines
inneren Verzweifelns aus dem eigenen Kopf auf die Dächer,
Gassen und Plätze gesunken erschienen, als habe sich seine
Einfallslosigkeit als ein grenzenloses Trauern um die Häuser
gehüllt.
Doch war es vorwiegend eine boshafte Trauer, denn die jahrelange Lästerkonkurrenz verdiente blendend, wenn auch
zum Teil auf seine Kosten, indem man einigen seiner Werke
ihren schnurgeraden Ernst raubte und sie in satirischer Verspottung, zu schlagkräftigen Witzen verwandelt, in die randalierende Öffentlichkeit zurückschleuderte.
Aber auch seine musikalischen Einfälle samt ihrer die Sinne
verzaubernden Macht schienen ihn zu verlassen, denn alles,
was er mit steigender Verbissenheit dagegen zu komponieren
Denn zu einem bedeutenden Anteil hatte er seinen Niedergang jener Betteloper des John Gay zu verdanken, welche das
Publikum stürmte, und mit der steigenden Begeisterung der
Leute an jener schien das Interesse an Händel zu versiegen
angesichts eines Theaters, in dem die adelige Hochnäsigkeit
verkommener Grafen die Verschlagenheit heruntergekommener Gassenprostituierter ehelichte und nebenbei auch
einige seiner Melodien, klug verstümmelt zu Gassenhauern,
über die Bühne geworfen wurden mit derart bewundernswert
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Trigonale 2012 – Programm - 251 -
hinterhältiger Aufrichtigkeit, daß selbst er daran noch einigen kurzweiligen Gefallen zu finden vermochte.
Man habe nun endlich genug, erklärte John Gay, genug von dahergeflogenen Göttern, diesen Landstreichern der Luft, Luftstreichern des Himmels, ausgestopften Herren, die wie auf Stelzen
über den geschnürten Boden kämen, und auch genug von den in
veredelte Wolfsfellmäntel gekleideten gütigen Schäfern und Schäferinnen, denn nun habe sich das allgemeine Interesse zu Gunsten
der eher herkömmlichen Diebe, Landstreicher, Betrüger, Bettler,
Zuhälterinnen und Hehlerinnen verschoben, und die Sprache, in
der jene sich unterhielten, sei gar nicht minder vornehm, sondern
durchaus höfisch, wenn sie sich auch nur in den zwielichtigen
Winkeln der Hinterhöfe versteckt halte.
Alles, was man in den gefeierten Opern suche, finde man hier bei
ihm ebensogut, und die gefolterten Gefangenenchöre ließen seine
Kerkermauern nicht weniger erschütternd erbarmungslos bleiben
als üblich, man könne beruhigt weiter weinen.
Gewiß werde es vom werten Publikum gar nicht gerne gesehen, wenn
dieser gerade auftauchende Mister Macheath hingerichtet werde.
Nur dafür daß er aus dem Gefängnis ausgebrochen, wie man sehe,
lamentierte darauf dieser durchgebrannte Windbeutelkapitän, sei
er zur sofortigen Hinrichtung verurteilt worden, Deshalb gebe
er allen den guten Rat, niemandem mehr zu trauen, auch nicht
den eigenen Leuten, nicht einmal denen, die sich einem zutiefst
anvertraut hätten, denn dann lebe man wahrscheinlich einige
Monate länger als sonst.
Und er vertraute auch nicht einmal seinen besten Freundinnen,
die den Anblick des Strickes um seinen Hals nicht ertrugen, sondern vorgezogen hätten, mit ihm gemeinsam gehängt zu werden,
anstatt allein zurückzubleiben, sondern gab ihnen nur den gutgemeinten Rat, sich doch besser nach Westindien verschiffen zu lassen, wo ihnen bestimmt das Glück beschieden, mindestens einen,
wenn nicht zwei oder drei Ehemänner wiederzufinden.
Und als dann aber mindestens vier der Frauen mit seinen unehelichen Kindern auftauchten und womöglich auch noch mit ihm
gehängt werden, mit ihm kommen wollten, da graute ihm nur
mehr vor den vermutlich darauf bald anfallenden über-irdischen
Unterhaltskosten und kosmischen Alimentenforderungen jenseits
dieser Welt.
Aber natürlich, erwiderte der Henker, um dem Stück zu einer
poetischen Vollendung, wie sie nur dem Meister Händel geläufig
sei, zu verhelfen, werde es günstiger sein, ihn zu hängen, denn
auch die anderen Schießbudenfiguren dieser Geschichte seien ja
wahrscheinlich entweder gehängt oder verbrannt oder deportiert
worden, in alle Winde zerstreut.
Durch die feucht und staubig vom Himmel herabhängenden
Finsternisfetzen ging Händel in jener Nacht zu seinem Haus
zurück, wo alles schlief. Im Zimmer überkam ihn wehmütige Erinnerung an jene früheren Zeiten, als er von seinen
Nachtspaziergängen stets die neue Linie einer Melodie, welche ihm aus den leisen Selbstgesprächen des Flusses von einer vorlaut hochgesprungenen Welle ans Ufer geworfen wurde,
- 252 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 253 -
oder ein paar denkwürdige Akkorde aus den Faltenwürfen
des über die Dachböden gebreiteten Nachtföhnes heim und
gleich zu Papier gebracht hatte. Aber in diesen Wochen und
Tagen hatten sich ihm auch die Atemzüge der erwachten
Nächte zu verweigern angefangen, befanden ihn nicht mehr
vertrauenswürdig genug, ihm das Geheimnis ihrer Geräusche
zur Entzifferung zu überantworten. Oder lag es an ihm, seinem Gehör, seinem Empfinden, abgestumpft von der Enttäuschung über die Schmähungen treuloser Gleichgültigkeitsöffentlichkeit?
Der Schreibtisch war leer, wie immer.
Aber da war noch was, etwas im Kerzenflackern Schimmerndes, leicht bewegt im zitternden Schwanken der Flamme selbst seinen in langsamer Ratlosigkeit schwimmenden
Augen entgegenwinkend ersichtlich. Ein Paket, ein Brief
vom Textdichter, der ihm »Saul« und »Israel in Ägypten« zu
brauchbar zurechtgeschneiderten Versen zusammengezimmert hatte.
»The Messiah«. Der Titel einer neu von ihm komponiert zu
werden vorgeschlagenen Textvorlage. Der wollte aus ihm
noch restlos einen Narren machen, und noch dazu war es
eines dieser für alle Musikkrankheiten und Klangharmonieverstimmungen so überaus anfälligen Oratorien, die auch
nicht viel weiter geführt hatten als hierher.
higende Erregung, eine Unerschrockenheit breitete sich um
ihn, als wäre alles auf einmal ganz anders geworden. Er solle
sich trösten, konnte er lesen, und ganz ruhig sein, und nichts
mehr werde ihn ab nun bedrängen können oder behelligen,
denn ab diesem Punkt des Lebens sei er aufgehoben derart,
daß man ihm nichts mehr anzuhaben vermöge.
Es war, als prasselte ein trockener Klangregen in einem aufgekommenen Harfengewitter auf das Dach seines Hauses,
nein, über alle Dächer der Stadt und aller Städte und Dörfer,
und ein Feuer schien Händel ins Zimmer gedrungen zu sein,
in dem er noch immer überm Schreibtisch gebeugt saß und
schon einen ganzen Stoß Notenblätter vollgeschrieben hatte, und waren es das Feuer und die seinen Kopf kühlenden
Flammen eines dargebrachten Dankopfers, das er jetzt zum
Klingen brachte, oder war es schon das zu ihm voraus mitten in die Nacht herbeigesandte Feuer eines bald schon neu
anbrechenden Tages, der das Gestrüpp der vertrockneten
Sträucher des Morgengrauens entzünden würde, das der
Osten aufgefackelt hochschwemmte aus seiner Versenkung
hinterm Rand des Ozeans?
Es war, als hätte er sich den Äther höchstpersönlich als einen
übersichtlich notenlinieng streiften Papierbogen auf den
Schreibtisch geheftet und beschriebe hastig genau das
Brechen der Tageszeitengewitter durch die Gezeiten der
Nächte hindurch.
Aber beim Lesen der ersten Zeile umfing Händel eine in
gerade seinem Zustand unerklärlich wohltuende, ihn beru-
Im Auf- und Abrufen der Chöre, die er durch die unermeßlichen Konzertsäle aller Horizonte fegte, stürzten deren vom
- 254 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 255 -
aufbrausenden Geflüster der Wälder begleitete Stimmen als
Vogelschwärme durch die geöffneten Katarakte des Himmels, unterwegs auf ihrer Besiedelung der Atmosphäre, und
zerrissen die ihnen untergekommenen Wolken mit ihren
Flügelschlägen in kleine Streifen und Lappen, die weit herabhingen in die Felder des Tieflands, aufgelöst zu freundlichem Leuchten herabgleitender Lichthageltriller.
Ein unfaßbar selbstverständliches Glücksempfindungsblitzen durchdrang Händel immer wieder, und eine Freude
durchflutete den Komponisten wie heftiger Aschenregen,
der sich aus ihm erhob und auch die letzten Spuren in ihm
ausgebrannter Ruinenschatten fortströmte ins unerreichbar
tiefe Vergessen der gewissenhaft abgeklärten Lagunen seiner
Erinnerung, als wären mit seinem Wiedererwachen gemeinsam auch bisher fremd gewesene Bereiche eines ganz neuen
Fühlens und Wissens hochgetaucht, die er spüren, aber nicht
benennen konnte, doch, benennen, klingend übertragen, und
war er allen verstecktesten Rätseln hautnah auf der Spur mit
den Tönen seiner gerade neu komponierten Musik, hörbar
deren Auflösung aufklingen zu lassen, bisher Unbegreifliches,
Unaussprechliches und Undenkbares zu deutlich begreifbar
genau vernehmlichen Gestalten geformt.
über die große Landschaft des Werkes hinwegziehen wollte,
daß es endgültig so würde, wie es sein sollte.
Am 13. April hörte man das Werk zum erstenmal in Dublin.
Seit damals brachte ihn nichts mehr aus der Fassung, obwohl
er oft noch ähnlichen Mühsalen ausgesetzt war wie davor.
Aber alle Anstrengung war ihm mühelos hinter sich werfbar,
sämtliche ihm geltende Seitenhiebe schlugen ihm nur nicht
verletzende Wunden, und durch die ihm verschlossen gebliebenen Türen ging er einfach im Vorbeigehen.
Die Stiegenhäuser der Tage und Wochen und Jahre lagen
ganz eben ausgebreitet vor ihm auf seiner noch oftmaligen
Reise durch die buntgefärbten Luftkirchenschiffe im Glanz
der Jahreszeiten, begleitet vom immer noch durchsichtigen
Aufruhr der Sehnsucht seiner bewegten inneren Landschaftsbilder, deren Ausstrahlung aber auf seine äußere
Umgebung so stark war, daß sie mehr und mehr abzufärben
begannen, bis sich seine Umwelt an die Gegenden seiner inneren Bilder derart angepaßt hatte, daß die Bilder, die er um
sich gebreitet sah, mit den Darstellungen, die er in seinem
Innersten überschauen konnte, übereinstimmend identisch
geworden waren.
Nach drei Wochen war die Arbeit beendet. Aber noch fehlte
ihm darüber ein alles nachtklängeüberspannendes weit aufwärts die Atmosphäre hindurch gebogenes hörbares Dach,
das er mit allen erreichbaren, ganz wie zum erstenmal gesungenen Lichtstrahlenstimmen als eine von allen Mauerseglerschwärmen der Insel geflochten zusammenklingende Kuppel
Auch als er blind geworden im hohen Alter, hörte er nicht auf
zu sehen, sondern sah mit seinem unermeßlichen Gehör und
hörte dann alles durch die Fenster seiner innersten Augen.
- 256 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 257 -
Waren ihm seine schwer zählbaren Werke mit dem Verstreichen der Zeit vermutlich bald selbst nicht mehr überschaubar
gewesen, so daß er vielleicht anfing, sie nach und nach langsam wieder so in sich zurück hineinzuvergessen, wie sie Jahrzehnte zuvor aus ihm herausgeströmt waren, so blieb ihm
der Messiah immer gegenwärtig, begleitete ihn überallhin.
Er liebte das Werk, weil er mit ihm auch sich selbst ganz
neu geformt erschaffen empfand. Deshalb wollte er damit aus
der Öffentlichkeit sich verabschieden, ehe er den endgültigen
Rückzug beschloß.
Am 6. April führte man den schwerkranken 74jährigen zum
letzten Mal nach Covent Garden aufs Podium. Seine Person
war schon lange zu einer Institution geworden, bei deren Erscheinen zwei Kerzen vorangetragen aufs Cembalo gestellt
wurden.
Fenster ins Zimmer stürzte und er schon über seinem eigenen
Körper zu schweben glaubte, der als ein durchsichtiges Spiegeln von bisher noch niemals gehörten Klängen empfindbar
geworden, die aus seiner Kammer, die so weit geworden war
wie eine der Ebenen des Kontinents, zurückfluteten, während
der Horizont mit Händel schon hinter den Stadtrand an den
Saum des beginnenden Ozeans wieder zurückgelehnt war,
ganz weit hinter dem stehengebliebenen, in diesem Landstrich hinter der Stadt einfach steckengebliebenen Fluß.
Er saß da wie sein ganzes Leben bis jetzt noch immer, alleingeblieben inmitten der Menge, die er nicht sah, doch als
durch die aufkommenden Cembalogewitter die undurchdringbar dichten Chöre der zurückkehrenden Zugvogelwolken die Fenster des Hauses durchstießen und herbeischwammen und schon aufgelöst im Jubel der ihm dargebrachten
orkanisch berechneten Beifallskundgebungen seine Augenlider streiften, leuchtete sein vom unendlich oftmaligen Erwachen müde gewordenes Gesicht durch den Saal.
Erschrocken führte man ihn zurück ins Haus, wo er sich hinlegte, ohne sich je wieder erhoben zu haben.
Und am 13. April spürte Händel, wie der Horizont von weit
hinter der Stadt durch die Gassen wanderte und an seinem
Bett sich niederließ, während die Straße von draußen durchs
- 258 - Trigonale 2012 – Programm
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Jung und Jung
Trigonale 2012 – Programm - 259 -
Samstag, 15.09. | 24 Uhr
Seminarkirche Tanzenberg
Forgotten Secrets
Eine phantastische Reise durch Kulturen & Zeit
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Clare Wilkinson: Mezzosopran
Bjarte Eike: Violine
Andrea Pandolfo: Trompete
Paolo Pandolfo: Viola da gamba
Singers in Residence
Ida Aldrian: Mezzosopran
Hanna Herfurtner: Sopran
Jan Petryka: Tenor
Ulfried Staber: Bass
E inle itun g
Konzert mit trigonalevon Elisabeth Naske
Eclipse
Layil Barr: Blockflöten, Viola da gamba
Jean Kelly: Harfen
Ripton Lindsay: Tanz
- 260 - Trigonale 2012 – Programm
Wer sich zu mitternächtlicher Stunde aufmacht, um in einem
einzigartigen Raum – der Seminarkirche Tanzenberg – Musik
zu erleben, kann mit Recht mehr erwarten, als nur ein Konzert, das ebenso gut zu einer typischen Tageszeit stattfinden
könnte.
So haben sich die Künstler des heutigen Abends vorgenommen, uns mitzunehmen auf eine Reise durch Zeit und
Kulturen, auf der wir Märchen aus aller Welt, Merulas betörend schönem »Canzonetta Spirituale Sopra alla Nanna«,
sephardischer und mittelalterlicher Musik, Hildegard von
Trigonale 2012 – Programm - 261 -
Bingens Visionen, längst vergessen geglaubten Geheimnissen
und Dämonen und Kobolden begegnen werden. Durch das
behutsame Einweben unseres heurigen trigonale-Auftragswerkes – geschrieben von der österreichischen Komponistin
Elisabeth Naske – und von zeitgenössischem Tanz sollte es
uns gelingen, die Brücke ins Hier und Jetzt zu schlagen.
An dieser Stelle ist es der trigonale ein besonderes Anliegen,
der Firma HSH – Holz die Sonne ins Haus – für ihre Unterstützung, die weit über das normale Maß einer Sponsortätigkeit hinausgeht, zu danken. Sie ist es auch, die das heurige Auftragswerk mit dem Titel klima.wandel ermöglicht hat.
- 262 - Trigonale 2012 – Programm
Elisabeth Naske, die Komponistin un-
seres Auftragswerkes, studierte Violoncello
bei Heidi Litschauer am Mozarteum Salzburg und am Konservatorium Basel in der
Konzertklasse von Thomas Demenga, wo sie
1987 das Konzertreifediplom erhielt.
Meisterkurse u.a. bei Frans Helmerson, Heinrich Schiff,
Christoph Coin und Sándor Végh folgten.
Sie war Mitglied des Gustav Mahler Jugendorchesters unter der
Leitung von Claudio Abbado, Vaclav Neumann u.a. und wirkte
in mehreren Kammerorchestern, wie der Camerata Bern, der
Serenata Basel, und der Camerata Academica Salzburg unter
der Leitung von Sándor Végh mit. Die Kammermusik bildet
einen wichtigen Bestandteil ihres musikalischen Wirkens mit
Partnern wie Thomas Demenga, Heinrich Schiff und Thomas
Zehetmair, sowie dem Pascal Trio, dessen Mitbegründerin
sie 1993 war und mit dem sie u.a. im Rahmen der Salzburger Mozartwoche und der Schubertiade Feldkirch konzertierte.
Weiters wirkte sie in verschiedenen Barockensembles mit
und trat als Partnerin von Elisabeth von Magnus und Anthony
Spiri am Barockcello auf. Von 1998 bis 2003 nahm sie Kompositionsunterricht bei Tristan Schulze in Wien, mit dem sie
auch gemeinsame stilübergreifende Programme als Celloduo
gestaltete. Mit der Vertonung des »Kleinen Ich-bin-Ich« von
Mira Lobe im Jahr 2001 erregte sie die Aufmerksamkeit sowohl des Musikverlages Schott, unter dessen Vertrag sie seitdem steht, als auch der Volksoper Wien, die sie mit einer Kinderoper beauftragte. »Die Feuerrote Friederike« nach einem
Buch von Christine Nöstlinger wurde 2004 als Auftragswerk
der Wiener Volksoper am Dach der Wiener Staatsoper uraufTrigonale 2012 – Programm - 263 -
geführt. Weitere Opernaufträge folgten, 2007 »Die Omama
im Apfelbaum« nach einem Buch von Mira Lobe, ein Auftragswerk der Staatsoper Wien, 2008 »Die rote Zora« nach
einem Buch von Kurt Held, im Auftrag des Theaters Luzern in
Koproduktion mit dem Grand Théatre du Luxembourg. Für die
Produktion »Die Glücksfee« nach einem Buch von Cornelia
Funke wurde sie Preisträgerin beim Find it Wettbewerb der
Jeunesses Musicales Österreich.
Auch mit den Vertonungen von »Sindbad der Seefahrer«
2004, »Der selbstsüchtige Riese« nach einem Märchen von
Oscar Wilde 2006, »Ouroboros, eine musikalische Schöpfungsgeschichte« 2009, »Des Kaisers neue Kleider« nach
H.C. Anderson 2009, »Mäusemärchen – Riesengeschichte«
nach einem Buch von Annegert Fuchshuber 2010, »Don Qichotte en famille« 2011 hat sich Elisabeth Naske einen herausragenden Namen im Bereich des Musiktheaters für Kinder und Jugendliche in ganz Europa erworben.
Für das Jahr 2013 hat die Wiener Staatsoper neuerlich einen
Opernauftrag vergeben, die Vertonung von »Das Städtchen
Drumherum« von Mira Lobe.
Die weiteren Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
- 264 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 265 -
Layil Barr, Seite 205
Jean Kelly, Seite 206
Ripton Lindsay, Seite 208
Clare Wilkinson, Seite 175
Bjarte Eike, Seite 17
Andrea Pandolfo, Seite 270
Paolo Pandolfo, Seite 268
Ida Aldrian, Seite 115
Hanna Herfurtner, Seite 20
Jan Petryka, Seite 116
Ulfried Staber, Seite 118
Sonntag, 16.09. | 14 Uhr
Klosterkirche St. Veit
Time Machine
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Modern Trumpet vs. ancient Viola da gamba –
Modern Viola da Gamba vs. ancient Trumpet
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Konzert mit trigonalevon Elisabeth Naske
Paolo Pandolfo: Viola da gamba
Andrea Pandolfo: Trompete
Singers in Residence
Hanna Herfurtner: Sopran
Ida Aldrian: Mezzosopran
Jan Petryka: Tenor
Ulfried Staber: Bass
- 266 - Trigonale 2012 – Programm
Die vielfältigen Erfahrungen der beiden Musiker und ein gegenseitiges Verstehen, das ganz ohne Worte auskommt und
so nur unter Geschwistern zu finden ist, erfüllen diese einzigartige musikalische Performance mit Leben.
Musik des Barocks, Jazz, Folks und zeitgenössische Improvisation begegnen einander, und auch wenn die beiden Instrumente uns normalerweise so weit voneinander entfernt
scheinen wie die Jahrhunderte, die zwischen ihnen liegen –
hier finden sie auf geheimnisvolle Weise zu einem gemeinsamen Ton, der uns völlig überrascht und dennoch überzeugend echt klingt.
Paolo und Andrea Pandolfo wuchsen zusammen in Italien auf.
Dann ging jeder von ihnen seinen eigenen Weg: Paolo spezialisierte sich auf Renaissance- und Barockmusik und wurde
ein weltweit gefeierter und anerkannter Virtuose auf der Viola da gamba. Andrea hingegen spielte Jazz, Folk und Klezmer
und begann vor einigen Jahren, für Theater, Fernsehen und
Film zu komponieren. Ihr erstes gemeinsames Album war
»Travel Notes« im Jahr 2004. Seitdem ist jedes ihrer Treffen
ein weiterer Baustein zu ihrem gemeinsamen Musikprojekt
»Time Machine«.
Trigonale 2012 – Programm - 267 -
Eine weitere Begegnung steht uns bei diesem Konzert ins
Haus: Die Pandolfo-Brüder treffen auf unsere Singers in Residence, um gemeinsam die trigonale-Auftragskomposition von
Elisabeth Naske erklingen zu lassen, die im Mitternachtskonzert vom 15. September ihre Uraufführung erlebte.
Paolo Pandolfo, heute einer der
Stars der Europäischen Alte-Musik-Szene, studierte zunächst am Konservatorium in Rom. Bereits während dieser Zeit
begann er, sich intensiv mit Renaissanceund Barockmusik zu befassen und gründete zusammen mit dem Violinisten Enrico Gatti und dem
Cembalisten Rinaldo Alessandrini das Ensemble La Stravaganza. 1981 setzte er sein Studium an der Schola Cantorum
Basiliensis bei Jordi Savall fort, mit dessen Ensemble Hesperion XX er bis 1990 auf der ganzen Welt auftrat und zahlreiche
CDs einspielte.
Seit 1990, nach seinem ersten großen solistischen Plattenerfolg mit C.P.E. Bachs Gambensonaten, ist er Professor für
Viola da gamba an der Schola Cantorum Basiliensis. Neben
seiner Tätigkeit als Lehrer tritt er weltweit mit Stars der Alten Musik wie Rolf Lislevand, Michael Chance, Mitzi Meyerson, Guido Morini, Emma Kirkby und Miguel Moren auf.
Seit 1992 leitet er Labyrinto, eine Instrumentalgruppe, die
sich dem Repertoire für Gambenconsorts widmet. Seine
Konzerttätigkeit als Solist und mit Labyrinto führte ihn u.a.
nach Italien, Frankreich, Deutschland, Japan, Korea, England
und in die Vereinigten Staaten. Bei seinen Auftritten wird
- 268 - Trigonale 2012 – Programm
Paolo von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert. So
wurde er im American Record Guide schon 1997 als einer der
bedeutendsten Gambisten seiner Generation genannt, für
Gramophone ist er einer der brillantesten und poetischsten
Gambisten unserer Zeit, und der Boston Globe sieht in ihm
den »Yo-Yo Ma der Gambe«.
Seine zahlreichen Aufnahmen (u.a. bei Astrée, Emi, Philips,
Erato, Harmonia Mundi) wurden mehrfach ausgezeichnet.
Mittlerweile hat er einen Exklusivvertrag mit dem Label
Glossa. Zu seinen bedeutendsten Projekten – erschienen bei
Glossa – zählen seine CD »A Solo«, die 2 Marais-CDs, »Le
Labyrinth ... et autres Histoires« und »Le Grand Ballet«, sowie die 2000 erschienene CD mit seiner Transkription der
sechs Cello-Solo-Suiten J.S. Bachs für Viola da gamba. Im
Juli 2004 erschien »Travel Notes« mit selbstkomponierter
Musik. Darüber die FAZ: »...ein Hörfenster der Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instruments, dabei weit entfernt von allen
akademischen Überlegungen über historische Authentizität und
historisierenden Anwandlungen«.
Paolo ist davon überzeugt, dass die Alte Musik eine wichtige und reiche Quelle der Inspiration für die Zukunft der
westlichen Musiktradition sein kann. Darin liegt wohl auch
begründet, dass es ihm immer wieder gelingt, in seinen Projekten Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schlagen, da er nicht nur Raum für Improvisation
schafft, sondern auch Transkriptionen und zeitgenössische
Musik integriert.
Trigonale 2012 – Programm - 269 -
Andrea Pandolfo, Trompeter und
Komponist, wurde in Rom geboren. Seit
1997 ist er Mitglied des Klezmer-Ensembles Klezroym. Die Musiker von Klezroym
schreiben und spielen Originalmelodien, für die sie sich von der Musik der
jüdischen Diaspora Europas und Nordafrikas inspirieren
lassen. Andrea Pandolfo war künstlerischer Leiter für Paolo
Pandolfos Album »Travel Notes« und spielte in der darauffolgenden Produktion »Travel Notes Project«.
2007 war er Mitautor und Arrangeur in Abel Ferraras Film
»Go Go Tales«. 2005 komponierte und spielte er die Musik
zu dem Dokumentarfilm »In un altro paese« (Excellent cadavers) von Marco Turco.
Die weiteren Biografien finden Sie auf folgenden Seiten:
Ida Aldrian, Seite 115
Hanna Herfurtner, Seite 20
Jan Petryka, Seite 116
Ulfried Staber, Seite 118
Elisabeth Naske, Seite 263
- 270 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 271 -
Sonntag, 16.09. | 18 Uhr
Dom zu Maria Saal
Claudio Monteverdi (1567 – 1643):
Marienvesper
Les Cornets Noirs
Frithjof Smith, Gebhard David,
Matthijs Lunenburg : Zink
Claudia Mende, Cosimo Stawiarski: Violine
Brigitte Gasser: Viola da gamba, Lirone
Matthias Spaeter : Chitarrone
Patrick Sepec : Cello
Johannes Strobl: Orgel
Henning Wiegräbe, Eckart Wiegräbe,
Joseph Bastian: Posaune
Otto Kargl: Musikalische Gesamtleitung
Cappella Nova Graz
Domkantorei St. Pölten
Florian Ehrlinger: Tenor
Lukas Kargl, Ulfried Staber: Bass
Mitglieder von Trinity Baroque
Christine Maria Rembeck,
Andrea Oberparleiter: Sopran
Julian Podger, Nils Giebelhausen: Tenor
- 272 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 273 -
E inle itun g
Schon seit geraumer Zeit war Claudio Monteverdi (1567 –
1643) mit seiner Stellung als Kapellmeister in Mantua und
vor allem mit seinem Dienstgeber Herzog Vincenzo I. Gonzaga
unzufrieden. Als er seine verstorbene Frau 1607 in seiner
Heimatstadt Cremona beerdigte, wollte er nicht mehr nach
Mantua zurückkehren, doch trotz eines Bittgesuchs seines
Vaters beorderte ihn der Herzog zurück an seinen Hof, für
den Monteverdi unter anderem die beiden sehr erfolgreichen
Opern »L'Orfeo« (1607) und »L'Arianna« (1608) komponiert hatte. Zu dieser Zeit dürften auch schon Teile der »Marienvesper« entstanden sein, die unter anderem durch die festliche Intonatio, die Monteverdi auch als Eingangs-Toccata im
»L'Orfeo« verwendet hatte und die wiederum auf der Gonzaga-Fanfare beruhte, sowie durch die Widmung an Maria, die
Schutzheilige der Stadt, starke Bezüge zu Mantua aufweist.
Gemeinsam mit der »Missa in illo tempore« wurde die »Marienvesper« 1610 in Venedig gedruckt; beide Werke wurden
Papst Paul V. gewidmet. Den Namen erhielt das Werk nicht
nach dem am Originaldruck angegebenen Titel, sondern nach
der Bemerkung »Vespro della B[eata] Vergine da concerto,
composto sopra canti fermi«, die vor dem »Domine ad adjuvandum« im Stimmheft des Generalbasses angebracht ist.
auch modernen Formen und Stile, der Einsatz der Instrumente sowie die festlichen wie auch meditativen Elemente,
die Monteverdi in der »Marienvesper« affekt- und abwechslungsreich verwendete, erscheinen wie eine musikalische
Visitenkarte, mit der der Komponist seine vielfältigen Fähigkeiten unter Beweis stellen wollte. Eine Anstellung beim
Papst bekam Monteverdi nicht, wohl aber wurde er 1612 nach
dem Tod Herzog Vicenzos in Mantua entlassen und ging im
Jahr darauf als maestro di cappella an San Marco nach Venedig. Hier ist auch für das Jahr 1613 eine Aufführung der
»Marienvesper« belegt.
Eine Vesper ist das Stundengebet am Abend. Sie beginnt mit
der Invitation aus Psalm 69 »Deus in adjutorium« und dem
Responsorium »Domine ad adjuvandum«. Danach folgen
fünf Psalmen, die sich nach dem Anlass der Feier oder nach
dem Kirchenjahr richten. In der »Marienvesper« sind dies
»Dixit Dominus« (Psalm 109/110), »Laudate pueri« (Psalm
112/113), »Laetatus sum« (Psalm 121/122), »Nisi Dominus«
(Psalm 126/127) und »Lauda Jerusalem« (Psalm 147). Abschließend erklingen der Hymnus »Ave maris stella« und das
»Magnificat«.
Mit diesen wie auch anderen Kompositionen reiste Monteverdi im Herbst desselben Jahres nach Rom. Hier wollte er
nicht nur für seinen Sohn um eine Stelle im römischen Seminar bitten, sondern zugleich wohl auch für sich selbst eine
Stellung erlangen. Die unterschiedlichen traditionellen wie
Vor und nach jedem Psalm werden normalerweise die entsprechenden Antiphonen gesungen, die jedoch in Monteverdis »Marienvesper« nicht aufscheinen. Vermutlich an
ihrer statt fügte Monteverdi fünf nicht liturgische Stücke
im monodisch-konzertanten Stil ein, bei denen es sich um
die auf der Titelseite des Drucks angeführten »sacris concentibus« handeln dürfte: »Nigra sum«, »Pulchra es«, »Duo
- 274 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 275 -
Seraphim«, »Audi coelum« und »Sonata sopra Sancta Maria
ora pro nobis«. Im Gegensatz zu den polyphonen Psalmen,
die größer besetzt sind, cantus firmi zur Grundlage haben
und somit auf modalen Kirchentonarten beruhen, sind diese kleiner besetzten Concerti, abgesehen von der Sonata, frei
komponiert, virtuoser und verweisen bereits auf die Funktionsharmonik des beginnenden Barockzeitalters. Nicht zuletzt deshalb gilt die »Marienvesper« als »das früheste der
wirklich bedeutsamen großen Werke abendländischer Kirchenmusik« (Helmuth Rilling). Und über den Komponisten,
der als Begründer der nuove musiche, der neuen, um 1600
entstehenden Tonsprache, bezeichnet wird, sagte sein späterer Kollege Domenico Guaccero: »Monteverdi stellte die Zukunft vor, sein Werk […] ist sozusagen der Topf, in dem die ganze
moderne Musik gekocht ward – mit ihrer Humanität und mit
ihren Widersprüchen.«
Eva Maria Hois
- 276 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 277 -
T e x te
Intonatio
Intonation
Deus in adiutorium meum intende!
Gott, komm mir zu Hilfe!
Responsorium
Responsorium
Domine ad adiuvandum me festina.
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio et nunc et semper
et in saecula saeculorum.
Amen.
Alleluia.
Herr, eile, mir zu helfen.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.
Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar
und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Alleluja.
Psalmus 109 (110)
Psalm 109 (110)
Dixit Dominus Domino meo:
Sede a dextris meis:
Donec ponam inimicos tuos
scabellum pedum tuorum.
Virgam virtutis tuae
emittet Dominus ex Sion:
Dominare in medio inimicorum tuorum.
Tecum principium in die virtutis tuae
in splendoribus sanctorum:
Ex utero ante luciferum
genui te.
Iuravit Dominus,
et non poenitebit eum:
Tu es sacerdos in aeternum
So sprach der Herr zu meinem Herrn:
Setze dich zu meiner Rechten,
bis ich dir deine Feinde
als Schemel unter deine Füße lege.
Weit sendet der Herr das Zeichen
deiner Macht über Zion hinaus!
Herrsche inmitten deiner Feinde.
Das Königtum ist bei dir am Tage
deines Sieges in heiligem Glanze.
Wie den Tau vor dem Morgenstern
habe ich dich gezeugt.
Geschworen hat es der Herr,
und es wird ihn nicht reuen:
Du bist Priester in alle Ewigkeit
- 278 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 279 -
secundum ordinem Melchisedech.
Dominus a dextris tuis confregit
in die irae suae reges.
Judicabit in nationibus,
implebit ruinas:
Conquassabit capita in terrae multorum.
De torrente in via bibet:
Propterea exaltabit caput.
Gloria Patri et Filio ...
nach der Ordnung des Melchisedech.
Der Herr zu deiner Rechten zerschmettert
die Könige am Tage seines Zorns.
Die Völker wird er richten,
die Toten aufhäufen,
in allen Landen die Schädel zerschlagen.
Vom Wildbach am Wege wird er trinken
und darum sein Haupt erheben.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne ...
Concerto
Concerto
Nigra sum, sed formosa,
filiae Jerusalem.
Ideo dilexit me rex
et introduxit me in cubiculum suum
et dixit mihi:
Surge, amica mea, et veni.
Iam hiems transiit,
imber abiit et recessit,
flores apparuerunt in terra nostra.
Tempus putationis advenit.
Ich bin schwarz und dennoch schön,
ihr Töchter Jerusalems.
Darum hat mich der König auserwählt,
mich in sein Schlafgemach geführt
und zu mir gesagt:
Erhebe dich, meine Freundin, und komm.
Der Winter ist bereits vergangen,
der Regen vorbei und versiegt,
die Blumen sprießen auf unserer Erde.
Es wird Zeit, die Bäume zu beschneiden.
(Das Hohelied 1,5 und 2,10–12)
- 280 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 281 -
Psalmus 112 (113)
Psalm 112 (113)
Laudate, pueri, Dominum,
laudate nomen Domini.
Sit nomen Domini benedictum,
ex hoc nunc et usque in saeculum.
A solis ortu usque ad occasum
laudabile nomen Domini.
Excelsus super omnes gentes Dominus,
et super coelos gloria eius.
Quis sicut Dominus Deus noster,
qui in altis habitat, et humilia respicit
in coelo et in terra?
Suscitans a terra inopem,
et de stercore erigens pauperem,
ut collocet eum cum principibus,
cum principibus populi sui.
Qui habitare facit sterilem in domo,
matrem filiorum laetantem.
Gloria Patri et Filio ...
Lobet den Herrn, ihr Kinder Gottes,
lobt den Namen des Herrn.
Der Name des Herrn sei gepriesen,
jetzt und in alle Ewigkeit.
Vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang
sei der Name des Herrn gepriesen.
Hoch über allen Völkern ist der Herr erhaben,
seine Herrlichkeit ist über den Himmeln.
Wer ist wie der Herr, unser Gott,
der in der Höhe wohnt und auch das Geringe im Himmel
und auf Erden sieht?
Den Ohnmächtigen richtet er auf,
den Armen hebt er aus dem Staub,
um ihn neben die Mächtigen zu setzen,
neben die Edlen seines Volkes.
Er lässt die Unfruchtbare im Hause leben,
als glückliche Mutter inmitten ihrer Kinder.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne ...
Concerto
Concerto
Pulchra es, amica mea,
suavis et decora sicut Jerusalem,
terribilis ut castrorum acies ordinata.
Averte oculus tuos a me,
quia ipsi me avolare fecerunt.
Schön bist du, meine Freundin,
lieblich und anmutig wie Jerusalem,
erschreckend, einer vor dem Lager
aufgestellten Schlachtordnung gleich.
Wende deine Augen von mir,
denn sie zwangen mich, vor dir zu fliehen.
(Das Hohelied 6,4–5 und 10)
- 282 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 283 -
Psalmus 121 (122)
Psalm 121 (122)
Laetatus sum in his,
quae dicta sunt mihi:
in domum Domini ibimus.
Stantes erant pedes nostri
in atriis tuis,
Jerusalem, Jerusalem,
quae aedificatur ut civitas:
cuius participio eius in idipsum.
Illuc enim ascenderunt tribus,
tribus Domini:
testimonium Israel
ad confitendum nomini Domini,
quia illic sederunt sedes in iudicio,
sedes super domum David.
Rogate quae ad pacem sunt Jerusalem;
et abundantia
diligentibus te.
Fiat pax in virtute tua,
et abundantia in turris tuis.
Propter fratres meos et proximos meos,
loquebar pacem de te.
Propter domum Domini
Dei nostri,
quaesivi bona tibi.
Gloria Patri et Filio ...
Voll Freude bin ich über die,
die mir sagten:
Wir werden in das Haus des Herrn gehen.
So stehen unsere Füße
in den Vorhöfen deiner Paläste,
Jerusalem, Jerusalem,
das man als eine Stadt erbaut hat,
in der man zusammenkommen soll.
Hierher wanderten nämlich die Stämme,
die Stämme des Herrn,
um, wie das Gesetz Israel befiehlt,
dort den Namen des Herrn zu feiern;
stehen hier doch die Sitze zum Gericht,
die Thronsitze für das Geschlecht Davids.
Erbittet, was Jerusalem Frieden schenkt.
Möge es allen Überfluss schenken,
die dich lieben!
Friede sei innerhalb deiner Mauern
und Reichtum sei in deinen Palästen!
Um meiner Brüder und Freunde willen
rufe ich: Friede sei mit dir!
Um des Hauses des Herrn,
unseres Gottes, willen
erflehe ich das Heil für dich.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne ...
- 284 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 285 -
Concerto
Concerto
Duo Seraphim clamabant alter ad alterum:
Sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Plena est omnis terra gloria eius.
Tres sunt, qui testimonium dant in coelo:
Pater, verbum et Spiritus Sanctus.
Et hi tres unum sunt.
Sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Plena est omnis terra gloria eius.
Zwei Seraphim riefen einander zu:
Heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Alle Lande sind voll seines Ruhmes.
Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel:
Vater, Wort und Heiliger Geist.
Und diese drei sind eins.
Heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Alle Lande sind voll seines Ruhmes.
( Jesaja 6,2–3 und Johannes 5,7–8)
Psalmus 126 (127)
Psalm 126 (127)
Nisi Dominus aedificaverit domum,
in vanum laboraverunt
qui aedificant eam.
Nisi Dominus custodierit civitatem,
frustra vigilat qui custodit eam.
Vanum est vobis
ante lucem surgere;
surgite postquam sederitis,
qui manducatis panem doloris.
Cum dederit dilectis suis somnum.
Ecce, haereditas Domini filii,
merces, fructus ventris.
Sicut sagittae in manu potentis,
ita filii excussorum.
Beatus vir, qui implevit
desiderium suum ex ipsis,
non confundetur
Wenn der Herr nicht das Haus baut,
so arbeiten alle umsonst,
die daran bauen.
Behütet der Herr nicht die Stadt,
wacht vergebens, der sie behütet.
Vergeblich erhebt ihr euch
vor Tagesanbruch,
um hernach umso länger aufzusitzen,
ihr, die ihr das Brot mit Sorgen esst;
denn denjenigen, die er liebt, gibt er es im Schlafe.
Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn,
und die Leibesfrucht ist ein Geschenk.
Wie Pfeile in der Faust des Mächtigen,
so sind die Söhne der Jugendkraft.
Wohl dem Manne, der sein Verlangen
nach ihnen gestillt hat;
denn er wird nicht zuschanden,
- 286 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 287 -
cum loquetur
inimicis suis in porta.
Gloria Patri et Filio ...
wenn er sich mit seinen Feinden
am Tore auseinandersetzt.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne ...
Concerto
Concerto
Audi coelum, verba mea,
plena desiderio
et perfusa gaudio.
… audio.
Dic, quaeso, mihi:
qua est ista,
quae consurgens ut aurora rutilat,
ut benedicam?
… dicam.
Dic nam ista pulchra ut luna,
electa ut sol,
replet laetitia terras,
coelos, maria.
… Maria.
Maria virgo illa dulcis,
praedicta de propheta Ezechiel,
porta orientalis?
… talis.
Illa sacra et felix porta,
per quam mors fuit expulsa,
introduxit autem vita?
… ita.
Quae semper tutum est medium
inter homines et Deum,
Höre, o Himmel, meine Worte,
die voll Verlangen sind
und vor Freude überströmen.
Ich höre.
Sage mir, ich flehe dich an,
wer ist sie,
die leuchtend wie die Morgenröte aufgeht,
damit ich sie preise?
Ich werde es sagen.
Sprich, ist sie doch schön wie der Mond,
erlesen wie die Sonne,
erfüllt mit Freude den Erdkreis,
die Himmel und die Meere.
Maria.
Die Jungfrau Maria, jene liebliche,
geweissagt vom Propheten Ezechiel,
die Pforte des Ostens?
So ist sie.
Sie, die heilige, die gesegnete Pforte,
durch die der Tod vertrieben,
das Leben aber hereingeführt wurde?
So ist es.
Die immer sichere Vermittlerin
zwischen den Menschen und Gott,
- 288 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 289 -
pro culpis remedium?
… medium.
Omnes hanc ergo sequamur,
qua cum gratia mereamur
vitam aeternam. Consequamur!
… sequamur.
Praestet nobis Deus,
pater hoc et filius et mater
praestet nobis.
Pater hoc et filius et mater,
cuius nomen invocamus
dulce miseris solamen.
… amen.
Benedicta es, virgo Maria,
in saeculorum saecula.
das Heilmittel für unsere Schuld?
Die Vermittlerin.
Dann lasset uns alle ihr folgen,
durch deren Gnade wir
das ewige Leben erringen. Folgen wir ihr!
Wir folgen ihr.
Dazu helfe uns Gott,
der Vater, der Sohn und die Mutter
mögen uns helfen.
Vater, Sohn und Mutter,
deren Namen wir anrufen,
süßer Trost für uns Elende.
Amen.
Gesegnet seiest du, Jungfrau Maria,
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Psalmus 147
Psalm 147
Lauda, Jerusalem, Dominum,
lauda Deum tuum, Sion.
Quoniam confortavit
seras portarum tuarum:
benedixit filiis tuis in te.
Qui posuit fines tuos pacem
et adipe frumenti satiat te.
Qui emittet eloquium suum terrae:
Velociter currit sermo eius.
Qui dat nivem sicut lanam,
nebulam sicut cinerem spargit.
Mittit crystallum suam sicut buccellas.
Lobe, Jerusalem, den Herrn,
lobe deinen Gott, o Zion.
Denn er hat die Riegel
deiner Tore befestigt:
Er segnet deine Kinder in dir.
Er schafft deinen Grenzen Frieden
und sättigt dich mit bestem Getreide.
Er richtet sein Wort an den Erdkreis,
schnell wie der Blitz eilt sein Gebot.
Er schüttet Schnee aus, weiß wie Wolle,
Nebel, grau wie Asche, breitet er aus.
Er schleudert den Hagel wie Steine.
- 290 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 291 -
Ante faciem frigoris eius quis sustinebit?
Emittet verbum suum
et liquefaciet ea,
flabit spiritus eius
et fluent aquae.
Qui annuntiat verbum suum Jacob,
iustitias et iudicia sua Israel.
Non fecit taliter omni nationi,
et iudicia sua non manifestavit eis.
Gloria Patri et Filio ...
Wer kann seiner Kälte widerstehen?
Doch er spricht sein Wort
und lässt schmelzen Hagel und Schnee,
er lässt den Tauwind wehen,
und schon fließen die Gewässer.
Er verkündet Jakob sein Wort,
Israel sein Recht und sein Gesetz.
So hat er an keinem anderen Volk getan
und ihnen seine Gebote offenbart.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne ...
Sonata sopra Sancta Maria
Sonata sopra Sancta Maria
Sancta Maria, ora pro nobis.
Heilige Maria, bitte für uns.
Hymnus
Hymnus
Ave maris stella,
Dei Mater alma
atque semper virgo,
felix coeli porta.
Sei gegrüßt, du Stern des Meeres,
gütige Mutter Gottes
und immer Jungfrau,
selige Pforte des Himmels.
Sumens illud Ave
Gabrielis ore.
Funda nos in pace,
mutans Evae nomen.
Aus Gabriels Mund hast du
den Gruß vernommen.
Gib uns Frieden,
wende Evas Namen.
Solve vincla reis,
profer lumen caecis,
Löse die Sünder aus ihren Fesseln,
erleuchte die Blinden,
- 292 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 293 -
mala nostra pelle,
bona cuncta posce.
vertreibe unsere Gebrechen,
erwirke für uns alles Gute.
Monstra te esse matrem,
sumat per te preces,
qui pro nobis natus,
tulit esse tuus.
Erweise dich als unsere Mutter,
durch dich empfange unser Gebet,
der um unseretwillen
dein Sohn wurde.
Virgo singularis,
inter omnes mitis.
Nos culpis solutos,
mites fac et castos.
Auserkorene Jungfrau,
freundlich vor allen.
Erlöse uns von allen Sünden,
mach uns friedfertig und keusch.
Vitam praesta puram,
iter para tutum,
ut videntes Jesum
semper collaetemur.
Schenke uns ein reines Leben,
beschütze unseren Weg,
damit wir einst Jesus sehen
und uns allezeit freuen.
Sit laus Deo Patri,
summo Christo decus,
Spiritui Sancto
tribus honor unus.
Amen.
Lob sei Gott, dem Vater,
Ehre sei Christus, dem Allerhöchsten,
und dem Heiligen Geist,
Lob und Preis sei allen dreien.
Amen.
Magnificat
Magnificat
Magnificat anima mea Dominum
Meine Seele erhebt den Herrn,
et exultavit spiritus meus
in Deo salutari meo.
und mein Geist freut sich
in Gott, meinem Heiland.
- 294 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 295 -
Quia respexit humilitatem
ancillae suae.
Ecce enim ex hoc beatam
me dicent omnes generationes.
Denn er hat die Niedrigkeit
seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig
preisen alle Kinder und Kindeskinder.
Quia fecit mihi magna
qui potens est
et sanctum nomen eius.
Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist
und dessen Name heilig ist.
Et misericordia eius a progenie in
progenies timentibus eum.
Und seine Barmherzigkeit währet für und für
bei denen, die ihn fürchten.
Fecit potentiam in brachio suo,
dispersit superbos mente cordis sui.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und treibt die auseinander, die Hoffart in ihrem Herzen tragen.
Deposuit potentes de sede,
et exaltavit humiles.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen.
Esurientes implevit bonis
et divites dimisit inanes.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer.
Suscepit Israel puerum suum,
recordatus misericordiae suae.
Er gedenkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf.
Sicut locutus est ad patres nostros,
Abraham et semini eius in saecula.
Wie er geredet hat zu unseren Vätern,
zu Abraham und seinem Samen ewiglich.
Gloria Patri et Filio
et Spiritui Sancto.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne
und dem Heiligen Geiste.
- 296 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 297 -
Sicut erat in principio et nunc et semper
et in saecula saeculorum.
Amen.
- 298 - Trigonale 2012 – Programm
Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar
und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Trigonale 2012 – Programm - 299 -
Otto Kargl, geboren 1957 in der
Gaal bei Seckau, studierte von 1977 bis
1984 an der Hochschule für Musik und
darstellende Kunst in Graz Kirchenmusik,
Konzertfach Orgel und Instrumentalpädagogik. Er schloss sein Studium mit
Auszeichnung und einem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung ab.
Zwischen 1990 und 1993 besuchte er Interpretations-Seminare der Bachakademie und des Europäischen Musikfestes
in Stuttgart, wo er entscheidende Impulse hinsichtlich dirigiertechnischer Aspekte von John Eliot Gardiner beziehungsweise wissenschaftlicher Kompetenz von Peter Gülke erhielt,
vor allem aber die theologisch-spirituellen Dimensionen der
Geistlichen Musik durch Helmut Rilling erfuhr. Angeregt
wurde er auch in Kursen von Josef Mertin (Alte Musik) und
Godehard Joppich (Gregorianik).
1983 gründete Kargl gemeinsam mit Studienkollegen die cappella nova graz, die 1993 Preisträger beim EBU-Wettbewerb
war und 1997 den Ferdinand Grossmann-Preis für vorbildliche Interpretation zeitgenössischer Musik erhielt. Von 1984
bis 1992 war Kargl Regionalkantor der Diözese St. Pölten, seit
1992 ist er Domkapellmeister an der Kathedralkirche zu St.
Pölten, wo er die Domkantorei gründete und am Konservatorium für Kirchenmusik Gregorianik, Chordirigieren und
Chorsingen unterrichtet. Kargl ist seit 1992 künstlerischer
Leiter des Festivals Musica Sacra in Niederösterreich. 2004
erhielt er den Förderpreis der Landeshauptstadt St. Pölten für
Wissenschaft und Kunst.
- 300 - Trigonale 2012 – Programm
Kargls Repertoire reicht von der Gregorianik bis zu Werken
des 20. und 21. Jahrhunderts, er leitete unter anderem die
Uraufführungen von Bruno Strobls »Vesper« (1992), Christoph
Czechs Kantate »B.A.C.H.« (1996) und Thomas Daniel Schlees
»Der Baum des Heils« (1993), »Dann steht der Mandelbaum
in Blüte« (1995), »... und ich sah« (2003) sowie Franz Danksagmüllers »Passio« (2001). Er ist Jurymitglied bei Kompositions- und Chorwettbewerben sowie Leiter von Werkwochen für Kirchenmusik in Salzburg und Brixen.
2001 folgte er einer Einladung zum Festival für Alte Musik
nach Finnland, wo er mit großem Erfolg ein deutsches Barockprogramm mit dem Rundfunkchor Helsinki erarbeitete,
das im finnischen Rundfunk direkt übertragen wurde. Nach
Presseberichten war mit dem Chor »ein Wunder geschehen.
Niemals ist der Klang so warm und hell gewesen, niemals hat das
Ensemble so miteinander gelebt.«
Mit den Ensembles der Dommusik und der cappella nova graz
machte Kargl zahlreiche Rundfunkaufnahmen und CDProduktionen, unter anderem in der Edition für Alte Musik
des ORF.
Die Domkantorei St. Pölten wurde 1992 von Domkapellmeister Otto Kargl gegründet. Es handelt sich um ein
Spezialensemble, das unter besonderer Bedachtnahme auf
Stilsicherheit, Stimmhomogenität, Präzision und Intonation – auch in historischen Stimmungen – geführt wird und
sich längst einen Spitzenplatz in der heimischen Chorszene
ersungen hat.
Trigonale 2012 – Programm - 301 -
Die rund zwanzig Mitglieder beschäftigen sich vorwiegend
mit Musik bis 1800 sowie mit zeitgenössischer Chorliteratur. Neben dem liturgischen Dienst an der Kathedralkirche zu
St. Pölten kommt das Ensemble einer regen Konzerttätigkeit
nach.
Zum Repertoire zählen die A-cappella-Literatur des 16. sowie die Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts. Mit dem Ensemble Private Musicke musizierte die Domkantorei Werke
wie beispielsweise die »Musicalischen Exequien« von Heinrich Schütz und »Membra Jesu nostri« von Dietrich Buxtehude. Weitere Höhepunkte bilden auch Uraufführungen zeitgenössischer Komponisten wie Christoph Czech und Michael
Radulescu sowie Rundfunk- und CD-Aufnahmen in Zusammenarbeit mit dem ORF. Die Interpretationen alter, aber
auch zeitgenössischer Kirchenmusik wecken stets aufs Neue
das Interesse der Musikwelt.
Gemeinsam mit der cappella nova graz, dem Barockorchester
Solamente Naturali Bratislava und dem L'Orfeo Barockorchester werden seit Ende der 1990er Jahre große kirchenmusikalische Chor-Orchesterwerke erarbeitet, darunter Johann
Sebastian Bachs »Johannes-« und »Matthäuspassion« sowie
die »Messe in h-Moll«, Georg Friedrich Händels »Messiah«,
»Alexander's Feast«, »Joshua«, »Solomon« und »Israel in
Egypt«, Joseph Haydns »Schöpfung« sowie »Requiem« und
»Messe in c-Moll« von Wolfgang Amadeus Mozart. Viele dieser Konzerte wurden vom ORF aufgenommen. In der kommenden Saison stehen Bachs »Weihnachtsoratorium« und
Anton Bruckners »Messe in e-Moll« auf dem Programm.
- 302 - Trigonale 2012 – Programm
Die Hauptintention der Cappella Nova Graz, gegründet 1983, ist die Auseinandersetzung mit der musikalischen
Sprache verschiedener Komponisten, um höchste Klangintensität und Aussagekraft in der Interpretation zu erreichen.
Bewusst stellt der künstlerische Leiter Otto Kargl immer
wieder geistliche Musik bis 1800 zeitgenössischen Werken
gegenüber.
Das Ensemble war Gast bei renommierten Musikfestivals
wie den Eggenberger Schlosskonzerten in Graz, der Musica Sacra Linz, den Oberösterreichischen Stiftskonzerten, dem Aschermittwoch der Künstler in der Wiener Michaelerkirche, dem Festival Musica Sacra in St. Pölten, der Brixner Initiative Musik
und Kirche, den Internationalen Barocktagen Stift Melk, dem
Attergauer Kultursommer, den Abendmusiken in Graz-Mariahilf sowie dem Carinthischen Sommer.
Durch seine konsequente und kompromisslose musikalische
Arbeit ist das Ensemble schon seit einigen Jahren ein Begriff
für »erstklassige Vokalkultur« (Neue Zeit). 1993 war die cappella nova graz Preisträger beim Chorwettbewerb der Union
europäischer Rundfunkanstalten (EBU), 1997 wurde ihr der
Ferdinand Grossmann Preis zuerkannt. Für die Aufführung
von Thomas Daniel Schlees Oratorium »und ich sah« erhielt
das Ensemble 2005 bei einem Kultur-Ranking der Tageszeitung Die Presse Gold.
Trigonale 2012 – Programm - 303 -
Florian Ehrlinger, geboren in Ober-
österreich, begann bereits in frühen Jahren
seinen musikalischen Werdegang. So war
er als Knabensolist, in der Titelrolle des
Musicals »Oliver Twist« von Lionel Bart,
am Linzer Landestheater zu sehen.
Es folgte ein Gesangsstudium bei Andreas Lebeda sowie bei
KS Adele Haas und Prof. Annamaria Rott an der Universität
für Musik und darstellende Kunst Wien. Weiters absolvierte er
den Operettenlehrgang am Konservatorium Wien bei Wolfgang Dosch. Bei Auftritten arbeitete er unter anderem mit
dem Bach Consort Wien, dem Concerto Stella Matutina, dem
Ensemble Leopoldina oder der capella incognita zusammen.
Konzerte im Rahmen eines Symposiums bei Wien modern,
beim Konzert der Freunde der Wiener Staatsoper im Herbert v.
Karajan Centrum, bei einem Operettenabend im Konzerthaus
Wien, beim Liszt Festival in Raiding, bei den Tiroler Festspielen Erl oder auch beim Kammermusikfest in Lockenhaus
runden sein breit gefächertes Repertoire ab. Er ist Mitglied
zahlreicher Spezialensembles, wie dem Vokalquartett 4sam,
der Company of music oder dem Origen-Ensemble. Bei Liederabenden in der Schweiz, Italien oder Deutschland stellte er
sein Können unter Beweis. Zu seiner Bühnenerfahrung zählen unter anderem Partien vom Buffo bis zum Charaktertenorfach. Zuletzt verkörperte er zum Beispiel den Oronte in
Händels Barockoper »Alcina«, den Pappacoda in der »Nacht
in Venedig«, den Alfred in »The little Sweep« von Benjamin
Britten, den Don Basilio in »Figaros Hochzeit«, den Casscada
und den Raul de St. Brioche in der »Lustigen Witwe« oder die
Knusperhexe in E. Humperdincks »Hänsel und Gretel«. Neben
- 304 - Trigonale 2012 – Programm
seinem künstlerischen Schaffen wirkt er als Gesangspädagoge in Wien und unterrichtet regelmäßig bei Gesangskursen.
Lukas Kargl, Bariton, wurde in der
Steiermark geboren und begann sein
Gesangsstudium an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien und
schloss 2008 mit dem »Master of Music« im Opernkurs der GSMD (Guildhall
School of Music and Drama) bei Rudolph Piernay in London
ab. Er besuchte Meisterkurse von Helmut Deutsch, Christian
Gerhaher, Graham Johnson, Martin Katz, Emma Kirkby und
John Tomlinson.
Lukas ist »Samling Scholar« und »Britten-Pears Young Artist«, erhielt den Youngsters of Art-Hauptpreis der Stadt St.
Pölten und wurde mit dem Patrick Libby-Preis der GSMD
ausgezeichnet. 2007 war er Semifinalist beim Internationalen
Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie in Stuttgart
und 2008 Semifinalist beim Wettbewerb Das Lied in Berlin.
2009 debütierte Lukas Kargl mit der Rolle des Phoebus in
Purcells »Fairy Queen« unter William Christie beim Glyndebourne Opernfestival und bei den BBC Proms.
Auf der Opernbühne sang er die Titelrolle (Mozart, »Don
Giovanni«) mit La Fabrique Opera in Grenoble, Guglielmo
(Mozart, »Cosí fan tutte«) mit Clonter Opera, Polyphemus
(Händel, »Acis and Galatea«) mit New European Opera, Dancaïro (Bizet, »Carmen«) bei den Schlossfestspielen Zwingenberg,
Sam (Bernstein, »Trouble in Tahiti«) im Wiener Musikverein,
Badger/Priest (Janacek, »Cunning Little Vixen«) und Lorenzo
Trigonale 2012 – Programm - 305 -
(Bellini, »I Capuleti e i Montecchi«) im Schlosstheater Schönbrunn; Papageno (Mozart, »Die Zauberflöte«), Graf (Strauss,
»Capriccio«), Bobinet (Offenbach, »La vie parisienne«) und Don
Parmenione (Rossini, »L'occasione fa il ladro«) an der GSMD;
Als Lied und Konzertsänger war er in der Barbican Hall, St.
John's Smith Square und Cadogan Hall in London, beim Oxford Liederfestival, beim Aldeburgh Oster Festival, in L'Abbaye
de Fontevraud, im Wiener Musikverein, im Festspielhaus St. Pölten, im Linzer Brucknerhaus, im Orlandosaal in München, bei
den Mozartwochen in Bratislava und beim Skupina Festival in
Postojna zu hören.
Ulfried Staber wurde in Fohnsdorf in
der Steiermark geboren. In der örtlichen
Musikschule erhielt er seine erste musikalische Ausbildung auf der Violine und
am Klavier. 1995 begann er an der Universität für Musik und darstellende Kunst
Graz das Lehramtsstudium für Musik. Im Rahmen dieses
Studiums bekam er erstmals Gesangsunterricht bei Elisabeth
Batrice und begann 1998 ein Gesangspädagogikstudium bei
Martin Klietmann, das er im Juni 2005 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Während seines Studiums entdeckte er
die Liebe zur Chormusik. Er war Mitglied der Domkantorei
Graz, cantus, cappella nova und anderen Chören und Ensembles mit denen er in ganz Europa und Asien viele Konzerte bei
verschiedensten Festivals bestreiten durfte.
Seine solistische Konzerttätigkeit erstreckt sich auf ganz Österreich, Italien und Deutschland, wo er u.a. die Oratorien
- 306 - Trigonale 2012 – Programm
sowie zahlreiche Kantaten von Bach, »Die Schöpfung« von
Haydn oder die »Marienvesper« von Monteverdi sang.
Auftritte im Rahmen zahlreicher Festivals, u.a. styriarte, Carinthischer Sommer, trigonale, Feste musicale per S.Rocco/Venedig, la strada, Psalm 2003, Ecchi Lontani Cagliari.
Er ist Mitglied des Renaissance-Vokalensembles Cinquecento,
das sich mit der Vokalpolyphonie des 16. Jh. beschäftigt
(zahlreiche preisgekrönte CD-Erscheinungen bei hyperion),
sowie des Männerquartetts schnittpunktvokal, welches seinen
Bogen vom Kärntnerlied über Auftragskompositionen bis hin
zur Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Wolfgang Puschnig spannt (Pasticciopreis Jänner 2007, Hans Koller Preis 2007
mit W. Puschnig). Er arbeitet immer wieder mit verschiedenen
Ensembles wie Weserrenaissance (M. Cordes), dem Clemencic
Consort, dem Huelgas Ensemble (P. van Nevel) oder dem Balthasar Neumann Chor (Th. Hengelbrock) zusammen.
Christine Maria Rembeck ist in
Bayern geboren und aufgewachsen und
erhielt schon als Kind eine vielseitige
musische und musikalische Ausbildung
in Tanz, Gesang, Klavier und Blockflöte.
Nach dem Abitur folgte ein Studium im
Fach »Rhythmik« (Musik- und Bewegungserziehung) an der
Musikhochschule in Wien. Die intensive Beschäftigung mit
freier Improvisation sowie mit instrumentaler Lied- und Bewegungsbegleitung zählten zu den Studienschwerpunkten.
Zeitgleich studierte sie Blockflöte, die ihre Begeisterung für
die Literatur des Früh- und Hochbarock entfachte.
Trigonale 2012 – Programm - 307 -
Ihrer großen Liebe – dem Gesang – folgend, absolvierte Christine Maria Rembeck ein Gesangsstudium mit dem Schwerpunkt »Musik des 17./18. Jahrhunderts« an der Musikhochschule in Leipzig. Es folgten Meisterkurse und weitere
Studien in London bei Jessica Cash, in Paris am Conservatoire
Supérieur National und in Dresden bei Karin Mitzscherling.
Als freischaffende Sängerin ist CMR heute eine gefragte Sopranistin für die Musik der Renaissance, des (Früh-)Barocks
und der Frühklassik. Ihr künstlerisches Schaffen zeigt sich
in der Zusammenarbeit mit international renommierten Ensembles, in zahlreichen CD- und Rundfunkaufnahmen sowie auch in Solokonzerten, in denen sie sich selbst am Klavier
begleitet und mit eigenen Lied-Arrangements und Kompositionen präsentiert.
Andrea Oberparleiter, die Südtiro-
ler Sopranistin, wuchs in einer Familie
auf, in der das Singen und Musizieren in
vielfältiger Weise gepflegt wurde. Neben
Kirchenmusik und mehrstimmigem
Volkslied gehörten auch Gospel und Jazz
am Tiroler Landeskonservatorium, welches sie 2011 ebenfalls
mit Auszeichnung abschloss.
Meisterkurse bei Prof. Kurt Widmer und KS Brigitte Fassbaender rundeten ihre Ausbildung ab.
2009 begann sie zusätzlich zum Gesangsstudium ein Diplomstudium in Komposition und Musiktheorie bei Prof. Franz
Baur am Tiroler Landeskonservatorium. Einige ihrer Kompositionen wurden bereits im Rahmen von Rundfunkaufzeichnungen aufgeführt (z.B. Mini-A-Touren).
Neben ihrer solistischen Tätigkeit im Rahmen von Messen
und Oratorien in Österreich und Italien gibt sie regelmäßig
Liederabende und Kirchenkonzerte. Weiters gehören Uraufführungen und Interpretationen zeitgenössischer Werke (z.B.
»White Foam«, Wolfgang Mitterer, Ensemble Novo Sono) zu
ihrem Repertoire.
Als freischaffende Künstlerin ist sie zurzeit in verschiedenen
professionellen Ensembles wie RIAS Kammerchor, MDR
Rundfunkchor, Trinity Baroque, Zürcher Sing-Akademie und
Capella Wilthinensis europaweit tätig.
Julian Podger begann seine Laufbahn
zum Repertoire.
Nach der Matura ergriff sie zunächst einen kaufmännischen
Beruf, entschied sich dann aber für ein klassisches Gesangspädagogikstudium mit Schwerpunktfach Jazz- und Popularmusik bei Prof. Karlheinz Hanser, BA Martin Senfter und
Stephan Costa am Mozarteum Salzburg.
Nach ihrem Abschluss mit Auszeichnung 2008 folgte das
Diplomstudium Lied/Oratorium bei Mag. Sébastièn Soules
als Leiter und Dirigent während seiner
Schulzeit in Kassel. Er erhielt 1987 ein
Stipendium für das Trinity College in
Cambridge, wo er sein Ensemble Trinity
Baroque gründete, das ihm auch bei seinem Studium der historischen Aufführungspraxis half. Inzwischen leitet er in ganz Europa Projekte und ist als Gastdirigent und Dozent tätig.
- 308 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 309 -
Als Sänger ist Julian Mitglied mehrerer renommierter Ensembles, u.a. Gothic Voices und The Harp Consort. Als Solist
ist er besonders gefragt als Evangelist in den Passionen von
Bach, Telemann und Schütz. Weiters ist er regelmäßig in den
Hauptrollen von frühen Opern zu sehen. Höhepunkte seiner bisherigen Laufbahn waren Projekte mit Andrew Parrott,
John Eliot Gardiner (Bach Cantata Pilgrimage) und als Ulisse
(Monteverdi) mit dem Ricercar Consort und der Handspring
Puppet Company.
Nils Giebelhausen, Tenor, studierte
Gesang bei Hanno Blaschke (München),
Anna Maria Castiglioni (Mailand) und Wilfried Jochens (Hamburg). Meisterkurse bei
Barbara Schlick ergänzten seine Ausbildung.
Bereits 1992 war er Preisträger beim Gesangswettbewerb des Deutschen Tonkünstlerverbandes.
1998 gab er in Rimini sein Operndebüt in A. Draghis Barockoper »La patienza di Socrate con due mogli« unter derLeitung von Alan Curtis. Im Frühjahr 2000 wirkte er dann
an der Bayerischen Staatsoper in München in C. Monteverdis
»Orfeo« als Pastore mit. 2004 sang er bei den Tagen alter Musik in Bamberg den Blifil in F.-A. Philidors Oper »Tom Jones«.
Auch als Oratorientenor ist er in ganz Deutschland zu hören,
sein besonderes Interesse gilt dabei Bachs Oratorien und Passionen. Konzertreisen führten ihn bisher auch nach Italien,
Frankreich, Spanien, Dänemark, Belgien, Österreich und
in die Niederlande, Ungarn, Kanada und Japan. Außerdem
singt er auf dem Gebiet der »Alten Musik« regelmäßig in
- 310 - Trigonale 2012 – Programm
Ensembles wie dem Balthasar-Neumann-Chor, Trinity Baroque, Himlische Cantorey, dem Johann-Rosenmüller-Ensemble,
Chapelle Rhenane sowie dem Orlando di Lasso-Ensemble und
arbeitet mit Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Frieder Bernius und Peter Neumann zusammen.
Les Cornets Noirs
Spezialisiert auf die Musik des italienischen und deutschen
Frühbarocks, hat sich das Instrumentalensemble Les Cornets
Noirs in der jüngeren Vergangenheit international einen Namen gemacht.
Die sechs Musiker unterschiedlicher Herkunft haben sich
während gemeinsamer Studienjahre an der Schola Cantorum
Basiliensis, dem Lehr- und Forschungsinstitut für Alte Musik
an der Musikakademie Basel, kennen gelernt und seither ihr
gemeinsames Interesse für die Musik des 17. Jahrhunderts in
kontinuierlicher Arbeit weiterentwickelt. Dabei beschäftigt
sich das 1997 von Gebhard David und Bork-Frithjof Smith
gegründete Ensemble vor allem mit der Solo- und Ensembleliteratur für den Zink (ital. »cornetto«, frz. »cornet«, aufgrund
seiner Lederumwicklung auch »schwarzer Zink« genannt),
der in dieser Epoche südlich und nördlich der Alpen seine
Blütezeit erlebte.
Les Cornets Noirs sind Preisträger des concours musica antiqua
beim Festival van Vlaanderen, Brugge, 2000. Seither konzertierte das Ensemble bei Festivals in der Schweiz, in Österreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Frankreich, Italien
Trigonale 2012 – Programm - 311 -
und Portugal sowohl mit eigenen Programmen als auch in
Zusammenarbeit mit Vokalensembles in Aufführungen groß
besetzter Musik des Frühbarocks wie der »Marienvesper«
von Claudio Monteverdi oder der geistlichen Musik von Giovanni Gabrieli, Heinrich Schütz und deren Zeitgenossen.
2004 konnten Les Cornets Noirs der Öffentlichkeit eine erste
CD vorstellen (»O dilectissime Jesu« – Motetten und Sonaten von Giovanni Legrenzi; Monika Mauch & Les Cornets
Noirs, Edition Alte Musik ORF) und sich über große Zustimmung bei Publikum und Presse freuen. 2009 ist bei audite unter dem Titel »Echo & Risposta« eine zweite Aufnahme des
Ensembles erschienen, ein abwechslungsreiches Programm
mit doppelchöriger Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts,
aufgenommen an den historischen Bossard-Orgeln der Klosterkirche Muri (Schweiz).
- 312 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 313 -
- 314 - Trigonale 2012 – Programm
Trigonale 2012 – Programm - 315 -
Unsere Verkaufsstellen
Buchhandlung Heyn
Kramergasse 2 – 4, 9020 Klagenfurt
Kärntner Buchhandlung
Am Weiher 7, 9400 Wolfsberg
Buchhandlung Hermagoras
Viktringerring 26, 9020 Klagenfurt
Trafik Kohlweg
Hauptstraße 3, 9063 Maria Saal
Kärntner Buchhandlung
Neuer Platz 14, 9020 Klagenfurt
Alpen-Adria-Universität
Abteilung Musikwissenschaft, Raum I.1.36 (Nordtrakt),
Universitätsstr. 65 – 67, 9020 Klagenfurt
Kärntner Buchhandlung
8. Mai Platz 3, 9500 Villach
Landhaus Buchhandlung
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Buchhandlung Besold
Hauptplatz 14, 9300 St. Veit/Glan
Buchhandlung Nest
Hauptplatz 2, 9800 Spittal/Drau
Kleintierpraxis Dr. Ladstätter
Gailtalstraße 33, 9620 Hermagor
Buchhandlung – Galerie Magnet
Hauptplatz 6, 9100 Völkermarkt
- 316 - Trigonale 2012 – Anhang
Für Kelag-Pluskunden gelten die üblichen Ermäßigungen
(siehe Kelag-PlusClub-News). Online ist die Bezahlung ausnahmslos nur mit Kreditkarte möglich. Bei Online-Buchung
erhalten Sie eine Bestätigung per E-mail, die Karten liegen
dann an der Konzertkasse für Sie bereit.
Trigonale 2012 – Anhang - 317 -
Das Landesmuseum Kärnten
im Überblick 2012
Landesmuseum Kärnten – Rudolfinum
Museumgasse 2, 9021 Klagenfurt am Wörthersee
T +43 (0)50 536-30599
Entdecken Sie in Kärntens größtem Museum einzigartige
Natur- und Kunstschätze zur Kärntner Landeskunde. Unzählige Exponate der ständigen Sammlung zeichnen in über
30 Schauräumen die Kärntner Natur- und Kulturgeschichte
nach. Wechselnde Themen- und Sonderausstellungen setzen
aktuelle Akzente. Erleben Sie Forschung in 10 Disziplinen
und Wissenschaft zum Angreifen im Landesmuseum Kärnten – Rudolfinum!
Unter dem Dach »Landesmuseum Kärnten« versammeln
sich neben dem Haus am Klagenfurter Viktringer Ring (Rudolfinum) und dem Großen Wappensaal im Landhaus Klagenfurt auch das Kärntner Botanikzentrum am Fuße des Kreuz- 318 - Trigonale 2012 – Anhang
bergls mit dem sehenswerten botanischen Garten und dem
Kärntner Landesherbar, der Archäologische Park Magdalensberg,
eine der größten und bedeutendsten Ausgrabungsstätten im
Ostalpenraum, und das Römermuseum Teurnia bei Spittal/
Drau mit dem berühmten frühchristlichen Mosaikboden.
Das Landesmuseum Kärnten steht außerdem vielen Institutionen mit wissenschaftlicher Fachkompetenz zur Seite, dem
Freilichtmuseum Maria Saal etwa, oder dem Museum Globasnitz, den Ausgrabungen am Hemmaberg oder auch der Keltenwelt Frög bei Rosegg.
Wappensaal im Landhaus Klagenfurt
Landhaushof, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
T +43 (0)463 57757-215
Der Wappensaal im Landhaus zählt mit seinen 665 Wappen
und dem Fürstenstein zu den wichtigsten Zeitzeugen des
Trigonale 2012 – Anhang - 319 -
Landes. Josef Ferdinand Fromiller, der bekannteste Kärntner
Barockmaler, hat die Wappen in handwerklicher Präzision
und barocker Üppigkeit für unzählige Fürsten und Adelshäuser gemalt und damit einen der schönsten und eindrucksvollsten Säle des Landes geschaffen.
Das Landhaus in Klagenfurt entspricht in seiner Gesamtkonzeption dem Kunstwollen des 16. Jahrhunderts und beeindruckt durch seine renaissancezeitliche Architektur. Nach
einem Brand im Jahr 1723 hat Kärntens bedeutendster Barockmaler Josef Ferdinand Fromiller (1693 – 1760) die bis
heute erhaltene künstlerische Ausstattung geschaffen. Im
großen Wappensaal geben die Wandfresken mit historischen
Darstellungen, das Deckenfresko und die über 665 Wappen
eindrucksvoll Zeugnis von der Macht und dem Einfluss der
Kärntner Landstände. Hier wird auch der Fürstenstein, eines
der ältesten Rechtsdenkmäler Europas, präsentiert. Von Fromiller stammen ebenfalls die Wandmalereien im kleinen Wappensaal, der bis heute als Beratungs- und Sitzungssaal des
Kärntner Landtags dient. Der Rundgang führt weiter in den
großen Plenarsaal mit den Kärntner Volksabstimmungsfresken von Switbert Lobisser aus dem Jahre 1928 und mit einer
farbenprächtigen Darstellung der Karte mit den Grenzen des
Landes Kärnten des Malers Karl Brandstätter. Darüber hinaus hat die Kärntner Künstlerin Gudrun Kampl für das Foyer zwei Wandteppiche gestaltet. Besonders sehenswert ist
der vom zeitgenössischen Künstler Cornelius Kolig rekonstruierte Anton-Kolig-Saal. Die originalen Fresken von Anton
Kolig aus dem Jahre 1930 wurden zur Zeit des Nationalsozialismus abgeschlagen und zur Gänze zerstört.
- 320 - Trigonale 2012 – Anhang
Kärntner Botanikzentrum
Prof.-Dr.-Kahler-Platz 1, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
T +43 (0)463 502715
Das Kärntner Botanikzentrum, bestehend aus Botanischem
Garten, Kärntner Landesherbar und einer Fachbibliothek,
liegt am Fuße des Kreuzbergls im historischen Steinbruch
der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee. BesucherInnen durchwandern im Botanischen Garten die faszinierende Pflanzenwelt Kärntens, ergänzt durch Besonderheiten aus
aller Welt. Schwerpunkte des Gartens sind die Erhaltung seltener oder bedrohter Arten, Forschung, Beratung, Bildung
und Erholung. Zusätzlich wird jährlich ein »Index Seminum« für den internationalen Austausch von Jungpflanzen
und Samen herausgegeben. Zu den Highlights des Gartens
zählen neben der beeindruckenden Felskulisse mit dem Alpinum eine Wasserlandschaft mit Wasserfall, Bach und Teich,
das Sukkulentenquartier sowie der Bauerngarten mit zum
Teil in Blindenschrift ausgeführten Beschriftungstexten.
Trigonale 2012 – Anhang - 321 -
Das Kärntner Landesherbar beherbergt neben dem ältesten
Herbarium in Kärnten, dem Herbarium Vivum aus dem Jahre
1752, eine ganze Reihe wertvoller Sammlungen. Es befinden
sich hier 180.000 Belege von getrockneten und präparierten
Blütenpflanzen, Farnen und Schachtelhalmen, Algen, Moosen, Flechten und Pilzen. Sie dienen zur Erforschung und
Dokumentation der Pflanzenwelt und ihrer Veränderungen.
Weiters besitzt das Kärntner Landesherbar bedeutende Sondersammlungen: historische Belegsammlungen, Fixierungen,
Früchte und Zapfen, Biografien, historische wissenschaftliche Instrumente, ethnobotanische Objekte und Dias. Zusätzlich ist hier eine umfassende Dokumentation vorwiegend
von Pflanzenfossilien aus Kärnten untergebracht. Schwerpunkte des Herbars sind Forschung, Dokumentation, Datenbereitstellung sowie Wissensvermittlung und die Herausgabe
der internationalen Fachzeitschrift »Wulfenia«. Als Grundlage für sämtliche Arbeiten in Herbarium und Garten dient
die umfangreiche Bibliothek mit über 30.000 Büchern, Zeitschriftenheften und Fachbeiträgen.
Sommervorträge zu einem aktuellen Thema im Botanischen
Garten: Die Sommervorträge im Botanischen Garten des
Kärntner Botanikzentrums haben bereits Tradition! Von Mai
bis Ende September, jeweils mittwochs um 17 Uhr, haben Sie
die Gelegenheit, Wissenswertes, Interessantes und Spannendes zu vielfältigen und stets aktuellen Themen aus der
Welt der Botanik zu erfahren. Die Veranstaltungen finden
bei jedem Wetter statt! Eintritt frei!
- 322 - Trigonale 2012 – Anhang
Archäologischer Park Magdalensberg
Magdalensberg 15, 9064 Pischeldorf
T +43 (0)4224 2255
Besuchen Sie mit dem Archäologischen Park Magdalensberg
eine der größten römerzeitlichen Ausgrabungsstätten des
Ostalpenraumes. Seit über 60 Jahren wird das einstige Wirtschaftszentrum freigelegt und restauriert. Auf dem geschichtsträchtigen Gelände begegnen Sie dem Jüngling vom
Magdalensberg und vielen weiteren Funden, die vom römischen Leben in der Stadt auf dem Magdalensberg zeugen.
Inneralpine Kelten versuchten 186 v. Chr. im Raum des späteren Aquileia eine befestigte Siedlung zu gründen, wurden
jedoch von den Römern vertrieben. Die Funde auf dem Magdalensberg zeigen einen Beginn der Besiedlung ab ca. 50 v.
Chr. Das Ausmaß einer keltischen Siedlung, in der sich italische Händler niederließen, ist noch nicht bekannt. Im Jahr
15 v. Chr. besetzten die Römer das Königreich Noricum und
bauten das Zentrum des okkupierten Gebietes und des Handels zur ersten Hauptstadt der Provinz aus. Auf dem Gipfel
Trigonale 2012 – Anhang - 323 -
des Berges entstand ein weithin sichtbarer Tempel mit Hallen und Gebäuden, die für den Betrieb eines zentralen Heiligtums notwendig waren. Die Dimensionen des Kultplatzes
lassen sich mit großen Anlagen des Mittelmeerraumes vergleichen. Um Christi Geburt wurde der Gottheit u.a. die
Bronzestatue eines Jünglings von zwei Freigelassenen gestiftet, die 1502 entdeckt wurde und in der napoleonischen Zeit
verloren ging. Sie blieb uns aber in einem Abguss des 16.
Jahrhunderts im Kunsthistorischen Museum in Wien erhalten.
Mit der Verlagerung der Verwaltung in die neu gegründete
Stadt Virunum im Zollfeld endete das rege Leben auf dem
Magdalensberg gegen 50 n. Chr.
Römermuseum Teurnia
St. Peter in Holz 1a, 9811 Lendorf bei Spittal/Drau
T +43 (0)4762 33807
Der archäologische Park umfasst vier Hektar und zeigt mit
seinen Ruinen wesentliche Bereiche der einstigen Stadt: eine
Marktbasilika, in der Amts- und Handelsgeschäfte abgewickelt wurden, einen Tempel des Kaisers Augustus und der
Stadtgöttin Roma, das sogenannte Händlerforum, Handwerkerviertel, Badeanlagen und eine amtliche Werkstätte zur
Fertigung von Goldbarren. Eindrucksvoll wird auch die Produktion von Werkzeugen aus norischem Stahl dargestellt, der
in der römischen Welt berühmt war. Eine ansässige Bildhauerwerkstatt hinterließ zahlreiche Zeugnisse ihrer Kunst. Die
Wandmalereiausstattung von offiziellen und privaten Gebäuden führten Spezialisten aus dem Süden aus.
Der Siedlungshügel von St. Peter in Holz war bereits seit 1200
v. Chr. besiedelt, als im 3. Jahrhundert v. Chr. die Kelten an
Einfluss gewannen. Nach der römischen Besetzung im Jahr
15 v. Chr. erhielt die Siedlung Teurnia mit ihrem großen Verwaltungsbezirk gegen 50 n. Chr. das Stadtrecht. Zahlreiche
öffentliche und private Bauten entstanden. Um 400 ließ der
Bischof der Stadt eine Kirche errichten, während die staatliche Verwaltung für die Befestigungsmauer der neuen Hauptstadt der Provinz Noricum in der Zeit der Völkerwanderung
sorgte. Nach 488 war Teurnia auch der Sitz des Militärkommandanten der Provinz, der auch als Stifter des berühmten
Mosaiks in der Friedhofskirche auftritt. Um 610 endete mit
der Einwanderung der Slawen das rege Leben der Stadt. Im
9. Jahrhundert wurde der Hügel neuerlich besiedelt, eine Kirche errichtet und ringsum die Toten bestattet.
Das neue Römermuseum liegt im Mittelpunkt der antiken
Stadt Teurnia und ist modern, besucherfreundlich und nach
- 324 - Trigonale 2012 – Anhang
Trigonale 2012 – Anhang - 325 -
museumspädagogischen Gesichtspunkten gestaltet. Marmorbildwerke, Inschriften, Schmuck, Waffen, Werkzeuge,
Münzen usw. sind im Römermuseum nach kulturhistorischen
Themen geordnet und erzählen uns von Gesellschaft, Alltagsleben und Kunst der Römer und Kelten. Ein anspruchsvoller Schutzbau überspannt die älteste Bischofskirche Österreichs, die ein besonderes Zeugnis des frühen Christentums
darstellt. Außerhalb der Stadt befindet sich die Friedhofskirche mit dem berühmten Mosaikboden aus der Zeit um 500
n. Chr. Mit seinen plakativen Tiergleichnissen spiegelt das
Mosaik die Gedankenwelt der frühen Christen wider. Aufgrund seiner Gestaltung und einmaligen Aussagekraft ist es
zum Weltkulturerbe zu rechnen.
Institut für Kärntner Volkskunde
Domplatz 3, 9063 Maria Saal
T +43 (0)4223 3166
Bibliothek mit umfangreicher volkskundlicher Fachliteratur
(ca. 38.000 Werke) aus dem Nachlass von Prof. Dr. Oskar
Moser (1914 – 1996), welche mittels Datenbank erfasst ist
und die Volkskultur mit all ihren Themenschwerpunkten dokumentiert. Eine Photo- und Diathek ergänzt die Dokumentation der europäischen Volkskunde sehr anschaulich.
Durch Kooperationen mit universitären Einrichtungen wie
der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und dem Volkskundeinstitut der Karl-Franzens-Universität Graz bietet das Institut eine Plattform für Studenten und Fachkollegen zur Unterstützung fundierter wissenschaftlicher Arbeit. Seit der
Zeit seiner Gründung wird ein langfristig geplantes Projekt
zur systematischen Erfassung der aktuellen Bausubstanz im
ländlichen Raum durchgeführt und in Datenbanken gespeichert. Durch die Visualisierung der erhobenen Daten in thematischen Karten können Siedlungsstrukturen, die Einhaltung von Bebauungsplänen und Dorfentwicklungstrends
anschaulich dargestellt werden.
Das dem Institut angeschlossene Möbelmuseum mit Bauerntruhen und Kästen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert gibt
einen einmaligen Einblick in die Wohnkultur und Volkskunst des Landes.
In der ehemaligen Propstei in Maria Saal befindet sich seit
1992 das Institut für Kärntner Volkskunde als Außenstelle des
Landesmuseums für Kärnten. Am Institut befindet sich eine
Das nahegelegene Freilichtmuseum Maria Saal als ältestes
Museum seiner Art in Österreich beherbergt bäuerliche
Haus- und Hofformen aus den verschiedensten Landesteilen,
welche einen Einblick in die Wohn- und Wirtschaftsweise
vergangener Zeiten ermöglichen. Neben den interessanten
Bauernhäusern wird dem Besucher auch das bäuerliche
- 326 - Trigonale 2012 – Anhang
Trigonale 2012 – Anhang - 327 -
Handwerk im sogenannten »Industriegelände« vor Augen
geführt. Eine ländliche Gaststätte sorgt für das leibliche
Wohl der Gäste. Im Rundgang durch das Kärntner Freilichtmuseum ist auch ein Naturlehrpfad integriert, welcher den
Besucher mit landestypischen Pflanzen und deren Lebensräumen vertraut macht.
- 328 - Trigonale 2012 – Anhang
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Trigonale 2012 – Anhang - 329 -
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Trigonale 2012 – Anhang - 331 -
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Michael Wersin: Schubert hören
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Anhand aussagekräftiger Beispiele (u. a. Erlkönig, Winterreise, Unvollendete) und exemplarisch vertiefender Analysen der Schubertschen Tonsprache erschließt Wersin auf seiner
Entdeckungsreise auch für den musikalischen Laien die Bedeutung dieses großen Komponisten des frühen 19. Jahrhunderts. Die analytischen Betrachtungen werden eingebettet in
zeitgeschichtliche Zusammenhänge und um Einblicke ins
Biografische ergänzt.
Michael Wersin, geb. 1966, ist Dozent für kirchenmusikalische
Fächer in St. Gallen. Er lehrt außerdem in Augsburg und
Luzern, tritt als Sänger und Continuo-Organist mit verschiedenen Profi-Ensembles auf und schreibt als Musikjournalist u. a. für das Klassikmagazin RONDO.
- 332 - Trigonale 2012 – Anhang
Trigonale 2012 – Anhang - 333 -
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Hinweise zum Singen mit älteren Menschen.
- 334 - Trigonale 2012 – Anhang
Trigonale 2012 – Anhang - 335 -
Johann Sebastian Bach: Motetten
Meines Herzens Weide
Bon Voyage –
Musik von Giovanni Paolo Foscarini
Trinity Baroque, Julian Podger
Best.-Nr.: RK 2601
The Foscarini Experience
Frank Pschichholz – Chitarra Spagnuola
Nora Thiele – Percussion
Daniel Zorzano – Violone
Derart lebendig in Tempo und Phrasierung, homogen im Ensembleklang,
aber auch derart innig und berührend, hat man Bachs Motetten lange
Zeit nicht gehört. BR-Klassik
Una musa plebea
Das »gemeine« Repertoire
der italienischen Renaissance
Ensemble Lucidarium & Traditionelle Poeten
aus der Toskana und Korsika
Best.-Nr.: RK 2410
Eine Muse ... nimmt sich unbekümmert Zeit. Und damit Freiraum – für
ihre ganz eigene Version eines leuchtenden Utopia aus der Vergangenheit.
CD-Tipp, HR 2
Rosenmond und Lindentraum
Lieder von Liebe und Leben
Christine Maria Rembeck – Gesang, Klavier
Emilia Gliozzi – Violoncello
Best.-Nr.: RK 3002
Schlicht und zugleich kunstvoll sind diese Arrangements ...
FAZ, 21. 5. 2011
- 336 - Trigonale 2012 – Anhang
Best.-Nr.: RK 2904
Einmal mehr Musik des 17. Jahrhunderts mit viel Drive und Beat.
Dem Label entsprechend wunderbar aufgenommen. Radio Stephansdom
Modena 1665
Georg Kallweit – Violine
Björn Colell – Theorbe, Barockgitarre
Best.-Nr.: RK 2905
Hier stimmt einfach alles, das Können auf dem Instrument, die Klanggebung, die Beweglichkeit der langen Töne, die rasante Spieltechnik …
Bernhard Morbach, RBB
Endzeitfragmente
Sequentia
Benjamin Bagby, Norbert Rodenkirchen
Best.-Nr.: RK 2803
Die Produktion ermöglicht mit vielen bislang nicht oder nur wenig
bekannten Sequenzen einen weiteren Einblick in die tiefe, mystische Welt
des mittelalterlichen Denkens und Fühlens. BR-Klassik
Trigonale 2012 – Anhang - 337 -
Winterreise
Nataša Mirković-De Ro – Gesang
Matthias Loibner – Drehleier
Best.-Nr.: RK 3003
Nicht nur wegen des letzten Lieds (Der Leiermann) eine Idealbesetzung!
Das gilt auch für Nataša Mirkovic-De Ro, die ungekünstelt und tief
ergreifend interpretiert. CD-Tipp, Ö1
Mütterkinderlieder
(Bertl Mütter nach Gustav Mahler)
Bertl Mütter – Posaune
Best.-Nr.: RK 3009
… großartig! BR-Klassik
Heinrich Schütz –
Ich hebe meine Augen auf
Musik aus der Dresdner Schlosskapelle I
Cappella Sagittariana Dresden,
Norbert Schuster
Best.-Nr.: RK 3001
Schütz-Interpretation auf sehr hohem Niveau … Die Einspielung zeigt
Heinrich Schütz als Meister des Klangeffekts und als Souverän der
expressiven Möglichkeiten im Frühbarock. Klassik.com
- 338 - Trigonale 2012 – Anhang
Von den letzten Dingen
Barocke Trauermusiken
aus Mitteldeutschland
amarcord, Cappella Sagittariana Dresden
Best.-Nr.: RKap 30107
Trauermusik als beseelter Klangzauber! MDR-Figaro
Rose van Jhericho
Das Liederbuch
der Anna von Köln (um 1500)
Ars Choralis Coeln, Maria Jonas
Best.-Nr.: RK 2604
Die volle Stimme von Maria Jonas mit ihrer leidenschaftlichen
Betonung gibt den Melodien ihre große Überzeugungskraft.
Le monde de la musique 6/2007
Vita S. Elisabethæ
Das Leben der heiligen Elisabeth
von Thüringen (1207–1231),
erzählt in mittelalterlichen
Liedern und Texten
Ioculatores, Ars Choralis Coeln, amarcord
Best.-Nr.: RK 2605
Über fast 80 Minuten entfaltet sich ein Spannungsbogen, der der Chronologie der Ereignisse von Ungarn über die Wartburg bis nach Marburg
folgt, um schließlich im überirdischen Mönchsgesang mit dem Wort
›Elisabeth‹ zu verklingen. Minnesang.com
Trigonale 2012 – Anhang - 339 -
Frolich, zärtlich, lieplich ...
Oswald von Wolkenstein –
Liebeslieder
Der Erlauchte Fürst
Höfische Kultur zur Zeit
des Naumburger Meisters
Ensemble Unicorn, Michel Posch
Best.-Nr.: RK 2901
Ioculatores & Jörg Peukert
Best.-Nr.: TAL 90003
Tromba Hispanica
Battallas y Canciones
Amours me fait desirer
Liebeslieder aus dem
14. Jahrhundert
Barocktrompeten Ensemble Berlin
Johann Plietzsch
Best.-Nr.: RK 2906
Les Caractères de la Danse
Purcell, Corelli, Rebel,
Albinoni, Telemann
Harmony of Nations Baroque Orchestra
Alfredo Bernardini – Oboe
Best.-Nr.: RK 2704
Virgo Sancta Caecilia
Gesänge aus dem Antiphonar
der Anna Hachenberch
Candens Lilium, Norbert Rodenkirchen
Best.-Nr.: RKma 20044
Ensemble Alta musica, Rainer Böhm
Best.-Nr.: TAL 90004
Chanterai d’aquestz Trobadors
Live at montalbâne
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- 350 - Trigonale 2012 – Anhang
Trigonale 2012 – Anhang - 351 -
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Geschäftsführer
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E-Mail
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Telefon: +43 - (0)4223 - 29079
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Herausgeber
Trigonale
Redaktion
Stefan Schweiger
Redaktionsassistenz Gerda Heger, Nicole Kelner
Artdirector
Anne Hooss
Fotografie
Ingrid Ahrer, Lukas Beck, Silvia Csibi,
Philippe Parent, Stefan Schweiger
Übersetzungen
Gregor Chudoba, Anne Marie Dragosits,
Sibylle Kirchbach, Almut Lenz-Konrad,
Elfriede Schweiger
Herstellung
Philipp Reclam jun.
Graphischer Betrieb GmbH,
Ditzingen
Stand
August 2012, Änderungen vorbehalten
- 352 - Impressum