Adidas-Chef stellt sich der Kritik Ist Benjamin ein echter

Transcription

Adidas-Chef stellt sich der Kritik Ist Benjamin ein echter
06 14
•
DAS DEUTSCHE
WI RT S C HA F T S M AG A ZIN
BIL ANZ-MAG A ZIN.DE
Franzosen
planen Übernahme
Commerzbank
im Visier
Commerzbank-Chef
Martin Blessing
Adidas-Chef stellt sich der Kritik
Ist Benjamin ein echter Otto?
50
Die
teuersten
Marken
52
Millionen €
Förderer der Forschung für einen
Harter Teyssen, weicher Gentz Oldtimer
*Kraftstoffverbrauch in l/100 km: innerorts 5,3; außerorts 4,1; kombiniert 4,6; CO2-Emissionen in g/km: kombiniert 119.
Der Audi A6 Avant 2.0 TDI ultra* mit 4,6 l/100 km.
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helfen Ihnen dabei, es zu erreichen.
AUS DER REDAKTION
Endlich eine gute Nachricht aus der Finanzwelt: Die Deutsche Bank
will beim BVB einsteigen.“
Lesen Sie
BILANZ
auch in der Welt-Tablet-App
Klaus Boldt, Chefredakteur
und als E-Paper unter
www.bilanz-magazin.de
ERSTAUSGABE
Positives
Echo
BENJAMIN OTTO
Fotos: Ulrich Mahn, picture alliance / zb, Jan Riephoff, Andrea Brintazzoli/Demotix
Der große
Name
Blass sah Benjamin Otto (38 und
1,95 Meter) aus, und er entschuldigte sich für etwas, wofür er
nichts konnte: Der Chef der
Otto-Tochtergesellschaft Collins
war krank geworden und hatte
das Gespräch verschoben.
BILANZ-Redakteurin Sophie
Crocoll (29 und 1,63 Meter) war
gespannt, einen echten Hanseaten zu treffen. So hatten Bekannte den Sohn des Otto-Aufsichtsratsvorsitzenden beschrieben.
„Er war dann gar nicht kühl und
zurückgenommen, sondern hat
ganz emotional erzählt“: von
seiner Kindheit mit dem großen
Namen, seiner Liebe zu Argentinien und dem eigenen Weg ins
Familienunternehmen.
Lust auf was
Schräges
BILANZ-Fan
Django
Asül
Die Erstausgabe der deutschen
BILANZ fand überwiegend
freundliche Aufnahme (siehe
Seite 80). Darüber sind Redaktion und Verlag natürlich nicht
unglücklich. Aber es gibt viel zu
verbessern. Die Anregung von
Leser Geldbach aus Gelsenkirchen haben wir bereits in dieser
Nummer umgesetzt und die
BILANZ-Schrift Freight um einen halben Punkt vergrößert.
Jetzt können uns alle lesen.
Gratuliert zur ersten Ausgabe
hat auch Ugur Bagislayici, besser
bekannt unter seinem nom de
guerre Django Asül: Der türkischstämmige Kabarettist testete gerade das neue Fitnesszentrum bei Adidas in Herzogenaurach, als die BILANZ-Leute
Arno Balzer (56) und Klaus
Boldt (56) den Vorstandschef
Herbert Hainer zum Gespräch trafen. Asül:
„Freut mich, dass Sie
wieder in Ihrem Element sind. Melden
Sie sich, wenn Sie
mal Lust auf was
Schräges im Blatt
haben.“
FERRARI
Verknappung
als Strategie
Natürlich hatte BILANZRedakteur Stephan Knieps (28)
gehofft, dass man ihn in einem
Firmenauto zum Ferrari-Sitz im
italienischen Maranello fahren
würde. Es war dann aber doch
nur ein Lancia. „Die Verknappung ist Teil der Ferrari-Strategie. Deshalb sind auch die Oldtimer so teuer.“ Marco Arrighi,
der die Klassik-Abteilung in
Maranello leitet, ging dessen ungeachtet wenig zimperlich mit
den in der Werkstatt parkenden
Autos um: Als er bei einem 250
GTO – Wert zwischen 40 und
50 Millionen US-Dollar – die
Motorhaube abnahm und einen
Blick aufs Getriebe warf, hielt
die anwesende Pressesprecherin
kurz die Luft an …
Die nächste BILANZ erscheint am 4. Juli
JUNI 2014
5
INHALT
6/2014
56
Ein Otto geht zu Otto
Porträt Benjamin Otto, Sohn
des Hauses, startet einen Internethandel, der den Versandhausriesen
revolutionieren soll.
10
Deutsche Bank will
Borussia Dortmund
Beteiligung Oberaufseher Paul
Achleitner (l.) und Vorstandssprecher Jürgen Fitschen wollen
zehn Prozent des Klubs übernehmen.
Was macht
einen Ferrari
zum Ferrari?
66
6
Geldanlage Am Firmensitz
in Maranello stellt eine Klassikabteilung Echtheitszertifikate
für Ferrari-Oldtimer aus.
JUNI 2014
INHALT
50
74
Gesundheitswesen
Ärzte und Patienten,
Kassen und Spitäler: Das
Digitalisierungsfieber
grassiert, ein neuer Multimilliardenmarkt entsteht.
Höher leben Viele
Milliardäre sind von
Deutschland in die Schweiz
gezogen. Wo leben sie genau?
Das nächste
große Ding
Warum ist es
in der Schweiz
so schön?
NAMEN UND NACHRICHTEN
IDEEN UND INNOVATIONEN
10 Deutsche Bank Das Geldhaus will sich
bei Borussia Dortmund einkaufen.
50 Digitalisierte Medizin Das Internet versetzt
die Zunft in einen Datenrausch. Klinikkonzerne
wittern den nächsten Multimilliardenmarkt.
14 Juwi Wird aus dem Öko-Konzern ein
zweiter Fall Prokon?
56 Benjamin Otto Der Hamburger Hoffnungsträger
soll den Handelskonzern gegen Amazon, Zalando
& Co. verteidigen.
15 Schaeffler vs. Knorr-Bremse
Streit unter Milliardären.
60 Forschung US-Wissenschaftler machen sich von
Stiftern und Mäzenen abhängig – eine riskante
Praxis.
16 Roland Berger Neustart mit neuer
Führungsmannschaft.
16 Banken Wie sicher sind die Kundengelder,
Herr Thiel?
18 Interna VW/Suzuki, Deutsche Telekom,
BASF, Portikus.
Fotos: Jan Riephoff, dpa-Zentralbild, istock, Alessandro Barteletti, Getty Images, picture alliance / dpa
20 Machtnetz Siemens-Sanierer Joe Kaeser
in der BILANZ-Inspektion.
65 Kowalskys Crashtest Der Rasenroboter
Robomow MC500 gehorcht aufs Wort. Man muss
ihm aber Grenzen ziehen, sonst fährt er davon.
Welchen Interessen
folgen Wissenschaft und
Forschung? Seite 60
PRIVAT
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
66 Geldanlage Oldtimer Woran erkennt man
einen falschen Ferrari? BILANZ besuchte die
Klassik-Experten in Maranello.
22 Commerzbank Europäische Großbanken
umwerben die deutsche Nummer zwei.
Die besten Chancen hat die Société Générale.
72 Baaders Beste Der Werbemann, Genussmensch
und Kochbuchautor über Rote Bete und die
Schlachterbörse.
28 Chefgespräch mit Herbert Hainer
Ausgerechnet im Jahr der Fußball-WM
steckt Adidas in einer Formkrise. Aber der
Vorstandschef zeigt sich kampfbereit.
73 Holleins Kunstwelt Deutschlands einflussreichster Museumsdirektor über die
fünf wichtigsten Kunstzentren der Zukunft.
34 Unternehmensführung Die Regierungskommission für gute Unternehmensführung hat viel
Kredit verspielt. Kann Daimler-Veteran Manfred
Gentz den Ethikern mehr Einfluss verschaffen?
38 Notizen aus Russland Putins Westpoints.
40 Eon Vorstandschef Johannes Teyssen regiert
mit Eisenfaust. Wer sich nicht biegt, der fliegt.
44 Rangliste BILANZ präsentiert
die 50 wertvollsten Marken Deutschlands –
von Adidas bis Zeiss.
74 Schweiz Wo Deutschlands Milliardäre am
liebsten leben.
Vive la France?
Commerzbank-Taktiker
Martin Blessing.
Seite 22
80 Eröffnungs-BILANZ Unsere erste Ausgabe
im Urteil der Medien sowie der Leserinnen und
Leser.
82 BILANZ-Gewinner Wie Ex-Tennisprofi Marijn
Dekkers die Nummer eins von Bayer wurde.
5
Aus der Redaktion.
8
Autoren dieser Ausgabe, Impressum.
48 Arbeitsrecht Der Anwalt Peter Rölz über
Scheidungskriege zwischen Unternehmen und
ihrem Führungspersonal.
JUNI 2014
7
AUTOREN
IN DIESER AUSGABE
Marc Kowalsky (43) ist
stellvertretender Chefredakteur der Schweizer
Bilanz. Er hat für uns in
dieser Ausgabe den Robomow MC500 getestet, einen
Rasenmäher, der sich alleine
um den Garten kümmert.
Kowalskys Crashtest lesen
Sie auf Seite 65.
Rainer
Hupe
Bernd
Ziesemer
Der 64-jährige Delmenhorster gehört zu jenen Leuten,
die mit der Blüte der deutschen Werbeszene in ständige Verbindung gebracht
werden: zunächst als Kreativdirektor und Gesellschafter der Agentur Scholz &
Friends, später als Spiritus
Rector von Baader Lang
Behnken. Slogans wie
„Otto ... find’ ich gut“ stammen aus Baaders Pentel
Pen, ebenso wie die großen
Kampagnen für Hypovereinsbank oder Die Zeit.
Baader ist leidenschaftlicher und kritischer Kochamateur. Er hat ein Buch
(Wer selber kocht, hat mehr
vom Leben) geschrieben und
die Kolumne Baaders Beste
auf Seite 72.
Rainer Hupe (67) arbeitete
eine Ewigkeit als (leitender)
Redakteur bei führenden
Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazinen (Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Der
Spiegel). Es gibt kaum eine
Branche, über die er nicht
berichtet, und kaum ein
Thema in der Wirtschaftspolitik, das er ausgelassen
hätte. Seit mehr als zehn
Jahren ist Hupe als freier
Journalist unterwegs – ein
„Silver Surfer“, der großes
Wohlgefallen findet an Telefonrechnern und anderem
mobilen Spielzeug. Für
BILANZ beschäftigt er sich
auf Seite 50 mit der Frage,
welche Bedeutung die Digitalisierung für das Gesundheitswesen hat.
Er schreibt seit 30 Jahren
über Unternehmen und
Wirtschaft. Der langjährige
Chefredakteur und Kolumnist des Handelsblatts begann
seine Laufbahn bei Sprachprobst Wolf Schneider an
der Henri-Nannen-Schule
und agierte lange Zeit als
Korrespondent in China,
Russland und Japan. Der
60-Jährige ernährt sich am
liebsten von Sushi und Jiaozi-Teigtaschen, und er liebt
die asiatische Art der feinen
Zurückhaltung. Deshalb
nerven ihn deutsche Konzern-Chefs, die Furcht und
Schrecken um sich verbreiten wie die Hindi-Göttin
Kali. Beim Energieriesen Eon
wurde Ziesemer fündig
(Seite 40).
Leserservice und
Heftbestellungen:
BILANZ – das deutsche
Wirtschaftsmagazin
Leserservice,
20583 Hamburg
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Impressum
Bilanz Deutschland
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E-Paper erhältlich unter:
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8
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Herausgeber: Dr. Arno Balzer.
Chefredakteur:
Klaus Boldt (v.i.S.d.P.).
Berater der Chefredaktion:
Winfried Wilhelm.
Chef vom Dienst: Joachim Tröster.
Büroleitung: Annette Klangwald.
Redaktion: Sophie Crocoll, Ronny
Galczynski, Michael Gatermann, Jens
Kaiser, Stephan Knieps, Uli Mahn,
Mark C. Schneider.
Autor: Jürgen Schönstein.
Bilanz Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH, Geschäftsführer: Dr. Stephanie Caspar,
Johannes Boege.
Gesamtanzeigenleiter:
Stephan Madel (v.i.S.d.P.).
Illustrationen: Jesine Hein, Foto: Gaby Gerster
Fred
Baader
Jürgen Schönstein (55)
lebt mit seiner Familie in
Boston, Massachusetts.
Er ist Chefredakteur des
Portals Scienceblogs.de
und Dozent am MIT für
Akademisches Schreiben.
Schönstein geht in dieser Ausgabe ab Seite 60
der Frage nach, welche
Gefahren die private Finanzierung von Wissenschaft
und Forschung birgt.
Objektleitung Anzeigen: Florian
Reinartz
([email protected]),
Klara Müller
([email protected]).
Herstellung: Olaf Hopf.
Druck:
Weiss-Druck GmbH & Co. KG,
Postfach 30,
52153 Monschau
BILANZ - Das deutsche Wirtschaftsmagazin ist ein Supplement der WELT.
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1
für BILANZ Deutschland, gültig ab
01.01.2014.
Unsere Standards der Transparenz
Max Hollein (45), gebürtiger Wiener, ist einer der
profiliertesten Kulturmanager der Republik. Er leitet
in Frankfurt gleich drei Häuser: die Schirn Kunsthalle,
das Städel Museum und das
Liebighaus. Seine Kolumne
„Holleins Kunstwelt“ (Seite 73) erscheint regelmäßig
in der BILANZ. In dieser
Ausgabe schreibt er über die
neuen Weltkunstzentren im
Nahen und Fernen Osten.
und journalistischen Unabhängigkeit
finden Sie unter
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JUNI 2014
RESSORT
JUNI 2014
9
NAMEN&
NACHRICHTEN
WINDIGE
GESCHÄFTE BEI
JUWI 14
MILLIARDÄRE
UNTER SICH 15
SCHWENKERS
SCHWENK 16
JOE KAESER, DER
RASIERTE FEUERLÖSCHER 20
10
JUNI 2014
Fitschen vor,
noch ein Tor!
Dax-Vorstände und Unternehmer drängen in die VIP-Logen der
Bundesliga. Jetzt will sich die Deutsche Bank bei Borussia
Dortmund einkaufen.
Kleiner Fanklub Dem Aufsichtsratsvorsitzenden
Paul Achleitner (l.) und Vorstandssprecher
Jürgen Fitschen (r.) ist es bislang nicht gelungen,
die Deutsche Bank mit zehn Prozent an Borussia
Dortmund zu beteiligen. Sie bleiben aber am Ball.
JUNI 2014
Fotos: picture alliance / dpa, picture alliance / augenklick/fi
K
Kein schöner Frühling für die Manager
der Deutschen Bank: Aufsichtsbehörden
ermitteln in 118 Verfahren, über tausend
Rechtsstreitigkeiten sind anhängig mit
einem Gegenstandswert von jeweils mehr
als 100.000 Euro, zu schweigen von jenen
fünf Milliarden Euro, die das Institut in
den vergangenen zwei Jahren allein für
Bußgelder und Vergleiche entrichtet hat
und die nun in der Kasse fehlen.
Die diesjährige Frühjahrssaison hinterließ viele wunde Stellen. In mentaler Hinsicht wirkt die Deutsche Bank wie durchgescheuert und aufgeschürft.
Willkommene Ablenkung bot deshalb
der Besuch von Hans-Joachim Watzke
(54), der kürzlich seine Aufwartung im
Haupthaus an der Frankfurter Taunusan-
lage machte. Watzke, Geschäftsführer der
Borussia Dortmund AG, hielt Rat mit Jürgen Fitschen (65), einem der beiden Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und
dessen Kollegen Rainer Neske (49), der
die Privat- und Firmenkunden betreut.
Die drei Geschäftsmänner erörterten
die Vor- und Nachteile eines Handels, der
die Machtverhältnisse in der Fußballbundesliga von Grund auf verändern und die
Übermacht des FC Bayern München brechen könnte: den Einstieg der Deutschen
Bank bei dem etwas rauen und ruppigen,
aber erfolgreichen und äußerst beliebten
Fußballklub aus dem Pott.
Gegenstand des Gesprächs war eine
Beteiligung von zunächst einmal zehn
Prozent am Kapital der Fußballfirma,
deren Börsenkapitalisierung bei 235 Millionen Euro liegt, aber über einen weit
höheren Markenwert verfügt (siehe
BILANZ-Soccer-Index 2014, Seite 12).
Die Idee zu dem Geschäft geht auf eine
Grübelei Paul Achleitners (57) zurück, des
Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank. Sein
Plan: mehrere namhafte deutsche Unternehmen als Aktionäre an die Dortmunder
zu binden und über eine Kapitalerhöhung
die nötige Finanzkraft zu entwickeln, um
dem Marktführer Bayern München dauerhaft Paroli zu bieten.
Fitschen war nach der Begegnung mit
Watzke angetan von der Idee, auch wenn
er zum Volkssport Fußball bislang noch
keine Neigungen hatte erkennen lassen.
Fitschen hält Dressurpferde in der Lüneburger Heide. Auch Ratsherr Achleitner
wurde noch nicht als Fußballfan aktenkundig, ist mit der Rolle des Fußballfinanziers aber aus jener Zeit vertraut, als er
noch Chef der Allianz-Versicherung war,
die heute engste Beziehungen zum FC
Bayern unterhält und auch Namensgeber
des Münchner Stadions ist.
11
NAMEN UND NACHRICHTEN
Was versprechen sich die Frankfurter
Edelleute von einem Einstieg beim Werktätigenklub aus Dortmund? Eine vergleichsweise preiswerte Erhöhung ihrer
Sympathiewerte und nicht zuletzt eine
Befriedigung ihrer Sehnsucht nach Volksnähe und Massenapplaus.
Mit Verdruss und Scheelsucht sehen
die Bankiers im Fernsehen die stets tadellos besetzte Prominenten-Loge im Allianz-Stadion zu München: Bei den Heimspielen finden sich regelmäßig Rupert
Stadler, Michael Diekmann und Herbert
Hainer ein, die Vorstandschefs der Bayern-Aktionäre Audi, Allianz und Adidas.
Auch die Firmenlenker und FCB-Aufsichtsräte Martin Winterkorn (VW),
Timotheus Höttges (Telekom) und Dieter
Rampl (Unicredit) sind gern zugegen. Die
Frankfurter sehen das und denken sich:
So was möchten wir auch.
Ein Engagement in der Bundesliga gilt
unter Dax-Ligisten inzwischen als Privileg. Denn viele Möglichkeiten, irgendwo
einzusteigen, gibt es nicht. Die Auswahl
an Erfolgsklubs ist knapp, und noch knapper sind die gesellschaftsrechtlichen
Voraussetzungen, die eine Beteiligung
erlauben.
Der Hamburger SV musste extra seine
Satzung ändern, um Investoren aufnehmen zu können. Speditionsmagnat
Klaus-Michael Kühne (77) steigt nun mit
25 Millionen Euro bei der in Gründung
befindlichen HSV AG ein. Aber er tut dies
nicht freiwillig, sondern nur aus Vereinsliebe – und mit privatem Geld.
Anders die Allianz, die die vielfältigen
Chancen des Fußballgeschäfts längst
nutzt. Anfang des Jahres brachte sich der
Konzern für 110 Millionen Euro in den
Besitz von 8,3 Prozent des Bayern-Kapitals – nicht zuletzt, um sich bis 2041 die
Namensrechte am Stadion zu sichern, das
mit 3,2 Millionen Besuchern im Jahr doppelt so viele Besucher zählt wie Schloss
Neuschwanstein.
Die Manager des FCB gelten in der
Kickerzunft als Avantgardisten: Jetzt
wollen sie sogar eine eigene Bank gründen. Gemeinsam mit dem Bayern-„Premiumpartner“ Hypo-Vereinsbank soll ein
Finanzdienstleister auf die Beine gestellt
werden nach einem Muster, wie man es aus
der Autoindustrie (Volkswagen-Bank,
BMW-Bank) kennt. Demnächst heißt es:
Festgeld einsammeln bei den Fans, Kreditkarten ausgeben, Finanzierungen verkaufen. So in etwa lautet das Geschäftsmodell.
Und natürlich werden auch Produkte der
Allianz im Sortiment zu finden sein.
Das Fußballgeschäft bietet findigen
Finanzleuten unübersehbare Entfaltungsspielräume. Doch Jürgen Fitschen und
sein Aufpasser Paul Achleitner müssen
sich noch zügeln: Vorstand Rainer Neske
hat den Einstieg bei Borussia Dortmund
mit einem Veto vorerst blockiert. In der
Deutschen Bank stünden wichtigere Aufgaben an als ein Spaß-Investment, argumentiert der Diplom-Informatiker, der als
großer Logiker gefürchtet ist.
Offenbar fällt den Kollegen nicht auf,
dass er selbst schon in der Bundesliga
engagiert ist. Neske ist Aufsichtsratschef
des Tochterunternehmens Postbank. Und
die ist Hauptgeldgeber von Borussia
Mönchengladbach.
ZAHLEN & FAKTEN
10%
von Borussia Dortmund kosten
ungefähr 25 Millionen Euro, sind
aber viel mehr wert. Paul Achleitner hatte mal wieder eine richtig
gute Idee. Konnte sie aber (noch)
nicht durchsetzen.
BILANZ-Soccer-Index 2014
Die 15 wertvollsten Klubs der Welt
1 Real Madrid
2,102 Mrd.
2 FC Barcelona
1,923 Mrd.
3
Manchester United
1,788 Mrd.
4 FC Bayern München
1,375 Mrd.
5 FC Arsenal
926 Mio.
6 Manchester City
692 Mio.
7 FC Chelsea
688 Mio.
8 FC Liverpool
586 Mio.
9 Juventus Turin
552 Mio.
10 AC Mailand
547 Mio.
12
11 Borussia Dortmund
463 Mio.
12 FC Schalke 04
451 Mio.
13 Tottenham Hotspur
383 Mio.
14 Paris St. Germain
371 Mio.
15 Inter Mailand
318 Mio.
Bewertungsgrundlage sind aktuelle und
prognostizierte Umsätze sowie Gewinne,
Börsenwerte, Verschuldung, Geldfluss,
nationale und internationale Platzierungen,
Zuschauerschnitt, BILANZ-Recherchen
JUNI 2014
Foto: picture alliance / Sven Simon
Münchner
VIP-Loge
Beim Spiel gegen
Hoffenheim
schauen mäßig begeistert Adidas-Chef
Herbert Hainer (l.),
Mister VW Martin
Winterkorn, sein
Audi-Statthalter Rupert Stadler, diverse
Bayern-Größen sowie SAP-Mitgründer
Dietmar Hopp (u.),
wie sich die Gäste
ein Unentschieden
erkämpfen.
RESSORT
Manche
Finanzierungen
erweisen sich
als harte Nuss.
Wir haben die
Eigenkapitalstärke, sie
zu knacken.
STRUKTURIERTE FINANZIERUNGEN IN
DEUTSCHLAND IM JAHR 2013
1
2
3
4
5
BOOKRUNNER
HypoVereinsbank – UniCredit
Commerzbank Group
Deutsche Bank
BNP Paribas
LBBW
VOL IN MIO. EUR
10.143
9.777
9.578
5.252
4.716
Auf Grund unserer Finanzstärke
und mit unseren Spezialisten – etwa
für Fördermittel und Strukturierte
Finanzierungen – sind wir in der Lage,
Ihnen optimale Lösungen zu bieten.
Quelle: Dealogic, 02. Januar 2014
JUNI 2014
13
NAMEN UND NACHRICHTEN
Windige Geschäfte
Die fälschlicherweise gefeierte Juwi AG braucht dringend Geld.
Die Geschäftsmethoden der Gründer sind Gegenstand von Untersuchungen,
Anleger fürchten um ihr Geld. Ein neuer Fall Prokon?
Soll den Vorstandsjob verlieren Matthias Willenbacher.
14
sie federführend für drei beteiligte Institute verwaltet. Die Berger-Männer sollen nun einen Plan für
die Rückführung der Juwi AG auf ihr Kerngeschäft
erarbeiten und dabei zudem die Obliegenheiten
(auch die privaten) der Gründer sorgfältig unter die
Lupe nehmen.
Erstes Ergebnis: Die Berater empfehlen, entweder
neue Investoren ins Unternehmen zu holen oder die
Alt-Eigner aufzufordern, frisches Kapital einzuschießen. Überdies soll Willenbacher seinen Vorstandsposten räumen. Jung, heißt es, dürfe bleiben.
Gegen Willenbacher hat die Staatsanwaltschaft
Thüringen mittlerweile Anklage wegen Korruption
erhoben. Der Monetenempfänger, Thüringens ehemaliger Innenminister Christian Köckert (56), wurde
bereits zu 15 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, weil er gleichzeitig auch als Eisenacher Beigeordneter über Windkraft-Verträge des Unternehmens mitentschieden hatte. Bei Köckerts Gerichtsverhandlung hatte Zeuge Willenbacher die Aussage
verweigert.
Die Eisenacher Querelen werfen ein trübes Licht
auf das Juwi-Geschäftsgebaren: Der Kampf um die
Standorte für die bei Anrainern verhassten Windräder wird härter. Juwi arbeitet mit örtlichen Projektgesellschaften zusammen. Je nach Vertragsgestaltung
können entweder bei denen oder bei Juwi gute Vorweg-Gewinne anfallen.
Die Berger-Berater untersuchen auch, ob und
wenn ja zu welchen Bedingungen die Juwi-Gründer
daran beteiligt gewesen waren. Selbst im guten Jahr
2011 hatte die Umsatzrendite von Juwi gerade mal
rund ein Prozent erreicht. Inzwischen wächst das
Misstrauen: Die Pfalzwerke haben die Zusammenarbeit mit Juwi gekündigt, ebenso die RWE-Tochter
Süwag.
Und auch anderen Gesellschaften des Juwi-Verbundes schlägt Misstrauen wie ein Windstoß entgegen. Anlegerforen warnen vor Angeboten der Juwi
Invest, zum Beispiel vor dem geschlossenen Fonds
Juwi Family & Friends 1. Es handelt sich hierbei um
nachrangig gesicherte Anlagen – genau wie beim fallierten Windkraftbetreiber Prokon, der Anleger viel
Geld gekostet hat. „Lassen Sie Ihren Überzeugungen
Taten folgen, und profitieren Sie dabei von attraktiven Konditionen“, hatten die Gesellschafter Willenbacher und Jung gelockt. Schließlich hat es für die
beiden doch auch geklappt.
Willenbachers
Moral Noch im
Vorjahr tourte
Buchautor Matthias Willenbacher durch die
Gesprächsrunden
des Fernsehens
und machte der
Kanzlerin ein
Angebot: Er stifte
seine Juwi-Anteile,
sollte die Energiewende bis 2020
vollendet sein.
Foto: Michael Kretzer
A
nfang Januar berichtete die Juwi AG,
Deutschlands größter Projektentwickler in Sachen erneuerbare Energien
und grünes Vorzeigeunternehmen (gut
eine Milliarde Umsatz, 1.700 Mitarbeiter) aus Wörrstadt bei Mainz, noch von einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2013. Die Rede war von einer
Umsatzrendite zwischen vier und fünf Prozent vor
Steuern und Zinsen.
Doch dann verschob das Unternehmen seine Bilanzvorlage von März auf April – und einen Tag vor
dem neuen Termin ein weiteres Mal: „wegen der Erkrankung eines der beiden Eigentümer sowie eines
Trauerfalls in der Familie des anderen“.
Der eine ist inzwischen wieder gesund, der andere
hat die Trauerarbeit bewältigt, einen neuen Termin
für die Bilanzvorlage indes wurde nicht anberaumt.
Laufen die Juwi-Geschäfte so schlecht, dass man sich
schämt, sie bekannt zu machen? Mitgründer Matthias
Willenbacher (44) und sein Kollege Fred Jung (43)
lassen ausrichten, dass sie so angestrengt arbeiteten,
dass sie Fragen zum Zustand des Unternehmens zurzeit unmöglich beantworten könnten, sie hoffen da
auf Verständnis.
Fraglich, wie viel Verständnis die Sanierungsleute
des Beratungsunternehmens Roland Berger aufbringen, die jetzt in die Juwi-Zentrale eingerückt sind.
Entsendet hat sie die Deutsche Bank, die um einen
Konsortialkredit von 250 Millionen Euro bangt, den
JUNI 2014
NAMEN UND NACHRICHTEN
Geiz
ist geil
Heinz Hermann Thiele und Elisabeth
Schaeffler streiten sich um ein paar
lumpige Hunderttausend Euro.
Fotos: picture alliance / Eva Oertwig/S, Knorr-Bremse / Ch. Vohler
I
n Gelddingen kann man Heinz Hermann
Thiele (73) nichts vormachen. Der Jurist ist
die Ausgebufftheit in Person. 1969 hatte er
als kleiner Sachbearbeiter in der Patentabteilung des Münchner Familienbetriebs
Knorr-Bremse angefangen und ihn nach einigen klugen Manövern schon Mitte der 80er gleich ganz in
seinen Besitz gebracht. Die Deutsche Bank in Gestalt
ihres damaligen Vorstandssprechers und Knorr-Aufsichtsratschefs Wilfried Guth hatte ihm erste Finanzhilfe geleistet. Den Rest erledigte Thiele selbst.
Heute ist Knorr-Bremse (4,3 Milliarden Euro Umsatz) der Weltmarktführer für Eisenbahn- und
LKW-Bremsen. Und weil Thiele so viel Spaß am Geschäftemachen hat und weil ihm alles so leicht von
der Hand geht, kaufte er sich in den vergangenen
Jahren auch noch beim Bahntechnikhersteller Vossloh (1,32 Milliarden Euro Umsatz) ein, von dem ihm
inzwischen über ein Viertel gehört.
Thiele ist zwar ein Bremser („Wir leben und sterben mit der Bremse“) und damit der Richtige in einer
schnelllebigen Zeit, aber wenn er selbst einmal nicht
weiter- oder ein anderer ihm in die Quere kommt,
dann kann er in aller Herzlichkeit sehr ungemütlich
werden. Zum Beispiel dann, wenn man seinem Spitzenpersonal unschickliche Avancen macht.
Im vergangenen Jahr haben sich Maria-Elisabeth
Schaeffler (72) und ihr Sohn Georg (49), die einen
Wälzlagerkonzern in Herzogenaurach ihr Eigentum
nennen und weite Teile des Autozulieferers Continental, beim Thiele-Liebling und Knorr-Vorstandsmitglied Klaus Deller (52) eingeschmeichelt und ihm
das Angebot unterbreitet, am 1. Juli das Dirigat der
Schaeffler AG zu übernehmen.
Der Transfer hat die Beziehungen zwischen den
Schaefflers und Thiele etwas belastet. Der Bremser
möchte, dass ihm die Wälzlageristen den Schaden
ersetzen, der ihm durch Dellers Austritt entstanden
sei, und die Kosten für die Nachfolgesuche übernehmen. Es dürfte sich um einen Betrag von ein paar
Hunderttausend Euro handeln, die ein guter Personalberater für derlei Fahndungen in Rechnung stellt.
Thieles Forderung zeugt von seinem Humor, aber
sie zeugt auch von seiner Humorlosigkeit. Er ist Multimilliardär. Doch er ist nicht Multimilliardär geworJUNI 2014
Nachgeben ist ein sicheres Zeichen von Schwäche Heinz Hermann Thiele ist
der größte Bremser, aber Elisabeth Schaeffler hat die besseren Wälzlager.
Blinder Ehrgeiz
schadet Der frühere Knorr-Bremse-Aktivist Klaus
Deller muss sich
mit neuen Kollegen herumärgern.
den, weil er jeden Quatsch aus eigener Tasche bezahlt. Auch die Schaefflers sind Multimilliardäre.
Aber sie sind es nicht, weil sie jeden Spaß mitmachen
und die Rechnungen anderer Leute bezahlen.
Verbissen wie Bundesligamanager ringen sie nun
um die Kosten, die Dellers Vereinswechsel verursacht. Erst telefonierten sie, dann trafen sie sich in
München zum Dreiergipfel (die Reisekosten trugen
die Schaefflers, für die Bewirtung sorgte Thiele).
Doch die Konferenz endete ohne Ergebnis.
Was kann Thiele tun? Vielleicht sollte er einfach
ein wenig abwarten. Denn Deller ist in den Schaeffler-Betrieben mitnichten überall so willkommen, wie
die Schaefflers es ihm verhießen. Namentlich Klaus
Rosenfeld (48), der seit dem Abgang des Schaeffler-Leiters Jürgen Geißinger (54) als Übergangschef
amtiert, fällt dem Neuen auf die Nerven. Rosenfeld
verfügt über große Vorräte an Hinterlist, er hat einst
einem Meister der Fachrichtung Intrige assistiert,
nämlich dem früheren Dresdner Bank-Major Bernd
Fahrholz.
Alle Versuche Dellers, sich mit seiner neuen Aufgabe in Herzogenaurach vertraut zu machen, hat
Rosenfeld torpediert: Die Kontaktaufnahme zu seinen künftigen Direktuntergebenen hat der verhindert
(bis auf das Treffen Dellers mit dem Personalchef);
zu einer Tagung der 50 wichtigsten SchaefflerManager Mitte Mai in Istanbul hat ihn Rosenfeld
einfach nicht eingeladen. Beider Verhältnis wird sich
künftig intensivieren, kann aber jetzt schon als zerrüttet bezeichnet werden.
Deller wirkt wie ein Mann am Ende eines Gummibands: Je weiter er sich von Knorr-Bremse entfernt, desto sicherer, glaubt man in München, werde
er dorthin zurückflitzen.
15
NAMEN UND NACHRICHTEN
Dirk Thiel,
Geschäftsführer der
Ratingagentur GBB,
über sicheres Geld.
Schwenkers
Schwenk
Der scheidende Geschäftsführer setzt der
Beratungsfirma Roland Berger neue Ziele.
W
16
Herr Thiel, Ihre Ratingagentur GBB
bewertet rund 200 Banken. Auch die EZB
prüft. Ist das Geld noch sicher?
Das Geld ist sehr, sehr sicher. Die Ängste,
die verbreitet werden, sind häufig populistisch. Losgelöst vom Einlagensicherungsfonds haben die Banken nach der Krise ihre
Hausaufgaben gemacht: Wenn eine Bank
ein Eigenkapital von einer Milliarde Euro
hat, ist jeder Kunde individuell mit 300 Millionen Euro abgesichert.
Weniger
Kundschaft,
mehr Gewinn
Berger-Mann
Bouée folgt
härteren
Vorgaben.
300 Millionen? Bislang war stets von
einer Grenze bei 100.000 Euro die Rede.
Die gesetzliche Deckungszusage liegt
bei 100.000 Euro pro Kunde. Der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken
sagt jedem Kunden jedoch individuell eine
Deckung von 30 Prozent des Eigenkapitals
seiner Bank zu, ab 2015 sind es noch
20 Prozent. Bei einer Milliarde Eigenkapital
sind das 300 Millionen pro Kunde.
Warum ist das weithin unbekannt?
Die 300 Millionen erscheinen ja so übertrieben, sie müssten eigentlich Sicherheit
suggerieren können. Warum sie es nicht
tun, kann ich nicht sagen. Denken Sie an
die Siemens-Krise oder an Pleiten von Banken: Nie hat ein privater Anleger auch nur
einen Cent zahlen müssen. Ich weiß nicht,
warum diese Karte nie gespielt wurde.
Spielt die Moral von Bankern eine Rolle
bei der GBB-Bewertung?
Wir sind keine Moralapostel, die den Stab
brechen über einem Haus, das sich nicht
nett benimmt. Aber wir überprüfen natürlich, ob sich ein Bankier populistisch oder
geldgierig verhält. Weil sich das in der Führung des Unternehmens widerspiegelt und
diese Unternehmensführung ausschlaggebend ist für unsere finale Beurteilung
der Zukunftsfähigkeit des Hauses. Diesen
Aspekt vermisse ich beim Rating der EZB.
JUNI 2014
Fotos: Privat, Roland Berger Strategy Consultants
achstum ? Ja, gut, aber künftig bitte nicht
ganz so schnell. Größe? Wird im Beratergewerbe überschätzt: Ein Jahr, nachdem
Burkhard Schwenker (56) zum zweiten
Mal nach 2003 den Vorstandsvorsitz der
Unternehmensberatung Roland Berger (2.7oo Mitarbeiter,
8oo Millionen Euro Honorarumsatz) übernommen hat,
schwört er seine Ratgeber auf bescheidenere Ziele ein.
Die Strategiewende wurde offenbar notwendig, weil nach zähen Verhandlungen - auch der zweite Versuch gescheitert war, das Unternehmen an eine der weltweit tätigen
Wirtschaftsprüfungsfirmen zu verkaufen, die inzwischen
das Beratungsgewerbe beherrschen.
Roland Berger befindet sich seither in misslicher Lage
und in Gefahr, von den gut sortierten Premiumberatungen
McKinsey und Boston Consulting einerseits sowie den wohlfeilen Spezialisten für Preismanagement oder Logistik und
erst recht den Rabatt-Beratern der Wirtschaftsprüfer andererseits zermalmt zu werden.
Schwenker dachte sich also ein neues Programm aus und
kam auf die naheliegendste Variante, statt flächendeckender
Präsenz künftig nur noch zentrale Zugriffspunkte in den wichtigsten Branchen für
notwendig zu erachten. Klasse statt
Masse. Man kennt das.
Die neue Taktik flößt Schwenker so
viel Zuversicht ein, dass er gleich wieder zurück an die Aufsichtsratsspitze
pendelt. Auf der Partnertagung Ende Juni
in Frankfurt soll Charles-Édouard Bouée
(45) die Firmenleitung übernehmen. Die
Wahl ist geheim. Aber Bouée ist, Umfragen
zufolge, turmhoher Favorit.
Spannungserregender ist,
wen der Neue zu Mitvorständen befördert: Gesetzt ist der
niederländische Berger-Botschafter mit dem barocken
Namen Tijo Collot d’Escury
(47); um den zweiten Job
rangeln Stefan Schaible
(45), Berger-Häuptling für
Mitteleuropa, und Ralf
Kalmbach (52), Bergers
Oberberater für die
Automobilindustrie.
300 Millionen
pro Kopf
„HÄTTE NICHT GEDACHT,
DASS DIE ZWEIMAL
KLASSENBESTER SIND.“
OPEL INSIGNIA
BESTER VERBRAUCHS- UND CO2-WERT SEINER KLASSE.
#UMPARKENIMKOPF
Hätten Sie das vom Opel Insignia gedacht?
Mit dem 2.0 CDTI ecoFLEX wurde der Diesel neu erfunden. Mit einem
CO2-Emissionswert von gerade mal 98 g/km und einem Verbrauch von nur
3,7 l/100 km (kombiniert)* ist er die Überraschung in der Business-Klasse.
Und auch der 1.4 Turbo-Benzinmotor liefert Klassenbestwerte. Er erfüllt
heute schon die Euro 6-Norm und besticht mit einer CO2-Emission von
nur 123 g/km sowie einem Verbrauch von nur 5,2 l/100 km (kombiniert).*
*Gilt für die Opel Insignia Limousine 4- und 5-türig mit 88 kW und 103 kW.
Kraftstoffverbrauch kombiniert 11,0–3,7 l/100 km; CO2-Emission kombiniert
259–98 g/km (gemäß VO (EG) Nr. 715/2007). Effizienzklasse G–A+
NAMEN UND NACHRICHTEN
Die Beziehungen zwischen
VW und Suzuki litten
vor allem an kulturellen
Missverständnissen.
Portikus Investment
Als Portikus bezeichnet man in
der Baukunst eine Säulenhalle
oder einen Säulengang. Warum
auch nicht? Recht selten tritt dieser Begriff jedoch in Finanzwesen und Geldgewerbe in Erscheinung. Als Elisabeth Weisenhorn
(57) und ihr Geschäftspartner
Michael Hochgürtel Anfang des
Jahres über den Namen ihrer
neuen Investmentfirma in Frankfurt beratschlagten, hielten sie
Portikus Investment jedoch für
am besten geeignet, der Mitwelt
bekannt gemacht zu werden:
„Es ist als Eintritt in eine Welt
gedacht, in der man in Aktien
investiert, aber auch immer
ein Dach über dem Kopf hat“,
schnackt Weisenhorn, die ihr Geschäft dieser Logik zufolge auch
Windfang Investment hätte nennen können. Wem der Name
Weisenhorn ein Begriff ist: Sie
arbeitete von 1985 bis 2000 bei
DWS, dem Fondsmanagement
der Deutschen Bank, und erzielte
dort fabelhafte Renditen.
Heute sammelt sie also Gelder für ihren eigenen Fonds, der
neben Wertpapier auch festver–
zinsliches Material umfasst. Viele Anleger hätten Angst vor
Wertschwankungen, sagt Weisenhorn. Die besondere Vielfalt
bei Portikus, schwört sie, stelle
einen „Risikopuffer“ dar. Hoffen
wir das Beste. Nachdem sie sich
2000 selbstständig gemacht hatte, hatte ihr damaliger Weisenhorn Europa Fonds binnen zwei
Jahren die Hälfte seines Werts
eingebüßt. So viel dazu.
Elisabeth
Weisenhorn
BASF
VW vs. Suzuki
In London ist das
Schiedsverfahren zwischen VW und Suzuki
zu Ende gegangen. Nun
erwarten die Parteien
das Urteil. Die Japaner
wollen, dass VW seinen
Anteil von 19,9 Prozent
verkauft; außerdem
verlangen sie Schadensersatz. VW-Chef Martin
Winterkorn (67) akzeptiert weder dies noch
das. VW war 2009 bei
Suzuki für 1,7 Milliarden
Euro eingestiegen. Aus
Suzukis Sicht war eine
funktionierende Kollaboration aber Bedingung
für das Geschäft gewesen. VW bestreitet dies.
Gut zusammengearbeitet haben die Partner
selten. Ständig kam es
zu Fehldeutungen und
Missverständnissen. Am
Ende bestellte Suzuki
Motoren nicht bei VW,
sondern bei Fiat, und
VW entwickelte ein Billigauto für Indien und
China nicht gemeinsam
mit Suzuki, sondern mit
sich selbst.
Die größten Automobilhersteller 2013
Umsätze in Mrd. Euro
1
2
3
4
5
15
Volkswagen
Toyota
Daimler
General Motors
Ford
Suzuki
197,0
172,4
118,0
112,9
106,7
19,6
Quelle: Ernst & Young
Deutsche Telekom
Thomas Kremer (56),
zuständig für Datenschutz, Recht und gute
Unternehmensführung
im Bonner Konzern,
soll auch das Personalressort übernehmen,
das er seit Januar schon
vertretungsweise mitbetreut. Der Amtsbereich lag zuletzt in
der Obhut von Marion
Schick (55), die den
Konzern inzwischen
aber verlassen hat, weil
sie krank und mit ihrem
Ausscheiden sowieso
einverstanden gewesen
war. Kremer hat in der
Zwischenzeit verhältnismäßig laut- und reibungslos einen Tarifabschluss für 72.000 Telekom-Bedienstete
Thomas
Kremer
verhandelt, was seine
Vorgesetzten mit Wohlwollen und Knüffen
gegen die Schulter zur
Kenntnis nahmen.
Schick habe, Kollegen
zufolge, immer verbissen gewirkt und nie zugehört. Kremer aber
kann sogar gleichzeitig
lächeln und zuhören.
Doch weiß ist seine
Weste nicht: Bevor er
2012 zur Telekom kam,
leitete er die Rechtsabteilung von ThyssenKrupp, wo man mit
Schmiergeldzahlungen
und Kartellabsprachen
nicht zimperlich war.
Der BASF-Vorstand
Andreas Kreimeyer (58),
der bei dem Chemiekonzern die Forschung und
die Pflanzenschutzsparte
dirigiert, muss sich nach
einer neuen Anstellung
umschauen. Sein Vertrag
läuft im Mai 2015 aus, und
damit soll es, nach dem
Willen des Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Hambrecht (67), dann auch
sein Bewenden haben.
Wenn die Sachverständigen
im Spätsommer zu ihrer
nächsten Sitzung zusammentreten, wollen sie
einen Strich durch Kreimeyers Namen machen.
Der Manager ist nicht
als Stimmungskanone oder
Rampensau bekannt. Aber
er leistet gründliche Arbeit.
1986 trat er den BASFBetrieben bei, seit 2003 ist
er Mitglied des Vorstands.
10.650 Forscher stehen
bei BASF unter Vertrag.
1,8 Milliarden Euro wurden
zuletzt investiert, um Substanzen hervorzubringen
wie Kaffeekapseln, Haargels oder Elektro-Tauchlacke. Ende Mai wies Kreimeyer noch darauf hin,
dass BASF sage & stöhne
30 Milliarden Euro mit
Erzeugnissen umsetzt,
die fünf Jahre oder weniger auf dem Markt sind.
Aber das nützte ihm nichts
mehr. Er ist Geschichte.
Andreas
Kreimeyer
JUNI 2014
Fotos: picture alliance / dpa, picture-alliance / ZB, BASF SE
Diesen beiden hilft
auch kein Tanzkurs:
Osamu Suzuki und
Martin Winterkorn.
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JUNI
2014
19
Herausgeber: AB Europe GmbH, Maximilianstrasse 21, 80539 München.
NAMEN UND
NACHRICHTEN
Kaeser pflegt gute Kontakte zu bayrischen
Landes- und Starkbierpolitikern, namentlich zu Finanzminister Markus Söder.
Auch mit der ehemaligen Bundesministerin und heutigen bayrischen
Vizeministerpräsidentin Ilse Aigner
verbindet den Siemens-Herrn ein
gutes Verhältnis. Kaeser lud sie unlängst
auf das Thalersdorfer Starkbierfest ein.
Jetzt planen die beiden einen
gemeinsamen Ausflug ins Silizium-Tal.
N
FR
EU
Aufsichtsratschef Gerhard
Cromme führt formal die
Kaeser’schen Unterstützertruppen an. Dicke Freunde
sind die beiden trotzdem nicht
geworden. Aber Cromme lässt
Kaeser machen. Das kann er
(Cromme) auch am besten.
DE
D
N
U
Dank seiner vier Jahre im Silicon
Valley verfügt Kaeser über gute Beziehungen zur dortigen Technikerszene. Zu seinenBekanntschaften
zählt die Hewlett-Packard-Chefin
Meg Whitman.
Der rasierte
Feuerlöscher
Er war der einzige Vorstand, der nach der
Bestechungsaffäre bei Siemens bleiben durfte: der
heutige Vorstandschef Joe Kaeser. Seit einiger Zeit
versucht er sich an Um-, Aus- und Neubau des Konzerns.
D
Die Verwandlung des niederbayrischen Provinzlers Josef Käser (56) in einen welterfahrenen
Siemens-Strategen der Spezialklasse begann
1995 mit einem vierjährigen USA-Aufenthalt
und endete am 8. November 2012: Joe Kaeser,
wie er sich seit seiner Rückkehr aus Amerika
nannte, rasierte sich am Morgen vor der Siemens-Bilanzkonferenz seinen Schnurrbart ab,
stahl seinem Vorgesetzten Peter Löscher die
Schau wie gewöhnlich – und übernahm im Sommer 2013 auch noch gleich dessen Amt. Zu Josef-Joe Käser-Kaesers Doppelpersönlichkeit
20
Aus 16 mach‘ neun: Anfang
Mai kündigte Kaeser an, die
Anzahl der Siemens-Sparten
zu verringern, um den
Konzern schlagkräftiger zu
machen. Bis Herbst 2016
sollen die Kosten um eine
Milliarde Euro sinken. Einen
Stellenabbau in großem
Umfang kündigte Kaeser
bereits an.
passt, dass er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Thalersdorf geblieben ist: „Hier ist er der
Käser-Sepp und nicht der Siemens-Chef“, sagt
Vizekommandant Josef Nürnberger.
Treue steht in Kaesers Wertekanon weit oben:
Nach seinem BWL-Studium landete er 1980 bei
Siemens (Abteilung: Bauelemente) – und blieb.
Nach Zwischenaufenthalten in Malaysia und im
Silicon Valley kehrte er 1999 ins Hauptquartier
zurück, wo der „Omar Sharif vom Wittelsbacherplatz“ (Kollegenspott) zunächst in der
Mobilfunksparte, später als Schatzmeister arbeitete. Kaeser gilt als einer, der mühelos mit
den Leuten ins Gespräch kommt, innerhalb der
Betriebe am mühelosesten mit den Finanzwirtschaftlern, mit denen er per Du ist. Er ist verheiratet mit der Frau von Josef Käser, Rosemarie
Käser. Die beiden Töchter studieren BWL und
könnten zu Siemens gehen. STEPHAN KNIEPS
JUNI 2014
MACHTNETZ
RI
Jeffrey Immelt, Kopf des Weltmarktführers und ewigen Rivalen General Electric, ist der größte Unterdrücker des Siemens-Patrons. Schon
Heinrich von Pierer, Kaesers Vorvorvorgänger, bleute seinen Kadern ein:
„Beat GE!“ Dass Kaeser dem Amerikaner kürzlich in Sachen Alstom in die Parade
fuhr, konnte ihr Verhältnis nur noch unwesentlich verschlechtern.
VA
LE
Michael Süß, dem Vorstand
der größten Siemens-Sparte
Energie, hat Kaeser Anfang
Mai das Handwerk gelegt.
Süß, sagt man, habe den
Bedarf an Kleinkraftwerken
nicht wachsen sehen. Andere sagen, er gebe
zu viel Widerworte. Zudem wollte er wohl
nicht in die USA umsiedeln – dort übernimmt
die Shell-Managerin Lisa Davis seinen Posten.
Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der
IG-Metall und seit 2012 Mitglied im SiemensAufsichtsrat, beschreibt sein Verhältnis zu
Kaeser als „professionell“. Man habe manchmal
„unterschiedliche Sichtweisen“, und wenn
Kaeser die Interessen der Arbeitnehmer
vernachlässige, „erinnern wir ihn gern daran“.
Bei uns ist er der Käser-Sepp
und nicht der Siemens-Chef.“
Josef Nürnberger, 2. Kommandant der Freiwilligen
Feuerwehr von Thalersdorf in Niederbayern.
JUNI 2014
Einen gewissen Gräuel empfindet
der Pariser Alstom-Chef Patrick
Kron für seinen Kollegen in München: Der Franzose, dessen Eltern
nur mit Glück dem KZ entkamen,
mag Deutschland im Allgemeinen
und Siemens im Besonderen nicht.
Das Ergebnis einer möglichen Verbindung mit
den Deutschen, sagte er, müsse wohl dem
„Ungeheuer von Loch Ness“ ähneln.
21
Fotos: www.stmflh.bayern.de, StudioLeis, Siemens AG, HP, GE, IG Metall, Getty Images, picture-alliance/dpa, Getty Images/Christof Stache/AFP
N
Als er noch Siemens-Leiter sein durfte, sagte Peter Löscher, es passe
„kein Blatt“ zwischen ihn und seinen
damaligen Kämmerer Kaeser. Aus
Kaesers Sicht war da aber wohl
durchaus Platz für mehrere Telefonbücher. Bei öffentlichen Auftritten
ließ er den biederen Löscher regelmäßig bieder aussehen, beteuerte aber hinterher immer wieder, wie unangenehm ihm, Kaeser, dies gewesen sei. Löscher soll damals mit dem Gedanken gespielt haben, die guten
Sachen aus dem Eisfach zu holen.
UNTERNEHMEN&
MÄRKTE
Objekt
der
Begierde
Finanzstarke Geldhäuser aus
Frankreich, Spanien und Österreich
umwerben die Commerzbank.
Der Bund, Hauptaktionär der
deutschen Nummer zwei, ziert
sich noch, seinen Anteil zu verkaufen:
Er will den Preis hochtreiben.
EIN MANN WILL
NACH OBEN:
INTERVIEW MIT
ADIDAS-CHEF
HERBERT HAINER
28
LETZTER PREUSSE:
DER NEUE JOB
VON MANFRED
GENTZ 34
JOHANNES
TEYSSEN: ANGST
UND SCHRECKEN
BEI EON 40
EXKLUSIV: DIE 50
WERTVOLLSTEN
DEUTSCHEN
MARKEN 44
22
JUNI 2014
Fotos: ullstein bild
A
JUNI 2014
Anfang März reiste nahezu die geschlossene Führungsriege der französischen Großbank Société
Générale nach Berlin. Vorstandschef Frédéric Oudéa
(50) und seine Entourage wollten Kanzleramtsminister Peter Altmaier (55) und Finanzminister
Wolfgang Schäuble (71) einen Besuch abstatten und
ihnen einen interessanten, aber nicht ganz unkomplizierten Handel vorschlagen.
Die Berliner Minister empfingen ihre Gäste mit
großem Bahnhof, und sie hatten, in Anbetracht der
Wichtigkeit, gleich ihre Ressortexperten einbestellt:
Levin Holle (Leiter der Finanzmarktpolitik), Michael
Sell (Leiter der Steuerabteilung), Thomas Westphal
(Leiter der Abteilung Europapolitik) und Ludger
Schlief, seines Zeichens Wirtschaftsberater und Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Société Générale würde die Commerzbank
gerne übernehmen, erklärte Oudéa ohne Umschweife, und er wollte nun in Erfahrung bringen, ob die
„Messieurs les Ministres“ sich denn eine französisch-deutsche Bankenliaison vorstellen könnten.
Dass die Franzosen in Berlin und nicht bei der
Commerzbank selbst in der Finanzkapitale Frankfurt
vorsprachen, hatte einen einfachen Grund: Abgesehen davon, dass eine grenzüberschreitende Bankenübernahme stets ein Politikum darstellt, ist der Bund
darüber hinaus auch noch selbst mit 17 Prozent nicht
nur der größte, sondern auch der alles bestimmende
Aktionär der Commerzbank.
Über die Geschicke des Geldhauses entscheidet
der dortige Aufsichtsrat nur der Form nach, das eigentliche Machtzentrum des Instituts liegt in Berlin.
Ende Mai machte schon der nächste Finanzemissär
23
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
1D Commerzbank
Deutschland
Vorstandsvorsitze
nder: Martin Blessi
ng
Bilanzsumme:
550 Mrd. Euro
Börsenwert:
13,4 Mrd. Euro
Gewinn:
0,078 Mrd. Euro
Anzahl Mitarbeit
er:
53.000
Geschäftsmodell
: Universalbank mi
t
Schwerpunkt Priva
tkundengeschäft
und Mittelstand
seine Aufwartung: Diesmal war es Thomas
Uher (48), Sprecher des Vorstands der Ersten
Bank in Wien. Der Jurist gilt als Anwärter auf
den Chefposten der Muttergesellschaft Erste
Group Bank, die der Wiener Bankier Andreas
Treichl (61) geformt hat.
Auch Uher wollte wissen, was der deutsche Staat
mit seinem Commerzbank-Anteil plane. Er und sein
Chef Treichl jedenfalls könnten sich ein Bündnis mit
den Deutschen gut vorstellen.
Doch nicht genug mit Oudéa und Uher, auch Emilio Botín (79) und Javier Marín Romano (48), der
Aufsichtsrats- beziehungsweise Vorstandschef des
Banco Santander, zeigen Appetit: Das Führungsduo
des zweitwertvollsten Geldhauses Europas (Börsenwert: 84,5 Milliarden Euro) ließ einen früheren
McKinsey-Berater in Frankfurt sondieren, ob die
Commerzbank nicht unter dem Dach der Santander-Gruppe Schutz und Zuflucht suchen wolle.
G
Gewiss, Offerten für die Commerzbank hat es immer
wieder gegeben. Doch diesmal ist das Interesse ernsthafter Natur. Auch deshalb, weil in Berlin zurzeit
über die Zukunft des teilverstaatlichten Geldhauses
intensiv beratschlagt wird.
Die Rahmenbedingungen für einen Ausstieg des
Bundes sind nicht ungünstig. Vorstandschef Martin
Blessing (50), Spross einer deutschen Bankiersdynastie, hat das von seinem Vorgänger und amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus-Peter Müller
(69) heruntergewirtschaftete Institut durch eine
beispiellose Schrumpfkur und schier unaufhörliche
Sanierungsmaßnahmen inzwischen halbwegs stabilisieren können, nicht zuletzt dank vieler Hilfsmilliarden aus der Staatskasse.
Doch Blessing weiß auch, dass die Dauersanierung
der Bank keine sichere Zukunft bietet. Eine Wachstumsstrategie ist mit seinem Vorgehen nicht verbunden, eine unternehmerische Perspektive eröffnet sich
nicht – es sei denn, die Commerzbank lehnt sich an
einen starken, gut situierten Partner an. Auch diese
Möglichkeit haben Blessing und seine Vorstandskollegen verschiedene Male durchgespielt.
24
13
Milliarden Euro
ist die Commerzbank an der
Börse wert. Wer
sie komplett
übernehmen will,
muss aber noch
ein paar Milliarden
drauflegen.
Kann Société Générale,
Banco Santander oder Erster
Bank gelingen, was dem Commerzbank-Primus in jahrelanger Kärrnerarbeit nicht gelungen ist? Vor allem: Ist die Bundesregierung tatsächlich bereit,
sich von ihrem Aktienpaket zu trennen?
Im Herbst 2013 wäre es fast so weit gewesen: Axel
Weber (57), Verwaltungsratspräsident der Zürcher
Großbank UBS und ein Duzfreund Martin Blessings,
sowie Roland Koch (56), Vorstandschef des Baukonzerns Bilfinger und Aufsichtsratsvorsitzender der
deutschen UBS-Dependance, hatten sich für einen
Zusammenschluss mit den Schweizern ins Zeug gelegt. Der Plan besaß durchaus Charme: Der Staat
sollte seine Commerzbank-Beteiligung gegen eine
Teilhabe an der dann neugestalteten UBS tauschen.
Im Gegenzug hätte Berlin vom ersten Jahr an eine
Dividende aus dieser Beteiligung kassieren können.
Die Commerzbank selbst hatte ihren Aktionären zum
letzten Mal im Jahr 2008 Geld ausgeschüttet.
Die Unterhändler hatten selbst daran gedacht, wie
man mit der sogenannten Bad Bank der Frankfurter
verfahren wollte, einem rund 100 Milliarden Euro
umfassenden Bündel notleidender Beteiligungen und
fauler Engagements von Schiffen bis Immobilien: Die
UBS wollte sie an Fonds weiterreichen. Eine elegante
Lösung.
Ende vergangenen Jahres jedoch brachen die
Schweizer die Gespräche wieder ab. Sergio Ermotti
(54), Vorstandsvorsitzender der UBS, will sein Institut zum weltweit tätigen Vermögensverwalter ausund umbauen. Eine Übernahme der Commerzbank
fand in seiner Strategie keinen Platz mehr.
Bei den neuen Übernahme-Interessenten ist
dies freilich anders: Sowohl für die Société Générale,
Banco Santander als auch Erste Bank würde die Commerzbank mit ihren Hauptgeschäften im Privatkunden- und mittelständischen Firmengeschäft eine
vielleicht nicht ideale, aber doch optimale Ergänzung
darstellen.
Außerdem haben die Kavaliere ein Auge auf die
Milliarden-Einlagen der Commerzbank-Kunden geworfen, die in Zeiten unsicherer Finanzmärkte ein
guter Sicherheitspuffer sind. Und: Wenn eines Tages
eine Bankenkrise doch wieder aufflackerte, dann
JUNI 2014
1A
COMMERZBANK
Société Générale
Frankreich
Die Angst vor dem
nächsten Schadensfall
r: Frédéric Oudéa
Vorstandsvorsitzende
1,235 Bill. Euro
Bilanzsumme:
5 Mrd. Euro
34,
Börsenwert:
2,175 Mrd. Euro
Gewinn:
148.000
Anzahl Mitarbeiter:
rsalbank mit
Geschäftsmodell: Unive
ing
ank
ntb
me
est
starkem Inv
gute Ergänzung in
Fit zur Commerzbank:
stünde mit derr
BundesregieFirmengeschäft
allen Feldern, vor allem im
rung „der bestee
Retter bereit,,
den man finden
n
kann“, sagt ein
mit den Gesprächen vertrauter Polit-Profi.
Auch für die finanziellen Voraussetzungen eines Verkaufs gilt: wenn nicht jetzt, wann dann? Zwar hat die
Commerzbank-Aktie ihr Zwischenhoch von über 14 Euro
Anfang April nicht lange halten können, sie hing bei
Redaktionsschluss knapp unter zwölf Euro. Um die ganze Bank übernehmen zu können, müsste ein Käufer über
den Börsenwert von derzeit gut 13 Milliarden Euro hinaus noch eine Prämie bezahlen. Andernfalls würde
Schäuble seine Zustimmung zum Verkauf verweigern.
Aber selbst unter diesen Bedingungen, inklusive eines
Zuschlags, würde die Commerzbank nicht einmal zwei
Drittel ihres Buchwerts kosten. Mit anderen Worten:
Ein Käufer käme billig an das Vermögen der Bank.
Viel länger zu warten lohnt sich nicht. Dass der Bund
seinen Anteil auf absehbare Zeit zu einem höheren Preis
losschlagen könnte, glauben nur die kühnsten Optimisten. Zumal Blessing in Berlin viel Vertrauen („Wir machen die Commerzbank zur führenden Privat- und Firmenkundenbank in Deutschland“) verspielt hat. Über
seine Ankündigung, 2012 vier Milliarden Euro Gewinn
zu erwirtschaften, schütteln heute noch viele den Kopf.
Fotos: ullstein bild - Reuters, Getty Images
V
Vielleicht wollte Blessing mit seinen Weissagungen damals aber auch nur die Stimmung unter den Mitarbeitern aufhellen. Seine aufs Radikalste betriebene
Schrumpfpolitik hat Gemüter und Geschäft gleichermaßen strapaziert: Um Abschreibungen auf notleidende
Engagements finanzieren zu können, musste er werthaltige Geschäfte verkaufen. Doch damit geriet er in
eine Abwärtsspirale ständiger Ertragseinbußen und
anschließender Kostensenkungsprogramme: „Nur wenn
es gut läuft“, sagt Dirk Becker vom Analysten-Haus Kepler Capital Markets, „sind die Kosteneinsparungen größer als die Erträge, die dadurch wegbrechen.“
Doch es läuft nicht gut. Blessing schaffte es zwar, die
Kosten von zehn auf sieben Milliarden Euro zu senken,
JUNI 2014
Verstöße gegen das Iran-Embargo
der Amerikaner können für
die Commerzbank teuer werden.
ngelöste Probleme aus der Zeit seines Vorgängers Klaus-Peter Müller verderben Commerzbank-Chef Martin Blessing regelmäßig die
Zahlenwerke. Seit inzwischen bald vier Jahren ermitteln die New Yorker Staatsanwaltschaft und andere
US-Behörden wegen möglicher Verstöße gegen das
Iran-Embargo; etliche Institute in Europa sind ins
Visier der Amerikaner geraten, darunter auch die
Commerzbank. Anwälte im Auftrag des Frankfurter
Geldhauses arbeiten ernst und angestrengt an einem
Vergleich. Doch der wird womöglich deutlich teurer
als von Blessing kalkuliert.
Etwas mehr als 300 Millionen Euro hat die Commerzbank für den Schadensfall zurückgelegt, scheibchenweise Monat für Monat mühsam angespart.
Dieser Betrag, lautete die ursprüngliche Hoffnung,
sollte unbedingt ausreichen. Blessings Vorsorgeexperten, für ihre Risikoscheu im Bankengeschäft
bekannt, orientierten sich dabei an den Fällen Royal
Bank of Scotland und Standard Chartered Bank. Die
hatten 270 beziehungsweise 340 Millionen Dollar an
die Amerikaner überweisen müssen, um ihre leidigen
Probleme zu lösen.
Doch das ist schon ein paar Jahre her. Inzwischen
sind die amerikanischen Strafverfolger ungeduldiger
und lassen sich einen Vergleich teuer bezahlen. Der
französischen BNP Paribas droht jetzt ein Bußgeld
von ausgesprochen schmerzhaften fünf Milliarden
Dollar, fast vier Milliarden mehr als erwartet. Viel
Hoffnung, deutlich billiger davonzukommen, haben
die Pariser nicht. Denn selbst vor der Drohung, dem
Institut die Betriebserlaubnis für den US-Markt zu
entziehen, schrecken die amerikanischen Behörden
nicht zurück. Doch einen Rückzug vom immer noch
wichtigsten Kapitalmarkt der Welt kann sich kein
Geldhaus von Rang und Namen leisten.
Kein Wunder, dass in der Commerzbank-Zentrale
am Frankfurter Kaiserplatz große Sorge herrscht:
Wenn die Amerikaner ähnlich hart handeln wie im
Fall BNP Paribas, könnten unter Umständen eine
Milliarde Dollar fällig werden. Eine solche Belastung
würde mühsam erzielte Sanierungserfolge gefährden.
Etliche Commerzbanker ärgern sich vor allem
darüber, dass der Schadensfall durchaus vermeidbar
gewesen wäre. Sie erinnern sich noch gut daran, im
Jahr des Embargo-Erlasses den damaligen Institutsleiter Klaus-Peter Müller auf die Gefahren des
Iran-Geschäfts hingewiesen zu haben. Der allerdings
habe alle Warnungen in den Wind geschlagen. Das
Embargo sei ihm egal, habe er geantwortet, er müsse
deutsche Unternehmen begleiten.
U
25
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
1B
der Gewinn im vergangenen Jahr von 78 Millionen
Euro hatte jedoch kaum noch diesen Namen verdient.
Eine nachhaltige Besserung steht nicht zu erwarten.
Im Gegenteil, solange die Zinsen niedrig sind, verdient die Commerzbank selbst im neu ausgerichteten
Massengeschäft kaum Geld. Zehn Prozent der Privatkunden tragen rund 90 Prozent der Kosten des
Filialnetzes. Mit den meisten Kunden ist kein Geld
zu verdienen, zumal die Zweigstellen ihren Betreuungsansatz geändert und sich hauptsächlich auf Beratung verlegt haben. Ärgerlicher Nebeneffekt: Kunden informieren sich bei der Commerzbank, kaufen
Anlageprodukte aber bei der billigeren Konkurrenz.
Obendrein können weitere ungelöste Probleme
die Commerzbank-Bilanz in Mitleidenschaft ziehen: Amerikanische Behörden ermitteln gegen die
Bank wegen diverser Verstöße gegen das Iran-Embargo. Anwälte verhandeln bereits über einen Vergleich. Dieser könnte das Geldhaus eine Milliarde
Dollar oder mehr kosten (siehe Seite 25). Und dass
die Commerzbank den laufenden Stresstest der Europäischen Zentralbank heil übersteht und sich kein
neues Eigenkapital beschaffen muss, ist auch nicht
sicher.
26
r
Banco Santande
Spanien
Botín
rsitzender: Emilio
Aufsichtsratsvo
1,116 Bill. Euro
Bilanzsumme:
84,5 Mrd. Euro
Börsenwert:
4,4 Mrd. Euro
Gewinn:
183.000
ter:
Anzahl Mitarbei
it
l: Universalbank m
Geschäftsmodel
äft
ch
es
ng
de
un
tk
Schwerpunkt Priva
zbank:
äft
Fit zur Commer
Privatkundengesch
im
g
un
nz
gä
Er
te
gu
Berenberg-Analyst Nick Anderson
hat die Aktie der
Commerzbank folgerichtig zum Verkauf empfohlen: Die
Kapitalausstattung sei zu schwach,
die Ertragsperspektive aufgrund der Niedrigzins-Phase dürftig. Die Kosten-Ertrags-Relation, die angibt,
wie viel Gewinn von einem verdienten Euro übrig
bleibt, liegt seit Jahren trotz aller Sanierungsbemühungen bei über 70 Prozent und damit um zehn Prozentpunkte schlechter als bei den meisten Konkurrenten. Andersons Fazit: „Das Management muss
noch härter ran, wie schwierig das auch sein mag.“
Geschäftspartner Wenn
Blessing seine
Pläne vortanzt,
beschlagen
Finanzminister
Wolfgang Schäuble
die Brillengläser.
B
Blessing hat die Bank in einen Teufelskreis manövriert, aus dem sie aus eigener Kraft kaum ausbrechen
kann. Sein Drei-Fronten-Kampf gegen niedrige Zinsen, Einmischungen aus Berlin und die milliardenschweren Altlasten ist kaum zu gewinnen.
Die Anlehnung an ein finanzstarkes internationales Institut erscheint nicht wenigen als die vernünftigere Alternative. Regelmäßig und zuletzt immer
intensiver, auch bei Vorstandsklausuren im Taunus,
diskutiert Blessing mit seinen Kollegen alle denkbaren Übernahme- und Fusionsszenarien: Wer will uns
kaufen? Welche Bank passt zu uns? Gibt es vielleicht
einen sogenannten Weißen Ritter, der uns notfalls
vor einer feindlichen Übernahme schützt?
Bisher nannte die Vorstandsrunde immer wieder
denselben Wunschpartner: die Erste Group Bank in
Wien. Mit einer kombinierten Bilanzsumme von rund
750 Milliarden Euro gelänge dem zusammengeschlossenen Institut zwar nicht der Vorstoß in die Nähe der
Tabellenspitze der Banken-Liga. Aus Sicht von Blessing ist die Präferenz für die Wiener allerdings
verständlich.
Er schätzt Erste-Primus Treichl und hat ihn schon
mehrfach getroffen. Die beiden Männer verstehen
sich. Die Commerzbank könnte bei einem Bündnis
mit den Österreichern am ehesten ihre Kultur und
Identität sichern – und die Vorstände ihre Posten.
JUNI 2014
1C Erste Group
COMMERZBANK
Österreich
Fotos: Getty Images, Erste Bank, Santander, picture-alliance / dpa
Vorstandsvorsit
zender: Andrea
s Treichl
Bilanzsumme:
200 Mrd. Euro
Börsenwert:
10 Mrd. Euro
Gewinn:
0,061 Mrd. Euro
Anzahl Mitarbei
ter:
46.000
Geschäftsmod
ell: Universalban
k mit
Schwerpunkt Priva
tkundengeschäft
Fit zur Commer
zbank: ku
Fraglich ist jedoch,
lturell gute,
ob die Erste Bank
geschäftlich mäß
ige Ergänzung
reich genug ist, um
den Bundesanteil und
anschließend die
Mehrheit der Commerzbank-Aktien zu kaufen. Auch die Wiener, eine Stiftung
österreichischen Rechts, schleppen noch etliche Altlasten aus osteuropäischen Geschäften mit sich herum. An ihrer Finanzkraft hegt man in der Branche
einige Zweifel.
Die Interessenten aus Frankreich und Spanien
sind da schon von anderem Kaliber: Der Banco Santander, eine wirtschaftlich kerngesunde Privatkundenbank mit mehr als 100 Millionen Kunden und
einem dicht geknüpften Filialnetz in Spanien, Großbritannien und Brasilien, ist in Deutschland, dem
größten europäischen Markt, zwar mit Zweigstellen
vertreten, aber bei Weitem nicht in ausreichender
Anzahl. Die Commerzbank mit ihren fast 15 Millionen
Privatkunden wäre die richtige Ergänzung. Auch bei
der Partneranalyse der Commerzbank-Vorstände
schnitt der spanische Kraftprotz passabel ab, nicht
zuletzt, weil er den Landesgesellschaften Freiheiten
lässt – zumindest, sofern die Zahlen stimmen.
Am besten aber, und dies ahnen alle Beteiligten,
würde die Société Générale passen: Die Pariser Universalbank mit ihrer kraftvollen Investmentban- Turmhoher
king-Abteilung könnte beträchtliche Wirkungen im Favorit Die
Firmenkundengeschäft entfalten. Motto: Die Com- Zentrale der
Société Générale
merzbank verfügt über die Kundschaft, die Société am Boulevard
Générale über die passenden Produkte.
Haussmann in
Sorgen bereitet den Commerzbankern allerdings Paris.
noch der einer strengen Rangordnung gehorchende,
zentralistische Führungsstil der französischen Wirtschaftselite, an deren Spitze stets der sogenannte
Président Directeur Général thront, der von Mitbestimmung so viel hält wie Ludwig XIV. Die Befürchtung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass eine
„Banque du Commerce“ sehr bald zum Filialbetrieb
der Franzosen erniedrigt würde.
Dennoch sagte diese möglicherweise schmerzhafte Lösung Blessing & Co. aber immer noch mehr zu
als eine Verbindung mit der Deutschen Bank, die als
„Schreckensszenario“ gilt. Wenn der hiesige Branchenführer zum Zuge und zum Zugriff käme, dann
würde von der Commerzbank bald nur noch die ErJUNI 2014
inn
innerung
an sie übrig bleiben. Nein, eine Verbindung
mit der Deutschen Bank zieht Blessing nicht ernsthaft
mi
in Erwägung. Wobei ein Zusammenschluss der größten mit der zweitgrößten Bank ohnehin in Berlin
keine Zustimmung bekäme.
kei
E
Eine deutsch-französische Lösung dagegen erscheint
sowohl im Kanzleramt als auch im Elysée-Palast als
bedenkenswert und förderungsfähig. Zumal die Société Générale eine jener Bedingungen bereitwillig
erfüllen würde, die in Berlin immer wieder als Voraussetzung für einen Verkauf gestellt wird: Das Firmengeschäft mit den deutschen Mittelständlern darf
nicht angetastet werden. Bundeskanzlerin Merkel
liegt das Thema am Herzen, nicht zuletzt, weil sie
weiteren Ärger mit der notorisch unzufriedenen Mittelstandsvereinigung ihrer Partei vermeiden will.
Aber ist Merkel bereit, die Commerzbank in ausländische Hände zu geben? Dies ist auch eine Frage
des Kaufpreises. Die französische Delegation kam aus
Berlin mit dem Eindruck zurück, die Deutschen seien
durchaus bereit, sich von ihrer Teilhabe an der Commerzbank zu trennen, zumal ein Staat nicht der ideale
Eigentümer einer Bank sei. Der Wille, die Beteiligung
zu verkaufen, steht indes im Widerstreit mit der
Furcht, ein Verlustgeschäft zu machen.
Bei rund 22 Euro notierte die Commerzbank-Aktie,
als der Bund 2009 eingestiegen war. Heute ist der
Anteil – trotz guter Konjunktur und blühender Börse
– nur noch etwa die Hälfte wert. Einen Verkauf zum
Schleuderpreis lehnt Berlin ab, auch aus Sorge vor
schlechter Kritik in der Presse. „Wir wollen die
Schlagzeile nicht lesen: ,Erst rettet der deutsche Steuerzahler Europas Südländer, dann verschleudert die
Bundeskanzlerin eine vom deutschen Steuerzahler
gerettete Bank‘“, sagt ein Kanzlerberater.
Also müssen die Interessenten nachlegen. Bis zum
Herbst, wenn der Stresstest beendet ist, wollen die
Beteiligten zu einem Ergebnis kommen. Ein Preis von
18 Euro pro Aktie gilt im Kanzleramt als rote Linie.
Keine unüberwindliche Hürde für Frédéric Oudéa,
der ein paneuropäisches Powerhaus bauen will.
ARNO BALZER, WINFRIED WILHELM
27
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
DER MANN, DER
NICHT ERSTER
WERDEN KONNTE
Ausgerechnet im Jahr der FußballWeltmeisterschaft steckt Adidas
in einer Formkrise: Der Umsatz sinkt,
die Aktionäre maulen, der Abstand zum
Marktführer Nike wächst. Aber Vorstandschef Herbert Hainer zeigt sich
austrainiert und kampfbereit: Bis Silvester
soll sein Betrieb um acht Prozent zulegen:
„Und das werden wir auch schaffen.“
Herr Hainer, wann reisen Sie zur WM nach
Brasilien?
Am 9. Juni, für neun Tage. Dann geht’s wieder
zurück, und dann fliege ich noch mal zu den Halbfinal- und Finalspielen.
Nehmen Sie Ihre Frau mit?
Nein, ich hab’ dort ja auch gar keine Zeit für sie. Ich
renn’ von einem Termin zum nächsten. Außerdem
waren wir vor zwei Jahren im Urlaub in Brasilien,
daher sagt meine Frau jetzt: Das kenn’ ich schon.
Nein, ich fliege mit meinen Mitarbeitern.
Sie haben neun Nationalmannschaften unter
Vertrag, Ihr Erzwidersacher Nike deren zehn:
28
JUNI 2014
INTERVIEW
Natürlich tut uns der starke Euro
weh. Wenn die Währungen
so abschmieren wie in den
letzten Monaten, dann ist das
ein Problem.“
größte WM-Kampagne aller Zeiten fahren, vor
allem digital. Keine Marke wird sichtbarer sein als
Adidas.
Aber Nike rüstet Brasilien aus, den Favoriten.
Wir haben Spanien, Argentinien, Deutschland.
Die Nike-Leute sagen, dass das Fußballgeschäft
entscheidend für ihre Strategie sei, aber wir
haben auch gehört, dass Sie Fragen zu Nike ziemlich langweilig finden.
Ja, aber fragen Sie ruhig.
Foto: Daniel Karmann
Gleich. Zunächst einmal: Sie sind der erfolgreichste Adidas-Chef aller Zeiten. Ausgerechnet
im WM-Jahr, das ein Höhepunkt Ihrer Karriere
sein sollte, zeigt Adidas Schwächen: 2013
schrumpften die Einnahmen um knapp drei, im
ersten Quartal 2014 sogar um sechs Prozent.
Was ist das: ein Formtief oder schon eine -krise?
Das erste Quartal war schwach. Das stimmt. Der
starke Euro und die damit verbundene Schwäche
der Währungen in fast allen Schwellenländern ist
ein Problem. Aber ab jetzt werden wir in jedem
Quartal besser abschneiden und bis Ende 2014 um
sieben bis neun Prozent wachsen. Währungsbereinigt.
Es macht keinen guten Eindruck, wenn der
Weltmarktführer im Fußballgeschäft schon
vorm Anpfiff des ersten Spiels verloren hat.
a) K ommt’s nicht auf die Menge, sondern auf die
Qualität an, und b) hatten wir 2006 bei der WM in
Deutschland sogar nur sechs Verbände im Turnier,
und die WM war für uns außerordentlich erfolgreich. Also, die Quantität spielt keine Rolle. Am
Ende des Tages muss man sehen, wie viele Teams
die Vorrunde überstehen und ins Halbfinale oder
ins Finale kommen. Außerdem haben wir durch
unsere Partnerschaft mit der FIFA alle Ballkinder,
alle Stewards, alle Schiedsrichter in Adidas. Wir
sind auf den Banden im Stadion zu sehen, und wir
stellen den offiziellen Spielball. Wir werden die
JUNI 2014
„Mal
gewinnen
wir, mal
die anderen“
Der AdidasStratege
Herbert Hainer
(59) hat
sich in seiner
13-jährigen
Amtszeit
eine gewisse
Lässigkeit
angeeignet.
Unter einem starken Euro leiden alle Exporteure. Der Adidas-Umsatz hat jedoch selbst
währungsbereinigt nur Vorjahreshöhe erreicht.
Vergessen Sie jetzt mal das erste Quartal: Wir werden definitiv ein deutlich besseres zweites Quartal
sehen, auch dank der WM. Natürlich tut uns der
starke Euro weh, denn wir machen über zwei Drittel unseres Umsatzes außerhalb des Euro-Raumes.
Wenn die Währungen so abschmieren wie in den
letzten Monaten, dann ist das ein Problem. Aber
gut. Weiter.
Es ist fahrlässig und leichtsinnig, auf stabile
Wechselkurse zu setzen. Musste man wirklich
überrascht sein vom starken Euro?
Das ist so ja nicht ganz richtig. Wir sind nicht von
stabilen Wechselkursen ausgegangen. Aber wir
müssen irgendwann ein Budget festlegen auf Basis
gegebener Wechselkurse. Wir weisen unsere Zahlen immer absolut und dann währungsneutral aus.
Währungsneutral heißt: Wie ist die operative Per-
29
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
formance? Daran messen wir unsere Manager, und
daran messen uns auch die Finanzmärkte. Im
Moment ist es leider so, dass die meisten Währungen gegenüber dem Euro an Wert verloren haben.
Das war auch schon anders: 2009 war der Euro
schwach. Damals haben wir einen Vorteil gehabt.
Sie haben das Ergebnis allerdings nicht mit
dem vorteilhaften Wechselkurs erklärt.
Doch. Wir weisen unsere Zahlen immer währungsneutral aus. Und wir sind nicht die Einzigen, das
machen fast alle.
Sie glauben, den letztjährigen Rekordüberschuss
von 839 Millionen Euro noch übertreffen zu
können?
Ja, wir wollen immer zulegen. Diesmal ist die Bandbreite unserer Prognose aber wegen der Währungsunsicherheiten größer als üblich und liegt bei 830
bis 930 Millionen Euro.
2010 haben Sie für Ende nächsten Jahres einen
Umsatz von 17 Milliarden Euro vorhergesagt.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Adidas
zweimal um mindestens acht Prozent zulegen.
Das werden wir auch schaffen – währungsneutral
jedenfalls.
Um Nike zu
entthronen,
müssten
wir in
Amerika zu
viel Geld in
die Hand
nehmen
und woanders abziehen. Größe
allein ist
nicht
entscheidend.“
Währungsneutral lässt sich nur theoretisch
wirtschaften. Praktisch fehlt am Ende Geld in
der Kasse.
Noch mal: Wir werden in diesem Jahr währungsneutral zwischen 1 und 1,2 Milliarden Euro wach-
Staubwolke am Horizont
Nike galoppiert Adidas davon.
in Mrd. Euro
20
Umsatz
Adidas
Nike
15
5
Gewinn
Adidas
Nike
1
0
2000
2003
2006
2009
Quelle: Geschäftsberichte, Statista.com, BILANZ-Recherche, Medienberichte
30
Wenn der Euro so stark bleibt ...
... könnte es mit den 17 Milliarden Euro Umsatz
als absolute Zahl länger dauern als ursprünglich
gedacht.
Vor allem auf dem weltgrößten Sportartikelmarkt, in den USA, scheinen Ihre Leute
geschlafen zu haben: Im ersten Quartal krachten die Einnahmen um 23,5 Prozent zu Boden.
Sogar um Währungseffekte bereinigt, blieben
die Erlöse um 20 Prozent hinterm Vorjahr
zurück. Der Reebok-Umsatz zog sich zusammen, auch die Kernmarke Adidas wirkt anfällig
und kraftlos.
Sie dürfen nicht den Fehler machen, immer nur
ein Quartal herauszugreifen. Sie werden sehen: Wir
werden 2014 in Amerika von Quartal zu Quartal
besser. Reebok wird weltweit im hohen einstelligen
Prozentbereich wachsen. Aber Sie haben recht:
Amerika ist der Markt, wo wir sicherlich vor den
größten Herausforderungen stehen. Wir sind
dort zwar in den vergangenen vier Jahren immer
gewachsen, aber eben nicht so stark wie unsere
Haupt-Wettbewerber. Das erste Quartal war nicht
befriedigend, das ist überhaupt keine Frage, aber
vergessen Sie nicht: 2013 war mit einem Nettoergebnis von 839 Millionen nach Steuern das erfolgreichste Jahr unserer Firmengeschichte. Es wird
immer gesagt, unser Wettbewerber mache alles so
supertoll. Aber vielleicht wird das auch nur gesagt,
damit ich mich ein bisschen ärgere.
Kann man Sie denn damit ärgern?
Ich hab’ mir mal die Aktienkursentwicklung der
vergangenen fünf Jahre angeguckt. Der Dax ist um
97 Prozent gestiegen, Nike um 165 Prozent und wir
um 194 Prozent. Und das ist doch, was ein Investor
sucht: ein langfristiges sicheres Investment.
10
2
sen – und davon voraussichtlich dann wieder einen
Großteil durch die Währungsverluste verlieren.
2013
Manche Aktionäre suchen mehr als das, nämlich
dass Adidas Nike zeigt, was eine Harke ist:
Union Investment stimmte auf der Hauptversammlung im Mai gegen Ihre Entlastung. Man
habe das Vertrauen in Ihre Künste verloren.
JUNI 2014
INTERVIEW
wir werden weitere junge Manager in hohe Verantwortung bringen. Der Geschäftsführer von Korea,
Zion Armstrong, ein Neuseeländer, wird Markenchef in Amerika, und so werden wir Zug um Zug die
nächste Generation in Stellung bringen.
Wir bekamen auf der Hauptversammlung eine Entlastung von 96 Prozent. Recht viel mehr geht nicht.
Am Tag der HV ist unser Kurs um fast zwei Prozent
gestiegen. Da ist unheimlich viel Vertrauen da.
Schlecht laufen die Geschäfte Ihres kalifornischen Golf-Ausrüsters Taylor Made: Der Umsatz
fiel 2013 um 38 Prozent auf 264 Millionen Euro
zusammen. Wer muss seinen Kopf dafür
hinhalten?
Lassen Sie mich dazu Folgendes sagen: Mark King,
der Taylor Made verantwortete, hat das Unternehmen innerhalb von nur zehn Jahren zum Weltmarktführer gemacht. Derzeit befindet sich der
ganze Golfmarkt in Schwierigkeiten, 2013 sind in
Amerika zehn Prozent weniger Runden gespielt
worden als im Jahr zuvor. Und das drückt natürlich
auf den Konsum: Es werden keine Bälle verschossen, keine Schläger kaputt gemacht und, und, und.
In den ersten drei Monaten 2014 waren es wieder
fünf Prozent weniger.
Fotos: Daniel Karmann, picture alliance / ZUMAPRESS.com
Woran liegt das?
Vor allem am Wetter. Die ganze Ostküste war ja
zugefroren, es war wie im Eiskeller die ersten drei
Monate. In diesem Jahr war es selbst in Florida eiskalt. Und weil der Markt zwei Jahre hintereinander
nicht wuchs, ist zu viel Ware im Markt. Wir gehen
davon aus, dass wir am Jahresende ein leicht einstelliges Minus haben. Der Markt wird die nächsten
neun, zwölf Monate schwierig bleiben.
Sie selbst waren viele Jahre für den US-Markt
verantwortlich. Im April haben Sie den Job an
Ihren neuen Vertriebsvorstand Roland Auschel
abgegeben. Kann er das besser als Sie?
Oh ja, ich hoffe sehr, dass Roland erfolgreich ist.
Aber wie ich Ihnen gerade aufgezeigt habe, ist es
für uns die vergangenen Jahre in Amerika gar nicht
so schlecht gelaufen. Bei der Profitabilität haben
wir sogar deutlich zugelegt. Abgesehen davon: Wir
wollen unseren jungen Managern mehr Verantwortung geben. Die nächste Führungsriege für das Unternehmen heranzuziehen ist eine meiner Hauptaufgaben in den nächsten drei Jahren. Neben Roland Auschel haben wir mit dem Amerikaner Eric
Liedtke auch einen neuen Markenvorstand, und
JUNI 2014
„Erstmals im
Battle Pack“
Wenigstens im
ChampionsLeague-Finale
siegte Adidas.
Hainer-Mann
Gareth Bale jagt
hier in seinen
neuen Schuhen
um einige
Atlético-Vertreter
herum, die sich
von Nike
ausstatten lassen.
Skizzieren Sie uns Ihre neue US-Strategie.
Wir müssen unser Angebot insgesamt sicherlich
besser an den amerikanischen Markt anpassen. Wir
wollen die High-School-Kids begeistern.
Sie haben die New Yorker Investmentberatung
Guggenheim Partners beauftragt, Ihre
US-Schuhmarke Rockport zu verkaufen.
Rockport wächst und ist profitabel, aber kein strategisch wichtiges Asset. Wir haben die Marke beim
Reebok-Kauf mitbekommen. In den vergangenen
sechs Monaten gingen unheimlich viele Anfragen
ein, nicht nur von Private-Equity-Firmen. Deshalb
haben wir Guggenheim eingeschaltet. Die sortieren
jetzt die Angebote. Im August wissen wir mehr.
Wenn die Angebote stimmen, verkaufen wir. Sonst
nicht.
Nicht nur in Nordamerika, auch in Europa sank
der Adidas-Umsatz 2013, als hätte jemand den
Stöpsel aus der Wanne gezogen: um sieben Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. Ihr Rivale Nike konnte sich im selben Jahr um 17 Prozent entfalten.
Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen in der ganzen Welt.
Mal gewinnen wir, mal die anderen. Vor vier Wochen haben wir die Marktführerschaft in Südkorea
übernommen. Wir sind Marktführer in Japan und
Russland, wir wachsen schneller in China und
Lateinamerika.
Aber eben nicht daheim in Europa.
Richtig, unser Wettbewerber greift uns in Europa
an, wir ihn im Rest der Welt. So wird es weitergehen. Wir schaukeln uns beide hoch, und ich bin der
festen Überzeugung, dass es gut für beide Unternehmen ist. Konkurrenz belebt das Geschäft. Und
Sie haben weiter genügend Stoff für Geschichten.
Händler berichten, dass Nike sogar in
Deutschland inzwischen mehr Fußballschuhe
verkauft als Adidas.
Die Händler sehen Nike, die Konsumenten sehen
Adidas vorne. Ich denke, wir liegen gleichauf und
kommen gemeinsam auf 95 Prozent Marktanteil.
Nike hat den neuen Fußballschuh Magista,
den man wie einen Strumpf über den Fuß zieht,
rechtzeitig zur WM in die Läden gebracht.
Adidas’ Primeknit FS ist eine Studie geblieben.
Haben Ihre Leute getrödelt?
Wir werden weiter am Primeknit FS arbeiten.
Denn wir glauben, dass wir ihn noch besser ma-
31
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Ihr Traum, Nike noch in Ihrer Amtszeit zu
überholen, ist jedenfalls geplatzt.
Dass das mein Traum sei, wird mir ständig unterstellt. Ich habe das nie behauptet. Wir wollen das
führende Sportartikelunternehmen der Welt sein.
Führend heißt nicht größtes.
Unter Sportsfreunden schon.
Um Nike zu entthronen, müssten wir zu viel Geld
in Amerika in die Hand nehmen und woanders abziehen. Wir wollen die innovativsten und besten
Produkte anbieten und unseren Händlern den besten Service. Größe ist nicht entscheidend, sonst
würden die Dinosaurier noch leben, und die Ameisen wären alle tot.
Sie haben den Vorstand etwas verjüngt, aber
das starke Geschlecht ist dort nicht vertreten:
Werden Frauen bei Adidas nichts oder nur
älter?
28 Prozent unserer Führungskräfte sind Frauen.
Unser Ziel ist es, bis 2015 auf 32 Prozent zu kommen. Damit wären wir führend in Deutschland.
Zudem haben wir nun vier Frauen im Aufsichtsrat.
Viel wichtiger als irgendeine Quote ist es aber,
dass wir die richtigen Voraussetzungen für die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen. Da
sind wir mit unserer brandneuen Kita für 110 Kinder einen Riesenschritt vorangekommen.
Sie sind der am längsten amtierende Chef eines
Dax-Konzerns: Im März haben Sie Ihren Vertrag bis 2017 verlängert. Insgesamt 16 Jahre gehen dann aber schon an die Substanz, oder?
Es ist eine kraftzehrende Aufgabe. Aber ich bin
hier von so viel jungen Menschen umgeben, das
hält mich geistig jung. Aber, wenn ich das mal so
sagen darf: Ich sehe ja auch nicht so aus, als würde
ich morgen in die Kiste springen. Ich laufe, gehe
32
Herbert
Hainer
Seit 2001 steht
der Metzgersohn
aus Dingolfing
an der Spitze des
zweitgrößten
Sportartikelkonzerns der Welt.
Hainer schmiedet gern Pläne.
Aber sein Plan,
den Meister Nike
zu stürzen, ist
nicht aufgegangen. Dass er sein
Ziel bis 2017
(Vertragsende)
erreicht, ist
nahezu ausgeschlossen. Denn
auch die Amis
dösen nicht.
Aber sagen wir
einmal so: Ein
Wunder könnte
ihm jetzt gut
helfen.
hier auf dem Campus ins Fitness-Studio. Und ich
bleibe ja auch nicht für die Ewigkeit da. 2017 ist
wirklich Schluss. Keine Sorge.
Sie gehören den Aufsichtsräten der Lufthansa,
der Allianz Deutschland und des FC Bayern
München an, dessen Gremium Sie als Nachfolger von Uli Hoeneß leiten. Haben die Bayern zu
lange an Hoeneß festgehalten?
Ganz und gar nicht. Der Aufsichtsrat ist laut Statuten ja dem Wohlergehen der FC Bayern München
AG verpflichtet, und der Aufsichtsrat war einhellig
der Meinung, Uli Hoeneß im Amt zu lassen, solange er nicht verurteilt ist.
Das Verhältnis von Adidas zu Hoeneß ist
problematisch. Denn die 20 Millionen Mark für
seine Finanzwetten hatte ihm Ihr Vorgänger
Robert Louis-Dreyfus beschafft.
Es war Privatgeld von Louis-Dreyfus. Adidas hatte
damit absolut nichts zu tun.
Nike wollte damals beim FC Bayern einsteigen
und hatte, laut Louis-Dreyfus, sogar „das Zehnfache“ dessen geboten, was Adidas zu zahlen
bereit gewesen war. Dennoch bekam Adidas
von Hoeneß den Zuschlag. So ganz abwegig ist
die Idee nicht, dass Louis-Dreyfus mit seiner
Gabe etwas nachgeholfen hat.
Das ist Blödsinn. Wir haben den Vorfall intern untersuchen lassen. Ich kann Ihnen sagen: Das Geld
kam definitiv nicht von Adidas. Zudem habe ich die
Verhandlungen mit dem FC Bayern geleitet, Robert Louis-Dreyfus war bei keinem Meeting dabei.
Der VW-Chef Martin Winterkorn, der den VfL
Wolfsburg unterhält, sitzt bei Bayern im Aufsichtsrat. Was hielten Sie davon, wenn Björn
Gulden von Puma bei Ihnen im Rat säße?
Bei Martin Winterkorn ist es sicherlich so, dass er
vom FC Bayern für die Entwicklung des VfL Wolfsburg lernen will.
Gulden könnte auch von Adidas etwas lernen.
Die Situation hier würde ich doch ein bisschen anders einschätzen. Zudem hat Björn Gulden schon
in den 90er-Jahren das Handwerk bei uns gelernt.
JUNI 2014
Foto: Daniel Karmann
chen können, bevor wir ihn einführen. Das Nächste, was wir bringen, ist das Battle Pack: Beim
Champions-League-Finale waren unsere Real-Spieler Gareth Bale und Karim Benzema zum ersten
Mal im Battle Pack aufgelaufen: mit schwarz-weißen Schuhen und farbigen Streifen. Das war völlig
neu und hat viel Aufsehen erregt.
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JUNI 2014
33
* © 2014 Morningstar, Inc. Alle Rechte vorbehalten. Die hierin enthaltenen Informationen sind für Morningstar und/oder ihre Inhalte-Anbieter urheberrechtlich geschützt, dürfen nicht vervielfältigt oder verbreitet werden und deren Richtigkeit, Vollständigkeit und
Aktualität werden nicht garantiert. Weder Morningstar noch deren Inhalte-Anbieter sind verantwortlich für etwaige Schäden oder Verluste, die aus der Verwendung dieser Informationen entstehen. Keine Garantie für künftige Entwicklungen.
Fotos: picture alliance / dpa, M. Lengemann
Dieser Mann
weckt
Desinteresse
Manfred Gentz,
Vorsitzender
der Regierungskommission zur
Corporate Governance, kann tun,
was er will, die
Minister bekommen nichts mit.
Manche schauen
sogar absichtlich
weg.
GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
DER LETZTE
PREUSSE
Mit ihren Regeln zur guten
Unternehmensführung
blamiert sich die deutsche
Wirtschaft nach Kräften.
Kann Daimler-Pensionär
Manfred Gentz dem Ethikrat
mehr Einfluss verschaffen?
A
Auf die Antworten wartet Manfred Gentz
(72) noch immer. Gleich nachdem er im
vergangenen September den Vorsitz der
Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex übernommen hatte, war er in Berlin um ein paar Hauptstadttermine vorstellig geworden.
Doch seine Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen blieben ohne
Antwort. Das gefiel dem ehemaligen Daimler-Vorstand überhaupt nicht. Selbst Justizminister Heiko Maas (47) hatte es erst
nach Monaten für notwendig befunden,
zum Telefon zu greifen und ihn anzurufen.
Dabei ist der SPD-Mann schon von Amts
wegen für die Gentz-Riege zuständig.
Dass in der Hauptstadt niemand auf den
mutmaßlich wichtigsten Seniorenverein in
Deutschland reagiert, spricht Bände: Eigentlich sollte die 2001 ins Leben gerufene
Kodex-Kommission die Regeln für eine
JUNI 2014
sittlich einwandfreie Unternehmensführung festlegen und dergestalt die Politik
von Eingriffen ins Wirtschaftsgeschehen
abhalten (siehe Seite 37).
Doch leider wecken die Honoratioren in
Berlin nur allgemeines Desinteresse. Sie
müssten wahrscheinlich in rosafarbenen
Trikots antreten, um Beachtung zu finden. Das neue Kabinett greift auf munterste Weise mit Gesetzen und Verordnungen
aller Art unbefangener denn je in die Unternehmensführung ein.
Kodexwächter Gentz ist zwar ein Mann
von strammer Haltung und scharfer Denkungsart. Aber auch ein Anhänger des Realismus. Der erfolgreiche Umgang mit Politikern verlangt eine Menge Praxis: „Leider
hängt es nicht allein von uns ab, in einen
sachlichen Dialog mit der Politik zu treten.
Die Politik muss es auch wollen.“ Sein
Ausschuss befindet sich in einer Klemme:
Unternehmer wollen möglichst wenige Regelungen, Politiker möglichst viele.
Darüber hinaus leidet die Kommission
noch unter der Arbeit der Gentz-Vorgänger
Gerhard Cromme (71), der bis 2008 amtierte, und schließlich Klaus-Peter Müller
(69). Der frühere Thyssen-Krupp-Chef
Cromme saß gemeinsam mit dem damaligen Allianz-Vorstand Paul Achleitner und
dem Sprecher der Deutschen Bank, RolfErnst Breuer, im Gründungsteam der Kommission. Doch die drei hatten sehr private
Vorstellungen von dem, was man unter
Transparenz versteht: Statt offen und geradeaus, versuchten sie, zum Missfallen der
übrigen Kommissionsmitglieder, in einer
Art Hinterzimmerpolitik Einfluss auf Vorstände und Aufsichtsräte zu nehmen.
Crommes Nachfolger Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, sorgte
zwar für mehr Licht und Durchsichtigkeit.
Er setzte ein Konsultationsverfahren in
Gang und forderte die Manager der deutschen Wirtschaft auf einer Internetseite zu
Kritik und Kommentaren sowie Verbesse-
Der Gegenspieler
Justizminister Heiko Maas hat für
Gentz keinen Termin frei.
Niemand in der Regierung hört
auf den Chef der Kommission.
Die Manager haben ihr
Renommee verspielt.
Der Mann sprüht
nicht“, urteilt ein
Kollege. Gentz ist
bislang nicht als
Reformer aufgefallen.
35
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Sind diejenigen geeignet, Regeln zur
guten Unternehmensführung aufzustellen, die ihren eigenen Laden
nicht im Grifff haben?“
Im Finanzministerium
stellt man nicht unberechtigte Fragen.
Alles einwandfrei?
Neun Dax-Konzerne mit
Bestnoten
Diese Unternehmen erreichten
laut einer Studie der Handelshochschule Leipzig in den
vier Disziplinen Transparenz,
Vielfalt, Kontrolle und Anreizsysteme
die volle Punktzahl:
BASF
Bayer
BMW
Deutsche Post
Deutsche Telekom
Eon
Münchner Rückversicherung
RWE
Thyssen-Krupp
Und diese rangieren mit 90,8
Prozent ganz unten im Dax 30:
Fresenius
Volkswagen
36
rungsvorschlägen auf. Doch je offenkundiger wurde, welch traurige Rolle Müller beim
Fehlmanagement der Commerzbank gespielt hatte, desto mehr litt seine Reputation. Am Ende hatte er fast gar keine mehr.
Nicht genug damit, dass weder Cromme
noch Müller als Vorbilder für gute Unternehmensführung infrage kamen, gelang es
ihnen nicht, aus der Kommission, die für
sich genommen nur ein vom Dinglichen
abgelöstes Gebilde ist oder ein Debattierklub, ein schlagkräftiges Gefüge mit einem
athletischen Apparat zu machen.
In der 14-köpfigen Runde (Durchschnittsalter: 60 Jahre) sitzen viele Ehemalige, kein einziger Vorstandsvorsitzender
eines Dax-30-Konzerns und überhaupt nur
ein amtierender Aufsichtsratschef (Börsen-Kontrolleur Joachim Faber).
Die Drahtzieher der einstigen Deutschland AG, Männer wie Manfred Schneider
(Aufsichtsratschef Linde und RWE) oder
Werner Wenning (Aufsichtsratschef Bayer
und Eon), schlagen geflissentlich einen
Bogen um die Kommission. Nicht alle bedauern dies.
Weit folgenreicher ist, dass sich auf den
öffentlichen Vergnügungen und Veranstaltungen des Gremiums in den vergangenen
Jahren so gut wie keine der führenden Wirtschaftskräfte blicken ließen.
Im Gegenteil, die maßgeblichen Aufsichtsräte des Landes steckten ihre Köpfe
in der Vergangenheit lieber bei den Geheim-Abendessen zusammen, die der gute
alte Cromme mehrmals im Jahr ausgerichtet hatte. Das letzte dieser okkulten Dinner
sollte im vergangenen Herbst stattfinden,
wurde aber mangels Zusagen gestrichen.
Der so unangefochten wie Captain Sunshine verfahrende Cromme und der biedere
Banker Müller haben, was die Verringerung
des Einflusses der Kommission angeht, jedenfalls ganze Arbeit geleistet.
Das lag nicht nur an der falschen Taktik,
sondern auch daran, dass Cromme in Berliner Regierungskreisen wegen seiner Ver-
antwortung für das Missmanagement und
die Korruptionsskandale bei ThyssenKrupp nicht gern gesehen wurde.
Müller stieß wegen seiner Tricksereien
bei der Commerzbank, wo er als Aufsichtsratsvorsitzender irrlichtert, ebenfalls auf
breite Ablehnung: „Wie soll uns jemand in
Sachen guter Unternehmensführung beraten, der seit Jahren seinen eigenen Laden
nicht in den Griff bekommt“, mosern Beamte im Finanzministerium, das die 17-Prozent-Beteiligung des Bundes an dem Kreditinstitut verwaltet.
Als Müller im vergangenen Jahr seinen
Abschied vom Ehrenamt des Kommissionsleiters einreichte, aber monatelang mit
keinem Nachfolger aufwarten konnte, ging
BASF-Chef Kurt Bock (55) sozusagen ein
Knopf auf, und er platzte öffentlicherweise
mit der Forderung heraus, die Kommission
doch gleich ganz aufzulösen.
Viele, auch wirkungsreiche Manager,
stimmten dem Bock zu, jedenfalls inoffizieller- und murmelnderweise. Am Ende
musste BDI-Chef Ulrich Grillo (54) herbeieilen und die Erregten beruhigen.
Kann es Manfred Gentz, der Berliner
Preuße, nun besser als seine Vorgänger?
Um den Posten des Kommissionschefs gerissen hat sich der Jurist nicht, der fast sein
ganzes Berufsleben bei Daimler verbracht
hat. Die Anfrage hat er wochenlang überhört, das Angebot, eigenen Worten zufolge,
„über Monate abgelehnt“.
Erst als die Regierungskommission mangels Führung „unterzugehen drohte“, lenkte Gentz ein. Am Ende siegte sein Pflichtgefühl. „Letztlich habe ich mich sogar
wegen der Kritik, die Kommission sei überflüssig geworden, überzeugen lassen, den
Vorsitz zu übernehmen.“ Ob sein Zögern
eine gute Voraussetzung für die Erfüllung
seiner Aufgabe ist?
Vor der Amtsübernahme musste Gentz
freilich noch die Finanzierungsfrage regeln.
Die Regierung, tadeln Komiteemitglieder,
erübrige für ihre eigene Kommission nur
JUNI 2014
Fotos: Reuters, Oliver Tjaden/laif
Allen Einfluss verspielt Gentz-Vorgänger
Klaus-Peter Müller.
GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Ungern gesehen
Wenn Regierungsmitglieder an den
früheren ThyssenKrupp-Manager
Gerhard Cromme
auch nur denken,
müssen sie erst
einmal raus und
eine Runde um
den Block laufen.
ein Budget von weniger als einer Million
Euro und trage nicht einmal die Spesen.
Müller und Cromme hatten die Auslagen
von Commerzbank und Thyssen-Krupp
begleichen lassen. Weil Gentz aber keinen
Geldgeber mitbringt, musste die Finanzierung auf die gesamte Wirtschaft umgelegt
werden. Als Kassenschalter dient jetzt das
deutsche Aktieninstitut, das über eine Sonderumlage sein Budget erhöht hat.
Aus dem Vorstand von Daimler hatte
sich Gentz schon 2004 zurückgezogen.
Gleichwohl finanzieren ihm die spendablen
Stuttgarter ein mehr als präsentables Büro
am Potsdamer Platz in Berlin.
Und warum auch nicht? Gentz genießt
in der Gilde einen guten Ruf, er sei aufrecht,
fleißig, pflichtbewusst und diplomatisch.
Kaum jemand engagiert sich in so vielen
Ehrenämtern wie Gentz – vom Kuratorium
der Stiftung Potsdamer Garnisonskirche
über die Gesellschaft der Freunde der TU
Berlin bis zum Aspen Institute.
G
Gentz’ Manko: Er verfügt über kein Aufsichtsratsmandat. Und in der Kommission
sitzt er auch schon seit vielen Jahren – und
zwar ohne als Reformer aufgefallen zu sein.
Ein Mitglied: „Der Mann sprüht nicht.“
Immerhin verspricht Gentz, seine Kodex-Kommission zu „professionalisieren
und strukturell abzusichern“. Die Abstimmung mit den ungezählten Gremien und
Grüppchen, die sich in Deutschland mit
Fragen der Unternehmensführung befassen, müsse „verbessert werden“.
Drei Mitarbeiterinnen und ein PR-Mann
unterstützen den neuen Vorsitzenden. Eine
Geschäftsordnung, die unter anderem die
Amtsdauer der Kommissionsmitglieder regelt, soll jetzt aufgestellt werden: Gentz will
keineswegs so lange amtieren wie Cromme
(sieben Jahre) und Müller (fünf Jahre).
JUNI 2014
Die neue Stellung will Gentz dazu nutzen, seine nicht allzu engen Beziehungen
zu Politikern, aber auch Vorständen und
Aufsichtsräten zu veredeln. Sogar Lobbyarbeit sei für ihn inzwischen „nichts Negatives“ mehr. Angela Merkels ehemalige
Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach (52) soll künftig für die Kommission einen flotten Wirbel trommeln.
Wie nötig dies ist, zeigt das Hin und Her
um Managergehälter und Frauenquote: Erst
wollte die Kodex-Kommission eine gesetzliche Regelung für eine Aufsichtsratsquote
verhindern. Als dies nicht klappte, wenigstens bei ihrer Formulierung mitreden.
Doch Ende März legte Frauenministerin
Manuela Schwesig gemeinsam mit Justizminister Maas die „Leitlinien“ für das geplante Gesetz vor, ohne auch nur mit einem
einzigen Satz auf die Bedenken der Kodex-Kommission einzugehen.
Den Ministern unterlief indes ein Fehler:
Sie hatten vergessen, dass Europäische Aktiengesellschaften (Kürzel: SE) nicht in die
Zuständigkeit der deutschen Legislative
fallen. Folge: Das Gesetz, das ursprünglich
eine Quote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften
vorsah, liegt jetzt auf Eis. Auch die Debatte
über Managergehälter stockt. Die Regierung will erst die Diskussion auf europäischer Ebene abwarten.
Ein weiteres Streitthema will Gentz jetzt
selbst auf die Tagesordnung setzen: Seine
Kommission will das bei hiesigen Spitzenkräften beliebte Postensammeln, auch
„Oberboarding“ genannt, beenden, ehe der
Gesetzgeber sich womöglich zu drastischen
Maßnahmen gezwungen sieht.
Der Kommissions-Chef wird nicht umhin können, sich einige prominente Wirtschaftsführer zur Brust zu nehmen: Die
Multi-Aufsichtsräte Ulrich Lehner (fünf
Mandate) und Werner Wenning (sieben)
hängen schließlich an dem Gefühl, überall
gebraucht zu werden.
Mehr Anstand: Die
Aufgaben der Kommission
Der sogenannte Deutsche
Corporate Governance Kodex
ist ein Regelwerk mit Vorschlägen
und Anregungen für eine ordentliche Unternehmensführung (Corporate Governance), erarbeitet
von einer 14-köpfigen Regierungskommission.
So amtlich es klingt, handelt es
sich doch nur um eine freiwillige
Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Kritiker winken ab: Die
Kommission sei nur eine Alibiveranstaltung. Der Kodex ist zwar im
Aktiengesetz verankert. Alle börsennotierten Firmen müssen darlegen und begründen, inwieweit
sie von den Vorgaben in den Bereichen Transparenz, Vielfalt, Überwachung/Kontrolle und Anreizsysteme abweichen.
Unternehmen, die die Kodex-Regeln, die nur Empfehlungen sind,
nicht umsetzen, müssen aber keine Ahndung fürchten. Sie würden
jedoch, sagt Kommissionsmitglied
Christian Strenger, von den Kapitalmärkten bestraft: Dass Volkswagen und SAP im Börsenwert einen Malus beklagen, sei laut Strenger darauf zurückzuführen, dass
beide Konzerne nur wenig auf die
Regeln der guten Unternehmensführung gäben. In der jüngsten
Erhebung der Handelshochschule
Leipzig, die die Akzeptanz des Kodex untersucht, präsentieren sich
die Börsenunternehmen nur auf
den ersten Blick als vorbildlich.
Zwar befolgen etliche Dax-30-Konzerne den Kanon der Kommission
in beispielhafter Weise, doch einige andere eben auch nicht (siehe
Tabelle linke Seite).
BERND ZIESEMER
37
NOTIZEN AUS…
Russland
Die Krimkrise hat die Bewegung nur beschleunigt.
Seit Jahren schon verlassen reiche Russen das
Land aus Angst um ihr Vermögen.
England
Roman Abramowitsch
Seit seinem Abzug aus
Russland steckt der knapp
sieben Milliarden Euro
schwere Oligarch (einst
Großaktionär im Öl- und
Alu-Geschäft)sein Geld
in den Yachtbau und den
Stadtteilklub FC Chelsea.
Konstantin Kagalowski
Der ehemalige Vize der
untergegangenen Ölfirma
Yukos (Gründer: Michail
Chodorkowski)engagierte
sich früh als Kandidat der
sozialliberalen Oppositionspartei Jabloko. Er kontrolliert ein wesentliches Quantum des ukrainischen Fernsehsenders TVi.
Österreich
Jelena Baturina Als
Statthalterin diverser
Unternehmen ihres Gatten
Juri Luschkow, des früheren Moskauer Bürgermeisters, mischt sie Kitzbüheler
Partys auf. Ihr Vermögen:
mehr als 700 Millionen
Euro.
Schweiz
Michail Chodorkowski Vom
einst reichsten Mann Russlands
zum Gulag-Häftling. Auseinandersetzungen mit Putin wiegen
schwer. Der Ex-Yukos-Vorsitzende lebt im Schweizer Exil.
Gennadi Timtschenko Der
Putin-Freund und EishockeyFanatiker (SKA St. Petersburg)
verkaufte seinen Anteil am Genfer Ölhändler Gunvor. Vermögen:
über 11 Milliarden Euro.
Igor Schuwalow Auch
als Vizepremier Russlands konnte er sich seines Geldes nicht sicher
sein. Er kaufte sich ein
Waldschloss am Attersee
östlich Salzburgs.
Fotos: picture alliance, Getty Images
Alischer
Usmanow
Der reichste Russe
(Vermögen:
13 Milliarden
Euro) ist ein echter
Sportskerl: Neben seiner
Präsidentschaft beim
Internationalen Fechterbund ist er Großaktionär
des FC Arsenal.
EXPORTE AUS RUSSLAND: ÖL, GAS, MILLIARDÄRE Die russischen Wirtschaftsmagnaten zeigen
wenig Vertrauen in die Festigkeit ihrer Heimatwirtschaft und sehen zu, dass sie Land gewinnen.
Beliebtes Ziel ist England, das heißt: „Londongrad“. Ist zwar regnerisch dort, aber wer eine Million
Pfund in britischen Staatsanleihen anlegt, erhält – zunächst auf drei Jahre befristet – zumindest unkompliziert Einlass. 433 Russen sollen sich bislang eines dieser sogenannten Investorenvisa beschafft haben.
Auch die Schweiz und Österreich wirken inzwischen magnetisch auf diese bizarren Privatherrscher.
38
JUNI 2014
RESSORT
Kann man Vater Staat und Mutter
Natur gleichzeitig beeindrucken?
MAN kann.
Seit Anfang dieses Jahres muss jeder neu zugelassene Lkw die Euro-6-Norm erfüllen. Das ist
gut für die Umwelt, denn das bedeutet weniger Emissionen. Das Problem: Mit der neuen
Norm steigt häufig der Verbrauch. Normalerweise. Wir dagegen setzen ein Zeichen für mehr
Effizienz im Fernverkehr. Mit dem neuen TGX Euro 6. Der erfüllt alle Vorgaben von Vater Staat
und beeindruckt dabei sogar Mutter Natur. Mit niedrigem Verbrauch trotz Euro 6. Wie wir das
schaffen? Mit verbesserter Aerodynamik, konsequentem Leichtbau und speziellen SpritsparProgrammen. Was MAN noch alles tun kann: www.MAN.eu/MANkann
Engineering the Future – since 1758.
JUNI 2014
39
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
JOHANNES, DER
SCHRECKLICHE
Beim Krisenkonzern Eon
gilt: Wer sich nicht
biegt, der fliegt.
Vorstandschef Johannes
Teyssen führt mit Eisenfaust – und ohne Fortune.
Ü
Über den Eon-Chef Johannes Teyssen
(54) machen die Patrizier anderer
Dax-Konzerne gern mal einen Jux (hinter vorgehaltener Hand, versteht sich):
Er wirke untrainiert, vernachlässige sein
Äußeres, seine Anzüge hingen lose und
schlaff an ihm herab, ständig befände er
sich wegen irgendeiner Sache in Wallung
oder Alarmbereitschaft, zornrot angelaufen in dem einen wie im anderen Fall.
Kurz, weder sein Auftritt noch sein
Auftreten entsprächen dem üblichen
Eliten-Getue, und wer einen Babysitter
40
Schnell
erregt, gerne etwas
krawallig
Eon-Chef
Teyssen vergrätzt seine
Mannschaft.
oder Krankenpfleger suche, der solle,
Gott bewahre, auf keinen Fall bei Teyssen,
dem Explosiven, anrufen.
Ist es wirklich so dramatisch schräg
um den Mann bestellt? In der Düsseldorfer Kommandantur des größten deutschen Energiekonzerns (Umsatz: 122,5
Milliarden Euro) war die Stimmung jedenfalls schon einmal besser. Teyssens
Mannschaften wissen nie so ganz genau,
was sie von ihm halten sollen: Die einen
glauben, in ihm den Neuerer des Konzerns zu erkennen, die anderen nur Johannes, den Schrecklichen. Teyssen dulde
weder Widerworte noch Widerstand:
Wer sich nicht fügt und biegt, der fliegt.
Die Leute, mit denen man über Teyssen spricht, wirken angestrengt und ver-
krampft. Würden sie sich entspannen,
dann hörte man wahrscheinlich ihre
Zähne klappern: Bis Ende nächsten Jahres sollen 11.000 von einst 80.000 Stellen gestrichen sein. Es ist der größte
Personalabbau (internes Kürzel: Eon
2.0) der Firmengeschichte. In der Düsseldorfer Holding wird sogar jeder dritte
Mitarbeiter suspendiert.
Teyssen hat Eon auf strengste Diät
gesetzt, weil das Unternehmen im deutschen Stammgeschäft kaum noch Geld
verdient – im ersten Quartal 2014 sank
der Konzernüberschuss um 61 Prozent,
weil sich neue Geldanlagen und -experimente bisher nicht auszahlen.
Skeptiker sowohl unter Eon-Funktionären als auch Aktionären sorgen sich:
JUNI 2014
EON
Widerstand
ist zwecklos
Teyssen
serviert
Widersacher
gnadenlos ab.
Wir
können uns
der Kritik
nicht ganz
entziehen.“
Intelligenz
plus Detailwissen
Am liebsten
würde Teyssen
Eon ganz
alleine führen.
Johannes Teyssen
zum Eon-Brasiliengeschäft
Im freien Fall
Fotos: picture alliance/Sven Simon, picture alliance/dpa, picture alliance
Der Bericht über das erste Quartal
2014 zeigt: Umsatz und Gewinn von
Eon sind im Vergleich zum Vorjahr
drastisch eingebrochen.
Wenn Tausende von Mitarbeitern gehen, verlassen dann auch immer die
richtigen Leute den Konzern? Oder
nutzt Teyssen, der Autokrat, der wenig auf die Meinung anderer gibt, die
Chance, um auch die letzten Widerstandsnester bei Eon auszuheben?
In seinen nicht einmal vier Amtsjahren hat der Berserker bereits fünf
Vorstände und ungezählte Manager
aus der zweiten und dritten Reihe
verbraucht und zerschlissen.
Einige konnten sich rechtzeitig in
Sicherheit bringen, wie der Finanzvorstand Marcus Schenck (48), der zu
seinem früheren Arbeitgeber Goldman Sachs zurückkehrte. Manche
sahen sich jedoch nach allen Regeln
JUNI 2014
Umsatz
in Mrd. €
Konzernüberschuss
in Mio. €
35,9
2350
31,8
-11 %
905
- 61 %
QI
QI
2013 2014
QI
QI
2013 2014
Quelle: Geschäftsberichte
des Mobbings aus dem Konzern
hinausschikaniert.
Mit einer schon bewundernswerten
Durchtriebenheit beförderte Teyssen
den mächtigen Münchner Statthalter
Klaus-Dieter Maubach (51) erst auf den
eindrucksvollen, aber überflüssigen Posten des Technikchefs im Düsseldorfer
Zentralvorstand – und danach vor die
Tür.
Der Honorarprofessor hatte sich bereits eine Villa in Düsseldorf bauen lassen. Doch kurz nach der Einweihungsparty fiel für Maubach der Vorhang: In
einem Zehn-Minuten-Gespräch stellte
Teyssen ihn vom Platz. Zack, zack. Eon
nimmt dazu nicht Stellung, Maubach
war nicht erreichbar.
41
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Zweckloses
Warten auf
den Kellner
Johannes Teyssen (3.v.r.)
mit zwanghaft
schlipslosem
Vorstand.
Für Verbitterung unter Eon-Kadern sorgt die
in machiavellistischer Manier vorgenommene,
durch keine moralischen Bedenken gehemmte
Entmachtung des Personaldirektors Frank Heberger (54). Der durchaus selbstsichere, jedenfalls alles andere als schüchterne Manager zog
sich durch sein großes Präsenzvermögen, seine
Allgegenwart inner- und außerhalb des Unternehmens das Misstrauen seines Vorgesetzten zu.
Im vergangenen Jahr, behaupten Firmenoffizielle, habe Teyssen seinem Personalchef eine
Falle gestellt: Er soll Heberger eine vertrauliche
Personalie zugeraunt haben, die anschließend
wie von Geisterhand ihren Weg in die Rheinische
Post fand. Die fristlose Kündigung Hebergers
folgte auf dem Fuße, und Teyssen machte sie
umgehend allen Führungskräften im Eon-Intranet („Vertrauen verloren“) bekannt.
Aber Heberger ging juristisch gegen seine
Entlassung vor und erzwang einen Vergleich
samt Abfindung – dazu eine Richtigstellung im
Intranet. Nun war von einer „einvernehmlichen
Trennung“ die Rede. Wer der Post die Information wirklich gesteckt hat, blieb ungeklärt.
Klagen über Teyssens Führungsstil stoßen
auch die Werktätigen aus. Der Gewerkschafter
Erhard Ott (61), Verdis Vertreter im Aufsichtsrat,
zischelt von „einzelnen Fehlern, Versäumnissen
und zu viel Druck“. Andere Arbeitnehmervertreter beanstanden die „brutale Art und Weise“ des
gegenseitigen Umgangs im Konzern.
E
Entlassene Spitzenkräfte beschweren sich (erwartungsgemäß) über die Ungeduld und Unbeherrschtheit Teyssens, dessen Streiche jedes
Einfühlungsvermögen vermissen lassen, von
Feingefühl zu schweigen.
Wie Schuljungen müssten seine 60 Spitzenfunktionäre alle neuen Ideen und Vorschläge, die
der Chef austreibt, in einheitlich-knallroten Moleskin-Kladden protokollieren und anschließend
ihren Vorgesetzten darüber Meldung erstatten.
42
Die größten Energiekonzerne in Deutschland
Umsatz 2013, in Mrd. Euro
Eon 122,5
RWE 54,1
EnBW 20,5
Vattenfall 19,4
EWE 8,9
Teyssen bezeichnet dieses Verfahren als „neue
Performance-Kultur“.
Immer wieder, heißt es, mische sich der Vorstandschef in die Belange der Geschäftsbereiche
ein und benachrichtige die zuständigen Stellen
erst, wenn nichts mehr zu ändern ist.
Teyssen selbst sieht dies natürlich ganz anders, seine Anhänger kreiden die miese Stimmung gewohnheitsmäßigen Nörglern an und den
Verlierern des Konzernumbaus: Von der Zusammenlegung der Kraftwerksparten für konventionelle und erneuerbare Energien etwa sind
9.000 Leute betroffen. Und nicht alle von ihnen
sind glücklich über ihr neues Leben.
Strategisch gesehen, sagen Teyssen-Leute,
gebe es sowieso keine Alternative zum Grob-Management des Chefs. Selbst frühere Elitekräfte,
die nicht mehr unter Teyssens Kommando stehen, bescheinigen dem promovierten Juristen
eine hohe Intelligenz und ein großes Detailwissen. Letzten Endes sei dem Mann nach der Energiewende ja gar nichts anderes übrig geblieben,
als die Konzernbürokratie zu zerschlagen und
die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
I
Im Vorstand unterbricht heute kaum noch einer
die Monologe des Chefs, aber man hört auch
nicht mehr die ganze Zeit hin. Auf den Schlüsselposten des Personalvorstands hievte Teyssen
im vergangenen Jahr seinen Vertrauten Mike
Winkel (43); als Finanzchef amtiert mittlerweile
Klaus Schäfer (46), der keinen schlechten Namen
hat, allerdings auch nicht die Analysekraft und
den Schneid seines Vorgängers Marcus Schenck.
Allein dem Strategievorstand Leonhard Birnbaum (47), einem langjährigen McKinsey-Mann
und früheren RWE-Vorstand, bescheinigen Kenner bemerkenswerte Fähigkeiten. Manche sehen
in ihm schon den kommenden Mann an der
Eon-Spitze – sofern Teyssen ihn nicht vorher zur
Strecke bringt. Vorläufig hält sich Birnbaum noch
in der Deckung, vermeidet jede Kraftprobe.
JUNI 2014
EON
Fotos: picture alliance/Sven Simon, E.ON, picture alliance / dpa
Niemand
steht am
Fenster und
winkt In der
Düsseldorfer
Eon-Zentrale ist
die Stimmung
schlecht.
Natürlich sind dem Aufsichtsrat viele Vorgänge nicht verborgen geblieben, und die Ratsherren
fragen sich, ob die Ein-Mann-Herrschaft für den
Konzern auf Dauer wirklich fruchtbringend ist.
Teyssens Vertragsverlängerung im vergangenen Jahr (bis 2018) fand keinen einhelligen Beifall. Nicht nur Gewerkschafter moserten, auch
das Kapital übte Kritik, namentlich der Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Bayer-Premier
Werner Wenning (67): Sein Fabrikdirektor Teyssen müsse mehr Überzeugungskraft entwickeln,
um seine Kollegen „mitzunehmen“. Die Kontrolleure erwarten in dieser Hinsicht „deutliche
Verbesserungen“.
Ob Wenning unter Teyssens Alleingängen
leidet, wie Beobachter behaupten, und deshalb
hinter den Kulissen auf ihn einzuwirken suche,
lässt sich nicht belegen. Auch Wenning will sich
gegenüber BILANZ nicht äußern.
Für Ernüchterung unter den Aufsichtsräten
und Aktionären sorgt nicht nur der fortwährende
Ärger mit dem Personal. Besonders die schlechten Zahlen sorgen für Missbefinden. Denn so
zügig Teyssen Mitarbeiter auch feuern und Kosten niederhämmern mag – die Erlöse des Energiekonzerns brechen noch schneller ein.
Der Konzernüberschuss sinkt rapide, aber
nicht die hohe Verschuldung von über 30 Milliarden Euro. Die Aktie, die Ende 2007 noch rund
50 Euro kostete, wird heute für weniger als
15 Euro verschleudert.
In Deutschland hängt das Überleben des Konzerns vom guten Willen der Politik ab. Teyssen
möchte die Bundesregierung verpflichten, für
die vorhandenen Großkraftwerke auch dann zu
zahlen, wenn sie gar nicht laufen – über eine
sogenannte Kapazitätsabgabe. Auch die Verschrottung seiner Atomkraftwerke soll die Politik mitfinanzieren – mit einer Stiftung. Beide
Ideen finden wenig Gegenliebe im Kabinett.
Nun rächt sich, dass Teyssen auch in Berlin
als Kollerer gilt. Statt ruhig und beharrlich
für seine Position zu werben, belehrt der EonChef die Parteien gelegentlich per Interview über
die richtige Energiepolitik. Angela Merkel berät
sich deshalb lieber mit dem friedliebenden
JUNI 2014
Früher sind Entscheidungen zu oft
top down gefallen,
dabei läuft man
Gefahr, seine
Führungskräfte zu
verlieren.“
Eon-Vorstand
Mike Winkel
Holländer Peter Terium (50) vom Eon-Widersacher RWE.
Auch im Ausland läuft es nicht. Vor allem die
Beteiligung an Großkraftwerken in Brasilien kostet Geld und Renommee. Der dortige Partner
ging bankrott, die Düsseldorfer mussten Kapital
nachschießen, aber die Meiler liefern viel zu wenig Strom. Dabei sollte Brasilien doch Teyssens
Meisterstück werden. Er selbst hatte den Handel
angezettelt und eingefädelt.
T
Teyssen bekomme die Probleme in Brasilien
nicht in den Griff, heißt es in der Branche. Im
Unternehmen fehle es an Wissen und Erfahrung
und an den geeigneten Leuten, um in einem
Schwellenland wie Brasilien erfolgreich zu sein.
Eon könne Großkraftwerke zwar fachkundig betreiben, aber nicht selbst bauen und ans Netz
bringen. Doch genau darum geht es in Brasilien.
Auf der Eon-Hauptversammlung Ende April
hörten die Aktionäre beim Auftritt von Teyssen
zum ersten Mal so etwas wie Selbstzweifel: „Wir
können uns der Kritik an Brasilien nicht ganz
entziehen.“
Ist dies vielleicht schon das erste Indiz dafür,
dass Johannes Teyssen zur Läuterung bereit ist
und auf seine Kritiker zugeht, wie es sein Aufsichtsrat von ihm verlangt?
Auf dem Führungskräftetreffen im Januar, das
im Artipelag-Museum im Stockholmer Schärengarten stattfand, hörten die 600 wichtigsten
Deputierten (Eon-Kürzel: E1, E2, E3) ungewohnte Töne ihres Chefs. Bei der „sehr emotionalen“
Tagung (Eon-Vorstand Winkel) ging es um mehr
Mannschaftsgeist, um die Fehler der Vergangenheit und um den Abbau von Vorurteilen.
„Natürlich kam da auch viel Kritik hoch“, berichtet Personalchef Winkel. Früher seien viele
Entscheidungen bei Eon zu häufig „top down“
getroffen worden: „Dabei läuft man immer Gefahr, seine Führungskräfte zu verlieren.“
BERND ZIESEMER
43
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
DEUTSCHLANDS
50
WERTVOLLSTE
MARKEN
1
2
Mercedes-Benz
Daimler
25,55 Mrd. €
11
Allianz
Allianz
5,37 Mrd. €
21
Schwarzkopf
Henkel
1,53 Mrd. €
31
12
Porsche
Porsche
5,18 Mrd. €
22
Evonik
Evonik
1,52 Mrd. €
Deutsche Post
Deutsche Post
936 Mio. €
Rewe
Rewe
385 Mio. €
41
44
BMW
BMW
25,50 Mrd. €
3
SAP
SAP
13,35 Mrd. €
13
Hugo Boss
Hugo Boss
3,21 Mrd. €
4
Deutsche Telekom
Deutsche Telekom
12,34 Mrd. €
14
Bosch
Bosch
3,04 Mrd. €
23
Montblanc
Montblanc
1,51 Mrd. €
24
32
Infineon
Infineon
868 Mio. €
33
Media Markt
Media-Saturn
826 Mio. €
42
Ergo
Ergo
315 Mio. €
43
Henkel
Henkel
300 Mio. €
5
Volkswagen
Volkswagen
8,90 Mrd. €
15
Deutsche
Bank
3,03 Mrd. €
25
Commerzbank
Commerzbank
1,30 Mrd. €
34
Zeiss
Carl Zeiss
812 Mio. €
35
Braun
Braun
805 Mio. €
44
Hochtief
Hochtief
232 Mio. €
45
Congstar
Congstar
222 Mio. €
Lidl
Schwarz-Gruppe
1,30 Mrd. €
JUNI 2014
MARKEN
Das Markenforschungsinstitut
Interbrand hat für uns
die 50 wertvollsten deutschen
Marken analysiert und
zusammengestellt. Wie wichtig
ist das Image? Und wie ist
das Unternehmen bei der
Untersuchung vorgegangen?
6
Siemens
Siemens
6,81 Mrd. €
16
7
BASF
BASF
6,47 Mrd. €
10
Bayer
Bayer
5,62 Mrd. €
20
MAN
MAN
1,72 Mrd. €
18
19
Linde
Linde
1,73 Mrd. €
27
Edeka
Edeka
1,15 Mrd. €
28
Puma
Puma
1, 06 Mrd. €
29
Persil
Henkel
1,0 Mrd. €
30
Tui
Tui
964 Mio. €
36
Metro
Metro
760 Mio. €
37
Osram
Osram
662 Mio. €
38
Postbank
Postbank
529 Mio. €
39
Kaufland
Schwarz-Gruppe
454 Mio. €
40
Dm
Drogerie-Markt
408 Mio. €
46
Douglas
Douglas
156 Mio. €
47
Fielmann
Fielmann
155 Mio. €
48
Netto
Netto
148 Mio. €
49
Tchibo
Maxingvest
127 Mio. €
50
Saturn
Media-Saturn
102 Mio. €
26
Kabel Deutsch.
Kabel Deutschl.
1,15 Mrd. €
JUNI 2014
17
9
Adidas
Adidas
6,03 Mrd. €
Aldi
Aldi
2,19 Mrd. €
Nivea
Beiersdorf
2,51 Mrd. €
Continental
Continental
2,47 Mrd. €
8
Audi
Audi
6,22 Mrd. €
45
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Mercedes-Benz
Der gute Ruf
der Stuttgarter
Autos bringt
den Spitzenplatz.
46
INTERBRAND
wurde 1974 von
John Murphy
in England
als Markenmanagementfirma gegründet.
Heute unterhält
das Unternehmen,
das 1994 von
Omnicom gekauft
wurde, 40 Büros
in 25 Ländern. Seit
2000 veröffentlicht Interbrand
die Rangliste der
100 erfolgreichsten
Marken der Welt.
Seit 2008
veröffentlicht
die Schweizer
Bilanz in
Kooperation mit
Interbrand die
50 wertvollsten
Marken der
Schweiz.
Die Kaffeemarke
Nescafé (ca.
8,3 Mrd. Euro) steht
ganz oben auf der
Liste, der Pharmakonzern Roche und
Nestlé folgen.
Gewinn, den die Hersteller mit ihnen erzielen und
aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren
erzielen werden. Konzerne, die lediglich Spartenoder doch nur Gesamtergebnisse veröffentlichen,
aber auch Familienunternehmen, die damit gänzlich
hinterm Berg halten, fallen aus der Erhebung
heraus.
Neben den Zahlenwerken, die von vorrangiger
Bedeutung sind, spielen auch jene Umstände eine
Rolle, die ins Fach der nicht ganz so einfach zu beurteilenden Aspekte fallen, etwa die Frage, wie groß
der „Einfluss einer Marke auf die Kaufentscheidung“
sei. Bei Luxusgütern, sagt Dold, sei dieser Einfluss
„erfahrungsgemäß am größten“. Aber auch beim
Autokauf spiele die Überzeugungskraft einer Marke
nicht selten eine größere Rolle als die Güte der
Fabrikation.
„Grundsätzlich überrascht es uns, dass der große
deutsche Mittelstand so wenig vertreten ist“, sagt
Marco Rivolta, bei Interbrand zuständig für den
hiesigen Markenmarkt. „Auch viele große Marken,
wie zum Beispiel die Deutsche Bank, machen zu
wenig aus ihrer Marke.“ Viele Unternehmen in
Deutschland, sagt Rivolta, müssten noch lernen,
dass Marken inzwischen das zentrale Element seien,
um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Denn:
Bei allem Hochgefühl über die Magie deutscher
Marken sollte man das Verhältnis zum Welt-Markenführer USA nicht außer Acht lassen: Die laut
Interbrand wertvollste Marke der Welt, die Computerfirma Apple, ist mit umgerechnet etwa 73 Milliarden Euro fast dreimal so viel wert wie die hiesige
Spitzenmarke Mercedes.
STEPHAN KNIEPS
JUNI 2014
Fotos: Interbrand, Daimler, Apple, Rechte an den Logos liegen bei den jeweiligen Unternehmen,
A
Als das britische Empire 1887 für deutsche Waren
eine Kennzeichnungspflicht einführte, nämlich
„Made in Germany“, da war dies durchaus als Warnung gedacht: Man wollte die Briten vor mutmaßlich minderwertigen Erzeugnissen und die heimische Industrie vor fremden Erzeugern schützen.
Bekanntlich verwandelte sich das Etikett bald in
ein Qualitätssiegel, was den Engländern nicht recht
sein konnte, was sich jedoch auch nicht mehr ändern ließ. Eine Frage allerdings blieb bislang unbeantwortet: Lässt sich der Wert der größten deutschen Marken eigentlich beziffern?
Gemeinsam mit der Beratungsfirma Interbrand
veröffentlicht BILANZ nun erstmals eine Rangliste
der wertvollsten deutschen Marken. Und es zeigt
sich: Der Absender „Made in Germany“ kommt vor
allem der Automobilbranche zugute. Unter den
teuersten zwölf Marken finden sich gleich fünf Autohersteller: Mercedes-Benz und BMW führen die
Liste an, fast Kopf an Kopf mit einem Markenwert
von jeweils über 25 Milliarden Euro. Es folgen SAP
und die Telekom mit 13,4 beziehungsweise 12,4 Milliarden Euro sowie Volkswagen und Siemens mit
knapp neun und sieben Milliarden Euro. Der Wert,
sagt Interbrand-Mann Steffen Dold, sei der Preis,
„den die Marke theoretisch hätte, wenn man sie
jetzt verkaufte“.
Doch wie lässt sich der Wert einer Marke ermitteln, und warum fehlen in der Aufstellung große
Namen wie Miele oder Lufthansa? Vor allem deshalb, weil Interbrand nur dort Maß nehmen kann,
wo die wirtschaftlichen Kenndaten der Marken
vorliegen, also vor allem Angaben zu Umsatz und
Apple, keine Marke der Welt ist
kostbarer: Über 73
Milliarden Dollar ist
sie wert.
„Unsere
Studie ist
einwandfrei“
Die deutsche Interbrands-Chefin Nina Oswald.
10
1
Apple
73,01 Mrd.€
DIE
WERTVOLLSTEN
MARKEN
DER WELT
2
Google
69,30 Mrd.€
3
4
5
6
Coca-Cola
58,83 Mrd.€
Microsoft
44,19 Mrd.€
7
McDonald’s
31,12 Mrd.€
9
Intel
27,63 Mrd.€
IBM
58,53 Mrd.€
General Electric
34,84 Mrd.€
8
Samsung
29,41 Mrd.€
10
Toyota
26,22 Mrd.€
JUNI 2014
„Die Deutsche Bank hat
uns negativ überrascht“
Für Nina Oswald, Geschäftsführerin von Interbrand in Köln, zeichnet sich die
deutsche Markenlandschaft durch zwei Schwerpunkte aus: Autos und Einzelhandel.
Frau Oswald, Ihre Firma veröffentlicht eine Liste der wertvollsten deutschen Marken. Warum beziehungsweise: warum erst jetzt?
Wir haben bereits länger über ein
Ranking für den deutschen Markt
nachgedacht. In meinen Gesprächen
mit führenden Markenmanagern
wurde wiederholt gefragt: Wie sieht
die deutsche Markenlandschaft aus?
Wo steht meine Marke? Welche
Trends sind zu beobachten? Wir haben uns auch deshalb entschieden,
nun das Ranking der wertvollsten
deutschen Marken zu veröffentlichen, weil Deutschland ein bedeutender Markt für Interbrand ist –
ein Markt mit einer großen Anzahl
sehr großer Marken.
Es kursieren bereits diverse
Studien, die Markenwerte erheben.
Methodisch einwandfrei scheinen
die wenigsten zu sein.
Wir haben in den vergangenen Jahren häufiger diskutiert, ob wir noch
ein weiteres regionales Ranking publizieren sollen. Unsere Studie aber
ist einwandfrei, sie beruht auf drei
Säulen: der finanziellen Komponente, der Bedeutung der Marke beim
Kaufentscheid und der Markenstärke gegenüber Wettbewerbern.
Was prägt den deutschen Markt?
Ich sehe zwei Schwerpunkte: auf der
einen Seite die großen, international
ausgerichteten Marken, vor allem
die Automobilhersteller. Auf der
anderen Seite die Einzelhändler wie
Aldi, Lidl, Tchibo oder Douglas, die
mit 13 Marken überdurchschnittlich
stark vertreten sind.
Worauf führen Sie dies zurück?
Unsere Autobauer beherrschen den
Weltmarkt, sie haben mit Knowhow, finanziellen Investitionen und
Kontinuität ihre Marken langfristig
etabliert. Die Einzelhändler konnten
durch die Entwicklung von Eigenmarken ihre Markenwerte stärken.
Sie haben zudem Konzepte entwickelt, den Kunden in ihre Lebensräume zu folgen, denken Sie an
Rewe to go.
Hat Sie das gute Abschneiden der
Telekom überrascht?
Die Telekom konnte viele starke
Marken im Ranking hinter sich lassen – durch konstante Markenarbeit
über einen langen Zeitraum und
Antizipation von Kundenbedürfnissen. Sie hat eine unglaubliche
Präsenz und ein sehr modernes
Markenverständnis.
Die Deutsche Bank enttäuschte?
Ja, sie hat uns negativ überrascht,
weil sie es versäumt hat, aus der
Krise gestärkt hervorzugehen. Dramatischer Kulturwandel und frustrierte Mitarbeiter prägen das Bild –
Platz 15 ist schwach. Die Marke hat
deutlich mehr Potenzial.
47
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Häuptlinge am
Marterpfahl
VON PETER RÖLZ
D
Peter Rölz (48),
einer der renommiertesten Arbeitsrechtsexperten
des Landes, ist
Geschäftsführender
Gesellschafter der
Sozietät Ulrich
Weber & Partner in
Frankfurt am Main.
Bei den juristischen Möglichkeiten, sich von
Spitzenmanagern zu trennen, spielt die Gesellschaftsform eine Rolle. Während das Abberufen von Geschäftsführern in GmbHs jederzeit und ohne Gründe möglich ist, braucht
man bei Aktiengesellschaften für die Abberufung eines Vorstands „wichtige Gründe“.
Diese „wichtigen Gründe“ sind zwar im Gesetz nicht abschließend geregelt, setzen aber
regelmäßig ein Fehlverhalten oder ein Versagen
des Managers voraus. Auch der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung kann eine
Abberufung rechtfertigen, was aber nur bei einer
besonderen Eigentümerstruktur gelingen dürfte. Kommt es bei einer GmbH zu einer Abberufung, hat der betroffene Geschäftsführer keine
Chance, die Wiedereinsetzung als „Chef“ juristisch durchzusetzen. Anders beim Vorstand, der
bei einer fehlerhaften Abberufung die Weiterbeschäftigung als Organ der Gesellschaft gerichtlich erzwingen kann.
Losgelöst von der Frage der organschaftlichen Bestellung eines Managers sind die Kon-
48
sequenzen für den Anstellungsvertrag zu beurteilen. Hier ist die Vertragsgestaltung maßgeblich, insbesondere ob der „Arbeitsvertrag“
unabhängig von der Bestellung als Geschäftsführer oder Vorstand abgeschlossen wurde.
Entscheidend dabei ist, ob der Vertrag eine
sogenannte Koppelungsklausel enthält, d.h.
ob es eine Abhängigkeit zwischen Organschaft
und Laufzeit des Vertrags gibt oder nicht.
Auch wenn die Zulässigkeit solcher Klauseln
juristisch umstritten ist, kann man einem Manager nur dringend raten, bei Abschluss eines
Geschäftsführer- oder Vorstandsvertrags auf
eine von der Bestellung unabhängige Laufzeit
des Anstellungsvertrags zu bestehen.
Denn eines muss die Führungskraft bedenken: Als Organ einer Gesellschaft genießt
man grundsätzlich keinen Kündigungsschutz, auch wenn man zuvor vielleicht
schon Dutzende Jahre als „normaler“ Arbeitnehmer beschäftigt war. In der Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber sich völlig
grundlos von dem Manager trennen kann und
die Frage einer etwaigen Abfindung, so weit
sie nicht bereits im Anstellungsvertrag geregelt wurde, sich an der Laufzeit des Vertrags
bemisst. Hat sich der Manager, wie in der
Praxis häufig üblich, auf eine unbefristete Anstellung eingelassen, kann er lediglich noch
den Lohn bis zum Ende der Kündigungsfrist
reklamieren. Das war’s.
Fall: Hubert K. hat sich in 25 Jahren vom
Sachbearbeiter bis zum Bereichsleiter hochgearbeitet. Als ihm die Geschäftsführung
angeboten wird, scheint seine Karriere ihren
Höhepunkt erreicht zu haben. Der neue,
unbefristete Vertrag beinhaltet neben einer
dreiprozentigen Gehaltserhöhung und dem
größeren Dienstwagen auch die Anrechnung
seiner bisherigen Beschäftigungszeiten.
Doch dann kommt es zum Bruch: Nach nur
drei Monaten meint der Gesellschafter, dass
K. wohl doch nicht der Richtige für den Job
JUNI 2014
Foto: privat
ie Zeiten für Manager in Deutschland werden rauer. Scheidungen
zwischen Unternehmen und
ihrem Führungspersonal laufen
längst nicht mehr so kommod
und lautlos ab wie in der Vergangenheit.
Es wird mit sehr viel härteren Bandagen gekämpft. Gründe sind zum einen die verschärften Haftungsregeln für Aufsichtsorgane und
zum anderen die öffentlichen Schlagzeilen, die
Unternehmen fürchten, wenn Manager hohe
Abfindungen erhalten. Niemand hat bisher
allerdings die wirtschaftlichen Auswirkungen
für ein Unternehmen erfasst, die durch „blutige“ Verfahren entstehen, ganz zu schweigen
vom Reputationsschaden. Auch die personalpolitische Wirkung solcher Schlachten in der
Belegschaft ist enorm, insbesondere dann,
wenn die Manager nichts falsch gemacht haben, aber trotzdem gehen sollen.
KOLUMNE
Wachstums
finanzierung.
sei, und beruft ihn ab. Zugleich kündigt er den
Anstellungsvertrag mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende. K. hofft nun zumindest
auf eine hohe Abfindung – leider vergebens. Außer
sieben Monatsgehältern kann Hubert K. nichts
beanspruchen.
Dabei hätte er durchaus Möglichkeiten gehabt,
seine rechtliche Position zu verbessern.
Möglichkeit 1: Hubert K. hätte regeln können,
dass sein Arbeitsverhältnis als Bereichsleiter für die
Dauer der Bestellung ruht und im Falle einer Abberufung als Geschäftsführer wieder auflebt. In diesem Falle würde er auf seinen vorherigen Stand, in
dem er Kündigungsschutz genießt, zurückfallen.
Der Arbeitgeber müsste sich mit K. auf die Zahlung
einer Abfindung verständigen, vorausgesetzt, es
liegen keine Rechtfertigungsgründe für eine Kündigung vor.
Möglichkeit 2: Hubert K. regelt im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses bereits eine Abfindungszahlung für den Fall, dass
sein Anstellungsverhältnis gekündigt wird. Hier
findet man häufig Berechnungsformeln, die sich an
der Dauer der Betriebszugehörigkeit orientieren.
Möglichkeit 3: Hubert K. schließt einen befristeten Vertrag für fünf Jahre ab. Im vorstehenden Beispielsfall hätte dies bedeutet, dass die Gesellschaft
einen Zeitraum von vier Jahren und neun Monaten
hätte abfinden müssen.
Bei dieser Variante ist allerdings zu beachten,
dass in der Praxis die Unternehmen immer häufiger darauf spekulieren, dass der Manager die Geduld verliert und aus seinem Vertrag rausmöchte,
weil er andere berufliche Optionen hat. Und in der
Tat hat die Gesellschaft die Gelegenheit, den Geschäftsführer am ausgestreckten Arm „verhungern“
zu lassen und ihn damit, allerdings teuer bezahlt,
kaltzustellen. Aus diesem Grunde sollte man als
Geschäftsführer versuchen, bei befristeten Verträgen im Falle einer Abberufung ein Sonderkündigungsrecht für sich auszuhandeln, welches bei
der Ausübung dazu führt, dass bei Beendigung die
Restlaufzeit des Vertrags abzufinden ist.
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IDEEN&
INNOVATIONEN
BENJAMIN
OTTO HAT
DER MANN DAS
ZEUG ZUM
GROSSUNTERNEHMER? 56
MÄZENE WER
FINANZIERT DIE
FORSCHUNG? 60
KOWALSKYS
CRASHTEST
SCHLUSS
MIT DEM
RASENMÄHEN 65
50
JUNI 2014
DIGITALE MEDIZIN
Praxis
in der
Wolke
Internetwirtschaft und Gesundheitswesen: Das passt zusammen.
Smartphones, Tablets und
Datenbrillen versetzen Kranke
und Gesunde, Ärzte, Kassen und
Hospitäler in einen Datenrausch.
Die Digitalisierung der Medizin ist
der nächste Multimilliardenmarkt.
JUNI 2014
51
IDEEN UND INNOVATIONEN
Telemedizin
Die Telekom erprobt
ein System, bei dem
Patienten ihre Daten
selbst messen und
automatisch per
Handy übertragen.
Google operiert
mit Chirurgen
bekommen per
Google Glass
Informationen für
die Operation.
G
Guter Mann, der Axel Wehmeier (48). Ein
Prachtmanager: Der Anzug sitzt wie angegossen,
die Krawatte wie von Meisterhand geknotet, volles Haar und gute, lange Koteletten – das sieht
alles gesund und kernig aus und das Hemd, als
sei es überhaupt erst heute morgen gekauft worden. Nirgendwo auch nur das geringste
Gemurkse.
Über sein Geschäft redet Wehmeier in ruhigen, klugen Worten, Mimik und Gebärdenspiel
aufs Notwendige reduziert. Dass dieser Mann
von etwas anderem geleitet sein könnte als von
seinem Verstand, den er in nicht zu knappen
Mengen besitzt, scheint ausgeschlossen. Man
denkt: Vier Stück von seiner Sorte, und man hätte praktisch eine Garnitur beisammen, und dann
könnte eigentlich gar nichts mehr schiefgehen.
In Wahrheit ist Wehmeier aber ein Utopist.
„Felsenfest“ ist er „davon überzeugt, dass das
Internet auch die Gesundheitswirtschaft komplett umkrempeln“ werde. Das ist zunächst einmal keine Überraschung, da das Internet die
Regeln praktisch aller Branchen umgeschrieben
hat. Dann legt er weitgehend alle Zurückhaltung
ab und sagt, was er auch dem Handelsblatt schon
einmal diktiert hat: „Die Gesundheit ist das
nächste große Ding der Digitalisierung.“
Seit vier Jahren führt der Schwarmgeist das
Geschäftsfeld Gesundheitswesen der Deutschen
Telekom. Anfang des Jahres wurde seine Abteilung, die IT-Dienste anbietet und nach jüngsten
Berechnungen bereits knackige 100 Millionen
Euro umsetzt, abgetrennt und mit ihren rund
700 Beschäftigten in einer eigenen GmbH ausgewildert. Arbeit gibt es genug. Wie groß der
52
Das Internet
wird auch die
Gesundheitswirtschaft
komplett
umkrempeln.“
Axel Wehmeier,
Deutsche Telekom
Gesundheitsmarkt ist, lässt sich kaum feststellen: Er wächst so schnell, dass man mit dem
Zusammenzählen ständig neu anfangen muss.
Allein in Deutschland flossen im vergangenen
Jahr rund 300 Milliarden Euro ins Gesundheitswesen, ganz zu schweigen von all den ungezählten Milliarden, die für die allgemeine Körperertüchtigung und das Wohlbefinden ausgegeben
werden.
Weil die Leute in den Industriestaaten immer
älter werden und ihre Ansprüche an die medizinische Versorgung steigen, dehnt sich der Markt
mit einer Rapidität aus, die Leute wie Wehmeier
in eine Stimmung versetzt wie im Kalifornien
des Jahres 1848: In der Branche herrscht
Goldfieber.
Laut einer Prognose der Unternehmensastrologen von McKinsey erhöht sich der Anteil
der Gesundheitsausgaben am Sozialprodukt (im
Jahr 2005 waren es ungefähr zehn Prozent) bis
2050 auf über 25 Prozent. 2070 könnten bereits
knapp 50 Prozent erreicht sein. Aber auch nur
theoretisch. Denn praktisch wäre das nicht mehr
zu finanzieren.
Leute wie Wehmeier lieben solche Annahmen
und Hochrechnungen: Denn, wo Kosten steigen
wie Leuchtraketen, da finden auch Kostenlöscher
ihr gutes Auskommen. Wehmeier und seine Leute glauben, die richtigen IT-Lösungen parat zu
haben: Nach seiner Kalkulation könne die Vernetzung von Ärzten und Patienten, von Krankenkassen und Hospitälern über Rechenzentren
(Datenwolken) die Ausgaben im Gesundheitssektor um bis zu 20 Prozent senken.
Wer seine Röntgenbilder durchs Netz jagen
kann, statt sie auf Speicherfolie oder DVD vom
Internisten abzuholen und artig beim Orthopäden abzuliefern, der spart Zeit und Geld und
Nerven. „Wir bauen standardisierte Plattformen“, sagt Telekom-Kommandeur Timotheus
Höttges. „Denken Sie an das Bild einer Steckerleiste, an die Partner mit ihren Diensten einfach
andocken.“
Im vergangenen Dezember hatte sich die Telekom beziehungsweise ihre Tochtergesellschaft
JUNI 2014
DIGITALE MEDIZIN
Alle werden
Arzthelfer
Puls und
Blutdruck wird
selbst gemessen
und per Internet
übertragen.
Voll vernetzt
Blutzuckermessung
für Diabetiker.
T-Systems bereits der Gesundheitsabteilung des
IT-Dienstleisters Bright One bemächtigt. Dieser
Geschäftszweig setzt, unter anderem mit Krankenhausdatenbanken, rund 20 Millionen Euro
um und tritt besonders hervor mit dem Krankenhaus-Informationssystem I-Med-One. Mit
über 200 angeschlossenen Krankenhäusern und
mehr als 100 000 Anwendern liegt es auf Rang
vier in Deutschland. Für Wehmeier ist die Übernahme bis dahin der „wichtigste Schritt“ für
seinen Gewerbezweig gewesen. Befunde und
Rasende, ungebremste Kosten
Wenn es so weitergeht wie bisher, steigen die Gesundheitsausgaben in den USA bis auf zwei Drittel
des Sozialprodukts.
USA
Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt
70%
60%
FRA
50%
Deutschland
40%
GBR
30%
MEX
20%
10%
Fotos: Xxxxxxxxx
0% 2005
2030
2050
2070
Das Modell rechnet mit einem Wachstum der Gesundheitskosten, das zwischen 0,95 und 1,9 Prozent über dem
angenommenen Wachstum des Sozialprodukts liegt – wie
es in den vergangenen Jahren der Fall war. Quelle: OECD
JUNI 2014
20
Prozent der Deutschen
würden sich ein
Halbleiterplättchen
einpflanzen lassen,
das ihre Körperdaten
misst und speichert.
Arztbriefe versenden, Laborwerte grafisch darstellen, verordnen, diktieren, beauftragen – all
das soll mit I-Med-One laufen wie geschmiert.
Wahrsager behaupten, dass allein der Markt
der Krankenhaus-Infosysteme, mit denen Ärzte
und Lazarette Patientendaten austauschen,
schon bald auf einen Umfang von fünf Milliarden
Euro anschwelle.
V
Von Großunternehmen bis zum Kleinbetrieb:
Am Gesundheitsgeschäft will jeder verdienen.
Natürlich sind alle namhaften Medizintechniker
dabei, von General Electric über B. Braun und
Philips bis zu Siemens; auch Internetkonzerne
wie Google oder Facebook wühlen mit und natürlich Mobilfunkunternehmen wie T-Systems
oder der US-Konzern Qualcomm. Sogar Bosch,
als Autozulieferer bekannt, hat seine Liebe zum
Gesundheitswesen entdeckt. Hinzu kommt, wie
in der Internetwirtschaft üblich, eine lebendige
Gründerszene und eine schier unübersehbare
Anzahl von Einzelkämpfern, die Anwendungen
für mobile Rechner entwickeln.
Der Zunftverband Bitkom will knapp 15.000
mobile Gesundheits-Anwendungen gezählt haben, dreimal so viel wie vor vier Jahren; die
US-Studie Research 2 Guidance kommt sogar auf
weltweit 97.000 „Mobile-Health-Apps“. 2017 sollen 1,7 Milliarden Menschen mindestens ein Gesundheitsprogramm auf ihren Telefonrechnern
nutzen, mit denen sie Körperdaten sammeln,
speichern, auswerten, deuten und bei Bedarf (an
den Hausarzt oder die Klinik) versenden.
Schon heute überprüfen viele Patienten ihren
Allgemeinzustand auf mobile Art und Weise:
nehmen Seh- und Hörtests vor, messen ihren
Blutdruck, schicken Fotos von Muttermalen an
ihren Hautarzt, verbinden ihre Zahnbürsten über
Bluetooth mit dem Rechner, um den Putzbetrieb
zu optimieren. Herz- oder Zuckerkranke proto-
53
IDEEN UND INNOVATIONEN
Kollege
diagnostiziert
mit Im
Krankenhaus
vernetzen sich
Ärzte mit
aushäusigen
Fachleuten.
kollieren ihre Vitalwerte und lassen sich von
ihrem Iphone an die Einnahme ihrer Arzneien
erinnern.
Jeder fünfte Deutsche würde sich, laut einer
Bitkom-Umfrage, sogar ein Halbleiterplättchen
unter die Haut pflanzen, das die Körperwerte
kontrolliert. Kein Experte zweifelt mehr daran,
dass die Massendigitalisierung das Gesundheitswesen gründlich verändert. Diagnosen sind überall sofort verfügbar, Doppeluntersuchungen
entfallen, der Verwaltungsaufwand sinkt.
Dem Fortgang können sich die Ärzte nicht
entziehen: Viel zu stark ist der Kostendruck.
McKinsey-Berater schlagen Alarm: „Wenn nicht
schnell innovative Methoden zur Behandlung
realisiert werden, dann wird das Gesundheitssystem nicht mehr in der Lage sein, die Menschen ausreichend zu versorgen!“
Allenthalben wird geforscht und getestet.
Rund 400 Projekte beschäftigen sich gegenwärtig
in Deutschland mit Möglichkeiten zur Nutzung
des Internets für die Gesundheitswirtschaft. Im
Mittelpunkt stehen die Folgen der demografischen Entwicklung: Aufgrund des steigenden
Durchschnittsalters nehmen chronische Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck deutlich
zu. Rund 80 Prozent der Kostensteigerung gehen, laut McKinsey, allein auf diese beiden
Krankheiten zurück.
Die Nachsorge von Operierten, das Netz-Tagebuch für Diabetiker, der Herzschrittmacher,
der seine Daten über Bluetooth funkt oder der
elektronische Notfallmelder für ältere Menschen
– all dies ist längst gängige Praxis. Philips, einer
der großen Hersteller von Medizintechnik, liegt
bei der Entwicklung telemedizinischer Geräte in
der Spitzengruppe.
Das Unternehmen hat ein System zur Fernbehandlung chronisch Kranker auf den Markt
gebracht: Motiva. Die Patienten erhalten Apparate zur Aufzeichnung und zum Senden ihrer
Daten sowie ein Beistellgerät für den Fernseher,
mit dem sie persönliche Hinweise zur gesunden
Lebensführung empfangen.
Die Telekom hat in den vergangenen Jahren
54
Wir buchen
Flüge und
Hotels im
Internet,
warum
nicht den
Arztbesuch?“
Klaus Rupp,
Techniker
Krankenkasse
mit zwei Kliniken in Cottbus und Brandenburg
ein Telemedizin-Netzwerk für Herzpatienten
aufgebaut: Hausärzte und Kardiologen betreuen
500 Patienten mit chronischer Herzschwäche.
Die Kranken wurden ausgerüstet mit Messgeräten und einem Brettrechner, der ihre Daten an
die Kliniken sendet, wo sie von Ärzten rund um
die Uhr überwacht werden. „In Brandenburg
haben wir das erste flächendeckende Telemedizinnetz Deutschlands mit aufgebaut“, sagt
Wehmeier.
Die Projekte dienen freilich nicht nur der medizinischen Versorgung, sondern auch dem Abbau nervtötender Aspekte im Leben eines Patienten. So hat die Techniker Krankenkasse einen
Test mit der Terminvereinbarung bei Ärzten
unternommen. „Wir buchen mittlerweile selbstverständlich Flüge, Bahntickets, Hotels und ganze Reisen im Internet, warum nicht auch den
Arztbesuch“, sagt Klaus Rupp (47), Leiter des
Versorgungsmanagements.
Mehr als 10.000 Personen nahmen an dem
Versuch teil, knapp 60 Prozent zeigten sich bei
der anschließenden Auswertung zufrieden. „Besonders positiv empfinde ich, dass es möglich
war, abends nach 22 Uhr einen Arzt zu finden,
der am nächsten Tag einen Termin freihatte“,
freute sich eine Teilnehmerin.
A
Auch in Krankenhäusern tragen mobile Rechner inzwischen dazu bei, die Versorgung zu verbessern und
die Abläufe zu beschleunigen. Das Waldkrankenhaus
in Spandau arbeitet mit der Telekom beim Einsatz
solcher Geräte zusammen.
Als sie das erste Mal bei der Visite mit einem
Ipad aufgetaucht sei, berichtet eine junge Ärztin,
hätten ihre Patienten geglaubt, sie hätte ihren
privaten Computer dabei. „Als ich ihnen dann
aber ihre Röntgenbilder und andere Befunde
zeigen konnte, waren sie überzeugt“, sagt sie.
Seit dem vergangenen Jahr testen Philips und
JUNI 2014
So sieht’s innen
aus Digitale
3D-Darstellungen
helfen den
Chirurgen bei
der Operationsvorbereitung.
Skeptische Ärzte
Die Patienten sind
aufgeschlossener als
die Mediziner.
die Beratungsfirma Accenture den Einsatz von
Google Glass im Klinikbetrieb: Die Datenbrille
ist mit einem Philips-Überwachungssystem verbunden und zeigt einem Chirurgen bei der Operation kontinuierlich alle notwendigen Informationen, ohne dass der sich auch nur einen Augenblick vom Operationstisch abzuwenden
braucht. „Das Konzept zeigt, wie digitale Technik
unsere Arbeit verändert“, sagt Paul Daugherty,
Technischer Direktor bei Accenture.
Geforscht und getestet, studiert und probiert
wird überall. Doch das eigentliche Ergebnis der
digitalen Revolution, die Vernetzung der Akteure, die grenzenlose Verfügbarkeit aller Informationen an jedem Ort und zu jeder Zeit, ist noch
nicht Realität.
Dies gilt auch und vor allen Dingen für
Deutschland, wo die Gesundheitswirtschaft
denselben Gesetzen gehorcht wie vor 50 Jahren.
Die Beharrungskräfte sind enorm. Das hat mit
einer weithin geringen Aufgeschlossenheit für
Neuerungen zu tun, aber auch mit handfesten
Wirtschaftsinteressen. „Wenn neue Anbieter auf
den Markt kommen, fürchten die alten, verdrängt zu werden“, sagt Stefan Biesdorf (45),
McKinsey-Partner und Experte für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Viele Hausärzte verweigern sich, weil sie fürchten, dass
etwa telemedizinische Angebote ihre Praxen
leeren.
Natürlich spielt auch die Frage des Datenschutzes eine große Rolle. Medizinische Daten
sind sensibel. Wer in die Computersysteme
von Banken eindringen kann, der ist auch in
der Lage, Patienten-Konten zu knacken. Für
Klaus Rupp von der Techniker Krankenkasse
steht aber fest: „Es gibt Antworten. Am Ende
wird der gewinnen, der die Sicherheitsfrage löst.“
Auch für Axel Wehmeier ist das eine nüchterne Management-Aufgabe, anspruchsvoll, aber
lösbar. Mag sein, dass es ein paar Jahre länger
dauert, am Erfolg zweifelt er nicht: „Ob Kassen,
Patienten, Ärzte oder Kliniken – alle müssen
irgendwann in der digitalen Welt ankommen.“
RAINER HUPE
JUNI 2014
Digitale Patienten,
analoge Ärzte
Auch die gesundheitsbewussten sogenannten „Silver-Surfer“ reiten auf der digitalen Welle: Fast drei Viertel
aller Deutschen über 65, die
mit dem Internet vertraut
sind, würden medizinische
Dinge mit Digitaltechnik
selbst in die Hand nehmen.
73 Prozent der Alten möchten
via Internet an Untersuchungen oder die MedikamentenEinnahme erinnert werden,
81 Prozent würden einen elektronischen Zugang zu ihrer
Patientenakte nutzen. So lauten die wesentlichen Ergebnisse einer Umfrage der Beratungsfirma Accenture.
Dem Elan der Alten stehen
die Jüngeren nicht nach.
70 Prozent der Deutschen
sind der Meinung, dass den
Patienten der digitale Zugriff
auf ihre Krankenakte möglich sein sollte. Knapp die
Hälfte würde sogar den Arzt
wechseln, um dies zu erreichen. „Der Wunsch nach einer
Digitalisierung des Gesundheitswesens ist längst in der
Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt AccentureGeschäftsführer Sebastian
Krolop (Foto).
Nur die Ärzte ziehen bislang
noch nicht so richtig mit.
Zwar wenden sie Digitaltechniken an, erfassen elektronisch Notizen im Patienten-
gespräch. Doch den entscheidenden Vorteil der
Vernetzung, also die Möglichkeit, Informationen schnell
und einfach mit Kollegen,
Krankenhäusern, Apotheken,
Krankenkassen und natürlich
auch ihren Patienten selbst
auszutauschen, nutzen sie
kaum: Nur einer von fünf Ärzten bietet diese Leistung an,
und nur jeder achte ist bereit,
seinem Patienten den vollen
Zugriff auf seine Akte zu
gewähren.
Viele der früheren Halbgötter in Weiß sind noch nicht
in der digitalen Dienstleistungsgesellschaft angekommen. Angeblich auch wegen
ungelöster Fragen des Datenschutzes, was 17 Prozent der
deutschen Mediziner anführen. Dennoch geht der Trend
eindeutig zur Digitalisierung.
„Ärzte, die dieser Nachfrage
nicht gerecht werden“, sagt
Accenture-Mann Krolop,
„laufen Gefahr, dass ihre
Patienten mit den Füßen abstimmen. Die Digitalisierung
wird zum bestimmenden
Unterscheidungsmerkmal.“
Patienten
wollen digitalen
Zugriff – oder
andere Ärzte.
AccentureGeschäftsführer
Sebastian Krolop
55
BEN
JA
MIN
In seiner Mitte Buddhismus, für Benjamin Otto
bedeutet das Offenheit.
Er meditiert, um er selbst
zu sein.
56
JUNI 2014
BENJAMIN OTTO
Sein Großvater baute das Versandhaus auf,
sein Vater machte es zum Weltkonzern. Jetzt
führt Gründerenkel Benjamin Otto ein eigenes
Unternehmen im Familienbetrieb. Will er das
überhaupt? Oder kann er nur nicht anders?
Foto: Jan Riephoff
E
JUNI 2014
Es war einer dieser ersten, stillen Januartage. 2012 hatte gerade erst begonnen, und
von der Betriebsamkeit des neuen Jahres
war noch nichts zu spüren, als Benjamin
Otto (38) zu seinen Eltern fuhr, um mit seinem Vater Michael (71) in die Sauna zu gehen, was die beiden ganz regelmäßig tun.
„Was meinst du“, fragte Benjamin Otto,
nachdem sie sich wieder abgekühlt hatten,
„ist es nicht mal an der Zeit, was radikal
Neues zu machen?“ Michael Otto ging ein
bisschen mit sich zurate und antwortete
dann: „Es gibt da schon was ...“
Es ging den beiden nicht darum, wie sie
sich die Zeit künftig auf andere oder erfrischendere Weise vertreiben könnten; es
ging, wie so häufig in der Familie Otto, ums
Geschäft: Das „radikal Neue“, über das sich
Michael Otto, der Aufsichtsratsvorsitzende
des Unternehmens, und sein Stammhalter
an jenem Januartag unterhielten, war ein
Vorhaben, das den Allesversender von
Grund auf verändern und sozusagen auf die
nächste Entwicklungsstufe heben sollte. So
hatten sie sich das jedenfalls vorgestellt im
Hause Otto.
Sie wünschten sich oder träumten doch
zumindest davon, dass sich die Menschen
ein neues Bild machen sollten von ihrem
Unternehmen und es nicht mehr gedankenlos und unwillkürlich mit bibeldicken Katalogen in Verbindung brächten wie VW mit
dem Golf.
Benjamin Otto denkt an das Gespräch
mit seinem Vater zurück. Jetzt, zwei Jahre
später, sitzt er in Hamburg-Eppendorf, sehr
aufrecht, ohne eingesunkene Schultern und
krummen Rücken, wie es sich viele Männer
aus bloßer Freundlichkeit angewöhnen, die
so lang sind wie er, nämlich einen Meter
fünfundneunzig.
Aus der Idee, die damals nach dem
Saunagang entstand, hat sich die Firma
Collins zur Entfaltung gebracht, ein Betrieb
in der Spezialdisziplin des Internethandels,
registriert als Tochtergesellschaft des
Versandhauskonzerns.
Otto hat bekanntlich einige Schwierigkeiten mit der Netzkonkurrenz, namentlich
mit Veranstaltern wie Zalando und vor allen
Dingen natürlich mit Amazon. Mithilfe
von Collins wollen die Hamburger ihren
Widerstand nun ein wenig verschärfen, zumindest in der Fachrichtung Schuhe und
Bekleidung.
Rund 50.000 Artikel führt das Unternehmen im Sortiment. Auch unabhängige Entwickler (und dies ist das Neue) dürfen mit
eigenen Anwendungen bei Collins auftreten
und die Pullunder, Bolerojäckchen und Röcke verkaufen. Gesetzt den Fall, dass sich
eine dieser Anwendungen als besonders
benutzerfreundlich und leistungsstark entpuppt, erhält ihr Erfinder eine gewisse
Umsatzbeteiligung.
Die Idee klingt nicht schlecht. Man wird
sehen, ob das auch alles so funktioniert, wie
sie sich bei Collins das vorstellen.
Die 140 Collins-Leute belegen zurzeit
noch drei Etagen in einem Büroquader mit
sechs Geschossen. Glas und Rotklinker lassen das Gebäude etwas weniger klobig wirken. Aber viel bringt das auch nicht. Hamburg verfügt in dieser Gegend, hinterm
Universitätsklinikum gelegen und eine
Stunde Fußweg von der Innenstadt entfernt, nur über wenig Reiz und Abwechslung: Büros, Wohnhäuser, bieder bis gediegen. Weder hip noch hässlich.
Benjamin Otto bittet um Nachsicht für
die Unordnung in seinem Büro, in dem gar
keine Unordnung herrscht, aber der Eindruck, dass der Chef eine gewisse Vorliebe
57
IDEEN UND INNOVATIONEN
Das Otto-Quartett 2007
Benjamin mit Mutter Christl, Vater
Michael und Schwester Janina.
58
„Mein Großvater und Vater waren ja wirklich sehr
erfolgreich“, sagt Benjamin Otto. „Da ist es schwer,
sich abzuheben.“ Schwer ist es vor allem, den Erwartungen gerecht zu werden, die sich vor dem jungen
Otto auftürmten wie Gebirge. In seinen Augen ist der
Vater perfekt. Welchen Sinn konnte es haben, dies
auch noch der ganzen Welt unter die Nase zu reiben,
indem er, Benjamin, sich als sein Nachfolger
versuchte?
Benjamin ist
zu jung, als
dass man
schon sagen
könnte,
dass er das
Unternehmer-Gen
hat.“
Frank Otto,
Benjamins Onkel,
sagt, dass sein
Vater Werner
Otto auch erst
mit 50 entdeckt
habe, dass er ein
echter Unternehmer sei.
M
Manche wären davongelaufen, vor dem Wunsch des
Vaters nach einem Nachfolger, vor den Ansprüchen,
die man auch an sich selbst stellt. Benjamin Otto
lernte Bankkaufmann bei der Berenberg Bank und
studierte Wirtschaftswissenschaften an der European
Business School in London. 2002 gründete er eine
Firma für Haus-, Medientechnik und Immobilienentwicklung. Heute erwirtschaftet die Intelligent Group
einen Umsatz von etwa 70 Millionen Euro, die Geschäfte führt sein Kompagnon Marius Marschall von
Bieberstein (36).
Trotz seiner erfolgreichen Unternehmerkarriere
bedrängte ihn doch immer die Frage, wie es wohl
weitergehe. Der Vater, auf ihn hoffend, hatte HansOtto Schrader (57) die Führung des Konzerns anvertraut. Schrader ist ein hervorragender Manager, aber
eben doch nur ein Statthalter für jenen nächsten
Otto, der eines Tages doch einfach kommen
musste.
Er hat immer auf eine Aufgabe gewartet, die wirklich zu ihm passt. Und bei Collins, sagt Benjamin
Otto, zum ersten Mal gespürt, dass dieses Projekt
etwas sei, „womit ich als nächste Generation etwas
anderes und Eigenes machen kann“.
Das Praktische: Niemand aus der Familie hat sich
je an einem ähnlichen Unterfangen versucht, an niemandes Erfolg muss er sich messen lassen. Benjamin
Otto fängt bei Otto an, ohne bei Otto anzufangen:
mit einem kleinen Unternehmen innerhalb des
großen. 2016 endet der Vertrag von Konzernchef
Schrader. Ob er Ambitionen hat, ihm nachzufolgen?
Er lässt es offen.
JUNI 2014
Foto: picture-alliance/ dpa (3)
fürs Stapeln hat: Bücher, Schriftstücke, Unterlagen
aller Art – alles schön übereinander.
Die Morgensonne knallt zum Fenster herein, es
gleißt, und Otto hat die Jalousien runtergelassen. Das
Schild neben der Bürotür trägt einen fremden Namen. Otto legt keinen Wert darauf, es auszuwechseln.
Interessiert ihn nicht, lohnt auch nicht. Das Eppendorfer Büro ist sowieso zu klein, im Sommer ziehen
Otto und sein Ensemble in die Innenstadt um.
Er trägt kein Jackett an diesem Frühsommertag,
aber dass er der Chef ist, erkennt man trotzdem: Das
Hemd hat einen zarten Fliederton, und es sieht aus
wie geplättet, nicht nur wie gebügelt. Seine Schuhe
sind entweder lackiert oder so ausgiebig poliert worden, dass ein durchschnittlicher Polierer drei Wochen
dafür brauchte, um so einen Glanz zu erzeugen. Falls
dem das überhaupt gelänge. All die anderen jungen
Leute, die durch die Gänge traben, brauchen weder
Bügeleisen noch Politur: Sie tragen T-Shirts und
Turnschuhe.
„Ich bin froh, dass Otto bei Collins ganz ohne
Grenzen gedacht hat“, sagt er mit einer unerwartet
hellen Stimme und meint damit, dass das alte Haus
hier wirklich mal etwas radikal Neues ausprobiert.
„Es ist sicher wesentlich schwieriger, im Konzern in
kurzer Zeit sehr viel zu verändern.“
Benjamin Otto hat lange darüber nachgedacht, ob
er den Weg ins Unternehmen seiner Familie gehen
soll, und wenn ja, wie er ihn denn finde, seinen eigenen Weg. Ja, ja, er könne sich durchaus vorstellen,
eines Tages bei Otto einzusteigen, hatte er den Leuten immer geantwortet, die ihn mit der Frage nach
der Konzernführung gelöchert und wahrscheinlich
auch ein wenig aufgezogen hatten. Was man halt so
sagt, wenn man nicht genau weiß, was man will, beziehungsweise nicht weiß, ob man überhaupt auch
nur annähernd so viel Zeug dazu hat wie der Vater
und Großvater.
Als Michael Otto 1971 in den Otto-Vorstand einrückte, war er 28 Jahre alt, ein junger Kerl. Schon ihm
hatten sie als Nachfolger des Gründers nicht viel
zugetraut: Michael Otto sei ein „Öko-Spinner“, feixte
man damals. Der verspiele noch das Erbe, fürchteten
die Mitarbeiter. Aber Michael Otto kam mit dem
Druck zurecht, er amtierte bis 2007 und machte den
Otto-Versand zum Weltkonzern.
BENJAMIN OTTO
Collins-Partner Tarek Müller Der
Otto-Kompagnon stellte Anfang Mai
den Collins-Ableger About You vor.
Otto spricht, als höre er sich dabei genau zu. Bisweilen bleiben seine Sätze unvollendet, als sei er unzufrieden mit ihnen. Dann setzt er neu an. Wenn er
über Dinge redet, über die er oft nachgedacht hat, sagt
er: „ich merkte“ oder „ich wurde mir darüber bewusst“.
Dann klingt er hölzern. Antwortet er gefühlsmäßig,
sagt er: „ich habe mich gelöst“, „ich bin gereist“.
Benjamin Otto mag Technik, schon als Kind daddelte er natürlich lieber am Computer herum als
Lateinvokabeln zu pauken. Also bastelte er sich einen
Lichtmelder, der ihn alarmierte, wenn sich Mutter
Christl dem Kinderzimmer näherte. Benjamin schaltete den Computer aus, hechtete an den Schreibtisch
und schlug das Buch auf. Sein Idol wurde Bill Gates.
Er sei ganz normal aufgewachsen, sagt er. So normal es eben geht, wenn man ein Milliardärssohn ist
und der Vater fürchten muss, dass seine Kinder (Benjamins Schwester Janina ist zwei Jahre älter) Opfer
einer Entführung werden könnten. Wenn seine
Freunde Fahrrad fuhren, dann wurde er chauffiert.
Wenn die vom Rad stiegen, parkte sein Fahrer in
Sichtweite. Ah, das war schon unangenehm. Manchmal fragten ihn die Kinder danach: „Was macht der
denn da? Und warum guckt der so?“ „Ich habe
dann gesagt: Ach, das ist unser Gärtner.“
Die Eltern verwöhnten Benjamin nicht, oh nein.
Er bekam weniger Taschengeld als viele Klassenkameraden. In der Familie erzählt man sich die Anekdote, dass sich Benjamin von seinem Vater einmal
einen neuen Computer gewünscht und der ihm gesagt habe, er könne doch seinen alten erst einmal
verkaufen. Dann bekäme er für den neuen etwas dazu.
Benjamin Otto sagt, daran könne er sich nicht
erinnern. Aber die Geschichte klinge typisch für seinen Vater. Wahr ist: Im Sommer auf Sylt wusch er
den Staub von den Autos und verdiente gut daran.
Verfügt auch Benjamin Otto über ein Unternehmer-Gen wie sein Vater und Großvater? „Benjamin
ist zu jung, als dass man schon sagen könnte, dass er
es hat“, sagt sein Onkel Frank Otto (53). „Mein Vater
hat es erst mit 50 bei sich festgestellt, und Michael
ist vom Sohn, der erst mal nur im Einkauf tätig war,
zu einem gestandenen, souveränen Typen geworden.“ Seinen Neffen nehme er als jemanden wahr,
„der sich viel damit beschäftigt, wie er sich verhält
– und ob er die Familie mit dem, was er tut, be-
JUNI 2014
Der elterliche Betrieb
und seine
mögliche
Rolle darin,
das hat
ihn sein
Leben lang
begleitet.“
Marius
Marschall von
Bieberstein,
Geschäftspartner
schmutzt“. Eine Zeit lang hatte es Benjamin Otto mit
Abstand. Er studierte in London und verbrachte ein
Semester in Buenos Aires. Das sei wahrscheinlich die
schönste Zeit seines Lebens gewesen. Nach dem Studium zog er nach Berlin, fuhr VW Golf, wohnte günstig und war für die Freunde einfach nur „Benni“:
„Durch die Distanz hatte ich erstmals ein starkes
Gefühl von Freiheit und freier EntfaltungsMöglichkeit.“
Eltern oder Firma abzustreifen – nein, das habe
er nie gewollt. Richtig entfernen konnte er sie nie.
Thema seiner Bachelorarbeit: „Die Bedeutung des
Internets für den Versandhandel“. „Der elterliche
Betrieb und seine mögliche Rolle darin, das hat ihn
sein Leben lang begleitet“, meint Geschäftspartner
von Bieberstein. Ja, sagt Otto, das sei „in der Familie
so verankert wie ein Familienmitglied und auch wie
eine Ehre; etwas Besonderes, das man automatisch
mitnimmt“.
Otto betrachtet sich als einen vom christlichen
Glauben geprägten Buddhisten. Er könne „viel authentischer sein“, wenn er meditiert habe, in seiner „Mitte“
sei „und aus einer ganz anderen Kraft heraus agieren
kann“. Ja, er könne natürlich auch bestimmend und
fordernd sein. Aber er versuche, die „Menschen nicht
in eine Richtung zu drängen, sondern selbstständig
arbeiten zu lassen. Ich halte das für sehr wichtig“.
SOPHIE CROCOLL
Projekt Collins
Über 100 Millionen Euro steckt die Otto-Gruppe in das
Collins-Experiment, mit dem sie beweisen will, dass sie
mehr kann, als ihren Katalog ins Internet zu stellen. Etwa
sechs Milliarden Euro, die Hälfte des Umsatzes, erzielt der
Hamburger Konzern inzwischen im Netz. Benjamin Otto
arbeitet bei Collins mit Tarek Müller (25) zusammen, einem „Hardcore-E-Commercer“, wie ihn Otto-Vize Rainer
Hillebrand nennt: Der kennt sich aus mit Handel im Internet. Projekt Collins mit den Seiten About You und Edited
macht auf Modemagazin, das zeigt, was angesagt ist, aber
über Anwendungen externer Entwickler Raum für einen
Stil lässt, mit dem man sich abhebt. So will der Konzern
junge Frauen zwischen 20 und 40, die dem Otto-Versand
untreu geworden sind, wieder an den Konzern binden.
59
IDEEN UND INNOVATIONEN
WO MÄZENE SICH
MONUMENTE SETZEN
Millionäre und Milliardäre finanzieren einen Großteil der Forschung
in den USA. Gut. Einerseits. Andererseits birgt das System auch Gefahren:
Die Wissenschaft macht sich abhängig von Privatinteressen.
Fließen Sponsorengelder womöglich in die falsche Richtung?
Ohr zur Welt Mit dem
Allen Telescope Array lässt
Microsoft-Mitgründer Paul
Allen nach Außerirdischen
suchen.
60
JUNI 2014
Fotos: Bill & Melinda Gates Foundation, Corbis
WISSENSCHAFTSMÄZENE
Stillster Ort Neu-Delhis Paul Allens
Microsoft-Kollege William Gates kümmert
sich sozusagen um das Naheliegende.
61
IDEEN UND INNOVATIONEN
Biggest Spender Die
Bill-und-Melinda- GatesStiftung in Seattle ist die
größte private Wohltätigkeitsorganisation der Welt: Mehr
als 25 Milliarden Dollar hat
sie seit ihrer Gründung 1999
für Hilfsprojekte ausgegeben.
S
Selbst einem der abgefeimtesten Geschäftsleute weit
und breit, dem Microsoft-Gründer William Henry
Gates (58), gelingt nicht alles. Das ist eine beruhigende Nachricht. Die beunruhigende Nachricht ist, dass
die von seiner Stiftung bezahlte Forschungsinitiative
Reinvent the Toilet auch nach einer halben Ewigkeit
dreijährigen Experimentierens noch keinen Schritt
weitergekommen ist auf dem Weg zu einem Klosett,
das es in puncto Praktikabilität mit den besten Latrinen der Welt aufnehmen kann.
Es sieht so aus, als müssten sich jene 2,5 Milliarden
Benachteiligte, die schon heute mit dem Nötigsten
nicht auskommen, auch in nächster Zeit ohne jene
Einrichtung leben müssen, die man gemeinhin und
fröhlicherweise als „sanitäre“ bezeichnet.
„Bill Gates schafft es nicht, eine Toilette zu bauen“, höhnte der Ingenieur Jason Kass in einem Leitartikel der New York Times. Ausgerechnet Kass, der
selbst einige Fehlschläge in der gleichen Disziplin
erlitten hat. Senkgrube oder Wasserspülung, dabei
wird es vorerst bleiben.
Die unter Beihilfe der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung erdachten Aborte seien technisch unausgereift
und überdies zu anfällig, findet Kass – und vor allem
seien sie zu teuer, als dass sie sich lohnenderweise
unter den Leuten zum Einsatz bringen ließen. Denn
die Ansprüche, die Gates an den stillen Ort stellt,
sind drastisch: Die Toilette möge die Obliegenheiten
einer Kläranlage und auch die eines Biokleinkraftwerks erfüllen. Man wird sehen, welche Fortschritte
die Zivilisation auf diesem Gebiet macht.
Unterdes heben zwei andere Microsoft-Veteranen
ihre Nasen, blicken in den Himmel und greifen
nach den Sternen: Der Microsoft-Mitgründer Paul
Allen und sein ehemaliger Vorausdenker Nathan Myhrvold lassen den Kosmos nach Außerirdischen
abhorchen.
Nötig wurde die Privatinitiative, weil sich der Mission, andere Geschöpfe im All zu finden, sonst wohl
62
30
Millionen Dollar
Paul Allen (Foto)
und sein alter
Microsoft-Mitstreiter Nathan
Myhrvold trieben
diesen Betrag auf
in der Hoffnung,
die eine Nachricht
aus dem Himmel
aufzufangen. Das
wird ein Hallo
geben, wenn es
tatsächlich
klappte!
niemand mehr angenommen hätte. Der US-Regierung erschienen die Aufwendungen in dieser Angelegenheit zu hoch.
Als sich abgezeichnet hatte, dass der University
of California in Berkeley, die bis dahin mit der Fahndung befasst gewesen war, wohl in Bälde die Mittel
ausgehen würden, trieben Allen und Myhrvold rund
30 Millionen Dollar auf, was ihnen nicht schwerer
gefallen sein dürfte, als auf eine Hupe zu drücken.
Sie ließen die Lauschaktion zwischen den Fixsternen
fortsetzen mithilfe des nunmehr als Allen Telescope
Array getarnten Radiofernrohrs im kalifornischen
Hat Creek.
Die Beispiele – von der Toilette bis zum Teleskop – veranschaulichen, wohin es führen kann, wenn
Privatleute die Dinge selbst in die Hand nehmen, um
Forscher und Fortschrittler zu neuen Bestleistungen
anzustacheln, ja richtiggehend anzustiften: Sie stecken ihr Geld nicht selten in Fachrichtungen, für die
Steuergelder kaum mehr aufzutreiben sind, animiert
von WC- oder E.T.-Kundlern, die ihnen die Hilfsgelder aus dem Portemonnaie quasseln.
Die Frage liegt nahe: Wären die Millionen nicht
anderswo besser aufgehoben? Nehmen Mäzene mit
ihren Geldern unziemlichen Einfluss darauf, was erforscht wird und was nicht, wie das Wissenschaftsmagazin Nature Neuroscience warnte, indem sie
„Ressourcen von weniger ‚populären‘ Gebieten
abziehen“?
Die Taschen der amerikanischen Wissenschaftsförderer reichen in königliche Tiefen: Über
32 Milliarden Dollar geben sie jährlich für den Unterhalt von Bildungseinrichtungen aus. Das sind etwa
elf Prozent jener steuerlich erfassten knapp 300 Milliarden Dollar, die gemeinnützige Organisationen als
Spendeneinnahmen im Jahr melden. Die 50 größten
US-Universitäten bestreiten damit bis zu 30 Prozent
ihrer Forschungsausgaben.
Hiesige Anstalten können nur rund zwei Milliarden Euro im Jahr von Stiftungen, Unternehmen und
Privatleuten in Empfang nehmen. Einer der freigebigsten Spender ist der SAP-Mitgründer Hasso Plattner (70), dessen Stiftung unter anderem das nach
ihm benannte Institut für Softwaresystemtechnik der
Universität Potsdam nahezu alleine betreibt. Alles in
allem hat Plattner weit über 210 Millionen Euro unter
die Bedürftigen gebracht.
JUNI 2014
WISSENSCHAFTSFÖRDERER
Fotos: picture alliance / dpa, Getty Images,
„Unsere Unis müssen
sich nicht verstecken“
Viele Jahrzehnte lang hielt Amerikas
Geldadel, die Carnegies oder Rockefellers, die Wissenschaft am Leben: Als
„Medicis des 19. Jahrhunderts“ beschreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin Fiona Murray diese Industriellen in
ihrer Abhandlung über die Bedeutung
der Millionäre und Menschenfreunde für
die amerikanische Lehre: „Sie finanzierten die Grundlagenforschung in Astronomie, Chemie oder auch Biologie.“
Doch spätestens mit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs wurde besagte
Grundlagenforschung in den USA eine
Aufgabe des Staates, wie sie es in
Deutschland ja schon viel länger war.
Heute engagieren sich Privatleute nur
noch in seltenen Fällen auf diesem Gebiet. Denn an Geld fehle es hier nicht,
meint Murray, die, nebenbei bemerkt, an
der Sloan School of Management des
Massachusetts Institute of Technology
arbeitet, das 1952 mit einer Spende des
Automobil-Managers Alfred P. Sloan aus
der Taufe gehoben wurde.
Wissenschaftsförderer wie Gates
oder Allen müssten also entweder dort
aktiv werden, wo man „schon gute
Geldquellen gefunden hat“, was recht
unerquicklich ist, weil man hilft, wo keine Hilfe nötig ist. Oder sie lenken den
Sonnenstrahl ihrer Fortschritts- und
Wissenschaftsliebe auf jene Käuze und
Sonderlinge unter den Gelehrten, die
vielleicht nur einmal im Leben, wenn
überhaupt, jemandem begegnen, der ihr
Tüfteln und Pusseln für subventionswürdig erachtet.
Paul Allen hat seine Forschungsstifter
angewiesen, vor allem solche Wissenschaftler aufzustöbern, die durchaus mit
befremdlichen, jedenfalls brandneuen
Ideen die Szene aufwirbeln und aufwühlen wollen. Gefunden haben sie
zum Beispiel die 38-jährige Maschinenbau-Ingenieurin Hana El-Samad, die ihr
an Robotern geschärftes SystemtechJUNI 2014
Interview Andreas Barner (61), Vorsitzender der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim und Präsident des Stifterverbands
für die Deutsche Wissenschaft, über die Arbeitsteilung bei der
Forschungsfinanzierung.
Herr Barner, Amerika hat seine
großen Mäzene. Brauchen wir
die auch?
Es gibt bei uns zwei Ansätze:
Zum einen fördern Unternehmen
die Forschung vollkommen ohne
Eigeninteressen, meistens über
Stiftungen wie die Robert-BoschStiftung oder auch die BoehringerIngelheim-Stiftung. Rund 1.000
Stiftungsprofessuren werden so
finanziert. Daneben steht die Zusammenarbeit zwischen industrieller Forschung und Universitäten
– zumeist für sehr wohldefinierte
Forschungsvorhaben mit konkreter Fragestellung.
Können Sie das
veranschaulichen?
Das eine sind Aufwendungen, die
die Industrie für F&E ausgibt, die
sie aber auch im großen Umfang,
sogar zum weitaus größten Teil in
den eigenen Forschungsabteilungen, zum Beispiel bei Bosch, Siemens, den Autokonzernen oder in
der chemischen oder pharmazeutischen Industrie, vornimmt. Das
sind 54 Milliarden Euro pro Jahr,
zwei Drittel der Gesamtaufwendungen für F&E in Deutschland.
Die andere Frage ist die, welche
Forschung die deutsche Industrie
gemeinsam mit den Universitäten
betreibt oder wie sie diese akademische Forschung fördert.
Heißt das nicht auch, dass die
Forschung selbst von Wirtschaftsinteressen beeinflusst ist?
Dem würde ich nicht zustimmen.
Es ist ganz wichtig, dass es von
Neugier getriebene Grundlagenforschung gibt. So etwas müssen
primär die Universitäten und
akademischen Institutionen wie
die Max-Planck-Gesellschaft, die
Helmholtz-Gemeinschaft oder
auch die Fraunhofer-Gesellschaft
leisten können.
Wer zahlt, der bestimmt,
was mit seinem Geld gemacht
wird und was nicht?
Das gilt ganz sicher nicht in
Deutschland.
Im internationalen Vergleich
sind deutsche Hochschulen
verhältnismäßig unattraktiv für
junge Forscher. Die Technische
Universität München als beste
deutsche Uni rangiert weltweit
nur auf Rang 50.
Ich denke, dass wir angesichts
unseres universitären Niveaus in
Deutschland überhaupt nicht besorgt sein müssen. Wenn man von
den Spitzenuniversitäten wie Harvard, MIT, Stanford oder Berkeley
absieht, dann glaube ich nicht,
dass sich irgendeine deutsche
Universität hinter irgendeiner
amerikanischen verstecken muss –
wenn, wie gesagt, die Grundfinanzierung stimmt. Aber die kann
nur die öffentliche Hand stemmen.
Bildung und Wissenschaft sind
Kernaufgaben des Staates, und
aus dieser Verantwortung wollen
wir ihn auch nicht entlassen.
63
IDEEN UND INNOVATIONEN
Patient mit Hut Der Ölund Chemieunternehmer
David H. Koch (74, Vermögen:
38 Milliarden Dollar) erkrankte 1992 an Prostatakrebs
und finanziert aus Gründen,
die auf der Hand liegen, das
Koch Institute for Integrative
Cancer Research bei Boston.
Koch ist erklärter Gegner der
Gesundheitsreform Obamas.
nik-Wissen auf Probleme der Zellbiologie angewandt
hat und nun mit einem kräftigen Ruck zur Professorin
für Biophysik an der University of California in San
Francisco befördert wurde. Allens Familienstiftung
begünstigt die Arbeit der jungen Gelehrten mit einem
Stipendium von 1,4 Millionen Dollar.
Deutsche Hochbegabte fühlen sich von dem reichhaltig ausgestatteten und modern möblierten Wissenschaftsbetrieb in den USA bekanntlich stark angezogen. Noch im Februar warnte ein sogenannter
Expertenbericht die deutsche Bundesregierung vor
den Folgen eines Talenteschwunds für die Forschung
in Deutschland. Man kennt diese Warnungen seit
vielen Jahren. Bewirkt haben sie wenig.
Förderprogramme würden schon helfen, sagt Peter Strohschneider (58), Präsident der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, und fügt behauptenderweise und etwas trotzig hinzu, dass „ein großer Teil der
in den USA tätigen Nachwuchswissenschaftler wieder
nach Deutschland zurückkehren möchte“.
D
Dass die Leute überhaupt heimkehren, räumt Strohschneider ein, sei zugegebenermaßen nicht allein den
Förderprogrammen zuzuschreiben, sondern auch
den nicht mehr ganz so lockeren Bedingungen in
Amerika selbst: Die US-Bundesausgaben für Forschung wachsen so langsam wie Elche, sind mit
bloßem Auge also kaum wahrnehmbar. Die Zuschüsse
der einzelnen Bundesstaaten schrumpfen sogar. Im
Gegenzug steigt indes der Beitrag, den Privatspender
leisten, um etwa fünf Prozent jährlich, was nicht verschwiegen werden soll.
Für viele Absolventen der amerikanischen
Efeu-Universitäten gehört es zu den Selbstverständlichkeiten ihres Bürger-Seins, dass sie ihre ehemalige
Bildungsstätte Jahr für Jahr mit Zuschüssen bedenken. Wenn irgendwo ein neues Labor eingerichtet,
ein Hochschulbau modernisiert, ein Sekretariat renoviert, ein Institut eröffnet oder eine Parkbank aufgestellt wird, findet sich irgendwo auch der Name
eines Wohltäters: Die Columbia University in New
York nannte einen Neubau ihrer Business School
nach dem Finanzinvestor Henry Kravis von der Firma
64
50
Prozent seines
Einkommens
So viel kann ein
Amerikaner
steuermindernd
für gemeinnützige Zwecke
ausgeben. In
Deutschland sind
nur 20 Prozent
erlaubt.
Kohlberg Kravis Roberts und einen anderen nach
Ronald Perelman (dem unter anderem Revlon und
Panavision gehören). Die Herren hatten einen Beitrag
von jeweils 100 Millionen Dollar geleistet. Seither
stehen ein Henry R. Kravis Building sowohl wie ein
Ronald Perelman Center of Business Innovation auf
dem Campus.
Paul Allen stattete ein Gehirnforschungsinstitut
in Seattle mit 500 Millionen Dollar aus, woraufhin es
sich so nannte wie Allen selbst; der Oracle-Gründer
Lawrence Ellison wiederum knüpfte eine Freundschaft mit dem Medizin-Nobelpreisträger Joshua
Lederberg, aus der 1997 die Ellison Medical Foundation blühend hervorstach, die mittlerweile eine halbe
Milliarde Dollar unter die Forscher gebracht hat.
Begründet worden ist die Tradition der Hilfsbereitschaft übrigens von keinem Amerikaner, sondern
von einem der angeblich geizigen Schotten, dem Gelehrten James Smithson: Der 1829 verstorbene Chemiker hatte den USA ein Vermögen von 515.000 Dollar hinterlassen, auf dass der Staat eine „Einrichtung
zur Mehrung und Verbreitung des Wissens unter den
Menschen“ ins Leben riefe.
Der nach gegenwärtigen Maßstäben bescheidene
Betrag von umgerechnet zehn Millionen Dollar reichte hin, um die Smithsonian Institution aufzubauen,
die heute vermutlich größte Forschungs- und Bildungsorganisation der Welt. Durchs Smithsons Vorbild ermuntert und ermutigt, gingen sodann auch die
Stahl-, Öl- und Eisenbahnbarone Andrew Carnegie,
John D. Rockefeller und Cornelius Vanderbilt stiften
und ließen Kunsthallen und Observatorien in großem
Stil errichten, auch Universitäten und Ordinariate
als Monumente ihres Mäzenatentums.
Natürlich hatten die Edelleute nicht nur und vielleicht nicht einmal hauptsächlich das Wohl der Wissenschaft und Forschung im Sinn. Heute begünstigen
Steuersparmodelle die Einsatzbereitschaft und das
Entgegenkommen der Milliardäre: Bis zu 50 Prozent
seines Einkommens kann ein Amerikaner steuermindernd für gemeinnützige Zwecke ausgeben; in
Deutschland sind es höchstens 20 Prozent.
Daneben hat so mancher der generösen Spender
sehr persönliche Beweggründe, aber das muss ja
auch nichts Schlechtes sein. Der 38-fache Dollarmilliardär David H. Koch etwa machte sich als
Förderer (nicht nur) der Krebsforschung einen NaJUNI 2014
WISSENSCHAFTSFÖRDERER
men, aber erst nachdem bei ihm
selbst Prostatakrebs diagnostiziert worden war. Seither hat er mehr als 310 Millionen Dollar für den Bau oder die Erweiterung von sieben Krebsforschungsinstituten und -zentren in den USA
gestiftet.
Fotos: Getty Images, Bruno Arnold
T
Tyler Jacks (53), Leiter des nach Koch
benannten Krebsforschungsinstituts am
MIT, hat mit dem Anlass für die Spendierfreude Kochs kein Problem: „David
ist ein interessierter Förderer und stolz
auf unsere Arbeit, aber er versucht in
keiner Weise, sie zu beeinflussen.“
Unbestreitbar ist, dass medienwirksame Spenden für Aufmerksamkeit sorgen und dass großzügig ausgestattete
Labors und Lehrstühle die Forschung
erleichtern. Und manchmal kann so ein
Mäzen sogar ein Forschungsgebiet wie
die Entwicklung neuer Toiletten interessant machen.
Aber mit dem, was in den Labors
vorgeht, haben sie viel weniger zu tun,
als sich die Mäzene selbst vielleicht
weismachen. Wissenschaftler sind sture
Typen. Die machen meistens, was sie
wollen.
Die jährlichen Betriebskosten des
Koch-Instituts liegen bei gut 50 Millionen Dollar; runde 60 Prozent dieses Budgets werden von der US-Regierung finanziert, weitere zehn Prozent trägt das
MIT, das sich seinerseits zur Hälfte mit
staatlichen Zahlungen finanziert. Der
Rest wird mit Industrie- und Privatspenden bezahlt, die nicht zuletzt durch Steuersubventionen überhaupt erst möglich
werden. Mit anderen Worten: Ohne den
Steuerzahler ginge in Herrn Kochs Institut vielleicht nicht mal das Licht an.
JÜRGEN SCHÖNSTEIN
JUNI 2014
Fass! Fass den Halm, du Zwerg Crashtester Marc Kowalsky trägt Anzug
zur Gartenarbeit und konnte sich deshalb verhältnismäßig rasch an die Dienste
des Robomow gewöhnen – auch wenn der nicht immer aufs Wort parierte.
KOWALSKYS CRASHTEST
Gartenzwerg
nser Garten hat eigentlich
eine gute Größe: weitläufig genug, um sich in ihm
zu ergehen, und klein genug, dass
er nicht zu viel Arbeit macht.
Aber weil wir die Nachbarn
weder sonntags noch am späten
Abend mit Rasenmähen aufschrecken wollen, verwandelt er sich
immer mal wieder in eine wild
wuchernde Wiese.
Für Rasenroboter boten 150
Quadratmeter Grünfläche bislang
keine artgerechte Haltung. Nun
hat die israelische Firma Friendly
Robotics jedoch ein Gerät eingeführt, das sich auch auf Kleinflächen bis 500 Quadratmeter wohlfühlt: „Er mäht, Sie nicht!“, lautet
der Slogan des Robomow MC500.
Vor das Nichtstun hat Friendly
Robotics freilich die Arbeit gesetzt. Damit der freundliche Roboter weiß, wo der Rasen endet
und wo Gemüsebeete, Schwimmbecken oder Abhänge anfangen,
muss man den Garten mit Elektrodraht abstecken: alle 75 Zentimeter eine Befestigung bei gerader Rasenkante, bei Kurven oder
Ecken deutlich mehr. Das kostet
Zeit und Schweiß.
Ist alles befestigt und eingerichtet, setzt sich der Robomow
in Bewegung – durchaus vernehmlich, aber nicht so laut, dass
die Nachbarn sich gestört fühlten.
U
Sonderlich intelligent ist das Gerät nicht: Stößt es an den Begrenzerdraht oder ein festes Hindernis, dreht es ab und surrt in eine
zufällige Richtung weiter.
Irgendwann hat der Roboter
nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit den ganzen Garten abgegrast und fährt zurück in seine
Basisstation. Dabei geht er entschlossen zur Sache und schiebt
auch schon mal einen Gartenstuhl
quer über den Rasen. Das gemähte Gras bleibt als Dünger liegen.
Per App und Bluetooth (leider
nicht auf Samsung-Galaxy-Geräten) programmieren Sie das Wochenarbeitspensum oder starten
das Mähen. Dirigieren lässt sich
der Robomow damit allerdings
nicht. Dafür muss man schon extra eine Fernbedienung kaufen –
überflüssige Geldmacherei. Gefallen hat mir dafür der Regensensor,
der den Einsatz in nassem Gras
verhindert.
Fazit: Der MC500 ist trotz kleiner
Schwächen hilfreich. Selten sah
unser Garten so gepflegt aus –
ohne Arbeit.
Friendly Robotics
Robomow MC500
Infos: www.robomow.de
Erhältlich: im Fachhandel
Preis: 1.149 Euro
65
PRIVAT
SCHWEIZ:
WO LEBEN
DIE MILLIARDÄRE? 74
KARRIERE:
MARIJN
DEKKERS
VON BAYER
82
66
Fotos: picture alliance / dpa
HOLLEIN
KUNSTWELT: DIE
ZENTREN
VON MORGEN 73
JUNI 2014
OLDTIMER
Eine
Frage des
Glaubens
Alte Ferraris zählen zu den begehrtesten
Oldtimern der Welt. Doch je teurer sie sind,
desto wichtiger wird auch die Frage nach ihrer Echtheit. Ein Besuch in der Klassik-Abteilung des Autobauers in Maranello, wo man
die richtigen von den falschen Ferraris
unterscheidet.
JUNI 2014
PRIVAT
Werkeln am Millionenauto
Jedes Fahrzeug verfügt über
zahlreiche Identifikationsnummern,
die teilweise versteckt angebracht
sind. Um sie zu finden, müssen die
Klassik-Mechaniker schon mal auf
Lampen und Spiegel zurückgreifen.
M
Marco Arrighi (52) greift in eins der Regale im Archiv
der Ferrari-Klassik-Abteilung, zieht einen Ordner
hervor und hält ihn so vorsichtig, als habe er ein Baby
in den Händen. Draußen kann man ab und zu einen
der frisch gefertigten Ferraris hören, wie sie auf ihrer
ersten Probefahrt husten und röhren und gurgeln
vor Freude.Hier drinnen aber ist es still wie in einer
Kirche, nur die Klimaanlage summt, was dem Raum
zusätzlich ein etwas sakrales Fluidum verleiht.
Man würde sich nicht wundern, wenn Arrighi
Samthandschuhe überstreifte, bevor er den Ordner
öffnet und den Inhalt auf dem roten Tisch ausbreitet,
so kostbar sind ihm die abgehefteten Blätter: „Schauen Sie sich das an“, ruft er. Sein Finger verharrt über
einer Textzeile auf dem vergilbten Papier. In sauberer
Handschrift steht dort: „In velocità il parabrezza si
piega ed é necessario un supporto centrale“, was so
viel bedeutet wie: Bei hoher Geschwindigkeit knickt
die Windschutzscheibe ein, die Werkstatt soll sich
das mal anschauen.
Das Dokument stammt aus dem Jahr 1962. Damals
hatten Ferrari-Piloten mit einem 330 TRI das
24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen und ihre
Erfahrungen handschriftlich festgehalten. „Beim LeMans-Klassik 2010 wurde derselbe Ferrari wieder gefahren ...“, sagt Arrighi feierlich und widmet der Erinnerung daran ein paar Sekunden Aufmerksamkeit:
„... und sie hatten exakt dasselbe Problem.“ Er strahlt.
Arrighi ist mitnichten stolz auf eine vom Fahrtwind eingedrückte Windschutzscheibe. Er ist stolz
auf die Akkuratesse seines Archivs, in dem sich selbst
solche jahrzehntealten Einzeldinge aufspüren lassen
– was den Mythos von Vollkommenheit und Präzision nur verdichtet, der letztlich auch die Preise für
Ferrari-Oldtimer in die Höhe treibt. Wobei Arrighi
das Preissteigern natürlich nicht als seine Hauptauf-
68
34
Autos unter den
derzeit
100 wertvollsten
der Welt
sind Ferraris
Damit ist Ferrari
die am häufigsten
vertretene Marke.
gabe ansieht. Denn abgesehen von der Hoffnung,
wiederkehrende Mechanik-Probleme mithilfe ihrer
genauen Beschreibung und Erfassung eines Tages
lösen zu können, fördern die Dossiers im Ferrari-Archiv etwas ganz anderes zutage: jene Angaben, die
man benötigt, um den Urzustand eines jeden Fahrzeugs zu ermitteln und seine besondere Geschichte
zu rekonstruieren – Fahrzeugnummern, Schäden,
Besitzer, Teilnahme an Rennen und so weiter.
Marco Arrighi, ein kleiner, eleganter Mann in
Stoffschuhen, mit Einstecktuch, dicker Brille und
schlauen Augen, versucht die heiligste aller Fragen
im Ferrari-Universum zu beantworten: Wann ist ein
Ferrari ein echter Ferrari?
Die Welt, in der er arbeitet, ist exquisit. Im vergangenen Jahr verließen nur 6.922 Fahrzeuge das
Ferrari-Werk in Maranello, 50 Kilometer westlich von
Bologna. Um die Exklusivität zu wahren, gibt es bei
Ferrari keinen Mitarbeiter-Rabatt, was jedoch bei
Preisen jenseits der 180.000 Euro für einen Neuwagen wohl auch nicht groß ins Gewicht fällt.
Noch exklusiver als die Neuwagen- ist die Klassik-Abteilung, genannt „Classiche“ (gesprochen:
Klassiké). Sie ist zuständig für alle Ferraris, die älter
als 20 Jahre sind und auf Auktionen regelmäßig Spitzenpreise erzielen: Im Oktober 2013 etwa wurde ein
Ferrari 250 GTO, Baujahr 1963, für umgerechnet
38 Millionen Euro versteigert. Unter den zehn Oldtimern, die im vergangenen Jahr das meiste Geld
einbrachten, trugen sieben das Markenzeichen aus
Maranello: das Cavallino rampante, den Rappen auf
gelbem Grund mit den Buchstaben SF für Scuderia
Ferrari (Rennstall Ferrari).
W
Wer am blühenden Geschäft mit Oldtimern teilhaben
möchte, dürfte besonders an alten Ferrari-Modellen
seine Freude haben. Doch ist Ferrari nicht gleich Ferrari. Dass ein 365 GTB/4 Daytona aus den 60er-Jahren
500.000 (als Coupé) oder 1,5 Millionen Euro (als
Cabrio) kosten kann, ist auch für Laien noch durchaus nachvollziehbar. Unterschiedliche Modelle und
Baureihen haben unterschiedliche Preise.
JUNI 2014
OLDTIMER
Im Archiv
von Ferrari
Classiche
Hier sind die
Dokumente
aller Fahrzeuge
archiviert, die
jemals das Werk
verlassen haben.
Festgehalten sind
Fahrzeugnummern und Reparaturen.
Fotos: picture alliance / dpa
Marco Arrighi
Der Koordinator
der Klassik-Abteilung trat mit
16 Jahren in das
Unternehmen
ein. Die Modelle,
die seinerzeit als
Neuwagen das
Werk verließen,
restaurieren seine
Mechaniker heute
wieder.
Den Wert eines Sammlerstücks beeinflussen häufig jedoch andere, vermeintlich unsichtbare Dinge:
berühmte Vorbesitzer etwa oder Preise und Pokale,
die bei Autorennen gewonnen beziehungsweise Schäden, die dort davongetragen wurden und womöglich
den Einbau von Ersatzteilen, vielleicht sogar fremder
Hersteller, erfordert hatten.
Noch mühsamer ist die Rekonstruktion einer Ferrari-Biografie bei Rennwagen, deren Motoren regelmäßig verheizt und deshalb ausgetauscht wurden.
Denn selbst Kleinveränderungen am Original können
beim Verkauf einen Preisunterschied von hunderttausenden Euro ausmachen. Nicht jeder, der seinen
Ferrari anbietet, ist gegen die Versuchung gefeit, das
zwar wertvolle, aber vielleicht auch etwas lädierte
Gefährt mit ein paar getürkten Teilen in ein wertvolleres Exemplar zu verwandeln.
„Conversion“ oder „Recreation“ nennen das die
Tüftler. Wer diese Umbauten jedoch nicht schriftlich
dokumentiert, sondern als Original anbietet, macht
sich mitunter nicht nur strafbar – er begeht in Arrighis Augen einen Frevel, eine kaum zu sühnende
Übeltat: „Es existieren mehr Ferraris, als nach unseren Unterlagen existieren dürften“, sagt er in einem
Ton, als sei ihm ein Schluck Milch im Munde sauer
geworden: „Es gibt einige Fälschungen.“
Seit 36 Jahren arbeitet Arrighi für Ferrari. Als er
16 Jahre alt und eben aus der Schule gekommen war,
hatte er eine Stellung angetreten an der sogenannten
Montagestraße. Das Wort Fließband hören sie in Maranello nicht gern. Man hält sich viel darauf zugute,
dass die Wagen in Handarbeit gefertigt werden.
JUNI 2014
Jedenfalls weitgehend. Nur an wenigen Abschnitten
des Produktionsablaufs kommen Roboter zum Einsatz, meist dort, wo millimetergenaue Präzision erforderlich ist. Aufgabe des jungen Arrighi war es, in
den Fußraum der Karosserie die Teppiche mit dem
springenden Pferd zu kleben.
In den Folgejahren gelang ihm der Sprung in die
Kundendienstabteilung, zuständig für Ferrari-Händler in Europa, Afrika und im Nahen Osten. Schließlich
stieg er zum Abteilungsleiter auf – bis Jean Todt (68),
der langjährige Chef des Ferrari-Formel-1-Teams, und
Piero Ferrari (69), der Sohn des Unternehmensgründers Enzo, 2006 die Idee zu Classiche hatten: „Sie
wollten unseren Kunden die Echtheit ihrer Fahrzeuge
garantieren“, sagt Arrighi, „und so das Erbe der Firma
erhalten.“
A
Arrighi trägt nun den Amtstitel „Coordinator of Activities“ und arbeitet in einem kleinen Büro in einer
Ecke der Klassik-Werkstatt: roter Ledersessel, rote
Ledercouch, an den Wänden Schwarz-weiß-Fotos von
Rennmaschinen aus einer anderen Zeit.
In der Halle inspizieren die Mechaniker die alten
Modelle, prüfen, forschen, klopfen, schrauben, bauen
ein und bauen aus und stellen ein Echtheits-Siegel
aus – vorausgesetzt, das Auto befindet sich im
Originalzustand.
Auf Arrighis Schreibtisch steht das Modell eines
Ferrari-Motors, Baureihe 365 Daytona aus dem Jahr
1969. Arrighi verwaltet die Vergangenheit seines Arbeitgebers, die mitunter mehr zu glänzen scheint als
die Gegenwart. Luxusautos mit verschwenderischem
Benzinverbrauch, zu Preisen von mehreren Jahresgehältern, standen noch nie so in Verruf wie heute,
in Zeiten von E-Mobilen und Gemeinschaftsautos.
Aber für Oldtimer scheint das nicht zu gelten. Mit
„17 Prozent Gewinnsteigerung “, sagt Arrighi, könne
man als Besitzer eines 250 GTO, des kostbarsten Ferraris, jedes Jahr rechnen. Er schlägt die US-Zeitschrift
Cavallino auf. Das Magazin ist die Bibel der Ferrari-Besitzer und -Händler. Denn es dokumentiert unter anderem die Entwicklung der Preise.
69
PRIVAT
$ 52.000.000
Arrighi zeigt auf eine Stelle in der Tabelle: Zwischen 40 und 50 Millionen Dollar, so schätzt das
Blatt, liege der aktuelle Wert des 250 GTO.
„Je höher der Preis ist, den ein Ferrari erzielt, desto besser für uns und unsere Marke“, sagt er. „Aber
genauso wichtig ist es uns, dass das Auto auch benutzt wird.“ Arrighi möchte verhindern, dass die alten
Ferraris aus dem Straßenbild verschwinden. Von
Anlegern, die Oldtimer kaufen, um sie dann in Garagen oder Lagern wegzusperren, hält er nicht viel.
W
Wer seinen Ferrari bei ihm zertifizieren lassen möchte, braucht Zeit und Geld: Vier bis sechs Monate
nimmt die Inspektion in Anspruch, und sie kostet
zwischen 1.700 und 8.000 Euro. Zunächst nehmen
sich die Mechaniker in der Werkstatt des Gefährts
an, sie überprüfen die Nummern aller wichtigen Bauteile und vergleichen sie mit den Originalpapieren
aus dem Archiv. Teilweise sind das mehr als 20 Identifikationsmerkmale. Neben der Fahrgestell- und der
Karosserienummer verfügt jeder Ferrari noch über
eine „numero interno“, die versteckt eingeprägt ist.
Viele Nummern sind im Auto-Unterleib verborgen
und nur vermittels kleiner Spiegel zu finden. Wenn
nötig, ersetzen die Mechaniker etwaige Fremdteile,
die wegen des einen oder anderen Vorschadens eingebaut worden sind, durch Originalteile. Entstehen
Zweifel beim Rahmen, kommt ein Röntgengerät zum
Einsatz, das den Kupferanteil im Stahl misst. Denn
der Stahl, der in den 50er-Jahren verarbeitet wurde,
weist einen höheren Kupferanteil auf als neuerer.
Anschließend rekonstruieren Arrighis Leute die
Lebensgeschichte des Wagens, ermitteln Vorbesitzer
und eventuelle Rennergebnisse. Schließlich werden
alle Unterlagen dem Cocer, dem Zertifizierungskomitee, vorgelegt.
Der Ausschuss tagt alle drei Wochen auf dem Ferrari-Gelände. In jeder Sitzung verhandelt er etwa
35 Fahrzeuge. Außer Arrighi nehmen gestandene Ferrari-Männer daran teil, etwa der französische Konstrukteur Jean-Jacques His und der Designer Leonardo Fioravanti. Ausschussvorsitzender ist Piero
70
Manchmal
kommt
Signor
Ferrari
persönlich
hier vorbei,
um sich
ein Auto
anzuschauen.“
Marco Arrighi,
Leiter der
Klassik-Abteilung
von Ferrari.
Ferrari. Ihm ist es vorbehalten, die Urkunde zu unterschreiben, wenn der Ausschuss zu dem Urteil gekommen ist, dass das Fahrzeug ein Original ist.
„Manchmal“, sagt Arrighi, käme „Signor Ferrari
persönlich hier vorbei, um sich ein Auto anzuschauen“. Man kann sich vorstellen, wie sie hier dann alle
innerlich Haltung annehmen.
Arrighi steht jetzt in der Werkstatt, 1000 Quadratmeter, weiße Wände, weiße Neonleuchten an der
Decke. Er schaut einem Mechaniker zu, wie der unter
einer Hebebühne die Bremsflüssigkeit aus einem
blauen 250 GTO ablaufen lässt. Alberto steht auf dem
Namensschild des Mannes, der im rot-weißen Kittel
unter dem 35-Millionen-Auto mit dem Schraubenzieher hantiert.
Nur die besten Ferrari-Mechaniker dürfen Hand
anlegen in der Classiche-Abteilung. Einer von ihnen
hat schon für das Formel-1-Team gearbeitet. Im Radio
läuft leise Italo-Pop, ansonsten ist es ruhig. Ab und
an durchschneidet ein lautes Zischen die Hallenluft,
jemand bläst hereingewehte Laubblätter von den
Karosserien. Die Werkstatt ist picobello, sehr aufgeräumt, jedes Werkzeug hängt an seinem Platz hinter
einer Glasscheibe. Über aufgebockten Karosserien
liegen weiße Tücher, auf dem Boden weder Staub
noch Krümel. Nicht nur wegen der Autosenioren
sieht es hier so aus wie in einem Museum. „Das gehört mit zum Image von Ferrari“, sagt Arrighi.
Er bleibt vor einem weinroten Ferrari 275 GTB/4
mit hochgeklappter Motorhaube stehen. Am Schlüsselbund hängt ein Stofffetzen mit der Unterschrift
von Steve McQueen.
Arrighi erzählt von dem Auto: Die Sache sei ein
bisschen kompliziert, nach dem Tod des Schauspielers 1980 habe der Nachbesitzer das Coupé kurzerhand in ein Cabrio, genannt Spider, umbauen lassen.
Der nächste Halter sei dann zu ihm nach Maranello
gekommen, um es zertifizieren zu lassen. Die Classiche-Abteilung konnte ihm diesen Wunsch natürlich
erfüllen – allerdings nur unter der Voraussetzung,
dass der Umbau wieder rückgängig gemacht und aus
dem Cabrio wieder ein edles Coupé wird.
„Wir erleben hier eine ganze Menge an seltsamen
Restaurationswünschen“, sagt Arrighi. Er lächelt. Ihm
gefällt die Geschichte. Er streicht über das neue Dach.
Es ist ganz glatt. Und original.
STEPHAN KNIEPS
JUNI 2014
Fotos: picture alliance / dpa
brachte dieser Ferrari 250 GTO
(Fahrgestellnummer: 5111) auf
einer Auktion im Oktober 2013.
Der Käufer blieb unbekannt. Mit
diesem GTO gewann der französische Rennfahrer Jean Guichet
1963 die Tour de France Automobile.
Nur etwas für Millionäre?
Zahlreiche Indizes sorgen für Überblick auf dem Oldtimer-Markt. Es besteht kein Zweifel:
Die Preise steigen. Doch wer sich engagieren möchte, der braucht viel Geld.
ür die meisten Menschen, die
ernsthaft über einen Oldtimer
als Geldanlage nachdenken,
dürfte Jens Berners Botschaft ernüchternd sein: „Damit sich die Investition
lohnt, sollte das Fahrzeug schon
50.000 bis 100.000 Euro wert sein –
und gleichzeitig sollte die Investition
nicht mehr als zehn Prozent des Gesamtvermögens ausmachen.“ Mit anderen Worten: Ein Oldtimer-Investment kommt nur für Millionäre infrage. Andernfalls fressen die laufenden
Kosten die Wertsteigerung auf.
F
Berner muss es wissen: Er arbeitet in
der Wertpapier-Abteilung der Südwestbank, die seit 2010 einen OldtimerIndex für 20 ausgewählte Fahrzeuge
süddeutscher Hersteller herausgibt.
Der Wert der im Index enthaltenen
Fahrzeuge, hauptsächlich von Porsche,
BMW und Mercedes, stieg seitdem jedes Jahr um durchschnittlich 10,4 Prozent. Der Oldtimer-Index scheut auch
nicht den Vergleich mit dem deutschen
Aktien-Index: Während der Dax seit
2005 um 124,4 Prozent zulegte, stieg
Berners Oldtimer-Index um 169,6 Prozent. Kein Wunder, dass sich bei dieser
Rendite die Käuferschaft verändert:
Früher, erzählt Berner, hätten Oldtimer-Fans die alten Wagen nicht gekauft, um ihr Geld anzulegen, sondern
aus Liebe zum Automobil. „Heute erreichen uns schon mal Anfragen von
sehr vermögenden Familien, die ganze
Sammlungen von bis zu 70 Fahrzeugen
kaufen möchten.“ Die Gefahr einer
Spekulationsblase sieht er noch nicht:
BMW 520 i 4TL Der Bayer aus den
70er-Jahren hat laut Classic-Analytics
zwischen 2012 und 2013 die beste
Wertsteigerung hingelegt: stolze 63 Prozent.
Er gehe davon aus, dass der aktuelle
Rummel noch ein paar Jahre fortdauere. „Aber es werden schon Summen
gezahlt, bei denen man sich fragt, ob
die noch gerechtfertigt sind.“
Auch Stefan Röhrig, beim Verband
der Automobilindustrie (VdA) zuständig für historische Autos, klagt
über den Zuwachs an Spekulanten
in der Branche: Es gebe schon Firmen, die für ausländische Investoren
Oldtimer in Deutschland kaufen und
einlagern, um sie nach vier, fünf Jahren wieder auf den Markt zu werfen.
„Einige wenige Oldtimer“, sagt er,
„befinden sich bereits im
Hochpreissegment.“
Auch der VdA veröffentlicht jedes
Jahr einen Oldtimer-Index, zusammen mit dem Bewertungsportal
Classic-Analytics; die Liste gibt einen
Überblick über die Preisentwicklung
von 88 repräsentativen Oldtimern,
gestützt auf die Zulassungsstatistik.
Wertsteigerung
Modell
Baujahr
BMW 520 i 4TL (E12)
Mercedes-Benz W 198 – 300 SL Cp.
BMW 502 V8 4TL
BMW 600/700 – LS Coupé Cp
Alfa Romeo Spider Veloce Cab
Opel Admiral 2800 E 4TL
Alpine A110 1600 Cp.
Ford Granada 2.8 i
VW Typ 2, T2 (221) Bus
VW Typ 3, 412 L Kom
72-77
54-57
55-58
64-65
74-83
69-75
70-77
77-85
67-72
73-74
Quelle: Classic-Analytics/VdA
*in Euro
Wert
2013*
8.800
850.000
39.500
11.400
17.800
12.900
69.000
7.000
20.000
8.500
Steigerung
zum Vorjahr
63,0 %
46,6 %
38,1 %
31,0 %
29,0 %
27,7 %
25,5 %
25,0 %
25,0 %
21,4 %
Die Entwicklung kennt auch hier nur
eine Richtung: Im vergangenen Jahr
legte der VdA-Oldtimer-Index um
8,1 Prozent zu. „Der durchschnittliche
Oldtimer ist gar nicht so teuer“, sagt
Röhrig, „allerdings kommen zu den
etwa 10.000 Euro Kaufpreis doch hohe
jährliche Wartungs- und Erhaltungskosten hinzu.“ Im Verein mit der Kölner Beratungsgesellschaft BBE Automotive hat der VdA die jährlichen Unterhaltskosten eines Oldtimers
untersucht: Sie liegen zwischen 2.500
und 5.000 Euro. Seit die Rangliste im
Jahr 1999 zum ersten Mal aufgestellt
wurde, zeigt die Ente 2CV 6 von
Citroën zwar die höchste Wertsteigerung (400 Prozent), dies bedeutet aber
noch lange nicht, dass sie auch als Investment taugt. Denn ihr Verkaufswert
stieg im gleichen Zeitraum im Schnitt
lediglich von 2.000 auf 10.000 Euro.
Ähnliches gilt für den VW-Bulli Typ
2: langfristig sehr starkes Wachstum,
aber bei einem aktuellen Preis von
20.000 Euro auf viel zu niedrigem Niveau. Ganz anders dagegen der Mercedes 300SL: Mit einer Wertsteigerung
von über 347 Prozent seit 1999 und einem aktuellen Preis von etwa 850.000
Euro ist der Flügeltürer mittlerweile
ein Spekulationsobjekt.
Das dritte Register stammt vom ehemaligen Investmentbanker Dietrich
Hatlapa, der 2006 seine Stellung am Finanzmarkt London aufgab, um den sogenannten Hagi aufzubauen: den Historic Automobile Group Index. Ihm zugrunde liegen Daten von Privat- und
Händlerverkäufen und von internationalen Auktionen. Er umfasst 50 ausgewählte Fahrzeuge mit einem Durchschnittswert von 450.000 Euro. Hatlapas Index ist nichts für Kleinanleger.
Dies zeigt vor allem der Hagi-F-Index,
der nur alte Ferraris auflistet. 2013 stieg
der F-Index um 66 Prozent – in den ersten vier Monaten 2014 ging er indes um
0,5 Prozent zurück. Nur eine kleine
Beule. „Ferrari ist nach wie vor die begehrteste Marke“, sagt Hagi-Mann Carl
Christian Jancke, „aber aufgrund der
exorbitanten Preise sind die Leute mit
Ferrari ein bisschen vorsichtiger
geworden.“
PRIVAT
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1
GRASHOFF IN
BREMEN
Die Schmidts betreiben im
schönen Bremen die Delikatessenhandlung Grashoff und
ein angegliedertes Bistro. Ein
Juwel, schon in den 70ern, als
ich meinen ersten Job in einer
Bremer Werbeagentur antrat. Die lässig-einsilbige Bremer
Art, der Nordsee-Weser-Charme von Barbara Schmidt, der
unverkennbare Zungenschlag des Patrons, all das schafft
eine ganz eigene Atmosphäre: Hier finden sich BrauereiErben und TV-Entertainer, Piercing neben Oligarchenpelz,
Girlie mit Nerdbrille neben Koofmich im Glencheck-Sakko.
Ohne die gute Küche wäre das alles nichts wert. „Bistroküche“, sagen die Kritiker. Ich sage: „Richtig – aber frischer
als diese, leichter, mit asiatischen und italienischen Einsprengseln und insgesamt weniger fleischlastig.“
Grashoff, 28195 Bremen, Contrescarpe 80,
Tel. (0421)14 749, www.grashoff.de
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Achtung: sonntags dicht.
Sehr gut: das Santoku 18 cm
Premier Plus Eurasia von F. Dick für
ca. 50-60 Euro. Unter anderem bei:
www.dick-messer.de
72
DIE SCHLACHTERBÖRSE
Das Institut im alten Hamburger Schlachthofviertel
offerierte schon perfekte Steaks, als die modernen
Dry-Aging-Künstler noch Milchbrei löffelten. Historische Räume im Shabby-Chic, die auch in Brooklyn
verortet werden könnten, sofern man nicht selbst
aus Brooklyn kommt. Fünf Zentimeter dicke Rinderfilets garantieren röhrende Macho-Runden. Versuchen Sie, einen Tisch im vorderen Gastraum zu
ergattern. Da stehen die besten.
Schlachterbörse,
20357 Hamburg, Kampstr. 42,
Tel. (040) 436 543,
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Geöffnet: Mo.-Sa. 16.00-24.00
Uhr. Achtung: sonntags dicht.
4
MEIN COQ AU VIN
Das schönste Restaurant der Welt ist das
La Colombe d’Or im südfranzösischen
Saint-Paul-de-Vence. Klima und Kolorit wie
im Garten Eden. Gemälde von Picasso und
Matisse an den Wänden, die Terrasse, der
Château de Bellet, die Opulenz der Hors
d’oeuvres, das Coq au vin ...
2
DAS SANTOKU-MESSER
Die Messerfrage im Haushalt ist
heikel. Das Thema wird unter- und
überschätzt. Frauen bevorzugen
kleine, stumpfe, hässliche Messer,
Männer die teuersten. Ich empfehle
als Allzweckwaffe das Santoku: Es
schneidet Fisch und Fleisch und
zerkleinert Gemüse so fein wie ein
Wiegemesser. Manche Santokus
kosten 50, andere 350 Euro, manche
noch mehr. Am wichtigsten ist, dass
es scharf ist. Also: alle sechs Monate
schleifen lassen!
3
5
Apropos: Das Rezept für meinen Coq au vin finden Sie, samt Einkaufsliste, auf www.bilanzmagazin.de und in der BILANZ-Tablet-App.
DIE ROTE BETE
Die rote Rübe (von lateinisch beta, Rübe) ist gerade dabei, der
Tomate mit dem Mozzarella und dem Rucola-Salat den Rang
abzulaufen. Die schönsten Frauen am Prenzlauer Berg, in
Hamburg-Eppendorf, in Saint Germain und South Kensington
bestellen zum Lunch jetzt gerne was mit Roter Bete: ein Süppchen, ein Ragout, ein Carpaccio. In diesen Tagen sind die ersten
jungen Knollen auf den Wochenmärkten, und ein Carpaccio ist
schnell zubereitet.
Das Rezept mit Einkaufsliste und Anleitung finden Sie auf
www.bilanz-magazin.de und in der BILANZ-Tablet-App.
JUNI 22014
01
014
PRIVAT
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Heute: Die Mittelpunkte von morgen
Foto: Gaby Gerster, picture alliance / AP Photo, picture-alliance/ dpa, © sharjahart.org, hab.gov.hk
M
useen in der Wüste, Kunstzentrumsvisionen an Orten,
wo bis vor ein paar Jahren
nur Fischer lebten: Zuletzt
wurde im Westen über solche
vermeintlich anmaßenden,
inadäquaten, nach Touristen
schielenden Initiativen noch gelächelt. Nun aber
muss auch der schärfste Kritiker feststellen: Die
strategischen Entwicklungen, die neuen Kraftzentren der Kultur, entstehen nicht bei uns in Europa,
nicht in den USA, sondern in den Golfstaaten und
im asiatisch-pazifischen Raum.
Die Medien verkaufen es immer wieder als kleine
Sensation, wenn ein weiteres Rekordobjekt bei den
internationalen Kunstauktionen für einen dreistelligen Millionenbetrag nach Katar, Abu Dhabi oder an
einen Sammler in Singapur, Hongkong, Schanghai
geht. Westliche Museen oder Staaten sind schon lange kein ernstzunehmender Nachfrager mehr in dieser
Kategorie der Spitzenwerke.
In Wirklichkeit geht es nicht nur darum, die besten
und teuersten Kunstwerke zu ergattern, die derzeit
auf den Markt kommen. Hinter den Auktionsrekorden verbirgt sich eine viel folgenreichere Entwicklung: In Ostasien und den Staaten am Golf bildet sich
ein regionaler Kunstmarkt aus, die Infrastruktur für
einen Umschlagplatz etabliert sich, Zollfreilager entstehen, Kunstmessen werden ins Leben gerufen,
Kuratorenschulen, Biennalen, Universitäten.
Um ihren Einfluss ähnlich wie in anderen Branchen zu erhöhen (siehe etwa Katars Rolle bei VW,
Deutsche Bank, Barclays wie auch beim Fußballklub
Paris St. Germain), treten die Golfstaaten zunehmend als Sponsor von Kulturereignissen in London,
New York, Paris und anderswo in Erscheinung und
werden zu einem weltweiten Haupt- und Machtfaktor
in der Finanzierung und Ermöglichung von Kunst.
In Doha steht seit mehreren Jahren ein vom Star1
2
JUNI 2014
3
1. Art Basel
Hongkong
Carsten Nicolai
lässt den ICC
Tower flackern.
2. Louvre
Abu Dhabi
Ende Dezember
2015 eröffnet
das Museum.
3. West Kowloon
Cultural District
Milliarden für
Hongkongs
Kulturszene.
4. Sharjah
Biennale
Gefeiertes
Großtreffen des
Kunsthandels.
5. Doha
Stahlskulpturen
von Richard Serra
in der Wüste von
Katar.
architekten I.M. Pei gestaltetes hervorragendes Museum Islamischer Kunst und ein in massiver Entwicklung befindliches Arabisches Museum für moderne
Kunst. Der Scheicha, der Schwester des Emirs, ist es
in kurzer Zeit gelungen, eine bedeutende Sammlung
zeitgenössischer Kunst aufzubauen. Kürzlich wurde
eine große Ausstellung eröffnet, inklusive einer gigantischen permanenten Installation des amerikanischen Künstlers Richard Serra.
Katar gilt seit zwei, drei Jahren als größte Superpower auf dem internationalen Kunstmarkt für
Spitzenlose. Im Pariser Louvre werden derzeit unter
dem Titel „Die Geburt eines Museums“ die ersten
160 Meisterwerke gezeigt, die für die Sammlung des
Louvre Abu Dhabi angekauft wurden, das 2015 auf
Saadiyat Island eröffnet wird. Das Pariser Publikum
staunt über die Alten Meister genauso wie über die
Manets, Magrittes, Gauguins, Twomblys und Picassos, die ihre neue Heimat in dem Wüstenstaat
finden.
Auch in Hongkong entsteht mit dem West
Kowloon Cultural District ein weiterer, noch gigantischerer Komplex von kultureller Landgewinnung
und multipler Infrastruktur neuer Museen, Theater
und Performance. Die zweite Ausgabe der Art Basel
Hongkong hat gezeigt, dass die Haupttreiber des
Weltkunstmarkts in Asien sitzen.
Die Entwicklung erinnert frappierend an die Zeit
vor knapp 100 Jahren, als sich der Geldadel in den
USA aufmachte, ein Museum of Modern Art (eröffnet
1929) oder ein Guggenheim-Museum (1939) zu gründen. In Europa wurde dies am Anfang nicht als ernsthafte institutionelle Bedrohung betrachtet. Heute
sind diese amerikanischen Institutionen die bedeutendsten Museen, New York ist seit über 60 Jahren
das Zentrum des internationalen Kunstmarkts und
der globalen Kulturszene. Nun ziehen neue, potente,
strategisch denkende Kräfte auf, es wird zu einem
weiteren, fundamentalen Wandel kommen.
4
5
73
PRIVAT
DAS PARADIES
DER MILLIARDÄRE
Wohlfühlen mit Vermögen: Gleich 25 deutschstämmige
Milliardärssippen haben sich in der Schweiz angesiedelt,
aber nicht, weil hier die Steuern so hoch sind. Wer sind die
Auswanderer, und wo leben sie?
BASEL
AARGAU
FAMILIE
BRENNINKMEIJER
Vermögen: 11,9 Mrd. Euro
Woher es kommt? C&A,
Heute angelegt in: C&A, Energie,
Immobilien
FAMILIE LIEBHERR
Vermögen: 6,2 Mrd. Euro
Woher es kommt? Liebherr (Baumaschinen)
Heute angelegt in: Liebherr, Hotels
LUZERN
OTTO HAPPEL
Vermögen: 2,3 Mrd. Euro
Woher es kommt? GEA, Metallgesellschaft
Heute angelegt in: Beteiligungen
FREIBURG
Fotos: picture alliance / dpa
WELLA-ERBEN
Vermögen: 3,9 Mrd. Euro
Woher es kommt? Wella AG
Heute angelegt in: Beteiligungen,
Kunst
WAADT
74
TRAUDL ENGELHORN
Vermögen: 2,3 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Boehringer Mannheim
Heute angelegt in: Beteiligungen
JUNI 2014
ST. GALLEN
BETTINA WÜRTH
Vermögen: 1,0 Mrd. Euro
Woher es kommt? Würth-Gruppe
Heute angelegt in: Würth-Gruppe
SCHWYZ
KLAUS-MICHAEL KÜHNE
Vermögen: 6,2 Mrd. Euro
Woher es kommt? Kühne + Nagel
Heute angelegt in: Kühne + Nagel,
Hotels, Kliniken, Immobilien
GRAUBÜNDEN
GEORG VON OPEL
Vermögen: 1,4 Mrd. Euro
Woher es kommt? Opel AG
Heute angelegt in: Beteiligungen,
Immobilien
GRAUBÜNDEN
KARL-HEINZ KIPP
Vermögen: 3,5 Mrd. Euro
Woher es kommt? Massa-Märkte
Heute angelegt in: Immobilien, Hotels
WERNER DIEHL
Vermögen: 1,4 Mrd. Euro
Woher es kommt? Diehl-Gruppe
Heute angelegt in: Diehl-Gruppe,
Elektronik, Metallverarbeitung
Fotos: xxx
GRAUBÜNDEN
PRIVAT
TESSIN
BERN
BERN
SCHWYZ
TESSIN
ERICH UND HELGA
KELLERHALS
Vermögen: 3,5 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Media Markt/Saturn
Heute angelegt in:
Media Markt/Saturn,
Immobilien
HEINZ-GEORG BAUS
Vermögen: 3,1 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Bauhaus, Duscholux
Heute angelegt in:
Baumärkte, Immobilien
CURT ENGELHORN
Vermögen: 2,7 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Boehringer Mannheim
Heute angelegt in:
Beteiligungen, Kapitalanlagen
FAMILIE
CLOPPENBURG
Vermögen: 2,3 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Peek & Cloppenburg
Heute angelegt in:
P&C, Immobilien
HEIDI HORTEN
Vermögen: 1,8 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Horten Kaufhäuser
Heute angelegt in:
Beteiligungen, Kapitalanlagen
D
76
ZÜRICH
THEO MÜLLER
Vermögen: 2,7 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Müller Milch
Heute angelegt in:
Müller Milch
Fotos: xxx
Von den
300 Reichsten in der
Schweiz
kommt
jeder
fünfte aus
Deutschland,
angelockt
von hohen
Bergen und
niedrigen
Steuern.
Die Nachfahren der münsterländischen
C&A-Gründer haben sich ebenso in dem Land
angesiedelt, wo es mehr auf und ab als zur Seite
geht, wie ihre Kontrahenten von Peek & Cloppenburg; Adam Opels Nachfahr Georg von Opel
belebt das Gebirge und die Erben des Haarpflegekonzerns Wella auch. Die Bremer Kaffee-Dynasten Jacobs zogen selbstverständlich nach
dem Verkauf von Jacobs Krönung hierher und
gehören mit Teilhaben an den Weltmarktführern
Barry Callebaut (Schokolade) und Adecco (Mietarbeit) inzwischen zu den reichsten Unternehmerfamilien des Landes.
In der Schweiz versteuern der Allgäuer Molkereimogul Theo Müller (Müller Milch), der
Münchner Bankiersklan von Finck (ehemals
Merck Finck & Co), der Hamburger Logistikkapitän Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel)
und die Eignerfamilie des schwäbischen
Kühlgeräte- und Baumaschinenbauers Liebherr
ihr Einkommen – insgesamt sind 25 deutschstämmige Milliardärssippen in der Schweiz. Zusammen bringen sie es auf einen Schatz von
75 Milliarden Euro. Jeder fünfte der 300 reichsten Schweizer stammt, nach Ermittlung des
Reichtum-Sonderdezernats der Zürcher Bilanz,
aus Deutschland.
Was macht den Charme der Eidgenossenschaft für den Finanzadel aus? Ist es die liebenswürdig-gewinnende Art der Schweizer? Bestimmt nicht. Es ist natürlich das Steuersystem
dortzulande, das den feinen Vorteil frei ausbaldowerter Abmachungen mit der Heimatgemeinde erlaubt: Ausländer, die sich in der
Schweiz eingenistet haben, aber nicht zur Arbeit
gehen, werden in den meisten Kantonen zum
Beispiel „nach Aufwand“ besteuert. Als Grundlage für die Einkommensteuerzahlung setzt man
dabei das Fünffache des Wohnwerts der Immobilie an, die der Fremde bewohnt.
JUNI 2014
DAS PARADIES DER MILLIARDÄRE
ZÜRICH
SCHWYZ
THURGAU
TESSIN
LUZERN
MICHAEL SCHMIDTRUTHENBECK
Vermögen: 1,4 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Metro
Heute angelegt in:
Metro, Hotels
WILLY STROTHOTTE
Vermögen: 1,4 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Glencore (Rohstoffhandel)
Heute angelegt in:
Glencore
JOACHIM UND
ANDREAS KOHM
Vermögen: 1,4 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Versandhandel Klingel
Heute angelegt in:
Klingel, Immobilien
ROLF GERLING
Vermögen: 1,0 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Gerling Versicherungen
Heute angelegt in:
Beteiligungen, Immobilien,
Kapitalanlagen
DORNIER-ERBEN
Vermögen: 1,0 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Dornier Flugzeuge
Heute angelegt in:
Beteiligungen, Weingüter,
Kapitalanlagen
ZÜRICH
FAMILIE JACOBS
Vermögen: 6,2 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Jacobs Kaffee
Heute angelegt in:
Zeitarbeit, Schokolade
Die gut 3.600 ausländischen Residenten, die
nach diesem Muster veranlagt werden, zahlen im
Schnitt 80.000 Franken Einkommensteuer. Das
sind Bedingungen, die die Phantasie nicht übermäßig strapazieren. Zugkraft hat auch die Tatsache,
dass in der Schweiz für Ehegatten, eingetragene
Lebenspartner, Kinder und Enkel keine Erbschaftssteuer anfallen.
Das in fiskalischer Hinsicht lockere Brauchtum
hat darüber hinaus den Vorzug, eine ideale Umgebung für Angsthasen oder Anhänger des Irrealismus zu sein, aber auch für solche, die sich aus
Daffke dafür ausgeben. So berichtete Klaus-Michael Kühne im Bilanz-Interview, wie sein Vater nach
dem Wahlsieg Willy Brandts 1969 die Zentrale der
Spedition schnell in Hamburg ab- und in der Ortschaft Schindellegi unweit des Zürichsees wieder
aufbaute: aus Furcht vor Sozis und Enteignern.
Milchmann Müller, ein Mann von buchstäblich
aufschäumendem Temperament und seit gut zehn
Jahren aus Steuergründen („Ich werde enteignet“)
am Ufer des Zürichsees sesshaft, stach während
des Bundestagswahlkampfs 2013 noch mal kurz der
Hafer, als er ankündigte, nun auch die Schweizer
Staatsbürgerschaft zu beantragen, „wenn der
frühere Kommunist Trittin Finanzminister“ in
Deutschland werde. Da dieses Ereignis nicht eintrat, bleibt Müller den Deutschen als Landsmann
erhalten.
Weltweit
jeder elfte
Milliardär
lebt in der
Schweiz –
zumindest
steuerlich
betrachtet.
A
FAMILIE AUGUST VON FINCK
Vermögen: 4,5 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Bankhaus Merck Finck & Co
Heute angelegt in:
Beteiligungen, Immobilien
JUNI 2014
Fotos: picture alliance / dpa
THURGAU
Aber viele Milliardäre haben sich doch für den roten Pass mit Schweizerkreuz entschieden: Die drei
Söhne des Exbankiers August von Finck machten
ganze Sache. Gleiches gilt für den einen oder anderen Erben des Wella-Konzerns.
Die Entscheidung, sich auf die Seite der Eidgenossen zu schlagen, ist nicht billig: Schweizer müssen – anders als in Deutschland – eine Vermögenssteuer entrichten, die gepfeffert sowohl wie gesalzen ist. Was aber nur dazu führt, dass man sein
Geld blickdicht in einer Stiftung verrammelt, um
die nachteiligen Wirkungen der Vermögenssteuer
wieder aufzuheben.
77
PRIVAT
ZUG
ZÜRICH
HANS-PETER WILD
Vermögen: 1,0 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Capri Sonne
Heute angelegt in:
Nahrungsmittelindustrie
PHILIPP BOEHRINGER
Vermögen: 1,0 Mrd. Euro
Woher es kommt?
Boehringer Ingelheim
Heute angelegt in:
Chemie, IT, Beteiligungen
Badewanne der
Milliardäre Am
Wörthersee hat Ingrid
Flick ihr Anwesen.
Felix Austria
WILLI BÄR
Zürichs Goldküste Wer in der schweizerischen Hauptstadt des
Geldes was auf sich hält, wohnt am Ufer des Zürichsees – aus
Deutschland sind Familie Jacobs und Theo Müller zugezogen.
78
Ist Österreich womöglich die neue Schweiz?
Warum immer mehr deutsche Milliardäre in das
Alpenland ziehen.
iebliche Landschaft,
barockes Stadtbild,
viel Kultur, keine Erbschaftssteuer: Salzburg hat
sich zu einem der beliebtesten Wohnorte für deutsche
Milliardäre entwickelt.
Hier residieren steuergünstig Schraubenkönig
Reinhold Würth (8,0 Milliarden Euro Vermögen), die
Boehringer-Ingelheim-Erben
von Baumbach, die HanielTeilhaber Horstmann und –
bis zu seinem Tod 2013 –
der Held der Gummibären,
Hans Riegel (Haribo, 2,75
Milliarden). Der Paderborner Stahl-Industrielle und
Autozulieferer Hubertus
Benteler (1,5 Milliarden
Euro) hat gleich die Holding
der Familienfirma mit nach
Salzburg genommen.
Sehr früh schon war ein
deutscher Kaiser vom
Charme des Nachbarlandes
überzeugt: Franz Beckenbauer hatte viele Jahre lang
seinen Wohnsitz in Kitzbühel. Jetzt ist er nach Salzburg umgezogen – angeblich
der Ausbildung seiner Kinder wegen.
Auch die Familie des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor von und
zu Guttenberg (Vermögen:
500 Millionen Euro) war
2008 der Auffassung, dass
ihre Familienstiftung ein-
L
fach nach Österreich gehört
und nirgendwohin sonst –
was natürlich nichts mit
steuerlichen Dingen zu tun
gehabt habe, wie die Guttenbergs aus gegebenem Anlass
schnell verbreiteten.
Der Wörthersee-Pionier
war 1994 übrigens Friedrich
Karl Flick gewesen, damals
der reichste Deutsche.
Das Gewässer gilt in
Österreich als „Badewanne
der Milliardäre“. Nicht nur
die einheimische Finanzelite
belebt hier ihre Villen wie
Gaston Glock, der sein Vermögen mit Handfeuerwaffen gemacht hat, oder Frank
Stronach, der sein Geld mit
dem Automobilzulieferer
Magna verdiente. Auch die
Familien Porsche und Piëch,
die reichsten Österreicher,
haben so einigen Besitz
hier und nicht nur im Porscheland um Zell am See
herum.
Gut unterhalten ließen
sich Österreichs Zeitungsleser vor einigen Jahren vom
Streit zwischen den Milliardärswitwen Heidi Horten
und Ingrid Flick. Flick wollte auf eigene Kosten die
wertmindernde Uferstraße
verlegen lassen. Horten
machte ihr einen Strich
durch die Rechnung. Nicht,
weil sie direkt betroffen war,
sondern einfach so.
JUNI 2014
Fotos: Max Galli/laif, picture-alliance/dpa, BILANZSchweiz, Würth, picture-alliance/rtn-radiot, Gnoni-Press, picture-alliance/Geisler-Fotopress, Getty Images, Stefan Menne/Brauer Photos, picture-alliance/
Gert Eggenberger, reportair.ch, 13photo, ullstein bild/Henry Hermann, dpa/ Gert Eggenberger/APA, picturedesk.com, Getty Images/FlickrOpen
Von den 300 reichsten Schweizern stammt etwa
jeder zweite aus dem Ausland. Die reichste Sippe im
Alpenlande, die Familie des Ikea-Gründers Ingvar
Kamprad (Vermögen: rund 34 Milliarden Euro),
kommt aus Schweden, hat sich aber größtenteils eingeschweizt. Allerdings: Kapital ist ein scheues Reh,
und selbstverständlich ist die Treue der Superreichen
zur Eidgenossenschaft nicht.
Nachdem die Schweizer in Volksabstimmungen
über die Begrenzung von Managergehältern (abgelehnt) und Zuzugsbeschränkungen für EU-Ausländer
(angenommen) befunden haben, klagte Spediteur
Kühne in einem Bilanz-Interview über eine neue
„Neidkultur“ und zunehmende Reglementierung:
„Die Schweiz holt nach, was in Deutschland schon
lange in Gang ist.“ Verhohlen bedrohte er die Schweiz
mit seinem Aus- und Umzug.
Renata Jacobs, Witwe des bremischen Kaffeemilliardärs Klaus Jacobs, ist schon weiter. Sie erkundete erst London und nun Malta als steuergünstige
Wohnsitze – sie ist gebürtige Schweizerin.
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79
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AUSGABE 1
RESSORT
PRIVAT
Lob für die Geschichten, geteilte
Meinungen zur Gestaltung: So lässt sich
das Echo auf die erste BILANZAusgabe vom 2. Mai zusammenfassen.
Den Lesern jedenfalls gefiel’s.
STIMMEN
&MEINUNGEN
Ta z vom 2. 5.
Ho rizon t vom 8.5.
Süddeuts che Zeit ung vom 3./4. 5.
Ber line r Zei tung
vom 3./4.5.
Kres srep ort vom 2.5.
Tage sspie gel
vom 3./4. 5.
80
JUNI
JUNI 2014
2014
RESSORT
PRIVAT
LESERBRIEFE
Vom Machtkampf der
Manager und
der Eigner von
Aldi Süd handelte
die Titelgeschichte.
Und BILANZ
berichtete,
dass in Boston
Firmen mit
Milliardenumsätzen entstehen
– nicht nur im
Silicon Valley.
Das Layoutprogramm war
bei der Gestaltung
der Titelseite
nicht abgestürzt,
wie der Kollege
der Taz vermutet
hatte. BILANZ
wird auch in
Zukunft viel
Neues ausprobieren, auch
und nicht zuletzt
auf dem Cover.
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JUNI 2014
Marion S
trutz
81
BILANZ-GEWINNER
„Du musst starke Gegner schlagen,
um Champion zu sein“
Transfer zu
Allied Signal
Dekkers blieb
in den USA und
bei der Chemie,
wechselte aber
den Lehrmeister.
Statt von Welch
war er jetzt
begeistert vom
„charismatischen
Allied-Signal-General“ Larry Bossidy
(siehe unten). Als
der Mischkonzern
von Honeywell
übernommen
wurde, zog
Dekkers weiter.
TU Eindhoven
Dekkers promovierte
in Chemietechnik.
Auf so was muss man
richtig Lust haben,
sonst wird es nichts.
Sein Studium
finanzierte er sich
als Oberligaspieler
des Tennisclubs
Rot-Weiß Emmerich.
Sein Ziel war aber
nicht die Bundesliga:
Professor wollte er
sein, und zwar an
einer richtig wichtigen
Universität.
Heute
Dekkers, der immer hinter
Sichtschutz operiert hatte,
trat im Wonnemonat
siegreich aus der Deckung,
als er für 10,4 Milliarden
Euro in bar dem US-Rivalen
Merck die Abteilung für
rezeptfreie Arzneien
abkaufte. Sein Vertrag
bei Bayer läuft Ende des
Jahres aus. Man erzählt
sich, dass er statt der
üblichen fünf nur um
drei Jahre verlängern wolle.
Dann könnte er mit 60 mit
seiner Frau, einer Amerikanerin, in die USA zurück.
2014
2009
Larry Bossidy
1995
1985
1957
Geboren am
22. September in
Tilburg (Holland)
Als niederländischer Vizejuniorenmeister hatte
Dekkers gute Chancen
auf eine große Tenniskarriere. Als seine Mutter 1973 starb, spielte
er dem Vater zuliebe
eine Weile keine Turniere – und verlor den
Kontakt zur Szene und
die Form wohl auch.
Was blieb: „Als ehemaliger Tennisprofi weiß
ich, dass du starke Gegner schlagen musst,
wenn du der Champion
sein willst.“
Unterschrift bei
Thermo Electron
Nach zwei Jahren
stieg der flotte
Dekkers beim
US-Laborgerätehersteller Thermo
Electron zum
Konzernchef auf.
Er zupfte das
verfilzte Firmendurcheinander in
ein knackiges
Unternehmen um.
„Ich bin stolz, dass
wir das verändert
haben“, sagte er.
2006 übernahm
Thermo den
doppelt so großen
Konkurrenten
Fisher Scientific.
2000
Jack
Welch
82
Bye-bye, USA
Nach 24 Jahren in den USA
hatte Dekkers die Sprache
endgültig gelernt und
kehrte 2009 nach Europa
zurück: 150 Kilometer von
seiner Heimatstadt Tilburg
entfernt, nach Leverkusen.
Hier übernahm er im Januar
2010 die Führung des
Pharma- und Chemiegiganten Bayer. Für ihn „ein
logischer Schritt“. Dekkers
blieb forsch wie eh und
je: weniger Leute, dafür
mehr Geld für die Forscher.
In zwei Jahren zerlegte er
4500 Arbeitsplätze.
Erster Vertrag bei
General Electric
Gleich nach seiner Doktorarbeit
absolvierte Dekkers ein Praktikum
bei General Electric – und blieb zehn
Jahre lang: Er merkte, „dass ich die
Wirtschaft genauso gerne mag wie
die Wissenschaft“. Die „wichtigste
Lektion“, sagt er, „erteilte mir Jack
Welch“. Der damalige GE-Chef
hatte propagiert, dass jedes
Geschäft, das nicht das Zeug
habe, die Nummer eins oder
zwei seiner Innung zu sein,
verkauft oder dichtgemacht
werden müsse. Starker Tobak.
JUNI 2014
Fotos: Bayer AG, picture alliance / dpa, Eindhoven University of Technology, QualityMovement.org, Tennisclub Rotweiss Emmerich e.V.
Marijn Dekkers’ Laufbahn in Zahlen und Zitaten: Wie ein holländischer
Extennisprofi und Wahl-Amerikaner als erster Externer zu Bayer fand.
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JUNI 2014
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