Cambridge | Großbritannien

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STADT | LAND
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FIRMA/INSTITUTION
Annand & Mustoe Architects
STUDIENRICHTUNG
DAUER
Architektur
11 Monate
Vorbereitung
Im Frühjahr 2008 entschied ich mich, das für mein Architekturstudium erforderliche Praktikum
im Ausland zu absolvieren. Vorher hatte ich schon an zweimal an einem Studentenaustausch
teilgenommen und beide Male sehr positive Erfahrungen gesammelt, so dass ich diese Chance,
noch einmal längere Zeit im Ausland verbringen zu können, unbedingt nutzen wollte. Nachdem
ich vom Leonardo-Programm grünes Licht erhalten hatte, ging alles recht schnell. Ich bewarb
mich sofort bei den von Leonardo vorgeschlagenen Büros in den Gastländern meiner Wahl die
mir gefielen, bekam jedoch mit der schlechten wirtschaftlichen Lage begründete Absagen. Das
einzige Büro, das ich in England anschrieb, war jedoch sofort bereit mich aufzunehmen.
Ich wurde gebeten, einige Arbeitsproben zu schicken, die meinem Chef gefielen und er schickte
mir den Entwurf eines Arbeitsvertrages. Er bat mich auch statt der von mir vorgeschlagenen drei
bis fünf Monate lieber ein Jahr zu bleiben, da ich und auch das Büro mehr davon profitieren
würden. Ich willigte ein und kann heute sagen, dass es eine gute Entscheidung war, auch wenn
sich das Ende meines Studiums um ein Semester hinauszögert.
Unterkunft
In den ersten Tagen in Cambridge wohnte ich in der Jugendherberge und begab mich von dort
aus auf die Wohnungssuche. Von meiner Kollegin hatte ich einige Links zu Webseiten mit
Wohnungsangeboten erhalten, und noch von zu Hause aus vereinbarte ich Termine mit den
Vermietern, um mir die Zimmer anzuschauen. Ich wurde recht schnell fündig, insgesamt schaute
ich mir nur drei Zimmer an, von denen mir eines wegen der sympathischen Mitbewohner und der
Nähe zu meinem Arbeitsplatz sehr gut gefiel. Ich teile das Haus mit einer englischen Studentin
und einer Italienerin mit denen ich mich sehr gut verstehe. Das Haus ist zwar nicht im besten
Zustand, aber die Miete ist erschwinglich.
Es lohnt sich auf alle Fälle so lange nach einer Unterkunft zu suchen, bis man etwas passendes
gefunden hat und nicht die erstbeste zu nehmen, selbst wenn es länger als nur ein paar Tage
dauern sollte. In Cambridge herrscht ein ständiges Kommen und Gehen und täglich sind neue
Anzeigen für Zimmer online oder in Schaufenstern von Geschäften ausgehangen.
Praktikum
Mein Praktikum fand im Büro Annand & Mustoe Architects statt, einem kleinen Architekturbüro
in Cambridge, Großbritannien.
Das Büro wird von den beiden Partnern Duncan Annand und Michael Vanoli geführt und hatte
zur Zeit meines Praktikumbeginns ein internationales Team aus vier festangestellten Mitarbeitern
und einem Praktikanten. Die Projekte mit denen sich die Mitarbeiter auseinandersetzen reichen
von Wohnbauten und sozialem Wohnungsbau über Schulbauten bis hin zu Universitätsbauten.
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1. Tätigkeiten im Praktikum
In den ersten Wochen meines Praktikums übte ich hauptsächlich das Zeichnen in AutoCAD, das
die im Büro ausschließlich genutzte Software zur zeichnerischen Darstellung der Entwürfe ist.
Ich wurde mit anderen Mitarbeiten auf zwei Baustellen geschickt um dort den Bestand zu
vermessen. Die von mir gezeichneten Skizzen übertrug ich später in AutoCAD und erstellte
Zeichnungen als Grundlagen für die weitere Bearbeitung der Projekte. Den Zwischenstand
meiner Arbeit zeigte ich für gewöhnlich einem meiner beiden Chefs, die mir nützliche Tipps zur
Darstellung gaben und mir weitere Aufgaben erteilten.
Ein großes Projekt, dass das Büro während meiner Anwesenheit bearbeitete ist die Divinity
School, ein College in Cambridge, das saniert und umgenutzt wird. Der größte Teil meiner Arbeit
im Büro bezog sich auf dieses Projekt. In den ersten zwei Monaten meines Praktikums verbrachte
ich zusammen mit einer Kollegin viel Zeit damit, die Gewölbe und fast alle Türen und Fenster
des Gebäudes zu vermessen und zu skizzieren, was einen hohen Genauigkeitsgrad erforderte, da
die meisten der Türen und Fenster nach einer Sanierung an anderer Stelle des Gebäudes wieder
eingesetzt werden sollten. Anhand von Skizzen meines Chefs erstellte ich einige der Entwurfszeichnungen und war zu einem bestimmten Zeitpunkt dafür verantwortlich einen Großteil der
Zeichnungen in einen präsentablen Zustand zu bringen, zu schattieren und zu layouten. Andere
Mitarbeiter erstellten aus den Zeichnungen und anderen Dateien ein Dokument, das den Bauherren und anderen Planungsbeteiligten vorgelegt werden sollte um daran den weiteren Verlauf
des Projekts zu veranschaulichen. Ich druckte das Dokument in mehrfacher Ausführung und
brachte alle Seiten in die gewünschte Reihenfolge bevor sie zu Heften gebunden wurden. Meine
Arbeit am Projekt Divinity School endete mit dem Zeichnen von Entwurfs Details für Glastüren.
Ein weiteres Projekt an dessen Bearbeitung ich großen Anteil hatte ist der Umbau eines Büros, in
der Nachbarschaft des Architekturbüros. Ich nahm das Aufmaß und erstellte wieder Pläne als
Grundlage für den weiteren Entwurf. Bei diesem Projekt bekam ich vermehrt die Gelegenheit
mich mit baukonstruktiven Details wie Boden- und Dachaufbau, Anschlüssen Wänden an Boden
und Dach sowie Anschlüssen von Fenstern und Türen an Wände auseinanderzusetzen. Beim
gedanklichen Umgang mit verschiedenen Materialien konnte ich hierbei ich meine Kenntnisse
aus den Fächern Baukonstruktion und Bauphysik anwenden, vertiefen und erweitern.
Besonders in der ersten Hälfte meines Praktikums begleitete ich eine meiner Kolleginnen auf
Baustellentermine, bei denen ich einen Einblick in den Verlauf des Umbaus eines Einfamilienhaus gewinnen konnte. Es war sehr interessant für mich den Fortschritt im Bau zu sehen, und
einen Eindruck davon zu erlangen, was die Aufgaben eines Architekten bei solch einem
Baustellentermin sind.
Neben meinen zeichnerischen Aufgaben war ich während der ganzen Zeit meines Praktikums
auch dafür verantwortlich eingehende Anrufe entgegenzunehmen und an die gewünschte Person
weiterzuleiten oder Nachrichten zu übermitteln sowie täglich vor der Mittagspause eine
Sicherung der Daten auf dem Servercomputer vorzunehmen.
2. Erworbene praktisch-fachliche Kompetenzen und Reflexion über den
Praktikumsverlauf
Zu Beginn meines Praktikums wurde ich zuerst allen Mitarbeitern des Büros vorgestellt und mir
wurden Projekte gezeigt, die das Büro bisher verwirklicht hatte und an denen es zu der Zeit
arbeitete. Ich bekam einen Rundgang durch das Büro, wobei mir gezeigt wurde, wo ich Arbeitsmaterialien finden kann, wie Kopierer, Scanner und Plotter zu benutzen sind und auch eine
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Belehrung zum Thema Arbeitsschutz. Mir wurde ein Arbeitsplatz zugewiesen, der mit einem PC
ausgestattet war. Mit meinen Fragen konnte ich mich an alle Mitarbeiter wenden, die stets bereit
waren mir zu helfen. Ich fühlte mich vom Büro sehr freundlich aufgenommen. Im Arbeitsalltag
herrschte eine lockere, entspannte Atmosphäre, die Mitarbeiter beraten und helfen einander gern
und am Ende der Arbeitswoche gibt es in diesem Büro die nette Tradition „Winetime“, während
der die Mitarbeiter bei Wein und Käse die Pläne für das Wochenende austauschen.
Zum Anfang meines Praktikums lernte ich täglich neue Dinge, vor allem im Umgang mit dem
Programm AutoCAD sowie Techniken zum Vermessen von Gebäuden, was mir in meiner
beruflichen Zukunft sicher sehr von Nutzen sein wird. Streckenweise fühlte ich mich ein wenig
unterfordert, insbesondere wenn ich längere Zeit nur Dinge zeichnete, die vorher aufgemessen
wurden und der Arbeitsalltag wenig Abwechslung bot. In solchen Zeiten wurde ich an meinem
Arbeitsplatz auch öfter müde und konnte mich nur noch schwer konzentrieren. Ein Gespräch mit
den Kollegen oder eine Teepause schufen jedoch Abhilfe. Besonders Spaß machte mir das
Zeichnen von baukonstruktiven Details, hier konnte ich mein Wissen aus dem Studium durch die
mir gestellten Aufgaben vertiefen und erweitern.
Im Großen und Ganzen bin ich der Meinung, dass ich nach einer kurzen Zeit der Eingewöhnung
einen wertvollen Beitrag zur Arbeit des Büros schaffen konnte.
Mein elfmonatiges Praktikum bei Annand & Mustoe Architects hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Es gab keinen Tag, an dem ich nicht gerne ins Büro gekommen wäre. Wie schon erwähnt habe
ich einige neue Dinge erlernt und viele wertvolle Erfahrungen bezüglich des Arbeitsalltags in
einem Architekturbüro gesammelt. Besonders gut fand ich, dass meine Chefs mich für den
Telefondienst verantwortlich machten, da mir das über die Zeit eine Menge Selbstvertrauen im
Umgang mit englischsprachigen Kunden und Geschäftspartnern gab, was mir zukünftig nutzen
wird. Hätte sich die Gelegenheit geboten, hätte ich gerne Einblick in Kostenplanung und
landestypische Bauvorschriften gewonnen.
Alltag, Freizeit
Mein Alltag in Cambridge wird hauptsächlich von meinem Job im Architekturbüro- und dem
Leben mit meinen Mitbewohnern geprägt. Von 9.00 Uhr morgens bis 17.30 am Nachmittag bin
ich im Büro-, danach gehe ich meistens nach Hause, koche, unterhalte mich mit meinen
Mitbewohnern, manchmal gehen wir in den Pub oder schauen uns gemeinsam einen Film an.
In Cambridge und Umgebung gibt es unendlich viele Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten.
Ich nahm für zwei Semester an einem Englisch-Kurs am Sixth Form College teil. Die Stunden
fanden immer Dienstag Abend statt und waren eine gute Gelegenheit neue Kontakte zu
knüpfen.Neben Sprachkursen werden an den Sixth Form Colleges und im University Sports- and
Social Center noch viele andere Sport-, Tanz- und Kreativ-Kurse angeboten, für die man sich
einschreiben kann. Ich nahm unter anderem an einem Ceroc-Jive Kurs teil und besuchte SalsaKlassen. Die Salsa-Klassen stellen eine gute Alternative für Tanzfreudige dar, die sich nicht auf
lange Frist festlegen wollen, denn in Cambridge gibt es Salsa-Klassen, für die man pro
Unterrichtseinheit- oder pro Abend bezahlt.
Des weiteren gibt es zahlreiche Kinos, Cafes, Cocktailbars, einige Nachtclubs und ein paar
Theater, so zum Beispiel das ADC Theatre, ein kleines Amateur-Theater, in dem viele
interessante Stücke zu recht niedrigen Preisen aufgeführt werden.
In den Sommermonaten finden zahlreiche Festivals und Märkte in den Cambridger Parks statt,
die man sich nicht entgehen lassen sollte. Anfang Juni gibt es zum Beispiel den Strawberry Fair
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auf dem Midsummer Common, ein riesiger Jahrmarkt mit Karrussels, Bands, Schaustellern,
Künstlern und Handwerkern. Im Juni und Juli finden die College- und City Bumps statt, ein
Wettrennen der zahlreichen Rudervereine auf dem Fluss Cam und im August gibt es das
Shakespeare Festival. Die Shakespeare-Stücke werden von einer wandernden SchauspielerGruppe in den Gärten verschiedener Colleges aufgeführt. Ich sah mir zusammen mit Freunden
das Stück „The Merry Wifes of Windsor“ in den Kings College Gardens an. Die meisten
Zuschauer, so auch wir, brachten Decken und ein Picknick mit und Dank des tollen Wetters, der
heiteren Stimmung und der wunderschönen Umgebung wurde dies zu einem für mich
unvergesslichen Erlebnis.
In der näheren Umgebung gibt es einige sehr beliebte Ausflugsziele, wie zum Beispiel den
Orchard in Grantchester, ein englischer Teegarten, zu dem man am Fluss Cam entlang wandern
kann und die Kathedrale von Ely, die eine der schönsten und bedeutendsten Kathedralen
Englands ist. London mit all seinen Attraktionen ist mit dem Zug auch nur 50 Minuten entfernt.
Es lohnt sich, die Angebote der englischen Bahn zu erkunden. Es gibt zum Beispiel die „Family
and Friends Railcard“, mit der man außerhalb der Hauptverkehrszeiten und an Wochenenden
günstigere Fahrkarten für sich und bis zu drei Freunde kaufen kann.
Fazit
Ich schätze meinen Auslandsaufenthalt in Cambridge, Großbritannien als eine sehr wertvolle
Erfahrung ein. Als ich hierher kam habe ich mir erhofft meine Sprachkenntnisse zu vertiefen,
neue Freunde zu finden, ein neues Land mit seinen Bräuchen und Traditionen kennen zu lernen
und natürlich einen guten Einblick in die Berufswelt eines Architekten zu gewinnen. Durch das
Zusammen wohnen mit einer Engländerin und einer Italienerin und durch die Kontakte, die ich
im Büro und im Sprachkurs knüpfte, lernte ich viele neue Leute aus verschiedenen Ländern
kennen, von denen einige gute Freunde geworden sind. Ich habe während meiner Zeit in England
viel unternommen und viele neue Orte gesehen. Wie anfangs schon erwähnt blieb ich statt der für
mein Studium erforderlichen drei Monate fast ein Jahr in England um im Architekturbüro zu
arbeiten, und schätze dies als eine gute Entscheidung ein, da ich viel mehr berufliche
Erfahrungen sammeln konnte und auch auf meine Sprachkenntnisse wirkte es sich sehr positiv
aus. Ich würde jedem Studenten, der die Möglichkeit hat ins Ausland zu gehen empfehlen diese
Chance zu nutzen, für mich war es ein wundervolles Jahr.
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