Mit dem Waarschip 1020 kommt endlich

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Mit dem Waarschip 1020 kommt endlich
Test Waarschip 1020
Mit dem Waarschip 1020 kommt endlich
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Gut Holz
wieder ein schneller Holz-Cruiser auf den Markt. Erfüllt er die hoch gesteckten Erwartungen?
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Test Waarschip 1020
WAARSCHIP 1020
uTEC H N ISC H E DATE N (WE RFTANGABE N)
Konstrukteur . . . . . . . . . . . . . . . . . Kees van de Stadt
CE-Entwurfskategorie . . . . . . . . . . . . . . A (Hochsee)
Lüa (Rumpflänge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10,20 m
Gesamtlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10,20 m
LWL (Wasserlinienlänge) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9,10 m
Breite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3,50 m
Tiefgang Testschiff . . . . . 1,85 m (versch. Optionen)
Theoretische Rumpfgeschwindigkeit . . . . . 7,33 kn
Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3,9 t
Ballast/-anteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,6 t/41 %
Masthöhe über Wasserlinie . . . . . . . . . . . . . 15,70 m
Großsegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31,0 m2
Vorsegel (100 %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21,0 m2
Segeltragezahl (2√S/3√V ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4,58
Maschine . . . Yanmar 2 GM (Saildrive), 13 kW/18 PS
Kraftstofftank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edelstahl, 50 l
Frischwassertank . . . . . . . . . . . . . . Edelstahl, 2 x 75 l
Fäkalientank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoff, 40 l
Der Rundspanter in
Multiknick-Bauweise
zeigt sportlich-schnelle
Linien. Das Innenlayout
ist extrem variabel
Rumpf- und Decksbauweise Hergestellt aus kochfestem Marine-Sperrholz mit Mahagoni-Deckschicht. Der
Rumpf als Multiknickspanter. Hochbelastete Sektionen
im Rumpf werden von innen mit Kevlarlagen verstärkt
(im Bereich der Wasserlinie). Der Bleiballast sitzt sehr
tief an einem durchgebolzten Holzflansch.
HEBELARMKURVE
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Ohne Deck und Aufbau
gerechnet; in der Praxis verbessern sich die Werte noch
4
Y
55°
2
20°
40°
60°
80°
100°
120°
140°
160°
180°
Krängung (Grad)
2
125°
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Wendewinkel 80°
40° 6,5 kn
kn
Koje Vorschiff . . . . . . . . . . . . . . . 2,06 x 1,65/0,40 m
Kojen Salon (2 x) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,05 x 0,80 m
Koje achtern . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,00 x 1,64/1,25 m
Stauraum Vorschiff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ca. 700 l
Stauraum Salon/Navigation . . . . . . . . . . . . ca. 500 l
Stauraum Pantry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ca. 450 l
Stauraum Backskisten . . . . . . . . . . . . . . . . ca. 1500 l
Stauraum Nasszelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ca. 500 l
Stauraum Achterschiff . . . . . . . . . . . . . . . . . ca. 300 l
Höhe Salon Mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,87 m
Höhe Salon vorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,72 m
Höhe WC-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,77 m
Höhe Achterkajüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,77 m
SEGELLEISTUNGEN
ohne Abdrift
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uMESSWE RTE (I N N E N)
Der Segelplan sieht keine Genua vor, sondern nur eine 31-Quadratmeter-Großsegelfläche und eine 100Prozent-Fock. Als Serienmaschine wird ein 2GM-Yanmar angeboten, andere Maschinen sind auf Wunsch
möglich.
–
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Sehr steif durch tiefen Ballastschwerpunkt Der
obere, durchgebolzte Bongossi-Holzteil des Kiels
aus geschichteten Segmenten geht 90 Zentimeter
tief. Erst darunter besteht der Kiel aus Blei, der mit
1,6 Tonnen einen Ballastanteil von 41 Prozent liefert.
Daraus ergibt sich eine maximale Stabilität bei 55
Grad und eine neutrale Stabilität bei 125 Grad.
uMESSWE RTE (MOTOR U N D SEG E L)
SCHALLDRUCKPEGEL
Gemessen in Marschfahrt
(80 % der Höchstdrehzahl): 6,3 kn, 2900 min -1
Y
Plicht 82 dB(A)
Y
60° 6,8 kn
Kajüte 80 dB(A)
90° 7,2 kn
Achterkajüte 86 dB(A)
Vorschiff 70 dB(A)
leise
normal
80 dB(A)
Y
4
70 dB(A)
Aufrichtendes Moment (t-m)
6
laut
Die relativ hohen Geräuschpegelwerte des Yanmar
2GM haben zwei Ursachen: Erstens ist der Propeller
zu klein: Der Motor dreht zu hoch. Zweitens hat die
Motorraum-Abdeckung noch mehrere Schallbrücken,
die leicht geschlossen werden können. Aufgrund des
Saildrives traten nur geringe Schwingungen auf.
130° 7,0 kn
180° 6,5 kn
Testbedingungen
Windgeschwindigkeit 10–14 kn
Windstärke 3–4 Bft., Wellenhöhe 0,5 m
Segelfläche
Großsegel 31,0 m2, Vorsegel 21,0 m2
Die gemessenen Geschwindigkeiten basieren auf diesen Bedingungen
uAUSSTATTU NG U N D PRE ISE
Grundpreise ab Werft:
Holzrumpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 520 Mark
Motor eingebaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21900 Mark
Komplettes Rigg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 640 Mark
E-Installation und Sanitär . . . . . . . . . . 11600 Mark
Rumpfbausatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 500 Mark
Motorbausatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 500 Mark
Riggbausatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 200 Mark
E-Bausatz und Sanitärteile . . . . . . . . . . 2 700 Mark
Detallierte Bausatz-Preislisten auf Anfrage
Preis segelfertig
(nach YACHT-Definition) . . . . . . . . . . . . 221500 Mark
Generelle Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Jahre
Werft/Vertrieb Waarschip Werf Delfzijl, Hemskesweg 4, 9936 HG Delfzijl, Niederlande; Tel. 0031/596/
63 26 72, Fax 63 20 19, www.waarschip.com
Betreuung für Deutschland Ecoboot, Gorch von
Blomberg, Am Überwinterungshafen 6, 21079 Hamburg-Harburg; Tel. 040/329 08 60, Fax 32 90 8611;
www.ecoboot.de
Y - BEWERTUNG
Holzliebhaber und sportlich ambitionierte
Eigner werden ihre Freude an dem sehr gut
segelnden Neuling haben. GFK-Fans dürften
nicht sofort Zugang finden, werden das hochglänzende industrielle Kunststoff-Finish dem
Handwerks-Bau vorziehen. Das 1020 ist eine
empfehlenswerte Yacht für Individualisten.
uKonstruktion
W
aarschips sind etwas Besonderes: Als hölzerne Multiknickspanter aus Holland führen sie
ein Eigenleben in der Yacht-Szene. Einst
als preiswertes Selbstbau-Einsteigerboot
in t’Waar kreiert und erfolgreich am
Markt etabliert, peilen die neuen Macher
heute – jetzt in Delfzijl zu Hause – eine
ganz andere Marktnische an: Sie wollen in
dem GFK-Einerlei Akzente setzen, wollen die hochwertige, unverwechselbare
Holzyacht wieder etablieren. Und wie
sich zeigt, ist das Interesse an dem individuellen Schiff sehr groß.
Holzfreaks kennen die Vorzüge einer
Yacht aus dem natürlichen Material. Sie
haben lieber Holzduft in der Nase anstelle
des Geruchs von Styrol. Genießen die
Trockenheit gegenüber dem tropfenden
Schwitzwasser im GFK- oder MetallRumpf. Freuen sich über die Maserungen
an und unter Deck. Machen sich keine
Gedanken über Osmose. Setzen das relativ geringe Baugewicht in hohe Geschwindigkeiten um. Haben einen Werkstoff, der durch Verfärbung anzeigt, dass
er in marodem Zustand ist. Können Anund Umbauten leicht selbst ausführen,
ohne Kunststoff-Experten sein zu müssen.
Die Vorzüge haben ihren Preis: Mit rund
220 000 Mark liegt das 1020 im oberen
Mittelfeld vergleichbarer GFK-Yachten.
Die Werftleitung will in erster Linie
fertige Holzyachten auf den Markt bringen. Doch was wäre Waarschip ohne Bau-
kasten-System? Wer will, kann selbstverständlich auch weiterhin sein Waarschip
in Eigenleistung entstehen lassen. Viele
Skipper haben bereits während der Bauphase höchste Glücksgefühle. Das Hobby
Segelsport muss nicht erst beim Stapellauf
beginnen.
Wenig Pflege trotz Holz
Waarschip-Eigner in aller Welt reagieren äußerst ungehalten, wenn man ihre Yachten als Knickspanter bezeichnet.
Der kleine, aber feine Unterschied liegt in
dem Zusatz „Multi“. Multiknickspanter
sind, wie das neue Waarschip 1020, eigentlich Rundspanter mit kleinen Ecken
an den Plankenstößen. Ansonsten segeln
sie und verhalten sich wie ihre rundspantigen GFK-Kollegen.
Das von Kees van de Stadt gezeichnete tien-twintig, wie es in Holland genannt
wird, ist als sportlicher Cruiser konzipiert.
Geringes Gewicht in einem schnellen
Rumpf ohne Extreme war die Maxime.
Lange Wasserlinie, tiefer und schmaler
Kiel mit sehr niedrigem Schwerpunkt sowie große Segelfläche, frei schwebendes
Spatenruder mit NACA-Profil – all das
sind Merkmale einer schnellen, sportlich
orientierten Yacht. Der Segelplan sieht
nur ein mächtiges Groß und eine 100Prozent-Fock vor – das reicht allemal und
sorgt bereits für ein effektives Verhältnis
von Gewicht zu Segelfläche (Segeltragezahl 4,58).
U
Å Sehr robuster Rumpf mit Kevlarverstärkung
Å Extrem tiefer Bleiballast
Í Zu große Ruderfläche
Í Nur flache Bilge
Í Kleiner Backskisten-Zugang
uSegelleistung und Trimm
Å Sehr ausgewogene Balance
Å Hohes Geschwindigkeitspotenzial
Å Sehr wendig, hohes Rigg
Å Anordnung der Beschläge
ZEICHNUNG: A. HOPPENHAUS
uWohnen und Ausbauqualität
Å Gemütlichkeit durch Holz
Å Gesamtkonzept
Í Noch Prototypen-Detailmängel im Finish
uAusrüstung und Technik
Å Maschineninstallation mit Getriebe vorn
Å Reichhaltige Beschläge
Í Schallbrücken/Motorkasten
Í Zu kleiner Propeller (Prototyp)
An der Kreuz: Dank des tiefen Kiel-Schwerpunktes ist das Segeltragevermögen hoch.
Das Laufdeck bietet durch eine hohe umlaufende Holz-Fußreling guten Seitenhalt
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Viel Holz in der Hütte: Was Liebhaber begeistert, ist anderen zu dunkel. Helle Polster, Decken und Fußböden schaffen Licht im Salon
tragende Verstärkung nicht notwendig,
soll aber bei Kollisionen mit schwimmenden Hindernissen wie beispielsweise Containern ein mögliches Leckschlagen verhindern.
Der Kiel besteht aus einer ganz ungewöhnlichen Konstruktion: Der obere Teil,
der direkt unter dem Rumpf sitzt, wurde
aus Bongossi-Segmenten gefertigt und
reicht 90 Zentimeter tief. Durch die Segmente verlaufen die Edelstahl-Kielbolzen
hindurch bis zum tief sitzenden Bleiballast. Durch diesen extrem tiefen Schwerpunkt wird eine hohe Stabilität erreicht.
Und noch einen Vorteil hat diese Bauweise: Der normale Tiefgang von 1,85
Meter kann damit werftseitig sehr leicht
vergrößert oder verringert werden.
Harz schafft lange Lebensdauer
Das Thema Osmose spielt natürlich
bei Holzyachten keine Rolle. Dennoch tut
die Werft sehr viel, um eine möglichst
lange Lebensdauer zu garantieren. So
wird nach Fertigstellung des Rumpfes
zunächst eine Tiefen-Imprägnierung aus
Epoxidharz aufgetragen. Nach dieser Be-
Navi-Platz: praxisgerecht bemessen, brauchbar. Schlaf-Platz: sehr geräumiges Achterschiff
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schichtung folgen zwei Anstriche mit
SP320-Grundierung – ebenfalls auf Epoxid-Basis –, zweimal Primer, dann erst
werden drei Lackschichten aufgebracht
(mit Zwischenschliffen). Die so hergestellte Schutzschicht ist gleichzusetzen mit
einer Gelcoat-Schicht und nicht minder
standhaft. Und der normale Pflegeaufwand fällt bei einem Waarschip nicht
größer aus als für einen GFK-Rumpf.
Bei den naturbelassenen Holzteilen
sind zwei Wege möglich: Entweder die erwähnte harte Epoxid-Beschichtung oder
die weiche, dampfdurchlässige Ölung, die
zwar beim vielfachen Grundauftrag mehr
Zeit verlangt, aber später nie vom Wasser
unterlaufen werden kann.
Der gesamte Innenausbau besteht
natürlich ebenfalls aus Holz. Die Holzart
und -struktur kann der Kunde selbst bestimmen, fast alle Sorten sind wählbar.
Das Testschiff hatte einen MahagoniAusbau mit Glanzlackierung.
Umgedrehter Motor bringt Vorteile
Auch bei der Maschinen-Installation
beschreitet Waarschip unkonventionelle
Wege: Der Yanmar 2GM mit Saildrive ist
„verkehrt herum“ eingebaut – das Getriebe weist nach vorn. Öffnet man den Niedergang, hat man den Saildrive direkt vor
Augen. Die ungewöhnliche Installation
macht Sinn: Auf diese Weise wird der
Raum unter dem Niedergang besser genutzt, die Maschine kommt weiter nach
vorn, und der Platz in der Achterkoje
wächst erheblich. Wichtig aber bei dieser
Montage: Die jetzt nach achtern zeigende
Motor-Stirnseite muss gut erreichbar
FOTOS: M. NAUJOK; LAYOUT: I. LAUSTER
Der Grundbaustoff eines jeden Waarschips: hochwertiges Okumé-MarineSperrholz AW 100 (koch- und wasserfest)
nach DIN 68705 T3 – hergestellt beim
führenden Produzenten Bruynzeel, der
seine jahrzehntelange Erfahrung in die
Sperrholzfertigung einbringt. Alle Bauteile werden computergesteuert nach Designer-Datensätzen maßgenau gefräst.
Erst dann kommen sie zur Endmontage
nach Delfzijl in die Werft.
Die Materialstärken sind mit Bedacht
gewählt: Der Bootsboden im Unterwasserschiffs-Bereich ist 15 Millimeter dick,
die Außenhaut und das Deck jeweils 12
Millimeter, der Kajütaufbau besteht aus
zwei Lagen à 8 Millimeter. Diese beiden
dünneren Lagen, übereinander verleimt,
sind nötig, um die runde Form über den
massiven Decksbalken zu erzielen. Verbunden werden die Holzteile heute mit
Epoxid von SP-Systems aus England, einem der herausragenden Harzhersteller.
Auf Wunsch können im gefährdeten Bereich nahe der Wasserlinie von innen
Kevlarlagen auflaminiert werden. Dieser
zusätzliche Schutz ist normalerweise als
Waarschip 1020
Test
sein, so wie es beim Waarschip 1020 vorbildhaft ist.
Noch nicht optimal gelöst wurde allerdings beim Testboot die Isolierung. Zu
viele Schallbrücken lassen zu viel Lärm
nach außen dringen. Auch ist der Propeller zu klein. Die Maschine dreht bis 3800
Umdrehungen hoch. Bei 3500 UpM sollte die Obergrenze erreicht sein. Dann reduziert sich die Marschdrehzahl ohnehin.
Sehr erfreulich sind die Manövriereigenschaften: Das Boot dreht dank des
(über-)großen Ruders auf dem Teller. In
weniger als 15 Sekunden kreiselt das
Schiff um die eigene Achse. Es stellt sich
hier die Frage, ob die Ruderfläche tatsächlich so groß sein muss, denn schließlich strebt jeder Konstrukteur und Segler
eine möglichst kleine benetzte Oberfläche
an. Wie dem auch sei – manövrieren auf
engem Raum lässt sich das 1020 bestens.
Die Instrumentierung ist gut erreichbar,
aber nicht abgedeckt. Hier sollte die
Werft einen Deckel nachrüsten.
Geht ab wie eine Jolle
Die Testbedingungen sind ideal: 3 bis
4 Beaufort und manche Bö der Stärke 5.
Mit vollem Groß und der Standardfock
rauscht das Schiff bei halbem Wind mit 7
Knoten Speed durch die See. An der
schön langen Pinne lässt sich das Schiff
mühelos auf Kurs halten und dirigieren;
es verlangt kaum Gegenruder, um den
leichten Luvdruck abzufedern. Das Waarschip ist bestens ausbalanciert – da verwundert die sehr große Ruderfläche.
Werftchef Louis Hijlkema kann da nur
mit den Schultern zucken und eingestehen: „Wir arbeiten dran. Das nächste Ruder machen wir kleiner.“
U
Ankerkasten:
nicht riesig,
aber ausreichend. Decksdurchführung:
konzentriert
auf einen
Punkt. Gas:
gut verstaut
im dichten
Container
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Test Waarschip 1020
Wenn eine Bö mal etwas länger
durchsteht, beschleunigt das Waarschip
deutlich und kommt manchmal an die
8-Knoten-Marke heran. Die De-VriesSegel stehen ausgezeichnet – wohlgeformt und faltenfrei. Mit Traveller und
Baumniederholer lässt sich jeder gewünschte Twist im Großsegel einstellen.
Die Großschot kann der Rudergänger
direkt auf dem breiten Traveller bedienen.
Die weit innen geschorene Fockschot
wird vom Vorschoter auf dem Kajütdach
kontrolliert. Will der Rudergänger beide
Schoten einstellen, muss er die übliche,
weiter außen liegende Genua-Leitschiene
und die achteren Winschen benutzen.
Dann geht’s auch bequem einhand.
Hoch am Wind mit strammen Schoten pendelt sich die Yacht auf zirka 25
Grad Lage ein. Das Speedometer geht erwartungsgemäß zurück, der Ruderdruck
steigt mäßig, die Freude bleibt. Denn immerhin schafft das Schiff noch um die 6,5
Knoten Fahrt. Nach mehreren Wenden
wissen wir es: Das 1020 kann gewaltig gut
Höhe laufen. Das flache Groß, die eng geschotete Fock und das glatte Wasser machen es möglich – ein Wendewinkel von
80 Grad ist realistisch. Und in diesem Zusammenhang fällt wieder das sehr große
Ruderblatt auf. Der nur minimale Ruderdruckzuwachs sollte eine kleinere Fläche
erlauben.
Insgesamt: Die große Segelfläche und
das geringe Gewicht lassen fast ein jollenartiges Feeling aufkommen, das noch
durch die enorme Wendigkeit unterstützt
wird. Allerdings ist immer eine Hand an
der Pinne nötig.
Die Baunummer 1 ist nicht optimal
Das Positive vorab: Konzept und
Raumdimensionen stimmen. Die Kojen
sind groß genug, die Höhen reichen, die
Fußraumflächen genügen ebenfalls. Der
Klapptisch ist mit 1,35 Meter mal 0,80
Meter schon fast ein wenig groß, aber das
ist Geschmackssache. Auch der NaviPlatz und die Pantry genügen normalen
Ansprüchen. Allerdings ist nur eine Einzelspüle vorgesehen, was nicht komfortabel ist. Stauraum gibt es reichlich. Der
Platz in der Nasszelle reicht für Normalwüchsige aus, korpulente Segler müssen
sich darauf einstellen.
Ein Problem aller Flachbodenschiffe:
Eine tiefe Bilge ist nicht vorhanden. Wasser kann also sehr leicht umherschwap70
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uD E M
Der nächste Neubau
in der neuen Werft:
Deck und Rumpf 12,
Boden 15 Millimeter.
Darunter: eines der
Zwischenstücke zur
Kielverlängerung.
Richtungsweisend:
Edelstahl-Ruderschaft
mit Holzblatt. Unten:
Kevlar-Schlagschutz
pen. Die Werft sollte versuchen, zumindest einen dünnen, aber tiefen Brunnen
mit Absaugschlauch unterzubringen. Das
müsste in der breiten, hölzernen Kielwurzel möglich sein.
Eine Baunummer 1 kann nie perfekt
sein, und man merkt an vielen Details,
dass noch etwas Feinschliff fehlt. Gerade
Holzliebhaber aber legen großen Wert
auf sorgfältig verarbeitete Furniere und
optimale Lackoberflächen. Dieses Manko
wird bei den nächsten Baunummern sicher nicht mehr zu finden sein.
Zu verbessern wäre zudem noch der
Zugang zur Backskiste. Der Raum ist riesig, die Klappe aber klein. Sehr gut dagegen ist die Unterbringung der blauen
Butangas-Flasche gelöst: Der wasserdicht
verschließbare Deckel dient als wirkungsvoller Korrosionschutz, der leider von vielen Werften nicht berücksichtigt wird.
Etwas problematisch ist generell bei
Yachten ohne Innenschale die Verlegung
von Kabeln und Leitungen. Man sollte
HOLZBAU VERBUNDEN
Ende Juni dieses Jahres war es endlich so weit:
Louis Hijlkema konnte seine neue Werft in Delfzijl/Niederlande in Betrieb nehmen. Hier – mit
direktem Wasserzugang – arbeiteten noch bis
vor kurzem staatliche Mitarbeiter für den Stromund Hafenbau. Nach deren Umsiedlung hinterließen sie einen piekfeinen Betrieb mit großen
Hallen, Lagerflächen und allen nötigen Holzund Metall-Bearbeitungsmaschinen, die jetzt
der Waarschip Werf Delfzijl zugute kommen.
Als Neubauten sind zurzeit im Programm: Der
Daysailer (siehe auch YACHT-Test in 17/2000),
das 910 und das hier getestete 1020. Der Daysailer ist besonders für Segler interessant, die
mit möglichst hohem Eigenarbeitsanteil an ein
preisgünstiges Schiff kommen wollen.
Bei den größeren Boots-Einheiten ist seitens
der Werft eine gesteigerte Fertigungstiefe geplant. Diese weitaus komplizierteren Bauten,
die mit viel Technik ausgestattet sind, können
aber dennoch auch als Kaskos erworben werden. Je nach Geschick und Erfahrung kann jeder zukünftige Eigner den
Eigenarbeitsanteil
selbst bestimmen.
Liebhaber „alter“ Waarschips sind hier ebenfalls
an der richtigen Adresse:
Alle Pläne liegen noch vor.
In Kürze werden sogar wieder zwei tien-tien-Neubauten in Angriff genommen.
daher bereits bei der Projektierung mit
der Werft die notwendigen Leitungen
planen, um sie dann in U-Profilleisten aus
Holz verschwinden zu lassen.
Ein weiterer Waarschip-typischer
Umstand lässt sich dagegen kaum abstellen: Wellen von achtern erzeugen plätschernde Geräusche, empfindliche Zeitgenossen müssen sich daran gewöhnen –
Holz ist nun mal ein guter Resonanzkörper. Wem es zu arg wird: Ein untergeschobener Luftschlauch oder eine Luftmatratze wirkt schalldämpfend. Diese
kleine Besonderheit sollte aber nicht vom
Kauf abhalten. Selbst auf manchen GFKBooten ist es in der Achterkammer laut.
Alles in allem ist das tien-twintig empfehlenswert. Wer Holz liebt, hat sowieso
kaum eine Alternative.
Michael Naujok
Zum Vergleich: Waarschip 1010, 06/84;
Fingulf 335, 04/96; Grand Soleil 34.1, 24/
99; Sunbeam 33, 13/99: www.yacht.de