AutomatenMarkt Magazin

Transcription

AutomatenMarkt Magazin
Magazin
AutomatenMarkt
Pinball Convention in Gelsenkirchen
Kultobjekte aus der Blütezeit
Atari, Bally, Gottlieb, Midway, Stern, Williams:
Beim Klang dieser Worte bekommen Flipperfreaks
feuchte Augen. Die Pinball Convention bot wieder
Geräte von allen einstmals großen Herstellern.
Es ist Samstag und im Norden von
Gelsenkirchen spielt sich so etwas
wie eine Völkerwanderung ab. Fußball? Auch! Aber nicht alle, die an
diesem Nachmittag mit erwartungsfrohen Gesichtern durch den
Ruhrpott pilgern, wollen in die
Arena mit dem bierseligen Namen,
um Jogi’s Jungs beim letzten EMTest zu beobachten.
Mehrere hundert Menschen traben
zur Rennbahn. Dort geht es heute
ebenfalls unterhaltsam zu – ohne
Pferde und obwohl die Betreiber es
für Humor zu halten scheinen, die
Toiletten mit „Stuten“ und „Hengste“ zu beschildern. Auf der Gelsenkirchener Trabrennbahn findet zum
zweiten Mal die Pinball Convention
statt. Flipper statt Klepper!
Die Schlange an der Kasse ist zum
Glück nicht allzu lang. Das liegt,
80
wie sich am Getümmel drinnen unschwer ablesen lässt, daran, dass
die meisten bereits am frühen Vormittag gekommen sind, um ihrer
Leidenschaft zu frönen: Flippern bis
der Arzt kommt.
Flipper ist Nostalgie
Es wird einiges geboten. Über 100
Geräte können kostenlos bespielt
werden. Höchstens eine Handvoll
stammt aus diesem Jahrhundert.
Flipper ist auch Nostalgie. Seit es
nur noch einen Hersteller gibt und
Spielstättenbetreiber die Geräte
überwiegend für entbehrlich halten, sind Flipper eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Es sind private Sammler, die Flipper kaufen,
AutomatenMarkt Juli 2008
reparieren, liebevoll pflegen und
die Pinball Convention überhaupt
erst möglich machen.
Einer von ihnen ist der Essener
Frank Oeffelke, der unter anderem
den Herkules mitgebracht hat. Der
größte Serienflipper der Welt
stammt von Atari und wird mit einer original Billardkugel bespielt.
Herkules ist das erste Gerät, das
dem Besucher der Convention entgegenblinkt. Gleich um die Ecke
steht der 1936 gebaute Favorit aus
dem Hause Bergmann. Dabei handelt es sich in des Wortes doppelter
Bedeutung um einen Hingucker:
Das Ding ist nicht nur sehenswert,
auch die Eingriffsmöglichkeit des
Spielers ist mit dem Abschuss der
Kugel bereits vorbei. Der Rest ist
Hingucken.
An einer Ausstellung historischer
Geldspielgeräte vorbei geht es in
Blick von der Empore: Es sind vor
allem Geräte aus den 70er- und
80er-Jahren, die hier zum kostenlosen Spiel bereitstehen.
Auf dem Flipper-Flohmarkt gibt es jedes erdenkliche
Ersatzteil für den ambitionierten Bastler.
die Tiefen des Gebäudes. Hier finden sich vier Gruppen von Flippern, jede von ihnen mit Geräten aus
unterschiedlichen Jahrzehnten ausgestattet.
Das Turnier der Generationen wird hier gespielt, wobei
Generationen sich auf Mensch und Maschine bezieht.
Damit aus Gründen der Chancengleichheit niemand
trainiert, ist das Finalgerät, der „World Cup Soccer
USA 1994“, von der Stromversorgung gekappt.
Noch weiter hinten: Videospielgeräte aus grauer Vorzeit, also ungefähr 30 Jahre alt und mit Grafiken, die
einem die Tränen in die Augen treiben.
Das Zentrum des Geschehens liegt eine Treppe höher.
Mit jeder Stufe steigt der Lärmpegel und mündet
beim Durchschreiten der Tür in einen absolut infernalischen Krach. Für eingefleischte Fans der silbernen
Kugel ist es die denkbar schönste Musik. Obwohl die
meisten wahrscheinlich gar nichts davon mitbekom-
>>>
Begeisterte Bastler ermöglichen sogar Blicke auf das
Innenleben eines Flippers.
AutomatenMarkt Juli 2008
Magazin
AutomatenMarkt
Die ausgestellten Geräte
werden zwei Tage lang
praktisch pausenlos bespielt.
Der Methusalem unter den FlipperOldies der Pinball Convention: der
Favorit von Bergmann aus dem
Jahr 1936.
men. Sie stehen mit Tunnelblick vor
„ihrem“ Gerät und blenden die
Umgebung völlig aus.
Hier sind sie alle, die Kultobjekte
aus der Blütezeit des Flippers: Mata
Hari, Evel Knievel, Eight Ball, Harlem Globetrotters, Space Invaders,
Attack from Mars, Medieval Madness, Addams Family, Star Trek, …
die Aufzählung ließe sich fast beliebig fortsetzen. So sieht also das
Flipper-Paradies aus.
Doch Zeit in Ruhe eine Spielfläche
zu betrachten bleibt nicht: „Wenn
du nicht spielen willst, geh weiter“,
scharrt sofort ein Ungeduldiger mit
den Hufen und schiebt sich sanft,
aber bestimmt an die Knöpfe.
Eine weitere Etage höher wird es
wieder etwas ruhiger, obwohl es
sich lediglich um eine Galerie handelt. Hier oben wird gehandelt.
Vom Gummi, über die Glühlampe
bis zur kompletten Spielfläche gibt
es hier alles, was der ambitionierte
Flipper-Restaurator benötigt.
Hans Geiger ist mit einem Stand
vertreten. Neben Flipper-Utensilien
bietet er auch Zubehör und Ersatzteile für Billard, Kicker und Darts
an, genau wie bei der IMA.
Blickfang am Stand des Allgäuers
ist ein Couchtisch. Hört sich banal
an, wäre aber zweifellos eine Zierde
im Hobbyraum eines jeden Flipperfreaks: Eine Kiste mit Glasplatte
und darunter eine selbst designte
Flipper-Spielfläche.
<
„Der Termin war etwas unglücklich“
Stefan Ulrich, Geschäftsführer
des veranstaltenden Unternehmens Gelsenflipper, zog nach
der Pinball Convention ein gemischtes Fazit: „Ich bin eigentlich sehr zufrieden. Die Organisation lief rund, die Stimmung
war gut, und es ist auch nichts
Stefan Ulrich
kaputt gegangen. Die Besucher haben nicht nur unsere Geräteauswahl gelobt,
sondern sich auch sehr diszipliniert verhalten. Die Ver-
82
kaufsstraße im zweiten Obergeschoss war voll belegt.
Es waren mehr Anbieter da als letztes Jahr.“
Wermutstropfen war nach Angaben Ulrichs die mit
rund 1 000 etwas geringere Besucherzahl: „Die
Szene war da, aber weniger Gelegenheitsspieler. Am
Samstag war hier ein Fußball-Länderspiel und am
Sonntag in Gelsenkirchen verkaufsoffen. Beides
habe ich bei der Terminplanung nicht gewusst. Insofern war der Termin etwas unglücklich. Ich bin aber
zuversichtlich, dass das beim nächsten Mal wieder
besser wird.“
AutomatenMarkt Juli 2008