Werden wir Weltmeister
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Werden wir Weltmeister
magazine INTERVIEW Fotos: Getty Images (6)/Keystone „Werden wir Weltmeister, 18 januar 2006 flippt England aus“ Fast 40 Jahre ist es seit Englands einzigem WM-Triumph her. Nach der souveränen Qualifikation ist Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson überzeugt, dass die Durststrecke bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ endlich ein Ende haben wird. VON NEALE HARVEY FIFA magazine: Hatten Sie stets an die Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™ geglaubt? und bei Elfmeterschiessen ruhig Blut bewahren, ist mit ein bisschen Glück alles möglich. Sven-Göran Eriksson: Ich freue mich sehr über unsere Qualifikation, mit der ich immer gerechnet hatte. England muss einfach bei jeder Welt- und Europameisterschaft dabei sein. Unsere Arbeit haben wir aber erst zur Hälfte erledigt: Der zweite Teil folgt nächsten Sommer in Deutschland. Was macht Sie so sicher, dass England ein ausgezeichnetes Team hat? Viele glauben, dass England in Deutschland Weltmeister werden kann. Eriksson: Ich hoffe, diese Stimmen mögen Recht behalten. England gehört neben Argentinien, Brasilien, den Niederlanden, Italien, Deutschland und Frankreich zu den Topfavoriten. Wir sind ein ausgezeichnetes Team und müssen uns vor niemandem verstecken. Wenn wir ohne Verletzungen durchkommen Eriksson: Bei der WM 2002 scheiterten wir im Viertelfinale trotz 1:0-Führung an Brasilien. Ein Gegenangriff in der 44. Minute und ein kurioses Tor brachten uns um den Sieg. Bei der EURO 2004 blieben wir wiederum im Viertelfinale hängen, diesmal im Elfmeterschiessen an Portugal. Wir waren damals schon ebenbürtig und sind inzwischen noch besser, viel besser geworden. Ich glaube an unsere Chance, weil England über gute Spieler mit der nötigen Erfahrung verfügt. Was hat England aus der WM 2002 und der EURO 2004 gelernt? Eriksson: Vor allem, dass die Vorbereitung mit drei Wochen zu kurz war. Da in England im Winter durchgespielt wird, hatten die Spieler mit zunehmender Spieldauer jeweils mit konditionellen Problemen zu kämpfen. Auf Anordnung der FIFA wurde die Vorbereitungszeit für alle Teams auf vier Wochen ausgedehnt, was ich sehr begrüsse. Diese zusätzliche Woche ist für uns Gold wert. Was würde der Gewinn der WM 2006 für England bedeuten? Eriksson: Der WM-Titel ist für die Fans ein riesiger Traum. Nach 40 Jahren könnte er endlich wieder Realität werden. Schon oft waren die Erwartungen hoch, doch mit einem Titel bei der WM im eigenen Land und einer Halbfinalqualifikation war die Ausbeute ziemlich gering. Ein Sieg ist zweifellos schwierig, doch die englischen Rugby-Spieler haben es uns 2003 vorgemacht. Der frenetische Empfang, der Hunderttausende von Fans den WM-Helden auf dem Trafalgar Square in London boten, war nur ein Vorgeschmack. Werden wir Weltmeister, flippt England aus. Wen zählen Sie neben Brasilien und England zu den Favoriten? Eriksson: Die Deutschen habe ich aus zwei Gründen auf der Rechnung: wegen des Heimvorteils und ihrer unglaublichen Konstanz. Sie stehen fast immer mindestens im Halbfinale. Ich weiss nicht, wie sie das schaffen, aber ein Grund ist sicher ihre mentale Stärke. Ihre Finalqualifikation erscheint vielfach als unverdient – etwa auch bei der WM 2002 –, trotz allem gebührt ihnen für ihren Kampfgeist Anerkennung. Trotz der heftigen Kritik im eigenen Land gehört Deutschland für mich zu den Favoriten. Ebenso Argentinien, das über ein gutes Team verfügt, und die Niederlande, die eine ausgezeichnete Qualifikation gespielt haben. Italien und Frankreich? Ich weiss nicht. Nach der Rückkehr von Zidane und Makelele ist sicher wieder mit den Franzosen zu rechnen, und Italien darf man nie unterschätzen. Was erwarten Sie spielerisch von der WM? januar 2006 19 magazine INTERVIEW „Beckham ist der beste Rechtsfüsser der Welt.” Eriksson: Sie wird weitgehend von der Taktik geprägt sein. Ich rechne dennoch mit offenen und torreichen Spielen. Organisation wird zwar das A und O sein, doch letztlich werden nicht ein 4-4-2- oder ein 4-3-3-System, sondern die Spieler über Sieg oder Niederlage entscheiden. Ausschlaggebend sind dabei die natürlichen Fähigkeiten, die jeder einzelne Spieler mitbringt, denn ich kann einem David Beckham nicht beibringen, wie er über 40 oder 50 Meter zentimetergenaue Pässe zu schlagen hat. Das hat er einfach drauf. Spielern wie Beckham, Zidane oder Ronaldinho muss man viel Freiraum lassen, damit sie sich entfalten können. Ebenso wichtig sind Spieler, die mitdenken und auf dem Platz Verantwortung übernehmen. Beckham musste in den letzten zwei Jahren viel Kritik einstecken. Sie haben sich stets vor ihn gestellt. Was sind seine Stärken? Eriksson: David ist ein exzellenter Fussballer, der beste Rechtsfüsser der Welt. Bei Flanken, langen wie kurzen Pässen, Freistössen und Eckbällen ist er die Nummer eins. Darüber hinaus kann er auch verteidigen und hat Luft für 90 Minuten. Und dann ist er einfach ein toller Kerl und guter Kapitän. Wird Beckham in Deutschland die englische Nationalmannschaft anführen und zu Bestform auflaufen? Eriksson: Beckham wird bei der Weltmeisterschaft in Deutschland Spielführer des englischen Teams sein; das steht zweifelsfrei fest. Ich schätze seine ruhige Art. Wenn er in der Umkleidekabine zu den Spielern spricht, hören ihm alle zu. Mit John Terry von Chelsea und Steven Gerrard von Liverpool haben wir natürlich noch weitere Führungsspieler in unserem Team. Bei der Weltmeisterschaft werden wir einen Beckham in Hochform sehen. Nach seinen Leistungen bei Real Madrid besteht daran kein Zweifel. Aber auch andere werden gross auftrumpfen. Was können wir von Wayne Rooney erwarten? Eriksson: Er ist ein überragender Spieler, einer der besten, den ich je betreut habe. Wayne hat mit 20 Jahren schon unglaubliche 23 A-Länderspiele absolviert. Ich glaube, das hat nicht einmal Pelé fertig gebracht. Rooney kann zu einem der Stars der Weltmeisterschaft 2006 werden. Bei der EURO 2004 bot er eine fantastische Leistung, zog sich dann gegen Portugal aber leider eine Verletzung zu. Als Star steht er ständig im Rampenlicht und wird für jeden Fehler kritisiert. Das ist nicht fair, denn niemand ist perfekt. Sie sind seit 2001 englischer Nationaltrainer. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Eriksson: Ich liebe meinen Job – die Niederlage gegen Nordirland mal ausgenommen – und bin stolz, englischer Nationaltrainer zu sein. Ich werde zwar ab und an kritisiert, doch bei zehn Millionen Fans im Vergleich zu 50 000 oder 60 000 Klubanhängern ist das nicht weiter verwunderlich. Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Hat Sie die scharfe Kritik in den Medien, die Sie bisweilen einstecken mussten, denn gar nicht verletzt? Eriksson: Nein, auch wenn die Angriffe manchmal vielleicht etwas zu weit gingen. Man darf sich Kritik nicht zu Herzen nehmen, ansonsten dreht man durch. Das gilt auch für die eigene Rooney gilt als Hitzkopf. Macht Ihnen sein Temperament sorgen? Eriksson: In unserer Gesellschaft soll jeder perfekt sein. Als Spieler ist Wayne ein Genie mit ziemlich viel Temperament. januar 2006 21 Heimspiel! Verlassen Sie sich auf Reifen von Continental – www.conti-online.com Offizieller Partner der FIFA WM 2006™. Familie. Ich habe das rasch begriffen und lese deshalb nur selten Zeitung. Sie wurden insbesondere nach der Niederlage gegen Nordirland auch persönlich attackiert. Haben Sie je an Rücktritt gedacht? Eriksson: Nein, nie! Ein Rücktritt käme für mich nur aus sportlichen Gründen in Frage. Ein Nationaltrainer muss auf die volle Rückendeckung des Verbands und der Spieler zählen können, um seine Arbeit zu erledigen. Bei mir ist das nach wie vor der Fall. Selbst Ihr Privatleben wurde in den englischen Medien ausgebreitet. Konnten Sie da von Ihren Erfahrungen in Italien profitieren? Eriksson: Meine 13 Jahre in Italien haben mir sicher geholfen, auch wenn die Kritik in Italien nie auf die Person zielt. Als Trainer wird man wegen der Taktik oder der Mannschaftsaufstellung kritisiert. Sportliches und Privates werden hingegen nie miteinander vermischt. Ich weiss aber, dass es früheren englischen Nationaltrainern wie Graham Taylor, Sir Bobby Robson, Glenn Hoddle und Kevin Keegan nicht besser ergangen ist als mir. Ist die Freude an Ihrer Arbeit durch die persönlichen Angriffe nicht getrübt? Eriksson: Nein. Es ist nicht so schlimm. Ich reise nun seit viereinhalb Jahren durchs Land und habe noch nicht einen Fan etwas Schlechtes über sven-gÖran eriksson magazine Geboren am: 5. Februar 1948 in Sunne (Schweden) Nationalität: Schwede Karriere als Spieler: bis 1971: Torsby IF (5. Division). 1971–1973: SK Sifhälla (3. Division). 1973–1975: KB Karlskoga (2. Division). Karriere als Trainer: 1976: Degerfors IF (Assistenztrainer). 1977–1978: Degerfors IF (Cheftrainer). 1979–1982: IFK Göteborg. 1982–1984: Benfica Lissabon. 1984–1987: AS Roma. 1987–1989: AC Fiorentina. 1989–1992: Benfica Lissabon. 1992–1997: Sampdoria Genua. 1997–2000: Lazio. Seit 2001: englischer Nationaltrainer. Erfolge als Trainer: schwedischer Landesmeister (1981), schwedischer Pokalsieger (1979, 1982), portugiesischer Landesmeister (1983, 1984, 1991), portugiesischer Pokalsieger (1983), italienischer Pokalsieger (1986, 1994, 1998, 2000), italienischer Landesmeister (2000), italienischer Superpokal-Sieger (1998), UEFA-Pokal-Sieger (1992), Gewinn des UEFA-Pokals der Pokalsieger (1999), UEFA-Superpokal-Sieger (1999), Viertelfinale beim FIFA-Weltpokal 2002™ und der EURO 2004. Verschiedenes: Mit einem Jahresgehalt von ca. sechs Millionen Euro gilt Eriksson als bestbezahlter Fussballtrainer. Er ist der erste ausländische Trainer der englischen Nationalmannschaft. Eriksson besitzt Anwesen in Schweden, Portugal, Italien sowie England und mag tibetanische Prosa. Stand: 10. November 2005 mich sagen hören. Das Gegenteil ist der Fall. Die Fans sprechen mir Mut zu und wollen, dass ich England zur WM führe. bachtern der besten des ganzen Turniers, verdient hatten. Welches waren die schönsten Momente als englischer Nationaltrainer? Eriksson: Nach Ablauf meines Vertrags im Juni 2008 möchte ich noch einmal als Klubtrainer arbeiten, da mir als Nationaltrainer der tägliche Kontakt zu den Spielern fehlt. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, doch das erste Jahr war hart. Bei der Erledigung des ganzen Papierkrams sehnte ich mich oft nach der Arbeit draussen auf dem Rasen. Mir schwebt kein Klub in einem bestimmten Land vor. Massgebend ist einzig die Qualität der Mannschaft. Ich lasse mich überraschen, denn im Fussball weiss man nie, was als Nächstes kommt. Eriksson: Der Sieg 2001 in Deutschland war eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Ein 5:1-Sieg gegen Deutschland ist normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit, doch an diesem Abend ist uns einfach alles gelungen, während bei den Deutschen gar nichts lief. Phänomenal war auch der 1:0-Erfolg gegen Argentinien bei der Weltmeisterschaft 2002, den wir uns mit einer hervorragenden taktischen Leistung, laut FIFA-Beo- Ist für Sie ein Comeback als Vereinstrainer denkbar? „Ich möchte noch einmal als Klubtrainer arbeiten.” januar 2006 23 magazine Togo Ein afrikanisches Märchen Nach der sensationellen Qualifikation will Togo auch bei der Endrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ für Furore sorgen und Afrika weit nach vorne schiessen. I VON ADEMOLA OLAJIRE n einem wahren Fussballkrimi holten sich Togo, Angola, die Elfenbeinküste, Ghana und Tunesien das Ticket für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ – für die ersten vier eine Premiere. Geradezu fantastisch mutet die Qualifikation Togos an. Für die „Sperber“, wie das Team aus dem kleinen westafrikanischen Land mit lediglich fünf Millionen Einwohnern auch genannt wird, ein märchenhafter Erfolg, nachdem sie im letzten Jahr die Qualifikation für den Afrikanischen Nationen-Pokal deutlich verpasst hatten, in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste knapp in den Top 100 und ein Team von „Nobodys“ waren. Sheyi Adebayor, Adekanmi Olufade und Mamam Chérif Touré mochten in Togo grosse Namen sein, im Ausland waren sie jedoch weitgehend unbekannt. Aus dem hässlichen Entlein, dessen 0:1-Niederlage gegen Sambia im Juni 2004 zum Auftakt der WM-Qualifikation noch als ehrenvoll gefeiert wurde, war im Oktober 2005 längst ein Schwan geworden, von dem vor der abschliessenden Partie gegen Kongo in Brazzaville nichts weniger als ein Sieg und somit die Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™ erwartet wurde. Innerhalb von 16 Monaten hat sich Togo in der Weltrangliste um sagenhafte 50 Plätze auf Rang 49 verbessert und sich in Afrika auf Platz 9 vorgearbeitet. Nach seiner fulminanten Qualifikation wird der Aufsteiger Anfang 2006 selbstverständlich auch beim Afrikanischen Nationen-Pokal in Ägypten dabei sein. Erster Kontakt Seinen Anfang nahm das Märchen beim Afrikanischen Nationen-Pokal 2004 in Tunesien, bei dem der ehemalige nigerianische Fussballstar Stephen Keshi für die BBC als Kommentator arbeitete, insgeheim aber auf der Suche Nigerianische Wurzeln Der Erfolg Togos ist auch mit einigen nigerianischen Namen verknüpft. Neben Trainer Keshi haben nicht weniger als sechs Spieler nigerianische Wurzeln. Stürmerstar Adebayor stammt zwar aus Ejigbo im Südwesten Nigerias, fühlt sich heute aber durch und durch als Togolese: „Hier bin ich aufgewachsen. Lomé, wo mein Vater als Devisenhändler arbeitet und meine Mutter ein kleines Geschäft besitzt, und Frankreich sind meine Heimat. In Nigeria war ich erst einmal. Damals habe ich auch ein Probetraining bei der nigerianischen U-17-Aus- 24 januar 2006 wahl absolviert, wurde aber für zu schlecht befunden. Das lag aber am Verfahren, das es einigen von uns gar nicht erlaubte, unser wahres Können zu zeigen.“ Adekanmi Olufade stammt ebenfalls aus dem Südwesten Nigerias. Nach einem Abstecher nach Charleroi (Belgien) spielt der Stürmer heute beim Verein Al Sailiya in Katar. „Wie mein Name verrät, bin ich gebürtiger Nigerianer. Doch ich fühle mich als Togolese und bin stolz, das Trikot des Nationalteams von Togo zu tragen“, betont Olufade. Emmanuel Mathias wurde in Kaduna im Norden Nigerias geboren und begann seine Karriere bei den BCC Lions, bevor er nach Togo zu Etoile Filante wechselte. Nach einigen Jahren erhielt der rechte Verteidiger schliesslich ein Aufgebot für das togolesische Nationalteam. Mit Djima Oyawole, Haliru Audu und Kola Ikugbabe fliesst bei drei weiteren Spielern nigerianisches Blut in den Adern. Und so ist Nigeria bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ wenn nicht durch die „Super Eagles“ wenigstens durch die „Sperber“ vertreten. tionen-Pokal – wagte Keshi in Malaysia den Sprung ins Trainergeschäft, kehrte aber schon bald in seine Heimat zurück, um beim Afrikanischen Nationen-Pokal 2000, der im eigenen Land und in Ghana ausgetragen wurde, an der Seite des Niederländers Jo Bonfrere Nigeria zu betreuen. Unter dem Duo schafften es die „Super Eagles“ bis ins Finale, wo sie sich im Elfmeterschiessen den Kamerunern geschlagen geben mussten. Fortan trennten sich die Wege der beiden: Keshi wechselte zur U-20-Auswahl, während Bonfrere bei der ersten Mannschaft blieb, zwei Monate später aber mangels Erfolg in der Ausscheidung für die WM 2002 gefeuert wurde. Retter in der Not war Keshi, der das Ruder zusammen mit Shaibu Amodu und ExNationalspieler Joe Erico in den letzten drei Spielen noch herumzureissen vermochte. Doch das Glück des Trios währte nicht lange: Nach einem enttäuschenden dritten Rang beim Afrikanischen Nationen-Pokal Anfang 2002 in Mali wurden die drei entlassen. Foto: Getty Images nach einem neuen Job war. Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet der Wahlamerikaner Wunschkandidat des togolesischen Fussballverbands (FTF) für das Amt des Nationaltrainers war. Der Rest war Formsache. Nach einer beeindruckenden Spielerkarriere – von 1983 bis 1994 Spielführer der nigerianischen Nationalmannschaft, Stationen in Belgien (RSC Anderlecht) und Frankreich (Racing Strassburg) sowie eine Gold-, zwei Silber- und eine Bronzemedaille beim Afrikanischen Na- januar 2006 25 magazine Togo Togos Staatspräsident Faure Gnassingbé bei seiner Vereidigung. – Yao Senaya (Nr. 18) im Duell mit einem liberianischen Gegenspieler. „Die nigerianischen Funktionäre haben mir bei der Mannschaftsaufstellung und auch anderen Dingen ständig dreingeredet. In Togo ist das ganz anders. Hier weiss ich, woran ich bin, und habe alles, was ich für meine Arbeit brauche“, erzählt Keshi. „An meinen Vertrag sind keine Bedingungen geknüpft. Weder von meinen Spielern noch von mir wurde irgendeine Qualifikation erwartet. So konnten wir frei aufspielen, was letztlich der Schlüssel zum Erfolg war.“ Angesichts der Herkulesaufgabe – die „Sperber“ waren in einer Gruppe mit Senegal (Viertelfinalist bei der WM 2002), Mali (Halbfinalist beim Afrikanischen Nationen-Pokal 2004), Liberia, Kongo und Sambia – waren die Erwartungen denn auch gering. Vor dem Heimspiel gegen Senegal in der zweiten Qualifikationsrunde rechneten alle mit einer Niederlage. „Gegen El Hadj Diouf, Henri Camara, Salif Diao, Pape Bouba Diop und Co. gab uns niemand eine Chance“, so Keshi. Und so trauten die 30 000 Zuschauer im nagelneuen Kegué-Stadion ausserhalb Lomés ihren Augen kaum, als Togo Senegal mit 3:1 bezwang. Politische Krise Der unerwartete Tod von Präsident Gnassingbé Eyadéma, der Togo während 38 Jahren mit eiserner Faust geführt hatte, stürzte das Land am 5. Februar 2005 in eine tiefe Krise, die kurzzeitig auch 26 januar 2006 die WM-Qualifikation in Gefahr brachte, denn schliesslich war der Fussballverband bislang fest in Hand des Gnassingbé-Clans gewesen. Nach der Einsetzung von Eyadémas ältestem Sohn Faure als neuem Staatsoberhaupt konnte sich das Nationalteam jedoch wieder voll auf die Vorbereitung für das Auswärtsspiel gegen Mali konzentrieren. Lohn war ein 2:1-Erfolg, der die Tür zur Qualifikation weit öffnete. „Senegal holte sich in Mali ein Unentschieden, und so wollten auch wir einen Punkt. Doch dann hatten wir plötzlich die Möglichkeit zum Sieg. Diese Gelegenheit liessen wir uns nicht entgehen“, erinnert sich Keshi. Mit diesem Erfolg konnte Togo seine beiden ärgsten Verfolger Senegal und Sambia, die ihre Partien ebenfalls gewonnen hatten, zwar nicht distanzieren, doch die beiden späten Tore von Mamam Chérif Touré und Moustapha Salifou waren dennoch Gold wert. Voller Selbstvertrauen nahmen die „Sperber“ die Schlussphase der Qualifikation in Angriff und warfen dank eines 4:1-Triumphs als Erstes die Sambier aus dem WM-Rennen. Da Senegal gegen Kongo nicht über ein 0:0 hinausgekommen war, stand Togo in der Gruppe 1 nun allein an der Spitze. Nach dem 2:2 gegen Senegal in Dakar hatten es die Westafrikaner in den beiden abschliessenden Spielen selbst in der Hand, sich erstmals für eine WM-Endrunde zu qualifizieren. Das entscheidende Spiel „Nach dem Unentschieden in Senegal boten uns die Menschen einen begeisterten Empfang. Abertausende säumten die Strasse zum Flughafen, der aus allen Nähten platzte. Es war überwältigend, selbst Leute, die selber kaum genug zum Leben haben, machten mir Geschenke, etwa ein eigens für mich angefertigtes Kleid“, erzählt Keshi. Nach dem Sieg Senegals gegen Sambia und dem 3:0-Triumph Togos gegen Liberia war aus dem Dreikampf an der Tabellenspitze endgültig ein Zweikampf geworden. „Wir wollten gegen Kongo Fans bejubeln Togos erstmalige WM-Qualifikation. – Rechts oben: Togos Nationaltrainer Stephen Keshi. Fotos: Keystone (3)/Reuters/Getty Images gewinnen, auch wenn uns bereits ein Unentschieden gereicht hätte. Ich war vom Sieg überzeugt, da wir in diesem für Togo bislang wichtigsten Spiel alles geben wollten“, sagt Keshi. Sein Gefühl sollte ihn nicht täuschen: Sein Team siegte 3:2 und schaffte damit erstmals die Qualifikation für eine FIFA FussballWeltmeisterschaft™. Für Senegal war das Scheitern natürlich bitter, doch Assistenztrainer Amara Traoré erwies sich als sportlicher Verlierer: „Es tut weh, doch Togo hat sich die Qualifikation redlich verdient.“ „Wir sind eine Familie“ Für den gebürtigen Ghanaer Eric Akoto, einen der Leistungsträger des Teams, ist die Qualifikation alles andere als Zufall: „Wir sind zurecht dabei und werden weder in Ägypten noch in Deutschland Kanonenfutter sein. Wir haben uns in der Ausscheidung von Spiel zu Spiel gesteigert, was auch ein Verdienst der Regierung ist, welche die Siegprämien laufend angepasst hat.“ Weiterer Schlüssel zum Erfolg war die Disziplin, die Keshi seinen Spielern eingeimpft hat, nachdem er in Sachen Ordnung selbst vom Saulus zum Paulus geworden war. 1985 war er wegen verspäteten Erscheinens zum Training auf Anordnung des Sportministers mit vier Mitspielern aus dem nigerianischen Nationalteam ausgeschlossen worden. Dies sollte ihm nicht noch einmal passieren. „Unser Erfolg gründet auf Disziplin und Gleichberechtigung im Team. Jeder hat die gleichen Rechte und Pflichten. In unserem Team ist jeder Star und Arbeiter zugleich. Wir sind eine Familie“, betont der 43-Jährige. „Keshi ist grossartig – ein wahres Urgestein“, schwärmt FTF-Schatzmeister Edjoe Adjete. Ins gleiche Horn bläst Eric Akoto, der bei Austria Wien unter Vertrag steht: „Er legt grossen Wert auf Harmonie und Disziplin im Team. Er ist der eigentliche Baumeister unseres Erfolgs.“ Doch für Keshi zählt nicht nur der sportliche Erfolg, ebenso wichtig ist für ihn das wirtschaftliche Wohl seiner Spieler. Er setzte beim Verband eine 500%ige Erhöhung der lächerlich niedrigen Siegprämien durch und holte sich damit bei den Spielern weitere Pluspunkte, wenn man bedenkt, wie viel 4000 US-Dollar (für das sensationelle Unentschieden auswärts gegen Senegal) oder gar 6000 US-Dollar (für den entscheidenden Sieg gegen Kongo) in Togo wert sind. Von den einstigen Nobodys hat sich in der Zwischenzeit vor allem ein Spieler auch international einen Namen gemacht: Emmanuel Sheyi Adebayor, der unter Jungtrainer Didier Deschamps bei AS Monaco den Durchbruch geschafft hat. Mit seinen zehn Toren in der WM-Qualifikation hat der Stürmer Togos einstige Asse wie Bachirou Salou, der während seiner ganzen Karriere in Deutschland spielte, und Verteidiger Tadjou Saliou (Servette Genf ) längst in den Schatten gestellt. Er wird bestimmt nicht der einzige bleiben, denn das afrikanische Märchen ist noch nicht zu Ende: Fortsetzung folgt bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™. januar 2006 27