Adidas-Chef stellt sich der Kritik Ist Benjamin ein echter
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Adidas-Chef stellt sich der Kritik Ist Benjamin ein echter
06 14 • DAS DEUTSCHE WI RT S C HA F T S M AG A ZIN BIL ANZ-MAG A ZIN.DE Franzosen planen Übernahme Commerzbank im Visier Commerzbank-Chef Martin Blessing Adidas-Chef stellt sich der Kritik Ist Benjamin ein echter Otto? 50 Die teuersten Marken 52 Millionen € Förderer der Forschung für einen Harter Teyssen, weicher Gentz Oldtimer *Kraftstoffverbrauch in l/100 km: innerorts 5,3; außerorts 4,1; kombiniert 4,6; CO2-Emissionen in g/km: kombiniert 119. Der Audi A6 Avant 2.0 TDI ultra* mit 4,6 l/100 km. Schon eine Idee kann ein Auto effizienter machen. Die Kombination hunderter Ideen wie Audi Leichtbautechnologie, Rekuperation und Start-Stop-System macht den Audi A6 Avant zum ultra – dem effizientesten Auto seiner Klasse. Erfahren Sie mehr auf www.audi.de/ultra Audi ultra. Die Summe unserer effizientesten Ideen. Deutsche Bank deutsche-bank.de Weltweit in Ihrer Nähe. Weltweit stark. Für Sie. 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BILANZ-Redakteurin Sophie Crocoll (29 und 1,63 Meter) war gespannt, einen echten Hanseaten zu treffen. So hatten Bekannte den Sohn des Otto-Aufsichtsratsvorsitzenden beschrieben. „Er war dann gar nicht kühl und zurückgenommen, sondern hat ganz emotional erzählt“: von seiner Kindheit mit dem großen Namen, seiner Liebe zu Argentinien und dem eigenen Weg ins Familienunternehmen. Lust auf was Schräges BILANZ-Fan Django Asül Die Erstausgabe der deutschen BILANZ fand überwiegend freundliche Aufnahme (siehe Seite 80). Darüber sind Redaktion und Verlag natürlich nicht unglücklich. Aber es gibt viel zu verbessern. Die Anregung von Leser Geldbach aus Gelsenkirchen haben wir bereits in dieser Nummer umgesetzt und die BILANZ-Schrift Freight um einen halben Punkt vergrößert. Jetzt können uns alle lesen. Gratuliert zur ersten Ausgabe hat auch Ugur Bagislayici, besser bekannt unter seinem nom de guerre Django Asül: Der türkischstämmige Kabarettist testete gerade das neue Fitnesszentrum bei Adidas in Herzogenaurach, als die BILANZ-Leute Arno Balzer (56) und Klaus Boldt (56) den Vorstandschef Herbert Hainer zum Gespräch trafen. Asül: „Freut mich, dass Sie wieder in Ihrem Element sind. Melden Sie sich, wenn Sie mal Lust auf was Schräges im Blatt haben.“ FERRARI Verknappung als Strategie Natürlich hatte BILANZRedakteur Stephan Knieps (28) gehofft, dass man ihn in einem Firmenauto zum Ferrari-Sitz im italienischen Maranello fahren würde. Es war dann aber doch nur ein Lancia. „Die Verknappung ist Teil der Ferrari-Strategie. Deshalb sind auch die Oldtimer so teuer.“ Marco Arrighi, der die Klassik-Abteilung in Maranello leitet, ging dessen ungeachtet wenig zimperlich mit den in der Werkstatt parkenden Autos um: Als er bei einem 250 GTO – Wert zwischen 40 und 50 Millionen US-Dollar – die Motorhaube abnahm und einen Blick aufs Getriebe warf, hielt die anwesende Pressesprecherin kurz die Luft an … Die nächste BILANZ erscheint am 4. Juli JUNI 2014 5 INHALT 6/2014 56 Ein Otto geht zu Otto Porträt Benjamin Otto, Sohn des Hauses, startet einen Internethandel, der den Versandhausriesen revolutionieren soll. 10 Deutsche Bank will Borussia Dortmund Beteiligung Oberaufseher Paul Achleitner (l.) und Vorstandssprecher Jürgen Fitschen wollen zehn Prozent des Klubs übernehmen. Was macht einen Ferrari zum Ferrari? 66 6 Geldanlage Am Firmensitz in Maranello stellt eine Klassikabteilung Echtheitszertifikate für Ferrari-Oldtimer aus. JUNI 2014 INHALT 50 74 Gesundheitswesen Ärzte und Patienten, Kassen und Spitäler: Das Digitalisierungsfieber grassiert, ein neuer Multimilliardenmarkt entsteht. Höher leben Viele Milliardäre sind von Deutschland in die Schweiz gezogen. Wo leben sie genau? Das nächste große Ding Warum ist es in der Schweiz so schön? NAMEN UND NACHRICHTEN IDEEN UND INNOVATIONEN 10 Deutsche Bank Das Geldhaus will sich bei Borussia Dortmund einkaufen. 50 Digitalisierte Medizin Das Internet versetzt die Zunft in einen Datenrausch. Klinikkonzerne wittern den nächsten Multimilliardenmarkt. 14 Juwi Wird aus dem Öko-Konzern ein zweiter Fall Prokon? 56 Benjamin Otto Der Hamburger Hoffnungsträger soll den Handelskonzern gegen Amazon, Zalando & Co. verteidigen. 15 Schaeffler vs. Knorr-Bremse Streit unter Milliardären. 60 Forschung US-Wissenschaftler machen sich von Stiftern und Mäzenen abhängig – eine riskante Praxis. 16 Roland Berger Neustart mit neuer Führungsmannschaft. 16 Banken Wie sicher sind die Kundengelder, Herr Thiel? 18 Interna VW/Suzuki, Deutsche Telekom, BASF, Portikus. Fotos: Jan Riephoff, dpa-Zentralbild, istock, Alessandro Barteletti, Getty Images, picture alliance / dpa 20 Machtnetz Siemens-Sanierer Joe Kaeser in der BILANZ-Inspektion. 65 Kowalskys Crashtest Der Rasenroboter Robomow MC500 gehorcht aufs Wort. Man muss ihm aber Grenzen ziehen, sonst fährt er davon. Welchen Interessen folgen Wissenschaft und Forschung? Seite 60 PRIVAT UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 66 Geldanlage Oldtimer Woran erkennt man einen falschen Ferrari? BILANZ besuchte die Klassik-Experten in Maranello. 22 Commerzbank Europäische Großbanken umwerben die deutsche Nummer zwei. Die besten Chancen hat die Société Générale. 72 Baaders Beste Der Werbemann, Genussmensch und Kochbuchautor über Rote Bete und die Schlachterbörse. 28 Chefgespräch mit Herbert Hainer Ausgerechnet im Jahr der Fußball-WM steckt Adidas in einer Formkrise. Aber der Vorstandschef zeigt sich kampfbereit. 73 Holleins Kunstwelt Deutschlands einflussreichster Museumsdirektor über die fünf wichtigsten Kunstzentren der Zukunft. 34 Unternehmensführung Die Regierungskommission für gute Unternehmensführung hat viel Kredit verspielt. Kann Daimler-Veteran Manfred Gentz den Ethikern mehr Einfluss verschaffen? 38 Notizen aus Russland Putins Westpoints. 40 Eon Vorstandschef Johannes Teyssen regiert mit Eisenfaust. Wer sich nicht biegt, der fliegt. 44 Rangliste BILANZ präsentiert die 50 wertvollsten Marken Deutschlands – von Adidas bis Zeiss. 74 Schweiz Wo Deutschlands Milliardäre am liebsten leben. Vive la France? Commerzbank-Taktiker Martin Blessing. Seite 22 80 Eröffnungs-BILANZ Unsere erste Ausgabe im Urteil der Medien sowie der Leserinnen und Leser. 82 BILANZ-Gewinner Wie Ex-Tennisprofi Marijn Dekkers die Nummer eins von Bayer wurde. 5 Aus der Redaktion. 8 Autoren dieser Ausgabe, Impressum. 48 Arbeitsrecht Der Anwalt Peter Rölz über Scheidungskriege zwischen Unternehmen und ihrem Führungspersonal. JUNI 2014 7 AUTOREN IN DIESER AUSGABE Marc Kowalsky (43) ist stellvertretender Chefredakteur der Schweizer Bilanz. Er hat für uns in dieser Ausgabe den Robomow MC500 getestet, einen Rasenmäher, der sich alleine um den Garten kümmert. Kowalskys Crashtest lesen Sie auf Seite 65. Rainer Hupe Bernd Ziesemer Der 64-jährige Delmenhorster gehört zu jenen Leuten, die mit der Blüte der deutschen Werbeszene in ständige Verbindung gebracht werden: zunächst als Kreativdirektor und Gesellschafter der Agentur Scholz & Friends, später als Spiritus Rector von Baader Lang Behnken. Slogans wie „Otto ... find’ ich gut“ stammen aus Baaders Pentel Pen, ebenso wie die großen Kampagnen für Hypovereinsbank oder Die Zeit. Baader ist leidenschaftlicher und kritischer Kochamateur. Er hat ein Buch (Wer selber kocht, hat mehr vom Leben) geschrieben und die Kolumne Baaders Beste auf Seite 72. Rainer Hupe (67) arbeitete eine Ewigkeit als (leitender) Redakteur bei führenden Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazinen (Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Der Spiegel). Es gibt kaum eine Branche, über die er nicht berichtet, und kaum ein Thema in der Wirtschaftspolitik, das er ausgelassen hätte. Seit mehr als zehn Jahren ist Hupe als freier Journalist unterwegs – ein „Silver Surfer“, der großes Wohlgefallen findet an Telefonrechnern und anderem mobilen Spielzeug. Für BILANZ beschäftigt er sich auf Seite 50 mit der Frage, welche Bedeutung die Digitalisierung für das Gesundheitswesen hat. Er schreibt seit 30 Jahren über Unternehmen und Wirtschaft. Der langjährige Chefredakteur und Kolumnist des Handelsblatts begann seine Laufbahn bei Sprachprobst Wolf Schneider an der Henri-Nannen-Schule und agierte lange Zeit als Korrespondent in China, Russland und Japan. Der 60-Jährige ernährt sich am liebsten von Sushi und Jiaozi-Teigtaschen, und er liebt die asiatische Art der feinen Zurückhaltung. Deshalb nerven ihn deutsche Konzern-Chefs, die Furcht und Schrecken um sich verbreiten wie die Hindi-Göttin Kali. Beim Energieriesen Eon wurde Ziesemer fündig (Seite 40). Leserservice und Heftbestellungen: BILANZ – das deutsche Wirtschaftsmagazin Leserservice, 20583 Hamburg E-Mail: Impressum Bilanz Deutschland Wirtschaftsmagazin GmbH, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg [email protected] Tel.: 0800 888 66 30 E-Paper erhältlich unter: www.Lesershop24.de und www.ikiosk.de 8 Tel: (040) 347 23447 Fax: (040) 347 23450 E-Mail: [email protected] Herausgeber: Dr. Arno Balzer. Chefredakteur: Klaus Boldt (v.i.S.d.P.). Berater der Chefredaktion: Winfried Wilhelm. Chef vom Dienst: Joachim Tröster. Büroleitung: Annette Klangwald. Redaktion: Sophie Crocoll, Ronny Galczynski, Michael Gatermann, Jens Kaiser, Stephan Knieps, Uli Mahn, Mark C. Schneider. Autor: Jürgen Schönstein. Bilanz Deutschland Wirtschaftsmagazin GmbH, Geschäftsführer: Dr. Stephanie Caspar, Johannes Boege. Gesamtanzeigenleiter: Stephan Madel (v.i.S.d.P.). Illustrationen: Jesine Hein, Foto: Gaby Gerster Fred Baader Jürgen Schönstein (55) lebt mit seiner Familie in Boston, Massachusetts. Er ist Chefredakteur des Portals Scienceblogs.de und Dozent am MIT für Akademisches Schreiben. Schönstein geht in dieser Ausgabe ab Seite 60 der Frage nach, welche Gefahren die private Finanzierung von Wissenschaft und Forschung birgt. Objektleitung Anzeigen: Florian Reinartz ([email protected]), Klara Müller ([email protected]). Herstellung: Olaf Hopf. Druck: Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Postfach 30, 52153 Monschau BILANZ - Das deutsche Wirtschaftsmagazin ist ein Supplement der WELT. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 für BILANZ Deutschland, gültig ab 01.01.2014. Unsere Standards der Transparenz Max Hollein (45), gebürtiger Wiener, ist einer der profiliertesten Kulturmanager der Republik. Er leitet in Frankfurt gleich drei Häuser: die Schirn Kunsthalle, das Städel Museum und das Liebighaus. Seine Kolumne „Holleins Kunstwelt“ (Seite 73) erscheint regelmäßig in der BILANZ. In dieser Ausgabe schreibt er über die neuen Weltkunstzentren im Nahen und Fernen Osten. und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit. Die Rechte für die Nutzung von Artikeln für elektronische Pwressespiegel erhalten Sie über die PMG Presse-Monitor GmbH, Tel.: 030/284930 oder www.pressemonitor.de Rechtshinweis: Alle Inhalte (Text- und Bildmaterial) werden Internetnutzern ausschließlich zum privaten, eigenen Gebrauch zur Verfügung gestellt, jede darüberhinausgehende Nutzung ist unzulässig. Für die Inhalte fremder, verlinkter Internetangebote wird keine Verantwortung übernommen. JUNI 2014 RESSORT JUNI 2014 9 NAMEN& NACHRICHTEN WINDIGE GESCHÄFTE BEI JUWI 14 MILLIARDÄRE UNTER SICH 15 SCHWENKERS SCHWENK 16 JOE KAESER, DER RASIERTE FEUERLÖSCHER 20 10 JUNI 2014 Fitschen vor, noch ein Tor! Dax-Vorstände und Unternehmer drängen in die VIP-Logen der Bundesliga. Jetzt will sich die Deutsche Bank bei Borussia Dortmund einkaufen. Kleiner Fanklub Dem Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner (l.) und Vorstandssprecher Jürgen Fitschen (r.) ist es bislang nicht gelungen, die Deutsche Bank mit zehn Prozent an Borussia Dortmund zu beteiligen. Sie bleiben aber am Ball. JUNI 2014 Fotos: picture alliance / dpa, picture alliance / augenklick/fi K Kein schöner Frühling für die Manager der Deutschen Bank: Aufsichtsbehörden ermitteln in 118 Verfahren, über tausend Rechtsstreitigkeiten sind anhängig mit einem Gegenstandswert von jeweils mehr als 100.000 Euro, zu schweigen von jenen fünf Milliarden Euro, die das Institut in den vergangenen zwei Jahren allein für Bußgelder und Vergleiche entrichtet hat und die nun in der Kasse fehlen. Die diesjährige Frühjahrssaison hinterließ viele wunde Stellen. In mentaler Hinsicht wirkt die Deutsche Bank wie durchgescheuert und aufgeschürft. Willkommene Ablenkung bot deshalb der Besuch von Hans-Joachim Watzke (54), der kürzlich seine Aufwartung im Haupthaus an der Frankfurter Taunusan- lage machte. Watzke, Geschäftsführer der Borussia Dortmund AG, hielt Rat mit Jürgen Fitschen (65), einem der beiden Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und dessen Kollegen Rainer Neske (49), der die Privat- und Firmenkunden betreut. Die drei Geschäftsmänner erörterten die Vor- und Nachteile eines Handels, der die Machtverhältnisse in der Fußballbundesliga von Grund auf verändern und die Übermacht des FC Bayern München brechen könnte: den Einstieg der Deutschen Bank bei dem etwas rauen und ruppigen, aber erfolgreichen und äußerst beliebten Fußballklub aus dem Pott. Gegenstand des Gesprächs war eine Beteiligung von zunächst einmal zehn Prozent am Kapital der Fußballfirma, deren Börsenkapitalisierung bei 235 Millionen Euro liegt, aber über einen weit höheren Markenwert verfügt (siehe BILANZ-Soccer-Index 2014, Seite 12). Die Idee zu dem Geschäft geht auf eine Grübelei Paul Achleitners (57) zurück, des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank. Sein Plan: mehrere namhafte deutsche Unternehmen als Aktionäre an die Dortmunder zu binden und über eine Kapitalerhöhung die nötige Finanzkraft zu entwickeln, um dem Marktführer Bayern München dauerhaft Paroli zu bieten. Fitschen war nach der Begegnung mit Watzke angetan von der Idee, auch wenn er zum Volkssport Fußball bislang noch keine Neigungen hatte erkennen lassen. Fitschen hält Dressurpferde in der Lüneburger Heide. Auch Ratsherr Achleitner wurde noch nicht als Fußballfan aktenkundig, ist mit der Rolle des Fußballfinanziers aber aus jener Zeit vertraut, als er noch Chef der Allianz-Versicherung war, die heute engste Beziehungen zum FC Bayern unterhält und auch Namensgeber des Münchner Stadions ist. 11 NAMEN UND NACHRICHTEN Was versprechen sich die Frankfurter Edelleute von einem Einstieg beim Werktätigenklub aus Dortmund? Eine vergleichsweise preiswerte Erhöhung ihrer Sympathiewerte und nicht zuletzt eine Befriedigung ihrer Sehnsucht nach Volksnähe und Massenapplaus. Mit Verdruss und Scheelsucht sehen die Bankiers im Fernsehen die stets tadellos besetzte Prominenten-Loge im Allianz-Stadion zu München: Bei den Heimspielen finden sich regelmäßig Rupert Stadler, Michael Diekmann und Herbert Hainer ein, die Vorstandschefs der Bayern-Aktionäre Audi, Allianz und Adidas. Auch die Firmenlenker und FCB-Aufsichtsräte Martin Winterkorn (VW), Timotheus Höttges (Telekom) und Dieter Rampl (Unicredit) sind gern zugegen. Die Frankfurter sehen das und denken sich: So was möchten wir auch. Ein Engagement in der Bundesliga gilt unter Dax-Ligisten inzwischen als Privileg. Denn viele Möglichkeiten, irgendwo einzusteigen, gibt es nicht. Die Auswahl an Erfolgsklubs ist knapp, und noch knapper sind die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen, die eine Beteiligung erlauben. Der Hamburger SV musste extra seine Satzung ändern, um Investoren aufnehmen zu können. Speditionsmagnat Klaus-Michael Kühne (77) steigt nun mit 25 Millionen Euro bei der in Gründung befindlichen HSV AG ein. Aber er tut dies nicht freiwillig, sondern nur aus Vereinsliebe – und mit privatem Geld. Anders die Allianz, die die vielfältigen Chancen des Fußballgeschäfts längst nutzt. Anfang des Jahres brachte sich der Konzern für 110 Millionen Euro in den Besitz von 8,3 Prozent des Bayern-Kapitals – nicht zuletzt, um sich bis 2041 die Namensrechte am Stadion zu sichern, das mit 3,2 Millionen Besuchern im Jahr doppelt so viele Besucher zählt wie Schloss Neuschwanstein. Die Manager des FCB gelten in der Kickerzunft als Avantgardisten: Jetzt wollen sie sogar eine eigene Bank gründen. Gemeinsam mit dem Bayern-„Premiumpartner“ Hypo-Vereinsbank soll ein Finanzdienstleister auf die Beine gestellt werden nach einem Muster, wie man es aus der Autoindustrie (Volkswagen-Bank, BMW-Bank) kennt. Demnächst heißt es: Festgeld einsammeln bei den Fans, Kreditkarten ausgeben, Finanzierungen verkaufen. So in etwa lautet das Geschäftsmodell. Und natürlich werden auch Produkte der Allianz im Sortiment zu finden sein. Das Fußballgeschäft bietet findigen Finanzleuten unübersehbare Entfaltungsspielräume. Doch Jürgen Fitschen und sein Aufpasser Paul Achleitner müssen sich noch zügeln: Vorstand Rainer Neske hat den Einstieg bei Borussia Dortmund mit einem Veto vorerst blockiert. In der Deutschen Bank stünden wichtigere Aufgaben an als ein Spaß-Investment, argumentiert der Diplom-Informatiker, der als großer Logiker gefürchtet ist. Offenbar fällt den Kollegen nicht auf, dass er selbst schon in der Bundesliga engagiert ist. Neske ist Aufsichtsratschef des Tochterunternehmens Postbank. Und die ist Hauptgeldgeber von Borussia Mönchengladbach. ZAHLEN & FAKTEN 10% von Borussia Dortmund kosten ungefähr 25 Millionen Euro, sind aber viel mehr wert. Paul Achleitner hatte mal wieder eine richtig gute Idee. Konnte sie aber (noch) nicht durchsetzen. BILANZ-Soccer-Index 2014 Die 15 wertvollsten Klubs der Welt 1 Real Madrid 2,102 Mrd. 2 FC Barcelona 1,923 Mrd. 3 Manchester United 1,788 Mrd. 4 FC Bayern München 1,375 Mrd. 5 FC Arsenal 926 Mio. 6 Manchester City 692 Mio. 7 FC Chelsea 688 Mio. 8 FC Liverpool 586 Mio. 9 Juventus Turin 552 Mio. 10 AC Mailand 547 Mio. 12 11 Borussia Dortmund 463 Mio. 12 FC Schalke 04 451 Mio. 13 Tottenham Hotspur 383 Mio. 14 Paris St. Germain 371 Mio. 15 Inter Mailand 318 Mio. Bewertungsgrundlage sind aktuelle und prognostizierte Umsätze sowie Gewinne, Börsenwerte, Verschuldung, Geldfluss, nationale und internationale Platzierungen, Zuschauerschnitt, BILANZ-Recherchen JUNI 2014 Foto: picture alliance / Sven Simon Münchner VIP-Loge Beim Spiel gegen Hoffenheim schauen mäßig begeistert Adidas-Chef Herbert Hainer (l.), Mister VW Martin Winterkorn, sein Audi-Statthalter Rupert Stadler, diverse Bayern-Größen sowie SAP-Mitgründer Dietmar Hopp (u.), wie sich die Gäste ein Unentschieden erkämpfen. RESSORT Manche Finanzierungen erweisen sich als harte Nuss. Wir haben die Eigenkapitalstärke, sie zu knacken. STRUKTURIERTE FINANZIERUNGEN IN DEUTSCHLAND IM JAHR 2013 1 2 3 4 5 BOOKRUNNER HypoVereinsbank – UniCredit Commerzbank Group Deutsche Bank BNP Paribas LBBW VOL IN MIO. EUR 10.143 9.777 9.578 5.252 4.716 Auf Grund unserer Finanzstärke und mit unseren Spezialisten – etwa für Fördermittel und Strukturierte Finanzierungen – sind wir in der Lage, Ihnen optimale Lösungen zu bieten. Quelle: Dealogic, 02. Januar 2014 JUNI 2014 13 NAMEN UND NACHRICHTEN Windige Geschäfte Die fälschlicherweise gefeierte Juwi AG braucht dringend Geld. Die Geschäftsmethoden der Gründer sind Gegenstand von Untersuchungen, Anleger fürchten um ihr Geld. Ein neuer Fall Prokon? Soll den Vorstandsjob verlieren Matthias Willenbacher. 14 sie federführend für drei beteiligte Institute verwaltet. Die Berger-Männer sollen nun einen Plan für die Rückführung der Juwi AG auf ihr Kerngeschäft erarbeiten und dabei zudem die Obliegenheiten (auch die privaten) der Gründer sorgfältig unter die Lupe nehmen. Erstes Ergebnis: Die Berater empfehlen, entweder neue Investoren ins Unternehmen zu holen oder die Alt-Eigner aufzufordern, frisches Kapital einzuschießen. Überdies soll Willenbacher seinen Vorstandsposten räumen. Jung, heißt es, dürfe bleiben. Gegen Willenbacher hat die Staatsanwaltschaft Thüringen mittlerweile Anklage wegen Korruption erhoben. Der Monetenempfänger, Thüringens ehemaliger Innenminister Christian Köckert (56), wurde bereits zu 15 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, weil er gleichzeitig auch als Eisenacher Beigeordneter über Windkraft-Verträge des Unternehmens mitentschieden hatte. Bei Köckerts Gerichtsverhandlung hatte Zeuge Willenbacher die Aussage verweigert. Die Eisenacher Querelen werfen ein trübes Licht auf das Juwi-Geschäftsgebaren: Der Kampf um die Standorte für die bei Anrainern verhassten Windräder wird härter. Juwi arbeitet mit örtlichen Projektgesellschaften zusammen. Je nach Vertragsgestaltung können entweder bei denen oder bei Juwi gute Vorweg-Gewinne anfallen. Die Berger-Berater untersuchen auch, ob und wenn ja zu welchen Bedingungen die Juwi-Gründer daran beteiligt gewesen waren. Selbst im guten Jahr 2011 hatte die Umsatzrendite von Juwi gerade mal rund ein Prozent erreicht. Inzwischen wächst das Misstrauen: Die Pfalzwerke haben die Zusammenarbeit mit Juwi gekündigt, ebenso die RWE-Tochter Süwag. Und auch anderen Gesellschaften des Juwi-Verbundes schlägt Misstrauen wie ein Windstoß entgegen. Anlegerforen warnen vor Angeboten der Juwi Invest, zum Beispiel vor dem geschlossenen Fonds Juwi Family & Friends 1. Es handelt sich hierbei um nachrangig gesicherte Anlagen – genau wie beim fallierten Windkraftbetreiber Prokon, der Anleger viel Geld gekostet hat. „Lassen Sie Ihren Überzeugungen Taten folgen, und profitieren Sie dabei von attraktiven Konditionen“, hatten die Gesellschafter Willenbacher und Jung gelockt. Schließlich hat es für die beiden doch auch geklappt. Willenbachers Moral Noch im Vorjahr tourte Buchautor Matthias Willenbacher durch die Gesprächsrunden des Fernsehens und machte der Kanzlerin ein Angebot: Er stifte seine Juwi-Anteile, sollte die Energiewende bis 2020 vollendet sein. Foto: Michael Kretzer A nfang Januar berichtete die Juwi AG, Deutschlands größter Projektentwickler in Sachen erneuerbare Energien und grünes Vorzeigeunternehmen (gut eine Milliarde Umsatz, 1.700 Mitarbeiter) aus Wörrstadt bei Mainz, noch von einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2013. Die Rede war von einer Umsatzrendite zwischen vier und fünf Prozent vor Steuern und Zinsen. Doch dann verschob das Unternehmen seine Bilanzvorlage von März auf April – und einen Tag vor dem neuen Termin ein weiteres Mal: „wegen der Erkrankung eines der beiden Eigentümer sowie eines Trauerfalls in der Familie des anderen“. Der eine ist inzwischen wieder gesund, der andere hat die Trauerarbeit bewältigt, einen neuen Termin für die Bilanzvorlage indes wurde nicht anberaumt. Laufen die Juwi-Geschäfte so schlecht, dass man sich schämt, sie bekannt zu machen? Mitgründer Matthias Willenbacher (44) und sein Kollege Fred Jung (43) lassen ausrichten, dass sie so angestrengt arbeiteten, dass sie Fragen zum Zustand des Unternehmens zurzeit unmöglich beantworten könnten, sie hoffen da auf Verständnis. Fraglich, wie viel Verständnis die Sanierungsleute des Beratungsunternehmens Roland Berger aufbringen, die jetzt in die Juwi-Zentrale eingerückt sind. Entsendet hat sie die Deutsche Bank, die um einen Konsortialkredit von 250 Millionen Euro bangt, den JUNI 2014 NAMEN UND NACHRICHTEN Geiz ist geil Heinz Hermann Thiele und Elisabeth Schaeffler streiten sich um ein paar lumpige Hunderttausend Euro. Fotos: picture alliance / Eva Oertwig/S, Knorr-Bremse / Ch. Vohler I n Gelddingen kann man Heinz Hermann Thiele (73) nichts vormachen. Der Jurist ist die Ausgebufftheit in Person. 1969 hatte er als kleiner Sachbearbeiter in der Patentabteilung des Münchner Familienbetriebs Knorr-Bremse angefangen und ihn nach einigen klugen Manövern schon Mitte der 80er gleich ganz in seinen Besitz gebracht. Die Deutsche Bank in Gestalt ihres damaligen Vorstandssprechers und Knorr-Aufsichtsratschefs Wilfried Guth hatte ihm erste Finanzhilfe geleistet. Den Rest erledigte Thiele selbst. Heute ist Knorr-Bremse (4,3 Milliarden Euro Umsatz) der Weltmarktführer für Eisenbahn- und LKW-Bremsen. Und weil Thiele so viel Spaß am Geschäftemachen hat und weil ihm alles so leicht von der Hand geht, kaufte er sich in den vergangenen Jahren auch noch beim Bahntechnikhersteller Vossloh (1,32 Milliarden Euro Umsatz) ein, von dem ihm inzwischen über ein Viertel gehört. Thiele ist zwar ein Bremser („Wir leben und sterben mit der Bremse“) und damit der Richtige in einer schnelllebigen Zeit, aber wenn er selbst einmal nicht weiter- oder ein anderer ihm in die Quere kommt, dann kann er in aller Herzlichkeit sehr ungemütlich werden. Zum Beispiel dann, wenn man seinem Spitzenpersonal unschickliche Avancen macht. Im vergangenen Jahr haben sich Maria-Elisabeth Schaeffler (72) und ihr Sohn Georg (49), die einen Wälzlagerkonzern in Herzogenaurach ihr Eigentum nennen und weite Teile des Autozulieferers Continental, beim Thiele-Liebling und Knorr-Vorstandsmitglied Klaus Deller (52) eingeschmeichelt und ihm das Angebot unterbreitet, am 1. Juli das Dirigat der Schaeffler AG zu übernehmen. Der Transfer hat die Beziehungen zwischen den Schaefflers und Thiele etwas belastet. Der Bremser möchte, dass ihm die Wälzlageristen den Schaden ersetzen, der ihm durch Dellers Austritt entstanden sei, und die Kosten für die Nachfolgesuche übernehmen. Es dürfte sich um einen Betrag von ein paar Hunderttausend Euro handeln, die ein guter Personalberater für derlei Fahndungen in Rechnung stellt. Thieles Forderung zeugt von seinem Humor, aber sie zeugt auch von seiner Humorlosigkeit. Er ist Multimilliardär. Doch er ist nicht Multimilliardär geworJUNI 2014 Nachgeben ist ein sicheres Zeichen von Schwäche Heinz Hermann Thiele ist der größte Bremser, aber Elisabeth Schaeffler hat die besseren Wälzlager. Blinder Ehrgeiz schadet Der frühere Knorr-Bremse-Aktivist Klaus Deller muss sich mit neuen Kollegen herumärgern. den, weil er jeden Quatsch aus eigener Tasche bezahlt. Auch die Schaefflers sind Multimilliardäre. Aber sie sind es nicht, weil sie jeden Spaß mitmachen und die Rechnungen anderer Leute bezahlen. Verbissen wie Bundesligamanager ringen sie nun um die Kosten, die Dellers Vereinswechsel verursacht. Erst telefonierten sie, dann trafen sie sich in München zum Dreiergipfel (die Reisekosten trugen die Schaefflers, für die Bewirtung sorgte Thiele). Doch die Konferenz endete ohne Ergebnis. Was kann Thiele tun? Vielleicht sollte er einfach ein wenig abwarten. Denn Deller ist in den Schaeffler-Betrieben mitnichten überall so willkommen, wie die Schaefflers es ihm verhießen. Namentlich Klaus Rosenfeld (48), der seit dem Abgang des Schaeffler-Leiters Jürgen Geißinger (54) als Übergangschef amtiert, fällt dem Neuen auf die Nerven. Rosenfeld verfügt über große Vorräte an Hinterlist, er hat einst einem Meister der Fachrichtung Intrige assistiert, nämlich dem früheren Dresdner Bank-Major Bernd Fahrholz. Alle Versuche Dellers, sich mit seiner neuen Aufgabe in Herzogenaurach vertraut zu machen, hat Rosenfeld torpediert: Die Kontaktaufnahme zu seinen künftigen Direktuntergebenen hat der verhindert (bis auf das Treffen Dellers mit dem Personalchef); zu einer Tagung der 50 wichtigsten SchaefflerManager Mitte Mai in Istanbul hat ihn Rosenfeld einfach nicht eingeladen. Beider Verhältnis wird sich künftig intensivieren, kann aber jetzt schon als zerrüttet bezeichnet werden. Deller wirkt wie ein Mann am Ende eines Gummibands: Je weiter er sich von Knorr-Bremse entfernt, desto sicherer, glaubt man in München, werde er dorthin zurückflitzen. 15 NAMEN UND NACHRICHTEN Dirk Thiel, Geschäftsführer der Ratingagentur GBB, über sicheres Geld. Schwenkers Schwenk Der scheidende Geschäftsführer setzt der Beratungsfirma Roland Berger neue Ziele. W 16 Herr Thiel, Ihre Ratingagentur GBB bewertet rund 200 Banken. Auch die EZB prüft. Ist das Geld noch sicher? Das Geld ist sehr, sehr sicher. Die Ängste, die verbreitet werden, sind häufig populistisch. Losgelöst vom Einlagensicherungsfonds haben die Banken nach der Krise ihre Hausaufgaben gemacht: Wenn eine Bank ein Eigenkapital von einer Milliarde Euro hat, ist jeder Kunde individuell mit 300 Millionen Euro abgesichert. Weniger Kundschaft, mehr Gewinn Berger-Mann Bouée folgt härteren Vorgaben. 300 Millionen? Bislang war stets von einer Grenze bei 100.000 Euro die Rede. Die gesetzliche Deckungszusage liegt bei 100.000 Euro pro Kunde. Der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken sagt jedem Kunden jedoch individuell eine Deckung von 30 Prozent des Eigenkapitals seiner Bank zu, ab 2015 sind es noch 20 Prozent. Bei einer Milliarde Eigenkapital sind das 300 Millionen pro Kunde. Warum ist das weithin unbekannt? Die 300 Millionen erscheinen ja so übertrieben, sie müssten eigentlich Sicherheit suggerieren können. Warum sie es nicht tun, kann ich nicht sagen. Denken Sie an die Siemens-Krise oder an Pleiten von Banken: Nie hat ein privater Anleger auch nur einen Cent zahlen müssen. Ich weiß nicht, warum diese Karte nie gespielt wurde. Spielt die Moral von Bankern eine Rolle bei der GBB-Bewertung? Wir sind keine Moralapostel, die den Stab brechen über einem Haus, das sich nicht nett benimmt. Aber wir überprüfen natürlich, ob sich ein Bankier populistisch oder geldgierig verhält. Weil sich das in der Führung des Unternehmens widerspiegelt und diese Unternehmensführung ausschlaggebend ist für unsere finale Beurteilung der Zukunftsfähigkeit des Hauses. Diesen Aspekt vermisse ich beim Rating der EZB. JUNI 2014 Fotos: Privat, Roland Berger Strategy Consultants achstum ? Ja, gut, aber künftig bitte nicht ganz so schnell. Größe? Wird im Beratergewerbe überschätzt: Ein Jahr, nachdem Burkhard Schwenker (56) zum zweiten Mal nach 2003 den Vorstandsvorsitz der Unternehmensberatung Roland Berger (2.7oo Mitarbeiter, 8oo Millionen Euro Honorarumsatz) übernommen hat, schwört er seine Ratgeber auf bescheidenere Ziele ein. Die Strategiewende wurde offenbar notwendig, weil nach zähen Verhandlungen - auch der zweite Versuch gescheitert war, das Unternehmen an eine der weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungsfirmen zu verkaufen, die inzwischen das Beratungsgewerbe beherrschen. Roland Berger befindet sich seither in misslicher Lage und in Gefahr, von den gut sortierten Premiumberatungen McKinsey und Boston Consulting einerseits sowie den wohlfeilen Spezialisten für Preismanagement oder Logistik und erst recht den Rabatt-Beratern der Wirtschaftsprüfer andererseits zermalmt zu werden. Schwenker dachte sich also ein neues Programm aus und kam auf die naheliegendste Variante, statt flächendeckender Präsenz künftig nur noch zentrale Zugriffspunkte in den wichtigsten Branchen für notwendig zu erachten. Klasse statt Masse. Man kennt das. Die neue Taktik flößt Schwenker so viel Zuversicht ein, dass er gleich wieder zurück an die Aufsichtsratsspitze pendelt. Auf der Partnertagung Ende Juni in Frankfurt soll Charles-Édouard Bouée (45) die Firmenleitung übernehmen. Die Wahl ist geheim. Aber Bouée ist, Umfragen zufolge, turmhoher Favorit. Spannungserregender ist, wen der Neue zu Mitvorständen befördert: Gesetzt ist der niederländische Berger-Botschafter mit dem barocken Namen Tijo Collot d’Escury (47); um den zweiten Job rangeln Stefan Schaible (45), Berger-Häuptling für Mitteleuropa, und Ralf Kalmbach (52), Bergers Oberberater für die Automobilindustrie. 300 Millionen pro Kopf „HÄTTE NICHT GEDACHT, DASS DIE ZWEIMAL KLASSENBESTER SIND.“ OPEL INSIGNIA BESTER VERBRAUCHS- UND CO2-WERT SEINER KLASSE. #UMPARKENIMKOPF Hätten Sie das vom Opel Insignia gedacht? Mit dem 2.0 CDTI ecoFLEX wurde der Diesel neu erfunden. Mit einem CO2-Emissionswert von gerade mal 98 g/km und einem Verbrauch von nur 3,7 l/100 km (kombiniert)* ist er die Überraschung in der Business-Klasse. Und auch der 1.4 Turbo-Benzinmotor liefert Klassenbestwerte. Er erfüllt heute schon die Euro 6-Norm und besticht mit einer CO2-Emission von nur 123 g/km sowie einem Verbrauch von nur 5,2 l/100 km (kombiniert).* *Gilt für die Opel Insignia Limousine 4- und 5-türig mit 88 kW und 103 kW. Kraftstoffverbrauch kombiniert 11,0–3,7 l/100 km; CO2-Emission kombiniert 259–98 g/km (gemäß VO (EG) Nr. 715/2007). Effizienzklasse G–A+ NAMEN UND NACHRICHTEN Die Beziehungen zwischen VW und Suzuki litten vor allem an kulturellen Missverständnissen. Portikus Investment Als Portikus bezeichnet man in der Baukunst eine Säulenhalle oder einen Säulengang. Warum auch nicht? Recht selten tritt dieser Begriff jedoch in Finanzwesen und Geldgewerbe in Erscheinung. Als Elisabeth Weisenhorn (57) und ihr Geschäftspartner Michael Hochgürtel Anfang des Jahres über den Namen ihrer neuen Investmentfirma in Frankfurt beratschlagten, hielten sie Portikus Investment jedoch für am besten geeignet, der Mitwelt bekannt gemacht zu werden: „Es ist als Eintritt in eine Welt gedacht, in der man in Aktien investiert, aber auch immer ein Dach über dem Kopf hat“, schnackt Weisenhorn, die ihr Geschäft dieser Logik zufolge auch Windfang Investment hätte nennen können. Wem der Name Weisenhorn ein Begriff ist: Sie arbeitete von 1985 bis 2000 bei DWS, dem Fondsmanagement der Deutschen Bank, und erzielte dort fabelhafte Renditen. Heute sammelt sie also Gelder für ihren eigenen Fonds, der neben Wertpapier auch festver– zinsliches Material umfasst. Viele Anleger hätten Angst vor Wertschwankungen, sagt Weisenhorn. Die besondere Vielfalt bei Portikus, schwört sie, stelle einen „Risikopuffer“ dar. Hoffen wir das Beste. Nachdem sie sich 2000 selbstständig gemacht hatte, hatte ihr damaliger Weisenhorn Europa Fonds binnen zwei Jahren die Hälfte seines Werts eingebüßt. So viel dazu. Elisabeth Weisenhorn BASF VW vs. Suzuki In London ist das Schiedsverfahren zwischen VW und Suzuki zu Ende gegangen. Nun erwarten die Parteien das Urteil. Die Japaner wollen, dass VW seinen Anteil von 19,9 Prozent verkauft; außerdem verlangen sie Schadensersatz. VW-Chef Martin Winterkorn (67) akzeptiert weder dies noch das. VW war 2009 bei Suzuki für 1,7 Milliarden Euro eingestiegen. Aus Suzukis Sicht war eine funktionierende Kollaboration aber Bedingung für das Geschäft gewesen. VW bestreitet dies. Gut zusammengearbeitet haben die Partner selten. Ständig kam es zu Fehldeutungen und Missverständnissen. Am Ende bestellte Suzuki Motoren nicht bei VW, sondern bei Fiat, und VW entwickelte ein Billigauto für Indien und China nicht gemeinsam mit Suzuki, sondern mit sich selbst. Die größten Automobilhersteller 2013 Umsätze in Mrd. Euro 1 2 3 4 5 15 Volkswagen Toyota Daimler General Motors Ford Suzuki 197,0 172,4 118,0 112,9 106,7 19,6 Quelle: Ernst & Young Deutsche Telekom Thomas Kremer (56), zuständig für Datenschutz, Recht und gute Unternehmensführung im Bonner Konzern, soll auch das Personalressort übernehmen, das er seit Januar schon vertretungsweise mitbetreut. Der Amtsbereich lag zuletzt in der Obhut von Marion Schick (55), die den Konzern inzwischen aber verlassen hat, weil sie krank und mit ihrem Ausscheiden sowieso einverstanden gewesen war. Kremer hat in der Zwischenzeit verhältnismäßig laut- und reibungslos einen Tarifabschluss für 72.000 Telekom-Bedienstete Thomas Kremer verhandelt, was seine Vorgesetzten mit Wohlwollen und Knüffen gegen die Schulter zur Kenntnis nahmen. Schick habe, Kollegen zufolge, immer verbissen gewirkt und nie zugehört. Kremer aber kann sogar gleichzeitig lächeln und zuhören. Doch weiß ist seine Weste nicht: Bevor er 2012 zur Telekom kam, leitete er die Rechtsabteilung von ThyssenKrupp, wo man mit Schmiergeldzahlungen und Kartellabsprachen nicht zimperlich war. Der BASF-Vorstand Andreas Kreimeyer (58), der bei dem Chemiekonzern die Forschung und die Pflanzenschutzsparte dirigiert, muss sich nach einer neuen Anstellung umschauen. Sein Vertrag läuft im Mai 2015 aus, und damit soll es, nach dem Willen des Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Hambrecht (67), dann auch sein Bewenden haben. Wenn die Sachverständigen im Spätsommer zu ihrer nächsten Sitzung zusammentreten, wollen sie einen Strich durch Kreimeyers Namen machen. Der Manager ist nicht als Stimmungskanone oder Rampensau bekannt. Aber er leistet gründliche Arbeit. 1986 trat er den BASFBetrieben bei, seit 2003 ist er Mitglied des Vorstands. 10.650 Forscher stehen bei BASF unter Vertrag. 1,8 Milliarden Euro wurden zuletzt investiert, um Substanzen hervorzubringen wie Kaffeekapseln, Haargels oder Elektro-Tauchlacke. Ende Mai wies Kreimeyer noch darauf hin, dass BASF sage & stöhne 30 Milliarden Euro mit Erzeugnissen umsetzt, die fünf Jahre oder weniger auf dem Markt sind. Aber das nützte ihm nichts mehr. Er ist Geschichte. Andreas Kreimeyer JUNI 2014 Fotos: picture alliance / dpa, picture-alliance / ZB, BASF SE Diesen beiden hilft auch kein Tanzkurs: Osamu Suzuki und Martin Winterkorn. RESSORT Deep Research – Clear Judgement Investing beyond the surface Fixed Income ist unser Element: Um die Komplexität der Bondmärkte zu durchdringen, nutzen unsere Portfoliomanager das kollektive Wissen eines globalen Netzwerks aus 140 Rentenspezialisten. Ihre Analysen ermöglichen es uns, das Potenzial jeder Anleihe umfassend zu bewerten. Dabei verfolgen wir ein Ziel: Unseren Kunden die besten Anlagemöglichkeiten zu sichern. Seit über 40 Jahren vertrauen professionelle Investoren auf die außergewöhnliche Expertise unseres Fixed Income Teams. Mit rund 250 Milliarden Dollar verwaltetem Vermögen gehören wir weltweit zu den führenden Anbietern in dieser Anlageklasse. Wir bieten Ihnen innovative Produktlösungen für alle wichtigen Marktsegmente und unterschiedliche Risikoprofile. www.abfunds.com Diese Anzeige dient ausschließlich Informationszwecken. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Empfehlung dar, ein Finanzinstrument zu erwerben oder eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Wert einer Anlage sowie die Erträge hieraus können sowohl steigen als auch fallen. Es ist möglich, dass der Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhält. Stand aller Angaben: 31.03.2014. JUNI 2014 19 Herausgeber: AB Europe GmbH, Maximilianstrasse 21, 80539 München. NAMEN UND NACHRICHTEN Kaeser pflegt gute Kontakte zu bayrischen Landes- und Starkbierpolitikern, namentlich zu Finanzminister Markus Söder. Auch mit der ehemaligen Bundesministerin und heutigen bayrischen Vizeministerpräsidentin Ilse Aigner verbindet den Siemens-Herrn ein gutes Verhältnis. Kaeser lud sie unlängst auf das Thalersdorfer Starkbierfest ein. Jetzt planen die beiden einen gemeinsamen Ausflug ins Silizium-Tal. N FR EU Aufsichtsratschef Gerhard Cromme führt formal die Kaeser’schen Unterstützertruppen an. Dicke Freunde sind die beiden trotzdem nicht geworden. Aber Cromme lässt Kaeser machen. Das kann er (Cromme) auch am besten. DE D N U Dank seiner vier Jahre im Silicon Valley verfügt Kaeser über gute Beziehungen zur dortigen Technikerszene. Zu seinenBekanntschaften zählt die Hewlett-Packard-Chefin Meg Whitman. Der rasierte Feuerlöscher Er war der einzige Vorstand, der nach der Bestechungsaffäre bei Siemens bleiben durfte: der heutige Vorstandschef Joe Kaeser. Seit einiger Zeit versucht er sich an Um-, Aus- und Neubau des Konzerns. D Die Verwandlung des niederbayrischen Provinzlers Josef Käser (56) in einen welterfahrenen Siemens-Strategen der Spezialklasse begann 1995 mit einem vierjährigen USA-Aufenthalt und endete am 8. November 2012: Joe Kaeser, wie er sich seit seiner Rückkehr aus Amerika nannte, rasierte sich am Morgen vor der Siemens-Bilanzkonferenz seinen Schnurrbart ab, stahl seinem Vorgesetzten Peter Löscher die Schau wie gewöhnlich – und übernahm im Sommer 2013 auch noch gleich dessen Amt. Zu Josef-Joe Käser-Kaesers Doppelpersönlichkeit 20 Aus 16 mach‘ neun: Anfang Mai kündigte Kaeser an, die Anzahl der Siemens-Sparten zu verringern, um den Konzern schlagkräftiger zu machen. Bis Herbst 2016 sollen die Kosten um eine Milliarde Euro sinken. Einen Stellenabbau in großem Umfang kündigte Kaeser bereits an. passt, dass er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Thalersdorf geblieben ist: „Hier ist er der Käser-Sepp und nicht der Siemens-Chef“, sagt Vizekommandant Josef Nürnberger. Treue steht in Kaesers Wertekanon weit oben: Nach seinem BWL-Studium landete er 1980 bei Siemens (Abteilung: Bauelemente) – und blieb. Nach Zwischenaufenthalten in Malaysia und im Silicon Valley kehrte er 1999 ins Hauptquartier zurück, wo der „Omar Sharif vom Wittelsbacherplatz“ (Kollegenspott) zunächst in der Mobilfunksparte, später als Schatzmeister arbeitete. Kaeser gilt als einer, der mühelos mit den Leuten ins Gespräch kommt, innerhalb der Betriebe am mühelosesten mit den Finanzwirtschaftlern, mit denen er per Du ist. Er ist verheiratet mit der Frau von Josef Käser, Rosemarie Käser. Die beiden Töchter studieren BWL und könnten zu Siemens gehen. STEPHAN KNIEPS JUNI 2014 MACHTNETZ RI Jeffrey Immelt, Kopf des Weltmarktführers und ewigen Rivalen General Electric, ist der größte Unterdrücker des Siemens-Patrons. Schon Heinrich von Pierer, Kaesers Vorvorvorgänger, bleute seinen Kadern ein: „Beat GE!“ Dass Kaeser dem Amerikaner kürzlich in Sachen Alstom in die Parade fuhr, konnte ihr Verhältnis nur noch unwesentlich verschlechtern. VA LE Michael Süß, dem Vorstand der größten Siemens-Sparte Energie, hat Kaeser Anfang Mai das Handwerk gelegt. Süß, sagt man, habe den Bedarf an Kleinkraftwerken nicht wachsen sehen. Andere sagen, er gebe zu viel Widerworte. Zudem wollte er wohl nicht in die USA umsiedeln – dort übernimmt die Shell-Managerin Lisa Davis seinen Posten. Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der IG-Metall und seit 2012 Mitglied im SiemensAufsichtsrat, beschreibt sein Verhältnis zu Kaeser als „professionell“. Man habe manchmal „unterschiedliche Sichtweisen“, und wenn Kaeser die Interessen der Arbeitnehmer vernachlässige, „erinnern wir ihn gern daran“. Bei uns ist er der Käser-Sepp und nicht der Siemens-Chef.“ Josef Nürnberger, 2. Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr von Thalersdorf in Niederbayern. JUNI 2014 Einen gewissen Gräuel empfindet der Pariser Alstom-Chef Patrick Kron für seinen Kollegen in München: Der Franzose, dessen Eltern nur mit Glück dem KZ entkamen, mag Deutschland im Allgemeinen und Siemens im Besonderen nicht. Das Ergebnis einer möglichen Verbindung mit den Deutschen, sagte er, müsse wohl dem „Ungeheuer von Loch Ness“ ähneln. 21 Fotos: www.stmflh.bayern.de, StudioLeis, Siemens AG, HP, GE, IG Metall, Getty Images, picture-alliance/dpa, Getty Images/Christof Stache/AFP N Als er noch Siemens-Leiter sein durfte, sagte Peter Löscher, es passe „kein Blatt“ zwischen ihn und seinen damaligen Kämmerer Kaeser. Aus Kaesers Sicht war da aber wohl durchaus Platz für mehrere Telefonbücher. Bei öffentlichen Auftritten ließ er den biederen Löscher regelmäßig bieder aussehen, beteuerte aber hinterher immer wieder, wie unangenehm ihm, Kaeser, dies gewesen sei. Löscher soll damals mit dem Gedanken gespielt haben, die guten Sachen aus dem Eisfach zu holen. UNTERNEHMEN& MÄRKTE Objekt der Begierde Finanzstarke Geldhäuser aus Frankreich, Spanien und Österreich umwerben die Commerzbank. Der Bund, Hauptaktionär der deutschen Nummer zwei, ziert sich noch, seinen Anteil zu verkaufen: Er will den Preis hochtreiben. EIN MANN WILL NACH OBEN: INTERVIEW MIT ADIDAS-CHEF HERBERT HAINER 28 LETZTER PREUSSE: DER NEUE JOB VON MANFRED GENTZ 34 JOHANNES TEYSSEN: ANGST UND SCHRECKEN BEI EON 40 EXKLUSIV: DIE 50 WERTVOLLSTEN DEUTSCHEN MARKEN 44 22 JUNI 2014 Fotos: ullstein bild A JUNI 2014 Anfang März reiste nahezu die geschlossene Führungsriege der französischen Großbank Société Générale nach Berlin. Vorstandschef Frédéric Oudéa (50) und seine Entourage wollten Kanzleramtsminister Peter Altmaier (55) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (71) einen Besuch abstatten und ihnen einen interessanten, aber nicht ganz unkomplizierten Handel vorschlagen. Die Berliner Minister empfingen ihre Gäste mit großem Bahnhof, und sie hatten, in Anbetracht der Wichtigkeit, gleich ihre Ressortexperten einbestellt: Levin Holle (Leiter der Finanzmarktpolitik), Michael Sell (Leiter der Steuerabteilung), Thomas Westphal (Leiter der Abteilung Europapolitik) und Ludger Schlief, seines Zeichens Wirtschaftsberater und Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Société Générale würde die Commerzbank gerne übernehmen, erklärte Oudéa ohne Umschweife, und er wollte nun in Erfahrung bringen, ob die „Messieurs les Ministres“ sich denn eine französisch-deutsche Bankenliaison vorstellen könnten. Dass die Franzosen in Berlin und nicht bei der Commerzbank selbst in der Finanzkapitale Frankfurt vorsprachen, hatte einen einfachen Grund: Abgesehen davon, dass eine grenzüberschreitende Bankenübernahme stets ein Politikum darstellt, ist der Bund darüber hinaus auch noch selbst mit 17 Prozent nicht nur der größte, sondern auch der alles bestimmende Aktionär der Commerzbank. Über die Geschicke des Geldhauses entscheidet der dortige Aufsichtsrat nur der Form nach, das eigentliche Machtzentrum des Instituts liegt in Berlin. Ende Mai machte schon der nächste Finanzemissär 23 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 1D Commerzbank Deutschland Vorstandsvorsitze nder: Martin Blessi ng Bilanzsumme: 550 Mrd. Euro Börsenwert: 13,4 Mrd. Euro Gewinn: 0,078 Mrd. Euro Anzahl Mitarbeit er: 53.000 Geschäftsmodell : Universalbank mi t Schwerpunkt Priva tkundengeschäft und Mittelstand seine Aufwartung: Diesmal war es Thomas Uher (48), Sprecher des Vorstands der Ersten Bank in Wien. Der Jurist gilt als Anwärter auf den Chefposten der Muttergesellschaft Erste Group Bank, die der Wiener Bankier Andreas Treichl (61) geformt hat. Auch Uher wollte wissen, was der deutsche Staat mit seinem Commerzbank-Anteil plane. Er und sein Chef Treichl jedenfalls könnten sich ein Bündnis mit den Deutschen gut vorstellen. Doch nicht genug mit Oudéa und Uher, auch Emilio Botín (79) und Javier Marín Romano (48), der Aufsichtsrats- beziehungsweise Vorstandschef des Banco Santander, zeigen Appetit: Das Führungsduo des zweitwertvollsten Geldhauses Europas (Börsenwert: 84,5 Milliarden Euro) ließ einen früheren McKinsey-Berater in Frankfurt sondieren, ob die Commerzbank nicht unter dem Dach der Santander-Gruppe Schutz und Zuflucht suchen wolle. G Gewiss, Offerten für die Commerzbank hat es immer wieder gegeben. Doch diesmal ist das Interesse ernsthafter Natur. Auch deshalb, weil in Berlin zurzeit über die Zukunft des teilverstaatlichten Geldhauses intensiv beratschlagt wird. Die Rahmenbedingungen für einen Ausstieg des Bundes sind nicht ungünstig. Vorstandschef Martin Blessing (50), Spross einer deutschen Bankiersdynastie, hat das von seinem Vorgänger und amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus-Peter Müller (69) heruntergewirtschaftete Institut durch eine beispiellose Schrumpfkur und schier unaufhörliche Sanierungsmaßnahmen inzwischen halbwegs stabilisieren können, nicht zuletzt dank vieler Hilfsmilliarden aus der Staatskasse. Doch Blessing weiß auch, dass die Dauersanierung der Bank keine sichere Zukunft bietet. Eine Wachstumsstrategie ist mit seinem Vorgehen nicht verbunden, eine unternehmerische Perspektive eröffnet sich nicht – es sei denn, die Commerzbank lehnt sich an einen starken, gut situierten Partner an. Auch diese Möglichkeit haben Blessing und seine Vorstandskollegen verschiedene Male durchgespielt. 24 13 Milliarden Euro ist die Commerzbank an der Börse wert. Wer sie komplett übernehmen will, muss aber noch ein paar Milliarden drauflegen. Kann Société Générale, Banco Santander oder Erster Bank gelingen, was dem Commerzbank-Primus in jahrelanger Kärrnerarbeit nicht gelungen ist? Vor allem: Ist die Bundesregierung tatsächlich bereit, sich von ihrem Aktienpaket zu trennen? Im Herbst 2013 wäre es fast so weit gewesen: Axel Weber (57), Verwaltungsratspräsident der Zürcher Großbank UBS und ein Duzfreund Martin Blessings, sowie Roland Koch (56), Vorstandschef des Baukonzerns Bilfinger und Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen UBS-Dependance, hatten sich für einen Zusammenschluss mit den Schweizern ins Zeug gelegt. Der Plan besaß durchaus Charme: Der Staat sollte seine Commerzbank-Beteiligung gegen eine Teilhabe an der dann neugestalteten UBS tauschen. Im Gegenzug hätte Berlin vom ersten Jahr an eine Dividende aus dieser Beteiligung kassieren können. Die Commerzbank selbst hatte ihren Aktionären zum letzten Mal im Jahr 2008 Geld ausgeschüttet. Die Unterhändler hatten selbst daran gedacht, wie man mit der sogenannten Bad Bank der Frankfurter verfahren wollte, einem rund 100 Milliarden Euro umfassenden Bündel notleidender Beteiligungen und fauler Engagements von Schiffen bis Immobilien: Die UBS wollte sie an Fonds weiterreichen. Eine elegante Lösung. Ende vergangenen Jahres jedoch brachen die Schweizer die Gespräche wieder ab. Sergio Ermotti (54), Vorstandsvorsitzender der UBS, will sein Institut zum weltweit tätigen Vermögensverwalter ausund umbauen. Eine Übernahme der Commerzbank fand in seiner Strategie keinen Platz mehr. Bei den neuen Übernahme-Interessenten ist dies freilich anders: Sowohl für die Société Générale, Banco Santander als auch Erste Bank würde die Commerzbank mit ihren Hauptgeschäften im Privatkunden- und mittelständischen Firmengeschäft eine vielleicht nicht ideale, aber doch optimale Ergänzung darstellen. Außerdem haben die Kavaliere ein Auge auf die Milliarden-Einlagen der Commerzbank-Kunden geworfen, die in Zeiten unsicherer Finanzmärkte ein guter Sicherheitspuffer sind. Und: Wenn eines Tages eine Bankenkrise doch wieder aufflackerte, dann JUNI 2014 1A COMMERZBANK Société Générale Frankreich Die Angst vor dem nächsten Schadensfall r: Frédéric Oudéa Vorstandsvorsitzende 1,235 Bill. Euro Bilanzsumme: 5 Mrd. Euro 34, Börsenwert: 2,175 Mrd. Euro Gewinn: 148.000 Anzahl Mitarbeiter: rsalbank mit Geschäftsmodell: Unive ing ank ntb me est starkem Inv gute Ergänzung in Fit zur Commerzbank: stünde mit derr BundesregieFirmengeschäft allen Feldern, vor allem im rung „der bestee Retter bereit,, den man finden n kann“, sagt ein mit den Gesprächen vertrauter Polit-Profi. Auch für die finanziellen Voraussetzungen eines Verkaufs gilt: wenn nicht jetzt, wann dann? Zwar hat die Commerzbank-Aktie ihr Zwischenhoch von über 14 Euro Anfang April nicht lange halten können, sie hing bei Redaktionsschluss knapp unter zwölf Euro. Um die ganze Bank übernehmen zu können, müsste ein Käufer über den Börsenwert von derzeit gut 13 Milliarden Euro hinaus noch eine Prämie bezahlen. Andernfalls würde Schäuble seine Zustimmung zum Verkauf verweigern. Aber selbst unter diesen Bedingungen, inklusive eines Zuschlags, würde die Commerzbank nicht einmal zwei Drittel ihres Buchwerts kosten. Mit anderen Worten: Ein Käufer käme billig an das Vermögen der Bank. Viel länger zu warten lohnt sich nicht. Dass der Bund seinen Anteil auf absehbare Zeit zu einem höheren Preis losschlagen könnte, glauben nur die kühnsten Optimisten. Zumal Blessing in Berlin viel Vertrauen („Wir machen die Commerzbank zur führenden Privat- und Firmenkundenbank in Deutschland“) verspielt hat. Über seine Ankündigung, 2012 vier Milliarden Euro Gewinn zu erwirtschaften, schütteln heute noch viele den Kopf. Fotos: ullstein bild - Reuters, Getty Images V Vielleicht wollte Blessing mit seinen Weissagungen damals aber auch nur die Stimmung unter den Mitarbeitern aufhellen. Seine aufs Radikalste betriebene Schrumpfpolitik hat Gemüter und Geschäft gleichermaßen strapaziert: Um Abschreibungen auf notleidende Engagements finanzieren zu können, musste er werthaltige Geschäfte verkaufen. Doch damit geriet er in eine Abwärtsspirale ständiger Ertragseinbußen und anschließender Kostensenkungsprogramme: „Nur wenn es gut läuft“, sagt Dirk Becker vom Analysten-Haus Kepler Capital Markets, „sind die Kosteneinsparungen größer als die Erträge, die dadurch wegbrechen.“ Doch es läuft nicht gut. Blessing schaffte es zwar, die Kosten von zehn auf sieben Milliarden Euro zu senken, JUNI 2014 Verstöße gegen das Iran-Embargo der Amerikaner können für die Commerzbank teuer werden. ngelöste Probleme aus der Zeit seines Vorgängers Klaus-Peter Müller verderben Commerzbank-Chef Martin Blessing regelmäßig die Zahlenwerke. Seit inzwischen bald vier Jahren ermitteln die New Yorker Staatsanwaltschaft und andere US-Behörden wegen möglicher Verstöße gegen das Iran-Embargo; etliche Institute in Europa sind ins Visier der Amerikaner geraten, darunter auch die Commerzbank. Anwälte im Auftrag des Frankfurter Geldhauses arbeiten ernst und angestrengt an einem Vergleich. Doch der wird womöglich deutlich teurer als von Blessing kalkuliert. Etwas mehr als 300 Millionen Euro hat die Commerzbank für den Schadensfall zurückgelegt, scheibchenweise Monat für Monat mühsam angespart. Dieser Betrag, lautete die ursprüngliche Hoffnung, sollte unbedingt ausreichen. Blessings Vorsorgeexperten, für ihre Risikoscheu im Bankengeschäft bekannt, orientierten sich dabei an den Fällen Royal Bank of Scotland und Standard Chartered Bank. Die hatten 270 beziehungsweise 340 Millionen Dollar an die Amerikaner überweisen müssen, um ihre leidigen Probleme zu lösen. Doch das ist schon ein paar Jahre her. Inzwischen sind die amerikanischen Strafverfolger ungeduldiger und lassen sich einen Vergleich teuer bezahlen. Der französischen BNP Paribas droht jetzt ein Bußgeld von ausgesprochen schmerzhaften fünf Milliarden Dollar, fast vier Milliarden mehr als erwartet. Viel Hoffnung, deutlich billiger davonzukommen, haben die Pariser nicht. Denn selbst vor der Drohung, dem Institut die Betriebserlaubnis für den US-Markt zu entziehen, schrecken die amerikanischen Behörden nicht zurück. Doch einen Rückzug vom immer noch wichtigsten Kapitalmarkt der Welt kann sich kein Geldhaus von Rang und Namen leisten. Kein Wunder, dass in der Commerzbank-Zentrale am Frankfurter Kaiserplatz große Sorge herrscht: Wenn die Amerikaner ähnlich hart handeln wie im Fall BNP Paribas, könnten unter Umständen eine Milliarde Dollar fällig werden. Eine solche Belastung würde mühsam erzielte Sanierungserfolge gefährden. Etliche Commerzbanker ärgern sich vor allem darüber, dass der Schadensfall durchaus vermeidbar gewesen wäre. Sie erinnern sich noch gut daran, im Jahr des Embargo-Erlasses den damaligen Institutsleiter Klaus-Peter Müller auf die Gefahren des Iran-Geschäfts hingewiesen zu haben. Der allerdings habe alle Warnungen in den Wind geschlagen. Das Embargo sei ihm egal, habe er geantwortet, er müsse deutsche Unternehmen begleiten. U 25 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 1B der Gewinn im vergangenen Jahr von 78 Millionen Euro hatte jedoch kaum noch diesen Namen verdient. Eine nachhaltige Besserung steht nicht zu erwarten. Im Gegenteil, solange die Zinsen niedrig sind, verdient die Commerzbank selbst im neu ausgerichteten Massengeschäft kaum Geld. Zehn Prozent der Privatkunden tragen rund 90 Prozent der Kosten des Filialnetzes. Mit den meisten Kunden ist kein Geld zu verdienen, zumal die Zweigstellen ihren Betreuungsansatz geändert und sich hauptsächlich auf Beratung verlegt haben. Ärgerlicher Nebeneffekt: Kunden informieren sich bei der Commerzbank, kaufen Anlageprodukte aber bei der billigeren Konkurrenz. Obendrein können weitere ungelöste Probleme die Commerzbank-Bilanz in Mitleidenschaft ziehen: Amerikanische Behörden ermitteln gegen die Bank wegen diverser Verstöße gegen das Iran-Embargo. Anwälte verhandeln bereits über einen Vergleich. Dieser könnte das Geldhaus eine Milliarde Dollar oder mehr kosten (siehe Seite 25). Und dass die Commerzbank den laufenden Stresstest der Europäischen Zentralbank heil übersteht und sich kein neues Eigenkapital beschaffen muss, ist auch nicht sicher. 26 r Banco Santande Spanien Botín rsitzender: Emilio Aufsichtsratsvo 1,116 Bill. Euro Bilanzsumme: 84,5 Mrd. Euro Börsenwert: 4,4 Mrd. Euro Gewinn: 183.000 ter: Anzahl Mitarbei it l: Universalbank m Geschäftsmodel äft ch es ng de un tk Schwerpunkt Priva zbank: äft Fit zur Commer Privatkundengesch im g un nz gä Er te gu Berenberg-Analyst Nick Anderson hat die Aktie der Commerzbank folgerichtig zum Verkauf empfohlen: Die Kapitalausstattung sei zu schwach, die Ertragsperspektive aufgrund der Niedrigzins-Phase dürftig. Die Kosten-Ertrags-Relation, die angibt, wie viel Gewinn von einem verdienten Euro übrig bleibt, liegt seit Jahren trotz aller Sanierungsbemühungen bei über 70 Prozent und damit um zehn Prozentpunkte schlechter als bei den meisten Konkurrenten. Andersons Fazit: „Das Management muss noch härter ran, wie schwierig das auch sein mag.“ Geschäftspartner Wenn Blessing seine Pläne vortanzt, beschlagen Finanzminister Wolfgang Schäuble die Brillengläser. B Blessing hat die Bank in einen Teufelskreis manövriert, aus dem sie aus eigener Kraft kaum ausbrechen kann. Sein Drei-Fronten-Kampf gegen niedrige Zinsen, Einmischungen aus Berlin und die milliardenschweren Altlasten ist kaum zu gewinnen. Die Anlehnung an ein finanzstarkes internationales Institut erscheint nicht wenigen als die vernünftigere Alternative. Regelmäßig und zuletzt immer intensiver, auch bei Vorstandsklausuren im Taunus, diskutiert Blessing mit seinen Kollegen alle denkbaren Übernahme- und Fusionsszenarien: Wer will uns kaufen? Welche Bank passt zu uns? Gibt es vielleicht einen sogenannten Weißen Ritter, der uns notfalls vor einer feindlichen Übernahme schützt? Bisher nannte die Vorstandsrunde immer wieder denselben Wunschpartner: die Erste Group Bank in Wien. Mit einer kombinierten Bilanzsumme von rund 750 Milliarden Euro gelänge dem zusammengeschlossenen Institut zwar nicht der Vorstoß in die Nähe der Tabellenspitze der Banken-Liga. Aus Sicht von Blessing ist die Präferenz für die Wiener allerdings verständlich. Er schätzt Erste-Primus Treichl und hat ihn schon mehrfach getroffen. Die beiden Männer verstehen sich. Die Commerzbank könnte bei einem Bündnis mit den Österreichern am ehesten ihre Kultur und Identität sichern – und die Vorstände ihre Posten. JUNI 2014 1C Erste Group COMMERZBANK Österreich Fotos: Getty Images, Erste Bank, Santander, picture-alliance / dpa Vorstandsvorsit zender: Andrea s Treichl Bilanzsumme: 200 Mrd. Euro Börsenwert: 10 Mrd. Euro Gewinn: 0,061 Mrd. Euro Anzahl Mitarbei ter: 46.000 Geschäftsmod ell: Universalban k mit Schwerpunkt Priva tkundengeschäft Fit zur Commer zbank: ku Fraglich ist jedoch, lturell gute, ob die Erste Bank geschäftlich mäß ige Ergänzung reich genug ist, um den Bundesanteil und anschließend die Mehrheit der Commerzbank-Aktien zu kaufen. Auch die Wiener, eine Stiftung österreichischen Rechts, schleppen noch etliche Altlasten aus osteuropäischen Geschäften mit sich herum. An ihrer Finanzkraft hegt man in der Branche einige Zweifel. Die Interessenten aus Frankreich und Spanien sind da schon von anderem Kaliber: Der Banco Santander, eine wirtschaftlich kerngesunde Privatkundenbank mit mehr als 100 Millionen Kunden und einem dicht geknüpften Filialnetz in Spanien, Großbritannien und Brasilien, ist in Deutschland, dem größten europäischen Markt, zwar mit Zweigstellen vertreten, aber bei Weitem nicht in ausreichender Anzahl. Die Commerzbank mit ihren fast 15 Millionen Privatkunden wäre die richtige Ergänzung. Auch bei der Partneranalyse der Commerzbank-Vorstände schnitt der spanische Kraftprotz passabel ab, nicht zuletzt, weil er den Landesgesellschaften Freiheiten lässt – zumindest, sofern die Zahlen stimmen. Am besten aber, und dies ahnen alle Beteiligten, würde die Société Générale passen: Die Pariser Universalbank mit ihrer kraftvollen Investmentban- Turmhoher king-Abteilung könnte beträchtliche Wirkungen im Favorit Die Firmenkundengeschäft entfalten. Motto: Die Com- Zentrale der Société Générale merzbank verfügt über die Kundschaft, die Société am Boulevard Générale über die passenden Produkte. Haussmann in Sorgen bereitet den Commerzbankern allerdings Paris. noch der einer strengen Rangordnung gehorchende, zentralistische Führungsstil der französischen Wirtschaftselite, an deren Spitze stets der sogenannte Président Directeur Général thront, der von Mitbestimmung so viel hält wie Ludwig XIV. Die Befürchtung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass eine „Banque du Commerce“ sehr bald zum Filialbetrieb der Franzosen erniedrigt würde. Dennoch sagte diese möglicherweise schmerzhafte Lösung Blessing & Co. aber immer noch mehr zu als eine Verbindung mit der Deutschen Bank, die als „Schreckensszenario“ gilt. Wenn der hiesige Branchenführer zum Zuge und zum Zugriff käme, dann würde von der Commerzbank bald nur noch die ErJUNI 2014 inn innerung an sie übrig bleiben. Nein, eine Verbindung mit der Deutschen Bank zieht Blessing nicht ernsthaft mi in Erwägung. Wobei ein Zusammenschluss der größten mit der zweitgrößten Bank ohnehin in Berlin keine Zustimmung bekäme. kei E Eine deutsch-französische Lösung dagegen erscheint sowohl im Kanzleramt als auch im Elysée-Palast als bedenkenswert und förderungsfähig. Zumal die Société Générale eine jener Bedingungen bereitwillig erfüllen würde, die in Berlin immer wieder als Voraussetzung für einen Verkauf gestellt wird: Das Firmengeschäft mit den deutschen Mittelständlern darf nicht angetastet werden. Bundeskanzlerin Merkel liegt das Thema am Herzen, nicht zuletzt, weil sie weiteren Ärger mit der notorisch unzufriedenen Mittelstandsvereinigung ihrer Partei vermeiden will. Aber ist Merkel bereit, die Commerzbank in ausländische Hände zu geben? Dies ist auch eine Frage des Kaufpreises. Die französische Delegation kam aus Berlin mit dem Eindruck zurück, die Deutschen seien durchaus bereit, sich von ihrer Teilhabe an der Commerzbank zu trennen, zumal ein Staat nicht der ideale Eigentümer einer Bank sei. Der Wille, die Beteiligung zu verkaufen, steht indes im Widerstreit mit der Furcht, ein Verlustgeschäft zu machen. Bei rund 22 Euro notierte die Commerzbank-Aktie, als der Bund 2009 eingestiegen war. Heute ist der Anteil – trotz guter Konjunktur und blühender Börse – nur noch etwa die Hälfte wert. Einen Verkauf zum Schleuderpreis lehnt Berlin ab, auch aus Sorge vor schlechter Kritik in der Presse. „Wir wollen die Schlagzeile nicht lesen: ,Erst rettet der deutsche Steuerzahler Europas Südländer, dann verschleudert die Bundeskanzlerin eine vom deutschen Steuerzahler gerettete Bank‘“, sagt ein Kanzlerberater. Also müssen die Interessenten nachlegen. Bis zum Herbst, wenn der Stresstest beendet ist, wollen die Beteiligten zu einem Ergebnis kommen. Ein Preis von 18 Euro pro Aktie gilt im Kanzleramt als rote Linie. Keine unüberwindliche Hürde für Frédéric Oudéa, der ein paneuropäisches Powerhaus bauen will. ARNO BALZER, WINFRIED WILHELM 27 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE DER MANN, DER NICHT ERSTER WERDEN KONNTE Ausgerechnet im Jahr der FußballWeltmeisterschaft steckt Adidas in einer Formkrise: Der Umsatz sinkt, die Aktionäre maulen, der Abstand zum Marktführer Nike wächst. Aber Vorstandschef Herbert Hainer zeigt sich austrainiert und kampfbereit: Bis Silvester soll sein Betrieb um acht Prozent zulegen: „Und das werden wir auch schaffen.“ Herr Hainer, wann reisen Sie zur WM nach Brasilien? Am 9. Juni, für neun Tage. Dann geht’s wieder zurück, und dann fliege ich noch mal zu den Halbfinal- und Finalspielen. Nehmen Sie Ihre Frau mit? Nein, ich hab’ dort ja auch gar keine Zeit für sie. Ich renn’ von einem Termin zum nächsten. Außerdem waren wir vor zwei Jahren im Urlaub in Brasilien, daher sagt meine Frau jetzt: Das kenn’ ich schon. Nein, ich fliege mit meinen Mitarbeitern. Sie haben neun Nationalmannschaften unter Vertrag, Ihr Erzwidersacher Nike deren zehn: 28 JUNI 2014 INTERVIEW Natürlich tut uns der starke Euro weh. Wenn die Währungen so abschmieren wie in den letzten Monaten, dann ist das ein Problem.“ größte WM-Kampagne aller Zeiten fahren, vor allem digital. Keine Marke wird sichtbarer sein als Adidas. Aber Nike rüstet Brasilien aus, den Favoriten. Wir haben Spanien, Argentinien, Deutschland. Die Nike-Leute sagen, dass das Fußballgeschäft entscheidend für ihre Strategie sei, aber wir haben auch gehört, dass Sie Fragen zu Nike ziemlich langweilig finden. Ja, aber fragen Sie ruhig. Foto: Daniel Karmann Gleich. Zunächst einmal: Sie sind der erfolgreichste Adidas-Chef aller Zeiten. Ausgerechnet im WM-Jahr, das ein Höhepunkt Ihrer Karriere sein sollte, zeigt Adidas Schwächen: 2013 schrumpften die Einnahmen um knapp drei, im ersten Quartal 2014 sogar um sechs Prozent. Was ist das: ein Formtief oder schon eine -krise? Das erste Quartal war schwach. Das stimmt. Der starke Euro und die damit verbundene Schwäche der Währungen in fast allen Schwellenländern ist ein Problem. Aber ab jetzt werden wir in jedem Quartal besser abschneiden und bis Ende 2014 um sieben bis neun Prozent wachsen. Währungsbereinigt. Es macht keinen guten Eindruck, wenn der Weltmarktführer im Fußballgeschäft schon vorm Anpfiff des ersten Spiels verloren hat. a) K ommt’s nicht auf die Menge, sondern auf die Qualität an, und b) hatten wir 2006 bei der WM in Deutschland sogar nur sechs Verbände im Turnier, und die WM war für uns außerordentlich erfolgreich. Also, die Quantität spielt keine Rolle. Am Ende des Tages muss man sehen, wie viele Teams die Vorrunde überstehen und ins Halbfinale oder ins Finale kommen. Außerdem haben wir durch unsere Partnerschaft mit der FIFA alle Ballkinder, alle Stewards, alle Schiedsrichter in Adidas. Wir sind auf den Banden im Stadion zu sehen, und wir stellen den offiziellen Spielball. Wir werden die JUNI 2014 „Mal gewinnen wir, mal die anderen“ Der AdidasStratege Herbert Hainer (59) hat sich in seiner 13-jährigen Amtszeit eine gewisse Lässigkeit angeeignet. Unter einem starken Euro leiden alle Exporteure. Der Adidas-Umsatz hat jedoch selbst währungsbereinigt nur Vorjahreshöhe erreicht. Vergessen Sie jetzt mal das erste Quartal: Wir werden definitiv ein deutlich besseres zweites Quartal sehen, auch dank der WM. Natürlich tut uns der starke Euro weh, denn wir machen über zwei Drittel unseres Umsatzes außerhalb des Euro-Raumes. Wenn die Währungen so abschmieren wie in den letzten Monaten, dann ist das ein Problem. Aber gut. Weiter. Es ist fahrlässig und leichtsinnig, auf stabile Wechselkurse zu setzen. Musste man wirklich überrascht sein vom starken Euro? Das ist so ja nicht ganz richtig. Wir sind nicht von stabilen Wechselkursen ausgegangen. Aber wir müssen irgendwann ein Budget festlegen auf Basis gegebener Wechselkurse. Wir weisen unsere Zahlen immer absolut und dann währungsneutral aus. Währungsneutral heißt: Wie ist die operative Per- 29 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE formance? Daran messen wir unsere Manager, und daran messen uns auch die Finanzmärkte. Im Moment ist es leider so, dass die meisten Währungen gegenüber dem Euro an Wert verloren haben. Das war auch schon anders: 2009 war der Euro schwach. Damals haben wir einen Vorteil gehabt. Sie haben das Ergebnis allerdings nicht mit dem vorteilhaften Wechselkurs erklärt. Doch. Wir weisen unsere Zahlen immer währungsneutral aus. Und wir sind nicht die Einzigen, das machen fast alle. Sie glauben, den letztjährigen Rekordüberschuss von 839 Millionen Euro noch übertreffen zu können? Ja, wir wollen immer zulegen. Diesmal ist die Bandbreite unserer Prognose aber wegen der Währungsunsicherheiten größer als üblich und liegt bei 830 bis 930 Millionen Euro. 2010 haben Sie für Ende nächsten Jahres einen Umsatz von 17 Milliarden Euro vorhergesagt. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Adidas zweimal um mindestens acht Prozent zulegen. Das werden wir auch schaffen – währungsneutral jedenfalls. Um Nike zu entthronen, müssten wir in Amerika zu viel Geld in die Hand nehmen und woanders abziehen. Größe allein ist nicht entscheidend.“ Währungsneutral lässt sich nur theoretisch wirtschaften. Praktisch fehlt am Ende Geld in der Kasse. Noch mal: Wir werden in diesem Jahr währungsneutral zwischen 1 und 1,2 Milliarden Euro wach- Staubwolke am Horizont Nike galoppiert Adidas davon. in Mrd. Euro 20 Umsatz Adidas Nike 15 5 Gewinn Adidas Nike 1 0 2000 2003 2006 2009 Quelle: Geschäftsberichte, Statista.com, BILANZ-Recherche, Medienberichte 30 Wenn der Euro so stark bleibt ... ... könnte es mit den 17 Milliarden Euro Umsatz als absolute Zahl länger dauern als ursprünglich gedacht. Vor allem auf dem weltgrößten Sportartikelmarkt, in den USA, scheinen Ihre Leute geschlafen zu haben: Im ersten Quartal krachten die Einnahmen um 23,5 Prozent zu Boden. Sogar um Währungseffekte bereinigt, blieben die Erlöse um 20 Prozent hinterm Vorjahr zurück. Der Reebok-Umsatz zog sich zusammen, auch die Kernmarke Adidas wirkt anfällig und kraftlos. Sie dürfen nicht den Fehler machen, immer nur ein Quartal herauszugreifen. Sie werden sehen: Wir werden 2014 in Amerika von Quartal zu Quartal besser. Reebok wird weltweit im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen. Aber Sie haben recht: Amerika ist der Markt, wo wir sicherlich vor den größten Herausforderungen stehen. Wir sind dort zwar in den vergangenen vier Jahren immer gewachsen, aber eben nicht so stark wie unsere Haupt-Wettbewerber. Das erste Quartal war nicht befriedigend, das ist überhaupt keine Frage, aber vergessen Sie nicht: 2013 war mit einem Nettoergebnis von 839 Millionen nach Steuern das erfolgreichste Jahr unserer Firmengeschichte. Es wird immer gesagt, unser Wettbewerber mache alles so supertoll. Aber vielleicht wird das auch nur gesagt, damit ich mich ein bisschen ärgere. Kann man Sie denn damit ärgern? Ich hab’ mir mal die Aktienkursentwicklung der vergangenen fünf Jahre angeguckt. Der Dax ist um 97 Prozent gestiegen, Nike um 165 Prozent und wir um 194 Prozent. Und das ist doch, was ein Investor sucht: ein langfristiges sicheres Investment. 10 2 sen – und davon voraussichtlich dann wieder einen Großteil durch die Währungsverluste verlieren. 2013 Manche Aktionäre suchen mehr als das, nämlich dass Adidas Nike zeigt, was eine Harke ist: Union Investment stimmte auf der Hauptversammlung im Mai gegen Ihre Entlastung. Man habe das Vertrauen in Ihre Künste verloren. JUNI 2014 INTERVIEW wir werden weitere junge Manager in hohe Verantwortung bringen. Der Geschäftsführer von Korea, Zion Armstrong, ein Neuseeländer, wird Markenchef in Amerika, und so werden wir Zug um Zug die nächste Generation in Stellung bringen. Wir bekamen auf der Hauptversammlung eine Entlastung von 96 Prozent. Recht viel mehr geht nicht. Am Tag der HV ist unser Kurs um fast zwei Prozent gestiegen. Da ist unheimlich viel Vertrauen da. Schlecht laufen die Geschäfte Ihres kalifornischen Golf-Ausrüsters Taylor Made: Der Umsatz fiel 2013 um 38 Prozent auf 264 Millionen Euro zusammen. Wer muss seinen Kopf dafür hinhalten? Lassen Sie mich dazu Folgendes sagen: Mark King, der Taylor Made verantwortete, hat das Unternehmen innerhalb von nur zehn Jahren zum Weltmarktführer gemacht. Derzeit befindet sich der ganze Golfmarkt in Schwierigkeiten, 2013 sind in Amerika zehn Prozent weniger Runden gespielt worden als im Jahr zuvor. Und das drückt natürlich auf den Konsum: Es werden keine Bälle verschossen, keine Schläger kaputt gemacht und, und, und. In den ersten drei Monaten 2014 waren es wieder fünf Prozent weniger. Fotos: Daniel Karmann, picture alliance / ZUMAPRESS.com Woran liegt das? Vor allem am Wetter. Die ganze Ostküste war ja zugefroren, es war wie im Eiskeller die ersten drei Monate. In diesem Jahr war es selbst in Florida eiskalt. Und weil der Markt zwei Jahre hintereinander nicht wuchs, ist zu viel Ware im Markt. Wir gehen davon aus, dass wir am Jahresende ein leicht einstelliges Minus haben. Der Markt wird die nächsten neun, zwölf Monate schwierig bleiben. Sie selbst waren viele Jahre für den US-Markt verantwortlich. Im April haben Sie den Job an Ihren neuen Vertriebsvorstand Roland Auschel abgegeben. Kann er das besser als Sie? Oh ja, ich hoffe sehr, dass Roland erfolgreich ist. Aber wie ich Ihnen gerade aufgezeigt habe, ist es für uns die vergangenen Jahre in Amerika gar nicht so schlecht gelaufen. Bei der Profitabilität haben wir sogar deutlich zugelegt. Abgesehen davon: Wir wollen unseren jungen Managern mehr Verantwortung geben. Die nächste Führungsriege für das Unternehmen heranzuziehen ist eine meiner Hauptaufgaben in den nächsten drei Jahren. Neben Roland Auschel haben wir mit dem Amerikaner Eric Liedtke auch einen neuen Markenvorstand, und JUNI 2014 „Erstmals im Battle Pack“ Wenigstens im ChampionsLeague-Finale siegte Adidas. Hainer-Mann Gareth Bale jagt hier in seinen neuen Schuhen um einige Atlético-Vertreter herum, die sich von Nike ausstatten lassen. Skizzieren Sie uns Ihre neue US-Strategie. Wir müssen unser Angebot insgesamt sicherlich besser an den amerikanischen Markt anpassen. Wir wollen die High-School-Kids begeistern. Sie haben die New Yorker Investmentberatung Guggenheim Partners beauftragt, Ihre US-Schuhmarke Rockport zu verkaufen. Rockport wächst und ist profitabel, aber kein strategisch wichtiges Asset. Wir haben die Marke beim Reebok-Kauf mitbekommen. In den vergangenen sechs Monaten gingen unheimlich viele Anfragen ein, nicht nur von Private-Equity-Firmen. Deshalb haben wir Guggenheim eingeschaltet. Die sortieren jetzt die Angebote. Im August wissen wir mehr. Wenn die Angebote stimmen, verkaufen wir. Sonst nicht. Nicht nur in Nordamerika, auch in Europa sank der Adidas-Umsatz 2013, als hätte jemand den Stöpsel aus der Wanne gezogen: um sieben Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. Ihr Rivale Nike konnte sich im selben Jahr um 17 Prozent entfalten. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen in der ganzen Welt. Mal gewinnen wir, mal die anderen. Vor vier Wochen haben wir die Marktführerschaft in Südkorea übernommen. Wir sind Marktführer in Japan und Russland, wir wachsen schneller in China und Lateinamerika. Aber eben nicht daheim in Europa. Richtig, unser Wettbewerber greift uns in Europa an, wir ihn im Rest der Welt. So wird es weitergehen. Wir schaukeln uns beide hoch, und ich bin der festen Überzeugung, dass es gut für beide Unternehmen ist. Konkurrenz belebt das Geschäft. Und Sie haben weiter genügend Stoff für Geschichten. Händler berichten, dass Nike sogar in Deutschland inzwischen mehr Fußballschuhe verkauft als Adidas. Die Händler sehen Nike, die Konsumenten sehen Adidas vorne. Ich denke, wir liegen gleichauf und kommen gemeinsam auf 95 Prozent Marktanteil. Nike hat den neuen Fußballschuh Magista, den man wie einen Strumpf über den Fuß zieht, rechtzeitig zur WM in die Läden gebracht. Adidas’ Primeknit FS ist eine Studie geblieben. Haben Ihre Leute getrödelt? Wir werden weiter am Primeknit FS arbeiten. Denn wir glauben, dass wir ihn noch besser ma- 31 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Ihr Traum, Nike noch in Ihrer Amtszeit zu überholen, ist jedenfalls geplatzt. Dass das mein Traum sei, wird mir ständig unterstellt. Ich habe das nie behauptet. Wir wollen das führende Sportartikelunternehmen der Welt sein. Führend heißt nicht größtes. Unter Sportsfreunden schon. Um Nike zu entthronen, müssten wir zu viel Geld in Amerika in die Hand nehmen und woanders abziehen. Wir wollen die innovativsten und besten Produkte anbieten und unseren Händlern den besten Service. Größe ist nicht entscheidend, sonst würden die Dinosaurier noch leben, und die Ameisen wären alle tot. Sie haben den Vorstand etwas verjüngt, aber das starke Geschlecht ist dort nicht vertreten: Werden Frauen bei Adidas nichts oder nur älter? 28 Prozent unserer Führungskräfte sind Frauen. Unser Ziel ist es, bis 2015 auf 32 Prozent zu kommen. Damit wären wir führend in Deutschland. Zudem haben wir nun vier Frauen im Aufsichtsrat. Viel wichtiger als irgendeine Quote ist es aber, dass wir die richtigen Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen. Da sind wir mit unserer brandneuen Kita für 110 Kinder einen Riesenschritt vorangekommen. Sie sind der am längsten amtierende Chef eines Dax-Konzerns: Im März haben Sie Ihren Vertrag bis 2017 verlängert. Insgesamt 16 Jahre gehen dann aber schon an die Substanz, oder? Es ist eine kraftzehrende Aufgabe. Aber ich bin hier von so viel jungen Menschen umgeben, das hält mich geistig jung. Aber, wenn ich das mal so sagen darf: Ich sehe ja auch nicht so aus, als würde ich morgen in die Kiste springen. Ich laufe, gehe 32 Herbert Hainer Seit 2001 steht der Metzgersohn aus Dingolfing an der Spitze des zweitgrößten Sportartikelkonzerns der Welt. Hainer schmiedet gern Pläne. Aber sein Plan, den Meister Nike zu stürzen, ist nicht aufgegangen. Dass er sein Ziel bis 2017 (Vertragsende) erreicht, ist nahezu ausgeschlossen. Denn auch die Amis dösen nicht. Aber sagen wir einmal so: Ein Wunder könnte ihm jetzt gut helfen. hier auf dem Campus ins Fitness-Studio. Und ich bleibe ja auch nicht für die Ewigkeit da. 2017 ist wirklich Schluss. Keine Sorge. Sie gehören den Aufsichtsräten der Lufthansa, der Allianz Deutschland und des FC Bayern München an, dessen Gremium Sie als Nachfolger von Uli Hoeneß leiten. Haben die Bayern zu lange an Hoeneß festgehalten? Ganz und gar nicht. Der Aufsichtsrat ist laut Statuten ja dem Wohlergehen der FC Bayern München AG verpflichtet, und der Aufsichtsrat war einhellig der Meinung, Uli Hoeneß im Amt zu lassen, solange er nicht verurteilt ist. Das Verhältnis von Adidas zu Hoeneß ist problematisch. Denn die 20 Millionen Mark für seine Finanzwetten hatte ihm Ihr Vorgänger Robert Louis-Dreyfus beschafft. Es war Privatgeld von Louis-Dreyfus. Adidas hatte damit absolut nichts zu tun. Nike wollte damals beim FC Bayern einsteigen und hatte, laut Louis-Dreyfus, sogar „das Zehnfache“ dessen geboten, was Adidas zu zahlen bereit gewesen war. Dennoch bekam Adidas von Hoeneß den Zuschlag. So ganz abwegig ist die Idee nicht, dass Louis-Dreyfus mit seiner Gabe etwas nachgeholfen hat. Das ist Blödsinn. Wir haben den Vorfall intern untersuchen lassen. Ich kann Ihnen sagen: Das Geld kam definitiv nicht von Adidas. Zudem habe ich die Verhandlungen mit dem FC Bayern geleitet, Robert Louis-Dreyfus war bei keinem Meeting dabei. Der VW-Chef Martin Winterkorn, der den VfL Wolfsburg unterhält, sitzt bei Bayern im Aufsichtsrat. Was hielten Sie davon, wenn Björn Gulden von Puma bei Ihnen im Rat säße? Bei Martin Winterkorn ist es sicherlich so, dass er vom FC Bayern für die Entwicklung des VfL Wolfsburg lernen will. Gulden könnte auch von Adidas etwas lernen. Die Situation hier würde ich doch ein bisschen anders einschätzen. Zudem hat Björn Gulden schon in den 90er-Jahren das Handwerk bei uns gelernt. JUNI 2014 Foto: Daniel Karmann chen können, bevor wir ihn einführen. Das Nächste, was wir bringen, ist das Battle Pack: Beim Champions-League-Finale waren unsere Real-Spieler Gareth Bale und Karim Benzema zum ersten Mal im Battle Pack aufgelaufen: mit schwarz-weißen Schuhen und farbigen Streifen. Das war völlig neu und hat viel Aufsehen erregt. RESSORT Prämierte Vermögensverwaltung mit Weitblick: BHF Flexible Allocation FT Setzen Sie bei Ihrer Geldanlage auf eine Vermögensverwaltung, die jederzeit flexibel reagiert. Mit dem Ziel, von steigenden Kursen zu profitieren und Schwankungen verlässlich abzufedern. * TM Mehrfach ausgezeichnet von namhaften unabhängigen Experten: BHF Flexible Allocation FT. Weitere Informationen erhalten Sie unter „www.frankfurt-trust.de“ oder Telefon 069/920 50 200. Aktiv Werte schaf f en. Stand: 1. März 2014. 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GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG DER LETZTE PREUSSE Mit ihren Regeln zur guten Unternehmensführung blamiert sich die deutsche Wirtschaft nach Kräften. Kann Daimler-Pensionär Manfred Gentz dem Ethikrat mehr Einfluss verschaffen? A Auf die Antworten wartet Manfred Gentz (72) noch immer. Gleich nachdem er im vergangenen September den Vorsitz der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex übernommen hatte, war er in Berlin um ein paar Hauptstadttermine vorstellig geworden. Doch seine Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen blieben ohne Antwort. Das gefiel dem ehemaligen Daimler-Vorstand überhaupt nicht. Selbst Justizminister Heiko Maas (47) hatte es erst nach Monaten für notwendig befunden, zum Telefon zu greifen und ihn anzurufen. Dabei ist der SPD-Mann schon von Amts wegen für die Gentz-Riege zuständig. Dass in der Hauptstadt niemand auf den mutmaßlich wichtigsten Seniorenverein in Deutschland reagiert, spricht Bände: Eigentlich sollte die 2001 ins Leben gerufene Kodex-Kommission die Regeln für eine JUNI 2014 sittlich einwandfreie Unternehmensführung festlegen und dergestalt die Politik von Eingriffen ins Wirtschaftsgeschehen abhalten (siehe Seite 37). Doch leider wecken die Honoratioren in Berlin nur allgemeines Desinteresse. Sie müssten wahrscheinlich in rosafarbenen Trikots antreten, um Beachtung zu finden. Das neue Kabinett greift auf munterste Weise mit Gesetzen und Verordnungen aller Art unbefangener denn je in die Unternehmensführung ein. Kodexwächter Gentz ist zwar ein Mann von strammer Haltung und scharfer Denkungsart. Aber auch ein Anhänger des Realismus. Der erfolgreiche Umgang mit Politikern verlangt eine Menge Praxis: „Leider hängt es nicht allein von uns ab, in einen sachlichen Dialog mit der Politik zu treten. Die Politik muss es auch wollen.“ Sein Ausschuss befindet sich in einer Klemme: Unternehmer wollen möglichst wenige Regelungen, Politiker möglichst viele. Darüber hinaus leidet die Kommission noch unter der Arbeit der Gentz-Vorgänger Gerhard Cromme (71), der bis 2008 amtierte, und schließlich Klaus-Peter Müller (69). Der frühere Thyssen-Krupp-Chef Cromme saß gemeinsam mit dem damaligen Allianz-Vorstand Paul Achleitner und dem Sprecher der Deutschen Bank, RolfErnst Breuer, im Gründungsteam der Kommission. Doch die drei hatten sehr private Vorstellungen von dem, was man unter Transparenz versteht: Statt offen und geradeaus, versuchten sie, zum Missfallen der übrigen Kommissionsmitglieder, in einer Art Hinterzimmerpolitik Einfluss auf Vorstände und Aufsichtsräte zu nehmen. Crommes Nachfolger Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, sorgte zwar für mehr Licht und Durchsichtigkeit. Er setzte ein Konsultationsverfahren in Gang und forderte die Manager der deutschen Wirtschaft auf einer Internetseite zu Kritik und Kommentaren sowie Verbesse- Der Gegenspieler Justizminister Heiko Maas hat für Gentz keinen Termin frei. Niemand in der Regierung hört auf den Chef der Kommission. Die Manager haben ihr Renommee verspielt. Der Mann sprüht nicht“, urteilt ein Kollege. Gentz ist bislang nicht als Reformer aufgefallen. 35 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Sind diejenigen geeignet, Regeln zur guten Unternehmensführung aufzustellen, die ihren eigenen Laden nicht im Grifff haben?“ Im Finanzministerium stellt man nicht unberechtigte Fragen. Alles einwandfrei? Neun Dax-Konzerne mit Bestnoten Diese Unternehmen erreichten laut einer Studie der Handelshochschule Leipzig in den vier Disziplinen Transparenz, Vielfalt, Kontrolle und Anreizsysteme die volle Punktzahl: BASF Bayer BMW Deutsche Post Deutsche Telekom Eon Münchner Rückversicherung RWE Thyssen-Krupp Und diese rangieren mit 90,8 Prozent ganz unten im Dax 30: Fresenius Volkswagen 36 rungsvorschlägen auf. Doch je offenkundiger wurde, welch traurige Rolle Müller beim Fehlmanagement der Commerzbank gespielt hatte, desto mehr litt seine Reputation. Am Ende hatte er fast gar keine mehr. Nicht genug damit, dass weder Cromme noch Müller als Vorbilder für gute Unternehmensführung infrage kamen, gelang es ihnen nicht, aus der Kommission, die für sich genommen nur ein vom Dinglichen abgelöstes Gebilde ist oder ein Debattierklub, ein schlagkräftiges Gefüge mit einem athletischen Apparat zu machen. In der 14-köpfigen Runde (Durchschnittsalter: 60 Jahre) sitzen viele Ehemalige, kein einziger Vorstandsvorsitzender eines Dax-30-Konzerns und überhaupt nur ein amtierender Aufsichtsratschef (Börsen-Kontrolleur Joachim Faber). Die Drahtzieher der einstigen Deutschland AG, Männer wie Manfred Schneider (Aufsichtsratschef Linde und RWE) oder Werner Wenning (Aufsichtsratschef Bayer und Eon), schlagen geflissentlich einen Bogen um die Kommission. Nicht alle bedauern dies. Weit folgenreicher ist, dass sich auf den öffentlichen Vergnügungen und Veranstaltungen des Gremiums in den vergangenen Jahren so gut wie keine der führenden Wirtschaftskräfte blicken ließen. Im Gegenteil, die maßgeblichen Aufsichtsräte des Landes steckten ihre Köpfe in der Vergangenheit lieber bei den Geheim-Abendessen zusammen, die der gute alte Cromme mehrmals im Jahr ausgerichtet hatte. Das letzte dieser okkulten Dinner sollte im vergangenen Herbst stattfinden, wurde aber mangels Zusagen gestrichen. Der so unangefochten wie Captain Sunshine verfahrende Cromme und der biedere Banker Müller haben, was die Verringerung des Einflusses der Kommission angeht, jedenfalls ganze Arbeit geleistet. Das lag nicht nur an der falschen Taktik, sondern auch daran, dass Cromme in Berliner Regierungskreisen wegen seiner Ver- antwortung für das Missmanagement und die Korruptionsskandale bei ThyssenKrupp nicht gern gesehen wurde. Müller stieß wegen seiner Tricksereien bei der Commerzbank, wo er als Aufsichtsratsvorsitzender irrlichtert, ebenfalls auf breite Ablehnung: „Wie soll uns jemand in Sachen guter Unternehmensführung beraten, der seit Jahren seinen eigenen Laden nicht in den Griff bekommt“, mosern Beamte im Finanzministerium, das die 17-Prozent-Beteiligung des Bundes an dem Kreditinstitut verwaltet. Als Müller im vergangenen Jahr seinen Abschied vom Ehrenamt des Kommissionsleiters einreichte, aber monatelang mit keinem Nachfolger aufwarten konnte, ging BASF-Chef Kurt Bock (55) sozusagen ein Knopf auf, und er platzte öffentlicherweise mit der Forderung heraus, die Kommission doch gleich ganz aufzulösen. Viele, auch wirkungsreiche Manager, stimmten dem Bock zu, jedenfalls inoffizieller- und murmelnderweise. Am Ende musste BDI-Chef Ulrich Grillo (54) herbeieilen und die Erregten beruhigen. Kann es Manfred Gentz, der Berliner Preuße, nun besser als seine Vorgänger? Um den Posten des Kommissionschefs gerissen hat sich der Jurist nicht, der fast sein ganzes Berufsleben bei Daimler verbracht hat. Die Anfrage hat er wochenlang überhört, das Angebot, eigenen Worten zufolge, „über Monate abgelehnt“. Erst als die Regierungskommission mangels Führung „unterzugehen drohte“, lenkte Gentz ein. Am Ende siegte sein Pflichtgefühl. „Letztlich habe ich mich sogar wegen der Kritik, die Kommission sei überflüssig geworden, überzeugen lassen, den Vorsitz zu übernehmen.“ Ob sein Zögern eine gute Voraussetzung für die Erfüllung seiner Aufgabe ist? Vor der Amtsübernahme musste Gentz freilich noch die Finanzierungsfrage regeln. Die Regierung, tadeln Komiteemitglieder, erübrige für ihre eigene Kommission nur JUNI 2014 Fotos: Reuters, Oliver Tjaden/laif Allen Einfluss verspielt Gentz-Vorgänger Klaus-Peter Müller. GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG Ungern gesehen Wenn Regierungsmitglieder an den früheren ThyssenKrupp-Manager Gerhard Cromme auch nur denken, müssen sie erst einmal raus und eine Runde um den Block laufen. ein Budget von weniger als einer Million Euro und trage nicht einmal die Spesen. Müller und Cromme hatten die Auslagen von Commerzbank und Thyssen-Krupp begleichen lassen. Weil Gentz aber keinen Geldgeber mitbringt, musste die Finanzierung auf die gesamte Wirtschaft umgelegt werden. Als Kassenschalter dient jetzt das deutsche Aktieninstitut, das über eine Sonderumlage sein Budget erhöht hat. Aus dem Vorstand von Daimler hatte sich Gentz schon 2004 zurückgezogen. Gleichwohl finanzieren ihm die spendablen Stuttgarter ein mehr als präsentables Büro am Potsdamer Platz in Berlin. Und warum auch nicht? Gentz genießt in der Gilde einen guten Ruf, er sei aufrecht, fleißig, pflichtbewusst und diplomatisch. Kaum jemand engagiert sich in so vielen Ehrenämtern wie Gentz – vom Kuratorium der Stiftung Potsdamer Garnisonskirche über die Gesellschaft der Freunde der TU Berlin bis zum Aspen Institute. G Gentz’ Manko: Er verfügt über kein Aufsichtsratsmandat. Und in der Kommission sitzt er auch schon seit vielen Jahren – und zwar ohne als Reformer aufgefallen zu sein. Ein Mitglied: „Der Mann sprüht nicht.“ Immerhin verspricht Gentz, seine Kodex-Kommission zu „professionalisieren und strukturell abzusichern“. Die Abstimmung mit den ungezählten Gremien und Grüppchen, die sich in Deutschland mit Fragen der Unternehmensführung befassen, müsse „verbessert werden“. Drei Mitarbeiterinnen und ein PR-Mann unterstützen den neuen Vorsitzenden. Eine Geschäftsordnung, die unter anderem die Amtsdauer der Kommissionsmitglieder regelt, soll jetzt aufgestellt werden: Gentz will keineswegs so lange amtieren wie Cromme (sieben Jahre) und Müller (fünf Jahre). JUNI 2014 Die neue Stellung will Gentz dazu nutzen, seine nicht allzu engen Beziehungen zu Politikern, aber auch Vorständen und Aufsichtsräten zu veredeln. Sogar Lobbyarbeit sei für ihn inzwischen „nichts Negatives“ mehr. Angela Merkels ehemalige Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach (52) soll künftig für die Kommission einen flotten Wirbel trommeln. Wie nötig dies ist, zeigt das Hin und Her um Managergehälter und Frauenquote: Erst wollte die Kodex-Kommission eine gesetzliche Regelung für eine Aufsichtsratsquote verhindern. Als dies nicht klappte, wenigstens bei ihrer Formulierung mitreden. Doch Ende März legte Frauenministerin Manuela Schwesig gemeinsam mit Justizminister Maas die „Leitlinien“ für das geplante Gesetz vor, ohne auch nur mit einem einzigen Satz auf die Bedenken der Kodex-Kommission einzugehen. Den Ministern unterlief indes ein Fehler: Sie hatten vergessen, dass Europäische Aktiengesellschaften (Kürzel: SE) nicht in die Zuständigkeit der deutschen Legislative fallen. Folge: Das Gesetz, das ursprünglich eine Quote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften vorsah, liegt jetzt auf Eis. Auch die Debatte über Managergehälter stockt. Die Regierung will erst die Diskussion auf europäischer Ebene abwarten. Ein weiteres Streitthema will Gentz jetzt selbst auf die Tagesordnung setzen: Seine Kommission will das bei hiesigen Spitzenkräften beliebte Postensammeln, auch „Oberboarding“ genannt, beenden, ehe der Gesetzgeber sich womöglich zu drastischen Maßnahmen gezwungen sieht. Der Kommissions-Chef wird nicht umhin können, sich einige prominente Wirtschaftsführer zur Brust zu nehmen: Die Multi-Aufsichtsräte Ulrich Lehner (fünf Mandate) und Werner Wenning (sieben) hängen schließlich an dem Gefühl, überall gebraucht zu werden. Mehr Anstand: Die Aufgaben der Kommission Der sogenannte Deutsche Corporate Governance Kodex ist ein Regelwerk mit Vorschlägen und Anregungen für eine ordentliche Unternehmensführung (Corporate Governance), erarbeitet von einer 14-köpfigen Regierungskommission. So amtlich es klingt, handelt es sich doch nur um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Kritiker winken ab: Die Kommission sei nur eine Alibiveranstaltung. Der Kodex ist zwar im Aktiengesetz verankert. Alle börsennotierten Firmen müssen darlegen und begründen, inwieweit sie von den Vorgaben in den Bereichen Transparenz, Vielfalt, Überwachung/Kontrolle und Anreizsysteme abweichen. Unternehmen, die die Kodex-Regeln, die nur Empfehlungen sind, nicht umsetzen, müssen aber keine Ahndung fürchten. Sie würden jedoch, sagt Kommissionsmitglied Christian Strenger, von den Kapitalmärkten bestraft: Dass Volkswagen und SAP im Börsenwert einen Malus beklagen, sei laut Strenger darauf zurückzuführen, dass beide Konzerne nur wenig auf die Regeln der guten Unternehmensführung gäben. In der jüngsten Erhebung der Handelshochschule Leipzig, die die Akzeptanz des Kodex untersucht, präsentieren sich die Börsenunternehmen nur auf den ersten Blick als vorbildlich. Zwar befolgen etliche Dax-30-Konzerne den Kanon der Kommission in beispielhafter Weise, doch einige andere eben auch nicht (siehe Tabelle linke Seite). BERND ZIESEMER 37 NOTIZEN AUS… Russland Die Krimkrise hat die Bewegung nur beschleunigt. Seit Jahren schon verlassen reiche Russen das Land aus Angst um ihr Vermögen. England Roman Abramowitsch Seit seinem Abzug aus Russland steckt der knapp sieben Milliarden Euro schwere Oligarch (einst Großaktionär im Öl- und Alu-Geschäft)sein Geld in den Yachtbau und den Stadtteilklub FC Chelsea. Konstantin Kagalowski Der ehemalige Vize der untergegangenen Ölfirma Yukos (Gründer: Michail Chodorkowski)engagierte sich früh als Kandidat der sozialliberalen Oppositionspartei Jabloko. Er kontrolliert ein wesentliches Quantum des ukrainischen Fernsehsenders TVi. Österreich Jelena Baturina Als Statthalterin diverser Unternehmen ihres Gatten Juri Luschkow, des früheren Moskauer Bürgermeisters, mischt sie Kitzbüheler Partys auf. Ihr Vermögen: mehr als 700 Millionen Euro. Schweiz Michail Chodorkowski Vom einst reichsten Mann Russlands zum Gulag-Häftling. Auseinandersetzungen mit Putin wiegen schwer. Der Ex-Yukos-Vorsitzende lebt im Schweizer Exil. Gennadi Timtschenko Der Putin-Freund und EishockeyFanatiker (SKA St. Petersburg) verkaufte seinen Anteil am Genfer Ölhändler Gunvor. Vermögen: über 11 Milliarden Euro. Igor Schuwalow Auch als Vizepremier Russlands konnte er sich seines Geldes nicht sicher sein. Er kaufte sich ein Waldschloss am Attersee östlich Salzburgs. Fotos: picture alliance, Getty Images Alischer Usmanow Der reichste Russe (Vermögen: 13 Milliarden Euro) ist ein echter Sportskerl: Neben seiner Präsidentschaft beim Internationalen Fechterbund ist er Großaktionär des FC Arsenal. EXPORTE AUS RUSSLAND: ÖL, GAS, MILLIARDÄRE Die russischen Wirtschaftsmagnaten zeigen wenig Vertrauen in die Festigkeit ihrer Heimatwirtschaft und sehen zu, dass sie Land gewinnen. Beliebtes Ziel ist England, das heißt: „Londongrad“. Ist zwar regnerisch dort, aber wer eine Million Pfund in britischen Staatsanleihen anlegt, erhält – zunächst auf drei Jahre befristet – zumindest unkompliziert Einlass. 433 Russen sollen sich bislang eines dieser sogenannten Investorenvisa beschafft haben. Auch die Schweiz und Österreich wirken inzwischen magnetisch auf diese bizarren Privatherrscher. 38 JUNI 2014 RESSORT Kann man Vater Staat und Mutter Natur gleichzeitig beeindrucken? MAN kann. Seit Anfang dieses Jahres muss jeder neu zugelassene Lkw die Euro-6-Norm erfüllen. Das ist gut für die Umwelt, denn das bedeutet weniger Emissionen. Das Problem: Mit der neuen Norm steigt häufig der Verbrauch. Normalerweise. Wir dagegen setzen ein Zeichen für mehr Effizienz im Fernverkehr. Mit dem neuen TGX Euro 6. Der erfüllt alle Vorgaben von Vater Staat und beeindruckt dabei sogar Mutter Natur. Mit niedrigem Verbrauch trotz Euro 6. Wie wir das schaffen? Mit verbesserter Aerodynamik, konsequentem Leichtbau und speziellen SpritsparProgrammen. Was MAN noch alles tun kann: www.MAN.eu/MANkann Engineering the Future – since 1758. JUNI 2014 39 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE JOHANNES, DER SCHRECKLICHE Beim Krisenkonzern Eon gilt: Wer sich nicht biegt, der fliegt. Vorstandschef Johannes Teyssen führt mit Eisenfaust – und ohne Fortune. Ü Über den Eon-Chef Johannes Teyssen (54) machen die Patrizier anderer Dax-Konzerne gern mal einen Jux (hinter vorgehaltener Hand, versteht sich): Er wirke untrainiert, vernachlässige sein Äußeres, seine Anzüge hingen lose und schlaff an ihm herab, ständig befände er sich wegen irgendeiner Sache in Wallung oder Alarmbereitschaft, zornrot angelaufen in dem einen wie im anderen Fall. Kurz, weder sein Auftritt noch sein Auftreten entsprächen dem üblichen Eliten-Getue, und wer einen Babysitter 40 Schnell erregt, gerne etwas krawallig Eon-Chef Teyssen vergrätzt seine Mannschaft. oder Krankenpfleger suche, der solle, Gott bewahre, auf keinen Fall bei Teyssen, dem Explosiven, anrufen. Ist es wirklich so dramatisch schräg um den Mann bestellt? In der Düsseldorfer Kommandantur des größten deutschen Energiekonzerns (Umsatz: 122,5 Milliarden Euro) war die Stimmung jedenfalls schon einmal besser. Teyssens Mannschaften wissen nie so ganz genau, was sie von ihm halten sollen: Die einen glauben, in ihm den Neuerer des Konzerns zu erkennen, die anderen nur Johannes, den Schrecklichen. Teyssen dulde weder Widerworte noch Widerstand: Wer sich nicht fügt und biegt, der fliegt. Die Leute, mit denen man über Teyssen spricht, wirken angestrengt und ver- krampft. Würden sie sich entspannen, dann hörte man wahrscheinlich ihre Zähne klappern: Bis Ende nächsten Jahres sollen 11.000 von einst 80.000 Stellen gestrichen sein. Es ist der größte Personalabbau (internes Kürzel: Eon 2.0) der Firmengeschichte. In der Düsseldorfer Holding wird sogar jeder dritte Mitarbeiter suspendiert. Teyssen hat Eon auf strengste Diät gesetzt, weil das Unternehmen im deutschen Stammgeschäft kaum noch Geld verdient – im ersten Quartal 2014 sank der Konzernüberschuss um 61 Prozent, weil sich neue Geldanlagen und -experimente bisher nicht auszahlen. Skeptiker sowohl unter Eon-Funktionären als auch Aktionären sorgen sich: JUNI 2014 EON Widerstand ist zwecklos Teyssen serviert Widersacher gnadenlos ab. Wir können uns der Kritik nicht ganz entziehen.“ Intelligenz plus Detailwissen Am liebsten würde Teyssen Eon ganz alleine führen. Johannes Teyssen zum Eon-Brasiliengeschäft Im freien Fall Fotos: picture alliance/Sven Simon, picture alliance/dpa, picture alliance Der Bericht über das erste Quartal 2014 zeigt: Umsatz und Gewinn von Eon sind im Vergleich zum Vorjahr drastisch eingebrochen. Wenn Tausende von Mitarbeitern gehen, verlassen dann auch immer die richtigen Leute den Konzern? Oder nutzt Teyssen, der Autokrat, der wenig auf die Meinung anderer gibt, die Chance, um auch die letzten Widerstandsnester bei Eon auszuheben? In seinen nicht einmal vier Amtsjahren hat der Berserker bereits fünf Vorstände und ungezählte Manager aus der zweiten und dritten Reihe verbraucht und zerschlissen. Einige konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, wie der Finanzvorstand Marcus Schenck (48), der zu seinem früheren Arbeitgeber Goldman Sachs zurückkehrte. Manche sahen sich jedoch nach allen Regeln JUNI 2014 Umsatz in Mrd. € Konzernüberschuss in Mio. € 35,9 2350 31,8 -11 % 905 - 61 % QI QI 2013 2014 QI QI 2013 2014 Quelle: Geschäftsberichte des Mobbings aus dem Konzern hinausschikaniert. Mit einer schon bewundernswerten Durchtriebenheit beförderte Teyssen den mächtigen Münchner Statthalter Klaus-Dieter Maubach (51) erst auf den eindrucksvollen, aber überflüssigen Posten des Technikchefs im Düsseldorfer Zentralvorstand – und danach vor die Tür. Der Honorarprofessor hatte sich bereits eine Villa in Düsseldorf bauen lassen. Doch kurz nach der Einweihungsparty fiel für Maubach der Vorhang: In einem Zehn-Minuten-Gespräch stellte Teyssen ihn vom Platz. Zack, zack. Eon nimmt dazu nicht Stellung, Maubach war nicht erreichbar. 41 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Zweckloses Warten auf den Kellner Johannes Teyssen (3.v.r.) mit zwanghaft schlipslosem Vorstand. Für Verbitterung unter Eon-Kadern sorgt die in machiavellistischer Manier vorgenommene, durch keine moralischen Bedenken gehemmte Entmachtung des Personaldirektors Frank Heberger (54). Der durchaus selbstsichere, jedenfalls alles andere als schüchterne Manager zog sich durch sein großes Präsenzvermögen, seine Allgegenwart inner- und außerhalb des Unternehmens das Misstrauen seines Vorgesetzten zu. Im vergangenen Jahr, behaupten Firmenoffizielle, habe Teyssen seinem Personalchef eine Falle gestellt: Er soll Heberger eine vertrauliche Personalie zugeraunt haben, die anschließend wie von Geisterhand ihren Weg in die Rheinische Post fand. Die fristlose Kündigung Hebergers folgte auf dem Fuße, und Teyssen machte sie umgehend allen Führungskräften im Eon-Intranet („Vertrauen verloren“) bekannt. Aber Heberger ging juristisch gegen seine Entlassung vor und erzwang einen Vergleich samt Abfindung – dazu eine Richtigstellung im Intranet. Nun war von einer „einvernehmlichen Trennung“ die Rede. Wer der Post die Information wirklich gesteckt hat, blieb ungeklärt. Klagen über Teyssens Führungsstil stoßen auch die Werktätigen aus. Der Gewerkschafter Erhard Ott (61), Verdis Vertreter im Aufsichtsrat, zischelt von „einzelnen Fehlern, Versäumnissen und zu viel Druck“. Andere Arbeitnehmervertreter beanstanden die „brutale Art und Weise“ des gegenseitigen Umgangs im Konzern. E Entlassene Spitzenkräfte beschweren sich (erwartungsgemäß) über die Ungeduld und Unbeherrschtheit Teyssens, dessen Streiche jedes Einfühlungsvermögen vermissen lassen, von Feingefühl zu schweigen. Wie Schuljungen müssten seine 60 Spitzenfunktionäre alle neuen Ideen und Vorschläge, die der Chef austreibt, in einheitlich-knallroten Moleskin-Kladden protokollieren und anschließend ihren Vorgesetzten darüber Meldung erstatten. 42 Die größten Energiekonzerne in Deutschland Umsatz 2013, in Mrd. Euro Eon 122,5 RWE 54,1 EnBW 20,5 Vattenfall 19,4 EWE 8,9 Teyssen bezeichnet dieses Verfahren als „neue Performance-Kultur“. Immer wieder, heißt es, mische sich der Vorstandschef in die Belange der Geschäftsbereiche ein und benachrichtige die zuständigen Stellen erst, wenn nichts mehr zu ändern ist. Teyssen selbst sieht dies natürlich ganz anders, seine Anhänger kreiden die miese Stimmung gewohnheitsmäßigen Nörglern an und den Verlierern des Konzernumbaus: Von der Zusammenlegung der Kraftwerksparten für konventionelle und erneuerbare Energien etwa sind 9.000 Leute betroffen. Und nicht alle von ihnen sind glücklich über ihr neues Leben. Strategisch gesehen, sagen Teyssen-Leute, gebe es sowieso keine Alternative zum Grob-Management des Chefs. Selbst frühere Elitekräfte, die nicht mehr unter Teyssens Kommando stehen, bescheinigen dem promovierten Juristen eine hohe Intelligenz und ein großes Detailwissen. Letzten Endes sei dem Mann nach der Energiewende ja gar nichts anderes übrig geblieben, als die Konzernbürokratie zu zerschlagen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. I Im Vorstand unterbricht heute kaum noch einer die Monologe des Chefs, aber man hört auch nicht mehr die ganze Zeit hin. Auf den Schlüsselposten des Personalvorstands hievte Teyssen im vergangenen Jahr seinen Vertrauten Mike Winkel (43); als Finanzchef amtiert mittlerweile Klaus Schäfer (46), der keinen schlechten Namen hat, allerdings auch nicht die Analysekraft und den Schneid seines Vorgängers Marcus Schenck. Allein dem Strategievorstand Leonhard Birnbaum (47), einem langjährigen McKinsey-Mann und früheren RWE-Vorstand, bescheinigen Kenner bemerkenswerte Fähigkeiten. Manche sehen in ihm schon den kommenden Mann an der Eon-Spitze – sofern Teyssen ihn nicht vorher zur Strecke bringt. Vorläufig hält sich Birnbaum noch in der Deckung, vermeidet jede Kraftprobe. JUNI 2014 EON Fotos: picture alliance/Sven Simon, E.ON, picture alliance / dpa Niemand steht am Fenster und winkt In der Düsseldorfer Eon-Zentrale ist die Stimmung schlecht. Natürlich sind dem Aufsichtsrat viele Vorgänge nicht verborgen geblieben, und die Ratsherren fragen sich, ob die Ein-Mann-Herrschaft für den Konzern auf Dauer wirklich fruchtbringend ist. Teyssens Vertragsverlängerung im vergangenen Jahr (bis 2018) fand keinen einhelligen Beifall. Nicht nur Gewerkschafter moserten, auch das Kapital übte Kritik, namentlich der Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Bayer-Premier Werner Wenning (67): Sein Fabrikdirektor Teyssen müsse mehr Überzeugungskraft entwickeln, um seine Kollegen „mitzunehmen“. Die Kontrolleure erwarten in dieser Hinsicht „deutliche Verbesserungen“. Ob Wenning unter Teyssens Alleingängen leidet, wie Beobachter behaupten, und deshalb hinter den Kulissen auf ihn einzuwirken suche, lässt sich nicht belegen. Auch Wenning will sich gegenüber BILANZ nicht äußern. Für Ernüchterung unter den Aufsichtsräten und Aktionären sorgt nicht nur der fortwährende Ärger mit dem Personal. Besonders die schlechten Zahlen sorgen für Missbefinden. Denn so zügig Teyssen Mitarbeiter auch feuern und Kosten niederhämmern mag – die Erlöse des Energiekonzerns brechen noch schneller ein. Der Konzernüberschuss sinkt rapide, aber nicht die hohe Verschuldung von über 30 Milliarden Euro. Die Aktie, die Ende 2007 noch rund 50 Euro kostete, wird heute für weniger als 15 Euro verschleudert. In Deutschland hängt das Überleben des Konzerns vom guten Willen der Politik ab. Teyssen möchte die Bundesregierung verpflichten, für die vorhandenen Großkraftwerke auch dann zu zahlen, wenn sie gar nicht laufen – über eine sogenannte Kapazitätsabgabe. Auch die Verschrottung seiner Atomkraftwerke soll die Politik mitfinanzieren – mit einer Stiftung. Beide Ideen finden wenig Gegenliebe im Kabinett. Nun rächt sich, dass Teyssen auch in Berlin als Kollerer gilt. Statt ruhig und beharrlich für seine Position zu werben, belehrt der EonChef die Parteien gelegentlich per Interview über die richtige Energiepolitik. Angela Merkel berät sich deshalb lieber mit dem friedliebenden JUNI 2014 Früher sind Entscheidungen zu oft top down gefallen, dabei läuft man Gefahr, seine Führungskräfte zu verlieren.“ Eon-Vorstand Mike Winkel Holländer Peter Terium (50) vom Eon-Widersacher RWE. Auch im Ausland läuft es nicht. Vor allem die Beteiligung an Großkraftwerken in Brasilien kostet Geld und Renommee. Der dortige Partner ging bankrott, die Düsseldorfer mussten Kapital nachschießen, aber die Meiler liefern viel zu wenig Strom. Dabei sollte Brasilien doch Teyssens Meisterstück werden. Er selbst hatte den Handel angezettelt und eingefädelt. T Teyssen bekomme die Probleme in Brasilien nicht in den Griff, heißt es in der Branche. Im Unternehmen fehle es an Wissen und Erfahrung und an den geeigneten Leuten, um in einem Schwellenland wie Brasilien erfolgreich zu sein. Eon könne Großkraftwerke zwar fachkundig betreiben, aber nicht selbst bauen und ans Netz bringen. Doch genau darum geht es in Brasilien. Auf der Eon-Hauptversammlung Ende April hörten die Aktionäre beim Auftritt von Teyssen zum ersten Mal so etwas wie Selbstzweifel: „Wir können uns der Kritik an Brasilien nicht ganz entziehen.“ Ist dies vielleicht schon das erste Indiz dafür, dass Johannes Teyssen zur Läuterung bereit ist und auf seine Kritiker zugeht, wie es sein Aufsichtsrat von ihm verlangt? Auf dem Führungskräftetreffen im Januar, das im Artipelag-Museum im Stockholmer Schärengarten stattfand, hörten die 600 wichtigsten Deputierten (Eon-Kürzel: E1, E2, E3) ungewohnte Töne ihres Chefs. Bei der „sehr emotionalen“ Tagung (Eon-Vorstand Winkel) ging es um mehr Mannschaftsgeist, um die Fehler der Vergangenheit und um den Abbau von Vorurteilen. „Natürlich kam da auch viel Kritik hoch“, berichtet Personalchef Winkel. Früher seien viele Entscheidungen bei Eon zu häufig „top down“ getroffen worden: „Dabei läuft man immer Gefahr, seine Führungskräfte zu verlieren.“ BERND ZIESEMER 43 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE DEUTSCHLANDS 50 WERTVOLLSTE MARKEN 1 2 Mercedes-Benz Daimler 25,55 Mrd. € 11 Allianz Allianz 5,37 Mrd. € 21 Schwarzkopf Henkel 1,53 Mrd. € 31 12 Porsche Porsche 5,18 Mrd. € 22 Evonik Evonik 1,52 Mrd. € Deutsche Post Deutsche Post 936 Mio. € Rewe Rewe 385 Mio. € 41 44 BMW BMW 25,50 Mrd. € 3 SAP SAP 13,35 Mrd. € 13 Hugo Boss Hugo Boss 3,21 Mrd. € 4 Deutsche Telekom Deutsche Telekom 12,34 Mrd. € 14 Bosch Bosch 3,04 Mrd. € 23 Montblanc Montblanc 1,51 Mrd. € 24 32 Infineon Infineon 868 Mio. € 33 Media Markt Media-Saturn 826 Mio. € 42 Ergo Ergo 315 Mio. € 43 Henkel Henkel 300 Mio. € 5 Volkswagen Volkswagen 8,90 Mrd. € 15 Deutsche Bank 3,03 Mrd. € 25 Commerzbank Commerzbank 1,30 Mrd. € 34 Zeiss Carl Zeiss 812 Mio. € 35 Braun Braun 805 Mio. € 44 Hochtief Hochtief 232 Mio. € 45 Congstar Congstar 222 Mio. € Lidl Schwarz-Gruppe 1,30 Mrd. € JUNI 2014 MARKEN Das Markenforschungsinstitut Interbrand hat für uns die 50 wertvollsten deutschen Marken analysiert und zusammengestellt. Wie wichtig ist das Image? Und wie ist das Unternehmen bei der Untersuchung vorgegangen? 6 Siemens Siemens 6,81 Mrd. € 16 7 BASF BASF 6,47 Mrd. € 10 Bayer Bayer 5,62 Mrd. € 20 MAN MAN 1,72 Mrd. € 18 19 Linde Linde 1,73 Mrd. € 27 Edeka Edeka 1,15 Mrd. € 28 Puma Puma 1, 06 Mrd. € 29 Persil Henkel 1,0 Mrd. € 30 Tui Tui 964 Mio. € 36 Metro Metro 760 Mio. € 37 Osram Osram 662 Mio. € 38 Postbank Postbank 529 Mio. € 39 Kaufland Schwarz-Gruppe 454 Mio. € 40 Dm Drogerie-Markt 408 Mio. € 46 Douglas Douglas 156 Mio. € 47 Fielmann Fielmann 155 Mio. € 48 Netto Netto 148 Mio. € 49 Tchibo Maxingvest 127 Mio. € 50 Saturn Media-Saturn 102 Mio. € 26 Kabel Deutsch. Kabel Deutschl. 1,15 Mrd. € JUNI 2014 17 9 Adidas Adidas 6,03 Mrd. € Aldi Aldi 2,19 Mrd. € Nivea Beiersdorf 2,51 Mrd. € Continental Continental 2,47 Mrd. € 8 Audi Audi 6,22 Mrd. € 45 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Mercedes-Benz Der gute Ruf der Stuttgarter Autos bringt den Spitzenplatz. 46 INTERBRAND wurde 1974 von John Murphy in England als Markenmanagementfirma gegründet. Heute unterhält das Unternehmen, das 1994 von Omnicom gekauft wurde, 40 Büros in 25 Ländern. Seit 2000 veröffentlicht Interbrand die Rangliste der 100 erfolgreichsten Marken der Welt. Seit 2008 veröffentlicht die Schweizer Bilanz in Kooperation mit Interbrand die 50 wertvollsten Marken der Schweiz. Die Kaffeemarke Nescafé (ca. 8,3 Mrd. Euro) steht ganz oben auf der Liste, der Pharmakonzern Roche und Nestlé folgen. Gewinn, den die Hersteller mit ihnen erzielen und aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren erzielen werden. Konzerne, die lediglich Spartenoder doch nur Gesamtergebnisse veröffentlichen, aber auch Familienunternehmen, die damit gänzlich hinterm Berg halten, fallen aus der Erhebung heraus. Neben den Zahlenwerken, die von vorrangiger Bedeutung sind, spielen auch jene Umstände eine Rolle, die ins Fach der nicht ganz so einfach zu beurteilenden Aspekte fallen, etwa die Frage, wie groß der „Einfluss einer Marke auf die Kaufentscheidung“ sei. Bei Luxusgütern, sagt Dold, sei dieser Einfluss „erfahrungsgemäß am größten“. Aber auch beim Autokauf spiele die Überzeugungskraft einer Marke nicht selten eine größere Rolle als die Güte der Fabrikation. „Grundsätzlich überrascht es uns, dass der große deutsche Mittelstand so wenig vertreten ist“, sagt Marco Rivolta, bei Interbrand zuständig für den hiesigen Markenmarkt. „Auch viele große Marken, wie zum Beispiel die Deutsche Bank, machen zu wenig aus ihrer Marke.“ Viele Unternehmen in Deutschland, sagt Rivolta, müssten noch lernen, dass Marken inzwischen das zentrale Element seien, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Denn: Bei allem Hochgefühl über die Magie deutscher Marken sollte man das Verhältnis zum Welt-Markenführer USA nicht außer Acht lassen: Die laut Interbrand wertvollste Marke der Welt, die Computerfirma Apple, ist mit umgerechnet etwa 73 Milliarden Euro fast dreimal so viel wert wie die hiesige Spitzenmarke Mercedes. STEPHAN KNIEPS JUNI 2014 Fotos: Interbrand, Daimler, Apple, Rechte an den Logos liegen bei den jeweiligen Unternehmen, A Als das britische Empire 1887 für deutsche Waren eine Kennzeichnungspflicht einführte, nämlich „Made in Germany“, da war dies durchaus als Warnung gedacht: Man wollte die Briten vor mutmaßlich minderwertigen Erzeugnissen und die heimische Industrie vor fremden Erzeugern schützen. Bekanntlich verwandelte sich das Etikett bald in ein Qualitätssiegel, was den Engländern nicht recht sein konnte, was sich jedoch auch nicht mehr ändern ließ. Eine Frage allerdings blieb bislang unbeantwortet: Lässt sich der Wert der größten deutschen Marken eigentlich beziffern? Gemeinsam mit der Beratungsfirma Interbrand veröffentlicht BILANZ nun erstmals eine Rangliste der wertvollsten deutschen Marken. Und es zeigt sich: Der Absender „Made in Germany“ kommt vor allem der Automobilbranche zugute. Unter den teuersten zwölf Marken finden sich gleich fünf Autohersteller: Mercedes-Benz und BMW führen die Liste an, fast Kopf an Kopf mit einem Markenwert von jeweils über 25 Milliarden Euro. Es folgen SAP und die Telekom mit 13,4 beziehungsweise 12,4 Milliarden Euro sowie Volkswagen und Siemens mit knapp neun und sieben Milliarden Euro. Der Wert, sagt Interbrand-Mann Steffen Dold, sei der Preis, „den die Marke theoretisch hätte, wenn man sie jetzt verkaufte“. Doch wie lässt sich der Wert einer Marke ermitteln, und warum fehlen in der Aufstellung große Namen wie Miele oder Lufthansa? Vor allem deshalb, weil Interbrand nur dort Maß nehmen kann, wo die wirtschaftlichen Kenndaten der Marken vorliegen, also vor allem Angaben zu Umsatz und Apple, keine Marke der Welt ist kostbarer: Über 73 Milliarden Dollar ist sie wert. „Unsere Studie ist einwandfrei“ Die deutsche Interbrands-Chefin Nina Oswald. 10 1 Apple 73,01 Mrd.€ DIE WERTVOLLSTEN MARKEN DER WELT 2 Google 69,30 Mrd.€ 3 4 5 6 Coca-Cola 58,83 Mrd.€ Microsoft 44,19 Mrd.€ 7 McDonald’s 31,12 Mrd.€ 9 Intel 27,63 Mrd.€ IBM 58,53 Mrd.€ General Electric 34,84 Mrd.€ 8 Samsung 29,41 Mrd.€ 10 Toyota 26,22 Mrd.€ JUNI 2014 „Die Deutsche Bank hat uns negativ überrascht“ Für Nina Oswald, Geschäftsführerin von Interbrand in Köln, zeichnet sich die deutsche Markenlandschaft durch zwei Schwerpunkte aus: Autos und Einzelhandel. Frau Oswald, Ihre Firma veröffentlicht eine Liste der wertvollsten deutschen Marken. Warum beziehungsweise: warum erst jetzt? Wir haben bereits länger über ein Ranking für den deutschen Markt nachgedacht. In meinen Gesprächen mit führenden Markenmanagern wurde wiederholt gefragt: Wie sieht die deutsche Markenlandschaft aus? Wo steht meine Marke? Welche Trends sind zu beobachten? Wir haben uns auch deshalb entschieden, nun das Ranking der wertvollsten deutschen Marken zu veröffentlichen, weil Deutschland ein bedeutender Markt für Interbrand ist – ein Markt mit einer großen Anzahl sehr großer Marken. Es kursieren bereits diverse Studien, die Markenwerte erheben. Methodisch einwandfrei scheinen die wenigsten zu sein. Wir haben in den vergangenen Jahren häufiger diskutiert, ob wir noch ein weiteres regionales Ranking publizieren sollen. Unsere Studie aber ist einwandfrei, sie beruht auf drei Säulen: der finanziellen Komponente, der Bedeutung der Marke beim Kaufentscheid und der Markenstärke gegenüber Wettbewerbern. Was prägt den deutschen Markt? Ich sehe zwei Schwerpunkte: auf der einen Seite die großen, international ausgerichteten Marken, vor allem die Automobilhersteller. Auf der anderen Seite die Einzelhändler wie Aldi, Lidl, Tchibo oder Douglas, die mit 13 Marken überdurchschnittlich stark vertreten sind. Worauf führen Sie dies zurück? Unsere Autobauer beherrschen den Weltmarkt, sie haben mit Knowhow, finanziellen Investitionen und Kontinuität ihre Marken langfristig etabliert. Die Einzelhändler konnten durch die Entwicklung von Eigenmarken ihre Markenwerte stärken. Sie haben zudem Konzepte entwickelt, den Kunden in ihre Lebensräume zu folgen, denken Sie an Rewe to go. Hat Sie das gute Abschneiden der Telekom überrascht? Die Telekom konnte viele starke Marken im Ranking hinter sich lassen – durch konstante Markenarbeit über einen langen Zeitraum und Antizipation von Kundenbedürfnissen. Sie hat eine unglaubliche Präsenz und ein sehr modernes Markenverständnis. Die Deutsche Bank enttäuschte? Ja, sie hat uns negativ überrascht, weil sie es versäumt hat, aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Dramatischer Kulturwandel und frustrierte Mitarbeiter prägen das Bild – Platz 15 ist schwach. Die Marke hat deutlich mehr Potenzial. 47 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Häuptlinge am Marterpfahl VON PETER RÖLZ D Peter Rölz (48), einer der renommiertesten Arbeitsrechtsexperten des Landes, ist Geschäftsführender Gesellschafter der Sozietät Ulrich Weber & Partner in Frankfurt am Main. Bei den juristischen Möglichkeiten, sich von Spitzenmanagern zu trennen, spielt die Gesellschaftsform eine Rolle. Während das Abberufen von Geschäftsführern in GmbHs jederzeit und ohne Gründe möglich ist, braucht man bei Aktiengesellschaften für die Abberufung eines Vorstands „wichtige Gründe“. Diese „wichtigen Gründe“ sind zwar im Gesetz nicht abschließend geregelt, setzen aber regelmäßig ein Fehlverhalten oder ein Versagen des Managers voraus. Auch der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung kann eine Abberufung rechtfertigen, was aber nur bei einer besonderen Eigentümerstruktur gelingen dürfte. Kommt es bei einer GmbH zu einer Abberufung, hat der betroffene Geschäftsführer keine Chance, die Wiedereinsetzung als „Chef“ juristisch durchzusetzen. Anders beim Vorstand, der bei einer fehlerhaften Abberufung die Weiterbeschäftigung als Organ der Gesellschaft gerichtlich erzwingen kann. Losgelöst von der Frage der organschaftlichen Bestellung eines Managers sind die Kon- 48 sequenzen für den Anstellungsvertrag zu beurteilen. Hier ist die Vertragsgestaltung maßgeblich, insbesondere ob der „Arbeitsvertrag“ unabhängig von der Bestellung als Geschäftsführer oder Vorstand abgeschlossen wurde. Entscheidend dabei ist, ob der Vertrag eine sogenannte Koppelungsklausel enthält, d.h. ob es eine Abhängigkeit zwischen Organschaft und Laufzeit des Vertrags gibt oder nicht. Auch wenn die Zulässigkeit solcher Klauseln juristisch umstritten ist, kann man einem Manager nur dringend raten, bei Abschluss eines Geschäftsführer- oder Vorstandsvertrags auf eine von der Bestellung unabhängige Laufzeit des Anstellungsvertrags zu bestehen. Denn eines muss die Führungskraft bedenken: Als Organ einer Gesellschaft genießt man grundsätzlich keinen Kündigungsschutz, auch wenn man zuvor vielleicht schon Dutzende Jahre als „normaler“ Arbeitnehmer beschäftigt war. In der Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber sich völlig grundlos von dem Manager trennen kann und die Frage einer etwaigen Abfindung, so weit sie nicht bereits im Anstellungsvertrag geregelt wurde, sich an der Laufzeit des Vertrags bemisst. Hat sich der Manager, wie in der Praxis häufig üblich, auf eine unbefristete Anstellung eingelassen, kann er lediglich noch den Lohn bis zum Ende der Kündigungsfrist reklamieren. Das war’s. Fall: Hubert K. hat sich in 25 Jahren vom Sachbearbeiter bis zum Bereichsleiter hochgearbeitet. Als ihm die Geschäftsführung angeboten wird, scheint seine Karriere ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Der neue, unbefristete Vertrag beinhaltet neben einer dreiprozentigen Gehaltserhöhung und dem größeren Dienstwagen auch die Anrechnung seiner bisherigen Beschäftigungszeiten. Doch dann kommt es zum Bruch: Nach nur drei Monaten meint der Gesellschafter, dass K. wohl doch nicht der Richtige für den Job JUNI 2014 Foto: privat ie Zeiten für Manager in Deutschland werden rauer. Scheidungen zwischen Unternehmen und ihrem Führungspersonal laufen längst nicht mehr so kommod und lautlos ab wie in der Vergangenheit. Es wird mit sehr viel härteren Bandagen gekämpft. Gründe sind zum einen die verschärften Haftungsregeln für Aufsichtsorgane und zum anderen die öffentlichen Schlagzeilen, die Unternehmen fürchten, wenn Manager hohe Abfindungen erhalten. Niemand hat bisher allerdings die wirtschaftlichen Auswirkungen für ein Unternehmen erfasst, die durch „blutige“ Verfahren entstehen, ganz zu schweigen vom Reputationsschaden. Auch die personalpolitische Wirkung solcher Schlachten in der Belegschaft ist enorm, insbesondere dann, wenn die Manager nichts falsch gemacht haben, aber trotzdem gehen sollen. KOLUMNE Wachstums finanzierung. sei, und beruft ihn ab. Zugleich kündigt er den Anstellungsvertrag mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende. K. hofft nun zumindest auf eine hohe Abfindung – leider vergebens. Außer sieben Monatsgehältern kann Hubert K. nichts beanspruchen. Dabei hätte er durchaus Möglichkeiten gehabt, seine rechtliche Position zu verbessern. Möglichkeit 1: Hubert K. hätte regeln können, dass sein Arbeitsverhältnis als Bereichsleiter für die Dauer der Bestellung ruht und im Falle einer Abberufung als Geschäftsführer wieder auflebt. In diesem Falle würde er auf seinen vorherigen Stand, in dem er Kündigungsschutz genießt, zurückfallen. Der Arbeitgeber müsste sich mit K. auf die Zahlung einer Abfindung verständigen, vorausgesetzt, es liegen keine Rechtfertigungsgründe für eine Kündigung vor. Möglichkeit 2: Hubert K. regelt im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses bereits eine Abfindungszahlung für den Fall, dass sein Anstellungsverhältnis gekündigt wird. Hier findet man häufig Berechnungsformeln, die sich an der Dauer der Betriebszugehörigkeit orientieren. Möglichkeit 3: Hubert K. schließt einen befristeten Vertrag für fünf Jahre ab. Im vorstehenden Beispielsfall hätte dies bedeutet, dass die Gesellschaft einen Zeitraum von vier Jahren und neun Monaten hätte abfinden müssen. Bei dieser Variante ist allerdings zu beachten, dass in der Praxis die Unternehmen immer häufiger darauf spekulieren, dass der Manager die Geduld verliert und aus seinem Vertrag rausmöchte, weil er andere berufliche Optionen hat. Und in der Tat hat die Gesellschaft die Gelegenheit, den Geschäftsführer am ausgestreckten Arm „verhungern“ zu lassen und ihn damit, allerdings teuer bezahlt, kaltzustellen. Aus diesem Grunde sollte man als Geschäftsführer versuchen, bei befristeten Verträgen im Falle einer Abberufung ein Sonderkündigungsrecht für sich auszuhandeln, welches bei der Ausübung dazu führt, dass bei Beendigung die Restlaufzeit des Vertrags abzufinden ist. :LUVLQG7HLO GHU/ÐVXQJ :HU3O¾QHIÖUGLH=XNXQIWKDWZLOOVLH DXFKXPVHW]HQ'LH%ÐUVHXQWHUVWÖW]W GLH:LUWVFKDIWGDEHLLQGHPVLHHIIHN WLYH0ÐJOLFKNHLWHQELHWHWDQ:DFKV WXPVNDSLWDO]XJHODQJHQ$XFKQLFKW EÐUVHQQRWLHUWH8QWHUQHKPHQNÐQQHQ $QOHLKHQHPLWWLHUHQXQGVLFKVRPLW .DSLWDODXVVWDWWHQ'DPLWOHLVWHWGLH %ÐUVHLKUHQ%HLWUDJ]XU8QWHUVWÖW]XQJ GHU5HDOZLUWVFKDIWXQG]XU6LFKHUXQJ YRQ$UEHLWVSO¾W]HQ www.deutsche-boerse.com/teilderloesung IDEEN& INNOVATIONEN BENJAMIN OTTO HAT DER MANN DAS ZEUG ZUM GROSSUNTERNEHMER? 56 MÄZENE WER FINANZIERT DIE FORSCHUNG? 60 KOWALSKYS CRASHTEST SCHLUSS MIT DEM RASENMÄHEN 65 50 JUNI 2014 DIGITALE MEDIZIN Praxis in der Wolke Internetwirtschaft und Gesundheitswesen: Das passt zusammen. Smartphones, Tablets und Datenbrillen versetzen Kranke und Gesunde, Ärzte, Kassen und Hospitäler in einen Datenrausch. Die Digitalisierung der Medizin ist der nächste Multimilliardenmarkt. JUNI 2014 51 IDEEN UND INNOVATIONEN Telemedizin Die Telekom erprobt ein System, bei dem Patienten ihre Daten selbst messen und automatisch per Handy übertragen. Google operiert mit Chirurgen bekommen per Google Glass Informationen für die Operation. G Guter Mann, der Axel Wehmeier (48). Ein Prachtmanager: Der Anzug sitzt wie angegossen, die Krawatte wie von Meisterhand geknotet, volles Haar und gute, lange Koteletten – das sieht alles gesund und kernig aus und das Hemd, als sei es überhaupt erst heute morgen gekauft worden. Nirgendwo auch nur das geringste Gemurkse. Über sein Geschäft redet Wehmeier in ruhigen, klugen Worten, Mimik und Gebärdenspiel aufs Notwendige reduziert. Dass dieser Mann von etwas anderem geleitet sein könnte als von seinem Verstand, den er in nicht zu knappen Mengen besitzt, scheint ausgeschlossen. Man denkt: Vier Stück von seiner Sorte, und man hätte praktisch eine Garnitur beisammen, und dann könnte eigentlich gar nichts mehr schiefgehen. In Wahrheit ist Wehmeier aber ein Utopist. „Felsenfest“ ist er „davon überzeugt, dass das Internet auch die Gesundheitswirtschaft komplett umkrempeln“ werde. Das ist zunächst einmal keine Überraschung, da das Internet die Regeln praktisch aller Branchen umgeschrieben hat. Dann legt er weitgehend alle Zurückhaltung ab und sagt, was er auch dem Handelsblatt schon einmal diktiert hat: „Die Gesundheit ist das nächste große Ding der Digitalisierung.“ Seit vier Jahren führt der Schwarmgeist das Geschäftsfeld Gesundheitswesen der Deutschen Telekom. Anfang des Jahres wurde seine Abteilung, die IT-Dienste anbietet und nach jüngsten Berechnungen bereits knackige 100 Millionen Euro umsetzt, abgetrennt und mit ihren rund 700 Beschäftigten in einer eigenen GmbH ausgewildert. Arbeit gibt es genug. Wie groß der 52 Das Internet wird auch die Gesundheitswirtschaft komplett umkrempeln.“ Axel Wehmeier, Deutsche Telekom Gesundheitsmarkt ist, lässt sich kaum feststellen: Er wächst so schnell, dass man mit dem Zusammenzählen ständig neu anfangen muss. Allein in Deutschland flossen im vergangenen Jahr rund 300 Milliarden Euro ins Gesundheitswesen, ganz zu schweigen von all den ungezählten Milliarden, die für die allgemeine Körperertüchtigung und das Wohlbefinden ausgegeben werden. Weil die Leute in den Industriestaaten immer älter werden und ihre Ansprüche an die medizinische Versorgung steigen, dehnt sich der Markt mit einer Rapidität aus, die Leute wie Wehmeier in eine Stimmung versetzt wie im Kalifornien des Jahres 1848: In der Branche herrscht Goldfieber. Laut einer Prognose der Unternehmensastrologen von McKinsey erhöht sich der Anteil der Gesundheitsausgaben am Sozialprodukt (im Jahr 2005 waren es ungefähr zehn Prozent) bis 2050 auf über 25 Prozent. 2070 könnten bereits knapp 50 Prozent erreicht sein. Aber auch nur theoretisch. Denn praktisch wäre das nicht mehr zu finanzieren. Leute wie Wehmeier lieben solche Annahmen und Hochrechnungen: Denn, wo Kosten steigen wie Leuchtraketen, da finden auch Kostenlöscher ihr gutes Auskommen. Wehmeier und seine Leute glauben, die richtigen IT-Lösungen parat zu haben: Nach seiner Kalkulation könne die Vernetzung von Ärzten und Patienten, von Krankenkassen und Hospitälern über Rechenzentren (Datenwolken) die Ausgaben im Gesundheitssektor um bis zu 20 Prozent senken. Wer seine Röntgenbilder durchs Netz jagen kann, statt sie auf Speicherfolie oder DVD vom Internisten abzuholen und artig beim Orthopäden abzuliefern, der spart Zeit und Geld und Nerven. „Wir bauen standardisierte Plattformen“, sagt Telekom-Kommandeur Timotheus Höttges. „Denken Sie an das Bild einer Steckerleiste, an die Partner mit ihren Diensten einfach andocken.“ Im vergangenen Dezember hatte sich die Telekom beziehungsweise ihre Tochtergesellschaft JUNI 2014 DIGITALE MEDIZIN Alle werden Arzthelfer Puls und Blutdruck wird selbst gemessen und per Internet übertragen. Voll vernetzt Blutzuckermessung für Diabetiker. T-Systems bereits der Gesundheitsabteilung des IT-Dienstleisters Bright One bemächtigt. Dieser Geschäftszweig setzt, unter anderem mit Krankenhausdatenbanken, rund 20 Millionen Euro um und tritt besonders hervor mit dem Krankenhaus-Informationssystem I-Med-One. Mit über 200 angeschlossenen Krankenhäusern und mehr als 100 000 Anwendern liegt es auf Rang vier in Deutschland. Für Wehmeier ist die Übernahme bis dahin der „wichtigste Schritt“ für seinen Gewerbezweig gewesen. Befunde und Rasende, ungebremste Kosten Wenn es so weitergeht wie bisher, steigen die Gesundheitsausgaben in den USA bis auf zwei Drittel des Sozialprodukts. USA Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt 70% 60% FRA 50% Deutschland 40% GBR 30% MEX 20% 10% Fotos: Xxxxxxxxx 0% 2005 2030 2050 2070 Das Modell rechnet mit einem Wachstum der Gesundheitskosten, das zwischen 0,95 und 1,9 Prozent über dem angenommenen Wachstum des Sozialprodukts liegt – wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Quelle: OECD JUNI 2014 20 Prozent der Deutschen würden sich ein Halbleiterplättchen einpflanzen lassen, das ihre Körperdaten misst und speichert. Arztbriefe versenden, Laborwerte grafisch darstellen, verordnen, diktieren, beauftragen – all das soll mit I-Med-One laufen wie geschmiert. Wahrsager behaupten, dass allein der Markt der Krankenhaus-Infosysteme, mit denen Ärzte und Lazarette Patientendaten austauschen, schon bald auf einen Umfang von fünf Milliarden Euro anschwelle. V Von Großunternehmen bis zum Kleinbetrieb: Am Gesundheitsgeschäft will jeder verdienen. Natürlich sind alle namhaften Medizintechniker dabei, von General Electric über B. Braun und Philips bis zu Siemens; auch Internetkonzerne wie Google oder Facebook wühlen mit und natürlich Mobilfunkunternehmen wie T-Systems oder der US-Konzern Qualcomm. Sogar Bosch, als Autozulieferer bekannt, hat seine Liebe zum Gesundheitswesen entdeckt. Hinzu kommt, wie in der Internetwirtschaft üblich, eine lebendige Gründerszene und eine schier unübersehbare Anzahl von Einzelkämpfern, die Anwendungen für mobile Rechner entwickeln. Der Zunftverband Bitkom will knapp 15.000 mobile Gesundheits-Anwendungen gezählt haben, dreimal so viel wie vor vier Jahren; die US-Studie Research 2 Guidance kommt sogar auf weltweit 97.000 „Mobile-Health-Apps“. 2017 sollen 1,7 Milliarden Menschen mindestens ein Gesundheitsprogramm auf ihren Telefonrechnern nutzen, mit denen sie Körperdaten sammeln, speichern, auswerten, deuten und bei Bedarf (an den Hausarzt oder die Klinik) versenden. Schon heute überprüfen viele Patienten ihren Allgemeinzustand auf mobile Art und Weise: nehmen Seh- und Hörtests vor, messen ihren Blutdruck, schicken Fotos von Muttermalen an ihren Hautarzt, verbinden ihre Zahnbürsten über Bluetooth mit dem Rechner, um den Putzbetrieb zu optimieren. Herz- oder Zuckerkranke proto- 53 IDEEN UND INNOVATIONEN Kollege diagnostiziert mit Im Krankenhaus vernetzen sich Ärzte mit aushäusigen Fachleuten. kollieren ihre Vitalwerte und lassen sich von ihrem Iphone an die Einnahme ihrer Arzneien erinnern. Jeder fünfte Deutsche würde sich, laut einer Bitkom-Umfrage, sogar ein Halbleiterplättchen unter die Haut pflanzen, das die Körperwerte kontrolliert. Kein Experte zweifelt mehr daran, dass die Massendigitalisierung das Gesundheitswesen gründlich verändert. Diagnosen sind überall sofort verfügbar, Doppeluntersuchungen entfallen, der Verwaltungsaufwand sinkt. Dem Fortgang können sich die Ärzte nicht entziehen: Viel zu stark ist der Kostendruck. McKinsey-Berater schlagen Alarm: „Wenn nicht schnell innovative Methoden zur Behandlung realisiert werden, dann wird das Gesundheitssystem nicht mehr in der Lage sein, die Menschen ausreichend zu versorgen!“ Allenthalben wird geforscht und getestet. Rund 400 Projekte beschäftigen sich gegenwärtig in Deutschland mit Möglichkeiten zur Nutzung des Internets für die Gesundheitswirtschaft. Im Mittelpunkt stehen die Folgen der demografischen Entwicklung: Aufgrund des steigenden Durchschnittsalters nehmen chronische Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck deutlich zu. Rund 80 Prozent der Kostensteigerung gehen, laut McKinsey, allein auf diese beiden Krankheiten zurück. Die Nachsorge von Operierten, das Netz-Tagebuch für Diabetiker, der Herzschrittmacher, der seine Daten über Bluetooth funkt oder der elektronische Notfallmelder für ältere Menschen – all dies ist längst gängige Praxis. Philips, einer der großen Hersteller von Medizintechnik, liegt bei der Entwicklung telemedizinischer Geräte in der Spitzengruppe. Das Unternehmen hat ein System zur Fernbehandlung chronisch Kranker auf den Markt gebracht: Motiva. Die Patienten erhalten Apparate zur Aufzeichnung und zum Senden ihrer Daten sowie ein Beistellgerät für den Fernseher, mit dem sie persönliche Hinweise zur gesunden Lebensführung empfangen. Die Telekom hat in den vergangenen Jahren 54 Wir buchen Flüge und Hotels im Internet, warum nicht den Arztbesuch?“ Klaus Rupp, Techniker Krankenkasse mit zwei Kliniken in Cottbus und Brandenburg ein Telemedizin-Netzwerk für Herzpatienten aufgebaut: Hausärzte und Kardiologen betreuen 500 Patienten mit chronischer Herzschwäche. Die Kranken wurden ausgerüstet mit Messgeräten und einem Brettrechner, der ihre Daten an die Kliniken sendet, wo sie von Ärzten rund um die Uhr überwacht werden. „In Brandenburg haben wir das erste flächendeckende Telemedizinnetz Deutschlands mit aufgebaut“, sagt Wehmeier. Die Projekte dienen freilich nicht nur der medizinischen Versorgung, sondern auch dem Abbau nervtötender Aspekte im Leben eines Patienten. So hat die Techniker Krankenkasse einen Test mit der Terminvereinbarung bei Ärzten unternommen. „Wir buchen mittlerweile selbstverständlich Flüge, Bahntickets, Hotels und ganze Reisen im Internet, warum nicht auch den Arztbesuch“, sagt Klaus Rupp (47), Leiter des Versorgungsmanagements. Mehr als 10.000 Personen nahmen an dem Versuch teil, knapp 60 Prozent zeigten sich bei der anschließenden Auswertung zufrieden. „Besonders positiv empfinde ich, dass es möglich war, abends nach 22 Uhr einen Arzt zu finden, der am nächsten Tag einen Termin freihatte“, freute sich eine Teilnehmerin. A Auch in Krankenhäusern tragen mobile Rechner inzwischen dazu bei, die Versorgung zu verbessern und die Abläufe zu beschleunigen. Das Waldkrankenhaus in Spandau arbeitet mit der Telekom beim Einsatz solcher Geräte zusammen. Als sie das erste Mal bei der Visite mit einem Ipad aufgetaucht sei, berichtet eine junge Ärztin, hätten ihre Patienten geglaubt, sie hätte ihren privaten Computer dabei. „Als ich ihnen dann aber ihre Röntgenbilder und andere Befunde zeigen konnte, waren sie überzeugt“, sagt sie. Seit dem vergangenen Jahr testen Philips und JUNI 2014 So sieht’s innen aus Digitale 3D-Darstellungen helfen den Chirurgen bei der Operationsvorbereitung. Skeptische Ärzte Die Patienten sind aufgeschlossener als die Mediziner. die Beratungsfirma Accenture den Einsatz von Google Glass im Klinikbetrieb: Die Datenbrille ist mit einem Philips-Überwachungssystem verbunden und zeigt einem Chirurgen bei der Operation kontinuierlich alle notwendigen Informationen, ohne dass der sich auch nur einen Augenblick vom Operationstisch abzuwenden braucht. „Das Konzept zeigt, wie digitale Technik unsere Arbeit verändert“, sagt Paul Daugherty, Technischer Direktor bei Accenture. Geforscht und getestet, studiert und probiert wird überall. Doch das eigentliche Ergebnis der digitalen Revolution, die Vernetzung der Akteure, die grenzenlose Verfügbarkeit aller Informationen an jedem Ort und zu jeder Zeit, ist noch nicht Realität. Dies gilt auch und vor allen Dingen für Deutschland, wo die Gesundheitswirtschaft denselben Gesetzen gehorcht wie vor 50 Jahren. Die Beharrungskräfte sind enorm. Das hat mit einer weithin geringen Aufgeschlossenheit für Neuerungen zu tun, aber auch mit handfesten Wirtschaftsinteressen. „Wenn neue Anbieter auf den Markt kommen, fürchten die alten, verdrängt zu werden“, sagt Stefan Biesdorf (45), McKinsey-Partner und Experte für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Viele Hausärzte verweigern sich, weil sie fürchten, dass etwa telemedizinische Angebote ihre Praxen leeren. Natürlich spielt auch die Frage des Datenschutzes eine große Rolle. Medizinische Daten sind sensibel. Wer in die Computersysteme von Banken eindringen kann, der ist auch in der Lage, Patienten-Konten zu knacken. Für Klaus Rupp von der Techniker Krankenkasse steht aber fest: „Es gibt Antworten. Am Ende wird der gewinnen, der die Sicherheitsfrage löst.“ Auch für Axel Wehmeier ist das eine nüchterne Management-Aufgabe, anspruchsvoll, aber lösbar. Mag sein, dass es ein paar Jahre länger dauert, am Erfolg zweifelt er nicht: „Ob Kassen, Patienten, Ärzte oder Kliniken – alle müssen irgendwann in der digitalen Welt ankommen.“ RAINER HUPE JUNI 2014 Digitale Patienten, analoge Ärzte Auch die gesundheitsbewussten sogenannten „Silver-Surfer“ reiten auf der digitalen Welle: Fast drei Viertel aller Deutschen über 65, die mit dem Internet vertraut sind, würden medizinische Dinge mit Digitaltechnik selbst in die Hand nehmen. 73 Prozent der Alten möchten via Internet an Untersuchungen oder die MedikamentenEinnahme erinnert werden, 81 Prozent würden einen elektronischen Zugang zu ihrer Patientenakte nutzen. So lauten die wesentlichen Ergebnisse einer Umfrage der Beratungsfirma Accenture. Dem Elan der Alten stehen die Jüngeren nicht nach. 70 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass den Patienten der digitale Zugriff auf ihre Krankenakte möglich sein sollte. Knapp die Hälfte würde sogar den Arzt wechseln, um dies zu erreichen. „Der Wunsch nach einer Digitalisierung des Gesundheitswesens ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt AccentureGeschäftsführer Sebastian Krolop (Foto). Nur die Ärzte ziehen bislang noch nicht so richtig mit. Zwar wenden sie Digitaltechniken an, erfassen elektronisch Notizen im Patienten- gespräch. Doch den entscheidenden Vorteil der Vernetzung, also die Möglichkeit, Informationen schnell und einfach mit Kollegen, Krankenhäusern, Apotheken, Krankenkassen und natürlich auch ihren Patienten selbst auszutauschen, nutzen sie kaum: Nur einer von fünf Ärzten bietet diese Leistung an, und nur jeder achte ist bereit, seinem Patienten den vollen Zugriff auf seine Akte zu gewähren. Viele der früheren Halbgötter in Weiß sind noch nicht in der digitalen Dienstleistungsgesellschaft angekommen. Angeblich auch wegen ungelöster Fragen des Datenschutzes, was 17 Prozent der deutschen Mediziner anführen. Dennoch geht der Trend eindeutig zur Digitalisierung. „Ärzte, die dieser Nachfrage nicht gerecht werden“, sagt Accenture-Mann Krolop, „laufen Gefahr, dass ihre Patienten mit den Füßen abstimmen. Die Digitalisierung wird zum bestimmenden Unterscheidungsmerkmal.“ Patienten wollen digitalen Zugriff – oder andere Ärzte. AccentureGeschäftsführer Sebastian Krolop 55 BEN JA MIN In seiner Mitte Buddhismus, für Benjamin Otto bedeutet das Offenheit. Er meditiert, um er selbst zu sein. 56 JUNI 2014 BENJAMIN OTTO Sein Großvater baute das Versandhaus auf, sein Vater machte es zum Weltkonzern. Jetzt führt Gründerenkel Benjamin Otto ein eigenes Unternehmen im Familienbetrieb. Will er das überhaupt? Oder kann er nur nicht anders? Foto: Jan Riephoff E JUNI 2014 Es war einer dieser ersten, stillen Januartage. 2012 hatte gerade erst begonnen, und von der Betriebsamkeit des neuen Jahres war noch nichts zu spüren, als Benjamin Otto (38) zu seinen Eltern fuhr, um mit seinem Vater Michael (71) in die Sauna zu gehen, was die beiden ganz regelmäßig tun. „Was meinst du“, fragte Benjamin Otto, nachdem sie sich wieder abgekühlt hatten, „ist es nicht mal an der Zeit, was radikal Neues zu machen?“ Michael Otto ging ein bisschen mit sich zurate und antwortete dann: „Es gibt da schon was ...“ Es ging den beiden nicht darum, wie sie sich die Zeit künftig auf andere oder erfrischendere Weise vertreiben könnten; es ging, wie so häufig in der Familie Otto, ums Geschäft: Das „radikal Neue“, über das sich Michael Otto, der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, und sein Stammhalter an jenem Januartag unterhielten, war ein Vorhaben, das den Allesversender von Grund auf verändern und sozusagen auf die nächste Entwicklungsstufe heben sollte. So hatten sie sich das jedenfalls vorgestellt im Hause Otto. Sie wünschten sich oder träumten doch zumindest davon, dass sich die Menschen ein neues Bild machen sollten von ihrem Unternehmen und es nicht mehr gedankenlos und unwillkürlich mit bibeldicken Katalogen in Verbindung brächten wie VW mit dem Golf. Benjamin Otto denkt an das Gespräch mit seinem Vater zurück. Jetzt, zwei Jahre später, sitzt er in Hamburg-Eppendorf, sehr aufrecht, ohne eingesunkene Schultern und krummen Rücken, wie es sich viele Männer aus bloßer Freundlichkeit angewöhnen, die so lang sind wie er, nämlich einen Meter fünfundneunzig. Aus der Idee, die damals nach dem Saunagang entstand, hat sich die Firma Collins zur Entfaltung gebracht, ein Betrieb in der Spezialdisziplin des Internethandels, registriert als Tochtergesellschaft des Versandhauskonzerns. Otto hat bekanntlich einige Schwierigkeiten mit der Netzkonkurrenz, namentlich mit Veranstaltern wie Zalando und vor allen Dingen natürlich mit Amazon. Mithilfe von Collins wollen die Hamburger ihren Widerstand nun ein wenig verschärfen, zumindest in der Fachrichtung Schuhe und Bekleidung. Rund 50.000 Artikel führt das Unternehmen im Sortiment. Auch unabhängige Entwickler (und dies ist das Neue) dürfen mit eigenen Anwendungen bei Collins auftreten und die Pullunder, Bolerojäckchen und Röcke verkaufen. Gesetzt den Fall, dass sich eine dieser Anwendungen als besonders benutzerfreundlich und leistungsstark entpuppt, erhält ihr Erfinder eine gewisse Umsatzbeteiligung. Die Idee klingt nicht schlecht. Man wird sehen, ob das auch alles so funktioniert, wie sie sich bei Collins das vorstellen. Die 140 Collins-Leute belegen zurzeit noch drei Etagen in einem Büroquader mit sechs Geschossen. Glas und Rotklinker lassen das Gebäude etwas weniger klobig wirken. Aber viel bringt das auch nicht. Hamburg verfügt in dieser Gegend, hinterm Universitätsklinikum gelegen und eine Stunde Fußweg von der Innenstadt entfernt, nur über wenig Reiz und Abwechslung: Büros, Wohnhäuser, bieder bis gediegen. Weder hip noch hässlich. Benjamin Otto bittet um Nachsicht für die Unordnung in seinem Büro, in dem gar keine Unordnung herrscht, aber der Eindruck, dass der Chef eine gewisse Vorliebe 57 IDEEN UND INNOVATIONEN Das Otto-Quartett 2007 Benjamin mit Mutter Christl, Vater Michael und Schwester Janina. 58 „Mein Großvater und Vater waren ja wirklich sehr erfolgreich“, sagt Benjamin Otto. „Da ist es schwer, sich abzuheben.“ Schwer ist es vor allem, den Erwartungen gerecht zu werden, die sich vor dem jungen Otto auftürmten wie Gebirge. In seinen Augen ist der Vater perfekt. Welchen Sinn konnte es haben, dies auch noch der ganzen Welt unter die Nase zu reiben, indem er, Benjamin, sich als sein Nachfolger versuchte? Benjamin ist zu jung, als dass man schon sagen könnte, dass er das Unternehmer-Gen hat.“ Frank Otto, Benjamins Onkel, sagt, dass sein Vater Werner Otto auch erst mit 50 entdeckt habe, dass er ein echter Unternehmer sei. M Manche wären davongelaufen, vor dem Wunsch des Vaters nach einem Nachfolger, vor den Ansprüchen, die man auch an sich selbst stellt. Benjamin Otto lernte Bankkaufmann bei der Berenberg Bank und studierte Wirtschaftswissenschaften an der European Business School in London. 2002 gründete er eine Firma für Haus-, Medientechnik und Immobilienentwicklung. Heute erwirtschaftet die Intelligent Group einen Umsatz von etwa 70 Millionen Euro, die Geschäfte führt sein Kompagnon Marius Marschall von Bieberstein (36). Trotz seiner erfolgreichen Unternehmerkarriere bedrängte ihn doch immer die Frage, wie es wohl weitergehe. Der Vater, auf ihn hoffend, hatte HansOtto Schrader (57) die Führung des Konzerns anvertraut. Schrader ist ein hervorragender Manager, aber eben doch nur ein Statthalter für jenen nächsten Otto, der eines Tages doch einfach kommen musste. Er hat immer auf eine Aufgabe gewartet, die wirklich zu ihm passt. Und bei Collins, sagt Benjamin Otto, zum ersten Mal gespürt, dass dieses Projekt etwas sei, „womit ich als nächste Generation etwas anderes und Eigenes machen kann“. Das Praktische: Niemand aus der Familie hat sich je an einem ähnlichen Unterfangen versucht, an niemandes Erfolg muss er sich messen lassen. Benjamin Otto fängt bei Otto an, ohne bei Otto anzufangen: mit einem kleinen Unternehmen innerhalb des großen. 2016 endet der Vertrag von Konzernchef Schrader. Ob er Ambitionen hat, ihm nachzufolgen? Er lässt es offen. JUNI 2014 Foto: picture-alliance/ dpa (3) fürs Stapeln hat: Bücher, Schriftstücke, Unterlagen aller Art – alles schön übereinander. Die Morgensonne knallt zum Fenster herein, es gleißt, und Otto hat die Jalousien runtergelassen. Das Schild neben der Bürotür trägt einen fremden Namen. Otto legt keinen Wert darauf, es auszuwechseln. Interessiert ihn nicht, lohnt auch nicht. Das Eppendorfer Büro ist sowieso zu klein, im Sommer ziehen Otto und sein Ensemble in die Innenstadt um. Er trägt kein Jackett an diesem Frühsommertag, aber dass er der Chef ist, erkennt man trotzdem: Das Hemd hat einen zarten Fliederton, und es sieht aus wie geplättet, nicht nur wie gebügelt. Seine Schuhe sind entweder lackiert oder so ausgiebig poliert worden, dass ein durchschnittlicher Polierer drei Wochen dafür brauchte, um so einen Glanz zu erzeugen. Falls dem das überhaupt gelänge. All die anderen jungen Leute, die durch die Gänge traben, brauchen weder Bügeleisen noch Politur: Sie tragen T-Shirts und Turnschuhe. „Ich bin froh, dass Otto bei Collins ganz ohne Grenzen gedacht hat“, sagt er mit einer unerwartet hellen Stimme und meint damit, dass das alte Haus hier wirklich mal etwas radikal Neues ausprobiert. „Es ist sicher wesentlich schwieriger, im Konzern in kurzer Zeit sehr viel zu verändern.“ Benjamin Otto hat lange darüber nachgedacht, ob er den Weg ins Unternehmen seiner Familie gehen soll, und wenn ja, wie er ihn denn finde, seinen eigenen Weg. Ja, ja, er könne sich durchaus vorstellen, eines Tages bei Otto einzusteigen, hatte er den Leuten immer geantwortet, die ihn mit der Frage nach der Konzernführung gelöchert und wahrscheinlich auch ein wenig aufgezogen hatten. Was man halt so sagt, wenn man nicht genau weiß, was man will, beziehungsweise nicht weiß, ob man überhaupt auch nur annähernd so viel Zeug dazu hat wie der Vater und Großvater. Als Michael Otto 1971 in den Otto-Vorstand einrückte, war er 28 Jahre alt, ein junger Kerl. Schon ihm hatten sie als Nachfolger des Gründers nicht viel zugetraut: Michael Otto sei ein „Öko-Spinner“, feixte man damals. Der verspiele noch das Erbe, fürchteten die Mitarbeiter. Aber Michael Otto kam mit dem Druck zurecht, er amtierte bis 2007 und machte den Otto-Versand zum Weltkonzern. BENJAMIN OTTO Collins-Partner Tarek Müller Der Otto-Kompagnon stellte Anfang Mai den Collins-Ableger About You vor. Otto spricht, als höre er sich dabei genau zu. Bisweilen bleiben seine Sätze unvollendet, als sei er unzufrieden mit ihnen. Dann setzt er neu an. Wenn er über Dinge redet, über die er oft nachgedacht hat, sagt er: „ich merkte“ oder „ich wurde mir darüber bewusst“. Dann klingt er hölzern. Antwortet er gefühlsmäßig, sagt er: „ich habe mich gelöst“, „ich bin gereist“. Benjamin Otto mag Technik, schon als Kind daddelte er natürlich lieber am Computer herum als Lateinvokabeln zu pauken. Also bastelte er sich einen Lichtmelder, der ihn alarmierte, wenn sich Mutter Christl dem Kinderzimmer näherte. Benjamin schaltete den Computer aus, hechtete an den Schreibtisch und schlug das Buch auf. Sein Idol wurde Bill Gates. Er sei ganz normal aufgewachsen, sagt er. So normal es eben geht, wenn man ein Milliardärssohn ist und der Vater fürchten muss, dass seine Kinder (Benjamins Schwester Janina ist zwei Jahre älter) Opfer einer Entführung werden könnten. Wenn seine Freunde Fahrrad fuhren, dann wurde er chauffiert. Wenn die vom Rad stiegen, parkte sein Fahrer in Sichtweite. Ah, das war schon unangenehm. Manchmal fragten ihn die Kinder danach: „Was macht der denn da? Und warum guckt der so?“ „Ich habe dann gesagt: Ach, das ist unser Gärtner.“ Die Eltern verwöhnten Benjamin nicht, oh nein. Er bekam weniger Taschengeld als viele Klassenkameraden. In der Familie erzählt man sich die Anekdote, dass sich Benjamin von seinem Vater einmal einen neuen Computer gewünscht und der ihm gesagt habe, er könne doch seinen alten erst einmal verkaufen. Dann bekäme er für den neuen etwas dazu. Benjamin Otto sagt, daran könne er sich nicht erinnern. Aber die Geschichte klinge typisch für seinen Vater. Wahr ist: Im Sommer auf Sylt wusch er den Staub von den Autos und verdiente gut daran. Verfügt auch Benjamin Otto über ein Unternehmer-Gen wie sein Vater und Großvater? „Benjamin ist zu jung, als dass man schon sagen könnte, dass er es hat“, sagt sein Onkel Frank Otto (53). „Mein Vater hat es erst mit 50 bei sich festgestellt, und Michael ist vom Sohn, der erst mal nur im Einkauf tätig war, zu einem gestandenen, souveränen Typen geworden.“ Seinen Neffen nehme er als jemanden wahr, „der sich viel damit beschäftigt, wie er sich verhält – und ob er die Familie mit dem, was er tut, be- JUNI 2014 Der elterliche Betrieb und seine mögliche Rolle darin, das hat ihn sein Leben lang begleitet.“ Marius Marschall von Bieberstein, Geschäftspartner schmutzt“. Eine Zeit lang hatte es Benjamin Otto mit Abstand. Er studierte in London und verbrachte ein Semester in Buenos Aires. Das sei wahrscheinlich die schönste Zeit seines Lebens gewesen. Nach dem Studium zog er nach Berlin, fuhr VW Golf, wohnte günstig und war für die Freunde einfach nur „Benni“: „Durch die Distanz hatte ich erstmals ein starkes Gefühl von Freiheit und freier EntfaltungsMöglichkeit.“ Eltern oder Firma abzustreifen – nein, das habe er nie gewollt. Richtig entfernen konnte er sie nie. Thema seiner Bachelorarbeit: „Die Bedeutung des Internets für den Versandhandel“. „Der elterliche Betrieb und seine mögliche Rolle darin, das hat ihn sein Leben lang begleitet“, meint Geschäftspartner von Bieberstein. Ja, sagt Otto, das sei „in der Familie so verankert wie ein Familienmitglied und auch wie eine Ehre; etwas Besonderes, das man automatisch mitnimmt“. Otto betrachtet sich als einen vom christlichen Glauben geprägten Buddhisten. Er könne „viel authentischer sein“, wenn er meditiert habe, in seiner „Mitte“ sei „und aus einer ganz anderen Kraft heraus agieren kann“. Ja, er könne natürlich auch bestimmend und fordernd sein. Aber er versuche, die „Menschen nicht in eine Richtung zu drängen, sondern selbstständig arbeiten zu lassen. Ich halte das für sehr wichtig“. SOPHIE CROCOLL Projekt Collins Über 100 Millionen Euro steckt die Otto-Gruppe in das Collins-Experiment, mit dem sie beweisen will, dass sie mehr kann, als ihren Katalog ins Internet zu stellen. Etwa sechs Milliarden Euro, die Hälfte des Umsatzes, erzielt der Hamburger Konzern inzwischen im Netz. Benjamin Otto arbeitet bei Collins mit Tarek Müller (25) zusammen, einem „Hardcore-E-Commercer“, wie ihn Otto-Vize Rainer Hillebrand nennt: Der kennt sich aus mit Handel im Internet. Projekt Collins mit den Seiten About You und Edited macht auf Modemagazin, das zeigt, was angesagt ist, aber über Anwendungen externer Entwickler Raum für einen Stil lässt, mit dem man sich abhebt. So will der Konzern junge Frauen zwischen 20 und 40, die dem Otto-Versand untreu geworden sind, wieder an den Konzern binden. 59 IDEEN UND INNOVATIONEN WO MÄZENE SICH MONUMENTE SETZEN Millionäre und Milliardäre finanzieren einen Großteil der Forschung in den USA. Gut. Einerseits. Andererseits birgt das System auch Gefahren: Die Wissenschaft macht sich abhängig von Privatinteressen. Fließen Sponsorengelder womöglich in die falsche Richtung? Ohr zur Welt Mit dem Allen Telescope Array lässt Microsoft-Mitgründer Paul Allen nach Außerirdischen suchen. 60 JUNI 2014 Fotos: Bill & Melinda Gates Foundation, Corbis WISSENSCHAFTSMÄZENE Stillster Ort Neu-Delhis Paul Allens Microsoft-Kollege William Gates kümmert sich sozusagen um das Naheliegende. 61 IDEEN UND INNOVATIONEN Biggest Spender Die Bill-und-Melinda- GatesStiftung in Seattle ist die größte private Wohltätigkeitsorganisation der Welt: Mehr als 25 Milliarden Dollar hat sie seit ihrer Gründung 1999 für Hilfsprojekte ausgegeben. S Selbst einem der abgefeimtesten Geschäftsleute weit und breit, dem Microsoft-Gründer William Henry Gates (58), gelingt nicht alles. Das ist eine beruhigende Nachricht. Die beunruhigende Nachricht ist, dass die von seiner Stiftung bezahlte Forschungsinitiative Reinvent the Toilet auch nach einer halben Ewigkeit dreijährigen Experimentierens noch keinen Schritt weitergekommen ist auf dem Weg zu einem Klosett, das es in puncto Praktikabilität mit den besten Latrinen der Welt aufnehmen kann. Es sieht so aus, als müssten sich jene 2,5 Milliarden Benachteiligte, die schon heute mit dem Nötigsten nicht auskommen, auch in nächster Zeit ohne jene Einrichtung leben müssen, die man gemeinhin und fröhlicherweise als „sanitäre“ bezeichnet. „Bill Gates schafft es nicht, eine Toilette zu bauen“, höhnte der Ingenieur Jason Kass in einem Leitartikel der New York Times. Ausgerechnet Kass, der selbst einige Fehlschläge in der gleichen Disziplin erlitten hat. Senkgrube oder Wasserspülung, dabei wird es vorerst bleiben. Die unter Beihilfe der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung erdachten Aborte seien technisch unausgereift und überdies zu anfällig, findet Kass – und vor allem seien sie zu teuer, als dass sie sich lohnenderweise unter den Leuten zum Einsatz bringen ließen. Denn die Ansprüche, die Gates an den stillen Ort stellt, sind drastisch: Die Toilette möge die Obliegenheiten einer Kläranlage und auch die eines Biokleinkraftwerks erfüllen. Man wird sehen, welche Fortschritte die Zivilisation auf diesem Gebiet macht. Unterdes heben zwei andere Microsoft-Veteranen ihre Nasen, blicken in den Himmel und greifen nach den Sternen: Der Microsoft-Mitgründer Paul Allen und sein ehemaliger Vorausdenker Nathan Myhrvold lassen den Kosmos nach Außerirdischen abhorchen. Nötig wurde die Privatinitiative, weil sich der Mission, andere Geschöpfe im All zu finden, sonst wohl 62 30 Millionen Dollar Paul Allen (Foto) und sein alter Microsoft-Mitstreiter Nathan Myhrvold trieben diesen Betrag auf in der Hoffnung, die eine Nachricht aus dem Himmel aufzufangen. Das wird ein Hallo geben, wenn es tatsächlich klappte! niemand mehr angenommen hätte. Der US-Regierung erschienen die Aufwendungen in dieser Angelegenheit zu hoch. Als sich abgezeichnet hatte, dass der University of California in Berkeley, die bis dahin mit der Fahndung befasst gewesen war, wohl in Bälde die Mittel ausgehen würden, trieben Allen und Myhrvold rund 30 Millionen Dollar auf, was ihnen nicht schwerer gefallen sein dürfte, als auf eine Hupe zu drücken. Sie ließen die Lauschaktion zwischen den Fixsternen fortsetzen mithilfe des nunmehr als Allen Telescope Array getarnten Radiofernrohrs im kalifornischen Hat Creek. Die Beispiele – von der Toilette bis zum Teleskop – veranschaulichen, wohin es führen kann, wenn Privatleute die Dinge selbst in die Hand nehmen, um Forscher und Fortschrittler zu neuen Bestleistungen anzustacheln, ja richtiggehend anzustiften: Sie stecken ihr Geld nicht selten in Fachrichtungen, für die Steuergelder kaum mehr aufzutreiben sind, animiert von WC- oder E.T.-Kundlern, die ihnen die Hilfsgelder aus dem Portemonnaie quasseln. Die Frage liegt nahe: Wären die Millionen nicht anderswo besser aufgehoben? Nehmen Mäzene mit ihren Geldern unziemlichen Einfluss darauf, was erforscht wird und was nicht, wie das Wissenschaftsmagazin Nature Neuroscience warnte, indem sie „Ressourcen von weniger ‚populären‘ Gebieten abziehen“? Die Taschen der amerikanischen Wissenschaftsförderer reichen in königliche Tiefen: Über 32 Milliarden Dollar geben sie jährlich für den Unterhalt von Bildungseinrichtungen aus. Das sind etwa elf Prozent jener steuerlich erfassten knapp 300 Milliarden Dollar, die gemeinnützige Organisationen als Spendeneinnahmen im Jahr melden. Die 50 größten US-Universitäten bestreiten damit bis zu 30 Prozent ihrer Forschungsausgaben. Hiesige Anstalten können nur rund zwei Milliarden Euro im Jahr von Stiftungen, Unternehmen und Privatleuten in Empfang nehmen. Einer der freigebigsten Spender ist der SAP-Mitgründer Hasso Plattner (70), dessen Stiftung unter anderem das nach ihm benannte Institut für Softwaresystemtechnik der Universität Potsdam nahezu alleine betreibt. Alles in allem hat Plattner weit über 210 Millionen Euro unter die Bedürftigen gebracht. JUNI 2014 WISSENSCHAFTSFÖRDERER Fotos: picture alliance / dpa, Getty Images, „Unsere Unis müssen sich nicht verstecken“ Viele Jahrzehnte lang hielt Amerikas Geldadel, die Carnegies oder Rockefellers, die Wissenschaft am Leben: Als „Medicis des 19. Jahrhunderts“ beschreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin Fiona Murray diese Industriellen in ihrer Abhandlung über die Bedeutung der Millionäre und Menschenfreunde für die amerikanische Lehre: „Sie finanzierten die Grundlagenforschung in Astronomie, Chemie oder auch Biologie.“ Doch spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde besagte Grundlagenforschung in den USA eine Aufgabe des Staates, wie sie es in Deutschland ja schon viel länger war. Heute engagieren sich Privatleute nur noch in seltenen Fällen auf diesem Gebiet. Denn an Geld fehle es hier nicht, meint Murray, die, nebenbei bemerkt, an der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology arbeitet, das 1952 mit einer Spende des Automobil-Managers Alfred P. Sloan aus der Taufe gehoben wurde. Wissenschaftsförderer wie Gates oder Allen müssten also entweder dort aktiv werden, wo man „schon gute Geldquellen gefunden hat“, was recht unerquicklich ist, weil man hilft, wo keine Hilfe nötig ist. Oder sie lenken den Sonnenstrahl ihrer Fortschritts- und Wissenschaftsliebe auf jene Käuze und Sonderlinge unter den Gelehrten, die vielleicht nur einmal im Leben, wenn überhaupt, jemandem begegnen, der ihr Tüfteln und Pusseln für subventionswürdig erachtet. Paul Allen hat seine Forschungsstifter angewiesen, vor allem solche Wissenschaftler aufzustöbern, die durchaus mit befremdlichen, jedenfalls brandneuen Ideen die Szene aufwirbeln und aufwühlen wollen. Gefunden haben sie zum Beispiel die 38-jährige Maschinenbau-Ingenieurin Hana El-Samad, die ihr an Robotern geschärftes SystemtechJUNI 2014 Interview Andreas Barner (61), Vorsitzender der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim und Präsident des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, über die Arbeitsteilung bei der Forschungsfinanzierung. Herr Barner, Amerika hat seine großen Mäzene. Brauchen wir die auch? Es gibt bei uns zwei Ansätze: Zum einen fördern Unternehmen die Forschung vollkommen ohne Eigeninteressen, meistens über Stiftungen wie die Robert-BoschStiftung oder auch die BoehringerIngelheim-Stiftung. Rund 1.000 Stiftungsprofessuren werden so finanziert. Daneben steht die Zusammenarbeit zwischen industrieller Forschung und Universitäten – zumeist für sehr wohldefinierte Forschungsvorhaben mit konkreter Fragestellung. Können Sie das veranschaulichen? Das eine sind Aufwendungen, die die Industrie für F&E ausgibt, die sie aber auch im großen Umfang, sogar zum weitaus größten Teil in den eigenen Forschungsabteilungen, zum Beispiel bei Bosch, Siemens, den Autokonzernen oder in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie, vornimmt. Das sind 54 Milliarden Euro pro Jahr, zwei Drittel der Gesamtaufwendungen für F&E in Deutschland. Die andere Frage ist die, welche Forschung die deutsche Industrie gemeinsam mit den Universitäten betreibt oder wie sie diese akademische Forschung fördert. Heißt das nicht auch, dass die Forschung selbst von Wirtschaftsinteressen beeinflusst ist? Dem würde ich nicht zustimmen. Es ist ganz wichtig, dass es von Neugier getriebene Grundlagenforschung gibt. So etwas müssen primär die Universitäten und akademischen Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft oder auch die Fraunhofer-Gesellschaft leisten können. Wer zahlt, der bestimmt, was mit seinem Geld gemacht wird und was nicht? Das gilt ganz sicher nicht in Deutschland. Im internationalen Vergleich sind deutsche Hochschulen verhältnismäßig unattraktiv für junge Forscher. Die Technische Universität München als beste deutsche Uni rangiert weltweit nur auf Rang 50. Ich denke, dass wir angesichts unseres universitären Niveaus in Deutschland überhaupt nicht besorgt sein müssen. Wenn man von den Spitzenuniversitäten wie Harvard, MIT, Stanford oder Berkeley absieht, dann glaube ich nicht, dass sich irgendeine deutsche Universität hinter irgendeiner amerikanischen verstecken muss – wenn, wie gesagt, die Grundfinanzierung stimmt. Aber die kann nur die öffentliche Hand stemmen. Bildung und Wissenschaft sind Kernaufgaben des Staates, und aus dieser Verantwortung wollen wir ihn auch nicht entlassen. 63 IDEEN UND INNOVATIONEN Patient mit Hut Der Ölund Chemieunternehmer David H. Koch (74, Vermögen: 38 Milliarden Dollar) erkrankte 1992 an Prostatakrebs und finanziert aus Gründen, die auf der Hand liegen, das Koch Institute for Integrative Cancer Research bei Boston. Koch ist erklärter Gegner der Gesundheitsreform Obamas. nik-Wissen auf Probleme der Zellbiologie angewandt hat und nun mit einem kräftigen Ruck zur Professorin für Biophysik an der University of California in San Francisco befördert wurde. Allens Familienstiftung begünstigt die Arbeit der jungen Gelehrten mit einem Stipendium von 1,4 Millionen Dollar. Deutsche Hochbegabte fühlen sich von dem reichhaltig ausgestatteten und modern möblierten Wissenschaftsbetrieb in den USA bekanntlich stark angezogen. Noch im Februar warnte ein sogenannter Expertenbericht die deutsche Bundesregierung vor den Folgen eines Talenteschwunds für die Forschung in Deutschland. Man kennt diese Warnungen seit vielen Jahren. Bewirkt haben sie wenig. Förderprogramme würden schon helfen, sagt Peter Strohschneider (58), Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und fügt behauptenderweise und etwas trotzig hinzu, dass „ein großer Teil der in den USA tätigen Nachwuchswissenschaftler wieder nach Deutschland zurückkehren möchte“. D Dass die Leute überhaupt heimkehren, räumt Strohschneider ein, sei zugegebenermaßen nicht allein den Förderprogrammen zuzuschreiben, sondern auch den nicht mehr ganz so lockeren Bedingungen in Amerika selbst: Die US-Bundesausgaben für Forschung wachsen so langsam wie Elche, sind mit bloßem Auge also kaum wahrnehmbar. Die Zuschüsse der einzelnen Bundesstaaten schrumpfen sogar. Im Gegenzug steigt indes der Beitrag, den Privatspender leisten, um etwa fünf Prozent jährlich, was nicht verschwiegen werden soll. Für viele Absolventen der amerikanischen Efeu-Universitäten gehört es zu den Selbstverständlichkeiten ihres Bürger-Seins, dass sie ihre ehemalige Bildungsstätte Jahr für Jahr mit Zuschüssen bedenken. Wenn irgendwo ein neues Labor eingerichtet, ein Hochschulbau modernisiert, ein Sekretariat renoviert, ein Institut eröffnet oder eine Parkbank aufgestellt wird, findet sich irgendwo auch der Name eines Wohltäters: Die Columbia University in New York nannte einen Neubau ihrer Business School nach dem Finanzinvestor Henry Kravis von der Firma 64 50 Prozent seines Einkommens So viel kann ein Amerikaner steuermindernd für gemeinnützige Zwecke ausgeben. In Deutschland sind nur 20 Prozent erlaubt. Kohlberg Kravis Roberts und einen anderen nach Ronald Perelman (dem unter anderem Revlon und Panavision gehören). Die Herren hatten einen Beitrag von jeweils 100 Millionen Dollar geleistet. Seither stehen ein Henry R. Kravis Building sowohl wie ein Ronald Perelman Center of Business Innovation auf dem Campus. Paul Allen stattete ein Gehirnforschungsinstitut in Seattle mit 500 Millionen Dollar aus, woraufhin es sich so nannte wie Allen selbst; der Oracle-Gründer Lawrence Ellison wiederum knüpfte eine Freundschaft mit dem Medizin-Nobelpreisträger Joshua Lederberg, aus der 1997 die Ellison Medical Foundation blühend hervorstach, die mittlerweile eine halbe Milliarde Dollar unter die Forscher gebracht hat. Begründet worden ist die Tradition der Hilfsbereitschaft übrigens von keinem Amerikaner, sondern von einem der angeblich geizigen Schotten, dem Gelehrten James Smithson: Der 1829 verstorbene Chemiker hatte den USA ein Vermögen von 515.000 Dollar hinterlassen, auf dass der Staat eine „Einrichtung zur Mehrung und Verbreitung des Wissens unter den Menschen“ ins Leben riefe. Der nach gegenwärtigen Maßstäben bescheidene Betrag von umgerechnet zehn Millionen Dollar reichte hin, um die Smithsonian Institution aufzubauen, die heute vermutlich größte Forschungs- und Bildungsorganisation der Welt. Durchs Smithsons Vorbild ermuntert und ermutigt, gingen sodann auch die Stahl-, Öl- und Eisenbahnbarone Andrew Carnegie, John D. Rockefeller und Cornelius Vanderbilt stiften und ließen Kunsthallen und Observatorien in großem Stil errichten, auch Universitäten und Ordinariate als Monumente ihres Mäzenatentums. Natürlich hatten die Edelleute nicht nur und vielleicht nicht einmal hauptsächlich das Wohl der Wissenschaft und Forschung im Sinn. Heute begünstigen Steuersparmodelle die Einsatzbereitschaft und das Entgegenkommen der Milliardäre: Bis zu 50 Prozent seines Einkommens kann ein Amerikaner steuermindernd für gemeinnützige Zwecke ausgeben; in Deutschland sind es höchstens 20 Prozent. Daneben hat so mancher der generösen Spender sehr persönliche Beweggründe, aber das muss ja auch nichts Schlechtes sein. Der 38-fache Dollarmilliardär David H. Koch etwa machte sich als Förderer (nicht nur) der Krebsforschung einen NaJUNI 2014 WISSENSCHAFTSFÖRDERER men, aber erst nachdem bei ihm selbst Prostatakrebs diagnostiziert worden war. Seither hat er mehr als 310 Millionen Dollar für den Bau oder die Erweiterung von sieben Krebsforschungsinstituten und -zentren in den USA gestiftet. Fotos: Getty Images, Bruno Arnold T Tyler Jacks (53), Leiter des nach Koch benannten Krebsforschungsinstituts am MIT, hat mit dem Anlass für die Spendierfreude Kochs kein Problem: „David ist ein interessierter Förderer und stolz auf unsere Arbeit, aber er versucht in keiner Weise, sie zu beeinflussen.“ Unbestreitbar ist, dass medienwirksame Spenden für Aufmerksamkeit sorgen und dass großzügig ausgestattete Labors und Lehrstühle die Forschung erleichtern. Und manchmal kann so ein Mäzen sogar ein Forschungsgebiet wie die Entwicklung neuer Toiletten interessant machen. Aber mit dem, was in den Labors vorgeht, haben sie viel weniger zu tun, als sich die Mäzene selbst vielleicht weismachen. Wissenschaftler sind sture Typen. Die machen meistens, was sie wollen. Die jährlichen Betriebskosten des Koch-Instituts liegen bei gut 50 Millionen Dollar; runde 60 Prozent dieses Budgets werden von der US-Regierung finanziert, weitere zehn Prozent trägt das MIT, das sich seinerseits zur Hälfte mit staatlichen Zahlungen finanziert. Der Rest wird mit Industrie- und Privatspenden bezahlt, die nicht zuletzt durch Steuersubventionen überhaupt erst möglich werden. Mit anderen Worten: Ohne den Steuerzahler ginge in Herrn Kochs Institut vielleicht nicht mal das Licht an. JÜRGEN SCHÖNSTEIN JUNI 2014 Fass! Fass den Halm, du Zwerg Crashtester Marc Kowalsky trägt Anzug zur Gartenarbeit und konnte sich deshalb verhältnismäßig rasch an die Dienste des Robomow gewöhnen – auch wenn der nicht immer aufs Wort parierte. KOWALSKYS CRASHTEST Gartenzwerg nser Garten hat eigentlich eine gute Größe: weitläufig genug, um sich in ihm zu ergehen, und klein genug, dass er nicht zu viel Arbeit macht. Aber weil wir die Nachbarn weder sonntags noch am späten Abend mit Rasenmähen aufschrecken wollen, verwandelt er sich immer mal wieder in eine wild wuchernde Wiese. Für Rasenroboter boten 150 Quadratmeter Grünfläche bislang keine artgerechte Haltung. Nun hat die israelische Firma Friendly Robotics jedoch ein Gerät eingeführt, das sich auch auf Kleinflächen bis 500 Quadratmeter wohlfühlt: „Er mäht, Sie nicht!“, lautet der Slogan des Robomow MC500. Vor das Nichtstun hat Friendly Robotics freilich die Arbeit gesetzt. Damit der freundliche Roboter weiß, wo der Rasen endet und wo Gemüsebeete, Schwimmbecken oder Abhänge anfangen, muss man den Garten mit Elektrodraht abstecken: alle 75 Zentimeter eine Befestigung bei gerader Rasenkante, bei Kurven oder Ecken deutlich mehr. Das kostet Zeit und Schweiß. Ist alles befestigt und eingerichtet, setzt sich der Robomow in Bewegung – durchaus vernehmlich, aber nicht so laut, dass die Nachbarn sich gestört fühlten. U Sonderlich intelligent ist das Gerät nicht: Stößt es an den Begrenzerdraht oder ein festes Hindernis, dreht es ab und surrt in eine zufällige Richtung weiter. Irgendwann hat der Roboter nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit den ganzen Garten abgegrast und fährt zurück in seine Basisstation. Dabei geht er entschlossen zur Sache und schiebt auch schon mal einen Gartenstuhl quer über den Rasen. Das gemähte Gras bleibt als Dünger liegen. Per App und Bluetooth (leider nicht auf Samsung-Galaxy-Geräten) programmieren Sie das Wochenarbeitspensum oder starten das Mähen. Dirigieren lässt sich der Robomow damit allerdings nicht. Dafür muss man schon extra eine Fernbedienung kaufen – überflüssige Geldmacherei. Gefallen hat mir dafür der Regensensor, der den Einsatz in nassem Gras verhindert. Fazit: Der MC500 ist trotz kleiner Schwächen hilfreich. Selten sah unser Garten so gepflegt aus – ohne Arbeit. Friendly Robotics Robomow MC500 Infos: www.robomow.de Erhältlich: im Fachhandel Preis: 1.149 Euro 65 PRIVAT SCHWEIZ: WO LEBEN DIE MILLIARDÄRE? 74 KARRIERE: MARIJN DEKKERS VON BAYER 82 66 Fotos: picture alliance / dpa HOLLEIN KUNSTWELT: DIE ZENTREN VON MORGEN 73 JUNI 2014 OLDTIMER Eine Frage des Glaubens Alte Ferraris zählen zu den begehrtesten Oldtimern der Welt. Doch je teurer sie sind, desto wichtiger wird auch die Frage nach ihrer Echtheit. Ein Besuch in der Klassik-Abteilung des Autobauers in Maranello, wo man die richtigen von den falschen Ferraris unterscheidet. JUNI 2014 PRIVAT Werkeln am Millionenauto Jedes Fahrzeug verfügt über zahlreiche Identifikationsnummern, die teilweise versteckt angebracht sind. Um sie zu finden, müssen die Klassik-Mechaniker schon mal auf Lampen und Spiegel zurückgreifen. M Marco Arrighi (52) greift in eins der Regale im Archiv der Ferrari-Klassik-Abteilung, zieht einen Ordner hervor und hält ihn so vorsichtig, als habe er ein Baby in den Händen. Draußen kann man ab und zu einen der frisch gefertigten Ferraris hören, wie sie auf ihrer ersten Probefahrt husten und röhren und gurgeln vor Freude.Hier drinnen aber ist es still wie in einer Kirche, nur die Klimaanlage summt, was dem Raum zusätzlich ein etwas sakrales Fluidum verleiht. Man würde sich nicht wundern, wenn Arrighi Samthandschuhe überstreifte, bevor er den Ordner öffnet und den Inhalt auf dem roten Tisch ausbreitet, so kostbar sind ihm die abgehefteten Blätter: „Schauen Sie sich das an“, ruft er. Sein Finger verharrt über einer Textzeile auf dem vergilbten Papier. In sauberer Handschrift steht dort: „In velocità il parabrezza si piega ed é necessario un supporto centrale“, was so viel bedeutet wie: Bei hoher Geschwindigkeit knickt die Windschutzscheibe ein, die Werkstatt soll sich das mal anschauen. Das Dokument stammt aus dem Jahr 1962. Damals hatten Ferrari-Piloten mit einem 330 TRI das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen und ihre Erfahrungen handschriftlich festgehalten. „Beim LeMans-Klassik 2010 wurde derselbe Ferrari wieder gefahren ...“, sagt Arrighi feierlich und widmet der Erinnerung daran ein paar Sekunden Aufmerksamkeit: „... und sie hatten exakt dasselbe Problem.“ Er strahlt. Arrighi ist mitnichten stolz auf eine vom Fahrtwind eingedrückte Windschutzscheibe. Er ist stolz auf die Akkuratesse seines Archivs, in dem sich selbst solche jahrzehntealten Einzeldinge aufspüren lassen – was den Mythos von Vollkommenheit und Präzision nur verdichtet, der letztlich auch die Preise für Ferrari-Oldtimer in die Höhe treibt. Wobei Arrighi das Preissteigern natürlich nicht als seine Hauptauf- 68 34 Autos unter den derzeit 100 wertvollsten der Welt sind Ferraris Damit ist Ferrari die am häufigsten vertretene Marke. gabe ansieht. Denn abgesehen von der Hoffnung, wiederkehrende Mechanik-Probleme mithilfe ihrer genauen Beschreibung und Erfassung eines Tages lösen zu können, fördern die Dossiers im Ferrari-Archiv etwas ganz anderes zutage: jene Angaben, die man benötigt, um den Urzustand eines jeden Fahrzeugs zu ermitteln und seine besondere Geschichte zu rekonstruieren – Fahrzeugnummern, Schäden, Besitzer, Teilnahme an Rennen und so weiter. Marco Arrighi, ein kleiner, eleganter Mann in Stoffschuhen, mit Einstecktuch, dicker Brille und schlauen Augen, versucht die heiligste aller Fragen im Ferrari-Universum zu beantworten: Wann ist ein Ferrari ein echter Ferrari? Die Welt, in der er arbeitet, ist exquisit. Im vergangenen Jahr verließen nur 6.922 Fahrzeuge das Ferrari-Werk in Maranello, 50 Kilometer westlich von Bologna. Um die Exklusivität zu wahren, gibt es bei Ferrari keinen Mitarbeiter-Rabatt, was jedoch bei Preisen jenseits der 180.000 Euro für einen Neuwagen wohl auch nicht groß ins Gewicht fällt. Noch exklusiver als die Neuwagen- ist die Klassik-Abteilung, genannt „Classiche“ (gesprochen: Klassiké). Sie ist zuständig für alle Ferraris, die älter als 20 Jahre sind und auf Auktionen regelmäßig Spitzenpreise erzielen: Im Oktober 2013 etwa wurde ein Ferrari 250 GTO, Baujahr 1963, für umgerechnet 38 Millionen Euro versteigert. Unter den zehn Oldtimern, die im vergangenen Jahr das meiste Geld einbrachten, trugen sieben das Markenzeichen aus Maranello: das Cavallino rampante, den Rappen auf gelbem Grund mit den Buchstaben SF für Scuderia Ferrari (Rennstall Ferrari). W Wer am blühenden Geschäft mit Oldtimern teilhaben möchte, dürfte besonders an alten Ferrari-Modellen seine Freude haben. Doch ist Ferrari nicht gleich Ferrari. Dass ein 365 GTB/4 Daytona aus den 60er-Jahren 500.000 (als Coupé) oder 1,5 Millionen Euro (als Cabrio) kosten kann, ist auch für Laien noch durchaus nachvollziehbar. Unterschiedliche Modelle und Baureihen haben unterschiedliche Preise. JUNI 2014 OLDTIMER Im Archiv von Ferrari Classiche Hier sind die Dokumente aller Fahrzeuge archiviert, die jemals das Werk verlassen haben. Festgehalten sind Fahrzeugnummern und Reparaturen. Fotos: picture alliance / dpa Marco Arrighi Der Koordinator der Klassik-Abteilung trat mit 16 Jahren in das Unternehmen ein. Die Modelle, die seinerzeit als Neuwagen das Werk verließen, restaurieren seine Mechaniker heute wieder. Den Wert eines Sammlerstücks beeinflussen häufig jedoch andere, vermeintlich unsichtbare Dinge: berühmte Vorbesitzer etwa oder Preise und Pokale, die bei Autorennen gewonnen beziehungsweise Schäden, die dort davongetragen wurden und womöglich den Einbau von Ersatzteilen, vielleicht sogar fremder Hersteller, erfordert hatten. Noch mühsamer ist die Rekonstruktion einer Ferrari-Biografie bei Rennwagen, deren Motoren regelmäßig verheizt und deshalb ausgetauscht wurden. Denn selbst Kleinveränderungen am Original können beim Verkauf einen Preisunterschied von hunderttausenden Euro ausmachen. Nicht jeder, der seinen Ferrari anbietet, ist gegen die Versuchung gefeit, das zwar wertvolle, aber vielleicht auch etwas lädierte Gefährt mit ein paar getürkten Teilen in ein wertvolleres Exemplar zu verwandeln. „Conversion“ oder „Recreation“ nennen das die Tüftler. Wer diese Umbauten jedoch nicht schriftlich dokumentiert, sondern als Original anbietet, macht sich mitunter nicht nur strafbar – er begeht in Arrighis Augen einen Frevel, eine kaum zu sühnende Übeltat: „Es existieren mehr Ferraris, als nach unseren Unterlagen existieren dürften“, sagt er in einem Ton, als sei ihm ein Schluck Milch im Munde sauer geworden: „Es gibt einige Fälschungen.“ Seit 36 Jahren arbeitet Arrighi für Ferrari. Als er 16 Jahre alt und eben aus der Schule gekommen war, hatte er eine Stellung angetreten an der sogenannten Montagestraße. Das Wort Fließband hören sie in Maranello nicht gern. Man hält sich viel darauf zugute, dass die Wagen in Handarbeit gefertigt werden. JUNI 2014 Jedenfalls weitgehend. Nur an wenigen Abschnitten des Produktionsablaufs kommen Roboter zum Einsatz, meist dort, wo millimetergenaue Präzision erforderlich ist. Aufgabe des jungen Arrighi war es, in den Fußraum der Karosserie die Teppiche mit dem springenden Pferd zu kleben. In den Folgejahren gelang ihm der Sprung in die Kundendienstabteilung, zuständig für Ferrari-Händler in Europa, Afrika und im Nahen Osten. Schließlich stieg er zum Abteilungsleiter auf – bis Jean Todt (68), der langjährige Chef des Ferrari-Formel-1-Teams, und Piero Ferrari (69), der Sohn des Unternehmensgründers Enzo, 2006 die Idee zu Classiche hatten: „Sie wollten unseren Kunden die Echtheit ihrer Fahrzeuge garantieren“, sagt Arrighi, „und so das Erbe der Firma erhalten.“ A Arrighi trägt nun den Amtstitel „Coordinator of Activities“ und arbeitet in einem kleinen Büro in einer Ecke der Klassik-Werkstatt: roter Ledersessel, rote Ledercouch, an den Wänden Schwarz-weiß-Fotos von Rennmaschinen aus einer anderen Zeit. In der Halle inspizieren die Mechaniker die alten Modelle, prüfen, forschen, klopfen, schrauben, bauen ein und bauen aus und stellen ein Echtheits-Siegel aus – vorausgesetzt, das Auto befindet sich im Originalzustand. Auf Arrighis Schreibtisch steht das Modell eines Ferrari-Motors, Baureihe 365 Daytona aus dem Jahr 1969. Arrighi verwaltet die Vergangenheit seines Arbeitgebers, die mitunter mehr zu glänzen scheint als die Gegenwart. Luxusautos mit verschwenderischem Benzinverbrauch, zu Preisen von mehreren Jahresgehältern, standen noch nie so in Verruf wie heute, in Zeiten von E-Mobilen und Gemeinschaftsautos. Aber für Oldtimer scheint das nicht zu gelten. Mit „17 Prozent Gewinnsteigerung “, sagt Arrighi, könne man als Besitzer eines 250 GTO, des kostbarsten Ferraris, jedes Jahr rechnen. Er schlägt die US-Zeitschrift Cavallino auf. Das Magazin ist die Bibel der Ferrari-Besitzer und -Händler. Denn es dokumentiert unter anderem die Entwicklung der Preise. 69 PRIVAT $ 52.000.000 Arrighi zeigt auf eine Stelle in der Tabelle: Zwischen 40 und 50 Millionen Dollar, so schätzt das Blatt, liege der aktuelle Wert des 250 GTO. „Je höher der Preis ist, den ein Ferrari erzielt, desto besser für uns und unsere Marke“, sagt er. „Aber genauso wichtig ist es uns, dass das Auto auch benutzt wird.“ Arrighi möchte verhindern, dass die alten Ferraris aus dem Straßenbild verschwinden. Von Anlegern, die Oldtimer kaufen, um sie dann in Garagen oder Lagern wegzusperren, hält er nicht viel. W Wer seinen Ferrari bei ihm zertifizieren lassen möchte, braucht Zeit und Geld: Vier bis sechs Monate nimmt die Inspektion in Anspruch, und sie kostet zwischen 1.700 und 8.000 Euro. Zunächst nehmen sich die Mechaniker in der Werkstatt des Gefährts an, sie überprüfen die Nummern aller wichtigen Bauteile und vergleichen sie mit den Originalpapieren aus dem Archiv. Teilweise sind das mehr als 20 Identifikationsmerkmale. Neben der Fahrgestell- und der Karosserienummer verfügt jeder Ferrari noch über eine „numero interno“, die versteckt eingeprägt ist. Viele Nummern sind im Auto-Unterleib verborgen und nur vermittels kleiner Spiegel zu finden. Wenn nötig, ersetzen die Mechaniker etwaige Fremdteile, die wegen des einen oder anderen Vorschadens eingebaut worden sind, durch Originalteile. Entstehen Zweifel beim Rahmen, kommt ein Röntgengerät zum Einsatz, das den Kupferanteil im Stahl misst. Denn der Stahl, der in den 50er-Jahren verarbeitet wurde, weist einen höheren Kupferanteil auf als neuerer. Anschließend rekonstruieren Arrighis Leute die Lebensgeschichte des Wagens, ermitteln Vorbesitzer und eventuelle Rennergebnisse. Schließlich werden alle Unterlagen dem Cocer, dem Zertifizierungskomitee, vorgelegt. Der Ausschuss tagt alle drei Wochen auf dem Ferrari-Gelände. In jeder Sitzung verhandelt er etwa 35 Fahrzeuge. Außer Arrighi nehmen gestandene Ferrari-Männer daran teil, etwa der französische Konstrukteur Jean-Jacques His und der Designer Leonardo Fioravanti. Ausschussvorsitzender ist Piero 70 Manchmal kommt Signor Ferrari persönlich hier vorbei, um sich ein Auto anzuschauen.“ Marco Arrighi, Leiter der Klassik-Abteilung von Ferrari. Ferrari. Ihm ist es vorbehalten, die Urkunde zu unterschreiben, wenn der Ausschuss zu dem Urteil gekommen ist, dass das Fahrzeug ein Original ist. „Manchmal“, sagt Arrighi, käme „Signor Ferrari persönlich hier vorbei, um sich ein Auto anzuschauen“. Man kann sich vorstellen, wie sie hier dann alle innerlich Haltung annehmen. Arrighi steht jetzt in der Werkstatt, 1000 Quadratmeter, weiße Wände, weiße Neonleuchten an der Decke. Er schaut einem Mechaniker zu, wie der unter einer Hebebühne die Bremsflüssigkeit aus einem blauen 250 GTO ablaufen lässt. Alberto steht auf dem Namensschild des Mannes, der im rot-weißen Kittel unter dem 35-Millionen-Auto mit dem Schraubenzieher hantiert. Nur die besten Ferrari-Mechaniker dürfen Hand anlegen in der Classiche-Abteilung. Einer von ihnen hat schon für das Formel-1-Team gearbeitet. Im Radio läuft leise Italo-Pop, ansonsten ist es ruhig. Ab und an durchschneidet ein lautes Zischen die Hallenluft, jemand bläst hereingewehte Laubblätter von den Karosserien. Die Werkstatt ist picobello, sehr aufgeräumt, jedes Werkzeug hängt an seinem Platz hinter einer Glasscheibe. Über aufgebockten Karosserien liegen weiße Tücher, auf dem Boden weder Staub noch Krümel. Nicht nur wegen der Autosenioren sieht es hier so aus wie in einem Museum. „Das gehört mit zum Image von Ferrari“, sagt Arrighi. Er bleibt vor einem weinroten Ferrari 275 GTB/4 mit hochgeklappter Motorhaube stehen. Am Schlüsselbund hängt ein Stofffetzen mit der Unterschrift von Steve McQueen. Arrighi erzählt von dem Auto: Die Sache sei ein bisschen kompliziert, nach dem Tod des Schauspielers 1980 habe der Nachbesitzer das Coupé kurzerhand in ein Cabrio, genannt Spider, umbauen lassen. Der nächste Halter sei dann zu ihm nach Maranello gekommen, um es zertifizieren zu lassen. Die Classiche-Abteilung konnte ihm diesen Wunsch natürlich erfüllen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Umbau wieder rückgängig gemacht und aus dem Cabrio wieder ein edles Coupé wird. „Wir erleben hier eine ganze Menge an seltsamen Restaurationswünschen“, sagt Arrighi. Er lächelt. Ihm gefällt die Geschichte. Er streicht über das neue Dach. Es ist ganz glatt. Und original. STEPHAN KNIEPS JUNI 2014 Fotos: picture alliance / dpa brachte dieser Ferrari 250 GTO (Fahrgestellnummer: 5111) auf einer Auktion im Oktober 2013. Der Käufer blieb unbekannt. Mit diesem GTO gewann der französische Rennfahrer Jean Guichet 1963 die Tour de France Automobile. Nur etwas für Millionäre? Zahlreiche Indizes sorgen für Überblick auf dem Oldtimer-Markt. Es besteht kein Zweifel: Die Preise steigen. Doch wer sich engagieren möchte, der braucht viel Geld. ür die meisten Menschen, die ernsthaft über einen Oldtimer als Geldanlage nachdenken, dürfte Jens Berners Botschaft ernüchternd sein: „Damit sich die Investition lohnt, sollte das Fahrzeug schon 50.000 bis 100.000 Euro wert sein – und gleichzeitig sollte die Investition nicht mehr als zehn Prozent des Gesamtvermögens ausmachen.“ Mit anderen Worten: Ein Oldtimer-Investment kommt nur für Millionäre infrage. Andernfalls fressen die laufenden Kosten die Wertsteigerung auf. F Berner muss es wissen: Er arbeitet in der Wertpapier-Abteilung der Südwestbank, die seit 2010 einen OldtimerIndex für 20 ausgewählte Fahrzeuge süddeutscher Hersteller herausgibt. Der Wert der im Index enthaltenen Fahrzeuge, hauptsächlich von Porsche, BMW und Mercedes, stieg seitdem jedes Jahr um durchschnittlich 10,4 Prozent. Der Oldtimer-Index scheut auch nicht den Vergleich mit dem deutschen Aktien-Index: Während der Dax seit 2005 um 124,4 Prozent zulegte, stieg Berners Oldtimer-Index um 169,6 Prozent. Kein Wunder, dass sich bei dieser Rendite die Käuferschaft verändert: Früher, erzählt Berner, hätten Oldtimer-Fans die alten Wagen nicht gekauft, um ihr Geld anzulegen, sondern aus Liebe zum Automobil. „Heute erreichen uns schon mal Anfragen von sehr vermögenden Familien, die ganze Sammlungen von bis zu 70 Fahrzeugen kaufen möchten.“ Die Gefahr einer Spekulationsblase sieht er noch nicht: BMW 520 i 4TL Der Bayer aus den 70er-Jahren hat laut Classic-Analytics zwischen 2012 und 2013 die beste Wertsteigerung hingelegt: stolze 63 Prozent. Er gehe davon aus, dass der aktuelle Rummel noch ein paar Jahre fortdauere. „Aber es werden schon Summen gezahlt, bei denen man sich fragt, ob die noch gerechtfertigt sind.“ Auch Stefan Röhrig, beim Verband der Automobilindustrie (VdA) zuständig für historische Autos, klagt über den Zuwachs an Spekulanten in der Branche: Es gebe schon Firmen, die für ausländische Investoren Oldtimer in Deutschland kaufen und einlagern, um sie nach vier, fünf Jahren wieder auf den Markt zu werfen. „Einige wenige Oldtimer“, sagt er, „befinden sich bereits im Hochpreissegment.“ Auch der VdA veröffentlicht jedes Jahr einen Oldtimer-Index, zusammen mit dem Bewertungsportal Classic-Analytics; die Liste gibt einen Überblick über die Preisentwicklung von 88 repräsentativen Oldtimern, gestützt auf die Zulassungsstatistik. Wertsteigerung Modell Baujahr BMW 520 i 4TL (E12) Mercedes-Benz W 198 – 300 SL Cp. BMW 502 V8 4TL BMW 600/700 – LS Coupé Cp Alfa Romeo Spider Veloce Cab Opel Admiral 2800 E 4TL Alpine A110 1600 Cp. Ford Granada 2.8 i VW Typ 2, T2 (221) Bus VW Typ 3, 412 L Kom 72-77 54-57 55-58 64-65 74-83 69-75 70-77 77-85 67-72 73-74 Quelle: Classic-Analytics/VdA *in Euro Wert 2013* 8.800 850.000 39.500 11.400 17.800 12.900 69.000 7.000 20.000 8.500 Steigerung zum Vorjahr 63,0 % 46,6 % 38,1 % 31,0 % 29,0 % 27,7 % 25,5 % 25,0 % 25,0 % 21,4 % Die Entwicklung kennt auch hier nur eine Richtung: Im vergangenen Jahr legte der VdA-Oldtimer-Index um 8,1 Prozent zu. „Der durchschnittliche Oldtimer ist gar nicht so teuer“, sagt Röhrig, „allerdings kommen zu den etwa 10.000 Euro Kaufpreis doch hohe jährliche Wartungs- und Erhaltungskosten hinzu.“ Im Verein mit der Kölner Beratungsgesellschaft BBE Automotive hat der VdA die jährlichen Unterhaltskosten eines Oldtimers untersucht: Sie liegen zwischen 2.500 und 5.000 Euro. Seit die Rangliste im Jahr 1999 zum ersten Mal aufgestellt wurde, zeigt die Ente 2CV 6 von Citroën zwar die höchste Wertsteigerung (400 Prozent), dies bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch als Investment taugt. Denn ihr Verkaufswert stieg im gleichen Zeitraum im Schnitt lediglich von 2.000 auf 10.000 Euro. Ähnliches gilt für den VW-Bulli Typ 2: langfristig sehr starkes Wachstum, aber bei einem aktuellen Preis von 20.000 Euro auf viel zu niedrigem Niveau. Ganz anders dagegen der Mercedes 300SL: Mit einer Wertsteigerung von über 347 Prozent seit 1999 und einem aktuellen Preis von etwa 850.000 Euro ist der Flügeltürer mittlerweile ein Spekulationsobjekt. Das dritte Register stammt vom ehemaligen Investmentbanker Dietrich Hatlapa, der 2006 seine Stellung am Finanzmarkt London aufgab, um den sogenannten Hagi aufzubauen: den Historic Automobile Group Index. Ihm zugrunde liegen Daten von Privat- und Händlerverkäufen und von internationalen Auktionen. Er umfasst 50 ausgewählte Fahrzeuge mit einem Durchschnittswert von 450.000 Euro. Hatlapas Index ist nichts für Kleinanleger. Dies zeigt vor allem der Hagi-F-Index, der nur alte Ferraris auflistet. 2013 stieg der F-Index um 66 Prozent – in den ersten vier Monaten 2014 ging er indes um 0,5 Prozent zurück. Nur eine kleine Beule. „Ferrari ist nach wie vor die begehrteste Marke“, sagt Hagi-Mann Carl Christian Jancke, „aber aufgrund der exorbitanten Preise sind die Leute mit Ferrari ein bisschen vorsichtiger geworden.“ PRIVAT d en un r-Jahr r Baader e 0 9 en ntu der ar in d r Age der w mit seine Großen in hte er a a B Fred äter noch r der ganz röffentlic e sp ve auch ehnken ein g. Jüngst n B u b g Lan hen Wer ch. u c deuts tes Kochb s r e in se 1 GRASHOFF IN BREMEN Die Schmidts betreiben im schönen Bremen die Delikatessenhandlung Grashoff und ein angegliedertes Bistro. Ein Juwel, schon in den 70ern, als ich meinen ersten Job in einer Bremer Werbeagentur antrat. Die lässig-einsilbige Bremer Art, der Nordsee-Weser-Charme von Barbara Schmidt, der unverkennbare Zungenschlag des Patrons, all das schafft eine ganz eigene Atmosphäre: Hier finden sich BrauereiErben und TV-Entertainer, Piercing neben Oligarchenpelz, Girlie mit Nerdbrille neben Koofmich im Glencheck-Sakko. Ohne die gute Küche wäre das alles nichts wert. „Bistroküche“, sagen die Kritiker. Ich sage: „Richtig – aber frischer als diese, leichter, mit asiatischen und italienischen Einsprengseln und insgesamt weniger fleischlastig.“ Grashoff, 28195 Bremen, Contrescarpe 80, Tel. (0421)14 749, www.grashoff.de Geöffnet: Mo.-Fr. 12.00-21.00 Uhr, Sa. 12.00-17.00 Uhr. Achtung: sonntags dicht. Sehr gut: das Santoku 18 cm Premier Plus Eurasia von F. Dick für ca. 50-60 Euro. Unter anderem bei: www.dick-messer.de 72 DIE SCHLACHTERBÖRSE Das Institut im alten Hamburger Schlachthofviertel offerierte schon perfekte Steaks, als die modernen Dry-Aging-Künstler noch Milchbrei löffelten. Historische Räume im Shabby-Chic, die auch in Brooklyn verortet werden könnten, sofern man nicht selbst aus Brooklyn kommt. Fünf Zentimeter dicke Rinderfilets garantieren röhrende Macho-Runden. Versuchen Sie, einen Tisch im vorderen Gastraum zu ergattern. Da stehen die besten. Schlachterbörse, 20357 Hamburg, Kampstr. 42, Tel. (040) 436 543, www.schlachterboerse.de Geöffnet: Mo.-Sa. 16.00-24.00 Uhr. Achtung: sonntags dicht. 4 MEIN COQ AU VIN Das schönste Restaurant der Welt ist das La Colombe d’Or im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence. Klima und Kolorit wie im Garten Eden. Gemälde von Picasso und Matisse an den Wänden, die Terrasse, der Château de Bellet, die Opulenz der Hors d’oeuvres, das Coq au vin ... 2 DAS SANTOKU-MESSER Die Messerfrage im Haushalt ist heikel. Das Thema wird unter- und überschätzt. Frauen bevorzugen kleine, stumpfe, hässliche Messer, Männer die teuersten. Ich empfehle als Allzweckwaffe das Santoku: Es schneidet Fisch und Fleisch und zerkleinert Gemüse so fein wie ein Wiegemesser. Manche Santokus kosten 50, andere 350 Euro, manche noch mehr. Am wichtigsten ist, dass es scharf ist. Also: alle sechs Monate schleifen lassen! 3 5 Apropos: Das Rezept für meinen Coq au vin finden Sie, samt Einkaufsliste, auf www.bilanzmagazin.de und in der BILANZ-Tablet-App. DIE ROTE BETE Die rote Rübe (von lateinisch beta, Rübe) ist gerade dabei, der Tomate mit dem Mozzarella und dem Rucola-Salat den Rang abzulaufen. Die schönsten Frauen am Prenzlauer Berg, in Hamburg-Eppendorf, in Saint Germain und South Kensington bestellen zum Lunch jetzt gerne was mit Roter Bete: ein Süppchen, ein Ragout, ein Carpaccio. In diesen Tagen sind die ersten jungen Knollen auf den Wochenmärkten, und ein Carpaccio ist schnell zubereitet. Das Rezept mit Einkaufsliste und Anleitung finden Sie auf www.bilanz-magazin.de und in der BILANZ-Tablet-App. JUNI 22014 01 014 PRIVAT in hste Holle Max influssreic es Landes e d n r e r e o t d k ist r best l, die Schir zu ire e ise de umsd Muse glicherwe s: Das Städ at Hollein ö sh rt und m er Frankfu Liebighau t. r s g a h a d ü n f a M und ltung ge halle e Kunst tionaler G a intern Heute: Die Mittelpunkte von morgen Foto: Gaby Gerster, picture alliance / AP Photo, picture-alliance/ dpa, © sharjahart.org, hab.gov.hk M useen in der Wüste, Kunstzentrumsvisionen an Orten, wo bis vor ein paar Jahren nur Fischer lebten: Zuletzt wurde im Westen über solche vermeintlich anmaßenden, inadäquaten, nach Touristen schielenden Initiativen noch gelächelt. Nun aber muss auch der schärfste Kritiker feststellen: Die strategischen Entwicklungen, die neuen Kraftzentren der Kultur, entstehen nicht bei uns in Europa, nicht in den USA, sondern in den Golfstaaten und im asiatisch-pazifischen Raum. Die Medien verkaufen es immer wieder als kleine Sensation, wenn ein weiteres Rekordobjekt bei den internationalen Kunstauktionen für einen dreistelligen Millionenbetrag nach Katar, Abu Dhabi oder an einen Sammler in Singapur, Hongkong, Schanghai geht. Westliche Museen oder Staaten sind schon lange kein ernstzunehmender Nachfrager mehr in dieser Kategorie der Spitzenwerke. In Wirklichkeit geht es nicht nur darum, die besten und teuersten Kunstwerke zu ergattern, die derzeit auf den Markt kommen. Hinter den Auktionsrekorden verbirgt sich eine viel folgenreichere Entwicklung: In Ostasien und den Staaten am Golf bildet sich ein regionaler Kunstmarkt aus, die Infrastruktur für einen Umschlagplatz etabliert sich, Zollfreilager entstehen, Kunstmessen werden ins Leben gerufen, Kuratorenschulen, Biennalen, Universitäten. Um ihren Einfluss ähnlich wie in anderen Branchen zu erhöhen (siehe etwa Katars Rolle bei VW, Deutsche Bank, Barclays wie auch beim Fußballklub Paris St. Germain), treten die Golfstaaten zunehmend als Sponsor von Kulturereignissen in London, New York, Paris und anderswo in Erscheinung und werden zu einem weltweiten Haupt- und Machtfaktor in der Finanzierung und Ermöglichung von Kunst. In Doha steht seit mehreren Jahren ein vom Star1 2 JUNI 2014 3 1. Art Basel Hongkong Carsten Nicolai lässt den ICC Tower flackern. 2. Louvre Abu Dhabi Ende Dezember 2015 eröffnet das Museum. 3. West Kowloon Cultural District Milliarden für Hongkongs Kulturszene. 4. Sharjah Biennale Gefeiertes Großtreffen des Kunsthandels. 5. Doha Stahlskulpturen von Richard Serra in der Wüste von Katar. architekten I.M. Pei gestaltetes hervorragendes Museum Islamischer Kunst und ein in massiver Entwicklung befindliches Arabisches Museum für moderne Kunst. Der Scheicha, der Schwester des Emirs, ist es in kurzer Zeit gelungen, eine bedeutende Sammlung zeitgenössischer Kunst aufzubauen. Kürzlich wurde eine große Ausstellung eröffnet, inklusive einer gigantischen permanenten Installation des amerikanischen Künstlers Richard Serra. Katar gilt seit zwei, drei Jahren als größte Superpower auf dem internationalen Kunstmarkt für Spitzenlose. Im Pariser Louvre werden derzeit unter dem Titel „Die Geburt eines Museums“ die ersten 160 Meisterwerke gezeigt, die für die Sammlung des Louvre Abu Dhabi angekauft wurden, das 2015 auf Saadiyat Island eröffnet wird. Das Pariser Publikum staunt über die Alten Meister genauso wie über die Manets, Magrittes, Gauguins, Twomblys und Picassos, die ihre neue Heimat in dem Wüstenstaat finden. Auch in Hongkong entsteht mit dem West Kowloon Cultural District ein weiterer, noch gigantischerer Komplex von kultureller Landgewinnung und multipler Infrastruktur neuer Museen, Theater und Performance. Die zweite Ausgabe der Art Basel Hongkong hat gezeigt, dass die Haupttreiber des Weltkunstmarkts in Asien sitzen. Die Entwicklung erinnert frappierend an die Zeit vor knapp 100 Jahren, als sich der Geldadel in den USA aufmachte, ein Museum of Modern Art (eröffnet 1929) oder ein Guggenheim-Museum (1939) zu gründen. In Europa wurde dies am Anfang nicht als ernsthafte institutionelle Bedrohung betrachtet. Heute sind diese amerikanischen Institutionen die bedeutendsten Museen, New York ist seit über 60 Jahren das Zentrum des internationalen Kunstmarkts und der globalen Kulturszene. Nun ziehen neue, potente, strategisch denkende Kräfte auf, es wird zu einem weiteren, fundamentalen Wandel kommen. 4 5 73 PRIVAT DAS PARADIES DER MILLIARDÄRE Wohlfühlen mit Vermögen: Gleich 25 deutschstämmige Milliardärssippen haben sich in der Schweiz angesiedelt, aber nicht, weil hier die Steuern so hoch sind. Wer sind die Auswanderer, und wo leben sie? BASEL AARGAU FAMILIE BRENNINKMEIJER Vermögen: 11,9 Mrd. Euro Woher es kommt? C&A, Heute angelegt in: C&A, Energie, Immobilien FAMILIE LIEBHERR Vermögen: 6,2 Mrd. Euro Woher es kommt? Liebherr (Baumaschinen) Heute angelegt in: Liebherr, Hotels LUZERN OTTO HAPPEL Vermögen: 2,3 Mrd. Euro Woher es kommt? GEA, Metallgesellschaft Heute angelegt in: Beteiligungen FREIBURG Fotos: picture alliance / dpa WELLA-ERBEN Vermögen: 3,9 Mrd. Euro Woher es kommt? Wella AG Heute angelegt in: Beteiligungen, Kunst WAADT 74 TRAUDL ENGELHORN Vermögen: 2,3 Mrd. Euro Woher es kommt? Boehringer Mannheim Heute angelegt in: Beteiligungen JUNI 2014 ST. GALLEN BETTINA WÜRTH Vermögen: 1,0 Mrd. Euro Woher es kommt? Würth-Gruppe Heute angelegt in: Würth-Gruppe SCHWYZ KLAUS-MICHAEL KÜHNE Vermögen: 6,2 Mrd. Euro Woher es kommt? Kühne + Nagel Heute angelegt in: Kühne + Nagel, Hotels, Kliniken, Immobilien GRAUBÜNDEN GEORG VON OPEL Vermögen: 1,4 Mrd. Euro Woher es kommt? Opel AG Heute angelegt in: Beteiligungen, Immobilien GRAUBÜNDEN KARL-HEINZ KIPP Vermögen: 3,5 Mrd. Euro Woher es kommt? Massa-Märkte Heute angelegt in: Immobilien, Hotels WERNER DIEHL Vermögen: 1,4 Mrd. Euro Woher es kommt? Diehl-Gruppe Heute angelegt in: Diehl-Gruppe, Elektronik, Metallverarbeitung Fotos: xxx GRAUBÜNDEN PRIVAT TESSIN BERN BERN SCHWYZ TESSIN ERICH UND HELGA KELLERHALS Vermögen: 3,5 Mrd. Euro Woher es kommt? Media Markt/Saturn Heute angelegt in: Media Markt/Saturn, Immobilien HEINZ-GEORG BAUS Vermögen: 3,1 Mrd. Euro Woher es kommt? Bauhaus, Duscholux Heute angelegt in: Baumärkte, Immobilien CURT ENGELHORN Vermögen: 2,7 Mrd. Euro Woher es kommt? Boehringer Mannheim Heute angelegt in: Beteiligungen, Kapitalanlagen FAMILIE CLOPPENBURG Vermögen: 2,3 Mrd. Euro Woher es kommt? Peek & Cloppenburg Heute angelegt in: P&C, Immobilien HEIDI HORTEN Vermögen: 1,8 Mrd. Euro Woher es kommt? Horten Kaufhäuser Heute angelegt in: Beteiligungen, Kapitalanlagen D 76 ZÜRICH THEO MÜLLER Vermögen: 2,7 Mrd. Euro Woher es kommt? Müller Milch Heute angelegt in: Müller Milch Fotos: xxx Von den 300 Reichsten in der Schweiz kommt jeder fünfte aus Deutschland, angelockt von hohen Bergen und niedrigen Steuern. Die Nachfahren der münsterländischen C&A-Gründer haben sich ebenso in dem Land angesiedelt, wo es mehr auf und ab als zur Seite geht, wie ihre Kontrahenten von Peek & Cloppenburg; Adam Opels Nachfahr Georg von Opel belebt das Gebirge und die Erben des Haarpflegekonzerns Wella auch. Die Bremer Kaffee-Dynasten Jacobs zogen selbstverständlich nach dem Verkauf von Jacobs Krönung hierher und gehören mit Teilhaben an den Weltmarktführern Barry Callebaut (Schokolade) und Adecco (Mietarbeit) inzwischen zu den reichsten Unternehmerfamilien des Landes. In der Schweiz versteuern der Allgäuer Molkereimogul Theo Müller (Müller Milch), der Münchner Bankiersklan von Finck (ehemals Merck Finck & Co), der Hamburger Logistikkapitän Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel) und die Eignerfamilie des schwäbischen Kühlgeräte- und Baumaschinenbauers Liebherr ihr Einkommen – insgesamt sind 25 deutschstämmige Milliardärssippen in der Schweiz. Zusammen bringen sie es auf einen Schatz von 75 Milliarden Euro. Jeder fünfte der 300 reichsten Schweizer stammt, nach Ermittlung des Reichtum-Sonderdezernats der Zürcher Bilanz, aus Deutschland. Was macht den Charme der Eidgenossenschaft für den Finanzadel aus? Ist es die liebenswürdig-gewinnende Art der Schweizer? Bestimmt nicht. Es ist natürlich das Steuersystem dortzulande, das den feinen Vorteil frei ausbaldowerter Abmachungen mit der Heimatgemeinde erlaubt: Ausländer, die sich in der Schweiz eingenistet haben, aber nicht zur Arbeit gehen, werden in den meisten Kantonen zum Beispiel „nach Aufwand“ besteuert. Als Grundlage für die Einkommensteuerzahlung setzt man dabei das Fünffache des Wohnwerts der Immobilie an, die der Fremde bewohnt. JUNI 2014 DAS PARADIES DER MILLIARDÄRE ZÜRICH SCHWYZ THURGAU TESSIN LUZERN MICHAEL SCHMIDTRUTHENBECK Vermögen: 1,4 Mrd. Euro Woher es kommt? Metro Heute angelegt in: Metro, Hotels WILLY STROTHOTTE Vermögen: 1,4 Mrd. Euro Woher es kommt? Glencore (Rohstoffhandel) Heute angelegt in: Glencore JOACHIM UND ANDREAS KOHM Vermögen: 1,4 Mrd. Euro Woher es kommt? Versandhandel Klingel Heute angelegt in: Klingel, Immobilien ROLF GERLING Vermögen: 1,0 Mrd. Euro Woher es kommt? Gerling Versicherungen Heute angelegt in: Beteiligungen, Immobilien, Kapitalanlagen DORNIER-ERBEN Vermögen: 1,0 Mrd. Euro Woher es kommt? Dornier Flugzeuge Heute angelegt in: Beteiligungen, Weingüter, Kapitalanlagen ZÜRICH FAMILIE JACOBS Vermögen: 6,2 Mrd. Euro Woher es kommt? Jacobs Kaffee Heute angelegt in: Zeitarbeit, Schokolade Die gut 3.600 ausländischen Residenten, die nach diesem Muster veranlagt werden, zahlen im Schnitt 80.000 Franken Einkommensteuer. Das sind Bedingungen, die die Phantasie nicht übermäßig strapazieren. Zugkraft hat auch die Tatsache, dass in der Schweiz für Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Enkel keine Erbschaftssteuer anfallen. Das in fiskalischer Hinsicht lockere Brauchtum hat darüber hinaus den Vorzug, eine ideale Umgebung für Angsthasen oder Anhänger des Irrealismus zu sein, aber auch für solche, die sich aus Daffke dafür ausgeben. So berichtete Klaus-Michael Kühne im Bilanz-Interview, wie sein Vater nach dem Wahlsieg Willy Brandts 1969 die Zentrale der Spedition schnell in Hamburg ab- und in der Ortschaft Schindellegi unweit des Zürichsees wieder aufbaute: aus Furcht vor Sozis und Enteignern. Milchmann Müller, ein Mann von buchstäblich aufschäumendem Temperament und seit gut zehn Jahren aus Steuergründen („Ich werde enteignet“) am Ufer des Zürichsees sesshaft, stach während des Bundestagswahlkampfs 2013 noch mal kurz der Hafer, als er ankündigte, nun auch die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen, „wenn der frühere Kommunist Trittin Finanzminister“ in Deutschland werde. Da dieses Ereignis nicht eintrat, bleibt Müller den Deutschen als Landsmann erhalten. Weltweit jeder elfte Milliardär lebt in der Schweiz – zumindest steuerlich betrachtet. A FAMILIE AUGUST VON FINCK Vermögen: 4,5 Mrd. Euro Woher es kommt? Bankhaus Merck Finck & Co Heute angelegt in: Beteiligungen, Immobilien JUNI 2014 Fotos: picture alliance / dpa THURGAU Aber viele Milliardäre haben sich doch für den roten Pass mit Schweizerkreuz entschieden: Die drei Söhne des Exbankiers August von Finck machten ganze Sache. Gleiches gilt für den einen oder anderen Erben des Wella-Konzerns. Die Entscheidung, sich auf die Seite der Eidgenossen zu schlagen, ist nicht billig: Schweizer müssen – anders als in Deutschland – eine Vermögenssteuer entrichten, die gepfeffert sowohl wie gesalzen ist. Was aber nur dazu führt, dass man sein Geld blickdicht in einer Stiftung verrammelt, um die nachteiligen Wirkungen der Vermögenssteuer wieder aufzuheben. 77 PRIVAT ZUG ZÜRICH HANS-PETER WILD Vermögen: 1,0 Mrd. Euro Woher es kommt? Capri Sonne Heute angelegt in: Nahrungsmittelindustrie PHILIPP BOEHRINGER Vermögen: 1,0 Mrd. Euro Woher es kommt? Boehringer Ingelheim Heute angelegt in: Chemie, IT, Beteiligungen Badewanne der Milliardäre Am Wörthersee hat Ingrid Flick ihr Anwesen. Felix Austria WILLI BÄR Zürichs Goldküste Wer in der schweizerischen Hauptstadt des Geldes was auf sich hält, wohnt am Ufer des Zürichsees – aus Deutschland sind Familie Jacobs und Theo Müller zugezogen. 78 Ist Österreich womöglich die neue Schweiz? Warum immer mehr deutsche Milliardäre in das Alpenland ziehen. iebliche Landschaft, barockes Stadtbild, viel Kultur, keine Erbschaftssteuer: Salzburg hat sich zu einem der beliebtesten Wohnorte für deutsche Milliardäre entwickelt. Hier residieren steuergünstig Schraubenkönig Reinhold Würth (8,0 Milliarden Euro Vermögen), die Boehringer-Ingelheim-Erben von Baumbach, die HanielTeilhaber Horstmann und – bis zu seinem Tod 2013 – der Held der Gummibären, Hans Riegel (Haribo, 2,75 Milliarden). Der Paderborner Stahl-Industrielle und Autozulieferer Hubertus Benteler (1,5 Milliarden Euro) hat gleich die Holding der Familienfirma mit nach Salzburg genommen. Sehr früh schon war ein deutscher Kaiser vom Charme des Nachbarlandes überzeugt: Franz Beckenbauer hatte viele Jahre lang seinen Wohnsitz in Kitzbühel. Jetzt ist er nach Salzburg umgezogen – angeblich der Ausbildung seiner Kinder wegen. Auch die Familie des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor von und zu Guttenberg (Vermögen: 500 Millionen Euro) war 2008 der Auffassung, dass ihre Familienstiftung ein- L fach nach Österreich gehört und nirgendwohin sonst – was natürlich nichts mit steuerlichen Dingen zu tun gehabt habe, wie die Guttenbergs aus gegebenem Anlass schnell verbreiteten. Der Wörthersee-Pionier war 1994 übrigens Friedrich Karl Flick gewesen, damals der reichste Deutsche. Das Gewässer gilt in Österreich als „Badewanne der Milliardäre“. Nicht nur die einheimische Finanzelite belebt hier ihre Villen wie Gaston Glock, der sein Vermögen mit Handfeuerwaffen gemacht hat, oder Frank Stronach, der sein Geld mit dem Automobilzulieferer Magna verdiente. Auch die Familien Porsche und Piëch, die reichsten Österreicher, haben so einigen Besitz hier und nicht nur im Porscheland um Zell am See herum. Gut unterhalten ließen sich Österreichs Zeitungsleser vor einigen Jahren vom Streit zwischen den Milliardärswitwen Heidi Horten und Ingrid Flick. Flick wollte auf eigene Kosten die wertmindernde Uferstraße verlegen lassen. Horten machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Nicht, weil sie direkt betroffen war, sondern einfach so. JUNI 2014 Fotos: Max Galli/laif, picture-alliance/dpa, BILANZSchweiz, Würth, picture-alliance/rtn-radiot, Gnoni-Press, picture-alliance/Geisler-Fotopress, Getty Images, Stefan Menne/Brauer Photos, picture-alliance/ Gert Eggenberger, reportair.ch, 13photo, ullstein bild/Henry Hermann, dpa/ Gert Eggenberger/APA, picturedesk.com, Getty Images/FlickrOpen Von den 300 reichsten Schweizern stammt etwa jeder zweite aus dem Ausland. Die reichste Sippe im Alpenlande, die Familie des Ikea-Gründers Ingvar Kamprad (Vermögen: rund 34 Milliarden Euro), kommt aus Schweden, hat sich aber größtenteils eingeschweizt. Allerdings: Kapital ist ein scheues Reh, und selbstverständlich ist die Treue der Superreichen zur Eidgenossenschaft nicht. Nachdem die Schweizer in Volksabstimmungen über die Begrenzung von Managergehältern (abgelehnt) und Zuzugsbeschränkungen für EU-Ausländer (angenommen) befunden haben, klagte Spediteur Kühne in einem Bilanz-Interview über eine neue „Neidkultur“ und zunehmende Reglementierung: „Die Schweiz holt nach, was in Deutschland schon lange in Gang ist.“ Verhohlen bedrohte er die Schweiz mit seinem Aus- und Umzug. Renata Jacobs, Witwe des bremischen Kaffeemilliardärs Klaus Jacobs, ist schon weiter. Sie erkundete erst London und nun Malta als steuergünstige Wohnsitze – sie ist gebürtige Schweizerin. RESSORT FUNKUHR KAUFEN UND T E R M U S 15 20 2. .1 ltig bis 31 N r. : Gü w w w .c it iz e n w a tc h .d e 100 € REISEGUTSCHEIN SICHERN!* AT9030-55L / FC0010-55D Eco-Drive Funkuhr Weltzeit in 26 Städten Dualzeit (Zweite Zeitzone) Citizen and Eco-Drive are registered trademarks of Citizen Holdings Co., Ltd., Japan. * Beim Kauf einer CitizenJUNI Funkuhr erhalten Sie einen Reisegutschein über 100,- Euro gratis dazu. Reisegutscheine nur solange der Vorrat reicht 2014 und nur im teilnehmenden Handel. Die Details und Einlösebedingungen des Reisegutscheins finden sie unter www.citizenwatch.de/reisegutschein. 79 http://www.citizenwatch.de AUSGABE 1 RESSORT PRIVAT Lob für die Geschichten, geteilte Meinungen zur Gestaltung: So lässt sich das Echo auf die erste BILANZAusgabe vom 2. Mai zusammenfassen. Den Lesern jedenfalls gefiel’s. STIMMEN &MEINUNGEN Ta z vom 2. 5. Ho rizon t vom 8.5. Süddeuts che Zeit ung vom 3./4. 5. Ber line r Zei tung vom 3./4.5. Kres srep ort vom 2.5. Tage sspie gel vom 3./4. 5. 80 JUNI JUNI 2014 2014 RESSORT PRIVAT LESERBRIEFE Vom Machtkampf der Manager und der Eigner von Aldi Süd handelte die Titelgeschichte. Und BILANZ berichtete, dass in Boston Firmen mit Milliardenumsätzen entstehen – nicht nur im Silicon Valley. Das Layoutprogramm war bei der Gestaltung der Titelseite nicht abgestürzt, wie der Kollege der Taz vermutet hatte. BILANZ wird auch in Zukunft viel Neues ausprobieren, auch und nicht zuletzt auf dem Cover. Sie waren so fr telangem A eundlich, mir als jahrz bonnenten der WELT ei ehnbeexemplar uen Titel gran Pro zu Ihnen zu dem ne irklich sehr ill Ih das ich mich kommen zu lassen, du Ic- h will ir w rc ulie m n. n. Er gefällt m n den Zahn der reen lierre Der Inhalt is ühsam durchgelesen h tu be ha e Si habe. t. t schon ansp e, nk de Ich gut. Ic rechend, ab das Mühsam entieren Wirtäs pr d er un sollte sich au etroffen get svoleitt ge Ze größe bezie f Ih re Sc ne ei m anspruch hrifthen fft themen auf em schaafts zd Sie ist nur zu . ot tr das aber le h hen Niveau, d unterhaltsame len ho Lichtverhältn sen, wenn man ideale un he isse hat und lic nd tä v rs ne ve ine ei ein auf den Tisch ückdas Heft ruh . Herzlichen Gl ht ig le ric gt sp . e In ch a al ra r p len anderen Sp ist es nahez Fällen uu unsch. wun gebenermaß nmöglich für einen zu geen Brillenträg 77 Jahren äl er u n d m it te rno Hoffmann Arn Als Empfeh ren Leser, Ihr Heft zu le lung sollten sen. Si Schriftgröß e sich die ed oder gar der er WELT, der „Impulse“ „Wirtschafts spiel nehmen woche“ als Ich begrüße di B : e Idee zu dies sicher zu lese Alle sind einwandfrei u eier neuen Zeitschrift. Ic Z nd n. h fin Ihre nicht. fo ormationen zu de es sehr gut, Inr Peter Kupfer, Wien Dr. Manfre in nsbesondere de wirtschaftlichen Lage d Geldbach r einz , Gelsenkirc te t e rn r ehmen gebünd elnen Großunhen elt zu erhalte is ist ein Wissen, welches ich so n. Das nst nu in i n m ühsamem Zusa Bii-Die Erstausgabe hat mir vor mmenfügen za r tschen u re r e e ei e züglich ic i d c B he hlr . r t e Ei ft f nzelartike gefallen, vor allem das Titelthe abe d en He theem th ema m maa w h miicch auf die folg l erhielte. Ich freue en Ausg wur wu ec h e n d u urd t rde r rd r d de ic e s p r e s e d n r n a e fi sehr gut aufbereitet. Auch d en d em IT der eerr B Bos osto os of. 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Das n e d n enaattu typogra machun Das Wirtschaftsmagazin BILANZ fi g Man agger er M Magazin hat nach seine es Ihnen des neuen Ma schen AMa uf- ager ist eine Bereicherung für wichtige ein nem em gazins. MAu gelingen Auss A ch hei eiden d deutlich an Qua w ögsssechei , dass Ih Qual Qu irklich zu Wirtschaftsinformationen und a alit lität l i it t ä ät t verveerrloren un nd ich werde es abbe antwortl r Pflichtlektür r Magalo zin n und beesstell Hilfe für Ideen und Innovationen. ste tellIn en,teress sant und gut e ic a h ll e e n r d da in V es s ja a s e jetzt je j e an u c eine rh n wese ntlicch aft In d an ch b Die Aufteilung der Berichte – in Nabess es ere n … so kann m se le A teern Al fehlt in Dteressierten wir der Wirt-Alter nativ n a u tiv t iv i e z gibt, näm lich n Bilan i l la lan a men und Nachrichten, Unternehmen n nz. nz z. . Toi T toi d hemen gleich ein eutschland. Tro . So etwtoi to zzum m SStart. W Wol Wo o fram Mar art und Märkte, Ideen und Innovationen rtens ten Wirtschaftst tzdem a asi zu wenig K ativ Ih u r r c itik: Be es Inte h sowie Privates – ist sehr geglückt. end und inform er n n a fiel mir IIh rviews mit Wo im Lesen sp lflfg hr Sattzz a fgang Re Das Chefgespräch mit Wolfgang ch hinterh ittzllee lesen, ohne si hlen! Reitzle über die Irrwege der Berliner fü Politik und den radikalen Wandel in erschlagen zu der Unternehmensführung war sehr er interessant und aufschlussreich. Doris Stegn Franz Renner e ilanz“. Ein re zur „B urze und e li tu ra g Ich e, k gegene Sach sehr gelun ige Beiträge, ein an tion. a ft rä rm k e fo g a In l ss u ie a at und v rm o F re s e e d n nehm als a Sie besser Ich hoffe, es M.E. sind e. in z a g a sm auf Wirtschaft so, und freue mich r e it e geht w en. en Ausgab urg die nächst aschmeyer, Hamb M tz ö G Dr. Gratuliere! Sehr informattiivv und übersichttlliicch! dtDie Karsta Story war g … ti gewollt lus JUNI 2014 Marion S trutz 81 BILANZ-GEWINNER „Du musst starke Gegner schlagen, um Champion zu sein“ Transfer zu Allied Signal Dekkers blieb in den USA und bei der Chemie, wechselte aber den Lehrmeister. Statt von Welch war er jetzt begeistert vom „charismatischen Allied-Signal-General“ Larry Bossidy (siehe unten). Als der Mischkonzern von Honeywell übernommen wurde, zog Dekkers weiter. TU Eindhoven Dekkers promovierte in Chemietechnik. Auf so was muss man richtig Lust haben, sonst wird es nichts. Sein Studium finanzierte er sich als Oberligaspieler des Tennisclubs Rot-Weiß Emmerich. Sein Ziel war aber nicht die Bundesliga: Professor wollte er sein, und zwar an einer richtig wichtigen Universität. Heute Dekkers, der immer hinter Sichtschutz operiert hatte, trat im Wonnemonat siegreich aus der Deckung, als er für 10,4 Milliarden Euro in bar dem US-Rivalen Merck die Abteilung für rezeptfreie Arzneien abkaufte. Sein Vertrag bei Bayer läuft Ende des Jahres aus. Man erzählt sich, dass er statt der üblichen fünf nur um drei Jahre verlängern wolle. Dann könnte er mit 60 mit seiner Frau, einer Amerikanerin, in die USA zurück. 2014 2009 Larry Bossidy 1995 1985 1957 Geboren am 22. September in Tilburg (Holland) Als niederländischer Vizejuniorenmeister hatte Dekkers gute Chancen auf eine große Tenniskarriere. Als seine Mutter 1973 starb, spielte er dem Vater zuliebe eine Weile keine Turniere – und verlor den Kontakt zur Szene und die Form wohl auch. Was blieb: „Als ehemaliger Tennisprofi weiß ich, dass du starke Gegner schlagen musst, wenn du der Champion sein willst.“ Unterschrift bei Thermo Electron Nach zwei Jahren stieg der flotte Dekkers beim US-Laborgerätehersteller Thermo Electron zum Konzernchef auf. Er zupfte das verfilzte Firmendurcheinander in ein knackiges Unternehmen um. „Ich bin stolz, dass wir das verändert haben“, sagte er. 2006 übernahm Thermo den doppelt so großen Konkurrenten Fisher Scientific. 2000 Jack Welch 82 Bye-bye, USA Nach 24 Jahren in den USA hatte Dekkers die Sprache endgültig gelernt und kehrte 2009 nach Europa zurück: 150 Kilometer von seiner Heimatstadt Tilburg entfernt, nach Leverkusen. Hier übernahm er im Januar 2010 die Führung des Pharma- und Chemiegiganten Bayer. Für ihn „ein logischer Schritt“. Dekkers blieb forsch wie eh und je: weniger Leute, dafür mehr Geld für die Forscher. In zwei Jahren zerlegte er 4500 Arbeitsplätze. Erster Vertrag bei General Electric Gleich nach seiner Doktorarbeit absolvierte Dekkers ein Praktikum bei General Electric – und blieb zehn Jahre lang: Er merkte, „dass ich die Wirtschaft genauso gerne mag wie die Wissenschaft“. Die „wichtigste Lektion“, sagt er, „erteilte mir Jack Welch“. Der damalige GE-Chef hatte propagiert, dass jedes Geschäft, das nicht das Zeug habe, die Nummer eins oder zwei seiner Innung zu sein, verkauft oder dichtgemacht werden müsse. Starker Tobak. JUNI 2014 Fotos: Bayer AG, picture alliance / dpa, Eindhoven University of Technology, QualityMovement.org, Tennisclub Rotweiss Emmerich e.V. Marijn Dekkers’ Laufbahn in Zahlen und Zitaten: Wie ein holländischer Extennisprofi und Wahl-Amerikaner als erster Externer zu Bayer fand. Wir machen Autos und Spritsparen leichter. Das schont die Ressourcen und den Geldbeutel. Ob Karosserie oder Verglasungen: Leichtbaukunststoffe von Evonik machen Autofahren umweltfreundlicher. Bauteile mit unserem Hartschaumstoff ROHACELL® ersetzen schweres Metall. Und unser PLEXIGLAS® ersetzt schweres Glas. So sparen wir Gewicht und schließlich auch Benzin. Mit der Kreativität der Spezialchemie entwickeln wir Zukunftslösungen. Und mit der Kraft eines Industriekonzerns versorgen wir die Weltmärkte. JUNI 2014 83 www.evonik.de RESSORT Windows.com Ganz ehrlich, ich kann arbeiten, wo ich will. © 2014 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. Namen und Produkte anderer Firmen können eingetragene Warenzeichen der jeweiligen Rechteinhaber sein. ASUS Transformer Book T100 ab 379 €* * Unverbindliche Preisempfehlung.