Mediterrane Fata Morgana – Wien am Meer

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Mediterrane Fata Morgana – Wien am Meer
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REISEJOURNAL AM WOCHENENDE
Samstag, 26. Oktober 2013
REPORTAGE DER WOCHE
Mediterrane Fata Morgana – Wien am Meer
KRIMINELL GUT: Triest mit Veit Heinichen kennenlernen / Karst, Kaffee und Kanäle
Von Volker Feuerstein
Veit Heinichen ist verschnupft. Und er hustet
mitleiderregend. Das
hält den prominenten
deutschen Schriftsteller,
der in Triest lebt, nicht
davon ab, eine Zigarette
zu rauchen und für sich
und uns einen guten
Wein zu bestellen. Wo?
Natürlich in seinem „Büro“, der Vinothek „Gran
Malabar“ bei Walter
Cusmich in der Altstadt
von Triest.
Genuss, Kommunikation und
Gastfreundschaft gehören zu
Veit Heinichen wie Commissario Proteo Laurenti und die
finsteren Mächte einer mit der
Politik verbandelten Wirtschaft
zu seinen Büchern, die mit
Henry Hübchen und Barbara
Rudnik für die ARD verfilmt
wurden. Für ihn ist der Kriminalroman ein ideales Mittel,
um die moderne Gesellschaft
abzubilden. Und das macht der
Mann, der zwischen Schwarzwald und Bodensee in einem
kleinen Ort aufwuchs, mit Begabung, Leidenschaft und Akribie. Dabei verbringt er Monate
in den Polizei- und Gerichtsarchiven von Triest, stöbert in eigenen Akten und Büchern und
greift auf sein umfangreiches
Wissen über Kultur und Geschichte jener Stadt zurück, die
ihn wie eine eifersüchtige Geliebte an sich fesselt.
Wer wissen will warum, der
sollte seine Krimis lesen, die in
zehn Sprachen erscheinen und
eine Fülle von Auszeichnungen
erhielten. Wer die Liebe zu
Triest mit Veit Heinichen teilen
will, der seit über 20 Jahren dort
lebt, der sollte allerdings vor allem jenes Büchlein studieren,
das er mit seiner Lebensgefährtin Ami Scabar, einer genialischen Köchin, geschrieben hat:
„Triest Stadt der Winde“ ist einer der fesselndsten Führer, der
– mit Herz und profundem Wissen zusammengestellt – aus jedem Klischee ausbricht. Leicht
findet sich sein Leser wieder in
einer Welt der Genüsse – Ami
Scabars Rezepte stehen dafür. Er
erlebt spannende Begegnungen in alten Gassen, auf großartigen Plätzen, in reizvollen
INFO
Infos Triest: www.triesteturimo.net, www.rzpr.at
Hotels: Grand Hotel Duchi d’ Aosta, Piazza Unità
d’Italia 2, Telefon:
+39/040/760 00 11;
www.duchi.eu; Hotel Riviera, Strada Costiera 22,
Telefon: +39/040/22 45
51; www.rivieramax.eu;
Wein: www.zidarich.it;
Olivenöl: www.starec.it;
Märchenkulisse oder Wirklichkeit? Schloss Miramare sticht im Morgendunst wie ein Traumschiff ins blaue Meer vor Triest .
Landschaften bei Weinmachern, Olivenbauern und in
Restaurants, die man unbedingt kennen lernen will. Veit
Heinichen ist ein Mann, der
seinen Landsleuten die Stadt
gerne persönlich nahe bringt.
So wird aus dem „dienstlichen“
Treffen mit ihm rasch ein ganz
privater Gedankenaustausch.
Auf den ersten Blick könnte
Triest eine Fata Morgana von
Wien am Meer sein. Die prunkvollen Paläste, die üppig geschmückten Villen und die weiten Plätze stammen meist aus
der Zeit nachdem der kunstbewusste Habsburger Kaiser
Karl VI. Triest 1719
zum Freihafen ernannte. Damit
begann
die
neue
Geschichte
und Blütezeit des Ortes. Von
einer bunten Gesellschaft aus
italienischen, deutschen, englischen, französischen,
griechischen und jüdischen Händlern und
Spekulanten errichtet, die
sich mit repräsentativen Bauten – neoklassizistisch und Jugendstil –
zu übertrumpfen
suchten, ist Triest noch immer
ein Spiegel vieler Nationalitäten. Es ist auch die Stadt mit den
meisten Grenzen in Europa, die
aber dank EU so durchlässig
sind, dass alle Länder und ihre
Menschen weiter auf den Charakter der Stadt einwirken.
Für Veit Heinichen ist Triest
„Schnittstelle zwischen romanischer, slawischer und germanischer Kultur“. Er weiß: „Hier
begegnen sich die mediterrane
Welt und die des Nordens, Osteuropa und der Balkan treffen
auf Westeuropa. Eine Fundgru-
be für denjenigen, der begreifen
will , wie Europa funktioniert.“
Schon bei der Ankunft
nimmt der Gast Abschied von
der sterilen, modernen Welt
standardisierter
Hotelketten
wenn er das „ Grand Hotel Duchi d’Aosta“ gebucht hat, ein
Juwel am großartigen Platz der
Einheit im Zentrum der Altstadt. Der Prunkbau hat geschmackvoll dekorierte Zimmer, in denen man die große
Vergangenheit des Hauses und
der Stadt spürt. Sensibel wurden
ein
Spa-Bereich und ein Aufzug
eingebaut. Dennoch fühlt man
sich in Harry’s Grill um ein
Jahrhundert zurück versetzt
und genießt ausgezeichnete
Gerichte zu den interessanten
Karstweinen der Region. Die
Betreuung durch Patronin Hedy Benvenuti und ihre Tochter
Susy ist herzlich. Sie sprechen
beide perfekt deutsch.
Der Ursprung des Hauses
reicht bis ins 3. Jahrhundert zurück. Auch wenn die Vorläufer,
ein römisches „Hospitium
Magnum“, und später das „Locanda Grande“, größtes Hotel
der Stadt im 19. Jahrhundert,
Kaffee: www.illy.com;
Fleisch: Da Pepi, Via Cassa di Risparmio, Telefon:
+39/040/36 68 58;
Vinothek: Gran Malabar,
Piazza San Giovanni 6,
Telefon: +39/040/63 62
26 ;
Restaurant: Ristorante
Scabar, Erta Sant‘Anna
63, Telefon +39/040/81
03 6, www.scabar.it ;
Führungen, Tipps, Erlebnis-Pakete mit und ohne
Veit Heinichen im Hotel
Duchi d‘Aosta zu buchen.
Infos unter: www.rzpr.at
Grandhotel mit Geschichte: Wo das Duchi d‘Aosta steht,
liebte Casanova und starb der Archäologe Winckelmann.
nicht mehr stehen, ist der
„Neubau“ von 1873 ein würdiger Nachfolger. So illustre Gäste
wie Giacomo Casanova, Carlo
Goldoni, Bob Dylan, Francis
Ford Coppola, Anthony Hopkins und Bryan Adams schliefen und träumten in den Zimmern des Hotels mit Blick auf
den beeindruckenden Piazza
dell‘Unita d‘Italia. Weniger
Glück hatte der Archäologe Johann Joachim Winckelmann,
er wurde im Hotel erdolcht, frei
nach Heinichens Krimititel
„Gib jedem seinen eigenen
Tod“. Man kann sich einen
schlechteren Ort für den Abschied von der Welt vorstellen.
Die präsentiert
sich in Triest am
Westufer des
Canale Grande in der Vormittagssonne
am
schönsten.
Auf der Brücke
kann
man
der
Bronzestatue
von James Joyce, der hier lange
lebte mit einem trockenen Karstwein zuprosten. Den von ihm geliebten Opollo-Wein gibt es allerdings nicht mehr. Anschließend schmeckt bei „Da Pepi“
ein
Teller
mit
saftigem
Schlachtfleisch und dem besten Sauerkraut der Welt. Danach mundet der hinreißende
Apfelstrudel zum Capuccino
im „Viezzoli“. Den Espresso mit
Grappa gibt es im ältesten Kaffeehaus Triests, dem LiteratenCaffé Tommaseo.
Wer dann noch Unternehmungsgeist besitzt, sollte einen
Blick auf den alten Hafen werfen, in dem verfallene Gebäude
mit morbidem Charme auf eine
Wiederbelebung warten. Von
dort ist es auch nicht mehr weit
zum „Miramare“, jenem weißen Märchenschloss am Meer,
in dem Kaiser Maximilian mit
Charlotte von Belgien wenige
Jahre flüchtigen Glücks genoss.
Um jetzt jede aufkommende
Müdigkeit zu vertreiben, ist ein
Besuch des Kaffeeproduzenten
Illy am anderen Ende der Stadt
eine Option. Hier verbinden
sich Umweltbewusstsein, Stil
und neueste Verarbeitungsmethoden mit einem freigiebig
ausgeschenkten Kaffee von
phantastischer Qualität.
Am Abend schlendert man
am romantisch beleuchteten
Kanal entlang zum „Gran Malabar“, wo sich Veit Heinichen,
Gott und die Welt bei Walter
Cusmich treffen, um zu reden
und lustvoll den Weinbestand
von 60 000 Flaschen hochwertiger Tropfen zu dezimieren.
Traumziel für Gourmets ist
Fotos: Volker Feuerstein
Benjamin Zidarich ist stolz auf seinen Karstkeller.
Lebensgefährten: Veit Heinichen und Ami im „Scabar“.
James Joyce genoss Triest
wie keine andere Stadt.
der Besuch des Restaurants
„Scabar“, in dem Ami kocht
und ihr Bruder Giorgio als Sommelier sensibel den richtigen
Wein dazu empfiehlt. Hier feiern die Aromen der mediterranen Region Hochzeit mit der
Frische von delikaten Meeresfrüchten, angerichtet von einer
Frau, die in der Küche einfühlsame Kreativität mit großem
Können verbindet.
Am nächsten Tag will man sehen, wo die phantastischen
Weine wachsen und das hervorragende Olivenöl hergestellt
wird. Beim Wein ist Benjamin
Zidarich die richtige Adresse. In
den tiefen Kellern, die er in den
Karst über Triest getrieben hat,
erschließt sich dessen Magie.
Ein Geschmackserlebnis ist der
weiße, autochthone Vitovska,
ebenso wie der rote Terrano.
Die besten Olivenöle stellen
die sympathischen Brüder Paolo und Roberto Starec her. Bei
weltweiten Vergleichen landeten ihre Produkte auf den ersten
Plätzen. Wer sie kostet, weiß
warum. In einer der Buschenschanken im Karst, die hier
„Osmiza“ genannt werden,
kann man sich Tipps zu weiteren Wein- und Olivenölquellen
von hoher Qualität holen.
Wer nach einer aufregenden
Woche quirligen Stadtlebens
iin Triest erschöpft ist, der
kann im zweiten Hotel der Familie Benvenuti entspannen,
dem „Riviera & Maximilians“
direkt an der Küste über dem
Meer mit Blick auf das „Miramare“ und einem Lift zum
Strand. Eine stille, grüne Oase
unter Palmen. Vielleicht trifft er
Commissario Laurenti an der
Bar, der sich hier gerade von
seinem letzten Fall erholt.
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