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# 02 IK PH OE N IX #0 O N 2 TH EM E N E NS CH D E W ER PU R NK T M OD ER NE Die Titelseiten von PHOENIX werden jeweils mehrstufig geprägt. Als Vorlage dazu dienen abstrahierte Pläne von Objekten, die in der Zeitschrift vorgestellt werden. Das Cover der aktuellen Ausgabe ziert ein Situationsplan der Neuen Nationalgalerie Berlin. PHOENIX I N H ALT 06 F U N D U S 06 · Baumeister vs. Baumeister — 08 · MoMa Young Architects Program — 09 · Battersea Reloaded — 12 · Die Baustelle — 13 · Die weisse Stadt Tel Aviv — 14 · Frei Otto — 15 · Literatur — 16 · Die Karte — 18 · Lego Architect Series — u. v. m. F OR U M 22 · Lissabons früheres Rotlichtviertel Intendente wird zur bunten Mikro-Nachbarschaft — 28 · Chipperfield und die Neue Nationalgalerie, Berlin — 34 · Society of Architectural Historians feiert 75-jähriges Bestehen — 40 U N IK A T E 40 · Die Hinterlassenschaft von Frank Lloyd Wright — 50 · Lichtstrasse Basel oder was den Halbkanton so speziell macht — 56 · Der Eiffelturm als Projektionsfläche für Technik, Kunst und Kitsch V A D EM EK U M 62 · Farbstrategien (Lux Guyer und die «malerische Promenade») – 66 · Gläsernes Palmenhaus (die «Neue Flora» in Köln) – 68 · Exklusive Möblierung einer Sakralbaute (Hildesheimer Dom) – 70 · Corian im Küchenbau – 72 · Euroluce 2015 – 74 · Salone del Mobile – 76 22 62 K OM PEN D IU M 76 · Spenglerarbeit (Villa Patumbah) — 78 · Modulbau (Erne AG Holzbau) — 80 · Küchenumbau (Brunner Küchen AG) — 82 · Beschattung (Storama AG) K A T A L OG Neue Produkte aus der Welt des Umbauens – Neue Produkte, präsentiert am Salone del Mobile – Neue Produkte, präsentiert an der Euroluce 84 PHOENIX FORU M C hicago C alling D i e « So c i e t y w ic h tig ste in te r g e sc h ic h te u n d Ü b e r 7 0 0 H isto i m Ap r i l z u m o f Ar c h i t e c t u r a l H i s t o r n a tio n a le G e se llsc h a ft fe ie r t h e u e r ih r 7 5 - jä h r ik e r, T h e o r e tik e r u n d Ju b ilä u m sk o n g r e s s n 3 4 ia n s» ist d ie f ü r Ar c h i t e k t u r r ig e s B e ste h e n . K r itik e r k a m e n a c h C h ic a g o . PHOENIX F0 RU M Links: Doppelstöckige Klappbrücke (Wells Street Bridge) Rechts: Tour Nr. 14: «Chicago Movable Bridges» Foto: Elliott Sturm Text: Dan Costa Baciu Fotos: Elliott Sturm, IIT Archives, Iwan Baan, Dan Costa Baciu D ie «Society of Architectural Historians», kurz «SAH» genannt, wurde 1940 an der Harvard University gegründet. Seit 68 Jahren ver anstaltet die SAH jährlich eine internationale Kon ferenz, und diese stand heuer ganz im Zeichen des 75jährigen Bestehens der Organisation, deren Mit glieder mittlerweile aus über 50 Ländern – darunter auch der Schweiz – stammen. Die Wahl für den Tagungsort des Kongresses fiel zum Jubiläumsjahr auf Chicago, da sich hier der Hauptsitz der Gesellschaft befindet. Das «Charnley Persky House», der Hauptsitz der SAH, ist selbst eine Architekturikone, die Louis Sullivan zusammen mit Frank Lloyd Wright erbaute. Der Kongress selbst fand aus Platzgründen jedoch in einem Hochhaus am Chi cago River statt. Das Wetter war herrlich, und immer wieder konnte man beobachten, wie sich die histori schen Brücken hoben, um die Segelschiffe zu Früh lingsbeginn auf den «Lake Michigan» hinauszulassen. Patrick T. McBriarty, Autor des Buches «Chicago River Bridges» (University of Illinois Press 2013), hat die Architekturhistoriker auf, über und unter die welt bekannten Brücken geführt. Die Stadt ist auch sonst vollgespickt mit Architekturikonen: ArtdécoHoch häuser stehen neben Neoklassizismus. Die Sonne spiegelt sich in Glasfassaden und fällt auf Steintürme, 3 5 Stahlträger oder auf Goldbergs Beton. Vom Hancock Tower überblickt man die Rasterstadt und fühlt sie Tag und Nacht pulsieren. Bei so viel Geschichtsträch tigkeit ist gut nachvollziehbar, dass Chicago diesen Oktober eine Architekturbiennale lanciert, die der Veranstaltung in Venedig mindestens ebenbürtig werden soll. PHŒNIX bleibt dran. Der SAHKongress ist ausserordentlich vielfäl tig. Das Plenarreferat von Gwendolyn Wright drehte sich um das Thema «Play» («Spiel»). Die Historikerin der Columbia University forderte die mehreren Hun dert Zuhörer auf, das Spielerische in der Architektur praxis zu untersuchen und ebenfalls spielerisch mit der Architekturgeschichte umzugehen. Obschon sich noch nicht so viele Architekturhistoriker mit dem Thema Spieltheorie befassen, war das Referat insbe sondere für jene, die das tun, äusserst interessant. Zum Thema «Play» passte auch Greg Castillos Refe rat über die deutsche Architektur im Kalten Krieg. Der Professor, der an der UC Berkeley lehrt, sprach neben der «Deutschen Sachlichkeit» auch die «Heiter keit» an und erläuterte diesen Begriff am Beispiel von Hans Scharouns Wettbewerbseingabe für die «Ameri can Memorial Library» in Berlin. Castillo, Architektur historiker durch und durch, beschäftigt sich auch Weiter auf Seite 38 PHOENIX FORU M A us der V og elperspektiv e I m Ra h m e n d e s SAH - K o n g r e s s e s z e i g t e e i n e Au s s t e l l u n g , d a s s Ar c h i t e k t e n s c h o n l a n g e a u f Lu f t b i l d e r a l s P l a n u n g s w e r k z e u g z u r ü c k g r e ife n . « A view from above – The Transformation of IIT' s C ampus and N eighborhood» nannte sich eine Ausstellung, die im Rahmen des SAH -Kongresses gezeigt wurde. Diese wurde von Professor Michelangelo Sabatino vom Illinois Institute of Technology IIT kuratiert und zeigte eindrücklich, wie Architekten – lange bevor G oogle Earth diese zum Allgemeinplatz gemacht hat – Luftbilder als Planungswerkzeug einsetzte. Luftbild entlang State Street in Richtung Norden (bevor IIT erbaut wurde) mit dem «Mecca»-Gebäude im Vordergrund. Das Gebäude war das Herzstück des Quartiers. Die Bebauung ist kleinteilig, historisch und dicht. 19 4 0 Die Luftbilder aus dem Archiv des IIT beispielsweise dokumentieren sy stematisch, wie die historische C ampusN achbarschaft ( das mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnte Q uartier Bronzeville) verändert und teilweise sogar zerstört wurde, um der U niversität von C hicago – eine Architekturikone von Ludwig Mies van der Rohe – Platz zu machen. Das Institut war 1 9 4 0 aus dem Zusammenschluss des Armour Institute of Technology und des Lewis Institute gegründet worden. Private Investoren und die öffentliche H and transformierten hierauf das G ebiet im South Side C hicago, wobei das « Armour Mission Building» der Architekten Burnham & Root ( 1 8 8 6 ) und viele historische Steinbauten für Parkplätze, N utz- und Monumentalbauten abgebrochen wurden. Auch die « Mecca Flats» , ein ausserordentlich schönes und beliebtes Wohngebäude von 1 8 9 2 , wurden abgebrochen, um Ludwig Mies van der Rohes « SR C rown H all» ( 1 9 5 6 ) Platz zu machen. Die Luftbilder der Ausstellung sind aus der Entfernung aufgenommen und wirken kühl und kühn. G leichzeitig zeigen sie ein angespanntes Verhältnis zwischen dem C ampus und der historischen N achbarschaft auf. G edächtnis, Zerstörung, « tabula rasa» und Fortschritt prallen aufeinander. H istorische Luftaufnahme: Illinois Institute of Technology 19 4 1 3 6 Über-Eck-Perspektive Richtung Nordosten (mit Lake Michigan im Hintergrund). Fotocollage mit Campus-Modell von Mies van der Rohe. PHOENIX F0 RU M 19 6 4 Blick entlang der State Street in Richtung Norden. Mies̕ Crown Hall steht dicht an einem historischen Bau, und eine ganze Nachbarschaft wurde abgebrochen, um neue Parkplätze zu schaffen. 2014 Begrünter Campus im Geist der Moderne. Freistehende Architekturikonen, sattgrüne Wiesen, BaumAlleen und die Chicago Skyline im Hintergrund. Foto: Iwan Baan PHOENIX FORU M Fortsetzung von Seite 35 Highlights in den USA mit dem Verhältnis zwischen architekto nischem Mainstream und Subkultur und arbeitet der zeit an einer Publikation zu diesem Thema. Auch eine Handvoll Schweizer und Auslandschweizer nahm am SAHKongress mit Referaten zu unterschiedlichen Themen teil: So führten beispielsweise Niklas Näh rig und Gregory Grämiger, zwei Doktoren der ETH, eine «Paper Session» durch. Nährig und Grämiger beschäftigen sich seit 2011 mit der Evolutionslehre in der Architektur und untersuchten, ob ein Architekt eine Theorie entwickelt hat, die wirklich an der Evo lutionslehre ausgerichtet ist. Der Befund ist nüchtern: «Es reicht nicht aus, dass sich ein Architekt einfach in irgendeinem Text auf Darwin beruft. Und um ehr lich zu sein: Wir haben keine einzige darwinistische Gwend oly n W right Columbia University The Role of Play: Looking for Patterns and Crossing Boundaries (Plenary Talk) + K urt W . F oster Fotos: Elliott Sturm Yale University What does Sullivan's Architecture Sound Like? + M ichelangelo S abatino Illinois Institute of Technology Brutalism in Canada: Concrete and Climate + Greg C astillo University of California Berkeley Cheerfulness in Cold War Architecture + J ustin F owler, D an H and el Princeton University, Technion Israel Bigger than Big: American Matter out of Scale Architektur gefunden. Genauso wenig wie eine Ar chitekturtheorie, die an der Evolutionslehre ausge richtet ist. Was wir hingegen gefunden haben, ist ein kreativer, ideenreicher und vielschichtiger Aneig nungsprozess, in dessen Verlauf die Evolutionsthe orie so lange transferiert, übersetzt und angepasst wurde, bis etwas ganz Neuartiges daraus entstand.» Dieser negative Befund überraschte und ernüchterte, gingen doch manche Teilnehmer davon aus, dass es sehr wohl darwinistische Ansätze in der Architektur theorie gebe. Das Schlussreferat von Kurt W. Forster, Doktor der Universität Zürich und Professor an der Yale Uni versity, lockerte die Stimmung wieder auf. Studenten stiessen hinzu, die Gänge füllten sich, und manch etablierter Professor setzte sich zu ihnen auf den Boden, um zuzuhören, als Forster über den USAr chitekten Louis Henri Sullivan (1856 bis 1924) sprach. Forsters Ausführungen legten nahe, wie untrennbar Sullivan, Chicago und die Evolutionstheorie mitein ander verbunden sind. Sullivan habe seine Architek tur zuweilen der Evolution preisgegeben, meinte Kurt W. Forster, dessen Position sich im Einklang mit der aktuellen Forschung befindet, die zum Beispiel durch die Publikationen «Design in the Age of Darwin» + Die Schweizer Referenten am SAH: O le W . F ischer Dr. Sc. ETH / University of Utah Bild oben: Patrick T. McBriarty, Autor von «Chicago River Bridges» Bild Mitte: Es ist heute noch eindrücklich, wie sich die historischen Brücken anheben und senken. Bild unten: Begrüssung mit ( v. l. n. r. ) Scott Weir, David Winterton, Michelangelo Sabatino, Yumiko Hayasaka. Emma J ones Universität Zürich And reas B uss Lutz & Buss Architekten R uth F igueired o ETH Zürich Gregory Grä miger Niklas Nä hrig ETH Zürich Ulrike F aurbach Arnd H ennemey er ETH Zürich 3 8 PHOENIX F0 RU M Foto: Dan C osta Baciu (2008) oder «Umberto Boccioni Architettura Futurista 1914» (2011) unterlegt ist und einen interdisziplinären Dialog aufzeigt, der für die junge Evolutionstheorie zwischen 1830 und 1920 ausserordentlich bereichernd war (Architekten und Theoretiker haben damals zusammen mit Philosophen und Künstlern wichtige Beiträge geleistet). Nach den «Paper Sessions» der ersten beiden Tage gab es am Schlusstag Veranstaltungen in der Stadt selbst. Ein Podiumsgespräch mit Ausstellung widmete sich der neuen Campus-App, die das Illinois Institute of Technology kürzlich lanciert hat. Diese App ist nach jener des Princeton University Campus erst die Zweite in den USA, welche die Baugeschichte integriert. Ausserdem sprach Michelangelo Sabatino, der eine Ausstellung über Luftaufnahmen in der Architektur kuratiert hatte, über die Baugeschichte seiner Universität: Der Campus wurde nicht etwa auf der grünen Wiese entwickelt, sondern von Mies van der Rohe mitten in eine beliebte Nachbarschaft von Chicago gesetzt. Dabei wurde die ansässige afroamerikanische Bevölkerung nach und nach verdrängt. Luftbilder zeigten eindrücklich, was vor dem Universitätscampus da war und wie die Nachbarschaft durch die modernen Bauwerke verändert wurde. «Das matte Glas im Erdgeschoss», erklärte der beliebte Professor, «war vielleicht auch ein Weg, sich von der unmittelbaren Nachbarschaft abzusondern.» Wie wörtlich das gemeint ist, erkennt man am Luftbild: Mies’ Crown Hall stand 1964 nicht in einem Park, sondern Wand an Wand mit der ursprünglichen Bausubstanz. 3 9 Chicago River, von der Wells Street Bridge aus fotografiert. PHOENIX V ORSC H AU IM PR ESSU M PHŒNIX – Bauen im Bestand 1. Jahrgang Erscheinungsweise 4 x jährlich Auflage 8000 Exemplare [email protected] www.phoenix-magazin.ch Herausgeberin B + L Verlags AG Steinwiesenstrasse 3, 8952 Schlieren Tel. 044 733 39 99, Fax 044 733 39 89 [email protected], www.blverlag.ch Verleger Peter Boll Geschäftsleitung Patrick Schmid Philipp Bitzer PH OE NI X #0 3T S P HE M O R E NSCH W T S E R PU TÄ N K T TT EN Inhaltskonzept Philipp Bitzer Martin Reznicek Dan Costa Baciu G ebäude zur Ausübung von Sportarten haben in der Architektur in den letzten J ahren einen enorm hohen Stellenwert erhalten. Insbesondere werden Bauten, die eigens für die grossen internationalen Anlässe wie beispielsweise O ly mpia oder Fussballweltmeisterschaften errichtet werden, heute aus Prestigegründen praktisch ausschliesslich von den weltweit renommiertesten Studios geplant und realisiert. Doch was passiert nach den Events damit? U nd wie geht man mit dem Bestand um? Ein Blick hinter die Tribünen. Gestaltungskonzept Martin Reznicek Redaktion Dan Costa Baciu (dcb) Philipp Bitzer (phb) Christina Horisberger (chh) Freie Mitarbeit Nadine Kahnt Layout Harriet Angela Messing Benjamin Rüdlinger (Grafiken) zVg Anzeigen Sabina Guggenbühl Anzeigendisposition Denise Bucher Korrektorat Ullrich Noelle Druck AVD Goldach AG, Sulzstrasse 10 – 12 9403 Goldach/SG www.avd.ch Verkaufspreis Einzelexemplar CHF 15.– Abonnement 1 Jahr (4 Ausgaben) CHF 50.– Abonnement 2 Jahre (8 Ausgaben) CHF 80.– Ausland – zuzüglich Portokosten Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck von Artikeln ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und mit genauer Quellenangabe gestattet. Mit Verfassernamen beziehungsweise Initialen gezeichnete Veröffentlichungen geben die Auffassung der Autoren und nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für unaufgefordert eingereichte Manuskripte und Bilder kann keine Haftung übernommen werden. 9 6