Drägerheft Nr. 391
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Drägerheft Nr. 391
Drägerheft Reinheit 391 Wie in Warstein Bier gebraut wird Höllenfeuer Flashover im Nadelwald Drägerheft 391 3/2012 Ethik Technik für das Leben 3 / 2012 Sättigungstauchen Welt unter Wasser Harter Job für Berufstaucher Die Last der Entscheidungen Foto : Drägerwerk AG & Co. KGaA Ur spr ün ge LUB EC A -V E N T IL Wissen Sie eigentlich, was … … ein Ventil für Bierzapfanlagen mit dem Unternehmen zu tun hat? 1889 gründete Johann Heinrich Dräger einen Vertrieb, unter anderem für Bierzapfanlagen, die mit komprimierter Kohlensäure arbeiteten. Doch das Bier floss ungleichmäßig. Bis Dräger sein Lubeca-Ventil erfunden hatte, womit sich das Bier fortan in regelmäßigen Strömen in die Gläser ergoss. Die Quelle eines innovativen Unternehmens – das Ventil, nicht das Bier. 2 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Inh alt Wohnen 4 E r fa hr u n g Drei Menschen, die bewegen: Neuroanästhesist Dr. Dirk Repkewitz teilt sein Wissen in Praxiskursen. Robert Gutknecht und David Strieth halten die Freiwillige Feuerwehr nicht nur für ein Hobby. 6S t i c hwör t e r Darüber hinaus: Was noch alles hinter den Themen dieser Ausgabe steckt. 8 F ok u s Sättigungstauchen: Berufstaucher haben einen der anspruchsvollsten Arbeits plätze. Doch sie sind bescheiden und machen kaum Schlagzeilen. Ihr täglicher Job ist spannend genug. 18 B r au er eie n Premium-Biere: Perfekte Rohstoffe sowie immer wieder kontrollierte Prozesse machen den Geschmack eines Bieres aus. Und den Erfolg einer Brauerei wie Warsteiner. 32 SChützen 22 E THik Helfende Berufe: Wie trifft man in kritischen Situationen die richtige Entscheidung? Die Ethik bietet Antworten – auch für die Praxis. 26 We r k feue r w ehr Automobilindustrie: In Wolfsburg ist alles ein, zwei Nummern größer. Und für die dortige Werkfeuerwehr gibt es einige Besonderheiten. 30I nfo gr af ik Unter Wasser: Mehr als zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt. Und die Tiefsee wird erst jetzt erforscht. 32Re t t u n g sdie ns t Kohlenstoffmonoxid: Ein gewissermaßen hinterhältiges Gas, das man weder sieht noch riecht. Eingasmessgeräte geben Sicherheit – auch in Wien. 36 F E UERW EHR Training: Wie man sich in Mittelschweden auf das Löschen in der Flammenhölle vorbereitet. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 36 Sichern Åke Ericson benötigt man in Warstein, um einen Liter Gerstensaft zu brauen. Auch wenn der Verbrauch für die Rohstoffe hier nicht einfließt, ist der „Wasser-Fußabdruck“ eher gering – mehr ab Seite 18 MEV/F1online 8 3,6 Liter Hav yard Global Solutions AS Titelfoto : Martin kunze, Fotolia Etwa 40 M edi z in to ur ismu s Thailand: Das Bangkok Hospital umsorgt Patienten aus aller Welt. 44 S t r a ssen v er k e hr Interlocks: Die Niederlande geben Alkoholsündern eine zweite Chance – und bauen auf grundlegende Verhaltensänderungen. 48S c hu lt er b l ic k Produktion: Kaum ein Anästhesiegerät ist wie das andere. Fast alle werden kundenspezifisch hergestellt. 52 A u sb lic k Schichtarbeit: Sie ist in vielen Berufen nicht mehr wegzudenken, und oft mit Stress verbunden. Doch mögliche gesundheitliche Folgen lassen sich reduzieren. 56 E in b lic k PAC 7000: Als Teil der persönlichen Schutzausrüstung warnt es vor jeweils einem gefährlichen Gas. 3 Er fahr un g Au s alle r W e lt Menschen, die bewegen Dr. Dirk Repkewitz, Chefarzt der Neuroanästhesie am Bezirkskrankenhaus Günzburg Fehler zu machen, ist der Routine gewichen. Das liegt auch an den technischen Möglichkeiten. Was heute alles machbar ist, erstaunt mich immer wieder. Für manche Eingriffe arbeitenwir in unserer ,BrainSuite‘, die über intraoperativen Kernspin eine genaue Navigation im Gehirn ermöglicht. Der Chirurg hat im Vorfeld ein präzises Bild des Areals. Das ändert sich beim Entfernen von Gewebe. Also müssen neue Bilder gemacht werden. Der Patientist dabei oft wach. Wenn ein Tumor entfernt wird, der nah am Sprachzentrum liegt, muss er mit uns reden. Ein Fall, der mich beeindruckt hat? Ein junger Mann sprach, während ihm ein bösartigerTumor entfernt wurde, über sein Fachgebiet. Germanische Geschichte! So technisiert unser Arbeitsumfeld auch ist, für mich liegen dort immer noch Menschen und ihre Schicksale. Empathie ist wichtig. Es reicht nicht, die Patienten nur zu überwachen. Wir müssen ihnen die Hand halten!“ Fotos: Mat thias Schmiedel; Andreas Reeg ; Text: Isabell Spilker, Silke Umbach „Weil ich liebe, was ich mache, teile ich mein Wissen gern. Seit zwölf Jahren organisiere ich Praxiskurse zum Thema Neuroanästhesie. Denn um Facharzt für Anästhesie zu werden, muss man an mindestens 25 Operationen am offenen Schädel teilgenommen haben. Bei uns bekommen junge Ärzte an drei Tagen die Chance, bei einigen Eingriffen zu hospitieren. Eine Herausforderung: Das Bewusstsein der Patienten muss während der Narkose ausgeschaltet werden. Der Chirurg aber möchte wissen, ob bestimmte Hirnfunktionen noch intakt sind. Mit einer normalen Narkose lässt sich das nicht erreichen. Ebenso wenig können die Reaktionen von Armen und Beinen getestet werden, wenn – wie bei einer Narkose üblich – die Muskeln erschlafft sind. Gleichzeitig muss der Patient still und ruhig sein, darf nicht husten oder zucken. Ich fühle mich in dem, was ich mache, wesentlich sicherer als noch vor 20 Jahren. Die Angst, 4 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Robert Gutknecht und David Strieth, Freiwillige Feuerwehr Winkel (Rheingau) „Es war der größte Einsatz unseres Lebens. Doch selbst unter 500 Einsatzkräften kann man ganz allein sein, vorn, im Angesicht der Gefahr. Still, menschenleer und bedrohlich – so fühlte es sich an, am Wasserwerfer, wo wir die giftigen Gase niederschlugen. Wir gehörten zu den Ersten, die alarmiert wurden, als am 13. August 2012 in einer Schaumstofffabrik in Oestrich-Winkel ein Chemikalientank havariert war. Beim Herangehen spürte man die Bedrohung. Ohne Lungenautomat brannte es in Augen und Nase. Im Werk trat Isocyanat aus, ein Verwandter der Blausäure. Also waren wir auf unsere Pressluftatmer angewiesen. Am Wasserwerfer ließ es sich damit gut eine halbe Stunde aushalten. So wehrten wir die Bildung einer toxischen Wolke ab und schützten die Anwohner. Wir kennen uns seit vielen Jahren, haben in der Jugendfeuerwehr angefangen, studieren beide Elektrotechnik. Das ergibt ein gutes Team – und macht es einfacher, wenn ein Großeinsatz mitten in die Klausurphase fällt und man sich entscheiden muss, Prüfungen aufzuschieben. Der Kampf gegen die Bedrohung daheim hat Vorrang! Darauf muss man sich einlassen, wenn man zur Feuerwehr geht. Manch einer denkt, das ist ein Hobby. Aber es ist mehr: die Übernahme einer Pflicht! Niemand kann dabei sein und nur zwei- oder dreimal im Jahr kommen. Wir müssen im Training bleiben. Und, wenn Gefahr droht, das Notwendige tun. In Oestrich-Winkel waren wir erfolgreich. Zwar wurden mehrere Kameraden verletzt, und lange noch wachten Einsatzkräfte vor Ort, doch der Bevölkerung ist nichts geschehen. Wir konnten gemeinsam verhindern, dass aus dem Unglück eine Katastrophe wurde.“ 5 S t ic hwör t er Um was es HIER Geht Stichwörter Jedes von ihnen deckt auf dieser Doppelseite einen neuen Aspekt eines Artikels auf, zeigt ihn aus einer anderen Perspektive. Denn jedes Thema hat verschiedene Facetten. Die Erklärungen und Erläuterungen der Stichwörter zitieren aus Lexika, Wörterbüchern und Fach-Enzyklopädien. Sie enthalten auch Streifzüge durch andere Gebiete. Damit man manchen Aspekt mit anderen Augen sieht. Werkalarm Verbrennungsmotor In ihm verbrennen Kraftstoff und Luft, was gezielt zur Erzeugung mechanischer Energie genutzt wird. Weltweit werden rund eine Milliarde Autos von Verbrennungsmotoren angetrieben. Werkfeuerwehren sorgen dafür, dass bei der Autoproduktion alles unter Kontrolle bleibt. Wie etwa beim drittgrößten PkwHersteller der Welt, der VW AG in Wolfsburg. Ab Seite 26 Schlafen und Wachen Chronobiologie Über den allergrößten Teil der Geschichte richtete sich die menschliche Arbeit nach dem Sonnenstand. Doch mit der industriellen Revolution stand die Sonne im Schatten des unerbittlich regelmäßigen Takts von Maschinen und Kapitalrendite. Elektrizität – und ihre Verteilung über Stromnetze – machte die Nacht zum Tag. Und das Netz von Eisenbahnen sowie Telekommunikation erforderte ebenfalls einen anderen Zeittakt, der heute von Atomuhren gesteuert wird. Wie die „innere Uhr“ von Pflanzen, Tieren und Menschen funktioniert, erforscht seit dem 18. Jahrhundert die Chronobiologie. Sie konnte zeigen, wie etwa unterschiedliche Helligkeiten beim Menschen die Produktion von Hormonen und Botenstoffen auslösen oder verhindern. Das wirkt sich auf Stimmung wie Leistungsvermögen aus. Erkenntnisse, die notwendige Schichtarbeit erträglicher machen können. Ab Seite 52 Alkohol Strafe FotoS: Shutterstock (3), Åke Ericson, Pacific Stock/F1online Verstößt jemand gegen Gesetze, sollte das Konsequenzen haben. Strafe ist eine Konsequenz, auch wenn sich die Rechtspraxis von der alttestamentarischen Wucht des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ weitgehend verabschiedet hat. Will man den Menschen läutern und sein Verhalten nachhaltig ändern, sind mitunter sanftere Methoden gefragt – und erfolgreich. Ab Seite 44 Helfer Biomonitoring Walzer Wien Fiaker, Schnitzel, „Alles Walzer“, Gustav Klimt, Prater, Lipizzaner, der Stephansdom, „Schmäh“, die schöne blaue Donau, das Restaurant „Steiereck“. Das alles gehört zu Wien – wie auch die Berufsrettung. Ab Seite 32 6 Ob Bakterien, Krebstierchen oder Fische – zur Qualitätsprüfung von Substanzen setzt man auch auf die Beobachtung von Lebewesen in Wasser, Luft und auf der Erde. Sie reagieren schnell, empfindlich und zuverlässig. Richtig eingesetzt sind sie zudem – anders als manche TestChemikalie – keine Gefahr für den Menschen. In Warstein arbeiten sie sogar mit am Deutschen Rein heitsgebot für Bier. Ab Seite 18 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Feuerwalze Multimedia Flashover QR: mehr per Handy Er ist eine der größten Herausforderungen für Feuerwehrleute, dieser „schnelle Übergang aller Oberflächen brennbarer Materialien eines Raumes hin zu einem Feuer“. Das Resultat ist ein Vollbrand mit Temperaturen von bis zu 1.000 °C. Diese Flammenhölle zu löschen bedarf gezielter Strategien und Übung. Ab Seite 36 Das Drägerheft erweitert sein Multimedia-Angebot: Wer ein iPhone oder AndroidHandy besitzt, kann nun auch Videos, Infografiken, Fotostrecken oder Produktinformationen zu bestimmten Themen auf seinem Smartphone sehen. Unter den jeweiligen Artikeln stehen sogenannte QR-Codes. Wer ein solches Endgerät hat, kann sich im Internet eine App herunterladen – zum Beispiel das kostenlose Programm von Scanlife. Wenn man anschließend die Kamera des Handys auf den QR-Code richtet und auslöst, werden die Informationen angezeigt. Reisen Tourismus Es sei das „Reisen zum Kennenlernen fremder Orte und zur Erholung“, informieren einen die Lexika unter dem Stichwort „Tourismus“. So gesehen ist er zunächst ein Kind der Oberschicht und wurde von dort aus seit dem 19. Jahrhundert zum heutigen Massenphänomen: Mit 76,8 Millionen Ankünften war Frankreich im vergangenen Jahr das meistbesuchte Land, gefolgt von den USA und China. Deutschland stand auf dem achten Rang. Ein „Tourismus“ der besonderen Art hat nun auch die Krankenhäuser der Welt erreicht. Ab Seite 40 Ausgezeichnet Silber für Drägerheft In diesem Jahr zeichnete der BCP das Drägerheft (Ausgabe 389) mit Silber aus. Über 700 Publikationen erreichten die fachkundige Jury bei Europas größter Leistungsschau für Corporate-Publishing-Produkte. Redaktion und Art Direktion erhielten diese Auszeichnung für die verständliche Vermittlung komplexer Technik. Dürfen und Müssen Ethik Schätze Unterwasserarchäologie Untergegangene Schiffe sind historische Flaschenposten. Sie bringen nicht nur P orzellan, Münzen und sogar nach Jahrhunderten noch trinkbare Wein flaschen ans Licht, sondern informieren auch über Handelswege und geben manches Rätsel auf – wie den „Mechanismus von Antikythera“, wohl eine Himmelsuhr. Ebenso faszinierend: die Welt der Berufstaucher. Ab Seite 8 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Als Aaron Alston 2003 einen Arm amputierte, war das einer der seltenen Fälle ohne jedes ethische Problem: denn es war sein eigener. Und ohne diese heroische Selbstverletzung wäre der fünf Tage lang unglücklich in einer Felsspalte Steckende unweigerlich ver durstet. Doch dass Entscheider, Akteur und Betroffener ein und dieselbe Person sind, ist im täglichen Leben eine Ausnahme. Ethik – oder, besser: Ethiken – geben Hinweise für das rechte Verhalten. Die Verantwortung muss indes jeder selbst tragen. Doch: Welche grundsätzlichen Denkweisen gibt es? Ab Seite 22 7 Handwerk unter extremen Bedingungen: Sättigungstaucher erledigen riskante Arbeiten – mitunter in mehreren 8 hundert Metern Tiefe Drägerheft 391 | 3 / 2 012 SÄTT IGU N G STAU CHEN Fo k u s Schweißen am Meeresgrund Mehrere hundert Meter unter der Meeresoberfläche arbeiten Berufstaucher unter extremen Bedingungen. Komplexe Technik und moderne Systeme machen diese Arbeiten überhaupt erst möglich – und das Leben der Taucher sicherer. Foto : Tips Images/F1online D Drägerheft 391 | 3 / 2 012 ie blaue Drucktür führt in eine andere Welt. Hier glänzt Edelstahl, Liegesessel mit weißen Kunststoffbezügen hängen an der Wand. Unter der Decke: eine Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage. Links führt eine Leiter durch eine enge Röhre nach unten in die nächste Etage. Sie ist ein Spiegelbild des oberen Wohnzylinders, nur dass sich hier Stockbetten entlang der Wände hangeln. So stellt man sich das Innere einer Raumstation vor. Und tatsächlich ist dieses Habitat für das Leben unter extremen Bedingungen gemacht: doch nicht im All, sondern tief unter der Meeresoberfläche. Für die Taucher an Bord des norwegischen Spezialschiffs Seven Havila ist diese unwirklich anmutende Umgebung > 9 Fok u s SÄT T IGUN GSTAUCH E N Die Technik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert Geschlossenes System: Moderne Taucherbasis schiffe wie die Seven Havila (oben) sind um die Anlage für das Sättigungs tauchen gebaut. In den Druck kammern (unten) leben die Taucher während der Ein sätze teils mehre re Wochen lang 10 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Foto : istockphoto Tieftaucher: Pottwale können bis zu 3.000 Meter erreichen > ein Stück Heimat. Bei Einsätzen leben sie bis zu 28 Tage in diesem System aus Röhren, in dem Wohn- und Schlafkammern eng miteinander verbunden sind, und an das sich Sanitäranlagen sowie Übergänge zu den beiden Tauchkugeln anschließen. Bei Einsätzen beträgt der Druck ein Vielfaches des gewohnten atmosphärischen Drucks. Geatmet wird dann eine Mischung aus Helium und Sauerstoff (Heliox). Die Taucher absolvieren jeweils sechsstündige Arbeitsschichten, etwa in der Nordsee. Die Seven Havila ist für Arbeiten bis zu 300 Meter Meerestiefe zugelassen. Doch lange Tauchgänge sind nur möglich, wenn sich der menschliche Körper für längere Zeit an die Bedingungen anpasst, die in solchen Tiefen herrschen. Die Dekompressionszeit beträgt – je nach Druck – mehrere Tage; beim oberflächennahen Sporttauchen sind es nur wenige Minuten. FotoS: Hav yard Global Solutions AS Tauchen liegt in der Familie „Drei bis vier Wochen auf engstem Raum: Das ist eine lange Zeit, aber man gewöhnt sich daran“, sagt Neil Ward, Spezialist für Arbeiten in großen Tiefen. Der Schotte ist seit 22 Jahren Berufstaucher. Und das ist Teil seiner Familiengeschichte: „Schon mein Großvater war Taucher. Heute führen mein Bruder und ich diese Tradition fort.“ Ward hat bereits Einsätze an der afrikanischen Küste hinter sich. Sonst taucht er in der Nordsee, vor Norwegen oder seiner britischen Heimat. Die Aufträge ähneln einander oft: leichte bis mittelschwere Installationsund Bauarbeiten, dazu Wartung und Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Reparatur. Die Anlagen gehören fast immer zur Öl- und Erdgasindustrie – Bohrinseln, Pipelines und andere Stahlkolosse, die die Schätze im Meeresboden zutage fördern. Wer hier als Berufsoder Sättigungstaucher arbeitet, muss nicht nur die Technik beherrschen, sondern auch nach industriellen Standards schweißen und montieren können. Seit 2011 arbeitet Neil Ward für das englische Unternehmen Subsea 7 auf der Seven Havila, einem der weltweit modernsten Schiffe seiner Art. „Bis zu sechs Taucher können gleichzeitig auf dem Meeresboden arbeiten“, erklärt Schichtleiter Peter Alexander, und das stelle derzeit den Maßstab für große Arbeitseinsätze dar. Dazu werden beide Tauchglocken mit jeweils bis zu vier Mann in die Tiefe gelassen. Einer bleibt zur Sicherung immer in der Glocke. „Die technische Entwicklung des Sättigungstauchens in den vergangenen Jahrzehnten ist gewaltig“, sagt Alexander. Der Engländer hat früher selbst als Sättigungstaucher gearbeitet. „Ich war dabei, als dieses Verfahren in der Nordsee vor mehr als 35 Jahren eingeführt wurde.“ Was sich nicht geändert habe, sei die Anforderung an die Männer, die sich diesem Job stellen: „Man muss ein absoluter Teamplayer sein, extrem stressresistent, und sich neuen Situationen schnell anpassen können.“ Vollautomatisierte Tauchtechnik Immerhin nimmt das Schiff der Crew die anspruchsvolle Aufgabe ab, Drücke, Gasgemische und Temperaturen ständig von Hand nachführen zu müssen. > Leben in 10 Kilometer Tiefe Die ursprünglichste Form des Tauchens ist das Apnoe- oder Freitauchen, bei dem Menschen ihre Tauchgänge mit nur einem einzigen Atemzug bestreiten. Der Weltrekord für Männer liegt bei mehr als 200 Metern. Um aber länger unter Wasser arbeiten zu können, braucht der Mensch eine künstliche Versorgung mit komprimierten Atemgasen. Hier sind uns andere Säugetiere – wie See-Elefant oder Pottwal – weit voraus, die länger als eine Stunde tauchen können (siehe auch Seite 30 f.). Manche Tiere leben sogar in größten Wassertiefen. So wurden in diesem Jahr, bei einer Expedition der Universität Aberdeen in die neuseeländische Tiefseerinne Kermadec Trench, riesige Flohkrebse („Alicella gigantea“) in über zehn Kilometer Tiefe entdeckt. Hier herrscht ein Druck, der tausendmal größer ist als an der Wasseroberfläche. Bereits in der griechischen und römischen Antike gab es Überlegungen, wie man mit technischen Hilfsmitteln längere Zeit unter Wasser bleiben kann. Alexander der Große erkundete im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung mit einer Taucherglocke die Tiefe. Vor mehr als 2.000 Jahren griffen Kampfschwimmer unter Wasser feindliche Schiffe an, Perlentaucher sammelten Mollusken auf dem Meeresboden, und Experten für Unterwasserarbeiten bargen gesun kene Schiffe und führten Reparaturen an Hafenanlagen aus. 11 Ab in die Tiefe: Tauchkugeln für Sättigungstaucher warten in einem Taucherbasisschiff auf ihren Einsatz. In ihnen können Berufstaucher bei Überdruck bis auf mehrere hundert Meter Arbeitstiefe herabgelassen werden Ein Grundprinzip, das was „taucht“ Das Problem der Atemluftversorgung versuchten viele Erfinder zu lösen, indem sie Atemrohre an die Wasseroberfläche führten. Das Schnorchelprinzip funktioniert jedoch nur in geringen Tiefen. Bereits in 20 Meter Tiefe herrscht das Dreifache des atmosphärischen Drucks. Hier braucht es eine andere Möglichkeit, den Menschen zuverlässig mit komprimierter Atemluft zu versorgen. Das geschah mit den ersten Helmtauchgeräten um das Jahr 1800, die mit einer Pumpe komprimierte Atemluft über einen Schlauch erhielten. Zusammen mit der Technik wurde die Physiologie des Tauchens entwickelt. Dazu gehören insbesondere Prävention und Therapie der Dekompressionskrankheit. Sie tritt auf, wenn der Druck beim Auftauchen zu schnell wieder nachlässt. Die in Blut und Gewebe gelösten Gase – insbesondere Stickstoff – bilden dabei Bläschen, die Gewebe und Nerven schädigen und Blutgefäße blockieren können. Zu den weiteren Kom plikationen des Tauchens gehört die Vergiftung durch hohe Stickstoffkonzentrationen im Gewebe, der „Tiefenrausch“. Technik, bei der ein Taucher seinen Atemgasvorrat mit sich führt, gibt es seit etwa 100 Jahren. „Seitdem sind wir an der Entwicklung dieser Geräte beteiligt“, sagt Oliver Schirk, Tauchexperte bei Dräger. Bereits 1912 stellte Dräger ein Kreislauftauchgerät (Rebreather) vor, das in Kombina tion mit Helm und klassischem Taucheranzug getragen wurde. Bei einem modernen Kreislauftauchgerät wird das Kohlendioxid durch Atemkalk gebunden, dem gereinigten Gas wird daraufhin frischer Sauerstoff zugeführt. Zu den wichtigen Schritten der Rebreather-Technik von Dräger gehörten Kreislauftauchgeräte vom „Leutnant Lund“ (1953) bis hin zu den aktuellen „LAR 5000“ und „LAR 7000“ für taktische Militäreinsätze und Minen taucher. In den 1930er-Jahren begann Dräger auch mit der Entwicklung von Druckluft-Schwimmtauchgeräten. Heute steht das System „PSS Dive“ für professionelle Anwender zur Verfügung. Von Anfang an engagierte sich Dräger auch in der Tauchforschung. So stellte das Unternehmen 1913 in Lübeck einen Tieftauchsimulator in Dienst und brachte 1917 einen ersten Dekompressionsapparat auf den Markt. Zum Schwimmtauchen kommen moderne Formen des Helmtauchens mit externer Atemgasversorgung und Spezialanwendungen wie das Sättigungstauchen. Einen Brückenschlag zur U-Boot-Technik stellen schließ lich druckfeste Panzertauchanzüge (Atmospheric Diving Suit, ADS) dar, die den Taucher vor dem Wasserdruck schützen und ihm gleichzeitig die notwendige Beweglichkeit für Arbeiten unter Wasser geben. 12 > Mit ihrer vollautomatisierten Tauchtechnik ist die Seven Havila deshalb ein wichtiger Baustein für das Sättigungstauchen. Im vergangenen Jahr wurde sie in Dienst gestellt. Dräger hat mit dem Tauchtechnik-System die größte Schlüsselkomponentegeliefert. Dazu zählen beispielsweisedie Druckkammern, die Gastechnik samt Steuerung, Leitungen und Speicherelemente, aber auch Brandschutz- und Rettungstechnik. Wenn der Kapitän das Kommando verliert Operatives Herzstück ist die Tauchzentrale („Dive Control“) auf dem A-Deck, von der die Seven Havila während eines Einsatzes gesteuert wird. Alles andere hat sich dann unterzuordnen: „Sobald die Tauchglocken im Wasser sind, wird das Schiff von hier aus kommandiert“, sagt Peter Alexander. „Dann hat die operative Einheit das Sagen, und nicht mehr der Kapitän – das Schiff wird also von unten nach oben gesteuert und nicht umgekehrt.“ Die Technik des Tauchsystems wurde individuell gefertigt. „Es gibt kaum Standardkomponenten“, sagt Per-Arne Spreemann. Der FlugzeugbauIngenieur arbeitet für Dräger an der Erweiterung der Software des Automa tionssystems. Um ein ebenso sicheres und robustes wie komfortables System zu entwickeln, brachte Dräger neuartige und individuelle Lösungen ein. „Deshalb haben wir uns bereits früh mit der norwegischen Klassifizierungsgesellschaft DNV (Det Norske Veritas) abgestimmt, von der die komplette Anlage später abgenommen wurde“, erklärt Spreemann. > Drägerheft 391 | 3 / 2 012 SÄT T I GU N GSTAU CHE N Fo k u s Sobald die Taucher im Einsatz sind, hat die Tauchzentrale an Bord das Sagen ÜberdruckRettungsboot Fluchtweg zum ÜberdruckRettungsboot Kammer 1: • Ein- und Ausschleusen von bis zu sechs Personen • Wohn-, Schlaf- und Sanitärbereich Kammer 3: Wohnund Schlafbereich für sechs Taucher Kammer 2: Wohnund Schlafbereich für sechs Taucher IIllustration: Drägerwerk AG & Co. KGaA Tauchkugeln Leben unter Druck Kammer 4/5: • Übergang zu Tauchkugeln • Sanitärbereich für Kammer 2 und 3 Aus Schlaf- und Wohnkammern, Sanitär bereich, Tauchkugeln und ÜberdruckRettungsboot besteht das System, in dem Sättigungstaucher leben – wenn sie nicht gerade tief im Meer arbeiten Drägerheft 391 | 3 / 2 012 13 Fok u s SÄT T IGUN GSTAUCH E N Bei Arbeiten mit historischem Gerät lässt sich Tauchgeschichte realistisch erleben > An einem warmen Sommertag liegt die 120 Meter lange und 23,45 Meter breite Seven Havila am Ausrüstungskai im norwegischen Stavanger. Trennschleifer kreischen, überall wird gearbeitet. Es ist Zeit für die Re-Zertifizierung nach den strengen norwegischen Regeln, die je nach System jährliche oder sogar halbjährliche Prüfungsintervalle vorschreiben. Die Quartiere der Taucher sind in dieser Zeit gespenstisch leer. Dafür herrscht Hochbetrieb in der Tauchzentrale, wo gerade alle Abläufe geprüft werden. „Drücke, Mischungsverhältnisse, Temperaturen und andere Parameter wurden früher von Hand an den Ventilen eingestellt“, erklärt Schichtleiter Alexander. Heute braucht es dafür nur einen Mausklick. Mit der Tiefe steigt der Druck Peter Alexander (hier bei einem Probelauf) behält den Überblick, wenn die T aucher im Einsatz sind. Der Schotte ist Schichtleiter auf der Seven Havila, und hat früher selbst als Sättigungstaucher gearbeitet 14 Am Grundgedanken des Sättigungstauchens habe sich nichts geändert, sagt der britische Experte. Bei diesem Verfahren, das ausschließlich in der Welt der Berufstaucher angewendet wird, leben und arbeiten die Taucher auf Dauer unter jenem Druck, der an ihrem Einsatzort herrscht. Dabei gilt die Faustformel, dass mit jeweils zehn Meter Wassertiefe der Druck um 1 bar zunimmt. Herrscht also bei zehn Metern unter der Oberfläche der doppelte Druck wie über dem Meer, sind es bei 100 Metern bereits über 10 bar und bei 300 Metern sogar mehr als 30 bar. Die Rekordtiefe für Sättigungstaucher liegt bei 534 Metern, sie wurde bereits in den 1980er-Jahren erreicht. Und bei Versuchen in einer Druckkammer erreichte ein Taucher sogar eine simulierte Tiefe von mehr als 700 Metern. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Helmtaucher des 21. Jahrhunderts: Neil Wark arbeitet als Sättigungstaucher für Subsea 7. Der Spezialist ist vor allem bei Projekten der Öl- und Gasindustrie gefragt. Moderne Gastechnikvon Dräger sichert seine Einsätze FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA (4); Hav yard Global Solutions AS (1) Bei solchem Druck überhaupt zu atmen fordert den menschlichen Körper. Noch kritischer sind schnelle Druckwechsel. Schon beim Auftauchen aus geringen Tiefen sind Dekompressionspausen notwendig, in denen der im Gewebe gelöste Stickstoff vom Blutkreislauf wieder aus dem Körper transportiert wird. Eine regelmäßige Dekompression ist beim Sättigungstauchen aber nicht möglich. „Bei mehrstündiger Arbeit in großen Tiefen muss für den Druckausgleich bis zu eine Stunde je Meter eingerechnet werden“, erklärt Neil Wark. Deshalb leben die Taucher über mehrere Wochen in einer Atmosphäre, die dem Druck an der Arbeitsstelle unter Wasser entspricht. Sie atmen dabei spezielle Gasgemische, die vor allem aus Heliox (Helium und Sauerstoff) bestehen. Damit werden die Auswirkungen der Stickstoffnarkose bei größeren Tauchtiefen vermieden – der sogenannte Tiefenrausch. 99 Prozent Wiedergewinnung Hochdruck herrscht nicht nur im Wohnund Schlafquartier, sondern auch in den beiden Tauchkugeln. Mit ihnen gelangen die Taucher aus ihrem „hyperbaren Wohnbereich“ zum Einsatzort und können dort aussteigen. Die Seven Havila ist auch mit zwei Überdruck-Rettungsbooten ausgestattet, auf denen die Taucher bei einem Unglück oder Brand in Sicherheit gebracht werden können. Der Einsatz des stark flüchtigen Heliums als Atemgas stellt hohe Ansprüche an die Technik an Bord des Tauchschiffs. Das Edelgas ist so teuer, dass es nach Gebrauch nicht einfach an die Atmosphäre > Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Tauchgeschichte atmen Wenn die Aktiven der britischen Historical Diving Society (HDS) bei Hafenfesten auftreten, hält das Publikum den Atem an: Dann steigen die ehrenamtlichen Tauchhistoriker in Anzüge, die vor vielen Jahrzehnten gefertigt wurden. Sie stülpen sich schwere Metallhelme mit kreisrunden Sichtscheiben über, um schließlich im Wasser zu verschwinden. Es ist nicht allein die Technik, die diese Menschen fasziniert – Helmtaucher gibt es heute schließlich auch unter den Berufstauchern. Vielmehr begeistert der Brückenschlag zwischen damaliger Technik und ihrem heutigen Einsatz unter realen Bedingungen. Das besondere Flair dieser gelebten Geschichte weiß auch die Film industrie zu schätzen: „Fernsehen und Filmindustrie fragen häufig nach Unterstützung bei historischen Produktionen“, berichtet Mike Fardell, Geschäfts führer der HDS. Die Gesellschaft wurde 1990 gegründet und hat heute rund 200 Mitglieder in Großbritannien sowie 100 weitere in aller Welt. Tauchgeschichliche Vereinigungen, sagt Fardell, gebe es auch in Australien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Kanada, Norwegen, Polen, Vorreiter: Kreislauftauch gerät von Dräger aus Spanien, Russland, Schweden, Slowenien, dem Jahr 1912, das mit Tschechien und den USA. Helm getragen wurde Historisches Tauchen ist weder auf eine spezifische Technik noch auf eine bestimmte Epoche festgelegt. „Unsere Mitglieder beschäftigen sich mit der kompletten Geschichte des Tauchens – vom Schwimmen unter Wasser mit angehaltener Luft über frühe technische Hilfsmittel bis hin zu aktuellen Entwicklungen.“ Einen Traum hat sich die Gesellschaft mit ihrem Museum in Gosport (Hampshire, Südengland; rund 90 Kilometer westlich von Brighton) erfüllt, das 2011 in einer viktorianischen Hafenbefestigung eröffnet wurde. Betreut wird es von Mitgliedern der HDS, die einen Hintergrund als Militär-, Berufsoder Freizeittaucher haben. Forschung: Dräger machte www.thehds.com schon 1914 Langzeit-Tauchtests bei 9 bar möglich www.divingmuseum.co.uk 15 Präzises Gasmanagement ist entscheidend für die Sicherheit der Taucher – und den effizienten Einsatz von Ressourcen > abgegeben wird. „Vielmehr strömt das vom Taucher verbrauchte Gasgemisch zurück in die Anlage, wo es zu 99 Prozent wiedergewonnen wird“, sagt Dräger-Experte Per-Arne Spreemann. An der Nabelschnur des Mutterschiffs Versorgt werden die Taucher während ihrer Einsätze über ein mehrere Hundert Meter langes Leitungsbündel, die sogenannte „Nabelschnur“ (Umbilical). Hier laufen unter anderem Leitungen für Atemluft und Rückluft, elektrische Energie und Kommunikation, aber auch der Schlauch für das Warmwasser, mit dem die Anzüge der Taucher in der eisigen Tiefe temperiert werden. Dieser vieladrige Strang läuft durch die Tauchschächte im Schiffsboden (sogenannte Moonpools mit 4,80 Meter Durchmesser, durch die die Kugeln direkt aus dem Rumpf ins Wasser gelassen werden) in die Tiefe zur jeweiligen Tauchkugel. Mit dieser „Bell“ ist wiederum jeder Taucher durch sein eigenes, rund 30 Meter langes Umbilical verbunden. Darüber hinaus sind Tauchkugel und Helmtaucheranzug mit Atemgasreserven für Notfälle ausgestattet. Denn Vertrauen heißt für die Taucher nicht nur, sich vorbehaltlos auf die anderen Menschen an Bord verlassen zu können. Vertrauen bedeutet auch, dass die lebenswichtige Technik redundant und maximal zuverlässig ausgelegt ist. Peter Thomas Interview: GTÜM-Präsidentin Dr. Karin Hasmiller über Standards in der Tauchmedizin www.draeger.com/391/tauchen 16 Leben in der Röhre: Die Druckkammern, in denen die Taucher mehrere Wochen lang leben, sind ein Herzstück auf dem norwegischen Spezialschiff Seven Havila Drägerheft 391 | 3 / 2 012 SÄT T I GU N GSTAU CHE N Fo k u s FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA (2); Hav yard Global Solutions AS (2) Foto : privat „Für Kampfschwimmer ist das Tauchen Mittel zum Zweck“ Verschiedene Gase werden durch das Leitungsnetz an Bord des Schiffes transportiert. Große Drucktanks dienen dafür als Speicher, gesteuert wird die Anlage mit moderner Computertechnik Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Jens Höner, Oberleutnant zur See, hat als Ausbilder Minentaucher und Kampfschwimmer geschult. Mit dem Drägerheft sprach der Offizier über die Tauchereinheiten der Bundeswehr. Herr Höner, in welchen Funktionen setzt die Bundeswehr Taucher ein? Taucher gibt es vor allem in der Marine, aber auch im Heer – Pioniertaucher, die in Percha am Starnberger See ausgebildet werden. Dazu kommen die Tauchereinheiten der Marine: Schwimmtaucher, Schiffstaucher, Minentaucher und Kampfschwimmer. Was sind die typischen Einsatzgebiete der verschiedenen Marine-Einheiten? Schwimmtaucher sind Taucher in Zweitverwendung. Das heißt, sie fahren in anderer Funktion auf den Booten und Schiffen der Marine, werden bei Bedarf aber auch für leichte Reparaturen oder Schiffsbodenuntersuchungen eingesetzt. Dagegen sind Schiffstaucher ausgesprochene Spezialisten, die für Bergung, Reparatur und Instandhaltung unter Wasser eingesetzt werden – auch in Häfen. Sie arbeiten für gewöhnlich mit Luftversorgung von der Oberfläche und unter Wasser mit hydrau lischen Werkzeugen sowie verschiedenen technischen Verfahren vom Brennschweißen bis zum Bohren. Minentaucher beseitigen Kampfmittel aller Art unter Wasser, aber auch an Land – sie wurden beispielsweise in Afghanistan eingesetzt. Das sind in allen Bereichen der Munition ausgebildete Feuerwerker, die auch Objekte aus den beiden Weltkriegen bergen und unschädlich machen können. Für die Kampf schwimmer ist das Tauchen Mittel zum Zweck, nämlich für die An- und Rückfahrt zu ihrem Einsatzort. Zu ihren Aufgaben gehören beispielsweise Aufklärung, AntiPiraten-Einsätze und auch Landeinsätze – teils in Kooperation mit dem Kommando Spezialkräfte (KSK). Welche Qualifikation muss man haben, um bei der Marine als Taucher zu arbeiten? Sie brauchen zunächst keine fachliche Vorbildung, sondern müssen die körperlichen Voraussetzungen für das Tauchen mitbringen. Dazu werden Taucheranwärter zunächst im Schifffahrtsmedizinischen Institut der Marine auf ihre TUKV (Taucher-, U-Boot- und Kampfschwimmer-Verwendungsfähigkeit) geprüft. Hier wird auch die Sauerstoffverträglichkeit von potenziellen Trägern von Kreislaufgeräten getestet. Über die Zulassung zur Ausbildung entscheidet vorab der abgelegte Sporttest. Schiffstechnische Taucher haben im Rahmen ihrer Ausbildung die Möglichkeit, eine Prüfung zum Berufstaucher vor der Industrie- und Handelskammer abzulegen. 17 Br auer eien Premium-B ie re Flohzirkus in Premium-Qualität Das Reinheitsgebot von 1516 hat deutsche Biere groß gemacht. Aus nichts als Hopfen, Hefe, Malz und Wasser dürfen sie gebraut werden. Und doch lassen sich Regionen und Marken herausschmecken. Es sind die Details, die den Unterschied ausmachen – auch bei Warsteiner. Lagerung in luftiger Höhe: Jeder der insgesamt 148 Brauerei tanks ist 24 Meter hoch und hat ein Fassungsvermögen von rund 320.000 Litern. Na dann: Prost! 18 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Frühwarnsystem im Miniaturformat: Wasserflöhe arbeiten in Warstein mit am deutschen Reinheitsgebot O ft sind es die kleinen Dinge, die eine große Wirkung entfalten können. Gestatten: Daphnia magna Straus! Überlebenskünstler. Wenn der nur wenige Millimeter große Wasserfloh von Räubern angegriffen wird, wachsen ihm in Windeseile ein „Helm“, ein langer Schwanz und Nackenzähne. Damit ist er in vielen Fällen zu groß, um gefressen zu werden. Auslöser für die Schutzreaktion sind Signalstoffe, die ihre Angreifer beim Fressen absondern. Doch die kleinen Krebstiere können noch mehr. Auf manche Substanzen, Pestizide etwa, reagieren sie empfindlich. Das macht sie zu einem Frühwarnsystem im Miniaturformat. Ihre feinen Antennen stehen deshalb seit einigen Jahren im Dienst der Warsteiner Brauerei, einer der ältesten und größten Privatbrauereien Deutschlands. „Gerstenmalz und Hopfen sind wichtige Zutaten für ein Premium-Pils. Die Qualität des Wassers wird dabei oft unterschätzt – für uns ist sie lebenswichtig“, sagt Frank Homann, Leiter Qualitäts sicherung bei Warsteiner. Homann ist Diplom-Braumeister und ein alter Hase. Er weiß, wie aufwendig es ist, ein schmackhaftes Bier zu brauen. Und er weiß, wie „Eine Königin unter den Bieren“ (so verrät es das Warsteiner-Etikett) schmecken muss: „Vollmundig, feinherb, zugleich etwas würzig.“ Auch die helle, goldgelbe Farbe spielt eine Rolle: „Das Auge schmeckt und trinkt immer mit!“ Biologische Vortester: klein, aber oho Damit die Wasserqualität den hohen Erwartungen entspricht, präsentiert Homann seinen ganzen Stolz: ein Daphnien-Toximeter. Was entfernt an einen FotoS: Warsteiner Gruppe (2), Shut terstock Brauer aus dem Sauerland Die Warsteiner Brauerei ist seit der Gründung 1753 in Familienbesitz – mittlerweile in neunter Generation. Neben der Brauerei gehören mehr als 100 Unternehmen zur Warsteiner Gruppe, die weltweit rund 2.300 Mitarbeiter beschäftigt. Das Flaggschiff, Warsteiner Premium Verum, wird in mehr als 60 Länder exportiert. Das Auslandsgeschäft beruht auf eigenen Vertriebs organisationen und Kooperationen mit internationalen Partnerbrauereien. In einigen Ländern wird Warsteiner in Lizenz hergestellt. Mobile Dräger Gasmesstechnik (Dräger X-am 2000 + 7000) unterstützt den Produktionsprozess – wenn etwa die Brautanks alkalisch gereinigt werden und vorher frei von CO2 sein müssen. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Warsteiner Premium Verum – eine der beliebtesten deutschen Biermarken Flohzirkus erinnert, hat einen ernsten Hintergrund. Das Toximeter besteht aus einem Behälter, kaum größer als ein durchschnittliches Aquarium, den zwei Pumpen ständig mit frischem Quellwasser durchfluten. Die Wasserflöhe schwimmen in einer kleinen Glasküvette vor dem Auge einer hochauflösenden Videokamera. Schon bei Spuren von Verunreinigungen ändern die normalerweise ausgeglichenen Tierchen ihr Bewegungsmuster und reagieren hektisch, was eine automatische Bilderkennung sofort registriert. Sobald sich die Bewegungsintensität oder Schwimmhöhe der biologischen Vortester ändert, schlägt das Gerät Alarm. Wie sensibel die Apparatur ist, erklärt Homann anhand eines Vergleichs: „Wenn man zehn Liter einer Substanz im 135 Mio. Kubikmeter Wasser fassenden Möhnesee auflöst, können die Daphnien darauf noch reagieren und eine Kontamination anzeigen.“ Dreimal die Woche nehmen interne Kontrolleure Proben an den brauereieigenen Wasserquellen. Diese speisen bis zu fünf Reservoirs auf dem über 80 Hektar großen Firmengelände – zusammen rund 25.000 Kubikmeter Wasser. Genug, um den Tagesbedarf einer Stadt mit mehr als 150.000 Einwohnern zu decken. Die Reservoirs wiederum werden täglich kontrolliert. Ein Teil des sehr weichen Wassers (Härtegrad 1) entspringt der Kaiserquelle im Naturpark Arnsberger Wald, oberhalb der Brauerei. Von dort aus wird es über ein sieben Kilometer langes Leitungsnetz herangeführt. Welchen Anteil es am typischen Warsteiner-Geschmack hat, dürfte nur wenigen Pils-Freunden bekannt sein. > 19 Br auer eien Premium-B ie re Nach der Gärung ist ein hochwertiges Bier so schnell wie möglich herunterzukühlen > „Unser Bier ist heller und bekömmlicher als andere“, sagt Peter Himmelsbach, Geschäftsführer Technik. Viele verbinden mit einer dunkleren Bierfarbe einen höheren Gehalt an Stammwürze, dem Zuckeranteil vor der Gärung. „Tatsächlich hat unser Bier den eindeutig höchsten Stammwürzegehalt. Und das trotz seiner hellen Farbe“, ist sich Himmelsbach sicher. „Pro Hektoliter verwenden wir 300 bis 700 Gramm mehr Malz als andere Hersteller.“ Überhaupt spielt Wasser in der Bierproduktion eine gewichtige Rolle. Für einen Liter Gerstensaft braucht es fast viermal so viel Wasser. Streng genommen: 3,6 Liter. Insgesamt verbraucht man im nordrhein-westfälischen Warstein so rund 1,1 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Das sind 4.300 Kubikmeter pro Tag, einschließlich der für den Brauprozess benötigten Mengen. Das klingt womöglich verschwenderisch. Doch Himmelsbach bezweifelt, dass sich der Verbrauch weiter reduzieren lässt: „Nach dem jetzigen Stand von Wissenschaft und Technik haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“ 20 Wollte die Brauerei noch mehr sparen, müsste sie gegen einen ihrer wich tigsten Grundsätze verstoßen. „Weitere Sparmaßnahmen gingen zulasten der Bierqualität. Das können wir uns nicht leisten!“ Während das teure Marktsegment vieler lokal gebrauter Biere relativ krisenfest ist, brechen die mittleren Preisklassen weg. Davon profitieren Unternehmen wie die bayerische Oettinger-Brauerei – mit über sechs Millionen Hektolitern Deutschlands größter Produzent, zudem mit einer aggressiven Preispolitik ausgestattet. Warsteiner-Geschäftsführer Himmelsbach sieht sein Bier als PremiumProdukt im oberen Preissegment. Rund 13 Euro koste eine Kiste Warsteiner Premium Verum im Handel. Alle Preise darunter seien „Zugpferde des Handels“. Rohhopfen aus der Hallertau Das deutsche Reinheitsgebot stört sich nicht an solchen Angeboten. Auch wenn verschiedene Bierverordnungen das Gebot von 1516 etwas modifiziert haben. Die vier Grundbestandteile – Wasser, Hefe, Malz und Hopfen – beeindruckt das wenig. Wirklich traditionell, mit eigener Mälzerei und Naturhopfen, arbeiten nur noch wenige Brauereien. Viele ersetzen die rohen Hopfendolden durch leichter und etwas exakter zu dosierende Hopfenpellets, die ohne Stiel vermahlen und gepresst werden. Die Warsteiner Brauerei verwendet zur Hopfung ihres Warsteiner Premium Verum ausschließlich Hopfenextrakt – für einen gleich bleibenden Geschmack. „Unseren Rohhopfen kaufen wir in der Hallertau, einem zentral in Bayern gelegenen Anbaugebiet“, erklärt Peter Himmelsbach. Während der Hopfenernte sind speziell ausgebildete Mitarbeiter vor Ort. Chargen, die besonders geeignet erscheinen, werden als Muster nach Warstein geschickt: an das hauseigene Forschungslabor. Nach eingehender Untersuchung werden die jeweiligen Erntechargen dann eingekauft und der Hopfen in Veredelungsanlagen extrahiert. Dazu wird er zunächst zerkleinert und die einzelnen Bestandteile mit natürlichem flüssigen CO2 („Kohlensäure“) oder Bio-Ethanol („Trinkalkohol“) aus den nicht zerkleinerten Hopfendolden herausgelöst. Das CO2 bzw. Ethanol wird rückstandslos verdampft, bis der haltbare und in seinem Gehalt an wirksamer Alphasäure gut zu dosierende Hopfenextrakt übrig bleibt. Kohlensäure und Ethanol werden danach wieder verflüssigt und gelangen zurück in die Extraktion. Nach der Gärung ist ein hochwertiges Bier so schnell wie möglich herunterzukühlen. Warsteiner Premium Verum wird innerhalb von acht Stunden auf etwa minus 1 °C abgekühlt. Dazu wird es im Durchfluss gekühlt und in einen zweiten Tank umgelagert. Bei einer Temperatur von minus 1 °C bis minus 2 °C reift es dort drei bis vier Wochen. Anschließend wird es filtriert, abgefüllt und für den Versand bereitgestellt. Täglich verlassen rund 200 Lkw die rund 13.000 Quadratmeter große Ladehalle. In drei Schichten (von Sonntag bis Freitag – jeweils bis 22.00 Uhr) wird hier gearbeitet. Eine Besonderheit: Drägerheft 391 | 3 / 2 012 „Wir wissen erst mit Ankunft der Lkw, welche Kunden welche Produkte wün schen“, sagt Uwe Salvey, Leiter Logis tik der Warsteiner Gruppe. Und doch steht kein Lkw im Schnitt länger als 45 Minuten auf dem Firmengelände, bis er sich voll beladen auf den Weg zum Kunden machen. „Andere Brauerei en arbeiten mit Voranmeldungen und haben Abfertigungszeiten von bis zu vier Stunden – einschließlich der Wartezei ten. Insofern haben wir unsere Abläufe deutlich optimiert!“ Schaltzentrale Sudhaus: Von hier aus wird der Produktionsprozess gesteuert Von der Straße auf die Schiene FotoS: Warsteiner Gruppe, Drägerwerk AG & Co. KGaA Schon am Vormittag trinken speziell geschulte Mitarbeiter ihr erstes Pils. Streng beruflich. Ohne ihre Freigabe verlässt keine Flasche die Brauerei. Rechts: Einer von drei Räumen für Rückstellproben Täglich verlassen rund 200 Lkw die 12.640 Quadratmeter große Ladehalle. In drei Schichten wird hier gearbeitet Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Und noch etwas ist anders in Warstein. Die Züge auf dem brauereieigenen Gleisanschluss. Dreimal wöchentlich gehen von hier aus die für den Getränke transport optimierten Container nach Berlin, München und in das italienische Bussolonga, nahe Verona. „Wir sind europaweit die einzige Brauerei mit einem eigenen Containerterminal, die die Bahn in diesem Umfang für sich ent deckt hat“, sagt Salvey. Mittlerweile wer den rund zehn Prozent der Transporte über die Schiene abgewickelt. Mitunter macht dem Logistik-Exper ten die fehlende Flexibilität im Bahnver kehr zu schaffen: „Man muss die Stre cken ein Jahr im Voraus anmieten – und falls doch einmal Züge ausfallen, entste hen hohe Kosten.“ Auch deshalb wird der Lkw-Transport wohl weiter dominie ren. Sicher ist für Uwe Salvey vor allem eines: „Warsteiner ist keine Spedition. Wir sind und bleiben eine Brauerei – wenn auch mit einer sehr ausgefeilten Logistik.“ Björn Wölke 21 OFF OFF OFF OFF ON ON ON ON OFF ON OFF ON OFF ON Die Last der Entscheidungen Wohin man blickt, überall werden schnelle und oft lebenswichtige Entscheidungen verlangt. Knappe Ressourcen machen die Lage noch unübersichtlicher. Die Ethik bietet Grundlagen und Anregungen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. D er Flug ging nach Atlanta, in den Süden der USA. Der KardiologenKongress war zu Ende. Nach der Landung würden sich die Ärzte zerstreuen. Doch noch war die Kabine halb von Herzspezialisten besetzt. Kaum ein Außenstehender hätte das gleich erkannt, als nach einer Stunde der filmreife Ausruf kam: „Ist ein Doktor an Bord?“ Schweigen. Köpfe, die sich zwischen Schultern zurückzogen. Verstohlene Blicke. Wer würde der Freiwillige sein, wo man doch so viel las, über absurde Prozesse und astro nomische Schadenersatzforderungen? Geholfen haben die Ärzte dann doch. 22 Einer machte den Anfang. Der Flug liegt Jahre zurück, der Schutz williger Helfer an Bord vor Anwaltseifer wurde verbessert. Das Problem ist geblieben: Ein Mensch ist in Not, viele stehen herum, keiner wird initiativ. „Bystander Apathy“ nennen Psychologen diese Lähmung der Mitmenschlichkeit. Wer handelt, geht ein Risiko ein. Und es sind ja noch genug andere da! Ethisches Urteilen scheint hier einfach: Wir spüren, dass Passivität anrüchig ist. Praxis, Moral und Ethik Moral ohne Handelnde gibt es nicht. Die Ethik stellt die Frage, wie man sein Handeln moralisch rechtfertigen kann. Wer in einem helfenden Beruf arbeitet, hat diese Verantwortungsbereitschaft für sich akzeptiert. Jeder Arzt, jede Krankenschwester, jeder Feuerwehrmann, jeder Polizist, jeder Sicherheitsingenieur – sie alle wissen: Einige Tage sind Schicksalstage. Dann gilt es, nicht allein das Vorgeschriebene, sondern das Richtige zu tun. Manchmal ist das Richtige leicht zu erkennen – es zu tun ist die Schwierigkeit. Die Beharrlichkeit des Üblichen, Vorschriften und Hierarchien stehen im Weg. Bei Ignaz Semmelweis war das so. Vor gut 150 Jahren bewies der Wiener Drägerheft 391 | 3 / 2 012 H E L F E N DE BE RU FE E T H IK Geburtshelfer, dass Händedesinfektion bei medizinischem Personal die Sterblichkeit von Wöchnerinnen um gut 80 Prozent senkte. Also forderte er die Handwäsche mit Chlorwasser konsequent ein und stieß auf wütende Ablehnung in der Ärzteschaft. Man trieb ihn aus Wien. Viele Frauen starben am Hochmut von Macht und Gewohnheit. Bild: Stut tmann/toonpool.com Die Tragödie der Intoleranz Eine solche Zurückweisung des objektiv (und moralisch) Richtigen, das ein Handelnder erkannt hat, heißt heute „Semmelweis-Effekt“. Trotz seiner Prominenz ist der Fall theoretisch unkompliziert. Semmelweis hatte schlicht recht: Ob eine Infektionsgefahr existiert oder nicht, ist keine Frage von Meinungen. Es gibt keinen moralischen Grund, alternative Standpunkte zu tolerieren. Wer sich vor der OP nicht die Hände desinfiziert, handelt intolerant, unprofessionell und zudem unmoralisch. Der Mut, den es fordert, jene zu ermahnen, die falsch handeln, ist oft noch größer als der Mut zum eigenen Tun. Die Ethik verlangt ihn dennoch. Ethikkommissionen, Ethikräte und Ethikbeauftragte gab es zu Lebzeiten Semmelweis’ noch nicht. Mittlerweile sind sie allgegenwärtig. Was etwa der Deutsche Ethikrat heute debattiert, ist vielfach komplex, uneindeutig und inmitten widersprüchlicher Welt- und Menschenbilder zu klären: vorgeburtliche Diagnostik, genetische Optimierung des Menschen, der Zeitpunkt des tatsächlichen Lebensendes oder der Grad möglicher Selbstbestimmung in jeder Lebenslage. Typisch für diese Fragestellungen ist, dass es keine sich aufdrän- Drägerheft 391 | 3 / 2 012 genden, „einfach nur richtigen“ Antworten gibt. Was jeweils zu tun ist, lässt sich nur noch durch das Abstecken von Räumen des Erlaubten ausdrücken. Die Notwendigkeit eigenen Entscheidens können sich Ärzte, Angehörige, werdende Eltern oder Patienten nicht entziehen. Professionelle Ethiker geben ihnen für den Alltag einen Kompass in die Hand, das Steuer ergreifen sie nicht. Es mag sein, dass Ethiker-Diskussionen manchmal akademisch oder gar spitzfindig wirken. Notwendig sind sie dennoch. Eine Fortschrittsgesellschaft braucht öffentliches Nachdenken über ihren Umgang mit dem Machbaren. Bleibt es aus, können Versäumnisse schwerwiegende Folgen haben. So geschah es in Japan, einem Land mit einer traditionell weniger offenen Streitkultur als in Deutschland oder den USA. Ohne dass es zuvor eine Verständigung über ethische und medizinische Richtlinien und Standards gab, entschloss sich > Was ist Ethik? Deskriptive Ethik ist die systematische Beschreibung moralischen Handelns. Deshalb gibt es Ethikräte und -kommissionen. Sie dokumentieren, wie tugendhaftes Handeln nach zeitgemäßem Verständnis aussieht. Oder sie erläutern Regeln, wie es aussehen sollte (präskriptive Ethik). Die Haltung, die Handelnde im Alltag leitet, ist ihr Ethos: mitunter auch ein formales Berufsethos, das eine Ärztekammer formuliert hat. Ethos ist die griechische Wurzel der „ethischen Begriffsfamilie“. Das Wort bezeichnete zunächst den Ort, an dem man ist. Später das, was wir heute meinen: den moralischen Standpunkt. Jeder (gesunde) Mensch ist in der Lage, moralisch zu urteilen – wir verachten Feigheit, preisen Fairness. Doch reicht diese instinktive Gabe aus, um über die komplexen Probleme einer Welt mit sieben Milliarden Menschen und fast 200 Nationen zu befinden? Wer dem Moralismus entkommen will, muss begreifen, warum es heute nicht eine Ethik gibt, sondern eine Vielfalt von Perspektiven. Handeln lässt sich damit rechtfertigen, dass man Vorgeschriebenes exakt befolgt, gemäß der Gesetzesethik. Die Pflichtenethik fragt, ob die Tat richtig war: Kann man verlangen, dass andere sich ebenso verhalten? Es gibt drei Grundkonzepte, das Handeln ethisch zu beurteilen. Die Gesinnungs ethik fragt nach der Absicht: Sie akzeptiert, wenn etwas gut gemeint, aber total missglückt ist. Die Verantwortungsethik lässt den Handelnden die Konsequenzen seiner Taten selbst tragen. Als freies, moralisches Subjekt hat er es sich gegebenenfalls selbst zuzuschreiben, wenn er tief in der Tinte sitzt. Die Erfolgsethik misst die Tat am Ergebnis. Deshalb ist sie in der Unternehmensethik und jüngst auch in der medizinischen Ethik populär: „Outcome gut, alles gut.“ Früher hätte man gesagt: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ 23 Manche Tage sind Schicksalstage: Dann gilt es, nicht allein das Vorgeschriebene, sondern das Richtige zu tun > 1968 der Chirurg Juro Wada aus Sapporo, einem 18-jährigen Patienten das Herz eines ertrunkenen Studenten zu verpflanzen. Nur acht Monate waren vergangen, seit die revolutionäre Operation weltweit zum ersten Mal durchgeführt worden war. Der Patient starb 83 Tage später, gegen den Arzt ermittelte der Staatsanwalt wegen Mordverdachts. 1970 wurde Wada zwar freigesprochen, doch die Empörung war so groß, dass bis zur nächsten Herzverpflanzung drei Jahrzehnte vergingen. Erst im Februar 1999 war es so weit. Keine therapeutische Alternative Wada hätte gute Argumente für sein Vorgehen anführen können. Er erkannte einen revolutionären Fortschritt in der Chirurgie. Für seinen Patienten, dessen Herzklappen am Ende ihrer Leistungskraft angelangt waren, gab es damals keine therapeutische Alternative. Der Organspender war eindeutig hirntot. Doch Wada überforderte 24 die Gesellschaft, in der er lebte: Kaum jemand hätte 1968 das Konzept des Hirntods verstanden, geschweige denn akzeptiert. Starke religiöse Vorbehalte, viele davon tief in Japans Shinto-Philosophie verwurzelt, standen der Verpflanzung von Körperteilen eines Toten entgegen. Auch die Tatsache, dass konkurrierende Schulen der Medizin die Öffentlichkeit aufpeitschen würden, hätte ein Ethikrat vermutlich vorhergesehen. Obwohl Wada etwas tat, was bei den Kardiologen im Flugzeug als uneingeschränkt gut erscheint – entschlossen handeln, einen Todgeweihten retten –, drängt sich der Eindruck auf, dass er mehr Schlechtes als Rechtes bewirkte. Durch den Schock, den er der Öffentlichkeit versetzte, mag er viele Japaner um die Chance gebracht haben, eine Transplantation zu erhalten. Der Vorreiter des Fortschritts koppelte sein Land so für 31 Jahre vom Fortschritt ab. Eine ethische Lesart, die so argumentiert, nennt man konsequen- zialistisch: Ihre Vertreter schauen nicht darauf, ob der Handelnde gute Absichten hatte. Für sie zählt das Ergebnis, das erst einmal errechnet werden muss. Denn nicht nur Wada, sein Patient und der Organspender sind in die Abwägung einzubeziehen, sondern auch zahllose andere, deren Leben Wadas Tat beeinflusst hat. Was zählt, ist die gute Absicht Der aufrechnende Ansatz erscheint vielen im Gesundheitswesen heute plausibel – umso mehr, je weiter er vom täglichen Handwerk der Medizin entfernt ist. Denn die Bilanzen von Kosten und Nutzen wirken wie Geschwister, die auch im Krankenhaus immer stärker ins Blickfeld gerückt sind. Ein Übriges tut die wachsende Popularität evidenzbasierter Therapien. Auch sie werden nach „outcome“ bewertet, also praktisch vom Ergebnis her gesehen „rückwärts“ beurteilt. Dies widerspricht der Tradition, die in Deutschland lange dominierte. In der Drägerheft 391 | 3 / 2 012 H E L F E N DE BE RU FE E T H IK Pflichtethik Immanuel Kants ist vor allem die gute Absicht, die den Handelnden leitet, entscheidend. Hätte Wada in fester Überzeugung und nach Abwägung aller bekannten Tatsachen nur Gutes gewollt, wäre es gerechtfertigt, unabhängig von „Fernwirkungen“. Bild: The Cartoon Bank; Foto : PICTURE ALLIANCE/JOKER Sind Bilanzen moralisch? Keine der beiden Perspektiven ist „ethischer“ als die andere. Denn auch freimütige Ausgaben öffentlichen Geldes – durch überflüssige Operationen, SondersignalFahrten, Tauchgänge oder Rettungsflüge – wären moralisch nicht zu billigen. Dennoch fühlt sich das permanente Bilanzziehen eigenartig an. Es ist, als wäre bei jedem Notfall ein unsichtbarer Dritter zugegen, der einem über die Schulter schaut und etwas in den Taschenrechner tippt. Und das wiederum bringt uns zuweilen in Beklemmungen. Sie sind authentische moralische Impulse und zwingen uns, die Diskussion unserer Zeit engagiert zu führen: Wie kann Ökonomie moralisch betrieben werden, und wie kann Moral ökonomisch sein? Der Theologe Michael Fischer, der lange über Krankenhäuser forschte, formulierte seine Erkenntnis so: „Ethik entsteht nicht in der dünnen Luft der Theorie, sondern ihr Ort ist die stickige Atmosphäre konkreter Konflikte.“ Regeln und Konsense leiten uns in der täglichen Praxis, doch mit unserem Handeln ins Reine kommen müssen wir noch immer selbst. Die Geschichte lehrt, dass uns nicht nur geschickte Hände gewachsen sind, sondern auch ein reges Gewissen. Silke Umbach Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Regulierter Markt für Organe Darf es einen Markt für menschliche Organe geben? Manch einer meint: „Natürlich nicht! Es geht nur um gerechte Verteilung.“ Nicht der Reiche oder Bestvernetzte solle „erfolgreich bieten“. Der Bedürftigste müsse eine neue Niere, Leber oder Bauch speicheldrüse erhalten. Wirtschaftsethiker meinen: Egal welche „Währung“ im Spiel ist, es handelt sich immer um einen Markt. Jede Art von Tauschgut reicht, um ihn hervorzubringen – selbst moralische Ansprüche. Der vom Tod Bedrohte auf der Warteliste hat jeden Anreiz zu bedenken, was er „zu bieten“ hätte, um in der Rang folge aufzurücken, weil ein knappes Gut zu verteilen ist. Die grundlegende Ursache der moralischen Zwickmühlen im Organ-Verteilungssystem liegt im Mangel selbst: Gäbe es einen Überschuss an legitim gewonnenen Spenderorganen, entstünden weder Verteilungsdilemma noch Praktiken außerhalb gesetzlicher Regelungen. In gewöhnlichen Märkten wird ein zu geringes Angebot durch steigende Preise reguliert. Transplantationen würden gerade so teuer, dass alle angebotenen Organe von den ausreichend begüterten Empfängern gekauft würden. Doch die „Kunden“ haben keine Wahl, sie brauchen das „Produkt“. Unbedingt. Kaufkraft scheidet also als Vergabekriterium aus. Da jeder Kranke die gleiche Menschenwürde besitzt (also ideell gleich vermögend ist), können sich die Marktteilnehmer nicht überbieten. Im so regulierten Markt entspricht der Grad der Bedürftigkeit dem Gebot auf ein Organ an der Eurotransplant-„Börse“. Genau hier ist auch die Schwachstelle, an der diagnostische Falschmünzerei auftreten kann. Das Verteilsystem entspricht ökonomisch einer Lebensmittelkarte, die Kindern mehr Milch und Bergleuten mehr Kalorien zuteilt. In manchen Ländern hat man aus dieser Einsicht stärkere marktsteuernde Anreize geschaffen: In Spanien etwa stimmt einer Organentnahme zu, wer nicht ausdrücklich widerspricht. In Israel steigt auf der Warteliste höher, wer selbst bereit ist zu spenden. In Singapur steigt ab, wer es nicht ist. Leben und Tod: In Deutschland ist die Zustimmung zur Organspende hoch. Dennoch hat nur knapp jeder vierte Bürger einen Organspendeausweis ausgefüllt 25 W er k feuer w ehr Au to mo b il in du st rie Brandschutz für Golf und Käfer Die Werkfeuerwehr von Volkswagen in Wolfsburg ist rund um die Uhr einsatzbereit, ihre technische Ausstattung auf die besonderen Bedingungen des Standorts abgestimmt. Die kleinsten Fahrzeuge sind am häufigsten im Einsatz. 18.000 Feuerlöscher Vier Mitarbeiter sind allein für die mehreren Tausend Brandmelder, Sprinkler und Kohlendioxid-Löschanlagen zuständig. „Die Kollegen warten die Anlagen, reparieren sie und begleiten auch die VdS-Prüfungen“, sagt Justingen. Hinzu kommen 18.000 Feuerlöscher verschiedener Bauart, die alle zwei Jahre gewartet werden müssen. In der Werkstatt herrscht regelmäßig Hochbetrieb. „Feuerlöscher sind auch in der Brandschutzausbildung der Mitarbeiter wichtig – mehr als 1.000 VW-Werker durchlaufen diesen Lehrgang 26 jährlich“, sagt Frank Maiwald, Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr. Für die neuen Auszubildenden ist der Kurs vorgeschrieben – so lernt jeder von ihnen die Werkfeuerwehr persönlich kennen. Eine Stadt für sich Dass die Brandschützer meist mit Transportern vom Typ T4 und T5 der eigenen Marke zum Einsatz fahren, hat auch taktische Gründe. Rund ein Viertel des sechs Quadratkilometer großen Areals in Wolfsburg besteht aus Werkshallen. Dort werden die meisten Alarme ausgelöst. Die Hallen sind oft so groß, dass der Anmarsch vom Tor zum Einsatzort kostbare Minuten kosten kann. „Mit den Transportern können wir bis zu der Stelle fahren, an der der Alarm ausgelöst wurde“, erklärt Wachabteilungsleiter Maiwald. Die Kleinlöschfahrzeuge KLF1 und KLF2 sowie das Kleintanklöschfahrzeug KTLF mit 100 Liter Wasservorrat und Hochdrucklöschanlage haben die Brandschützer für den individuellen Bedarf entwickelt und bauen lassen. Im Vergleich zu den gigantischen Vierachsern der Werkfeuerwehren großer Chemiewerke und Raffinerien wirken diese Sonderkonstruktionen fast filigran. In der Fahrzeughalle stehen allerdings auch Ungetüme wie der 30-Meter-Teleskopmast, der Wechsellader mit aufgesatteltem Großlüfter zur Entrauchung von Hallen und das Industrietanklöschfahrzeug 20/45. Die Technik ist so vielfältig wie ihr Einsatzort, denn das VW-Stammwerk mit seinen rund 50.000 Mitarbeitern ist das FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA E in gellendes Signal, dann die Bandansage: „Voralarm“! Die Männer der VW-Werkfeuerwehr laufen in die Fahrzeughalle der Feuerwache und springen in ihre Schutzkleidung. Die Zentrale gibt über Lautsprecher erste Details zum Notruf durch. Die Brandschützer sitzen auf, Rolltore fahren nach oben, dann rücken die Fahrzeuge mit Blaulicht und Sondersignal aus. Drei rote VW-Transporter, aufgebaut und ausgerüstet nach besonderen Bedürfnissen der Werkfeuerwehr, besetzt mit einer neunköpfigen Löschgruppe. In nur wenigen Minuten erreichen sie jeden Punkt – egal ob in einer Halle oder im Freien. Mehr als 70 Mitarbeiter stellen in drei Wacheinheiten den abwehrenden Brandschutz sicher. „Organisatorischer und anlagentechnischer Brandschutz gehören ebenfalls zu unserem Verantwortungsbereich“, erklärt Immo Justingen, Leiter Brandschutz bei VW. Bei Feuer dreimal die Fünf: Vor allem die Notrufnummer 555, statt der üblichen 112, unterscheidet die Autos der Werkfeuerwehr auf den ersten Blick von Fahrzeugen öffentlicher Wehren größte Automobilwerk der Welt. Es erinnert in seiner Struktur an eine Stadt. Produktion oder Lackiererei haben ebenso spezifische Risiken wie das eigene Kraftwerk, die Verwaltung oder Forschung und Entwicklung. Und dann ist da ja noch die Autostadt – einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag haben die Wolfsburger investiert und auf einer Freifläche neben dem Kraftwerk eine (weitere) Stadt geschaffen, die sich einzig dem Konzern und seiner Markenvielfalt (von Skoda bis Lamborghini) widmet. So treffen Tradition und Moderne aufeinander. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Au to m o b i l i n d u st ri e W er k feu er w ehr Die Werkfeuerwehr sichert den Brandschutz für den feuerroten Ur-Käfer VW 3 (V1) von 1936 in der Auto-Ausstellung im ZeitHaus ebenso wie für die Produktion des neuen Golf VII und die Arbeit an den Volkswagen-Modellen von übermorgen im Entwicklungszentrum. Manchmal spielt bei der Werkfeuer wehr sogar die Musik. Dann nämlich, wenn die Mitarbeiter die Brandwache bei großen Veranstaltungen in der Autostadt übernehmen. Da schiebt man auch mal Dienst, während die Kultband „Kraftwerk“ im alten Kraftwerk spielt, > Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Werkfeuerwehr von VW „Die entscheidenden Herausforderungen für die Arbeit der Werkfeuerwehr von Volkswagen in Wolfsburg ergeben sich aus der baulichen Situation des Werks und aus der laufenden Produktion“, sagt Immo Justingen, Leiter Brandschutz bei VW. So verlangt die zum Teil Immo Justingen, Leiter Brandnoch aus den 1940er-Jahren stammende Bausubstanz mit schutz bei VW Hallentiefen von bis zu 300 Metern nach besonderen Einsatzmitteln. Außerdem muss die Werkfeuerwehr Schritt halten mit der sich ständig weiterentwickelnden Produktionstechnik. Der Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Rettungsdienst. Im vergangenen Jahr standen 3.300 Rettungs- und Krankentransporte rund 200 Einsätzen zur Brandbekämpfung und technischen Hilfeleistung gegenüber. 27 W er k feuer w ehr Au to mo b il in du st rie Persönliche Schutzausrüstung auf Industrieniveau: gasdichte Chemikalienschutzanzüge im Lager der VW-Werkfeuerwehr In der Leitzentrale gehen die Notrufe ein – vor allem medizinische Notfälle Die Wartung von 18.000 Feuerlöschern gehört zum Alltag einiger Feuerwehrleute > das heute zur Hälfte als Raum für Veranstaltungen genutzt wird. Der denkmalgeschützte Bau am Mittellandkanal mit seinen charakteristischen Schloten gab auch den Anstoß für die Gründung einer Spezialeinheit innerhalb der Werkfeuerwehr – die Höhenrettung. Schwerpunkt Rettungsdienst Der nächste Alarm: ein medizinischer Notfall. Angefordert wird ein mit zwei Kräften besetzter Krankentransportwagen (KTW). Drei dieser Fahrzeuge hat die Feuerwehr im Einsatz, der Rettungsdienst macht rund zwei Drittel aller Einsätze aus. Der KTW trifft sich im Rendezvous-Verfahren mit dem Einsatzfahrzeug 28 des Gesundheitsdienstes, das mit Notarzt und zwei Rettungsassistenten besetzt ist. Auch einen Rettungswagen besetzt die Feuerwehr bei Bedarf. Manchmal wird auch der öffentliche Rettungsdienst ins Werk bestellt. Dann lotst die Feuerwehr die Kollegen durch die Straßen und Gassen der Anlage. „So gut wie wir kennt sich hier niemand aus“, sagt Frank Maiwald. „Die präzise Ortskenntnis gehört für uns zum A und O.“ Ein schrilles Pfeifen dringt durch die Atemschutzwerkstatt im ersten Stock. Die Experten für Atemschutz und Messtechnik kümmern sich nicht nur um die Ausrüstung der Werkfeuerwehr, sondern auch um die Gasmesstechnik der Frischluft für den Tank: In der Atemschutzwerkstatt werden Pressluftflaschen befüllt VW-eigenen Versorgungsbetriebe und des Kraftwerks. Neben Mehrgasmessgeräten (Dräger X-am 5000, 5600 und 7000) sind auch Eingasmessgeräte (Dräger Pac-Serie) in Gebrauch. Prüf- und Wartungsarbeiten in den Werkstätten prägen außerhalb von Einsätzen und Schulungen den Alltag der Werkfeuerwehr. Zu den Werkstätten gehört auch ein Bereich für Feuerlöschschläuche. Dass in den Hallen jeden Tag 4.000 Autos der Typen Golf, Golf Plus, Tiguan und Touran gebaut werden, merken sie vor allem daran, wie viel Betrieb im Werk herrscht. Am Wochenende, wenn es besonders ruhig scheint, gibt es mitunter die meisten Alarme. Denn dann wird Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Au to m o b i l i n d u st ri e W er k feu er w ehr „Wichtig für eine schnelle und effiziente Gefahrenabwehr“ Raimund Bücher, Leiter Werkfeuerwehr der Henkel AG & Co. KGaA und Vorsitzender des Bundesverbands Betrieblicher Brandschutz, Werkfeuerwehrverband Deutschland e.V., über die Rolle von Werkfeuerwehren in Unternehmen. FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA, Volkswagen AG (1) Gasmesstechnik muss regelmäßig geprüft und kalibriert werden Die Werkfeuerwehr hat den Überblick. Im Hintergrund: das alte Kraftwerk gebaut und repariert – typischer Anlass für das Auslösen eines Brandmelders. Das Werk schläft nie Auch wenn die Bänder außerhalb der Schichten still stehen, die Werkfeuerwehr ist immer einsatzbereit: Jede Schicht beginnt um 7.30 Uhr und dauert 24 Stunden – so geht das 365 Tage im Jahr. Am Wochenende, wenn die Beriebsrestaurants auf dem Werksgelände schließen, wird in der Truppe gekocht. Jede Wachabteilung hat ihren eigenen Küchenchef. „Hier lernt man nicht nur Feuer zu löschen und Menschen zu retten, sondern auch eine Roulade richtig zuzubereiten“, sagt einer, dem es zu schmecken scheint. Peter Thomas Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Herr Bücher, welche Rolle spielen Werkfeuerwehren für den betrieblichen Brandschutz? Niemand kennt die spezifischen Gegebenheiten eines Betriebs so gut wie die Werkfeuerwehr. Mit ihrer speziellen Ausbildung und Ausrüstung, aber auch mit ihrer detaillierten Ortskenntnis ist sie immens wichtig für eine schnelle und effiziente Gefahrenabwehr. Über die reine Einsatztätigkeit geht die Arbeit der Werkfeuerwehren im vorbeugenden Bereich und im Gefahrenabwehr- und Krisenmanagement weit hinaus. Dazu gehört auch, dass Unterbrechungen nach einem Ereignis bis zum Wieder anlauf des Betriebs möglichst kurz gehalten werden. Werkfeuerwehren leisten so einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung von Unternehmen. In Deutschland gibt es rund 25.000 Feuerwehren – das ist ein dichtes Netz für den öffentlichen Brandschutz. Wie viele Werkfeuerwehren gibt es im Vergleich dazu? In der Bundesrepublik arbeiten derzeit 845 Werkfeuerwehren mit insgesamt 32.915 Aktiven, davon 7.115 hauptberufliche Feuerwehrleute. Dazu kommen noch einmal rund 300 Betriebsfeuerwehren. Für den Beruf des Werkfeuerwehrmanns gibt es seit 2009 eine dreijährige Ausbildung. Zudem besteht die Möglichkeit, sich nach einer Grundausbildung in einer einjährigen Ausbildung zum Werkfeuer wehrtechniker oder Industriemeister Brandschutz fortzubilden. Was unterscheidet die verschiedenen Werkfeuerwehren voneinander? Einige sind mit hauptberuflichen, andere mit nebenberuflichen Kräften besetzt. Entscheidend ist, ob einem Betrieb von der Aufsichtsbehörde angeordnet wird, eine Werkfeuerwehr zu unterhalten, oder ob das freiwillig geschieht. Angeordnete Werkfeuerwehren müssen in Ausbildung, Ausstattung und Auftritt den Anforderungen genügen, die an eine öffentliche Feuerwehr gestellt werden. Einige Bundesländer kennen in ihren Feuerschutzgesetzen darüber hinaus auch Betriebsfeuerwehren. Diese sind vielfach dadurch entstanden, dass Unternehmen selbst etwas für den Schutz ihrer Anlagen tun wollen. Beide Feuerwehren leisten wichtige Dienste im betrieblichen Brandschutz. Neben der Organisationsform ist natürlich auch entscheidend, in welcher Branche die nicht-öffentlichen Feuerwehren arbeiten. Denn eine Produktion in der Chemieindustrie unterscheidet sich von einem Stahlwerk, Flughafen oder der Elektroindustrie. Hängt von solchen Kriterien auch ab, ob ein Unternehmen eine Werkfeuerwehr aufstellen muss oder nicht? Ja, hier geben vor allem die spezifischen Risiken, aber auch die Größe des Betriebs den Ausschlag. Üblicherweise heißt es in den entsprechenden Gesetzestexten sinngemäß: „Werkfeuerwehren sind staatlich angeordnete oder anerkannte Feuerweh ren. Die Aufsichtsbehörden verpflichten nach Anhörung der Gemeinde Betriebe oder Einrichtungen, eine Werkfeuerwehr aufzustellen, wenn die Gefahr eines Brands oder einer Explosion besonders groß ist – oder wenn in einem Schadensfall eine große Anzahl von Personen gefährdet werden könnte.“ 29 IN FOGR AFIK UN T ER WA S S E R Faszination Meer 71 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Von deren Volumen wiederum zählt man rund 70 Prozent zur TIEFSEE . So heißen die Bereiche der Ozeane, die mehr als 800 Meter unter der Meeresoberfläche liegen. Der Mensch kann nur mit aufwendigen technischen Hilfsmitteln in diese kalte, weitgehend lichtlose Zone vordringen. Dagegen gelingt es einigen Säugetieren, mehrere Hundert Meter tief zu tauchen. Hier treffen sie auf zahlreiche Fische und andere Tiere. Pottwal Fangzahn Dieser Meeressäuger kann im Extremfall Tauchtiefen von 3.000 Metern erreichen. Er gilt als einziges Säugetier, das fast anderthalb Stunden unter Wasser bleiben kann, ohne atmen zu müssen. Lebensraum: in allen Ozeanen, 500–5.000 Meter Tiefe. Besondere Kennzeichen: besitzt riesige, bis 18 Zentimeter lange Zähne, weshalb er sein Maul nicht völlig schließen kann. Fußballfisch Lebensraum: Atlantischer Ozean, 200–1.000 Meter Tiefe. Besondere Kenn zeichen: kugelförmiger Anglerfisch mit einer warzigen Haut, die mit kleinen Stacheln besetzt ist. Tiefseekrabbe Lebensraum: Japan, in einer Tiefe von ca. 250 Metern. Besondere Kennzeichen: ein stacheliger Bodenbewohner. Die Tiefseekrabbe ist bisher kaum erforscht. Schwarzer Drachenfisch See-Elefant Lebensraum: alle Ozeane außer Südpolarmeer, in 50–3.500 Meter Tiefe. Besondere Kennzeichen: Leuchtorgane unter den Augen senden rotes Licht aus. Diese größte Robbenart der Welt kann bis zu 1.500 Meter tief tauchen. Das schafft der See-Elefant, weil er je Kilogramm Körpergewicht fünfmal mehr Sauerstoff speichern kann als der Mensch. Die Vermessung der Tiefsee Die freie Wassersäule des Meeres wird in fünf Bereiche aufgeteilt. Die oberen 200 Meter stellen das lichtreiche Epipelagial dar, in dem die meiste Biomasse der Meere produziert wird. Erst im Mesopelagial, das von 200 bis 1.000 Meter Wassertiefe reicht, beginnt die eigentliche Tiefsee. Weil nur noch geringe Mengen Licht bis in diese Tiefe kommen, gibt es hier keine auf Photosynthese angewiesenen Pflanzen mehr. Von 1.000 bis 4.000 Meter Wassertiefe reicht das Bathypelagial, das nur noch spezialisierte Tieftauchboote erreichen. Die beiden tiefsten Zonen sind das Abyssopelagial (4.000 bis 6.000 Meter) mit Temperaturen nahe am Gefrierpunkt und das Hadopelagial unter 6.000 Meter, zu dem auch die tiefsten Punkte der Tiefseegräben zählen. Aber auch hier, rund 11.000 Meter unter der Meeresoberfläche, leben noch Tiere. Rücken Epipelagial: 0–200 m Mesopelagial: 200–1.000 m Bathypelagial: 1.000–4.000 m Abyssopelagial: 4.000–6.000 m Tiefseegraben Hadopelagial: 6.000–11.000 m Taucher mit Kreislaufgerät Kreislaufgeräte waren die erste zuverlässige Technik für das Gerätetauchen ohne externe Luftzufuhr über einen Schlauch. Die ausgeatmete Luft wird durch einen Atemkalk-Filter von Kohlendioxid befreit, dann führt das Gerät so viel frischen Sauerstoff zu, wiezuvor veratmet wurde. Schließlich kann der Taucher das aufbereitete Gasgemisch wieder atmen. Taucher mit Druckluftgerät Presslufttauchgeräte arbeiten mit auf bis zu 300 Bar komprimierter Luft, die in Rückentanks mitgeführt wird. Zwei hintereinander geschaltete Druckminderer stellen dem Taucher die Luft mit einem Druck zur Verfügung, der knapp über dem tiefenabhängigen Umgebungsdruck liegt. Die Tauchtiefe mit Pressluft liegt bei etwa 50 Meter. Kaiserpinguin Bis zu 500 Meter erreicht dieser in der Antarktis lebende Vogel bei seinen Tauchgängen – und bleibt dabei bis zu 20 Minuten unter Wasser. Apnoetaucher Das Freitauchen ohne technische Hilfsmittel ist die ursprünglichste Form des Tauchens. Sportler versuchen, mit einem Atemzug möglichst tief zu tauchen, indem sie sich durch Gewichte nach unten ziehen lassen. Rekordtiefen liegen bei rund 200 Metern. Neben den Tieftauchwettbewerben gibt es auch die Disziplin des Streckentauchens ohne technische Hilfsmittel. Sättigungstaucher Diese Sonderform des Helmtauchens wird für lange Einsätze bei großen Tauchtiefen eingesetzt. Der Taucher lebt dabei für mehrere Tage unter erhöhtem Druck, unter Wasser wie an Land. Der Tiefenrekord für Sättigungstaucher im Einsatz liegt bei 534 Metern. Oft übernehmen Sättigungstaucher Konstruktionsund Wartungsarbeiten an Bohrinseln oder Pipelines. Panzertauchanzug FOTOS: SENCKENBERG FORSCHUNGSINSTITUT UND NATURMUSEUM, SVEN TRÄNKER; GET T Y IMAGES (2); PHOTOSHOT; ILLUSTRATIONEN: PICFOUR Panzertauchanzüge sind eine hybride Technik, die Elemente von Tauchanzug und Unterseeboot verbindet. Denn ein Druckausgleich mit der Umgebung findet im Innern des Anzugs nicht statt, obwohl dieser den Bewegungen des Tauchers folgt. Mit ihnen können ohne langwierige Kompressions- und Dekompressionszeiten Arbeiten in bis zu 600 Meter Tiefe ausgeführt werden. 14 1 3 15 2 13 5 7 12 4 6 10 8 18 16 17 9 11 19 1. Einatemschlauch, 2. Mundstück, 3. Ausatemschlauch, 4. Ausatembeutel, 5. Überdruckventil, 6. Atemkalkbehälter, 7. Atembeutel, 8. Sauerstoffflasche, 9. Sauerstoffventil, 10. Sauerstoff-Manometer, 11. Nitrox-Leitung, 12. Rückschlagventil, 13. Dosiereinheit, 14. Lungenautomat, 15. Handrad zur Einstellung des Lungenautomaten, 16. Nitrox-Flasche, 17. Nitrox-Ventil, 18. Nitrox-Manometer, 19. Nitrox-Anschlussleitung Dräger-Kreislaufgerät (LAR 5000) Während Drucklufttauchgeräte stets frisches Atemgas zur Verfügung stellen, regenerieren Kreislaufgeräte das veratmete Gasgemisch kontinuierlich. Der ausgeatmeten Luft wird frisches O 2 zugefügt. Anschließend entfernt ein Atemkalkfilter das CO 2 , und das Atemgas wird in die Gegenlunge geleitet, aus welcher der Taucher atmet. Wird tiefer als 10 m getaucht, kann Atemgas aus einem zweiten Tank mit Mischgas zugefügt werden. Wer taucht wie tief? 50 m Mensch mit Druckluftgerät 600 m Amerikanisches U-Boot der Ohio-Klasse Mensch im Panzertauchanzug 923 m Tieftauchkugel Bathysphere 200 m 4.000 m 11.000 m Tieftauchboot FNRS-2 Forschungs-U-Boot Deepsea Challenger R e t t un g sdiens t Ko h l e nsto f f mo n oxid Auf leisen Sohlen Geruchlos, farblos, geschmacklos: Kohlenstoffmonoxid ist ein tückisches Gas. In hoher Konzentration kann es tödlich sein. Auch professionelle Einsatzkräfte sind davor nicht gefeit – doch sie können sich schützen. Risiko Kohlenstoffmonoxid Patientin wie Rettungskräfte hatten Glück im Unglück. Doch zeigt der Fall die be sonderen Gefahren, die durch das un sichtbare Gas drohen. Während die Feuer wehr mit entsprechender Mess- und Atemschutztechnik ausgerüstet ist, trifft es den Rettungsdienst oft unvorbereitet. Er droht selbst zum Opfer zu werden. CO ent steht durch eine unvollständige Verbren nung von Kohlenstoffverbindungen. Das kann nicht nur bei Durchlauferhitzern passieren (siehe auch S. 35). „Einmal eingeatmet, gelangt das Kohlenmonoxid über die Lunge in den Blutkreislauf, wo es sich 325-mal leichter als Sauerstoff mit dem Eisenanteil des Hämoglobins verbin det – und so den lebenswichtigen Sauer stofftransport im Blut blockiert“, erläutert Dr. Dieter Sebald, Chefarzt der Berufsret tung in der österreichischen Hauptstadt. 32 Eine Gesundheitsgefährdung kann bereits bei Konzentrationen von etwa 100 ppm (siehe auch Drägerheft 389, Seite 46–47) auftreten. Ab 150 ppm drohen Kopfschmer zen, Schwindel, Müdigkeit und Brechreiz, ab 300 ppm Bewusstlosigkeit. Die mittlere tödliche Dosis liegt bei einer Belastung von über einer Stunde bei rund 1.500 ppm. Ab 40.000 ppm kann schon eine zweiminütige Exposition zum Tod führen. Grund genug für die Wiener Rettungskräfte, die Situation genauer zu analy sieren. Ausgestattet mit Dräger Gas warngeräten (PAC 3500) begaben sie sich im Februar 2010 in ihre Einsätze und dokumentierten sie ein Jahr lang. „Der Nachweis von CO war früher eher ein Zufallsbefund und erfolgte im Zweifel im Krankenhaus – also viel zu spät“, erin nert sich Lehrsanitäter Schrattenbacher. „Im Einsatz war man auf seine Erfah rung angewiesen. Beschlagene Fenster können ein CO-Indikator sein, aber eben auch viele andere Ursachen haben. > Retter in Gefahr Kohlenstoffmonoxid (CO) bringt Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst häufiger in Gefahr, als bisher angenommen. Das zeigt eine Studie der Berufsfeuerwehr Wiesbaden, bei der Brandschützer und Mitarbeiter des Rettungsdienstes ständig Eingasmessgeräte mit sich trugen. Die Detektoren meldeten während der Einsätze mehr als 30 Mal eine gefährlich hohe CO-Konzentration, die so nicht zu vermuten war. Das Risiko einer CO-Intoxikation erwies sich als besonders hoch bei Alarmen wegen medizinischer Notfälle. Eindeutige Empfehlungen: Rettungskräfte sollten mit CO-Warnern ausgestattet sein, so die Schlussfolgerung der Studie: „Grundsätzlich ist das Tragen von CO-Warnern im Rettungsdienst und bei Krankentransporten zu empfehlen. Es sollte mindestens ein Gerät pro Rettungsmittel aus Arbeitsschutzgründen vorgehalten und der Besatzung zur Verfügung gestellt werden“, betonen die hessischen Brandschützer. Mehrfach konnte durch den Einsatz der Geräte Schlimmeres verhindert werden. So zum Beispiel bei einem Gasunfall in einem Mehrfamilienhaus. Als der Rettungsdienst zu einer Person gerufen wurde, die über Unwohlsein klagte, schlug der CO-Warner an. Die umgehend alarmierte Feuerwehr evakuierte 40 Menschen, von denen mehr als die Hälfte bereits eine CO-Vergiftung hatte. Die Studie hat unterstrichen, wie wichtig die Ausstattung von Rettungsdienst und Feuerwehr mit dieser Technik ist. „Die Organisationen haben damit begonnen, ihre Einsatzkräfte auszustatten“, sagt Rüdiger Weich, Manager bei Dräger. „Das Thema ist sehr aktuell!“ Drägerheft 391 | 3 / 2 012 FotoS: MEV/F1online, Drägerwerk AG & Co. KGaA E in zunächst unspektakulärer Routineeinsatz war es, der Georg Schrattenbacher zum Nachdenken brachte. Der Lehrsanitäter im Rettungs dienst der Wiener Berufsrettung wurde alarmiert, um eine junge Frau medizinisch zu versorgen. Spärlich bekleidet und sicht lich verwirrt öffnete sie die Wohnungstür. Doch der Zustand der Angetrunkenen ließ sich nicht allein auf Alkoholkonsum zurück führen. Die Untersuchung im Kranken haus ergab eine Kohlenstoffmonoxid(CO)Vergiftung. Ursache für den CO-Austritt in den eigenen vier Wänden war ein defekter Durchlauferhitzer. Schrattenbacher und seine Kollegen wurden ebenfalls unter sucht. Auch bei ihnen wurde eine leichte CO-Intoxikation festgestellt. Immer dabei: Eingasmessgeräte begleiten die Wiener Rettungs kräfte bei ihren Einsätzen – und warnen im Notfall vor CO Schwer einzuschätzen: Bei medizinischen Notfällen mit unklarem Hintergrund kann eine Kohlenstoffmonoxidvergiftung vorliegen Drägerheft 391 | 3 / 2 012 33 > I nsofern ließen sich keine geeigneten Vorsichtsmaßnahmen treffen.“ Die systematische Auswertung der COBelastungen im Einsatz ergab ein klares Bild: Häufigkeit und individuelle Belastung der Rettungskräfte waren deutlich höher, als bisher angenommen. 38 Fälle von CO-Exposition wurden nachgewiesen – nur in sieben davon war vorher mit dieser Gefahr gerechnet worden. „Selbstschutz steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, denn nur gesunde Retter können wirkungsvoll helfen“, sagt Rettungsdienstleiter Dr. Jochen Haidvogel. „Wir mussten also dringend etwas unternehmen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu gewährleisten.“ Weitere Gaswarner wurden angeschafft und die Vorgehensweise der Rettungsteams den neuen Erkenntnissen angepasst. Dem CO auf der Spur „Die Dräger-Geräte werden nun standardmäßig am Rucksack getragen. Dort stören sie die Abläufe nicht, sind aber immer dabei“, beschreibt Haidvogel die ebenso einfache wie effektive Lösung. Zudem wurden verschiedene Alarmgrenzen definiert: Alarmgrenze 1 liegt bei einer maximalen Arbeitsplatzkonzentration von 30 ppm, Alarmgrenze 2 bei 60 ppm. Crash-Rettung bei erhöhten Werten Schlägt ein Gerät an, wird sofort die Feuerwehr alarmiert. Das weitere Vorgehen hängt dann von den jeweiligen Umständen ab. „Ist die erste Alarmgrenze überschritten, sorgen wir zunächst für eine ausreichende Frischluftzufuhr und bringen verletzte Personen in Sicherheit“, sagt Schrattenbacher. Ab einer Belastung von 60 ppm wird der Einsatzort sofort geräumt – Die zuverlässige Detektion von Kohlenstoffmonoxid stand bereits am Anfang der Entwicklung moderner Prüfröhrchen: Das erste entsprechende Patent wurde 1919 an die Amerikaner Lamb und Hoover vergeben, die Bimsstein mit einem Gemisch aus Iodpentoxid und Schwefelsäure präparierten und in Glasröhrchen füllten. Dieses „Hoolamite“ gilt als erstes chemisches Verfahren zum Nachweis von Kohlenstoffmonoxid. Mit Dräger-Röhrchen ließ sich CO dann nicht nur nachweisen, sondern auch zuverlässig messen. Zu den klassischen Arbeitsweisen der Dräger-Röhrchen gehört bis heute die Reaktion von Iodpentoxid unter sauren Bedingungen mit Kohlenstoffmonoxid. Nach diesem Prinzip arbeiten die aktuellen Prüfröhrchen Kohlenstoffmonoxid 2/a, 5/c, 8/a, 10/b und 0,3%/b (Bestellnummern 67 33 051, CH 25 601, CH 19 701, CH 20 601 und CH 29 901). Elektronische Messgeräte, die mit elektrochemischen Sensoren arbeiten, erlauben schnelle und präzise Messungen der CO-Konzentration in der Umgebungsluft. Tragbare Eingasmessgeräte sind eine gute Lösung für kontinuierliche personenbezogene Messungen (siehe auch S. 56). 34 und eine „Crash-Rettung“ durchgeführt, bei der auf eine umfassende Diagnostik verzichtet wird und die Rettung aus der Gefahrenzone im Vordergrund steht. „Ob das überhaupt möglich ist, liegt im Ermessen der Einsatzkräfte. Lange gesucht wird aber nicht, das muss dann gegebenenfalls die Feuerwehr übernehmen.“ Für Schrattenbacher gehören Eingasmessgeräte zum Standard in der Notfallmedizin: „Seit Einführung der kleinen Lebensretter wurde kein Kollege mehr durch CO verletzt.“ Das Gas ist auch deshalb so tückisch, weil es leichter als Luft ist und sich unbemerkt auf andere Räume oder Wohnungen ausbreiten kann. Häufig werden weitere Menschen abseits der eigentlichen Gefahrenstelle bewusstlos aufgefunden. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit der Wiener Berufsrettung mit Polizei und Feuerwehr reibungslos. „Wir haben klar verteilte Kompetenzen und professionelle Strukturen“, sagt Rettungsdienstleiter Haidvogel. „Innerhalb von rund zehn Minuten sind wir am Einsatz ort. Das ist ein sehr guter Wert!“ Damit auch weiter alles so gut läuft, werden die Wiener Rettungskräfte nicht nur individuell, sondern auch taktisch geschult. Übungen der Berufsrettung gibt es beinahe monatlich. Und alle zwei Monate findet eine Großübung statt, in die auch andere Organisationen eingebunden werden. „Wir sind froh, dass die Stadt Wien großen Wert darauf legt, einen professionellen Rettungsdienst zu stellen“, sagt Haidvogel. „Das ist vielleicht kein gewinnbringendes Geschäft, aber wir arbeiten in einem professionellen Umfeld – mit vielen Möglichkeiten.“ Herbert Glass Drägerheft 391 | 3 / 2 012 FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA; Illustration: PICFOUR Lehrsanitäter Georg Schrattenbacher (links) von der Wiener Berufs rettung (in der Mitte die Fassade der Rettungs zentrale im 3. Bezirk) und Rettungsdienstleiter Dr. Jochen Haidvogel KO H L E N STO F F MO N OX I D R E T T U N G SD IENS T Das tückische Gas Gefahr durch CO: Die Consumer Product Safety Commission der Vereinigten Staaten von Amerika warnt vor Kohlenstoffmonoxid (CO) als einem „tödlich giftigen, farblosen, geruchlosen Gas“, an dem in den USA jährlich mehr als 170 Menschen sterben – zusätzlich zu den tödlich verlaufenden Rauchgasvergiftungen, bei denen CO fast immer eine entscheidende Rolle spielt. CO kann bei der unvollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen entstehen, wie sie für Schwelbrände typisch ist. Aber auch defekte Öl- und Gasheizungen sowie Gasthermen erzeugen Kohlenmonoxid, ebenso Holz- und Kohleöfen oder Grills mit offenem Feuer. Schließlich können sich durch den Betrieb von Verbrennungsmotoren in geschlossenen Räumen und das Entzünden von Wasserpfeifen in schlecht belüfteten Räumen kritische CO-Mengen in der Atemluft anreichern. So wirkt CO: Wird CO eingeatmet, bindet es sich mit einer mehr als 300-fach höheren Affinität als Sauerstoff an das Hämoglobin im Blut. So wird die Sauerstoffversorgung der körpereigenen Zellen – je nach CO-Konzentration und Einwirkzeit – mehr oder weniger stark eingeschränkt. Die Auswirkungen reichen bis zum Tod durch Ersticken. Als tödlich gelten Konzentrationen von 1.500 ppm (das entspricht einem Volumenanteil von 0,15 Prozent in der Umgebungsluft) über 60 Minuten hinweg bis zu 40.000 ppm bei einer Einwirkzeit von zwei Minuten. Zum Vergleich: Als Arbeitsplatzgrenzwert gelten 30 ppm Kohlenmonoxid (Technische Regeln für Gefahrstoffe, Arbeitsplatzgrenzwerte – TRGS 900, Stand 2012). Die akute CO-Konzentration im Blut lässt sich mit der SiebenWellen-Pulsoxymetrie messen. Das betrifft Patienten ebenso wie Einsatzkräfte: In den USA rät die NFPA-Norm 1584 (Stand 2008) zu einer Überprüfung der CO-Sättigung, wenn kritische Werte in der Umgebungsluft gemessen wurden oder Feuerwehrleute über bestimmte Symptome klagen. So kann noch am Einsatzort mit einer Behandlung begonnen werden. Die Gabe von reinem Sauerstoff bis hin zur Intubation oder einer Überdrucktherapie gelten dabei als wichtigste Therapieformen. Schwindel und Übelkeit, aber auch Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche und Herzrhythmusstörungen können Symptome einer CO-Vergiftung sein. Oft werden diese Anzeichen jedoch als Infekt, Missbrauch von Alkohol und Drogen oder neurologische Ausfallerscheinung gedeutet. Blockierte Schornsteinöffnung Verstopfter Schornstein Falsch installierte Dunstabzugshaube Verstopfter Kamin mit Holz- oder Gasfeuer Wäschetrockner Autoabgase: aus direkt ans Haus grenzender Garage Defekter Propangaskühlschrank Defektes tragbares Heizgerät Betrieb von Grillgeräten in geschlossenen Räumen Leck am Abzug der Zentralheizung Beschädigter Wärmetauscher Korrosion oder andere Schäden an Belüftung des Warmwasserbereiters DRÄGERHEFT 391 | 3 / 2012 Mögliche Quellen für die Entstehung von CO im Haus 35 F euer w ehr T r ain in g Durchblick mit moderner Technik: Brandbekämpfung 36 40-Fuß-Container im Drägerheft 391 | 3 / 2 012 T r a i n i n g Feu er w ehr Flashover im Nadelwald Durch realitätsnahes Training lassen sich im Einsatz auch schwierige Situationen beherrschen. Eine Realbrandausbildung in Schweden bietet Feuerwehrleuten hierfür gute Voraussetzungen. A FotoS: Åke Ericson n diesem Morgen entfacht Maik Klein eine Feuersbrunst nach der anderen. Mit geübter Hand dreht der Ausbilder am Swedish Rescue Training Centre (SRTC) in Skövde am Gasventil. In der Tiefe des Containers lodern Flammen. Eine Weile tanzen sie noch im Rauch, der zur stählernen Decke dringt. Dann walzen sie in breiter Front heran, schlagen meterweit aus Fenstern und Flügeltür. Klein hat seinen Angriffstrupp in Stellung gebracht. Der Real-Life-Simulator „Macken“ ist eine Übungsanlage mit zwei 40-Fuß-Standardcontainern. Sie wird unter anderem mit Flüssiggas befeuert. In ihr lassen sich Brände simulieren, die auch erfahrene Feuerwehrleute an ihre Grenzen bringen. „Sicherheit ist oberstes Gebot“, mahnt Klein und mustert die aus Deutschland und Österreich angereisten Kameraden. Im Container entstehen im Deckenbereich Temperaturen von bis zu 800 Grad Celsius. Wer da einen kühlen Kopf bewahren will, sollte eine möglichst bodennahe Haltung einnehmen. Jeweils zwei Feuerwehrleute werden in die Gefahrenzone geschickt. Streng nach Vorschrift geht dort ihr Blick nach oben. Bei der Verbrennung von Flüssiggas entstehen große Mengen von Brandgasen, die sich unter der Decke sammeln. Am Verhalten des Rauchs, an seiner Farbe und „Konsistenz“ erkennen geübte Brandbekämpfer die Vorboten eines sogenannten Flashover (Feuerübersprung). Wenn Wasser zum Problem wird Dieses gefährliche Phänomen der Rauchgasdurchzündung lässt sich in großen Räumen nur mit der richtigen Lösch- Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Ausbilder Maik Klein bespricht die Taktik für den nächsten Übungseinsatz technik beherrschen. „Zu viel Wasser wird zum Problem“, weiß Ausbilder Klein. „Der Wasserdampf dehnt sich rasend schnell aus, trübt die Sicht und erzeugt selbst in Bodennähe Temperaturen, die man ohne Schutzkleidung kaum überlebt.“ Dagegen hilft die Strahlrohrtechnik. Die hat die Gruppe – erst als Solist, dann mit Partner und angepasst an das Raumvolumen – am Vortag bereits erschöpfend geübt. Eine kompliziert anmutende Choreografie, die Klein immer wieder in Erinnerung ruft: „Wir beginnen mit einem breiten Strahlbild, fangen die Flammen über uns ein, versuchen dann mit einer Acht-Bewegung, möglichst das ganze Volumen der Brandgase abzudecken und verjüngen gleichzeitig das Strahlbild, um Tiefe zu bekommen.“ Plötzlich geht ein Raunen durch die Gruppe. Die Feuerwalze ist diesmal besonders weit über die am Hohlstrahlrohr arbeitenden Kollegen hinweggerollt. In sicherer Distanz zum Inferno steht Guido Deutloff. Er ist Ausbilder an der Feuerwehr- und Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz. Deutloff hat im Laufe seiner fast 25-jährigen Feuerwehrerfahrung einige Innenangriffe bei Vollbrand durchgeführt. Die Schweden mit ihrer Realbrandausbildung haben den Profi dennoch beeindruckt. „Solche Flammengrößen, hervorgerufen durch die Flüssigphase des Brennstoffs, können wir in Deutschland schon wegen der Vorschriften nicht erzeugen“, bedauert Deutloff. Zwar haben sie in Koblenz ein eigenes gasbefeuertes Brandhaus, doch das liegt in einem Wohngebiet. „Wenn wir mit dem Martinshorn fahren, hagelt es gleich Beschwerden wegen Ruhestörung. Doch um realitätsnah zu üben, muss auch mal eine Rauchwolke entstehen dürfen!“ Kuchen und Pizza aus dem Brandcontainer? „Und die richtige Hitze“, ergänzt Ola Johansson. „Wir haben in unseren Brandcontainern Kuchen und Pizza gebacken“, scherzt der Schwede. Mit seiner sonoren Stimme, dem breiten Kreuz und Händen wie Baggerschaufeln strahlt der Geschäftsführer des SRTC eine souveräne Ruhe aus. Es wirkt, als könnte ihn in diesem Leben nur noch wenig erschüttern. Johansson kennt die Nöte der Kameraden. Bevor er 2001 als Ausbilder an die damals noch unter staatlicher Regie betriebene Feuerwehrschule wechselte, arbeitete er sieben Jahre als Ambulanzfahrer und Truppführer bei der Feuerwehr. „Von der Initialzündung bis zum voll entwickelten Zimmerbrand dauert es je nach Bauart etwa sechs bis zehn Minuten. Nicht immer sind wir rechtzeitig am Einsatzort angekommen.“ Innenangriffe gegen massive Flammenfronten, wie sie im mittelschwedi- > 37 > schen Skövde bevorzugt geübt werden, sind nicht der Alltag. „Die meisten Feuerwehrleute haben nur wenige solcher Einsätze in ihrem Leben“, sagt Johansson. Umso wichtiger sei das Training, damit das richtige Verhalten im Ernstfall auch abgerufen werden kann. „Wir schaffen zunächst ein grundlegendes Verständnis dafür, wie ein Feuer entsteht“, erläutert er das mehrstufige Ausbildungskonzept. Die verschiedenen Phasen im Brandverlauf eines Feuers – von der Initialzündung über die Absonderung von Pyrolysegasen bis hin zur Durchzündung der Rauchschicht – zeigen die Ausbilder in einem Container, den sie „das Labor“ nennen. Hier werden Holzplatten eingehängt und entzündet, die gleichwohl nur einen Bruchteil der Brandlast simulieren, die bei einem gewöhnlichen Zimmerbrand durch Einrichtungsgegenstände wie Möbel, Elektrogeräte und Gardinen anfallen würde. Ebenso anschaulich wird hier der sogenannte „Backdraft“ demonstriert. Dabei schafft ein fast erloschener Schwelbrand bei Abkühlung des Brandraums einen Unterdruck. Wird ein Fenster geöffnet, entzündet sich das brennbare Gasgemisch durch die Zufuhr des angesaugten Sauerstoffs. Bei dieser Rauchgasexplosion fährt die glutheiße Flammenkugel mit Urgewalt aus dem Container. Verständnis wecken für das Strahlbild: „Die Flammen einfangen“ Flammenfront: praktische Erfahrung in realistischer Umgebung Möglichst viel praktische Erfahrung Wo andere notgedrungen ihre Vorstellungskraft bemühen, setzen die SRTCAusbilder auf möglichst viel praktische Erfahrung in realistischer Umgebung – und darauf, dass die Kursteilnehmer 38 Eine Übungspuppe wird aus dem verrauchten Container gerettet Drägerheft 391 | 3 / 2 012 T r a i n i n g Feu er w ehr Von der Initialzündung bis zum vollständigen Zimmerbrand dauert es sechs bis zehn Minuten die Folgen ihres Handelns begreifen. „Übungscontainer sind heute in aller Welt bekannt und lassen sich ohne Aufwand installieren“, sagt Ola Johansson. Und doch sind allein die Vielzahl der Container sowie die damit verbundenen Trainingsszenarien im SRTC außergewöhnlich. Kaffee- und Verschnaufpause im Schatten von „Luleåhuset“. Bei dieser Übungsanlage sind die Container zu einem stattlichen Gebäude aufgestapelt. Maik Klein präpariert jeweils eine Brandstelle auf den beiden Etagen. Eine viertel Ladung genügt – schon quillt schwarzer Rauch aus dem gemauerten Treppenhaus. Klein gibt den Angriffstrupps wertvolle Tipps für den Einsatz des Überdruckbelüfters, der in Schweden standardmäßig auf den Fahrzeugen mitgeführt wird. FotoS: Åke Ericson Härtetest für Mensch und Material Wie alle Kursteilnehmer trägt Guido Deutloff bei seinem Einsatz im schwer verrauchten „Luleåhuset“ eine Dräger FPS 7000 Atemschutzmaske und den dazu passenden Dräger PSS 7000 Pressluftatmer. „Die Maske sitzt angenehm, schließt dicht ab und passt sich gut dem Gesicht an.“ Deutloff lobt das verbesserte Sichtfeld. Auch der Pressluftatmer soll den Geräteträger möglichst wenig belasten. „Verglichen mit den Stahlflaschen, die wir früher hatten, sind moderne Kompositbehälter viel leichter.“ Mittagessen und ein letzter Flaschenwechsel. Zum Abschluss wird eine Feuerprobe angesetzt. Die weitläufige Anlage aus gestapelten Containern mit stählernen Treppen und Stegen hat 15 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 feststoffbefeuerbare Brandräume und dient – je nach Einsatz-Szenario – als Schiff oder Hotel. Das taktische Vorgehen zur Suche von Vermissten und die Zusammenarbeit von gleich zwei Angriffstrupps unter Hitze und Rauch sind die Trainingsziele. In Schweden sind Wärmebildkameras als Hilfsmittel für die schnelle Menschenrettung weit verbreitet. „Wir benutzen die Videomitschnitte auch, wenn wir Brandstiftung vermuten und der Polizei Material an die Hand geben wollen, wie es im Brandraum zu einem gewissen Zeitpunkt ausgesehen hat“, sagt Ausbilder Klein. Karl Paul kam schon als Teenager zur Feuerwehr. Heute ist der 46-Jährige Ausbilder an der Landesfeuerwehrschule Salzburg in Österreich und verantwortlich für Atem- und Körperschutz. Er orientiert sich an diesem Nachmittag mit einer Dräger UCF 6000 Wärmebildkamera im dichten Rauch. Für ihn sind die Geräte eine bedeutende technische Innovation, die dem Geräteträger für den Innenangriff an die Hand gegeben wurde. „Das schnelle Eindringen in die Räume ist heute Devise. Und der Trupp, der reingeht, sollte auch etwas sehen können.“ Die Geräte und ihre Akkus seien kleiner und handlicher geworden. Am Ende eines langen Tages sitzt Karl Paul ermattet neben den Übungspuppen und gönnt sich einen Schluck aus der Wasserflasche. Der Österreicher ist mit der taktischen Leistung seines Trupps zufrieden. „Die Sicht war null. Aber wir sind gut zusammengeblieben, haben den Löschschlauch um viele Ecken geführt – da hat sich nichts gestaut.“ Die Teil nehmer sind sich einig, dass sie das Training in Schweden um einige Erfahrungen bereichert hat. Jedes Feuer ist anders. Doch wer aus Rauch und Flammen „lesen“ kann, wer die Hitze einer Flammenfront erlebt hat, kann Verhaltensmuster abrufen, die ihm helfen, auch extreme Einsätze zu beherrschen. Moderne Technik ist hilfreich. Eine Verständigung auf einheitliche Standards bei Ausbildung und Training in ganz Europa wäre es auch. Alexander Budde Swedish Rescue Training Centre (SRTC) Das SRTC wird seit 2009 unter privater Regie betrieben. Für die Ausbildung und das Training in den Bereichen Menschenrettung, Brandbekämpfung und Führung werden Übungsanlagen vorgehalten, die mit Holz, Gas oder kombiniert befeuert werden können. Persönliche Schutzausrüstung sowie Fahrzeuge werden den Kursteilnehmern gestellt. Die Experten des SRTC beraten auch Unternehmen aus der Chemieindustrie beim Umgang mit Gefahrgut. „Wir können Leckagen mit scharfer Säure und echtem Ammoniak nachstellen“, sagt Ola Johansson bei einer Führung durch das 125 Hektar große Areal. Bei Bedarf werden auch geschminkte Darsteller aufgeboten, die Verletzte mimen. www.srtc.se 39 M ed i z in Tour is m u s T h ail and Der globale Patient Die medizinische Versorgung in Deutschland hat einen guten Ruf – aus aller Welt kommen Patienten. Das ist in den USA, Frankreich oder Großbritannien nicht anders. Und auch vor Asien macht der Medizintourismus nicht halt. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das Bangkok Hospital. Hoher Betreuungsschlüssel, hotelähnlicher Service, professionelle medizinische Hilfe: Dafür reist dieser Schlaganfall-Patient von weit her an 40 Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Von 100 auf 600 Betten in 40 Jahren: Das Bangkok Hospital war die erste Privatklinik Thailands E in Muezzin ruft im arabischen Teil des Bangkok Hospital über Lautsprecher zum Gebet. Patienten und Angehörige aus dem Nahen Osten räkeln sich auf dunkelbraunen Ledersofas. Eine Wand trennt sie vom Eingangsbereich. „Arabische Patienten mögen es gerne etwas privater“, sagt Ralf Krewer. Der deutsche Mittvierziger – groß, hager, kurze Haare – ist seit zwölf Jahren für das internationale Management an der 600-Betten-Privatklinik zuständig. Ausländische Patienten sind seine Domäne. Sie sollen sich hier wohlfühlen. „Oben im siebten Stock“, erzählt Krewer, „sind die Gebetsräume so groß, dass wir auch das Freitagsgebet abhalten können. Um 12 Uhr kommt ein Imam aus einer der umliegenden Moscheen.“ Bis vor Kurzem habe hier noch ein Beduinenzelt gestanden. Das Bangkok Hospital im Huai-Kwang-Distrikt – unweit der Innenstadt – könnte in jeder westlichen Metropole stehen. Die Böden sind mit Marmor gefliest, der Empfangsbereich ist hell und offen. Auch technisch gesehen ist die Privatklinik auf dem neuesten Stand. FotoS: Nick Nostitz Wirkungsvolle Mund-zu-Mund-Propaganda Begonnen hat alles 1972 mit einer Handvoll Ärzten, Apothekern und drei Dutzend Krankenschwestern. Heute ist man mit 13 Niederlassungen in Thailand eine der größten Privatkliniken Südostasiens. Rund ein Fünftel der Patienten sind Medizintouristen, viele aus dem Nahen Osten. Daran hat Ralf Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Krewer jahrelang gearbeitet. Dutzende Male ist er in die Region gereist, hat versucht, die Ministerien der einzelnen Staaten von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. „Das hat anfangs überhaupt nicht geklappt“, sagt er. Dann hat sein Team einen lokalen Berater eingestellt, der Krewer mit Mitgliedern der Oberschicht bekannt gemacht hat. Die hätten daraufhin angefangen, jüngere Leute nach Bangkok zu schicken. „Die kamen mit glühenden Berichten zurück. Danach hat das Geschäft mit Patienten aus der Region mehr und mehr zugenommen.“ Äthiopien ist vielleicht seine größte Erfolgsgeschichte. Als er vor wenigen Jahren dem Management davon erzählt hat, dass es dort einen Markt an Medizintouristen gäbe, hat niemand so recht daran geglaubt. Irgendwann ließ sich der Vorstandsvorsitzende überzeugen: Krewer durfte nach Äthiopien fliegen – dort jedoch nicht mehr als 1.000 Dollar für Werbung ausgeben. Im Gegenzug sollte das Krankenhaus innerhalb von drei Monaten rund 100.000 US-Dollar an Patienten aus Äthiopien verdienen. „Nach drei Monaten waren es 160.000 US-Dollar.“ Heute kommen jeden Monat zwischen 600 und 800 Patienten aus Äthiopien. Krewer ist ein zurückhaltender Typ. Er prahlt nicht mit seinen Erfolgen. In Momenten wie diesen gibt er zu: „Natürlich bin ich auch ein bisschen stolz!“ Neben einer großen Abteilung für arabische Patienten gibt es im Bangkok Hospital auch Bereiche für Japaner: mit Personal und Ärzten, die Japanisch spre- chen. Gegenüber dem Schalter für Patienten aus Bangladesch hängen Bauplanen. Hier wird demnächst eine eigene Abteilung für Patienten aus Burma eröffnet. „Manche Nationalitäten brauchen ein bisschen mehr Service als andere“, hat Krewer beobachtet. Bangladescher seien sehr servicebewusst und schätzten es, wenn man sie begleitet. Europäer hingegen seien selbstständiger. Auch die Spezialisierungen der Abteilungen seien landestypischen Erfordernissen angepasst. „Japaner essen viel rohen Fisch und haben dadurch häufiger Probleme mit dem Magen. Daher werden bei ihnen im Check-up andere Sachen untersucht als bei Patienten aus anderen Ländern.“ Günstig und (fast) wie im Hotel Krewer hat Chinesisch, Vietnamesisch und asiatische Politik studiert. Mitte der 1990er-Jahre stellte er für ein französisches Unternehmen in China Bushaltestellen mit Werbung auf. Wenig später ist er dann seiner Frau, einer Engländerin, nach Thailand gefolgt. In einer englischsprachigen Tageszeitung las er, dass das Bangkok Hospital einen Europäer mit mehreren Sprachkenntnissen suchte. So kam er dazu, Patienten aus aller Welt nach Bangkok zu holen. Dabei ist das Phänomen Medizintourismus eine relativ neue Erscheinung. Vor etwas mehr als zehn Jahren begannen die ersten Europäer und Amerikaner, für medizinische Behandlungen ins Ausland zu reisen. Anfangs lockten Privatkliniken in Mexiko, Tschechien > 41 M ed i z in Tour is m u s T h ail and Patienten suchen sich gerne ein schönes Fleckchen Erde zur Genesung aus > oder der Türkei mit günstigen Zahnbehandlungen oder ästhetisch-plastischen Eingriffen. Mittlerweile bieten Medizintouristen Aussichten auf ein Milliardengeschäft. Nach den Gründen muss man nicht lange suchen: Günstige Preise und ein hotelähnlicher Service geben den Ausschlag. Allein in Thailand lassen sich jedes Jahr mehr als zwei Millionen Ausländer medizinisch behandeln. Viele Privatkliniken in Asien bieten dabei einen Service, von dem viele gesetzlich Versicherte in Deutschland nur träumen können: Ärzte, zum Beispiel, die lange Jahre in Top-Einrichtungen in Europa und den USA gearbeitet haben. Auch Einzelbettzimmer sind die Regel. Doch eine medizinische Behandlung im Ausland birgt auch Risiken. Im Internet lassen sich seriöse von fragwürdigen Angeboten oft nur schwer unterscheiden. Gerade bei plastischen Eingriffen hat es in der Vergangenheit Fälle von üblem Pfusch gegeben. Viele Ärzte an Krankenhäusern im Ausland verfügen zudem nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung. Sollte es zu Behandlungsfehlern kommen, können Medizintouristen in aller Regel nur in den Ländern klagen, in denen die Operation durchgeführt wurde. In vielen Staaten stehen die Chancen eher schlecht, bei einer Klage gegen etablierte Krankenhäuser recht zu bekommen. Freundlich und offen: der Empfangsbereich des Bangkok Hospital Zertifizierungen stellen hohen Standard sicher Auch Ralf Krewer räumt ein, dass die Dinge nicht immer planmäßig verlaufen: „Von 10.000 Operationen gehen mit- 42 Eine Ecke der Besinnung, aus der Thailands König Bhumibol Adulyadej grüßt Drägerheft 391 | 3 / 2 012 FotoS: Nick Nostitz Konsequente Maßnahmen zur Qualitätssicherung: Ralf Krewer leitet das internationale Management am Bangkok Hospital unter eine oder zwei schief, das ist rela tiv normal. Allerdings haben wir sehr konsequente Maßnahmen zur Qualitäts sicherung.“ Das Bangkok Hospital lasse sich beispielsweise regelmäßig von der Joint Commission International (JCI) zertifizieren, einer Non-Profit-Organisa tion aus den USA, die Gesundheitsdienst leistungen weltweit prüft. Zudem hätten sowohl das Krankenhaus als auch sämt liche behandelnden Ärzte Berufshaft pflichtversicherungen abgeschlossen. Was aber, wenn eines Tages etwas gründlich schiefgeht und sich ein Rechtsstreit anbahnt? Das Kranken haus, das sich auf ein Gerichtsverfah ren einließe, wäre schlecht beraten, antwortet Krewer offen. Man würde das wohl außergerichtlich regeln. Wenn man einen guten Ruf zu verlieren hätte, könne man sich so etwas nicht leisten. Generell gelte am Bangkok Hospital das Angebot, Behandlungsfehler kostenlos zu beheben. „Wenn etwa einer unserer deutschen Patienten überzeugt ist, dass einem unserer Ärzte ein Behandlungs fehler unterlaufen sei, muss er sich das in Deutschland von einem anerkannten Krankenhaus oder Facharzt bestätigen lassen.“ Das Bangkok Hospital werde den Patienten dann kostenlos einfliegen und den Behandlungsfehler beheben – oder für die Behandlung in Deutsch land aufkommen. Mohammed Ahmed Salah könnte man als zufriedenen Patienten bezeich nen. Der 57-Jährige sitzt im internatio nalen Flügel des Bangkok Hospital auf einem Bett und kann seinen Enthu siasmus kaum bremsen. Sein Kran Drägerheft 391 | 3 / 2 012 kenzimmer geht über in ein kleines Wohnzimmer, in dem ein großer Flach bildfernseher an der Wand hängt. Eine Pantry-Küche grenzt an das Badezim mer. Läge nicht ein Geruch von Desin fektionsmitteln in der Luft, könnte sich das Zimmer auch in einem beliebigen Fünf-Sterne-Hotel befinden. Wenn Patienten zu Konsumenten werden Salah stammt aus dem Jemen, lebt aber in Saudi-Arabien. Vor 18 Monaten hat te er einen schweren Schlaganfall. Fast drei Wochen lag er im Koma. Als er aus diesem erwachte, konnte er nicht mehr gehen. „Mein Arzt hat mir gesagt, dass man dagegen nichts machen könne – außer Physiotherapie.“ Salah suchte im Internet nach Kliniken im Ausland. Er fand ein Rehazentrum in der Slowakei. Mit der Behandlung war er nicht zufrie den. Also versuchte er es in einer Pri vatklinik in Manila. Ein anderer Pati ent hat ihm dort gesagt, dass er für seine Erkrankung am falschen Ort sei. Er solle nach Thailand fliegen. Weni ge Wochen später stand Salah auf dem Flughafen in Bangkok, wo bereits ein Mitarbeiter des Bangkok Hospital auf ihn wartete. „Als ich hier ankam, war ich sehr überrascht“, erzählt Salah. Das Verhältnis von Qualität zu Preis stimme in Thailand, betont er. Damit spricht er Ralf Krewer aus dem Herzen. Er glaubt, dass der klas sische Grund, für eine medizinische Behandlung ins Ausland zu gehen, die mangelnde Versorgung im eige nen Land, immer mehr in den Hinter grund dränge. Aus dem Patient ist ein Konsument geworden. „Hinzu kommt, dass man sich auch gerne ein schönes Fleckchen Erde aussucht, wo man sich behandeln lässt“, sagt Krewer. Da stehe Thailand im Vergleich zu anderen Län dern ausgezeichnet da. Das Geschäft mit Patienten aus Deutschland laufe im Bangkok Hospi tal langsam an, erzählt er dann. Es sei geplant, zwei „Testprodukte“ in den deutschsprachigen Ländern und in Skandinavien anzubieten: künstliche Hüftgelenke und Vorsorgeuntersuchun gen. „Das ist medizinisch gesehen viel leicht keine ,Raketentechnologie‘, wird aber stark nachgefragt.“ Krewer ist dafür im Gespräch mit privaten Kran kenversicherungen, einer großen Hotel gruppe und verschiedenen Reiseanbie tern. Jedoch sei die rechtliche Lage in Deutschland noch immer unklar. Gin ge bei einer Herzoperation etwas schief, könnte ein Patient den Reiseanbieter auf Schadenersatz verklagen. Dessen unge achtet möchte Krewer immer mehr deutsche Medizintouristen nach Thai land holen. In fünf Jahren sollen sich 4.000 bis 5.000 Patienten am Bangkok Hospital und an den Partnerkliniken behandeln lassen. Das Einzige, was aus seiner Sicht gegen den Medizintourismus spreche, sei der CO2-Ausstoß. „Ich bin ja ein wenig ökologisch angehaucht, und die Vielflie gerei wirkt sich nicht gerade positiv auf die Umweltbilanz aus“, sagt Krewer. Hat er wegen dieses Widerspruchs ein schlechtes Gewissen? „Vielleicht, zumin dest ein bisschen.“ Sascha Zastiral 43 S t r a S Sen v er k ehr In t e rlo ckS Letzte Ausfahrt für Promillesünder W enn Patrick van Vugt in sein Auto steigt, legt er nicht nur den Sicherheitsgurt an, sondern greift auch ganz selbstverständlich zum Dräger Interlock XT. Ein kräftiger Atemstoß in das Mundstück, und schon kann er den Motor starten. Für den Dräger-Manager ist das eine freiwillige Selbstkontrolle und – nun ja – auch ein wenig Promotion für ein Produkt, das nützt und schützt. Für die mehr als 1.000 Niederländer, die auch mit dieser atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre im Auto unterwegs sind, ist das jedoch eine richterliche Anordnung. Denn sie wurden stark alkoholisiert von der Polizei aufgegriffen. Die neue Ära begann am 1. Dezember 2011. An diesem Tag startete nach vier Jahren gesetzlicher und technischer Vorbereitung ein ehrgeiziges und in Europa bislang einmaliges Programm, um die Zahl der Alkoholopfer im Straßenverkehr nachhaltig zu reduzieren. Bereits 2008 wurde eine Pilotstudie mit 80 Freiwilligen durchgeführt, nachdem ein Kabinettsbeschluss forderte, in den Niederlanden eine atemalkoholgesteuerte Wegfahrsperre einzuführen. Die Maß- 44 nahme soll zweierlei: den Promillesünder am Autofahren hindern und langfristig eine Verhaltensänderung bewirken. „Jeder fünfte Unfall geschieht unter Alkoholeinfluss, das akzeptieren wir nicht mehr“, sagt Desirée Schaap, Projektmanagerin für das Interlock-Programm im niederländischen Verkehrsministerium. „Nach vier Jahren harter Arbeit freuen wir uns über den Start des Programms und darüber, dass es so erfolgreich läuft.“ Die aktuellen Zahlen steuert Ramon Gouweleeuw bei, der in der Kraftfahrzeugbehörde RDW für die Zertifizierung von Sicherheitssystemen zuständig ist: „Gestern haben wir das tausendste Auto mit einem InterlockSystem ausgestattet. Damit haben wir, neun Monate nach Einführung des Programms, nicht gerechnet.“ Bis zu 75 Prozent weniger Rückfälle Atemalkoholgesteuerte Wegfahrsperren sind nicht neu. Es gibt sie in Europa, in den USA, Kanada und Australien. Das niederländische Modell ist anders. Es will den Promillesünder nicht nur davon abhalten, sich ein weiteres Mal betrun- Foto : Miquel Gonzalez Weltweit wird das Fahren unter Alkohol sanktioniert. Die Niederländer setzen dabei nicht nur auf Strafe, sondern auch auf Kontrolle und Rehabilitation. Wer mit mehr als 1,3 Promille erwischt wird, darf den Führerschein behalten – unter bestimmten Bedingungen. ken hinters Lenkrad zu setzen, sondern ihn langfristig erziehen: zu einem verantwortungsvolleren Menschen, der auch später, ohne Interlock, zwischen Trinken und Autofahren unterscheiden kann. „Das Institut für Sicherheitsforschung hat verschiedene Studien über den Erfolg von Wegfahrsperren verglichen. Sie zeigen, dass es nach dem Absolvieren von Alkohol-Interlock-Programmen bis zu 75 Prozent weniger Rückfälle in das alte, schädigende Verhalten gibt“, erklärt Desirée Schaap. Allerdings zeigen Studien aus den USA auch, dass nach vier bis sechs Jahren die Rückfallquote wieder ansteigt, wenn man sich allein auf Drägerheft 391 | 3 / 2 012 I n t e rlo ckS S t r a S Sen v er k ehr So wichtig wie der Zündschlüssel: Erst nach erfolg reichem Atemtest mit dem Interlock XT (rechts) kann es losgehen! das Gerät verlässt und keine flankierenden Maßnahmen stattfinden. Die Niederländer verabschiedeten deshalb am 4. Juni 2010 ein Gesetz zur Einführung des Alcohol Interlock Program (AIP). Es ist zum einen an strenge Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen gekoppelt, zum anderen müssen die Teilnehmer fachlich geleitete Gruppensitzungen besuchen. Hier lernen sie den Umgang mit Alkohol im Straßenverkehr. Das Besondere, im Vergleich zu ähnlichen Programmen in anderen Ländern, ist, dass die Daten aus dem Gerät sofort ausgewertet werden und der Fahrer dadurch ein schnel- Drägerheft 391 | 3 / 2 012 les Feedback erhält. „Man kann besser lernen, wenn man im richtigen Moment auf den Fehler hingewiesen wird“, findet Desirée Schaap. Nach einer Strafe wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss und einem möglichen mehrmonatigen Führerscheinentzug beginnt für den Alkoholsünder, der mit Blutwerten zwischen 1,3 und 1,8 Promille erwischt wurde, ein zweijähriges und streng überwachtes AIP. Zunächst wird er aber zur Kasse gebeten: für das Fahren unter Einfluss von Alkohol, regelmäßige Teilnahmen an Gruppensitzungen und monatliche Leasingbeträge für das Gerät. Außer- dem muss ein neuer Führerschein ausgestellt werden, der ihn als AIP-Teilnehmer ausweist. Alles in allem werden so schnell ein paar Tausend Euro fällig. Auto fahren unter Aufsicht Wer die letzte Chance nicht ergreift, verliert automatisch den Führerschein – für fünf Jahre. Ist das Gerät eingebaut, beginnt das behördlich überwachte Autofahren. Vor jedem Motorstart muss man dann pusten. Liegt der Atemalkoholgehalt unter 0,2 Promille, funktioniert die Zündung – darüber nicht. Die Messergebnisse werden in einer Einheit > 45 > unter dem Armaturenbrett gespeichert. Alle sechs bis sieben Wochen werden die Daten in einer Werkstatt ausgelesen und sofort zur Auswertung an die Kraftfahrzeugbehörde geschickt. Die Rückmeldung lässt nicht lange auf sich warten. Nach etwa einer Woche bekommt der Fahrer eine Nachricht von der Führerscheinstelle, ob sein Fahrverhalten richtig war oder ob er in kürzeren Abständen zur Kontrolle kommen muss. Viel Aufwand für die Datensicherheit Das klingt alles ganz einfach, doch der Weg dorthin war steinig. „Der Aufwand war immens“, lässt Patrick van Vugt durchblicken. Der Knackpunkt lag in den strengen niederländischen Datensicherheitsbestimmungen. Neben den international gültigen Anforderungen der europäischen Norm für Alkohol-Interlocks müssen weitere nach einem „Protection Profile“ erfüllt werden. Das wurde von der Kraftfahrzeugbehörde RDW entwickelt und enthält Vorschriften zur Datensicherheit und -übertragung, aber auch zum Schutz vor Manipulation der Geräte. „Wir nutzen die Daten, um weittragende Entscheidungen für den Teilnehmer zu fällen – im Zweifel darüber, ob er seinen Führerschein abgeben muss oder in dem Programm bleiben darf. Dabei müssen wir uns hundertprozentig auf korrekte Daten verlassen können“, sagt Ramon Gouweleeuw. Deshalb wurde ein zentrales Datenregister bei der RDW eingerichtet und nicht, wie in anderen Ländern, eine Datenspeicherung über einen Hersteller vorgenommen. Im sogenann- 46 FotoS: Miquel Gonzalez S t r a S Sen v er k ehr In t e rlo ckS „1.000 InterlockSysteme in neun Monaten – damit haben wir nicht gerechnet!“ „Wir freuen uns über den Start des Programms. Und, dass es so erfolgreich läuft“ Ramon Gouweleeuw, zertifiziert Sicherheitssysteme bei der niederländischen Kraftfahrzeugbehörde RDW Desirée Schaap, Projektmanagerin im niederländischen Verkehrsministerium ten Privacy Act ist festgelegt, dass nur diejenigen Zugriff auf die Daten haben, die dazu gesetzlich legitimiert sind. Um die nötige Zertifizierung und Zulassung der Kraftfahrzeugbehörde zu erlangen, mussten die Entwickler von Dräger die Software ihres bestehenden Interlock-Systems grundlegend überarbeiten. Die Daten werden nach dem Download in der Werkstatt auf eine kleine Reise geschickt. Zunächst gelangen sie verschlüsselt zu D-Safe, dem Rechner von Dräger, wo sie in das von RDW geforderte Format konvertiert werden. Neu verschlüsselt – und auf D-Safe gelöscht – werden sie auf den Zentralrechner von RDW übertragen, auf den die Führerscheinbehörde Zugriff hat. Das System läuft einwandfrei. „Am Anfang haben uns die Daten- mengen Probleme bereitet“, erinnert sich Patrick van Vugt. „Die Kommunikation zwischen den Rechnern dauerte zu lange, und manche Kunden waren irritiert. Aber nach ein paar Anpassungen konnten wir das schnell beheben.“ Nicht jeder AIP-Teilnehmer ist begeistert, wenn er zwei Jahre lang am Gängelband einer Behörde Auto fahren darf. Da liegt es nahe, nach Schlupflöchern zu suchen, um die strengen Auflagen zu umgehen. Schon bei der Entwicklung des Geräts musste deshalb auf mögliche Manipulationen geachtet werden. Das Dräger Interlock XT lässt sich nicht öffnen, und alle Drähte sind so verlötet, dass Manipulationen daran sofort erkennbar sind. Damit nicht mit einem Luftballon oder einer Luftpumpe in das Mundstück gepustet wird, Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Das Dräger Interlock XT Mit dem Interlock XT vermarktet Dräger die zweite Gerätegeneration, die auf der Grundlage einer über 50-jährigen Erfahrung bei der Messung von Atemalkoholkonzentrationen entwickelt wurde. Das Gerät nutzt einen elektrochemischen Sensor, der auch bei polizeilichen Alkoholkontrollen zum Einsatz kommt und mit hoher Genauigkeit den Alkoholgehalt der Atemprobe bestimmt. Das Gesamtsystem zeichnet sich durch eine hohe Zuverlässigkeit auch bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit sowie eine robuste Mechanik aus. Derzeit ist es als einziges in allen europäischen Trunkenheitsfahrerprogrammen zugelassen. Durch seinen Einsatz lassen sich alkoholbedingte Unfälle vermeiden und Verhaltensänderungen herbeiführen. muss der Fahrer eine bestimmte Technik anwenden: erst kräftig reinpusten, dann kurz ansaugen. Schutz vor Manipulation „Natürlich können wir nicht alle Manipulationen verhindern“, sagt Ramon Gouweleeuw. „Wir setzen ein gewisses Maß an Verantwortungsbewusstsein voraus – dass man zum Beispiel keine andere Person pusten lässt.“ Das Verantwortungsbewusstsein wird noch geschärft: Da eine direkte Kontrolle durch eine Kamera datenschutzrechtlich nicht möglich ist, finden nach dem Zufallsprinzip Nachkontrollen statt. Der Fahrer kann sich also nie sicher sein, ob er nicht noch einmal zum Pusten aufgefordert wird. Enthält sein Atem dann zu viel Alkohol, muss er das Auto stehen lassen. Zu viele nicht bestandene Nachkontrollen werden konsequent geahndet: Das Programm wird abgebrochen, und der Führerschein ist für fünf Jahre weg. Vincent Broeksema erlebt hautnah, wie es den Programmteilnehmern ergeht: „Bis jetzt haben wir keine Manipulationen an den Geräten gesehen. Die Teilnehmer setzen das auch nicht leichtfertig aufs Spiel, denn sie sind froh, dass sie weiter Auto fahren können“, sagt der junge Chef einer der 50 Vertragswerkstätten, die für den Einbau und Betrieb der Interlocks in den Niederlanden zuständig ist. Bisher haben seine Mitarbeiter 100 Interlocks installiert. „Jede Woche kommen zwei, drei neue hinzu.“ Regina Naumann Information: Gesellschaftsdroge Alkohol – oft ein Tabuthema www.draeger.com/391/alkohol Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Das Interlock-System liefert Daten, die gelegentlich über Schicksale entscheiden können. Regelmäßige Wartung und Kontrolle aller Funktionen, wie hier durch Dennis Weber in einer Werkstatt im niederländischen Nootdorp, sind daher unabdingbar Links: Die Kalibrierung mit Prüfgas stellt eine zuverlässige Atemalkoholmessung sicher. In einem Alkohol-Interlock-Programm wird das Gerät jedes Mal kalibriert, wenn in der Werkstatt die Daten ausgelesen werden. Rechts: Gerrit Grefelman (links) von Dräger diskutiert mit Werkstattbesitzer Vincent Broeksema über seine Erfahrungen bei Einbau und Wartung des Dräger Interlock-Systems 47 Was Thomas Graf hier im Griff hat, ist die Mischereinheit des Perseus A500, die er prüft Pro d u k t i o n S c hu lt er blic k Maßarbeit in Serie Die Fertigung eines Anästhesiegeräts ist Maßarbeit – fast alle werden in kundenspezifischen Versionen hergestellt. Doch in einem Punkt gleichen sie sich: Umfangreiche und ausführliche Tests sind Bestandteil des Fertigungsprozesses. FotoS: Drägerwerk AG & Co. KGaA D iese 20-Liter-Glasflasche ist die Lunge? „Na ja“, sagt Ludovic Vieillemard, „für unser neues Anästhesiegerät ist der Unterschied zur menschlichen Lunge beim abschließenden Systemtest nicht sehr groß!“ Der Franzose leitet bei Dräger die Einführung der Serienproduktion des Perseus A500. Quirlig führt er durch die Produktionshalle, in der in Lübeck seit März 2012 dieser Anästhesie-Arbeitsplatz produziert wird – mit dem das Unternehmen wieder mal den Stand der Technik definiert. Technik, die hier startet. Der Startschuss für ein solch komplexes und individuelles Produkt fiel natürlich eher. „Wir planen die einzelnen Schritte von der Entwicklung bis zur Produktion in einem ‚Cross Functional Team‘, kurz CFT“, sagt der diplomierte Maschinenbauer, der vorher unter anderem bei Renault gearbeitet hat, um gleich die Erklärung für CFT nachzuschieben: „In diesem Team kommen vom Produktmanagement über Service, Forschung Eine spezielle Wolle simuliert bei den Tests das Verhalten der menschlichen Lunge und Entwicklung, Einkauf und Qualitätssicherung bis hin zur Produktion alle Projektleiter regelmäßig zusammen, um ihre Bedürfnisse einzubringen.“ Sechs sorgfältig definierte Meilensteine muss die- Reduzierter Narkosemittelverbrauch Die wesentlichen Funktionseinheiten eines Narkosegeräts sind die Mischereinheit für das Frischgas, das Beatmungsmodul inklusive Rückatemsystem, CO2-Absorber, Narkosegasabsaugung sowie Atembeutel und -schläuche. Die Dosierung der Anästhetika erfolgt über klassische Narkosemittel-Verdampfer (sogenannte „Vapore“; siehe auch Drägerheft 381.1; S. 36), deren neuartige optische Schnittstelle unter anderem Daten für die Prognose des am Display angezeigten Narkoseverlaufs liefert. Führt der Anästhesist die Narkose etwa im Minimal-Flow-Bereich durch, kann er den Verbrauch von teuren Narkosemitteln deutlich reduzieren. Dem System wird dann nur so viel Narkosemittel zugeführt, wie der Patient zwingend benötigt. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 ser Prozess passieren. Sie werden auch „Gates“ oder „Tore“ genannt. Nur die Produkte, die all diese Anforderungen erfüllen, durchlaufen schließlich auch das letzte Tor zum Versand – um auf Paletten in alle Welt verschickt zu werden. Nach Gate 3 verlässt ein Projekt das, was Vieillemard die „papierlastige Phase“ nennt. Beim Perseus A500 ist die letzte Phase dieses Prozesses erreicht: die Serienfertigung. „Zunächst produzieren wir den Teil des Anästhesiegeräts, der für alle späteren Varianten gleich ist“, erläutert Vieillemard und öffnet die Tür eines Klimaschranks. Darin altert gerade künstlich (bei Temperaturwechseln zwischen 5 und 55 Grad Celsius) die Mischereinheit – eine von zwei zentralen Baugruppen, aus denen das Anästhesiegerät besteht. Die zweite ist die Basiseinheit (siehe auch Drägerheft 390; S. 56). Hohe Investitionen in Qualitätssicherung „Hier haben wir einen der teuersten Prüfplätze des gesamten Unternehmens“, schließt Vieillemard wieder die Tür mit dem Sichtfenster. Erstmals in der Produktion von Anästhesiegeräten erweitert Dräger den klassischen Funktionstest um einen Stresstest der Komponenten. Der ist dem Systemtest des Produkts vorgelagert. „Das beschleunigt die Produktion und erhöht gleichzeitig die Qualität und Zuverlässigkeit“, zeichnet Vieillemard eine Art Badewanne auf einen Zettel. „Wenn etwas kaputtgehen sollte, dann am ehesten in den ersten Wochen. Danach ist lange Zeit Ruhe. Und erst nach Jahren störungsfreien > 49 Bei Investitionen in die Qualitätssicherung gibt es wenige Diskussionen > Betriebs steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit von Komponenten wieder an.“ Deswegen laufen an jeder Station ausgeklügelte Verfahren, in denen die erste kritische Betriebszeit wie im Zeitraffer getestet wird. Die Geräte werden regelrecht gestresst: hohe Temperaturschwankungen, schroffe Wechsel von Betriebseinstellungen, häufiges Ein- und Ausschalten mit Spannungsspitzen und Dauerbetrieb. Das künstliche Altern ist ein komplexer Fertigungsprozess, der in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter perfektioniert wurde. Es reicht nicht aus, einfach die Temperatur zu erhöhen, damit die Tage proportional dazu schrumpfen. „Das wäre zu banal“, sagt Vieillemard und verweist auf die langen Versuchsreihen, die genau zu den Stressprofilen führen, mit denen sich die Betriebsdauer zuverlässig zusammenzieht. „Es sind ja nicht nur die hohen Temperaturgradienten in den Klimaschränken. Genauso wichtig ist die von uns entwickelte Software, mit der wir in vier Stunden und mehr als 200 Testzyklen gleich mehrere Tage eines normalen Gerätebetriebs simulieren können.“ Am Band: Jeder Mitarbeiter in der Montage trägt ein Armband, das mit „Erde“ verbunden ist. Das sichert elektronische Bauteile vor statischer Aufladung Nach jedem Vorgang meldet sich das Modul mit einem spezifischen Code: ob alles in Ordnung ist, oder ein vorgesehener Wert nicht erreicht wurde. Und in diesem Fall? „Dann kühlen wir es auf 20 Grad Celsius herunter, untersuchen, woran es liegt, und beseitigen die Ursache – anschließend schicken wir es wieder auf unseren Hindernisparcours“, sagt Vieillemard. 50 Fotos: Drägerwerk AG & Co. KGaA RFID-Technologie für noch mehr Sicherheit Ergonomie wird großgeschrieben – auch bei der Montage vom Anästhesiegerät. Nur so lässt sich ein durchgehend hohes Qualitätsniveau sichern Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Pro d u k t i o n S c hu lt er blic k Ludovic Vieillemard in der Pro duktions halle, in der Anästhesie geräte gefer tigt werden Musste er die Investition in Klimaschränke & Co. betriebswirtschaftlich begründen? Was für eine Frage, denn: „Bei Investitionen, die unsere Qualität verbessern, führen wir wenige Diskussionen!“ Rund 30 zeichnungsgebundene Teile weist die Mischereinheit auf; Teile, die so speziell sind, dass sie zumeist ausschließlich für diesen Zweck gefertigt werden. Die Basiseinheit enthält sogar die fünffache Menge, das Gesamtgerät ein Vielfaches mehr. Entsprechend aufwendig sind hier Montage und Prüfung. In die Produktion gibt die noch nicht montierte Abdeckplatte den Blick frei auf eine Vielzahl von Platinen, Modulen und Steuerungen. Sie zeigen die Herausforderungen, Mechanik und Elektronik zu einem lebenserhaltenden System zu kombinieren. Jeder Fehler – ob in der Entwicklung, während der Herstellung oder Endmontage – wäre später eine potenzielle Gefahrenquelle. „Hier sitzen die RFID-Module“, zeigt Vieillemard beispielhaft auf kleine Platinen. „Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die sogenannte Wasserfalle zur Sicherheit der Patienten rechtzeitig vor Ablauf ihrer Schutzund Filterfunktion ausgetauscht wird.“ Zum Abschluss ein Ultramarathon Bei der Prüfung der Basiseinheit kommen die 20 Liter fassenden Glasflaschen als „künstliche Lunge“ ins Spiel: „Die kupferfarbene Spezialwolle darin bietet für den Atemkreislauf einen ähnlichen mechanischen und thermischen Widerstand wie das Lungengewebe“, erläutert Ludovic Vieillemard. Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Am Ende der Montagelinien steht schließlich der Perseus A500 nach Kundenspezifikation zur Auslieferung bereit. Nun folgt noch ein abschlie ßender Systemtest – ein zehntägiger Dauerlauf, mit Atembeutel und angeschlossenem Atemschlauch-Set. „Ein echter Marathon“, sagt Ludovic Vieille mard und zieht im Weitergehen an einem Band die Tür zum Versand auf. Das kennt man aber! „Nicht ganz“, entgegnet der Franzose und zeigt auf die spezielle Form einer tiefergelegten Palette, dank derer das Anästhesiegerät auch versandfertig noch unter einer Höhe von 1,60 Meter bleibt. „Sonst wären die Versandkosten gleich deutlich höher.“ Und so wird gerade dort eingespart, wo es ohne Einbußen an Qualität und Sicherheit möglich ist – bis zuletzt. Nils Schiffhauer Video: Test auf Herz und Nieren – Produkte, die das Dräger TestCenter durchlaufen, müssen harte Prüfungen über sich ergehen lassen. www.draeger.com/391/testcenter Optische Bildverarbeitung und Infrarot Unter den vielen Innovationen, die Dräger zum ersten Mal bei einem Anästhesiegerät einsetzt, fällt die optische Schnittstelle zwischen Perseus A500 und den Narkose mittel-Verdampfern („Vapore“) auf. „Bei dieser Entwicklung haben wir uns überlegt“, sagt der verantwortliche Projektleiter Claus Bunke, „wie man die klassischen und betriebserprobten vollmechanischen Vapore datentechnisch integrieren kann.“ So schied beispielsweise eine Anbindung an Bluetooth aus, weil sie eine Stromversorgung der Vapore erfordert hätte. Daraufhin entwickelte man eine optische Lösung: In unmittelbarer Nähe jedes Vapors stecken hinter einer roten Glasscheibe eine Leuchtdiode und eine Kamera. Die Leuchtdiode strahlt im Infrarotbereich in Richtung Vapor, die Kamera nimmt dieses Bild auf, das eine nachgeschaltete Software auswertet. „Wir haben uns für das fürs menschliche Auge unsichtbare Infrarot entschieden, weil das langwellige Licht niemanden stört und auch Fremdlicht die Kamera nicht irritieren kann“, sagt Bunke. Drei verschiedene Informationen liest die optische Schnittstelle aus: Den Typ des Narkosemittels – wobei der Füllstutzen des Vapors immer u nur ein bestimmtes Narkosemittel aufnimmt Die Position des Handrads – und damit die im Frischgas eingestellte u Narkosemittelkonzentration u Den Füllstand – sobald eine minimale Füllmenge unterschritten wird 51 Au sbl ic k Sch ich tarb e i t 22:00 02:00 Die 24-Stunden-Gesellschaft denkt um Rund um die Uhr – von Lebensmitteln bis Dienstleistungen – alles zu bekommen ist für viele selbstverständlich geworden. Möglich machen es die Millionen Menschen, die bereit sind, rund um die Uhr zu arbeiten. Schichtarbeit ist ein Preis für Luxus, aber auch ein Opfer. Sie abzuschaffen ist undenkbar, sie angenehmer zu gestalten ein Ziel: auch in Deutschland. V on der alten Villa, deren Efeu ranken bis unter das Spitzdach reichen,läuft Andreas Gattermann fünf Minuten zum neuen Produktions center. Sein ganzer Stolz. Stahl und Glas, voll klimatisiert. Der Weg in den Neubau im niedersächsischen Städtchen Aer zen im Weserbergland führt an einem Bach vorbei. Gattermann zeigt auf die Forellen. Sie schwimmen stromaufwärts, die ganzeZeit, wie ein Spiel. Unterbro chen einzigvon der Nacht, in der sie sich zum Schlafen in ihre Nischen zurückzie hen, während die Gabelstapler der Aer zener Maschinenfabrik über die kleine Brücke rollen. Der Grießbach teilt das Fabrikgelän de des Familienunternehmens in Alt und 52 Neu. Alt, das sind die Gebäude aus den Anfangszeiten Mitte des 19. Jahrhunderts. Die große Halle, 2008 erbaut, könnte in China, Indien oder Polen stehen. „Doch wir haben uns entschieden, hierzublei ben“, sagt Werksleiter Gattermann nicht ohne Stolz. Allerdings: „Es geht nicht ohne Schicht- und Nachtarbeit. Wer in dieser Arbeitswelt mithalten will, kann es sich kaum leisten, seine Maschinen nachts auszustellen.“ Mancherorts gehen die Lichter nie aus Den meisten Unternehmen im Produk tionsbereich gehe es ähnlich, bestätigt Frank Lennings vom Institut für ange wandte Arbeitswissenschaft e. V., das im Auftrag der Verbände der Metall- und Elektroindustrie forscht: „Arbeit, die in Deutschland bleibt, ist in der Regel mit teuren Maschinen verbunden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze erfordert lange Betriebszeiten. Es gilt der betriebswirtschaftliche Grundsatz: Je länger die tägliche Nutzungszeit der Produktionseinrichtungen, desto günsti ger. Allerdings arbeitet nur etwa ein Drit tel aller Schichtarbeitnehmer im verar beitenden Gewerbe.“ Für sie und alle anderen heißt das: ein Leben führen, das sich nach einem ständig wechselnden Schichtplan richtet. Zum Dienst fahren, wenn andere Familien Abendbrot essen, arbeiten, während der neue Film im Kino startet, sich konzentrieren, wenn ande Drägerheft 391 | 3 / 2 012 FotoS: plainpicture; PantherMedia; a-location 06:00 re sich ausruhen – und schlafen, wenn scheinbar der Rest des Landes den normalen Berufsalltag lebt. Diesen Alltag gibt es schon längst nicht mehr überall. Das zeigt sich an den 24-Stunden-Tankstellen ebenso wie den Flughäfen, Bahnhöfen und nicht zuletzt auch Krankenhäusern, bei der Polizei oder Feuerwehr. „Wir haben uns daran gewöhnt, rund um die Uhr alles zu bekommen. Das hat seinen Preis“, sagt Lennings. Mit Einführung des elektrischen Lichts erschloss man sich die Nacht als nahtlose Erweiterung des Tages. Rund 16 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer arbeiten heute im Schichtdienst – damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Das Feld wird angeführt von Kroatien und Slowenien mit über 30 Prozent. Früh- und Spätdienst, mit Nacht oder ohne, nur werktags oder auch sieben Tage die Woche. Pakete wollen befördert, Güter verschifft, Feuer gelöscht, Gäste bedient, Patienten versorgt, Passagiere geflogen und Kundenwünsche erfüllt werden. Mancherorts gehen die Lichter nie aus. Wer nicht aus dem Fenster schaut oder keins in der Nähe hat, lebt Tage und Nächte, die nur von der inneren Uhr und den großen Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Zeigern an der Wand bestimmt werden. In einer der ältesten Produktionshallen auf dem 18 Hektar großen Fabrikgelände in Aerzen werden die Maschinen hergestellt, die individuelle Kundenwünsche erfüllen: riesige Gebläse zur Belüftung von Biogasanlagen etwa, tonnenschwer, gusseisern. Millionenteure, roboterähnliche Maschinen beherbergen im Backsteingebäude nebenan einen Menschen, der Arbeiten steuert, für die früher vielleicht zehn seiner Kollegen nötig gewesen wären. Die Räume erzählen eine Geschichte, sie lassen die Historie der alten Fabrik lebendig werden, die den Sprung in die Moderne geschafft hat, ohne sich selbst dabei untreu zu werden. Es riecht nach Schmiermittel, und es sieht nach Arbeit aus. Aber die Böden sind so sauber wie die Geländer, Türgriffe und Fenster, durch die an diesem Nachmittag die Sonne scheint. Nicht jeder Mensch ist für den Schichtdienst gemacht „Die Mitarbeiter müssen sich um zehn Uhr ebenso konzentrieren wie um 15 Uhr nachmittags oder zwei Uhr morgens“, sagt Gattermann, der die Problematik der Nachtarbeit kennt. Er legt Wert > Tipps für Schichtarbeiter Nachts leichte Kost zu sich nehmen u Power Naps von wenigen u Minuten erhöhen gegen 2 Uhr die Konzentrationsfähigkeit u Sofern planbar: Konzentrations intensive Tätigkeiten zwischen zwei und fünf Uhr morgens vermeiden Licht mit einer Helligkeit über u 2.000 Lux verwenden Zusätzliche Lichtduschen u machen wach Nach der Nachtschicht den u Körper nicht in den Tages-Modus bringen: Sonnenlicht und Tätigkeiten des normalen Alltags vermeiden u Zum besseren Einschlafen am Tag: Raum herunterkühlen, Füße und Hände warm halten Nach dem letzten Nachtdienst u sollte die Tagschlafphase kürzer sein u Nach der Frühschicht keinen ausgedehnten Mittagsschlaf halten; abends früher ins Bett gehen Schlafhygiene beachten: u im Bett nicht arbeiten, fernsehen oder essen 53 Au sbl ic k Sch ich tarb e i t Arbeit, die in Deutschland bleibt, ist oft schwere Arbeit: In Aerzen werden individuelle Kundenwünsche erfüllt > auf Kontakt zu seinen Schichtarbeitern, kennt theoretisch jeden, praktisch viele. Ein Computer wertet für ihn täglich den Produktionsstand aus. Sind die Maschinen ausgelastet? Welcher Arbeitsplatz ist im Soll, wo hakt es? Wer dauerhaft nachts Fehler macht, fällt irgendwann auf. „Nicht jeder Mensch ist für den Schichtdienst gemacht“, weiß Gattermann. Er selbst sei es auch nicht. Doch: „Wer einen einschlägigen Beruf wie etwa Zerspanungsmechaniker erlernt, der weiß, was in unserem Land höchstwahrscheinlich auf ihn zukommt.“ Chronobiologische Prozesse steuern den Menschen Frank Brenscheidt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bestätigt: „Es gibt Menschen, die größere Schwierigkeiten mit der Schichtarbeit haben.“ Die biologische Uhr von Morgentypen, sogenannten Lerchen, widerspricht der Nachtarbeit derart, dass eine Anpassung auch für kurze Phasen nur schwer möglich ist und auch zu Erkrankungen führen kann. „Wichtig sind natürlich arbeitsmedizinische Untersuchungen“, sagt Brenscheidt. Er rät, sich darüber hinaus alle paar Jahre durchchecken zu lassen, „am besten, bevor ein Krankheitssymptom auftritt“. Die Symptome reichen von Magen- und Darmproblemen, da die 54 Drehkolbengebläse für Biogasanlagen etwa sind derzeit gefragt. Das Unternehmen reagiert flexibel auf die Nachfrage Organe in der Nacht nicht auf Verdauung programmiert sind, über Ein- und Durchschlafstörungen bis hin zu ernsthaften Herz- und Kreislauferkrankungen. „Der Effekt tritt in der Regel nicht sofort ein“, erklärt Brenscheidt. Erst nach 15 Jahren kämen bei den meisten die Beschwerden. „Der Mensch lebt nach einem zirkadianen Rhythmus, der mit der Nachtarbeit gestört wird“, erklärt Gundula Grzesik vom Zeitbüro FOM, einem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt der Hochschule für Ökonomie und Management. Das bedeute: Nachts zu arbeiten sei für den Körper besonders anstrengend. „In der Nacht soll er sich erholen. Und das kann er nicht, wenn er arbeiten muss.“ In Tausenden von Jahren, die der Mensch in Abhängigkeit von der Sonne verbracht hat, hat sich seine innere Uhr auf einen 24-Stunden-Rhythmus ein gestellt. Bestimmte biologische Prozesse laufen ab, ohne dass sich daran etwas ändern lässt. Die im Hypothalamus gelegene innere Uhr gibt diesen Rhythmus vor, Hormone steuern Müdigkeit und Wachsein. Ständige Nahrungsaufnahme innerhalb der eigentlich dadurch programmierten Ruhephase führt zu einer De- synchronisation. Die aber hat nicht etwa den positiven Nutzen, dass der Mensch von nun an ein Nachtwesen wird – er wird schlichtweg durcheinandergebracht. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse gelangen langsam in die Köpfe der Entscheider, Personaler, Dienststellenleiter und letztlich auch der Arbeitnehmer – beschleunigt von arbeitswissenschaftlichen Instituten und Unfallkassen, die eine Häufung von Unfällen im Nachtdienst mangels Konzentrationsfähigkeit befürchten. Ein Paradigmenwechsel zeichnet sich ab. „Noch vor zehn Jahren setzte jeder häuslebauende Schichtarbeiter auf seine Nachtzulage – auf Kosten der eigenen Gesundheit und zum Wohle der Kredittilgung“, sagt Frank Lennings. Heute seien es vor allem junge Väter, die gegen die klassischen Schichtmodelle opponieren, weil ihnen die Zeit mit der Familie fehlt und sie die bei ungünstigen Schichtkonstellationen mitunter wochenlang nicht sehen. Mit ihnen machen Betriebsräte mobil, und auch Unternehmen werden aktiv: Sie sorgen sich wegen des Fachkräftemangels um ihren Ruf und um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. „Unsere immer älter werdende Gesellschaft versucht, die immer älter werdenden Arbeitnehmer gesund zu halten“, sagt Gundula Grzesik vom Zeitbüro. Auch den Mitarbeitern der Aerzener Maschinenfabrik wird der Schichtdienst so angenehm wie möglich gemacht. In der alten Villa sitzt der Betriebsarzt, es gibt Beratungen, Empfehlungen und einige Heiligtümer: Am Wochenende stehen Drägerheft 391 | 3 / 2 012 FotoS: Aerzener Maschinenfabrik „Wer in dieser Arbeitswelt mithalten will, kann es sich kaum leisten, seine Maschinen nachts auszustellen“ Tradition trifft Moderne: die neue Produktionshalle der Aerzener Maschinenfabrik die Maschinen still. Gearbeitet wird 35 Stunden in der Woche in Wechselschicht, Überstunden gehen auf ein Arbeitszeit konto, von dem bei geringerem Auftrags volumen oder je nach privatem Bedarf Stunden abgezogen werden können. In produktionsstarken Zeiten, wenn der Samstag doch mal hinzugezogen werden muss, werden die Schichten angepasst und Mitarbeiter eingestellt, anstatt auf Überstunden zu setzen – sehr zur Zufrie denheit der Arbeitnehmer. Ideen, um Schichtarbeiter zu entlasten, gibt es viele Doch in vielen Betrieben laufen Umstellun gen innerhalb des Schichtbetriebs nur schwierig an. „Viele Arbeitnehmer tun sich mit der Umstellung schwer. Sie haben sich daran gewöhnt, beispielsweise sieben Nachtschichten hintereinander zu leisten“, weiß Grzesik. Sie hätten ihr sozialesLeben darauf abgestimmt und fühlten sich nun durch neue Schichtpläne mit schnellem Schichtwechsel verwirrt. „Unsere Bot schaft ist: Sie müssen sich darauf einlas sen. Am Anfang ist das oft schwierig.“ Ideen zur Entlastung der Schichtar beiter gibt es viele. Die Firma Hydro in Hamburg gewährt ihren ältesten Mit arbeitern sogenannte „Opa-Tage“. Wer mit 55 Jahren und älter oft nachts arbei ten muss, darf bei Lohnfortzahlung im Drägerheft 391 | 3 / 2 012 Jahr drei Nachtschichten streichen, mit 57 bekommt man sechs geschenkt. Ande re lassen ihre Mitarbeiter alle zwei Jah re neu entscheiden, wie viel sie arbeiten möchten – 15 oder 35 Stunden. Einer der Vorreiter in der Gestaltung des Schicht dienstes ist der Weißblechhersteller Rassel stein, der schon seit Ende der 1980er-Jah re auf kurz rotierende Schichtpläne setzt. Zwei Tage früh, zwei Tage spät, zwei Tage nachts und anschließend vier Tage frei – ein Vorzeigemodell. „Unsere Empfehlung ist, möglichst wenige Nachtschichten auf einanderfolgen zu lassen“, bestätigt Frank Brenscheidt. Je schneller das Schlafdefi zit aufgeholt werden könne, desto besser. Wenn in Aerzen am Morgen die Sonne wieder durch die Fabrikfenster scheint, machen sich um sechs Uhr die Nachtar beiter auf den Heimweg, über den Grieß bach, vorbei an den Forellen. Möglichst wenig Reize und Licht dabei aufneh men, um den Körper nicht zu sehr in den Tagesmodus zu bringen, Jalousien runter, Ohrenstöpsel rein. „In aller Kon sequenz macht das kaum ein Mitarbei ter“, befürchtet Werksleiter Gattermann. „Ich zumindest habe morgens noch kei nen Mitarbeiter mit Sonnenbrille vom Hof gehen sehen.“ Isabell Spilker Weiterführende Informationen www.zeitbuero.fom.de u Schlaftrainer für Schichtarbeiter: u schlaftrainer.de/leitfaden.html Bundesanstalt für Arbeitsschutz u und Arbeitsmedizin: www.baua.de Download: „Schichtarbeit: Rechtslage, u gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten“: publikationen.dguv.de/dguv/ pdf/10002/iag-schicht-1.2012.pdf Prof. Dr. Ulrike Hellert, „Nacht- und Schicht u arbeit modern gestalten“, Lit-Verlag, 19,90 Euro IMPRESSUM Herausgeber: Drägerwerk AG & Co. KGaA, Unternehmenskommunikation Anschrift der Redaktion: Moislinger Allee 53–55, 23558 Lübeck / [email protected], www.draeger.com Chefredaktion: Björn Wölke, Tel. +49 451 882 20 09, Fax +49 451 882 39 44 Redaktionelle Beratung: Nils Schiffhauer (V. i. S. d. P.) Art Direktion, Gestaltung, Bildredaktion und Koordination: Redaktion 4 GmbH, Hamburg Druck: Lehmann Offsetdruck GmbH ISSN 1869-7275 Sachnummer: 90 70 320 Die Beiträge im Drägerheft informieren über Produkte und deren Anwendungsmöglichkeiten im Allgemeinen. Sie haben nicht die Bedeutung, bestimmte Eigenschaften der Produkte oder deren Eignung für einen konkreten Einsatzzweck zuzusichern. Alle Fachkräfte werden aufgefordert, ausschließlich ihre durch Aus- und Fortbildung erworbenen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen anzuwenden. 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Das ist wichtig, wenn das Gerät zum Beispiel versehentlich in die Hemdtasche rutscht. So diffundiert die Außenluft auf kürzestem Weg zum schnell ansprechenden elektrochemischen Sensor. Dieser verändert seinen elektrischen Widerstand entsprechend der Konzentration des zu messenden Gases. Wird die eingestellte Konzentration überschritten, warnen zwei Leuchtdioden 5 auf der Vorderseite optisch, eine elek trische Hupe 6 56 mit mehr als 90 dBA in 30 Zentimeter Entfernung akustisch und ein Vibrationsmotor – kräftiger als jener im Mobiltelefon – fühlbar. Gesteuert werden alle Funktionen durch einen Mikroprozessor. Das Pac 7000 bietet zudem die Speicherung aller wichtigen Daten, die sich über die Infrarotschnittstelle 7 auslesen lassen. Die Batterie 8 hat eine Lebensdauer von rund 5.500 Betriebsstunden. Ohne potenzialbelegte Kontakte nach außen eignet sich das Pac 7000 auch für den Einsatz in explosionsgefährdeter Atmosphäre. Ein Druckausgleichsventil sorgt automatisch dafür, dass auch innerhalb des Geräts der jeweilige atmosphärische Druck herrscht. Bedient wird das hier abgebildete Eingasmessgerät über zwei Tasten 9 . Die Kontrolle von Bedienung und Messung erfolgt über das kontraststarke LCD-Feld 10 . Das Pac 7000 lässt sich mittels Krokodilclip 11 sicher an der Kleidung befestigen. DRÄGERHEFT 391 | 3 / 2012 FOTOS: DRÄGERWERK AG & CO. KGAA Feine Nase detektiert gefährliche Gase