Die Subkultur der Nazis - Offener Runder Tisch Zeitz
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Die Subkultur der Nazis - Offener Runder Tisch Zeitz
public warning »Ja, es gibt rechtsradikale Ausdrücke von manchen Schülern. Sie sind rechts aus Langeweile.« VORWORT 3 vorwort Hallo liebe Schüler_innen, liebe Leser_innen, mit der Broschüre Public Warning haltet ihr ein Heft in der Hand, mit dem wir versuchen, euch auf den nächsten 55 Seiten mit der Problematik des Rechtsextremismus im Allgemeinen und im Besonderen in Plauen und im Vogtland vertraut zu machen. Wir, die Verfasser dieser Broschüre, sind eine Gruppe von Leuten, die sich seit mehreren Jahren in verschiedener Weise ehrenamtlich gegen Aktivitäten von Neonazis und gegen rassistisches Denken und Handeln in unserer Gesellschaft engagieren. So konnten wir bei der Erarbeitung dieses Heftes, welches von der Stadt Plauen in Auftrag gegeben wurde, auf unsere eigenen Erfahrungen aufbauen, aber auch selbst Neues lernen. Allen, die uns bei dieser Arbeit unterstützt haben, sei an dieser Stelle recht herzlich gedankt. Da dieses Heft vor allem an junge Leute gerichtet ist, war es uns wichtig, euch in die Recherchearbeit mit einzubeziehen. So haben wir an Schulen in Plauen und Umland, an öffentlichen Plätzen und in Jugend- und Sozialprojekten Interviews geführt, viele nützliche Informationen aus erster Hand gesammelt und in die Broschüre einfließen lassen. Sie lebt also von euren und den Erfahrungen anderer, die für eine gründlichere Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus notwendig sind. Zudem haben wir zusätzliche Informationen aus anderen Broschüren, Büchern und aus dem Internet gesammelt, durch eigene Beobachtungen ergänzt und hier für euch zusammengefasst. Die Broschüre soll vor allem allgemein aufklären und kann daher in den einzelnen Schwerpunkten nicht so tief vordringen, wie wir uns das selbst gewünscht hätten. Andere wichtige Aspekte mussten wir wegen Platzmangel ganz herauslassen. Die ein oder andere Ergänzung und interessante Tipps zum Weiterlesen findet ihr auf der Website www.public-warning.de, die wir mit der Broschüre zusammen erstellt haben. Um uns eure Kritik und Anmerkungen mitzuteilen, könnt ihr die Kontaktadresse [email protected] nutzen. Wir hoffen, euch zumindest einen kleinen Einblick zu verschaffen und für euren Unterricht einiges interessantes Material zusammengestellt zu haben. Und nun viel Spaß beim Lesen, Grübeln und Diskutieren. Einige Hinweise, die euch das Lesen vereinfachen sollen: Da bereits über Sprach- und Schreibformen Ausgrenzung von Menschen stattfindet (z. B. die von Frauen, indem nur männliche Formen wie »Schüler« gebraucht werden), haben wir versucht, eine Schreibweise zu benutzen, die männliche und weibliche Formen, sowie alle, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen, zu berücksichtigen wie beim Wort »Schüler_innen«. Oder wir haben Begriffe benutzt, die keinerlei Unterscheidung notwendig machen, z. B. beim Wort »Mensch«. 4 »Ich würde mir viel mehr Aufklärungsarbeit wünschen, von den Schulen und von den Lehrern« INHALTSVERZEICHNIS Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 allgemeiner Teil Alltagsrassismus in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Motive von Ausgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Grundlagen unserer Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wichtige Kennzeichen der Naziideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Organisationsformen von Rechtsextremen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Dresscodes, Subkultur, Lifestyle, Symbole. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Symbole mit nationalsozialistischem Bezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Embleme und Logos extrem rechter Organisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Jugendkulturelle Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Die Subkultur der Nazis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Ursachen rechter Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 spezieller Teil Rechte Strukturen im Vogtland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was geht in Plauen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Situation an den Schulen in Plauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Und was geht im Vogtland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rassismus und rechte Gewalt aus der Opferperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 30 32 34 40 Gegenstrategien Allgemeine Handlungshinweise und Gegenstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argumentationshilfen gegen typische rechte Parolen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was kannst du an deiner Schule tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projekte gegen Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 50 52 54 Ein Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5 inhalt 6 EINLEITUNG public warning Einleitung Bevor wir euch nun einladen, diese Broschüre zu lesen, möchten wir euch kurz erklären, wie sie aufgebaut ist und worum es in den einzelnen Abschnitten geht. Das Heft ist in drei große Abschnitte gegliedert. Am Ende findet ihr eine kurze Zusammenfassung, Adressen, Literaturhinweise und Tipps für weitere Informationen zum Thema. Der allgemeine Teil soll euch eine Einführung zum Thema Rechtsextremismus geben und zu allen anderen wichtigen Begriffen, die auf irgendeine Weise damit zusammenhängen. Viele von euch sind sicherlich über Wörter wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit gestolpert oder können über „rechte“ Gewalt berichten. Vielleicht habt ihr schon öfter Bemerkungen gehört wie „Die Ausländer nehmen uns Deutschen die Arbeitsplätze weg und kommen nur hierher, um von unseren Sozialleistungen zu leben.“ oder „Die müssen sich unserer deutschen Kultur anpassen, wenn sie hier leben wollen.“ Manch eine_r mag diese Auffassungen sogar teilen, ohne sich darüber weiter Gedanken gemacht zu haben. Um ein kompliziertes Phänomen wie Rechtsextremismus jedoch zu verstehen, ist es wichtig, sich mit diesen Ängsten und feindlichen Einstellungen gegenüber Menschen anderer Herkunft oder gegenüber Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Sie bilden die Grundlage dafür, dass sich rechte und rechtsextreme Einstellungen entwickeln können. Physische und psychische Gewalt von Rechtsextremen sind dabei nur die Spitze des Eisberges. So werden wir versuchen, euch neben möglichst einfachen Begriffsdefinitionen, die Grundlagen und Zusammenhänge zwischen rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Denkweisen zu erläutern und aufzeigen, wie diese in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Im Anschluss daran beschäftigen wir uns mit Organisationsformen von Rechtsextremen und mit ihrem Erscheinungsbild. Dabei gehen wir z. B. auf Szenecodes ein, die die rechte Ideologie symbolisieren. Vor allem aber werden wir auf die Gefahr hinweisen, die mit der aktuellen Entwicklung des Rechtsextremismus einhergeht, nämlich das neue „soziale“ Wirken in der Öffentlichkeit und die Normalisierung des Erscheinungsbildes. Doch nicht nur dabei entsteht der Eindruck, dass das Problem Rechtsextremismus weniger wahrgenommen wird. Auch mit dem unauffälligen und langsamen Fußfassen in verschiedenen Subkulturen finden Rechtsextreme auch bei Jugendlichen zunehmend Akzeptanz. Im speziellen Teil versuchen wir vor allem, die aktuelle Situation in Plauen und in einigen Regionen des Vogtlandes zu beschreiben. Ihr erhaltet dazu konkrete Informationen, wie Neonazis vor eurer Haustür, an eurer Schule und in EINLEITUNG anderen öffentlichen Räumen agieren. Rechte Ideologie und rassistisches Denken, das in unserer Gesellschaft seine Wurzeln hat, sind ein Ausdruck von Unwissenheit und Ignoranz gegenüber Problemen wie Armut, Krieg und politischer Verfolgung, unter denen ein Großteil der Weltbevölkerung leidet. Zudem sind diese Menschen, die wegen sozialer Not und Verfolgung aus ihren Länder flüchten, mit vielen weiteren Problemen konfrontiert, sobald sie z. B. die Grenzen der reichen Länder Europas erreichen. Nur die wenigsten von uns wissen, wie es diesen Menschen hier wirklich ergeht. Daher ist die Auseinandersetzung mit der Sichtweise von Opfern von Rassismus, Ausgrenzung und rechten Gewalttaten unerlässlich. Dies trägt dazu bei, dass man ein besseres Verständnis und mehr Toleranz für unsere Mitmenschen entwickelt. Wichtige Informationen und Fakten hat uns ein Interview mit dem Projekt AMAL liefern können. Im Abschnitt Gegenstrategien möchten wir euch zum einen allgemeine Anregungen geben, wie ihr selbst aktiv werden könnt, wenn euch diese Dinge schon länger beschäftigen. Vielleicht habt ihr bisher noch nicht den richtigen Anfang gefunden oder euch hat dabei die Unterstützung gefehlt. Zum anderen findet ihr Ideen dafür, wie ihr über diese Themen in eurem Schulalltag sprechen könnt. Dabei unterstützen euch die Argumentationshilfen. Mit den Verweisen auf einige Anlaufstellen und mit der Vorstellung einiger ausgewählter Projekte, die sich besonders gegen Rechtsextremismus und das Erstarken der Neonazis engagieren, findet ihr weitere Anregungen, wie ihr selbst kreativ und aktiv werden könnt. Damit verbun- den ist die Aufforderung, politisch tätig zu werden. Politisch handeln heißt dabei jedoch nicht, dass ihr euch nur innerhalb von Parteien engagieren könnt, sondern, dass ihr ganz eigenständig und kreativ an der Politik in unserer Gesellschaft teilnehmen könnt. Es ist wichtig, dass ihr im Unterricht, mit euren Freunden_innen und auch mit Betroffenen selbst sprecht, um euch ein besseres Bild machen zu können. Nehmt nicht hin, was euch andere tagtäglich vorgeben und informiert euch eigenständig! Seid neugierig, seid unbequem! Hinterfragt, was euch von den Erwachsenen vorgelebt wird! 7 Was ist eigentlich rechts? In fast allen demokratischen Parlamenten sitzen konservative und nationalistische Parteien auf der rechten Seite. Allerdings ordnen sich bürgerliche-konservative Parteien heute größtenteils der politischen Mitte zu. Wir sprechen dort, wo Nationalismus, Rassismus, völkisches Denken, Antisemitismus und autoritäre Ordnungsvorstellungen vertreten werden, von politisch »Rechten«. Die Grenze zwischen Rechten und Rechtsextremen, die ihre Ziele besonders aggressiv verfolgen und nicht selten Gewalt anwenden, verläuft dabei jedoch fließend. 8 ALLTAGSRASSISMUS IN DEUTSCHLAND : die alltagliche Angst Alltagsrassismus in Deutschland Rassismus ist der Glaube, dass es unterschiedliche Menschenrassen gibt. Er bewirkt, dass Menschen auf Grund äußerer Erscheinungen und Herkunft höherwertig bzw. minderwertig eingestuft werden. Im neueren Verständnis ist Rassismus die Ablehnung einer interkulturellen Gesellschaft und die Befürwortung des so genannten Ethnopluralismus. Ethnopluralismus ist die Auffassung der Neuen Rechten, die die Völker zwar nicht per se in hoch- und minderwertig einteilt, ihnen jedoch einen bestimmten unveränderlichen Lebens- und Kulturraum zuweist. Im Mai 2006, kurz vor der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, löste der ehemalige Sprecher der deutschen Bundesregierung Uwe-Karsten Heye eine heftige Debatte über den Rassismus in Deutschland aus. Kern der Debatte war die Frage, ob es in der Bundesrepublik so genannte „No-Go-Areas“ gibt: Orte, an denen Menschen, die als vermeintliche Ausländer_innen gesehen werden, Angst um ihr Leben haben müssen. Wörtlich sagte Heye: „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen.“ Auch wenn Heyes Äußerung damals besonders den Protest ostdeutscher Politiker herausforderte, kann es nicht geleugnet werden, dass es viele Orte gibt, an denen besonders nichtweiße Menschen Angst vor Nazigewalt haben müssen. Häufig gibt es auch Gewalttaten mit antisemitischen Motiven. Nach anfänglicher Kritik bestätigte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, dass Heye mit seiner Feststellung Recht habe, wonach es in Deutschland und besonders im Osten ein Problem mit Rechtsextremismus, rechtsradikaler Gewalt und Rassismus gebe. Der Berliner Schriftsteller Alexander Gusovius beschrieb die Lage anhand seiner privaten Situation in einem Kommentar in der Tageszeitung „Die Welt“ kürzlich so: „...meine Frau ist halb Schwäbin, halb Perserin und hebt sich von der Masse der deutschen Gesichter angenehm ab. Leider haben Glatzen und Neonazis, von denen es in Ost-Berlin und im Umland zu viele gibt, ihre dümmliche Existenz darauf eingerichtet, Menschen, die sie für nicht kerndeutsch halten, grob zu belästigen. Das machte unser Berliner Leben zunehmend ungemütlich, wir fuhren zuletzt kaum noch ins Umland. Der absurde Gipfelpunkt neuerlichen Eingeschlossenseins ins gute, alte West-Berlin war erreicht, als meine Frau ein Engagement als Schauspielerin im Berliner Osten nicht annehmen konnte, weil unweit des Theaters die NPD-Parteizentrale angesiedelt war - was besonders nachts, nach der Vorstellung, zu nochmals gesteigertem Glatzenaufkommen führte.“ Die Untergrabung der Demokratie durch Nazis und die Entstehung von Angsträumen ist kein Zufall von gehäufter Gewalt, sondern ihre ganz klare Strategie. Schon im Jahr 1991 hatte der Nationaldemokratische Hochschulbund, die Studentenorganisation der NPD, ein Strategiepapier mit dem Titel „Schafft befreite Zonen“ veröffentlicht, in dem die Nazis dem Gewaltmonopol des Staates offen den Kampf ansagten: „Wir müssen Freiräume schaffen, in denen wir faktisch die Macht ausüben“. ALLTAGSRASSISMUS IN DEUTSCHLAND Holger Apfel, der heute für die NPD im sächsischen Landtag sitzt, sagte 1998: „Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich, wenn es darum geht, dieses System zu bekämpfen.“ Es ist die demokratische Ordnung mit einem ans Recht gebundenen Staat und es sind die Freiheiten für alle Bürger_innen und die Grundprinzipien Toleranz und Menschenwürde, die die Nazis zerstören wollen. Manchen Anhänger_innen der Szene ist diese Richtung vielleicht gar nicht bewusst. Sie werden durch eingängige Kritik am System, einfache Sprüche gegen den Kapitalismus und das Versprechen von Treue, Freundschaft und Kameradschaft angelockt. „Trotz vieler Feinde und viel Ärger bin ich niemals alleine“, so ist beispielsweise in einem Lied der Naziband Oidoxie zu hören. „Denn Kameradschaft ist nicht nur ein Wort.“ Diese so genannte „Kameradschaft, die mehr als Freundschaft ist“, beruht auf der Grundidee, die eigene Gemeinschaft sei höherwertiger als andere Gemeinschaften und müsse vor Anderen geschützt werden. Vor allem die Freien Kameradschaften und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands beschwören in ihren Fanzines und Internetforen den „festen Zusammenhalt“, der nur in ihren „Reihen“ erlebt werden könne. Doch die Realität sieht oft anders aus. Im Januar 2001 lockten in Bernau fünf Nazis einen ihrer Kameraden in eine Falle, traten und prügelten vier Stunden lang auf ihn ein, übergossen ihn mit Benzin und zündeten ihn an. „Er sollte ganz komplett weg, damit es keine Beweise gibt“, so einer der Täter. Das Opfer überlebte mit schwersten Verbrennungen. Motiv der Tat war die Vermutung der Nazis, sie seien bei der Polizei verraten worden. Gewalt auch in den eigenen Reihen ist unter den Nazis, welche Gewalt gegen Feinde und vermeintlich Minderwertige für gerechtfertigt halten, häufig normal. Schon kleinste private Querelen können zu Brutalität in der Gruppe führen, berichten Aussteiger_innen. Sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, so die Sozialwissenschaftlerinnen Kerstin Döhring und Renate Feldmann. Dies sind unliebsame Informationen für diejenigen, die mit dem Mythos der Gemeinschaft politischen Nachwuchs für die Naziszene ködern wollen. Wird Kritik an den Positionen der NPD geäußert, rechtfertigen sich Anhänger_innen oft damit, dass die Partei doch demokratisch und nicht verboten sei. Tatsächlich scheiterte Anfang des Jahrtausends ein Versuch der damaligen Bundesregierung, die NPD als verfassungswidrige Partei zu verbieten. Allerdings ging das Verfahren nicht etwa dadurch schief, dass der NPD nicht nachgewiesen werden konnte, verfassungsfeindlich zu sein. Zu dieser Prüfung kam es gar nicht erst. Das Verbotsverfahren wurde zum Skandal, als der Verdacht aufkam, dass der nordrheinwestfälische Landesverband der NPD durch Mitarbeiter (V-Leute) des Verfassungsschutzes gesteuert wurde. Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes weigerten sich, unter diesen Bedingungen das Verfahren weiterzuführen, da ihrer Meinung nach ein rechtsstaatliches Verbotsverfahren so nicht möglich ist. Die Möglichkeit, die NPD über ein Verbotsverfahren bei ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu stoppen, ist verbaut, solange die Verfassungsschutzleute weiter in der Partei aktiv sind und so eine innere Lebensversicherung der Partei darstellen. 9 Nazi (Abkürzung für Nationalsozialisten) ist eine sehr verbreitete und griffige Bezeichnung für rechtsextrem denkende und handelnde Personen, Initiativen und politische Parteien. Antisemitismus ist die pauschale Ablehnung von Juden und des Judentums aus verschiedenen Motiven und in verschiedenen Ausprägungen. Der Antisemitismus gipfelte im 20. Jh. in der Ermordung von sechs Millionen Menschen im deutschen Nationalsozialismus. Rechtsextremismus ist die auf rassistischer Grundlage basierende Vorstellung von einer sich abgrenzenden völkischen Gemeinschaft, die mit aggressiver Fremdenfeindlichkeit, Verharmlosung und Verherrlichung des Nationalsozialismus und Herabwürdigung demokratischer Einrichtungen einhergeht. 10 ALLTAGSRASSISMUS IN DEUTSCHLAND Neben dieser Pleite für die Behörden muss die starke Einschränkung des Asylrechts im Jahr 1993 als einer der größten Erfolge der Nazis in der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik gesehen werden. Nach rassistischen Überfällen, Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime und einer sich immer mehr fremdenfeindlich aufladenden Stimmung in der Bevölkerung erfolgte mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages der bis dahin tiefste Einschnitt in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Seitdem hat sich die Ausgrenzung von Flüchtlingen bis an die Außengrenzen der Europäischen Union verlagert. Jedes Jahr verunglücken hunderte Flüchtlinge an den immer dichter werdenden Außengrenzen Europas. So schätzte die Flüchtlingsorganisation Pro-Asyl im Jahre 2005 die Zahl der tödlich verunglückten Flüchtlinge in den Jahren 1995 bis 2005 auf 5000 Menschen. Doch auch innerhalb der europäischen Länder existieren für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund Grenzen, die sie ihrer Freiheit berauben. Für Asylsuchende gilt die so genannte Residenzpflicht. Das bedeutet, dass diese Menschen sich nur in der Umgebung aufhalten dürfen, die ihnen per Gesetz vorgeschrieben ist. Bei Asylsuchenden wird schon die Fahrt in eine andere Stadt als Straftat registriert. Verstöße gegen dieses Gesetz werden in den Kriminalstatistiken aufgeführt und treiben so die Zahl der so genannten „kriminellen Ausländer“ in die Höhe. Auf der rechtlichen Ebene werden Asylsuchende zum Beispiel beim Wahlrecht oder dem Recht, einer geregelten Arbeit nachzugehen, benachteiligt. In vielen Regionen Deutschlands erhalten Asylsuchende kein Bargeld, sondern Lebensmittelgutscheine, durch die sie gezwungen Stell dir vor, du würdest kein Wechselgeld bekommen, weil du nach einem Gesetz kein Recht darauf hast! werden, nur in bestimmten Supermärkten einkaufen zu gehen. Da die Lebensmittelgutscheine bis zu einem bestimmten Stichtag eines Monats eingelöst werden müssen und danach verfallen, werden die Asylbewerber am Sparen gehindert. Die Ursachen von Armut und Flucht und die Probleme im sozialen Alltag ausgegrenzter Menschen werden in der Öffentlichkeit, in den Medien und auch in der Bildung weitgehend ausgeblendet. Rechte Publikationen tun dies in ihrem politischen Sinne, doch selbst Medien, die sich selbst nicht als rassistisch bezeichnen würden, tragen mit ihren sensationsorientierten, diskriminierenden und oft sehr einseitigen Artikeln und deren Überschriften dazu bei, Ängste, Ablehnung und Rassismus zu schüren. Statt über Sachverhalte als Problem zu sprechen, werden die Menschen, hier die Flüchtlinge, zum Problem erklärt. Die Ursachen für Flucht, die Entwicklungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das Aufkommen von Diktaturen und religiösem Fundamentalismus oder die Verschärfung der Gegensätze zwischen arm und reich auf der Welt bleiben dabei außerhalb des Blickfelds. MOTIVE VON AUSGRENZUNG 11 robinson der radfahrer Motive von Ausgrenzung „Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil.“ Albert Einstein Die meisten Menschen würden von sich behaupten, dass sie „nichts gegen Ausländer“ haben. Und doch verstecken sich hinter vielen Ausdrücken oder Meinungen diskriminierende Vorurteile. Diskriminierung heißt, Menschen auf Grundlage von Vor- und Fehlurteilen zu benachteiligen. Diese Vor- und Fehlurteile können das Aussehen eines Menschen betreffen, sein Geschlecht, sein Liebesleben, seinen Glauben, seine Weltanschauung, seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung, sein Alter oder seine Behinderungen und Krankheiten. Kein Mensch ist völlig frei von diskriminierenden Verhaltensweisen. Jeder verletzt manchmal ungewollt andere. Ohne sich darüber klar zu werden, kann man dieses Verhalten nicht überwinden. Im Alltag stoßen wir immer wieder auf verschiedene typische Einstellungen und Redensarten über andere, die auf unterschiedliche Gründe für Diskriminierung hindeuten. Diskriminierung (von lat.: discriminare = trennen, unterscheiden) bedeutet eine Ungleichbehandlung von Individuen oder Gruppen . „Die da unten!“ - Radfahrersyndrom Menschen erfahren ihren Alltag in unserer Gesellschaft als einen permanenten Wettbewerb, wie ein Radrennen, in dem nur nach vorn kommt, wer sich stromlinienförmig anpasst, indem er nach oben buckelt und nach unten in die Pedale tritt. Niemand will gerne die oder der Letzte sein, also eine Person, die weniger stark integriert ist und nur wenig Beachtung oder Anerkennung bekommt. Um sich abzusichern, nicht in diese Rolle zurückzutreiben, sorgt man also dafür, dass es immer jemanden gibt, der noch hinter einem steht. „Warum gibst Du Dich mit diesen Leuten ab?“ - Die Angst, selbst anders zu sein Ist eine Person oder Gruppe mit dem Außenseiterstempel versehen, ist es für Einzelne scheinbar gefährlich und unangenehm, sich mit dieser Person oder Gruppe abzugeben und einzulassen. Einerseits erzeugen Vorurteile oft ungerechtfertigte Bedrohungsgefühle und andererseits Angst vor Verlust von Anerkennung im eigenen Umfeld. Für die davon Betroffenen ist es sehr verletzend, wenn sie spüren, dass die anderen ihre Nähe meiden. Faschismus bezeichnete ursprünglich, die von Benito Mussolini in Italien 1922 zur Macht geführte politische Bewegung der Schwarzhemden. Zentrale Elemente der faschistischen Ideologie sind ein diktatorisches politisches System, das massenwirksam agiert sowie das Unterdrücken oder Ausschalten aller Andersdenkenden. 12 MOTIVE VON AUSGRENZUNG „Die haben’s nicht besser verdient!“ - Rechtfertigung von Unrecht Bestimmten Gruppen werden per Vorurteil bestimmte negative Merkmale zugeordnet und diese als weitere Rechtfertigung für gesellschaftliche Diskriminierung benutzt. Rassismus stellt Menschen anderer Hautfarbe z. B. als angeblich dümmer und fauler hin. Wenn solche Menschen dann tatsächlich keinen guten Schulabschluss schaffen und bei der Arbeitssuche benachteiligt sind, wird das nicht mit sozialer Chancenungleichheit in Verbindung gebracht, sondern mit eben diesem Vorurteil begründet. „Dahinter stecken doch die ... !“ - Schuldzuweisungen In der Menschheitsgeschichte wurden oft bestimmte vermeintliche Fremdgruppen für Missstände und Probleme verantwortlich gemacht. Kleinere, wenig wehrhafte Gruppen zu beschuldigen ist wesentlich einfacher, als die Verantwortung selbst zu übernehmen. So kann man sich selbst entlasten, auf Kosten der Anderen. Als Nebeneffekt fügt es die Mitglieder der Gruppe enger zusammen, wenn sie ein gemeinsames Feindbild teilen. Je komplizierter die Probleme sind, desto ausgeklügelter werden auch die Schuldzuweisungen an andere. Das sind dann nicht nur plumpe und simple beleidigende Sätze über andere Menschen, sondern absurde Verschwörungstheorien. „Was geht mich fremdes Elend an?“ - Robinsonmentalität Ganz auf ihr eigenes Leben aus Arbeitssorgen und Freizeitvergnügen ausgerichtet, pflegen viele Menschen ein Inseldenken und konzentrieren sich völlig auf ihre eigenen Angelegenheiten. So besteht bei vielen einfach keine Sorge um die Nöte anderer Menschen. Sie kümmern sich zuerst und ausschließlich um sich selbst. So diskriminieren viele mit Gleichgültigkeit und daraus resultierender Gefühlskälte z. B. kranke und alte Menschen, weil sie keinen Grund sehen, sich mit ihnen zu beschäftigen. „Damit will ich lieber nichts zu tun haben.“ - Verdrängung gesellschaftlicher Probleme Einige Menschen wollen Missstände nicht sehen und sich nicht damit befassen, da diese ihr heiles Weltbild zerstören. Aus diesem Grund schauen viele Leute weg, wenn sie Bettlern oder Alkoholsüchtigen auf der Straße begegnen: Sie wollen nichts von den gesellschaftlichen Problemen wissen. Hinter solchen Verhaltensweisen kann ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein stecken, das aus Unwissenheit über die Gesellschaft und teils mangelnder Identifikation mit ihren Mitgliedern resultieren kann. Der Grund kann aber auch das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit sein, da man spürt, allein und spontan nichts gegen die Missstände unternehmen zu können. Eine Standardforderung besteht dann darin, dass der Staat eingreifen und das Problem lösen müsse. MOTIVE VON AUSGRENZUNG „Die sollen sich benehmen wie unsereins.“ - Gleichmacherei Ein etwas schwieriger nachzuvollziehendes Bestreben des Menschen ist die Vereinheitlichung. Es besteht bei vielen Menschen der Wunsch nach einer gewissen Gleichheit untereinander. Diese Gemeinsamkeit stärkt das Gruppengefühl und vereinfacht das Leben, da es berechenbarer wird. Das Problem dabei ist, dass menschliche Individualität und auch neue, vielleicht bessere, Ideen von dieser Bequemlichkeit unterdrückt werden. Wenn Menschen allein durch ihr irgendwie vorhandenes Anderssein mit Abstand behandelt werden, ist das der Anfang von Ausgrenzung. Diskriminierung wie z. B. Rassismus findet erstens dort statt, wo Ausgrenzung auf Merkmale gründet, die eine Person nicht beeinflussen kann und zweitens dort, wo von Menschen verlangt wird, ihren persönlichen Lebensstil zu ändern, nur weil dieser Lebensstil anders ist. „Die sollen dahin zurück, wo sie herkommen.“ - Ausgrenzung Die Forderung, Menschen sollten am Ort ihrer Herkunft bleiben oder dorthin zurück gehen, beruht auf der falschen Vorstellung, dass Menschen einen natürlichen, nach Herkunft und Hautfarben geordneten Lebensort haben. Das verdrängt völlig die gesellschaftlichen Bedingungen. Menschen verlassen ihren Geburtsort, weil sie nach einem besseren Leben suchen. Oft flüchten sie vor Verfolgung und Unterdrückung, vor Gefahr und Not. Für sie gibt es häufig kein Zurück mehr an den Ort, von dem aus sie aufgebrochen sind. Dies zu fordern, bedeutet, sie an einen Ort zu schicken, wo sie in größter Armut leben und unter Umständen sogar unter Lebensgefahr stehen. Viele Menschen anderer Hautfarbe sind in Deutschland geboren. Die Forderung, sie „zurückzuschicken“, ist nur schwach verhüllter Rassismus. 13 14 GRUNDLAGEN UNSERER GESELLSCHAFT volksgemeinschaft macht einsam Grundlagen unserer Gesellschaft „Die Welt ist ein Dorf.“ Nationalsozialismus (NS) bezeichnet die Ideologie und das Herrschaftssystem der Hitlerbewegung. Kennzeichen waren das Führerprinzip, die Idee der Volksgemeinschaft, ein aggresiver Griff nach der Weltmacht und mörderisches Vernichtungsstreben im Namen des deutschen Volkes. Unter der von 1933 bis 1945 dauernden Herrschaft des NS stürzte Deutschland die Welt in die Barbarei des Zweiten Weltkrieges, wurden sechs Millionen europäischer Jüdinnen und Juden industriell ermordet, Behinderte, Homosexuelle, Sinti und Roma und politische Gegner_innen aller Spektren in den Konzentrationslagern verschleppt und ums Leben gebracht. Zeitzeugen beschrieben den NS als »Kriminalität an der Macht«. Verhaltensmuster und Sichtweisen, wie die eben beschriebenen, hindern uns daran gerecht miteinander umzugehen. Die universellen Menschenrechte sind der Gegenpol zu diesen Diskriminierungen. Der Ort der Geburt, das Aussehen, persönliche Besonderheiten – all dies spielt für die Wahrnehmung von menschlichen Grundrechten keine Rolle. Die Welt rückt durch moderne Kommunikationsformen und durch internationale Wirtschaftsbeziehungen immer enger zusammen. Wir machen die zwingende Erfahrung, gemeinsam auf einem Planeten zu leben und uns nicht von anderen Menschen in anderen Gegenden der Welt abheben zu können, ohne Ungleichheiten und Konflikte zu verursachen. Seitdem z. B. weltweite ökologische Probleme wie die Klimaerwärmung erkannt wurden, wird das immer deutlicher. Ein Blick ins Internet oder in die Fernsehnachrichten zeigt allerdings, dass dies sehr kompliziert ist. Staaten bekriegen sich. Menschen kommen ums Leben, wenn sie heimlich die Grenze zu Europa überqueren wollen, da sie offiziell nicht einreisen und hier leben dürfen. Gemeinschaft und Gesellschaft Eine der grundlegenden Ideen des Nationalsozialismus war und ist die der Volksgemeinschaft. Diese Idee soll zum Ausdruck bringen, dass Menschen eines Volkes eine Einheit bilden sollen und sich näher stehen als dem ausgeschlossenen Rest der Welt. Das hängt sehr eng mit rassistischen und antisemitischen Gedanken zusammen und verschleiert völlig die wirklichen Grundlagen, auf denen gesellschaftliches Miteinander beruht. Im Nahbereich, wie in Familie und Freundeskreis, ist es einfach und alltäglich, sich gemeinschaftlich zu verständigen und Dinge direkt abzumachen. Bei größeren Menschengruppen ist das anders. Wenn du an deine Schule als Ganzes denkst, dann wirst Du merken, dass du von vielen Leuten, die du da triffst, eigentlich nur weißt, dass sie wie du in diese Schule gehen. Du kannst davon ausgehen, dass alle sich mit ähnlichen Problemen beschäftigen und vielleicht dieselben Lehrerinnen und Lehrer haben wie du. Es bestehen also neben persönlichen Beziehungen, viele unpersönliche Beziehungen, die weniger eng sind. Allgemeine gesellschaftliche Regeln, wie die Schulordnung, gibt es, damit auch zwischen Menschen, die sich relativ fremd sind, keine Konflikte auftreten. „Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme“ Die Allgemeingültigkeit gesellschaftlicher Regeln wird da besonders gut sichtbar, wo auch die Menschen, die du nicht kennst, nach Regeln handeln, die du kennst. Du und die anderen halten sich z. B. an die Straßenverkehrsordnung, ohne dass jedes Mal wieder neu abgesprochen GRUNDLAGEN UNSERER GESELLSCHAFT wird, was grünes und rotes Ampellicht bedeutet. Das wäre viel zu umständlich und auch etwas gefährlich für die Verkehrsteilnehmer_innen. Allgemeine Regeln und Bestimmungen werden geschaffen, um das Zusammenleben von Menschen zu organisieren, die sich nicht kennen müssen. Generell ist zu Gesellschaft und ihren Regeln zu sagen, dass sie dann funktionieren, wenn sie gerecht und allgemein sind. Dies macht den großen Unterschied zu Gemeinschaften aus, die sich meist keine allgemeinen Regeln geben können und müssen, weil die gemeinsamen Angelegenheiten direkt und persönlich geklärt werden. Die Idee der Volksgemeinschaft wendet sich gegen den Unterschied zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft. Statt der Aushandlung von Interessen und Regeln zwischen geteilten Gewalten soll eine starke Autorität die Gesellschaft unmittelbar regieren und steuern. In guter Gesellschaft Ein treffender Begriff, der die Diskriminierung von Menschen kritisiert, ist der des Schubladendenkens. Ein Mensch oder eine Gruppe haben irgendwelche Merkmale und werden gedanklich in eine Kiste gepackt. Was das besondere an ihnen und dem, was sie machen ist, geht dabei unter und häufig werden sie deshalb auch völlig falsch einsortiert. Eine wirklich interessante und besondere Beziehung wird zu diesen Menschen solange nicht zustande kommen, wie sie in Gedanken in dieser Schublade bleiben. Das Problem jedes einzelnen Menschen ist aber, dass er zu wenig Zeit hat, um wirklich viele andere Menschen so kennen zu lernen, dass sie nicht mehr in gedankliche Schubladen passen. Das heißt, nicht mit allen Menschen ist Gemeinschaft möglich, aber gute Gesellschaft. Gute Gesellschaft bedeutet, dass es keine ungerechten Schubladen mehr gibt. Schubladendenken in eigener Sache Vor allem die große Schublade „Volksgemeinschaft“ ist heute völlig ungeeignet, verantwortlich mit unseren globalen Problemen umzugehen. Solche Unterscheidungen sind vielmehr eine Ursache für viele unserer Schwierigkeiten. Die Idee einer einheitlichen eigenen Gruppe unterdrückt die Individualität der Einzelnen und ist sehr oft mit Vorurteilen gegenüber den Anderen verbunden. Für die Freiheit, für das Leben - Gleichberechtigung und Demokratie Das Grundgesetz und die EU-Menschenrechtscharta verankern den Gedanken der Gleichberechtigung, der Menschenwürde und der Nichtdiskriminierung in Gesetzestexten. Dies ist nicht zufällig so, sondern das Ergebnis langer Auseinandersetzungen. Ein Beispiel ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert ist. Sie wurde durch die weibliche Emanzipationsbewegung erreicht. 15 Charta der Grundrechte der Europäischen Union Artikel 21 Nichtdiskriminierung (1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten. 16 WICHTIGE KENNZEICHEN DER NAZIIDEOLOGIE Die Freunde der geschlossenen Gesellschaft Wichtige Kennzeichen der Naziideologie Gesellschaftliche Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, die selbst schon Form und Ausdruck von Diskriminierungen sind, sollen nach dem Willen nationalistischer und rechter Politiker_innen mit anderen Formen der Diskriminierung bewältigt werden. Statt auf Gleichberechtigung in einer demokratischen Gesellschaft, setzen sie auf Autorität und Abgrenzung. Rechte Ideen sind durch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gekennzeichnet. Die Gesellschaft wird als Volkskörper betrachtet, aus dem das Fremde auszumerzen ist. Die NPD verbreitet beispielsweise Aufkleber mit dem Bild Kopftuch tragender Frauen und dem Spruch „Gute Heimreise!“. Das religiöse Symbol des Kopftuchs wird als fremdes Symbol gedeutet, das zum Ausschluss führen solle. Die Idee dahinter ist, dass Integration unmöglich sei und bestimmte Menschen, obwohl sie in Deutschland geboren wurden und hier zuhause sind, nicht hier leben dürften. Ein weiteres Hauptkennzeichen des deutschen Rechtsextremismus ist der Antisemitismus. Er tritt unter anderem als Leugnung, Billigung oder sogar Verherrlichung der Massenmorde an Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus auf. Der Zentralrat der Juden wird für seine Forderungen nach Gedenken und Demokratie beschimpft. Antisemitismus tritt auch als Antizionismus, das heißt Ablehnung des Staates Israel, auf. Kritik an Israel dient Antizionisten dazu, dem jüdischen Staat sein Existenzrecht abzusprechen und ihn, wie die Jüdinnen und Juden generell, als universelles Feindbild zu betrachten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn wirtschaftliche Globalisierung nicht als etwas von Menschen Gemachtes begriffen wird, sondern als Angriff von Heuschrecken, die stellvertretend für die Juden stehen, dargestellt wird. Ein anderes hiermit zusammenhängendes Element des deutschen Rechtsextremismus ist der Geschichtsrevisionismus. „Opa war in Ordnung“ ist ein beliebter Slogan, mit dem deutsche Verbrechen und die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg abgewehrt werden sollen. Die angeblich guten Seiten des nationalsozialistischen Staates werden betont. Autoren wie der wegen Holocaustleugnung im Gefängnis sitzende David Irving und Zeitungen wie die „National-Zeitung“ betrieben und betreiben das Geschäft der Umschreibung deutscher Geschichte. Für deutsche Rechtsextremisten spielt der Reichs-Mythos eine zentrale Rolle. Sie nehmen an, es gebe ein Deutsches Reich, das durch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges „verstümmelt“ worden sei und das in seinen Grenzen von 1937 wiederhergestellt werden müsse. WICHTIGE KENNZEICHEN DER NAZIIDEOLOGIE Rechte agieren antidemokratisch, kritisieren Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit. Statt demokratischer Debatten zur Lösung gesellschaftlicher Probleme hoffen sie häufig auf einen „starken Mann“ oder eine starke Gruppe. Ihr Denken geht davon aus, dass der Stärkere sich durchsetzt und diese Autorität so mit dem Volk eins ist. Es ist das nationalsozialistische Führerprinzip, das in dieser Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus immer wieder deutlich wird. In Diskussionen um Justiz und Strafrecht werden häufig Positionen vertreten, die mit den Menschenrechten nicht vereinbar sind. Beispielsweise wird die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Rechte vertreten eine Dekadenz-Theorie, die vom sittlichen Verfall von Kultur und Gesellschaft nach 1945, besonders aber nach 1968, ausgeht. Familie, Kultur, Moral und bürgerliche Tugenden sind demnach überfremdet durch amerikanischen Kulturimperialismus und südeuropäischafrikanisch-asiatische Zuwanderer. Daraus lassen sich vielfältige Verschwörungstheorien konstruieren, denen zufolge angeblich amerikanische oder israelische oder sonstige Mächte das Geschehen in Deutschland bestimmen. 17 18 ORGANISTATIONSFORMEN VON RECHTSEXTREMEN Parteien, Denkzirkel, Kameradschaften Organisationsformen von Rechtsextremen Rechtsextremismus erscheint in unterschiedlichen Formen. Eine Demonstration von so genannten freien Kameradschaften, das Auftauchen von Nazi-CDs im Freundeskreis, Hakenkreuzbilder fürs Handy, Aufkleber der NPD mit rassistischen Sprüchen oder Werbung für Vorträge, die die deutsche Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg leugnen: All dies sind Ereignisse, in denen Rechtsextremismus zum Ausdruck kommt. Mit ihrem Einzug in den sächsischen Landtag 2004 und in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern 2006 hat sich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zur bedeutendsten Organisation des parteiförmigen Rechtsextremismus entwickelt. Das Parteiprogramm basiert auf Rassismus, Nationalismus und der Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes. In Zusammenarbeit mit Kameradschaften bietet die NPD eine Erlebniswelt, die für manche junge Menschen attraktiv erscheint. Sie organisiert Großdemonstrationen, „Familienfeste“, Konzerte und Ferienlager. In der Öffentlichkeit, etwa bei Demonstrationen, tritt sie aggressiv auf. Im Alltag orientiert sie sich eng an den praktischen Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung. Die intellektuelle Neue Rechte greift Ideen der Konservativen Revolution aus der Zeit der Weimarer Republik auf. Im Zentrum steht die Kritik am vermeintlich liberalen Zeitgeist und an sozialistischen Ideen. Sie agiert in Form von Tagungen, kleinen Zirkeln und Zeitschriftenprojekten. Ihre Basis hat sie in Burschenschaften an Hochschulen und in Zeitungen wie der „Jungen Freiheit“. Etwas abseits von Parteistrukturen und intellektuellen Zirkeln bewegt sich das, was sich als rechte Jugendcliquen bezeichnen lässt. Öffentlich auffällig werden diese Gruppen meist dann, wenn sie gewalttätig auftreten. Beobachter gingen lange davon aus, dass gewaltbereiter Rechtsextremismus im Umkreis der rechten Skinheads wurzelt. Doch die rechte Szene hat sich in den letzten Jahren verändert. Freie Kameradschaften und Gruppen „Autonomer Nationalisten“ wurden gegründet. Als freie Kameradschaften bezeichnen sich rechtsextreme Gruppen, die im Unterschied zu Vereinen und Parteien keine gesetzlich definierte Organisationsform haben. Die einzelnen Kameradschaften agieren für sich, sind aber mit anderen Kameradschaften und zum Teil mit der NPD vernetzt. Sie sehen sich als Teil des „Nationalen Widerstandes“ an. Aktionsfelder sind unter anderem der „Kampf um die Straße“, Anti-AntifaArbeit, das heißt die Zusammenstellung von Informationen über politische Gegner_innen, und die Festigung der Ideologie durch Veranstaltungen. Als Autonome Nationalisten bezeichnen sich Nazis, die in ORGANISTATIONSFORMEN VON RECHTSEXTREMEN den traditionellen Inhalten und dem Auftreten der Rechten ihre Bedürfnisse nicht erfüllt sehen. Sie grenzen sich teilweise von der NPD ab und orientieren sich an den Aktionsformen und dem Erscheinungsbild der radikalen linken Szene. Symbole wie das der „Antifaschistischen Aktion“ werden dabei oft nur leicht umgewandelt. Nazis versuchen, auf allen Ebenen offensiv zu wirken und Anschluss an den Mainstream der Gesellschaft zu finden. YouTube- und Handyvideos, Kampagnenwebseiten und die Kommunikation über Internetforen spielen eine herausragende Rolle. Das sich immer weiter etablierende subkulturelle Geschäft mit Musik und Mode hält Kontakt zur politischen Szene und sponsert diese. Auf drei bis vier Säulen Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt entwickelte nach seiner Wahl 1996 eine Drei-Säulen-Strategie. „Der Kampf um die Straße, die Köpfe und die Parlamente“ kann als Versuch gesehen werden die Vormachtstellung der NPD unter den rechten Parteien zu erringen und die anderen genannten Strömungen in die Strategie der Partei zu integrieren. Latschdemo und Fackelzug Der so genannte „Kampf um die Straße“ zielt auf Massenmobilisierung ab. Damit sind zum Beispiel Demonstrationen und Aufmärsche gemeint. Hier arbeitet die NPD immer wieder mit radikalen Kräften aus dem parteiungebundenen Spektrum zusammen. Zum „Kampf um die Straße“ im krassesten Sinne gehört auch die Errichtung sogenannter „national befreiter Zonen“, also die Schaffung von Gebieten und Gegenden, in denen Nazis durch gewalttätigen Alltagsrassismus und das Verfolgen politischer Gegner_innen die Vormacht auf den Straßen ausüben. Der Aufbau von Netzwerken aus Läden, 19 Jugendtreffs und Konzertlocations gehört ebenfalls hierzu. Wurfzettel und Schulhof-CDs Der „Kampf um die Köpfe“ zielt auf eine offensive Verbreitung rechter Ideologie ab. Besonders auffällig ist die so genannte „Wortergreifungsstrategie“. Veranstaltungen anderer Parteien oder Organisationen werden bewusst gestört. Die Schulung von Mitgliedern und Kadern ist ebenso Teil des „Kampfes um die Köpfe“ wie die Publikation von Musik-CDs mit rechtsextremen Inhalten. Als Berater der sächsischen NPD-Landtagsfraktion wurden Vertreter rechtsintellektueller Kreise engagiert. Anfragen und Anträge Der „Kampf um die Parlamente“ zielte zuerst auf Wahlerfolge ab. Nach dem Einzug in die Parlamente versucht die NPD dort die Worthoheit zu erlangen. Die Strategie setzt nicht nur auf die Landtage der Bundesländer, sondern die Partei versucht über die Teilnahme an Kommunalwahlen einen Vertrauensvorschuss bei der Bevölkerung zu erreichen. NPDKommunalpolitiker werden sehr gut geschult. In einigen Bundesländern werden kommunale Vorlagen zentral durch NPD-Berater erarbeitet und dann durch die kommunalen Vertreter eingebracht. Ein Kommunalpolitiker aus Plauen äußerte über den Umgang mit Rechtsextremen im Stadtparlament: „Wir müssen in der etablierten Politik einfach ehrlicher und klarer werden, da wir nur so den Leuten den Boden entziehen können. (...) Wir haben das Problem, unsere eigene Politik besser zu machen und für den Bürger nachvollziehbar zu machen und diese Geschichten ganz klar zu entlarven.“ Die vierte Säule 2004 ergänzte die Partei auf einem Bundesparteitag das Konzept um eine vierte Säule: den »Kampf um den organisierten Willen«. Dies ist Ausdruck ihres Führungsanspruchs im rechtsextremen Spektrum. Anspruch der NPD ist es, sämtliche parteigebundenen und –ungebundenen Kräfte aus dem rechtsextremistischen Spektrum zu bündeln. 20 DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE versteckspiel Dresscodes, Subkultur, Lifestyle, Symbole „Ein Nazi hat kurze Haare, trägt meistens eine Bomberjacke und Kleidung von Lonsdale, Schuhe von New Balance oder Springerstiefel.“ (Gymnasiastin, 18 Jahre, Reichenbach) Diese und ähnliche Antworten werden heute immer noch häufig gegeben, wenn nach dem Bild eines „typischen Rechten“ gefragt wird. Doch gab/gibt es überhaupt äußere Merkmale, die eine eindeutige Zuordnung zu einer politischen Einstellung möglich machen? Das klassische Klischee eines „Nazis“ ist längst überholt. Der Glatzkopf mit Springerstiefeln, weißen Schnürsenkeln und Alpha-Bomberjacke existiert nur noch als Randerscheinung. In der rechten Szene gab es in den letzten Jahren starke Veränderungen in Sachen Trends und Dresscodes. Nazis verzichten immer häufiger auf eindeutige stilistische Abgrenzung zur restlichen Gesellschaft. Zur gegenseitigen Identifizierung nutzen sie oft spezielle Symbole oder andere Zeichen, wie z. B. bestimmte Zahlencodes. Diese machen sie für ihresgleichen erkennbar, transportieren eine eindeutige politische Botschaft und vermitteln ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Wirft man heute einen Blick auf einen Naziaufmarsch, wird deutlich, dass Nazis heute nicht mehr im Einheitslook auftreten. Man sieht Hip-Hopper, Hardcorer und Normalos neben „Autonomen Nationalisten“, die oft schwarze Kapuzenpullover oder auch Che-Guevara-Shirts mit Pali-Tuch tragen. Manchmal läuft sogar Musik von den Ärzten oder Rio Reiser auf ihren Demos. Würde man diesen Menschen im Alltag begegnen, in der Schule oder im Jugendclub, wer würde sie schon sofort als Nazi erkennen? Nazis haben sich also in vielen Jugendkulturen breitgemacht. Die Naziläden und -versände im Internet bieten deshalb nicht nur Springerstiefel und Bomberjacken an, sondern unterschiedlichste Klamottenmarken und -stile. Auch modische Kleidung und Accessoires extra für Mädchen werden immer häufiger. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Denn die Ausbreitung in viele Jugendkulturen macht es der rechtsextremen Szene viel einfacher, mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen und ihr Gedankengut zu verbreiten. Ohne über Politik zu reden können die Nazis so ihre rassistischen Ideen beispielsweise über Liedtexte transportieren. Im Folgenden bekommt ihr eine Übersicht über Codes, Kleidung und Symbole. Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ausführliche Informationen findet ihr unter der Website www.dasversteckspiel.de. DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE 21 Symbole mit nationalsozialistischem Bezug Hakenkreuz Das Hakenkreuz wird auch Swastika oder Sonnenrad genannt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es durch esoterische Gruppen in den deutschen Sprachraum eingeführt und von antisemitischen und völkischen Kreisen, aber auch von der Turnerbewegung aufgegriffen. 1920 ist es zum Symbol des Nationalsozialismus erklärt worden, später auch zum Staatssymbol. Die Fahne des NS-Regimes bestand aus dem schwarzen Hakenkreuz in weißem Kreis auf rotem Grund. Das Rot der Hakenkreuzfahne stand für den vorgeblich „sozialen Gedanken der Bewegung“, während das Weiß den Nationalismus symbolisieren sollte. Die Verwendung des Hakenkreuzes ist auch in abgewandelten Formen verboten. Schwarze Sonne Im Nationalsozialismus diente die Schwarze Sonne, die als ein zwölfarmiges Hakenkreuz oder ein Rad aus zwölf SigRunen gedeutet werden kann, der SS als Sinnbild einer nordisch-heidnischen Religion und eines uralten geheimen Wissens. Heute symbolisiert sie in extrem rechten Kreisen die „Verbundenheit mit der eigenen Art und mit den arteigenen Wertvorstellungen“. Rudolf Heß Rudolf Heß ist eine der Kult- und Märtyrerfiguren der extremen Rechten. Heß war der Stellvertreter Adolf Hitlers in der NSDAP. Er flog 1941 aus eigenem Antrieb nach Schottland, um mit England einen Separatfrieden auszuhandeln und damit einen Zweifrontenkrieg zu verhindern. Dort wurde er inhaftiert und bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 17. August 1987 beging er im alliierten Gefängnis Berlin-Spandau Selbstmord. Dieser wird von den Nazis als „Mord durch die Alliierten“ dargestellt und zur Etablierung eines Märtyrerkultes genutzt. Die alljährlichen Gedenkmärsche und Aktionen zum Todestag von Rudolf Heß sind wichtige Ereignisse der Neonaziszene. Naziversände und Naziläden bieten Bekleidung und Accessoires mit seinem Portrait an. Sein Schlusswort im Nürnberger Prozess „Ich bereue nichts“, mit dem er ein deutliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus abgelegt hat, wird auf Postern oder in Fanzines gern zitiert. STRAFBAR 22 DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE Schwarz-Weiß-Rot Schwarz-Weiß-Rot waren bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die offiziellen Farben des Deutschen Reiches. Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 wurde die Hakenkreuzfahne und die schwarz-weiß-rote Fahne gemeinsam zu Reichsfahnen erklärt. Wenn heute die Farbkombination schwarz-weiß-rot verwandt wird, symbolisiert dies nicht nur die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Vielmehr wird hier auch eine farbliche Annäherung an die Symbolik des Nationalsozialismus vollzogen. Triskele Die Triskele war in ihrer gerundeten Darstellungsform im ehemals keltischen Siedlungsraum weit verbreitet. Die eckige Darstellung ähnelt einem dreiarmigen Hakenkreuz und wird daher von neonazistischen Kreisen entsprechend interpretiert. Die eckige Triskele dient als Organisationskennzeichen der rassistischen südafrikanischen Buren-Organisation Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB) und vom internationalen Neonazi-Skinhead-Netzwerk Blood & Honour. Die Darstellung der Triskele im Zusammenhang mit B&H ist verboten. Embleme und Logos extrem rechter Organisationen Freie Kameradschaften Die regional aktiven Kameradschaften verfügen über keine durchgehend verwendeten Symbole. Schriftzüge auf Kameradschafts-T-Shirts bestehen meist aus dem Wort Kameradschaft und dem Herkunftsort. Sie sind häufig in Frakturschrift gehalten und werden manchmal ergänzt durch die Darstellung einer schwarzen Fahne. Oft werden in den Namenskürzeln deutliche Bezüge zum NS hergestellt, so z. B. beim Selbstschutz Sachsen-Anhalt (SS-SA), bei den verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) oder beim Nibelungensturm (NS) aus Südhessen. Der Schriftzug „Frei – Sozial – National“ ist eindeutig dem Kameradschaftsspektrum zuzuordnen. Neuerdings werden massiv Stil und Symbolik von linken Gruppierungen übernommen und abgewandelt. „Autonome Nationalisten“ treten beispielsweise mit dem verfälschten Symbol der Antifaschistischen Aktion auf. DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE 23 Blood & Honour - B&H Blood & Honour ist ein internationales Netzwerk von Neonazi-Skinheads. Als Symbol dient unter anderem die Triskele. Ins Deutsche übersetzt bedeutet es „Blut und Ehre“. Diese Worte greifen einerseits den auf den Fahrtenmessern der Hitlerjugend eingravierten Sinnspruch auf. Andererseits stellen sie einen Bezug zu den antisemitischen Nürnberger Rassegesetzen her, die ausführlich „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ hießen. Die deutsche Division dieser Naziorganisation wurde im September 2000 verboten, besteht aber weiterhin. Schwerpunkt der B&H-Aktivitäten in Deutschland waren und sind die Durchführung von Rechtsrock-Konzerten sowie die Produktion und der Vertrieb illegaler Musik. Mit B&H eng verbunden sind zahlreiche Bands, Labels, Versände und Ladengeschäfte. STRAFBAR Combat 18 - C18 Combat 18, oder kurz C18, gilt als „bewaffneter Arm“ von Blood & Honour. C18 ist ein internationales Neonazi-Netzwerk mit Schwerpunkten in England und Skandinavien, besitzt aber auch Anhänger in Deutschland. Als Symbol wird der SS-Totenkopf verwendet. Bekleidungsstücke mit der Aufschrift C18 bzw. Combat 18 werden vor allem als T-Shirts von extrem rechten Versänden vertrieben. Jugendkulturelle Codes 88 Die 8 steht für den achten Buchstaben im Alphabet, das „H“. Somit steht 88 für „Heil Hitler!“. Der Zahlencode findet sich unter anderem auf T-Shirts, Aufnähern, Fahnen oder Emblemen und ist häufig Bestandteil von Band- und Organisationsnamen, wie z. B. Chaos 88 oder Skinheads Chemnitz 88. Die Ziffer ist, oft zusätzlich eingerahmt von einem Lorbeerkranz, auch als Brustemblem auf Polohemden zu finden und wird häufig als Grußformel in Briefen benutzt. 18 18 steht für den ersten und achten Buchstaben: AH, die Initialien von Adolf Hitler. Die Zahlenkombination findet man beispielsweise in den Namen der Organisation Combat 18 und der Band Sturm 18. 24 28 DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE 28 Seit dem Verbot der Organisation Blood & Honour (B&H) im September 2000 wird die 28 als Synonym für B&H verwendet. Anstelle des ursprünglichen und inzwischen verbotenen Schriftzuges wird nun der entsprechende Zahlencode benutzt. Beispiele: „28 - ihr könnt uns nicht verbieten“, „28 Supporter“ (B&H Unterstützer) Zahlencodes Zahlencodes sind eine beliebte Verschlüsselung für strafrechtlich relevante Begriffe, Grußformeln oder Organisationszeichen. Sie werden in einer Vielzahl von T-Shirt-Motiven, Emblemen, Gruppen- und Bandnamen verwendet. Dabei stehen die Zahlen synonym für die entsprechenden Buchstaben im Alphabet. Neben gebräuchlichen Codes wie „88“, „18“ oder „28“ werden seltener auch „19/8“ für „Sieg Heil!“ oder „19/19“ für „SS“ verwendet. 14 Words ist die Abkürzung für den aus 14 Worten bestehenden Satz: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ („Wir müssen die Existenz unseres Volkes und auch die Zukunft unserer weißen Kinder sichern.“). Dieses Zitat ist das Glaubensbekenntnis des US-amerikanischen Neonazis David Lane, der Mitglied der terroristischen Organisation The Order war. Die 14 Words werden häufig als Grußformel genutzt und finden Verwendung in Liedtexten, als T-Shirt-Aufdruck, Aufnäher, Schmuck, Jackenembleme und auf CD-Cover. Beliebt ist auch, die 14 mit der 88 zu kombinieren, u. a. als Autokennzeichen. Keltenkreuz Das Keltenkreuz dient in der rechtsextremen Szene weltweit als Symbol für die „Vormachtstellung der weißen Rasse“ und gilt gemeinhin als White-Power-Zeichen. Häufig wird in Schriftzügen der Buchstabe „O“ durch das Einfügen eines Kreuzes zum Keltenkreuz verfremdet. Kategorie C - KC In der polizeilichen Einstufung von Fußballanhängern werden Fans (meist Hooligans) aus dem stets gewaltbereiten Spektrum als Personen der Kategorie C bezeichnet. Der Begriff ist in der Hooliganszene populär und findet zum Teil auch Gebrauch unter Neonazis, die damit ihre Gewaltbereitschaft ausdrücken wollen. Kategorie C ist in verschiedenen Varianten, teilweise von Neonazis, als Marke eingetragen. Die Bremer Hooligan-Band Kategorie C - Hungrige Wölfe verfügt über enge Kontakte in die Neonaziszene und ist dort sehr beliebt. DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE 25 Skrewdriver war eine international bekannte neonazistische Musikgruppe aus Großbritannien. Der Sänger Ian Stuart Donaldson gründete die Blood & Honour-Bewegung und starb 1993 bei einem Autounfall. Seitdem gilt er als Märtyrer und „Held der Bewegung“. Der Schriftzug findet sich auf Shirts, Pullovern und anderen Kleidungsstücken wieder. Landser war eine Naziband aus Berlin, die 2005 als erste Musikgruppe zur kriminellen Vereinigungen erklärt und verboten wurde. Der Schriftzug mit eindeutigem Bezug zur Band ist daher strafbar. STRAFBAR White Power - WP bedeutet übersetzt „Weiße Macht“ und wird im Sinne von „weißer Vorherrschaft“ oder „weißer Vormachtstellung“ verwendet. White Power ist einer der Schlüsselbegriffe und meistgebrauchten Slogans der neonazistischen Skinhead-Szene weltweit. Selbstbezeichnungen als White-Power-Bewegung, White-Power-Skinheads und White-Power-Musik (für den Rechtsrock) sind allgegenwärtig. Die White-Power-Faust, meist in Kombination mit dem Schriftzug White Power (wobei die Faust gewöhnlich zwischen den beiden Wörtern platziert ist), gehört neben dem Keltenkreuz zu den beliebtesten Symbolen im neonazistischen Spektrum und findet als T-Shirt-Aufdruck, Aufnäher und Anstecker Verwendung. ZOG Die Abkürzung für Zionist Occupied Government bedeutet übersetzt „zionistisch besetzte Regierung“ und wird in der Neonaziszene als Code für die wahnhafte Idee einer „jüdischen Weltverschwörung“ gebraucht. Neonazis behaupten, dass Juden die Regierung Deutschlands und anderer Staaten der Welt steuern. Der Begriff ZOG wurde von rechtsterroristischen Gruppen geprägt. Seine Verwendung in Sprühereien, Schriften und Liedtexten steht meist im Zusammenhang mit dem Aufruf, den Kampf gegen ZOG auf einer terroristischen Ebene zu führen. Motive, die den Code ZOG beinhalten, zeigen meist Abbildungen und Symboliken eines hasserfüllten Antisemitismus und sind in Deutschland überwiegend strafrechtlich relevant. ZOG 26 DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE Lonsdale war lange Zeit populär in der rechten Szene, weil bei halb geöffneter Jacke auf T-Shirts und Pullovern „NSDA“ zu lesen ist und man sich das „P“ nur noch dazu denken musste. Die Firma distanzierte sich in der Öffentlichkeit jedoch davon eine Nazimarke zu sein und rief die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ ins Leben. Außerdem sponsorte Lonsdale 2005 das schwul/lesbische Straßenfest „Christopher Street Day“ in Köln. Im Gegenzug riefen Nazis zum Boykott der Firma auf. Consdaple Die Marke CONSDAPLE ist bei Neonazis beliebt, weil sie so die Buchstabenkombination NSDAP ungestraft tragen können. Dabei handelt es sich um eine bewußte Falschschreibung des englischen Wortes Constable, das übersetzt Schutzmann bedeutet. Die von Neonazis entworfene CONSDAPLE-Bekleidung wird nur in neonazistischen Läden verkauft. Der Betreiber des rechtsextremen Patria-Versandes aus Landshut brachte die Marke auf den Markt, nachdem LONSDALE seinen Liefervertrag gekündigt hatte. Masterrace Europe Ins Deutsche übersetzt bedeutet die Marke „Herrenrasse Europa“. Die mit dem Aufdruck versehenen Jogginghosen, TShirts und Pullover werden ausschließlich in neonazistischen Läden und Versänden verkauft. Patriot Diese Bekleidungsmarke hat Base-Caps, Aufnäher, Aufkleber, Anstecker, Jacken, T-Shirts und Pullover im Angebot. Sie wird nur über neonazistische Geschäfte und den gleichnamigen extrem rechten Versand vertrieben. Dobermann Streetwear, Pitbull, Troublemaker Die Markennamen bringen bewusst Aggressivität zum Ausdruck und sind deshalb in der Hooligan- und Neonaziszene verbreitet. ALTES LOGO ZUM TEIL STRAFBAR Thor Steinar - TS Thor Steinar ist eine Bekleidungsmarke, die ausgehend vom brandenburgischen Königs Wusterhausen mittlerweile bundesweit in der rechtsextremen Szene über deren Versände und Ladengeschäfte verbreitet wird. Bezüge zum germanisch/heidnischen bestehen durch die Verwendung von Namen wie Asgard („Sitz der Götter“) und Thor. Ende 2004 geriet diese Marke jedoch zunehmend unter juristischen Druck. Die Grundlage hierfür war eine Ähnlichkeit des Logos mit Symbolen verbotener Organisationen aus dem Nationalsozialismus. Nach diesem kurzen Rückschlag ist Thor Steinar DRESSCODES, SUBKULTUR, LIFESTYLE, SYMBOLE seit Anfang 2005 mit neuem Logo wieder bundesweit zu haben. Auch das neue Logo stellt eine Rune dar, die allerdings im Nationalsozialismus keine Verwendung fand. Thor Steinar ist in vielen normalen Ladengeschäften und Bekleidungsketten weiterhin erhältlich, obwohl im Zuge der juristischen Auseinandersetzungen um diese Marke ein rechter Hintergrund mehr als deutlich wurde. 27 NEUES LOGO Alpha Industries Das Logo der Firma ähnelt dem verbotenen Logo der SA und ist deswegen in der Szene beliebt. Rizist Mit Schriftzügen und Logos im Graffiti-Style versucht die Marke Rizist, Kunden am rechten Rand für sich zu gewinnen. Die über Naziläden und -versände vertriebenen Kleidungsstücke richten sich an HipHopper und Skater. Neben den szenetypischen weiten Jeans sind diverse T-Shirts und Windbreaker im Angebot. H8wear, Pro-Violence und Sportfrei Diese relativ neuen Marken entstammen dem Umfeld mehrerer organisierter Neonazis aus Norddeutschland. Sie springen auf die Erfolgswelle von Thor Steinar auf und geben sich unpolitisch. Während sich Sportfrei und Pro-Violence an die (rechte) Hooliganszene richtet, sind die Adressaten von H8wear Anhänger von Hardcoremusik. Die Marken sind über Naziversände und Ladengeschäfte erhältlich. Die Macher von Pro-Violence sind in der Magdeburger Hooliganszene zu Hause und sponsern mit ihren Kleidungsstücken oftmals Ordnerdienste von Neonazi-Aufmärschen und Konzerten. Auch in diversen Läden aus dem Rockermilieu der Hells Angels sind diese Marken erhältlich, was die Kundenbasis und die Verbreitung dieser Labels noch erhöht. Mehr dazu findet ihr in der Broschüre »Das Versteckspiel«, als Download unter: www.dasversteckspiel.de 28 “ DIE SUBKULTUR DER NAZIS eine jugend rebelliert”? Die Subkultur der Nazis Neben der bestehenden Mainstreamkultur einer Gesellschaft existieren immer auch Kulturen, die sich von dieser abgrenzen. Oft sind es die jungen Generationen, die den Wandel von Kultur, Werten und Traditionen vorantreiben. Über Sub- oder Gegenkultur wird die bestehende Kultur in Frage gestellt oder sogar völlig abgelehnt. Dennoch ist eine Subkultur immer auch Teil der Gesellschaft. Verschiedene Jugend- oder Subkulturen werden auch Szenen oder Cliquen genannt. Oft stoßen Eigenheiten, wie Kleidung, Sprache, Musik oder Szenecodes einer Subkultur auf Unverständnis bei der breiten Masse. Diese Merkmale dienen der Abgrenzung zu anderen Szenen und der Identifizierung mit der eigenen Szene. Oft wird der gesamte Alltag der Angehörigen einer Subkultur durch diese bestimmt. Alles dreht sich nur um eine bestimmte Musik, einen bestimmten Lifestyle oder einen bestimmten Sport. Auch eine Meinung oder Ideologie kann als Abgrenzungsmerkmal einer Subkultur dienen. Oft ist es das Ausgegrenztsein, der Reiz des Verbotenen oder die Ächtung durch die Gesellschaft, die eine Subkultur für Beteiligte interessant macht. Die Nazisubkultur verbindet dabei Ideologie mit einem modischen Lifestyle und schafft damit Anknüpfungspunkte für Unentschlossene und Mitläufer. Dabei ist der Gemeinschaftscharakter von zentraler Bedeutung. In manchen Gegenden Sachsens, meist ländlich geprägte Regionen, gibt es keine anderen Jugendkulturen als die der Rechten. Neonazis sind oft dort erfolgreich, wo es keine alternativen Jugendkulturen gibt. Aus Angst vor Ausgrenzung schließen sich Jugendliche deshalb der dominanten Jugendkultur der Nazis an. Die Sächsische Schweiz beispielsweise wurde jahrelang von Nazis terrorisiert. Jeglicher Versuch, dort eine alternative Jugendkultur zu etablieren, wurde seitens der Nazis mit Gewalt unterbunden. Auch der Landkreis Mittweida, die Oberlausitz oder die ostthüringische Region um Altenburg sind Beispiele dieser Entwicklung. Lifestyle im Wandel Wo früher die martialisch gekleideten Skinheads die rechte Subkultur bestimmten, stehen heute sportlich gekleidete Nazis, denen man ihr rechtes Gedankengut oft nicht mehr ansieht. Bezeichnend steht hierfür die Klamottenmarke „Thor Steinar“. Diese Marke ermöglicht es den Aktivisten der extremen Rechten, sich vergleichsweise stilvoll zu kleiden, ohne dabei auf völkische Symbolik verzichten zu müssen. Diese ist jedoch so codiert, dass sie die Anhänger und Symphatisanten der eigenen Szene entschlüsseln können. So verwendete „Thor Steinar“ den Schriftzug „Ultima Thule“ als Anspielung auf eine Rechtsrockband aus Schweden und die rassistische und okkulte Thule-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Oft werden bestehende Jugendkulturen oder bestimmte DIE SUBKULTUR DER NAZIS Teile davon unterwandert und mit einer rechten Ideologie versehen. Es werden sogar Codes, Symbole und Musik von eher linken Jugendkulturen übernommen, ohne dabei in Konflikt mit der eigenen Ideologie zu geraten. Aktuell ist davon die Hardcoreszene sowie der deutsche HipHop betroffen. Aber auch lokale Treffpunkte werden von Nazis okkupiert und Andersdenkende verdrängt. Nazis finden sich in der örtlichen Disko, wie auch beim lokalen Fußballspiel oder des nachts an der Tankstelle oder der örtlichen Bushaltestelle. Sport und Männlichkeit Männerdomänen wie Fußball oder Kampfsport bilden für die rechte Ideologie eine perfekte Möglichkeit, um Nachwuchs zu rekrutieren. Im Vordergrund stehen vermeintlich männliche Eigenschaften wie Kraft, Mut und Härte. So wurden bei der Freefightveranstaltung „Fight Club“ in Sachsen die Kämpfer oft mit „Sieg Heil!“-Rufen oder „Juden raus!“ begrüßt. Besonders in ostdeutschen Fußballstadien kommt es immer wieder zu rassistischen Übergrif- 29 fen und antisemitischen Parolen. Dabei dominieren Nazis und rechte Hooligans nicht selten die Fanszenen. Musik und Konzerte Musik und der Hauch des Verbotenen und „Unangepassten“ dienen vor allem als Einstiegsdroge für junge Menschen. Mit den von Nazis beherrschten Subkulturen sollen rechte Inhalte vermittelt werden. Es gibt eine Vielzahl von Bands aus den verschiedensten Musikrichtungen. Das Spektrum reicht dabei vom klassischen Rechtsrock über Darkwave, Nationalsozialistischen Black Metal (NSBM) und NS Hardcore bzw. Hatecore bis hin zum Techno oder Hip Hop. Die oft geheim veranstalteten Konzerte sind neben Demonstrationen überregionale Treffpunkte der Nazis. Per Brief, SMS oder E-Mail werden Schleusungspunkte für Konzerte angegeben, selten werden Veranstaltungen mit Flyern beworben. Relativ neu sind die offiziell angemeldeten Konzerte und Familienfeste der NPD, welche den rechten Bands eine Auftrittsmöglichkeit im öffentlichen Raum bietet und Konzerte vor Auflösung durch die Polizei schützen soll. Teilnehmer_innen von Neonazidemonstrationen am 16. September 2006 in Plauen (Foto links) und am 1. Mai 2006 in Leipzig (Fotos mitte und rechts) 30 URSACHEN RECHTER EINSTELLUNGEN Zum Nazi werden, kann das jeder? Ursachen rechter Einstellungen Natürlich wird ein Mensch nicht aus heiterem Himmel zum Neonazi, er wird auch so nicht geboren. Es gibt aber eine Vielzahl von Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen und fördern können. Ein Grund allein reicht nicht aus, um das Entstehen einer rechten und rechtsextremen Gesinnung zu erklären. Wir können euch leider auch keine exakte und umfassende Erklärung liefern. Das kann vermutlich niemand. Es gibt in der Wissenschaft, in der Politik und auf vielen anderen Ebenen verschiedene Erklärungsansätze. Diese haben wir kurz für euch zusammengefasst. Wahrnehmung Oft hängt es z. B. damit zusammen, wie stark sich ein Mensch seiner eigenen Entwicklung, seiner eigenen Verantwortung und den Geschehnissen um sich herum bewusst ist. Es ist natürlich schwer Antworten und Lösungsansätze zu finden, während unsere Welt immer schneller und komplizierter wird. Neonazis nutzen das aus. Einige von euch haben es in den Gesprächen richtig formuliert: „Jugendliche haben keine Arbeit, suchen Anschluss. Die Nazis überzeugen durch einfache Erklärungen. Die Rechten liefern eben leichte Antworten auf schwere Fragen. Die NPD spielt auch ziemlich mit den Ängsten der Menschen.“ (Jugendlicher aus Plauen) Soziale Situation und die Familie „Die soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit und die aktuelle Politik, von der diese ausgeht, ist bereits schon ein Anfang für Rechtsradikalismus. Mir ist aufgefallen, dass in den Gymnasien in Sachsen wirklich kaum Leute sind, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, aber in Mittelschulen und Hauptschulen ist die Zahl halt wesentlich höher.“ (Schülerin aus Reichenbach) Andere Ursachen sind in der eigenen Familie zu suchen, also ein Mangel an Vertrauen, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Zuneigung. Befinden sich Familien dann noch zusätzlich in einer schwierigen sozialen Lage könnte es passieren, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr ausreichend unterstützen oder ihnen zu wenig Aufmerksamkeit geben können. Doch dürfen wir nicht verallgemeinern. Denn genauso gibt es rechte Jugendliche und Neonazis mit gefestigter rechter Ideologie, die aus Familien kommen, wo es soziale Probleme nicht gibt. Auch eine gute Ausbildung schützt nicht davor, zum Neonazi zu werden. Oft wird es in den Familien versäumt, miteinander über diese Problematik offen und immer wieder zu sprechen. Verschärfend kommt hinzu, dass manche Eltern selbst rechte Einstellungen haben und somit als negatives Vorbild auf ihre Kinder einwirken. URSACHEN RECHTER EINSTELLUNGEN Der eigene Freundeskreis und die fehlenden und unattraktiven Alternativen Jeder von uns sucht in irgendeiner Weise Menschen, mit denen wir unsere Meinung und Interessen teilen können. Die Suche nach Anschluss und Anerkennung ist für uns als soziale Wesen eine ganz normale Eigenschaft. Problematisch wird es dann, wenn Jugendliche in ihrer Umgebung wie Wohnumfeld oder Schule nur aus dem Gefühl heraus zu einer Gruppe dazugehören wollen, egal welche Meinung dort vertreten wird. Nicht selten schließen sich Jugendliche aber auch rechten Gruppen an, aus der Angst heraus bedroht, zu werden. Aus manchen „Mitläufern“ können so aktive Mitglieder rechtsextremer Gruppen werden. Rechte Ideologien können sich mit der Zeit immer stärker verfestigen und konkretisieren und machen einen Ausstieg aus diesen Gruppen immer schwerer. Die Neonazi-Subkultur bietet Vorbilder, nach denen Jugendliche in der Erwachsenenwelt vergeblich suchen. In Gesprächen habt ihr uns gesagt: „Es liegt am Freundeskreis, an den Eltern und an den Personen, mit denen die Jugendlichen rumhängen.“ Mangelnde Aufklärung unterstützt die Neugierde. In Bezug auf das gute Ankommen der so genannten SchulhofCD der NPD bei den jungen Leuten meint der Schulleiter der Berufsschule Plauen: „Da ist eben die Gefahr, dass diese Medien sehr geschickt gemacht sind und Rechte wahrnehmen, dass Jugendliche durch diese Neugierde gleichzeitig mit dem Gedankengut infiltriert werden“. Neonazis und NPD versuchen intensiv, junge Leute an sich zu binden und sie für ihre Konzepte zu rekrutieren. Schon Kinder sollen dafür geschult und an die rechtsextreme Ideologie herangeführt werden. So z. B in der „Heimattreuen deutschen Jugend“ (HDJ). Dieser Verband organisiert Zeltlager und Ausfahrten für Kinder und Jugendliche. Neonazis und Rechtsextreme schaffen eine eigene Lebenswelt. Dadurch geben sie jungen Leuten ein Gefühl von Aufgehobensein und Akzeptanz. Klamotten, Musik und Internet sowie Aktionen und Events wie (illegale) Konzerte und Demos vermitteln und verfestigen ein rechtes Identitätsbild. Die führenden Köpfe der Neonaziszene sind sich der Bedürfnisse von Jugendlichen bewusst und nutzen gezielt den Mangel an Alternativen für ihre politischen und ideologischen Zwecke aus. Wo Langeweile und Perspektivlosigkeit herrscht, haben Nazis leichtes Spiel. Ein Mitglied des Jugendparlaments meinte dazu: „Gründe bei Jugendlichen sind nicht unbedingt die Arbeitslosigkeit, sondern auch Langeweile und Schließung von Jugendclubs. Es ist die Perspektivlosigkeit. In den Dörfern mangelt es an alternativen Gruppierungen. Es fehlt eine Gegenkultur. Wenn man nur die Alternative hat, allein rumzuhängen oder sich einer vorhandenen Gruppe anzuschließen, dann fällt die Entscheidung nicht schwer.“ 31 32 RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND vor ort Rechte Strukturen im Vogtland Um euch einen Überblick über die rechtsextremen Strukturen in Plauen und in den verschiedenen Regionen des Vogtlandes geben zu können, haben wir zahlreiche Interviews, die wir mit Schülern, Jugendlichen des Jugendparlaments und Mitarbeiter_innen der Mobilen Jugendarbeit in Plauen führten. Was geht in Plauen? „In Plauen ist eher latenter Rechtsextremismus und Rassismus vorhanden, im Vogtland ist Rechtsextremismus schon viel tiefer in den Köpfen drin.“ (junger Antifaschist aus Plauen) Als unterdurchschnittlich bis durchschnittlich bezeichnete ein Mitarbeiter vom Verfassungsschutz die rechtsextremen Strukturen in der Stadt Plauen in einem Zeitungsartikel vom 3. März 2006. Was sagt uns ein Begriff wie „durchschnittlich“ überhaupt? Als durchschnittlich wird im Allgemeinen ein normaler Zustand beschrieben. Gehören somit Rechtsextreme und das, was sie tun, zum normalen gesellschaftlichen Alltag? Aus der Perspektive ihrer Opfer sieht es sicher anders aus. Menschen anderer Herkunft oder Jugendliche, die mit Nazis nichts zu tun haben wollen, machen viel öfter negative Erfahrungen mit Rechtsextremen. In den Interviews mit einigen Menschen aus der Stadt Plauen wurde uns gesagt, dass Plauen noch recht tolerant und offen sei, was jedoch von den Opfern so nicht geteilt wird. Mehrmals betont wurden auch die alternativen und demokratischen Strukturen, die sich dem Auftreten der Rechten entgegen stellen. Darunter zählen die alternativen Wohn- und Kulturprojekte wie zum Beispiel die „Kaffeerösterei“, das „Malzhaus“, der „Schuldenberg“, das aktive Jugendparlament, der Fanclub des FVC Plauen und vor allem engagierte Einzelpersonen. RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Rechtsextreme Gruppen Mit dem brutalen Überfall der Nazigruppierung „Jungsturm Plauen“ auf die „Kaffeerösterei“ im Dezember 2005 wurde offensichtlich, dass die Stadt mit dem Problem Rechtsextremismus konfrontiert ist. Die ca. 20 Personen, die dieser Gruppe zugerechnet wurden, waren im Vorfeld des Überfalls bereits mehrfach durch ihre Aggressivität, Pöbeleien und gewalttätigen Übergriffe auf Andersdenkende auffällig geworden. Seit Anfang 2006 hat sich die Situation bezüglich der rechten Gewalt, die von dieser Gruppe ausging, wieder beruhigt. Der „Jungsturm Plauen“ existiert zwar weiterhin, tritt jedoch aufgrund von Strafverfolgung und Wegzug einiger Mitglieder nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Parteistruktur Mit dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag 2004 verstärkten sich die Aktivitäten der Partei in der Stadt. In Plauen wählten neun Prozent der Bürger_innen die so genannten „Nationaldemokraten“. Eine führende Rolle bei dieser Entwicklung seit den 90er Jahren spielte Bernd Grett, der in Plauen eine Fahrschule betreibt. Er war lange Zeit Vorsitzender der NPD Vogtland. Im „Treffer“, einer Kneipe am Vogtland-Klinikum Plauen, finden regelmäßige Zusammenkünfte der Anhänger_innen und Sympathisant_innen der Partei statt. Die Öffentlichkeit nahm diese Zusammenkünfte bisher kaum als Treffen der extremen Rechten wahr. 33 „Unsere Kinder sind die Zukunft - Ländliche Schulen erhalten“ oder „Gegen Sozialabbau - Für soziale Gerechtigkeit“ lauteten 2007 Veranstaltungstitel der NPD. Die Themen waren bewusst gewählt, um soziale Inhalte aufzugreifen. Die Argumentation wird mit rassistischen Forderungen verbunden und passt gut zur Volksgemeinschaftsideologie der Nazis. Beispielsweise wird der Ausschluss von Einwandererkindern aus den Kindergärten und Schulen oder „Arbeitsplätze nur für Deutsche“ gefordert. Mittels Infoständen oder Briefkastenaktionen warb die Partei für sich. An mehreren Schulen in Plauen und im Vogtland versuchte die NPD, die so genannte Schulhof-CD zu verteilen. Rechter Stuff Im Szeneladen „Der Clou“ wird seit 2005 alles für den rechtsextremen Lifestyle verkauft. Das Geschäft bietet neben einigen unpolitischen Oi!-Bands vor allem CDs von Rechtsrock- und Hatecore-Bands an. CDs rechtsextremer Foto rechts: »Braune Teufel Vogtland« Foto mitte: NPD-Vorsitzender Udo Voigt am 12. Oktober 2007 in Plauen Foto links: Naziladen »Der Clou« in Plauen 34 RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Gruppen wie „Skrewdriver“ finden sich im Sortiment des Ladens wieder. Dazu gibt es Klamotten von Thor Steinar, Hatewear, Bandshirts sowie Shirts mit der Aufschrift „Todesstrafe für Kinderschänder“. Im Geschäft werden zudem Fanzines mit rechtsextremen Inhalten verkauft und Flyer auf dem Tresen bewerben die neuesten Konzerte und Veranstaltungen der extremen Rechten. Der Ball ist rund... Auch in Plauen wird der Fußball von Rechtsextremen als Plattform zur Verbreitung ihres braunen Weltbildes missbraucht. Es gibt in der Stadt zwei Fanclubs, „Ultras“ und „Sektion Süd“, mit etwa zwanzig rechtsextremen Anhängern. Ihre Meinung zeigen sie mit dem Tragen von „good night left side“-T-Shirts und Thor Steinar-Klamotten. Rechte Gewalt in Plauen Die Chronik zu den rechten Vorfällen der Jahre 2005 bis 2007 von AMAL ist abrufbar unter: www.amal-sachsen.de oder www.public-warning.de „Ja, in der Stadt kommt es schon mal vor, dass jemand von Rechten verprügelt wird.“ (Jugendlicher aus Plauen, 16 Jahre) In den Jahren 2005 bis 2007 ereigneten sich in der Stadt Plauen nach den Informationen der Chronik des Opferberatungsvereins AMAL 16 Vorfälle und Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. »Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage« - Hufeland-Mittelschule in Plauen Zur Situation an den Schulen in Plauen Vielleicht habt ihr von den bisher beschriebenen Strukturen noch nicht viel gehört. Dennoch ist dieses Thema auch an eurer Schule präsent. Die Interviews mit einigen Schülern aus unterschiedlichen Klassen und Schulen konnten uns interessante Einblicke zum Schulalltag sowie zum Thema Rassismus und Rechtsextremismus liefern. Wir haben einen unserer erwachsenen Interviewpartner gebeten eine allgemeine Einschätzung zu den Schulen in Plauen zu geben. In diesem Interview kamen wir vor allem auf eine Schule zu sprechen, in der wir uns bereits vorher mit einem Schüler unterhalten hatten. Die Antworten aus den Gesprächen haben wir teilweise gekürzt und zusammengefasst abgedruckt. RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Interview mit einem Mitarbeiter des Fanforums VFC Plauen: Kannst du uns zu der Schule A etwas sagen? „Diese Schule liegt im Stadtteil B, wo die meisten rechten Leute wohnen und wo auch die Kneipen größtenteils voll sind mit Leuten rechter Gesinnung. Man muss wirklich aufpassen, wo man in diesem Stadtteil hingeht. Ich will es nicht dramatisieren. Man kann sich da sehen lassen ohne dass man niedergeprügelt wird, aber man muss wirklich aufpassen, wo man hingeht und was man sagt. Und dort befindet sich eben auch die A-Schule. Da kriegen es die Schüler auch gleich mit und glauben leider auch, was ihnen in ihrem Viertel vorgegaukelt wird.“ Wie drückt sich das aus? Gab es dort schon mal Überfälle von Rechten auf linke oder ausländische Schüler oder auch Vorfälle wie Schmierereien? „Pöbeleien und Schmierereien gibt es auf jeden Fall. Gewaltdelikte gegen Ausländer oder Andersdenkende sind mir nicht bekannt, mehr jedoch diese psychische Gewalt und der Druck auf die Menschen. Wir hatten mal einen Schüler, einen Iraker oder Iraner, der zu uns zur Beratung kam und sagte, dass er von den Schülern in seiner Klasse belästigt wird und so nicht mehr lernen kann.“ Interview mit einem 15-jährigen Schüler und einer 15jährigen Schülerin aus der Schule A: Gibt es an eurer Schule und in eurer Klasse unterschiedliche politische Meinungen? Junge: „Ja, es gibt rechtsradikale Ausdrücke von manchen Schülern. Sie sind rechts aus Langeweile. In meiner Klasse gibt’s da ein, zwei rechts eingestellte Schüler.” Und was sagen die? Junge: „‚Sieg Heil!‘ und heben immer die rechte Hand. Sie beleidigen halt die Ausländer, so wie mich halt und noch einen aus der Klasse. Es sind nur ein paar. Das passiert dann in der Pause oder im Sportunterricht.“ Machen die das heimlich oder kriegen das eure Lehrer mit? Junge: „Das kriegen die überhaupt nicht mit.“ Wie denkst du selbst über Ausländer? Mädchen: „Die sind nicht schlimm. Es gibt zwar welche, die aggressiv sind, aber man kann mit ihnen auskommen.“ Wisst ihr, welche Musik die Rechten hier hören, unterhalten die sich mal darüber? Junge: „Ja, Landser.“ Sprecht ihr in eurer Schule über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Neonazis und Gewalt? Mädchen: „Ja in manchen Fächern, wie in Geschichte oder in Deutsch.” Junge: „Ja, in Geschichte.” 35 36 RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Wie verlaufen da solche Diskussionen, sagen da auch die Rechten irgendwas dazu? Junge: „Die lachen nur dreckig. Einer aus unserer Klasse malt immer schwarz, weiß rote Flaggen auf sein Hausaufgabenheft und der lacht halt immer.“ Und wie reagieren die Lehrer darauf? Junge: „Die sehen das nicht.“ Teilnehmer einer Neonazidemonstration am 16. September 2006 in Plauen Eine Schülerin, 15 Jahre alt, aus einer anderen Schule, die sich besonders gegen Rassimus stark macht, meinte zu der Frage, wie sehr sie über Rassimus und Rechtsextremismus Bescheid weiß, folgendes. „Direkt wissen wir darüber nicht viel. Es gibt manchmal so Neigungen, die auf verschiedene Richtungen hinweisen, wenn wir das Thema Schwarze haben oder so. Da kommen dann blöde Bemerkungen. Klar, man macht sich manchmal über die Leute lustig.“ Und was geht im Vogtland? Die rechtsextreme Szene in Reichenbach und Mylau konzentriert sich um den Naziladen „Ragnarök“ und seinen Betreiber David Köckert. Das „Ragnarök“ wurde im April 2003 in Reichenbach eröffnet und zog ein Jahr später nach Mylau um. In dem Laden können sich nicht nur Rechtsextreme mit einschlägigen Kleidungsstücken, Accessoires und Tonträgern ausstaffieren, er dient auch als wichtiger Treffpunkt der gesamten vogtländischen Neonaziszene. Der einschlägig vorbestrafte Ladenbetreiber Köckert ist einer der führenden Figuren der „Braunen Teufel Vogtland“ und organisierte seit 2001 bereits zahlreiche Konzerte mit Rechtsrockbands aus ganz Deutschland. Mit dabei war zumeist die Reichenbacher Neonazi-Band „Haftbefehl“. Auf der mittlerweile abgeschalteten Website der Band waren lange Zeit Hakenkreuzfahne und Hitlergruß zu sehen und die Band beschrieb sich selbst als Nationalsozialisten. 2005 wurde der Gitarrist der Band wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einem Jahr Haft verurteilt. Zum engsten Umfeld Köckerts und der Band „Haftbefehl“ gehört die Kameradschaft „Braune Teufel Vogtland“, die in der Öffentlichkeit vor allem unter dem Namen „Alcoholocaust“ bekannt wurde. Ursprünglich war sie ein zusammengewürfelter Haufen von neonazistischen Skinheads aus dem vogtländischen Raum, die sich samstagabends an der Tankstelle trafen und sich auf Feiern in den umliegenden Dörfern prügelten. Später organisierten und RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Mitglieder der Kameradschaft »Braune Teufel« am 16. September 2007 in Plauen politisierten sie sich stärker und knüpften enge Kontakte zu Neonazi-Kameradschaften in Sachsen, Thüringen und Bayern. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem seit 2003 jährlich stattfindenden Fußballturnier im Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu, zu dem bis zu 60 Neonazis anreisen. Darüber hinaus nehmen die „Brauen Teufel“ aber auch gemeinsam an überregionalen Demonstrationen der NPD und des Kameradschaftsspektrums teil, so zuletzt Anfang Dezember 2007 in Berlin-Rudow, oder organisieren Ausflüge wie beispielsweise zur ehemaligen SS-Ordenburg Wewelsburg in Westfalen. So verbinden sie „Spaß“ und Freizeitkultur mit knallharter nazistischer Politik und wollen für ein „freies und weißes Deutschland kämpfen“. In der Region um Eibenstock und Auerbach gibt es momentan keine organisierten rechtsextremen Strukturen. Allerdings bietet der Naziladen „Consdaple“ in Rodewisch auch hier eine Anlaufstelle. Junge Rechte aus dem Vogtland und dem westlichen Erzgebirge können sich ebenso in Zwickau einkleiden. Im „The Last Resort Shop“ finden sie unter anderem rechte Streetwear wie „Thor Steinar“ und andere in der Szene beliebte Modemarken sowie Rechtsrock. Während eines deutschlandweiten Aktionstages gegen „Thor Steinar“ am 15. Dezember 2007 versammelten sich ca. 130 Neonazis, rechte Hooligans und ihr Umfeld vor dem Laden, um ihn vor einem vermeintlichen Übergriff zu schützen. Dies zeigt, wie stark der Laden um die Betreiber_innen in der rechtsextremen Szene in Zwickau und Umgebung verankert ist. Das »Ragnarök« in Mylau wurde bei Protesten 2005 zugemauert. 37 38 RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND In der Stadt Zwickau werden Rechtsextreme verstärkt politisch aktiv. Seit Mitte der 90er Jahre existiert hier ein Kreisverband der NPD. Der Kreisvorsitzende Peter Klose sitzt seit 2006 auch für die NPD im sächsischen Landtag. Dort fiel er aber bislang nur dadurch auf, das der Gerichtsvollzieher rund 1000 Euro von Kloses Diäten pfändete. Der Großteil der Schulden waren nicht gezahlte Hundesteuern für den inzwischen verstorbenen Schäferhund Adolf. Klose betreibt in Zwickau ein NPD-Wahlkreisbüro, das als Treffpunkt der rechtsextremen Szene dient. Die Eröffnung war für den 20. April 2007 geplant, den 118. Geburtstag Adolf Hitlers. Der Termin musste zwar nach Eingreifen des NPD-Fraktionschefs Holger Apfel verschoben werden, doch ließ es sich Klose nicht nehmen, zum „Führergeburtstag“ zumindest eine „Fahne des Deutschen Reiches“ aus seinem Wohnzimmerfenster wehen zu lassen. Das „Bürgerbüro“ wurde daraufhin am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, eröffnet. Das auch dieser Termin nicht zufällig gewählt wurde, zeigt das Motto der Veranstaltung „Wir feiern nicht, wir eröffnen!“. Auffälliger agiert seit kurzem eine Gruppe junger Neonazis, die sich zu den „Autonomen Nationalisten“ zählen und in der „NS-Hatecore“-Szene aktiv sind. Ihr Anführer Daniel P. wurde im Januar 2008 vor dem Amtsgericht Zwickau wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Laut Auffassung des Gerichtes hatte er versucht, bei einer Demonstration am 1. Mai 2007 in Zeitz einem Polizisten vor die Brust zu treten oder an- Teilnehmer_innen einer Nazidemonstration in Jena am 18. August 2007 zuspringen. Die bekennenden Nazis beteiligen sich mit Sprüchen wie „Nationaler Sozialismus jetzt!“ regelmäßig an den Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau und Hartz IV, organisieren eigene Demonstrationen und fahren gemeinsam zu Aktionen in Sachsen und angrenzenden Regionen. Dabei sind sie eng mit ähnlichen Strukturen aus Sachsen und Ostthüringen verwoben, die sich um die Webseiten „Freies Netz“ gruppieren. Zum Teil distanzieren sich diese „Freien Kräfte“ von der NPD, um an anderer Stelle wiederum eng mit der Partei zusammenzuarbeiten. RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Politik wollen Neonazis auch im thüringischen Teil des Vogtlandes machen. Einer der auffälligsten Schläger der Kameradschaft „Braune Teufel“ und des „Greizer Jungsturmes“ war Norman Wilkens aus Greiz. Die Verbundenheit mit der Kameradschaft zeigt sein großes Tattoo an der linken Halsseite, welches mehrere „Teufel“ tragen. Wegen eines Brandanschlags auf das AsylbewerberInnenheim in Greiz-Irchwitz am 30. Januar 2003, dem 70. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung, wurde er als einer der beiden Haupttäter wegen versuchter schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung zu 4 Jahren Haft verurteilt. Dies qualifiziert ihn offenbar dazu, kurz nach seiner Haftentlassung im April 2007 das Amt des stellvertretenden Kreisvorsitzenden des neugegründeten NPD-Kreisverbandes Greiz zu übernehmen. Zusammen mit seinen „Kameraden“ organisiert er vor allem NPDInfostände, Sonnenwendfeiern und seit vorigem Jahr das so genannte Familienfest der NPD in Greiz. Bei der Veran- staltung unter dem irreführenden Motto „Unsere Kinder sind die Zukunft“ handelt es sich um ein überregionales Treffen von NPD und freien Kameradschaften aus Bayern, Sachsen und Thüringen, bei dem im Juli 2007 mehrere Redner, der Neonazi-Liedermacher Maximilian Lemke aus Jena und die Band „Braune Brüder“ vor etwa 100 Zuschauer_innen auftraten. Die Neonazi-Band „Braune Brüder“ mit Mitgliedern aus Hof, Wunsiedel und Umland besteht seit August 2005 und ist die „Hausband“ des neonazistischen „Kameradschaftsbundes Hochfranken“, der engste Beziehungen ins Vogtland unterhält. Der im Jahr 2006 von den Kameradschaften Wunsiedel und Hof gegründete Zusammenschluss gehört zu den aktivsten Neonazi-Kameradschaften in Bayern und folgt dem Trend, vermehrt mit politischer Arbeit an die Öffentlichkeit zu gehen. Er organisiert Veranstaltungen insbesondere für Jugendliche wie Wanderungen, Zeltlager, Konzerte mit Rechtsrockbands und Liedermachern sowie politische Schulungen. Außerdem gab er im Sommer 2007 eine eigene kostenlose „Schulhof-CD“ unter dem Titel „60 Minuten Musik gegen 60 Jahre Umerziehung“ heraus. Nach Beurteilung der Staatsanwaltschaft München in Übereinstimmung mit anderen Generalstaatsanwaltschaften ist mindestens eines der 21 Lieder strafrechtlich relevant, da es den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Auch die „Braunen Brüder“ steuerten zwei Lieder bei. Auf ihrer 2006 ebenfalls beim Chemnitzer Neonazilabel „PC-Records“ veröffentlichten CD „Land ohne Teilnehmer_innen einer Nazidemonstration in Zwickau 39 40 RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND Freiheit“ werden zum Beispiel „Wunsiedel“, „Rudolf Heß“ und „Deutsche Landser“ besungen. Seit 2006 erscheint das rechtsextreme Blättchen „Blickpunkt-Vogtland“, das in einer Auflage von 20.000 Exemplaren im Dreiländereck Sachsen, Thüringen und Bayern kostenlos verteilt wird. Offiziell ein unabhängiges Organ, wird es, wie die weitgehend inhaltsgleichen Schwesterprojekte „Wartburgkreisbote“ und „Rennsteigbote“, maßgeblich von jungen NPD-Aktivist_innen aus Thüringen erstellt. Die drei Regionalzeitungen werden zusammen mit der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ in einer Druckerei in der litauischen Hauptstadt Vilnius hergestellt. Verteilt werden die Zeitungen dann in kleinen Stückzahlen von örtlichen Anhänger_innen der Neonaziszene. Die Themen sind in erster Linie lokal ausgerichtet. So geht es häufig um Schulschließungen, Panikmache wegen ausländischen Schüler_innen, Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Drogen und Gesundheitspolitik - Themen, die in jüngster Zeit von der NPD gern aufgegriffen werden. Daneben wird auch Werbung für Neonazi-Seiten im Internet oder Ankündigungen von Veranstaltungen wie Demonstrationen etc. abgedruckt. Der rechtsextreme »Blickpunkt Vogtland« erscheint im Dreiländereck Sachsen, Thüringen und Bayern RECHTE STRUKTUREN IM VOGTLAND 41 Teilnehmer_innen einer Nazidemonstration in Zwickau 42 RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE erfahrung mit rassismus, ja natürlich Rassismus und rechte Gewalt aus der Opferperspektive Interview mit einem Asylbewerber aus dem Flüchtlingsheim in Plauen In den Gesprächen haben wir euch gefragt, ob ihr in der Schule über die Situation von Flüchtlingen und die Ursachen von Armut und Flucht sprecht. Darauf bekamen wir nicht eine Antwort, die das bestätigen konnte: „In der Schule sprechen wir nicht direkt darüber. Wenn man eine Freundin hat, dann fragt man schon mal nach, warum die her gekommen ist, durch Krieg, das kann bei uns ja auch jederzeit passieren.“ (Schülerin aus Plauen) Deshalb möchten wir euch in diesem Abschnitt die Sichtweise von Menschen näher bringen, die beinahe täglich mit Rassismus, Ausgrenzung oder gar körperlicher Gewalt leben müssen. So werden z. B. Flüchtlinge in zweifacher Hinsicht Opfer. Sie müssen ihre Heimat verlassen, da es dort aus verschiedenen Gründen nicht mehr sicher ist oder sie kaum noch Perspektiven für ihr Leben sehen. Erreichen die Flüchtlinge dann die Grenzen Europas werden sie oft nicht nur Opfer von rassistischen Pöbeleien, feindlichen Blicken oder gar rechter Gewalttaten, sondern auch Opfer von Willkür, Diskriminierung und Rassismus durch staatliche Behörden. Wie verlief die Anreise? Auf welche Schwierigkeiten sind Sie gestoßen und was sind ihre Erfahrungen mit den deutschen Behörden? „Ich habe den Irak im Jahre 2000 verlassen, über den Iran, die Türkei und dann nach Deutschland. Es war eine sehr schwierige Situation, habe oft im Park geschlafen, in Griechenland, in der Türkei. 2001 hab ich einen Asylantrag in Deutschland gestellt und ein Jahr später die Ablehnung vom Verwaltungsgericht Chemnitz erhalten.” Was sind die Gründe, warum Sie hier nach Deutschland gekommen sind? „Das sind viele Gründe, wie z. B. die politische Situation und wegen dem Krieg.“ Wie fühlen Sie sich hier und wie reagieren die Mitmenschen in Plauen auf Sie? „Ich fühle mich hier sehr schlecht. Ich bin seit 7 Jahren in Deutschland und darf nicht arbeiten. Ich erstelle immer wieder Asylantrag, doch erhalte keine Antwort. Ich soll warten, aber wie lange noch? Die meisten Menschen in Plauen können Ausländer nicht gut leiden. Ich kann nicht sagen, dass alle Ausländer gute Menschen sind, überall gibt’s sol- RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE che und solche. In der Straßenbahn hat beispielsweise eine Frau bemerkt, dass ich Ausländer bin und hat sofort ihre Tasche fester gehalten, weil sie dachte, ich klaue etwas. Als mein Urlaubsschein einmal drei Tage ungültig war und die Polizei mich erwischt hat, sollte ich 350 Euro Strafe zahlen oder 200 Arbeitsstunden ableisten. Wenn ich das nicht mache, geh ich in den Knast. Dieses Gesetz der „räumlichen Beschränkung“ habe ich nur in Deutschland gesehen. Aber das gilt noch nicht mal außerhalb von Plauen, nur eben für die Stadt. Wenn ich ins nächste Dorf will, bekomme ich eine Strafe. In die Diskothek dürfen Ausländer nicht rein, das sagen die uns direkt ins Gesicht. Wir wollen keine Probleme machen, wir denken an unsere Zukunft. In meinem Land hab ich genug Probleme.“ 43 will bei Übergriffen durch Rechtsextreme oft nicht helfen oder kommt nicht so schnell.“ Sind Sie oder andere, die in diesem Heim leben, schon einmal Opfer von rechter Gewalt geworden? „Ja, natürlich. Ich hatte Probleme mit einem rechtsextremen Mann und einer Frau in der Straßenbahn im Juli 2003. Ich kannte ihn und wusste, dass er ein Rechter war. Er sagte zu mir: ’Ihr Scheiß-Ausländer, ihr sollt hier raus, ihr nehmt uns die Arbeit weg und ihr lebt auf unsere Kosten.’ Ich sagte:, Bitte lass mich in Ruhe, ich will keine Probleme haben.’ Er hat mit der Schlägerei angefangen und ich hab mich verteidigt, was soll ich machen? Die anderen Menschen in der Straßenbahn haben nichts getan. Beim Gericht sagen sie zu mir, wenn es immer zu Problemen kommt, wenn dich jemand beleidigt, dann geh einfach vorbei, oder fragen, warum ich überhaupt draußen umherlaufen muss. Die Polizei Stell dir vor, das wäre dein Flur. 44 RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE Hier im Heim, gibt es da etwas, was Sie kritisieren würden? „Ich bin seit 7 Jahren hier. Hatte lange kein eigenes Zimmer, aber manchmal braucht man Ruhe, manchmal will ich frei haben, man will etwas lernen. Wenn man lange in diesem Heim wohnt, dann hat man viele Probleme, von Heimat, Deutschland und den Gesetzen. Man wird müde und irgendwann kann ich nicht mehr nachdenken. Hier im Heim sagen sie mir, du sollst in die Schule gehen, das ist gut für deine Zukunft. Ich frage, wer bezahlt die Fahrkarte für die Straßenbahn und sie sagen ‚Du sollst das bezahlen, das ist deine Zukunft’- Aber wie mit zehn Euro im Monat? Sie sagen, du bist jung, du kannst 6, 7 Haltestellen laufen. Und im Winter?“ „Wenn ein Ausländer in unsere Heimat kommt, dann wissen wir, wir müssen Respekt haben.“ Interview mit zwei Punks vom „Tunnel“ in Plauen, Tim (16) und Max (19). Welche Erfahrungen hast du mit Neonazis bisher gemacht? Bist du schon einmal angepöbelt oder gar geschlagen worden? Gibt es Freunde, die betroffen waren? Max: „Ich bin wegen solchen schon mal fast gestorben. Ich hab nen Baseballschläger übern Kopf gekriegt. Da war ich knapp 17 Jahre. Ein Freund kam durch Zufall vorbeigelaufen und hat mich in meiner Blutlache bewusstlos liegend aufgefunden und mich dann zum Krankenhaus geschleppt. Ne Anzeige hab ich nicht gemacht, weil ich’s nie beweisen konnte, wer’s war.“ Tim: „Ja, im Bus, nachts halt. Auf die Fresse gab´s auch schon mal...musst dich halt wehren.“ Passieren diese Vorfälle hier in Plauen öfter und von wem geht das aus? Tim: „In letzter Zeit nicht so, aber wenn man sich in bestimmten Gegenden aufhält, wie in bestimmten Diskotheken, dann gibt’s schon mal Stress oder so. Hauptsächlich geht das von den Faschos aus. Das fängt mit zulappen an und wenn man nichts zurücksagt, gibt’s was auf die Fresse wenn man was zurücksagt aber auch.“ Wie reagieren Erwachsene, wie z. B. Eltern, Lehrer, Polizei oder andere Bürger deiner Meinung nach auf Neonazis und rechte Gewalt, mischen die sich ein? Max: Eigentlich gar nicht, die gucken halt bloß zu, wenn jemand am Boden liegt oder rennen weg. Es ist selten, dass jemand eingreift. Die Opferberatung Interview mit AMAL-Sachsen Wie wichtig die Darstellung und die Verbreitung der Erfahrungen von Opfern rechter und rechtsextremer Gewalttaten sind, zeigt uns auch das Gespräch mit einem Mitarbeiter der ehemaligen Opferberatungsstelle AMAL-Sachsen, das wir für euch im Folgenden dokumentieren. Wie kam es dazu, ein Projekt wie AMAL ins Leben zu rufen und unter welchen Bedingungen habt ihr eure Arbeit begonnen? „Im Jahre 2000 startete die rot- grüne Bundesregierung den RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE Aufruf ‚Aufstand der Anständigen‘. Konkret entstanden viele Programme und Initiativen, die das Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit finanziell besser unterstützen sollten. AMAL konnte somit im Sommer 2001 seine Arbeit aufnehmen. In dieser Zeit kam es auch immer wieder zu rechtsextremen Übergriffen, die ein intensiveres Handeln notwendig machten.“ öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung. Besonders wichtig war die Arbeit vor allem in den ländlichen Regionen und dort kontinuierlich präsent zu sein. Erst dort konnten wir das Ausmaß von rassistischen Einstellungen und rechter Gewalt erkennen und wahrnehmen, wie hoch die Dunkelziffer in diesen Bereichen sein muss.“ Wie arbeitet ihr konkret, welche Tätigkeiten bestimmten eure Arbeit? „Unsere Arbeit war in drei Hauptbereiche aufgeteilt. Der erste betraf die psychosoziale Ebene. Dabei ging es vor allem darum, über das traumatisch Erlebte zu sprechen und bei Bedarf an speziell professionalisierte Stellen zu vermitteln. Der zweite Bereich beinhaltete die Unterstützung im Strafverfahren. Die Opfer erhielten u. a. Hilfe und Begleitung bei der Erstattung von Anzeigen bei der Polizei und bei Zeugenaussagen in Gerichtsverfahren. Der dritte Bereich umfasste alles, was der Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet werden kann, wie Pressemitteilungen zu Übergriffen, zum Verlauf und Ausgang von Hauptverhandlungen oder Aufrufe zur Auffindung von Zeugen und zu Spenden und Solidarität.“ Wie werden rechte und rechtsextreme Aktivitäten und Gewalt von der Gesellschaft wahrgenommen? „Unsere Erfahrung ist, dass die Sensibilität umso höher ist, je extremer die Vorfälle sind. Fremdenfeindliche und rassistische Fälle, die in einen größeren gesellschaftlichen Hintergrund einzuordnen sind, werden größtenteils, wenn überhaupt, nur als Randnotiz wahrgenommen. So entsteht der Eindruck, dass das Problem Rechtsextremismus und rechte Gewalt zum normalen Alltag dazugehört. Grundsätzlich ist die Wahrnehmung für das Problem Rechtsextremismus konjunkturbedingt. Das bedeutet, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema an die Diskussionen und Entscheidungen auf politischer Machtebene gebunden ist und wie stark und in welcher Weise das von den Medien aufgenommen wird.“ Warum ist es wichtig, die Situation und Perspektive Betroffener in den Mittelpunkt zu stellen? „Rechtsextremismus äußert sich auch immer gewaltförmig. Deshalb ist Unterstützung für die Opfer besonders wichtig, denn das prägt auch immer das gesellschaftliche Bild. Rechtsextremismus ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Deshalb ist konkrete Hilfe für die Opfer auch so wichtig und bedarf einer Was sind eurer Meinung nach die Gründe dafür, dass jemand rechte und rechtsextreme Einstellungen entwickelt? „Da gibt es verschiedene Ansätze, die zu Erklärungen hinzugezogen werden müssen. Zum einen ist die rechte Gewalt nur das ‚Wasser auf den Mühlen‘. Die aktuelle Flüchtlingspolitik spielt diesen Menschen in die Hände. Zum anderen sehe ich Erklärungen in den aktuellen politischen 45 46 RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE Konzepten, wie der Sicherheitspolitik, die von den etablierten Parteien vertreten werden. Diese Konzepte sind rechte Konzepte, die die Freiheit der Bürger einschränken. Für den Staat, für die Gemeinschaft sollen wir unsere individuellen Persönlichkeitsrechte aufgeben und uns dem Kollektiv unterordnen. Diese rechten Ansätze vertreten die Nazis auch, eben nur extremer. Rechte Konzepte, wie die Sicherheitspolitik, stellen alle Menschen unter Generalverdacht und bewegen sich weg von Liberalisierung und Individualisierung. Freiheit wird in diesen Ansätzen nicht als Gewinn gesehen. Menschen, die dieses Obrigkeits- und Hörigkeitsdenken verinnerlicht haben, haben nur wenig bis gar keine Erfahrung damit, dass es möglich ist, mit nur ganz wenig Hierarchie und selbstbestimmt zu leben. Potentiale, die jedoch in vielen gesellschaftlichen Bereichen bestehen, können nicht freigesetzt werden und unterliegen einer starken Kontrolle. Vielen Menschen fehlen also die Erfahrung und der Mut, ihr Leben sozial, politisch und wirtschaftlich selbst zu regeln. Nazis können hier anknüpfen. Sie liefern einfache Weltbilder, die eben für die Mehrheit der Bevölkerung einfach zu verstehen sind. Doch die Welt ist nicht einfach, sondern sehr komplex.“ Wie würdet ihr die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Deutschland beschreiben? „Die Lage für die Menschen in den Flüchtlingsheimen ist eher ernüchternd. Die Zahlen der Asylsuchenden sind in den letzten Jahren aufgrund der derzeitigen Flüchtlingspolitik gesunken. Was für die Flüchtlinge getan wird, ist miserabel. Neben ihrem ungeklärten Aufenthaltsstatus, der fehlenden Perspektive, kommen zusätzlich physische und psychische Gewalterfahrungen an den Grenzen und in den Ankunftsländern dazu. Sie spüren jeden Tag, dass sie hier nicht willkommen sind. Dies zeigt sich auch in Umfragen zu den Einstellungen gegenüber Menschen anderer Herkunft. In unserer Arbeit, vor allem in den ländlichen Regionen, haben wir erst einmal das krasse Ausmaß erkennen müssen. Mit einer anderen Herkunft fällst du dort gnadenlos auf. Je geringer der Ausländeranteil in einer Region ist, so unsere Erfahrung, desto weniger ist die Gesellschaft dort offen für die Integration dieser Menschen. Das hängt mit der wenigen Erfahrung zusammen. Wenn ich nur ganz wenige Ausländer oder sogar überhaupt keine kenne, dann kann ich auch keine positiven Erfahrungen machen und bin mehr für negative Vorurteile anfällig.“ Wie sieht die aktuelle Situation für AMAL aus? „Sehr schlecht. Denn im Sommer 2007 wurde uns von der Staatskanzlei nahe gelegt, wir sollen unsere Strukturen so ändern, dass Gelder eingespart werden können. Der Antrag für eine weitere Förderung wurde abgelehnt. Das bedeutet ab dem Jahre 2008 das Aus für AMAL bzw. für die Professionalität unserer Arbeit. Nun sind wir dabei, noch offene Fälle abzuschließen, uns bei den Menschen zu verabschieden und unsere Strukturen aufzulösen. Für die Zukunft bedeutet das den Einbruch für die Opferarbeit im ländlichen Raum. Zukünftige Statistiken zu rechtsextremen Vorfällen und Gewalttaten werden zwangsläufig zurückgehen, da die Ressourcen für eine intensive Recherchearbeit und die Betreuung der Opfer nicht ausreichen. Ehrenamtliche Arbeit kann dies alles nicht ausgleichen. Ein Projekt wie AMAL nicht weiter zu unterstützen, ist auch immer an die Beschlüsse RASSISMUS UND RECHTE GEWALT AUS DER OPFERPERSPEKTIVE politischer Entscheidungsträger, wie die der aktuellen Landesregierung, gebunden.“ Was möchtet ihr jungen Leuten zu der Problematik der Opfer rechter Gewalttaten mit auf den Weg geben? „Jugendliche können selbst helfen und erfahren auch Unterstützung und Solidarisierung. Wichtig ist zu merken, dass niemand mit dem erlebten Unrecht allein gelassen wird. 47 Stellt euch als Zeugen zur Verfügung oder erstattet Anzeige, wenn ihr etwas beobachtet. Positive Veränderungen in der Gesellschaft hängen davon ab, wie sehr sich jeder einzelne und zusammen in einer Gruppe engagiert. Das heißt also, nicht nur meckern, sondern es besser zu machen und mit anzupacken. Auch wenn´s zunächst nur unzureichend wirkt, solltet ihr euch auf gar keinen Fall zurückfallen lassen.“ mit freundlicher Genehmigung von TOM 48 ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE UND GEGENSTRATEGIEN was kannst du tun? Allgemeine Handlungshinweise und Gegenstrategien Anlaufstellen Opferhilfe Sachsen e.V. Äußere Reichenbacher Str. 3 08529 Plauen Tel.: 03741 300 64 99 [email protected] www.opferhilfe-sachsen.de AMAL - Hilfe für Betroffene rechter Gewalt Bautzener Str. 20 02826 Görlitz Tel.: 03581 878 583 [email protected] www.amal-sachsen.de (Derzeit ist AMAL stark von Spenden abhängig, da die Förderung durch den Freistaat Sachsen trotz positiver Ergebnisse eingestellt wurde) Jede_r einzelne trägt eine große Verantwortung, wenn es um den Umgang mit der extremen Rechten geht. Im Alltag gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich mit diesem Thema theoretisch sowie praktisch auseinander zu setzen. Wir möchten im Teil „Gegenstrategien“ darüber informieren, was man als Einzelperson oder als Gruppe gegen rechtsextreme Erscheinungen tun kann und wie ihr vorbeugend rechtsextremes Gedankengut eindämmen könnt. Dafür haben wir viele Vorschläge und Anregungen verarbeitet, die ihr uns selbst in Interviews gegeben habt. Stell dir vor, du sitzt im Bus. Neonazis kommen auf dich zu und während du den ersten schmerzhaften Fausthieb im Gesicht spürst, bleibt es still. Keiner tut auch nur irgendetwas... „Es klatscht gleich ...“ - Was tun bei Angriffen? Wenn ihr beobachtet, wie eine oder mehrere Personen von Einzelnen oder einer Gruppe bedroht, belästigt oder angegriffen werden, schaut nicht weg. Schätzt ab, inwieweit ihr bereit seid, euch selbst mit einzumischen oder in Gefahr zu bringen. Seid nicht allzu leichtsinnig! Ruft die Polizei! Schildert möglichst genau den Vorgang, fordert Hilfe an und erstattet Anzeige. Versucht euch so gut es geht die Täter einzuprägen. Das ist wichtig, wenn ihr später vielleicht eine Personenbeschreibung machen müsst. Lasst euch den Namen des diensthabenden Beamten nennen, falls es im Nachhinein Probleme geben sollte. Sprecht andere Passant_innen direkt an. Sie können helfen und später noch wichtige Zeugen sein. Zeigt den Opfern, dass ihr bereit seid zu helfen. Ein sofortiges, couragiertes Eingreifen kann vielleicht schlimmeres verhindern. Solltet ihr selbst Opfer eines Angriffs geworden sein, sprecht mit euren Eltern und Freunden darüber. Geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Beschreibt die Täter so genau wie möglich und besteht darauf, dass eurer Anzeige nachgegangen wird. Anzeige erstatten? „Da hab ich kein Vertrauen. Die helfen mir ja doch nicht, weil ich nicht beweisen kann, wer’s war oder sagen noch gegen mich aus“. (Jugendlicher aus Plauen) Findet ihr in eurer Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis keine Vertrauensperson, könnt ihr euch an eine Beratungsstelle, wie die Opferhilfe Sachsen e.V. oder AMAL e.V. wenden. Dort wird dir garantiert geholfen und wenn ihr wollt, werdet ihr dort auch anonym betreut. Diese Beratungsstellen vermitteln bei Bedarf auch rechtliche Hilfe. Scheut euch also nicht, diese Angebote zu nutzen. Neben dieser Form des Aktivwerdens gibt es noch viele andere Möglichkeiten, die wir mit eurer Hilfe zusammengefasst haben. ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE UND GEGENSTRATEGIEN 49 Verweise Politik muss interessanter werden! „Politik, das ist langweilig, trocken, nur rumsitzen, es gibt keine Ergebnisse.“ Diese und ähnliche Antworten hörten wir häufiger in Gesprächen mit Jugendlichen über die bisher praktizierte Politik der Erwachsenenwelt. Wichtig ist, dass Jugendliche selbst die Möglichkeit bekommen müssen, an Politik teilzunehmen, um das Bewusstsein für politische Diskussionen und Entscheidungsfindungen zu stärken. Was fehlt, sind Alternativen zum bisherigen etablierten politischen Handeln. Politik für Kinder und Jugendliche sollte daher direkt, lebensnah und interessant sein. Die Einrichtungen von Jugendparlamenten, in denen Jugendliche gleichberechtigt zu Erwachsenen aktiv und direkt an der Politik in ihrer eigenen Stadt mitentscheiden können, ist enorm wichtig, um junge Menschen für dieses scheinbar trockene Themenfeld zu interessieren und zu gewinnen. Die Verantwortung der Familie Zum Geburtstag? Das neue Thor Steinar-Shirt sponsored by Mutti! Eltern sollten öfter und gewissenhafter hinsehen, was ihre Kinder in ihrer Freizeit unternehmen, mit wem sie unterwegs sind und was sie für Klamotten tragen. Eltern sind nicht gleich uncool, nur weil sie mal eine Frage stellen. Vielleicht habt ihr auch Geschwister, die plötzlich auf Thor Steinar stehen oder die neueste Hatecore-Scheibe von ihren Kumpels ausgeliehen haben. Ein Gespräch darüber tut erstmal keinem weh und vielleicht wissen mache gar nicht, was sie da auf einmal anhaben und -hören. In dem Fall ist es wichtig, darüber zu informieren und darüber zu reden. Wenn ihr merkt, dass doch mehr dahintersteckt als reine Unwissenheit, zeigt ihnen diese Broschüre oder schaut euch zusammen mal einen Film an. Redet offen über Rassismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus und zeigt auf, dass sowas alles andere als cool ist. „Viele schauen einfach nur weg. Eltern sollten drauf schauen, mit wem ihre Kinder verkehren bzw. aus welchen Gründen die solche Meinung haben. Vielen Eltern ist es egal, was ihre Kinder machen, dass sie auf ein rechtes Konzi gehen. Vielleicht haben die selbst auch so eine Meinung.“ (Schülerin aus Reichenbach) Laut gegen Nazis und rassistische Politik Demonstrationen sind ein gutes Mittel, um auf Problemlagen aufmerksam zu machen und den Handlungsdruck auf die politisch Verantwortlichen, aber genauso auch auf alle anderen Mitglieder in der Gesellschaft, zu erhöhen. Ein Jugendlicher hat dies so formuliert: „Ich versuch wirklich überall hinzugehen, auf jede Demo, die hier oder in der Nähe stattfindet. Ich trags öffentlich heraus, dass ich gegen die Faschos bin. Das ist Bürgerpflicht, auf jede Demo zu gehen. Bei ner Demo von Nazis wärs cool, wenn alle Läden dicht machen würden, keiner auf der Straße wäre und keiner denen zuhört.“ (Jugendlicher aus Plauen) Opferberatung www.raa-sachsen.de Tolerantes Sachsen www.tolerantes-sachsen.de Mobile Jugendarbeit Plauen www.mja-plauen.de Literatur Zerger: Was ist Rassismus? Lamuv Verlag Göttingen 1997 White Noise - Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood&Honour Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene Unrast Verlag Münster 2004 Dornbusch: RechtsRock - Bestandsaufnahme und Gegenstrategien Unrast Verlag Münster 2002 Röpke, Speit: Braune Kameradschaften: die militanten Neonazis im Schatten der NPD Links Berlin 2005 50 ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE UND GEGENSTRATEGIEN Literatur Staud: Moderne Nazis: Die Neuen Rechten und der Aufstieg der NPD Kiepenheuer & Witsch Köln 2006 Gloel: Gegen Rechts argumentieren lernen VSA Verlag Berlin 2005 Boyrali, Koray: Rechtsextremismus im Internet Grin Verlag München 2007 Glaser, Pfeiffer: Erlebniswelt Rechtsextremismus: Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. Hintergründe - Methoden - Praxis der Prävention Wochenschau Verlag 2007 Jugendbegegnungsstätte Anne Frank: Rechtsextremismus - was heißt das eigentlich heute? Frankfurt am Main 2003 Viele Vereine und Organisationen engagieren sich offen gegen Rechtsextremismus. Dort mitmachen und sie unterstützen kann jede_r. Die Leute freuen sich über jedes neue Gesicht, was sie in ihrer Arbeit gegen Rechtsextreme unterstützt. Den Menschen Freiräume lassen, Alternativkulturen fördern! Wie bereits zu Beginn der Broschüre beschrieben wurde, sind Neonazis dort besonders erfolgreich, wo es keine andere Lebenskultur als ihre gibt oder durch Einschüchterung und Gewalt am Existieren gehindert wird. Aber auch von Seiten des Staates werden Freiräume durch Privatisierung öffentlicher Bereiche zunehmend für individuelles und kollektives Handeln eingeschränkt. Dies macht politisches und gesellschaftlich öffentliches Handeln zunehmend unmöglich. Verstärkt wird dies durch polizeiliche Repression, die kritische Meinungsbildung und engagiertes und aktive Handeln gegen strukturellen Rassismus und rechte Ideologie behindert. Die Erfahrung eines Jugendlichen soll hierbei nur ein Beispiel sein: „Bei der letzten Demo vor zwei Monaten war ich knappe zwei Minuten und schon hat man Handschellen dran gehabt, nur weil wir unsere Meinung gesagt haben. Ich hab hier in Plauen keinen Freiraum mehr, den haste nirgendswo mehr. Freiräume braucht jeder Mensch zum Leben.“ (Jugendliche aus Plauen) Wichtig ist, dass diese Freiräume und Alternativen vor allem von euch selbst und eurem Engagement leben. Probiert euch aus, entwickelt Ideen. Sucht euch Leute, die Bock haben mitzumachen und Erwachsene, die euch dabei unterstützen. Wartet nicht darauf, dass ihr alles präsentiert bekommt, macht euch unabhängig und werdet selbst aktiv. ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE UND GEGENSTRATEGIEN 51 mit Demos gegen Nazis rocken 52 ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE was dagegen! Argumentationshilfen gegen typisch rechte Parolen Hier findest du nun einen Überblick über fünf typische rechte Parolen. Falls du im Unterricht oder in deiner Freizeit damit konfrontiert wirst, haben wir dir Fakten zusammengestellt, wie man diese Parolen widerlegen kann. Die Statistiken begreifen Ausländer_innen als Menschen, die in Deutschland wohnen, aber nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. 1. Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg! In den neuen Bundesländern liegt der Ausländer_innenanteil in der Bevölkerung zwischen 1,7% und 2,4%, in den alten Bundesländern zwischen 5,5% und 15,4%. Im Vergleich dazu liegt der Ausländer_innenanteil in den Niederlanden bei 4,33% (2003). Das ist nahezu doppelt so viel wie bei uns im Osten. Dabei herrscht in den Niederlanden beinahe Vollbeschäftigung. Ausländer_innen gehören zu den ersten Opfern von Entlassungen. Die Arbeitslosenquote bei Ausländer_innen war im Jahr 2000 mit 19,2% doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung (9,9%). Ausländer_innen nehmen zum Großteil Arbeiten an, die Deutsche nicht übernehmen wollen. Das sind zum Beispiel schmutzige, gefährliche, körperlich belastende Arbeiten. Ausländer_innen benötigen nicht nur Arbeitsplätze, sie schaffen auch welche durch ihren täglichen Konsum und dadurch, dass sie zum Teil auch selber Menschen beschäftigen. „Ausländer raus!“? Die Folge wäre der Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft, von der menschlichen Katastrophe gar nicht zu reden. Allein die türkischen Dönerbuden machen in Deutschland mehr Umsatz als McDonald´s. 2. Wenn das so weitergeht mit den Ausländern, sind wir bald in der Minderheit - und das in unserem eigenen Land! Seit 1995 haben wir einen nahezu identischen Anteil an Ausländer_innen in Deutschland. 8,9% der Bevölkerung sind Ausländer_innen. Das sind 7,3 Millionen Menschen. Jeder fünfte von ihnen ist in Deutschland geboren. Die Hälfte der 7,3 Millionen lebt seit mehr als zehn Jahren hier, jeder dritte mehr als 20 Jahre. Diese Menschen sind keine Ausländer_innen mehr. Sie sind hier zu Hause! 3. Die meisten Ausländer kommen nur hierher, um sich auf Kosten der Allgemeinheit ein schönes Leben zu machen. Sie rühren keinen Finger und die deutschen Steuerzahler müssen sie durchfüttern. Asylbewerber_innen werden in äußerst dürftig ausgestatteten Unterkünften untergebracht. Sie haben im ersten Jahr ein Arbeitsverbot und somit keine Chance Geld zu verdienen, das sie eigentlich dringend benötigen. Nicht wenigen von ihnen ist die Arbeit generell untersagt. ALLGEMEINE HANDLUNGSHINWEISE Durch eine gesetzliche Festlegung (Vorrangregelung) müssen Arbeitsplätze zuerst mit Deutschen besetzt werden. Die Unterstützung von staatlicher Seite für Asylbewerber_innen (225 €/Monat) liegt unter dem errechneten Existenzminimum der Deutschen (287 €/Monat). Dieses Geld wird auch nicht voll ausgezahlt, sondern in Form von Einkaufsgutscheinen für festgelegte Läden oder gleich in Form von Lebensmitteln ausgezahlt. Ausgaben für Asylbewerber_innen im Jahr 2000: 1,86 Mrd. Euro. Ausgaben für 73 Militärtransporter im Jahr 2000: 8,6 Mrd. Euro. 53 5. Staat und Politik reden den Deutschen Schuld für nicht begangene Verbrechen ein. Nach 50 Jahren muss endlich einmal Gras über die Sache gewachsen sein. Je weniger man darüber weiß, desto größer ist die Gefahr, dass rassistisches Gedankengut sich wieder verbreitet. Es geht nicht darum, denjenigen, die später geboren worden sind, die Schuld an der Vergangenheit zuzuweisen. Sie sind aber verantwortlich für die Gegenwart und die Zukunft. Wir haben die Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert. 4. Ausländer führen sich hier auf, als ob sie zu Hause wären. Sie haben gar kein Interesse sich anzupassen. Integration wird in der Gesellschaft verschieden aufgefasst. Für manche bedeutet Integration das Akzeptieren und Einhalten der im Land geltenden Gesetze. Für andere bedeutet Integration, dass ein Ausländer seine Identität und kulturelle Gewohnheiten ablegen soll um sich dem deutschen Leitbild anzupassen. Integration in dem Sinne, dass viele Kulturen zusammenleben, bedeutet Bereicherung, Erneuerung, Vielfalt, Veränderung, etwas Positives. Der größte Teil der Ausländer_innen ist hier zu Hause (Siehe 2.). Aber heißt das, dass sie ihre kulturellen Gepflogenheiten ablegen müssen? Nein! Nach dem Grundgesetz hat jeder das Recht auf freie Entfaltung, das heißt man kann so leben, wie man leben will, innerhalb der gesetzlichen Grenzen. Foto: Pro Asyl 54 WAS KANNST DU AN DEINER SCHULE TUN? move your ass Was kannst du an deiner Schule tun? „Gegen Rechtsextremismus und Rassismus stark machen? Ja, wichtig ist das schon, aber eigentlich macht’s fast niemand.“ (Schüler einer Mittelschule in Plauen) Warum macht es fast niemand? Liegt es vielleicht daran, dass viele sich gar nicht dessen bewusst sind, dass sie auch als Einzelperson viel bewirken können? Keine Chance für Schulhof-CD, Schülerzeitung „Perplex“ und Nazi-Sticker! Die NPD, die Jungen Nationaldemokraten und unabhängige rechtsextreme Gruppen schlafen nicht. Sie starten immer wieder gezielte Propagandaaktionen. Sie agieren bewusst vor allem an Schulen und in Jugendclubs, um gerade junge Menschen von ihrem Gedankengut zu überzeugen. Du kannst es ihnen schwer machen, mit ihren Methoden zu punkten. Die Verteilung der Schulhof-CD, der Schülerzeitung „Perplex“ sowie Parteienwerbung an (sächsischen) Schulen ist verboten. Macht eure Direktor_in, deine Lehrer_in und Mitschüler_in darauf aufmerksam, wenn ihr etwas beobachtet. Sollten auf eure Hinweise keine Reaktionen folgen, handelt ihr am besten selbst. Schnappt euch das ausgelegte Material und werft es in die nächste Mülltonne. Kratzt Sticker und Spuckis ab und schmeißt sie weg. Sollten einige eurer Mitschüler_innen oder ihr selbst aus Neugier doch das eine oder andere einstecken, dann tut euch zusammen. Lest und hört gemeinsam die Inhalte und setzt euch kritisch mit ihnen auseinander. Über viele der Bands, die auf dem Schulhof-Sampler zu hören sind, findet ihr Infos im Internet (z. B. bei www.turnitdown.de). Ihre Texte sind voll mit rechtsextremen und rassistischen Slogans. Werdet kreativ! An einer Berufsschule in Plauen wurde eine „braune Tonne“ aufgestellt, um den rechtsextremen Mist zu entsorgen. Wenn ihr selbst eine Schülerzeitung an eurer Schule habt, schreibt Leserbriefe oder Artikel, in denen ihr eure Meinung sagt. Hier könnt ihr auch öffentlich machen, wenn die Schulleitung oder eure Lehrer_innen nicht auf eure Hinweise reagiert haben. Beim nächsten Mal sieht es dann vielleicht schon ganz anders aus. Geschichte und Gemeinschaftskunde aber bitte interessant! „Was es geben müsste, sind mehr Informationsreisen, bessere Auswertungen, mehr Filme. Der Unterricht wirkt derzeit wie eine Sache, die abgehakt werden muss.“ (Schüler aus Plauen) Fordert von euren Lehrern ein, Themen wie Nationalsozialismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit im Unterricht nicht einfach nur abzuhaken, sondern tiefgründig und regelmäßig zu behandeln. Neben Geschichte bietet sich das Fach Gemeinschaftskunde dafür WAS KANNST DU AN DEINER SCHULE TUN? an, da der Lehrplan Themen wie Demokratie und Toleranz vorsieht und relativ offen gehalten ist. Hier könnt ihr euch selbst aktiv mit in die Unterrichtsgestaltung einbringen oder euch Leute von außerhalb dazu holen, die mal einen Vortrag halten oder einen Workshop mit euch durchführen. Außerhalb der Schule könnt ihr selber Gruppen oder Projekte bilden, die sich verschiedenartig engagieren. Eure Eltern oder Betreuer in den Jugendclubs können euch auch hier hilfreich zur Seite stehen, wenn ihr das wollt. No Nazis - No Problem oder Was nicht ist, kann ja noch werden. In einigen Schulen gibt es vielleicht gar keine offensichtlichen Probleme mit rechtsextremem Gedankengut oder Werbeaktionen der extremen Rechten. Nichtsdestotrotz ist es enorm wichtig, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Niemand ist immun gegen äußere Einflüsse. Je weniger ich etwas über ein Thema weiß, desto leichter ist es mich davon zu überzeugen, dass eine Sache gut ist. Es schadet nicht, sich auch ohne konkreten Anlass über Themen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Rechtsextremismus zu informieren. Im Fernsehen und in der Presse wird oft von Vorfällen berichtet, über die es sich zu diskutieren lohnt. Sucht euch Themen aus, die euch interessieren. Es muss auch nicht immer nur das Thema Rechtsextremismus sein. Redet über Globalisierung oder über die EU, diskutiert über die neue Sicherheitspolitik oder ein positives Thema wie Frieden. Fragt eure Lehrer oder Eltern, wenn ihr etwas nicht versteht, oder informiert euch im Internet. Wenn ihr nicht weiterkommt, wendet euch an externe Projekte, Vereine und Organisationen. Viele sind immer gern dazu bereit, euren Unterricht mit Vorträgen und Workshops spannend zu gestalten. 55 56 PROJEKTE GEGEN RECHTSEXTREMISMUS die tun was Projekte gegen Rechtsextremismus LOK - Lokaler Aktionsplan Plauen Das Bundesfamilienministerium hat 2007 das Programm „Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ gestartet. Dieses Programm vergibt pro Jahr 100.000 € an ausgewählte Kommunen, welche diese Mittel an Projekte weitergeben können, die sich für Vielfalt, Toleranz und Demokratie sowie gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Plauen und das Vogtland sind gemeinsam ein solches Fördergebiet. Lokaler Aktionsplan Anfragen können an [email protected] gerichtet werden. Jugendparlament Plauen Zimmer 115a im Rathaus Unterer Graben 1 08523 Plauen Tel.: 03741 291 10 22 Fax: 03741 291 31 0 22 Sprechzeit jeden Donnerstag von 15 bis 17 Uhr [email protected] www.dasjupp.de Der lokale Aktionsplan, der für dieses Fördergebiet erstellt wurde, hat sich drei Ziele gesetzt: 1. In unseren Kindergärten, Schulen, Jugendvereinen und Jugendverbänden soll ein Klima sozialer, religiöser und ethnischer Vielfalt herrschen und es soll präventiv und aktiv gegen rechtsextreme, fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen vorgegangen werden. 2. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über die Erscheinungsformen und Strukturen des Rechtsextremismus aufgeklärt sein und die Hilfe für die Opfer rechter Gewalt soll gestärkt werden. 3. Zivilcouragierte Handlungsweisen und ein ausgeprägtes Demokratieverständnis sollen im Fördergebiet allgemein praktiziert und unterstützt werden. JUPP - Jugendparlament Plauen Das Jugendparlament Plauen versteht sich als Vertretung der Kinder und Jugendlichen der Stadt Plauen und bearbeitet kommunalpolitische Themen. Momentan besteht das Jupp aus 18 Abgeordneten und mehreren Beratern und wird alle zwei Jahre von den Plauener Jugendlichen gewählt. Im Stadtrat verteidigt das JUPP die Meinungen der Jugendlichen in Plauen und hilft den Jugendlichen in politischen und verwaltungstechnischen Fragen und Problemen. Zu den bisherigen Aktionen zählten unter anderem eine Demonstration gegen Rechtsextremismus sowie ein Antirassismus-Workshop. Weiterhin führte das JUPP eine Podiumsdiskussion zum Thema Bildungspolitik durch und war Veranstalter einer Bildungsmesse, die Jugendliche über mögliche Bildungswege informierte. Das JUPP bietet Jugendlichen aus Plauen die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren und an politischen Entscheidungen als Berater mitzuwirken. PROJEKTE GEGEN RECHTSEXTREMISMUS 57 APABIZ – Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e. V. Der APABIZ e. V. betreut ein Archiv, das eines der größten dieser Art in der BRD ist. Es verfügt über rechte Publikationen, Videos, CD‘s etc. Diese Primärquellen werden ergänzt durch eine Datenbank, in der Presseveröffentlichungen seit Anfang der 90er Jahre erfasst sind, eine umfangreiche Präsenzbibliothek sowie antifaschistische Publikationen aus der gesamten BRD, Europa und den USA. Die Mitarbeiter_innen des APABIZ beobachten seit Jahren die Entwicklungen rechtsextremer Parteien und Organisationen, der militanten Neonazis, der rechtsextremen und neonazistischen Medien und vor allem der Einflussnahme auf verschiedene Spektren der Jugendkultur wie zum Beispiel im Bereich der Skinheadszene oder des Dark Wave. Derzeit umfasst das Bildungsangebot ca. 50 Vorträge und Seminare aus den Bereichen Judentum und Antisemitismus, Frauen und Mädchen im Rechtsextremismus, Neue Rechte, Burschenschaften, Esoterik und Heidentum, Rechtsextreme Publizistik, Internet, Vertriebenenverbände, Jugendsubkulturen, Rassismus sowie Praxistipps. Die meisten Vorträge sind dabei sowohl als Abendveranstaltungen oder als Tages- und Wochenendseminar ausgelegt. Das APABIZ bietet darüberhinaus spezielle Gruppenseminare, Workshops in Schulen, Vortragsreihen oder Wochenseminare an. Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e. V. (APABIZ) Lausitzerstr. 10 10999 Berlin Tel. & Fax: 030 61 16 24 9 [email protected] www.apabiz.de Selbstverwaltetes Projekt Schuldenberg Ein alternatives Kultur- und Wohnprojekt in Plauen, das durch das ehrenamtliche Engagement der Bewohner_innen und Unterstützer_innen seit 1994 besteht. Der gemeinnützige Trägerverein Querdenker e. V. verwaltet das Projekt in der Thiergartner Straße 4 seit sechs Jahren. Neben dem Angebot des alternativen Wohnraums bietet das Projekt unter anderem die Nutzung von Proberäumen, Veranstaltungsräumen, einer Gaststätte sowie Werkstätten an. Ein wichtiges Anliegen ist es, Informationen zu den Themen Rassismus, Rechtsextremismus und Antifaschismus sowie Globalisierung und Militarismus öffentlich zugänglich zu machen. Neben Broschüren, Büchern und Zeitschriften bietet es auch einen kostenlosen Internetzugang im eigenen Infoladen an. Schuldenberg Plauen mehr Infos unter www.projekt-schuldenberg.de 58 EIN AUSBLICK mfg Ein Ausblick Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, die du dieser „öffentlichen Warnung“ geschenkt hast, es sei denn du gehörst zu den Leser_innen, die Magazine immer von hinten anfangen. In der Broschüre ging es uns darum aufzuzeigen, dass jede_r von den Problemen, die aus Diskriminierung und Rechtsextremismus hervorgehen, betroffen ist. Dort, wo die Präsenz von Nazis und Nazigewalt schon in Angsträumen und No-Go-Areas gipfelt, ist es sehr schwer, allein etwas gegen dieses Problem zu unternehmen. Umso wichtiger ist es, sich mit anderen Menschen zu verständigen und gemeinsam aktiv zu werden. Dort wo weniger Angst herrscht, können die Leute dafür arbeiten, die zu unterstützen, die vor Ort große Probleme haben. Wissen bekämpft Vorurteile und Rassismus und ist Grundlage für das Verständnis z. B. von Migration. Lest verschiedene Zeitungen, recherchiert im Internet, hört euch internationales Webradio an, um euch über das zu informieren, was in der Welt vor sich geht. Macht euch mit unterschiedlichen Meinungen vertraut. www.freie-radios.net und www.bbc.co.uk sind z. B. gute Quellen. Nazigewalt ist nur vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen Strukturen zu erklären, die selbst Ausgrenzung erzeugen und fördern. Die Existenz von Nazis ist kein Jugendproblem und nicht nur ein Gewaltproblem, sondern ein gesellschaftliches Problem. Nicht nur von Nazis geht gesellschaftliche Diskriminierung aus. Eine bedeutende Rolle für das Naziproblem spielt die Partei NPD, in deren Strategie sich viele diskriminierende und antidemokratische Tendenzen bündeln. Wichtig ist es hinzusehen und hinzuhören, was Leute sagen oder was auf ihren T-Shirts steht. Dazu war die Darstellung subkultureller Nazicodes in diesem Heft gedacht. Hakt überall da ein, wo sich Menschen diskriminierend und verächtlich über andere äußern. Weckt auch bei anderen die Neugier für unser Leben, indem ihr gemeinsam Lesungen, Konzerte, Diskussionen organisiert, Euch regelmäßig trefft um kritische Filme anzusehen und zu diskutieren. Es gibt viele Gruppen, die ihr dazu einladen könnt einmal in Eurer Schule oder im Jugendzentrum Vorträge zu halten. Unsere Website www.public-warning.de kann Euch helfen, weitere Tipps und Kontakte zu bekommen. „Bevor wir fall‘n, fall’n wir lieber auf.“ IM P R ES S U M Herausgeber Hasek e.V. Chemnitz Joachim Lass (V.i.S.d.P.) Redaktion & Gestaltung Hasek e.V. Chemnitz Druck Papier Grimm GmbH, Syrauer Straße 5, 08525 Plauen 1. Auflage 2008 20.000 Stück Diese Broschüre wurde erarbeitet als Projekt des Hasek e.V. Chemnitz in Zusammenarbeit mit : Stadt Plauen, Lokaler Aktionsplan (LAP) Amal Sachsen Mobile Jugendarbeit Plauen Jugendparlament Plauen Hufeland-Mittelschule Plauen Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms »VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie«