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senckenberg aktuell News Zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft... Excellenz in Forschung und Service Förderung für Rhein-Main-Exploratorium International Year of Planet Earth International Polar Year Meeresforschung Meteor-Expedition ins östliche Mittelmeer Rückgang der Ruderfußkrebse in der Nordsee Naturwaldreservate-Forschung Hotspots der Artenvielfalt Paläoanthropologie Älter als Lucy – Fossile Funde in Galili Quartärpaläontologie Weimar Unterstützung für Sihailongwan Ausgabe 2 April 2007 Editorial Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, willkommen zur zweiten Ausgabe von senckenberg aktuell, die erneut von Frau von Eiff, dieses Mal aber mit Unterstützung von Thorsten Wenzel erstellt wurde. Bei der Lektüre werden Sie feststellen, dass sich wieder viel getan hat: SenckenbergWissenschaftler, das Museum, die Museumspädagogik und die Marketing-Abteilung sind unverändert aktiv. Auch im Management sind wir intensiv mit den Vorbereitungen für die neue SNG-Satzung und deren Umsetzung sowie für die Fusion mit den sächsischen Einrichtungen in Dresden und Görlitz und mit dem Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg beschäftigt. Unsere IT-Abteilung hat mit der Einführung der neuen modernen Telefonanlage Großartiges geleistet. Außerhalb Senckenbergs war für uns vor allem die auf die Vorstellung des 4. IPCC-Berichtes folgende Klimadebatte wichtig. Keine Frage: hier wird sich Senckenberg künftig verstärkt engagieren wollen und müssen. Wo sonst könnten die Folgen des Klimawandels für Artenvielfalt und Ökosysteme so gut untersucht werden wie im Senckenberg, und zwar auch unter Einbeziehung erdgeschichtlicher Klimavariationen. Tatsächlich drängt die Politik verstärkt darauf, dass die öffentlich geförderte Scientific Community hier aktiver wird. So lädt die Bundeswissenschaftsministerin Frau Schavan für den 3. 5. zu einer Konferenz „KlimaForschungsgipfel – Eine Hightech-Strategie zum Klimaschutz“ in Hamburg ein; dort sollen unter Beteiligung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik „Fahrpläne“ für die Erforschung und Entwicklung von klimaschonenden Technologien erarbeitet werden. Die Biodiversität darf hier nicht vergessen werden! In der nächsten Ausgabe von senckenberg aktuell werden wir uns daher auch verstärkt dieser Thematik widmen – Sie sind bereits jetzt herzlich eingeladen, dazu Beiträge und Ideen zu liefern. Ihr Volker Mosbrugger Impressum Herausgeber: Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger Forschungsinstitut Senckenberg Redaktion: Doris von Eiff Layout: Doris von Eiff 2 Inhalt z aktuell ! 4- 8 ¾ Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ¾ Excellenz in Forschung und Service ¾ Senckenberg richtet Rhein-Main-Exploratorium ein ¾ Senckenberg beim International Year of Planet Earth ¾ Senckenberg beim International Polar Year z Forschungsprojekte u. Expeditionen 9 - 13 ¾ Meteor-Expedition Nr. 71 ins östliche Mittelmeer ¾ Hominidenfunde in Galili ¾ Vegetation in China vor 60 000 Jahren z Forschungsergebnisse 14 - 17 ¾ Hotspots der Artenvielfalt ¾ Rückgang der Ruderfußkrebse in der Nordsee z Museum 17 - 18 ¾ „Unter Wasser“ Fotos von Bill Curtsinger ¾ Museumsführer für die Ohren - Audioguide z Vermerkt 19 - 22 ¾ „Senckenberg-Stern“ am Firmament ... ¾ Namensgeber – Naturwissenschaftler – Visionär ... 3 News An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft Prof. Dr. Bernhard Stribrny – neuer Senckenberg-Mitarbeiter in Frankfurt Im Bereich „Wissenschaftliche Kommunikation“ an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft verstärkt seit März 2007 Prof. Stribrny als neuer Mitarbeiter das Senckenberg-Team. Angetreten ist der 1952 in Frankfurt geborene Geowissenschaftler, um Konzepte im Grenzbereich zwischen Geo- und Biosphäre, zum Beispiel zu Fragen des Klimawandels und der Biodiversität, zu entwickeln. Ein Ziel ist es, in diesem Tätigkeitsfeld interdisziplinäre Projekte zu initiieren, zu koordinieren und wissenschaftlich zu bearbeiten. Dabei bringt der ehemalige Präsident des Baden-Württembergischen Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau und Honorarprofessor der Universität Freiburg vielfältige Erfahrungen aus seinen früheren Tätigkeiten ein. 1978 schloss Bernhard Stribrny sein Geologiestudium an der J.W. Goethe-Universität in Frankfurt am Main ab. Das Thema der Diplomarbeit, die er zum Teil in Zusammenarbeit mit Senckenberg durchführte, lautete: „Die Geologie der Hochweiseler Mulde, Neukartierung und Bearbeitung der Geologie, speziell der Tektonik, TK 5617 Usingen, Rheinisches Schiefergebirge.“ Bernhard Stribrny wurde Prof. Dr. Bernhard Stribrny 1981 an der Frankfurter J. W. Goethe-Universität promoviert. Die Dissertation in der Fachrichtung Mineralogie zum Thema „Zur Geologie und Lagerstättenbildung des Kupfervorkommens der Grube Repparfjord, Finnmark, Norwegen“ zeigt bereits die wissenschaftliche Ausrichtung des Hochschulassistenten. 1990 habilitierte der neue Kollege und wissenschaftliche Koordinator für die Fachrichtungen Geochemie, Petrologie und Lagerstättenkunde und verließ Hessen. Nach einer kurzen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Petrographie und Geochemie an der Technischen Universität Karlsruhe betreute er als Referent beim Bundesministerium für Umwelt- und Reaktorsicherheit in Bonn die Endlagerprojekte Gorleben und Morsleben und leitete in der Folge die Fachgruppe Mineralogie und Lagerstättenforschung bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, deren Präsident er später wurde. Herr Stribrny ist Mitglied der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft, der Society for Geology Applied to Mineral Deposits, der Gesellschaft für Bergbau, Metallurgie, Rohstoff- und Umwelttechnik, der Deutschen Geologischen Gesellschaft, der Geologischen Vereinigung, der Oberrheinischen Geologischen Vereinigung und verschiedener wissenschaftlicher Gremien. Auf die Bitte um ein persönliches Statement äußert der neue Kollege: „Die Erde ist ein dynamisches System. Basierend auf unseren Kenntnissen über die Erdgeschichte und die Evolution des Lebens, können wir den Ist-Zustand erfassen und versuchen Projektionen für zukünftige Entwicklungen abzuleiten. Wir stellen uns als Geo- und Biowissenschaftler den Herausforderungen, die der globale Wandel mit sich bringt. Ziel ist es, die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Litho-, Pedo-, Hydro-, Kryo-, Bio-, Anthropo- und Atmosphäre besser zu verstehen und Werkzeuge zur Frühwarnung und Anpassung sowie Strategien zur Verminderung oder Vermeidung von negativen Entwicklungen zu erarbeiten.“ Bernhard Stribrny ist mit der Geologin Dr. Claudia Stribrny verheiratet. Ihre beiden Kinder heißen Benedict (22) und Viviane (21). Zu seinen Hobbies zählen ausgedehnte Wanderungen auf Fernwanderwegen, das Befahren alter Bergwerke, Zeichnen, Malen, Holzschnitzen und das Schmieden von Silber und Eisen. 4 Specials “Excellent in Forschung und Service” DZMB bei der Präsentation niedersächsischer Leibniz-Institute in Berlin Dass Forschung und Service feste Bestandteile der Wissenschaft sind, hat die Leibniz Gemeinschaft durch ihre Veranstaltung in der Landesvertretung Niedersachsen am 21. Februar 2007 akzentuiert. Leibniz-Präsident Ernst Theodor Rietschel sagte in seiner Begrüßungsrede, dass die Nöte der Menschen im Mittelpunkt der Arbeit aller Leibniz-Einrichtungen stehen. Neben der überregionalen Bedeutsamkeit von Forschung wurde bei der Präsentation der niedersächsischen Leibniz-Institute vor allem die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Forschungstätigkeit betont. An dem breit gefächerten wissenschaftlichen Themenspektrum, das die beteiligten Institute in den Berliner Ministergärten präsentierten, zeigten neben wissenschaftlich Interessierten und geladenen Journalisten vor allem Politiker reges Interesse. Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann lobte vor den rund 100 Gästen das Engagement der Leibniz Gemeinschaft und strich in seinen Kommentaren die Bedeutung der Meeresforschung heraus, die wegen der Klimaproblematik künftig noch stärker in den Vordergrund rücken werde. „Was sich derzeit in der Nordsee abspielt, muss als radikal bezeichnet werden“, wurde der Minister später in einem Artikel der Nordwest-Zeitung zitiert. Dem Bericht war auch zu entnehmen, dass Stratmann in dem Zusammenhang neue Forschungsinitiativen des Landes angekündigt habe. Forschung i. d. Praxis: Staatssekretär Wolfgang Gibowski (l), Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (a. Binokular) u. LeibnizPräsident Ernst Theodor Rietschel lassen sich v. Kai George über Ruderfußkrebse informieren. Foto: Leibniz Gemeinschaft Die Veranstaltung der Leibniz-Gemeinschaft war ein schöner Erfolg für alle. Die Wilhelmshavener Armin Rose stellt Forschungsfelder und Servicetätigkeit des DZMB vor. Kollegen vom DZMB haben bei ihrem Besuch in Viola Siegler hatte auf dem Bildschirm eine Dia-Show mit Bildern a. d. Tiefseeforschung installiert. Foto: Senckenberg der Bundeshauptstadt nicht nur Excellenz in Forschung und Service gezeigt, sondern insgesamt für einen gelungenen Auftritt des DZMB gesorgt. - Wenn auch die wissenschaftlichen Arbeitsfelder mariner Biodiversitäts- und Tiefseeforschung im Zentrum der Präsentation standen, so hatte das geschlossene Konzept für die ansprechende und professionelle „Verpackung“ auch einen Anteil daran. Senckenberg richtet Rhein-Main-Exploratorium ein Um Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung heimischer Tier- und Pflanzenarten ziehen zu können und gezielt Empfehlungen für Naturschutz und Regionalplanung zu geben, werden die Kollegen aus Gelnhausen unter der Leitung von Peter Haase ein „Rhein-Main-Exploratorium“ einrichten und im Ballungsraum Rhein-Main eine großflächig angelegte ökologische Langzeitstudie zum Wandel der heimischen Artenvielfalt durchführen. Das Projekt wird von der erst kürzlich gegründeten „Stiftung Flughafen Frankfurt/Main für die Region“ gefördert. Die durch den Hessischen Ministerpräsident Roland Koch initiierte Stiftung soll nachhaltige 5 Specials Projekte rund um den Frankfurter Flughafen fördern und ist einer der Bausteine im Programm der Landesregierung, die die mit dem Flughafenausbau einhergehenden Belastungen für die Umwelt und die Bewohner des Rhein-Main Gebiets kompensieren sollen. Das Stiftungskapital wird während der Planungs- und Ausbauphase der neuen Landebahn durch zehn Prozent der von der Fraport AG an das Land Hessen ausgeschütteten Dividende aufgebaut. Nach Inbetriebnahme soll der Zufluss auf 50 Prozent aufgestockt werden. Derzeit stellt die Stiftung eine Summe von einer Million Euro an Fördermitteln aus ihrem Kapitalstock bereit. Vorrangig unterstützt werden Projekte, die einen nachhaltigen Nutzen oder eine Pilotfunktion für die RheinMain Region haben. Die Auswahl der Förderprojekte trifft der Stiftungsvorstand auf Grundlage der Empfehlungen eines Beirats, dessen Vorsitzende Beate Heraeus ist. - „Mit den ausgewählten Projekten bieten wir lokale Impulse für die Lösung globaler Aufgaben“ wird die Vize-Präsidentin der SNG in der Presseinformation der Hessischen Landesregierung zitiert. Für die verschiedenen Förderrunden sollen Themenschwerpunkte gesetzt werden, wie etwa der Bereich Ökologie und Artenvielfalt im Jahr 2007. Für das Rhein-Main-Exploratorium stellt die Stiftung 160 000 Euro in 2007 bereit und hat auch für das Folgejahr bereits eine Rückstellung von 80 000 Euro gebildet. Neben dem vom Forschungsinstitut Senckenberg übernommenen Projekt werden in der ersten Förderrunde insgesamt acht, vornehmlich ökologisch ausgerichtete Vorhaben und Aktivitäten unterstützt. Für die weitere wissenschaftliche Ermittlung und populärwissenschaftliche Darstellung von Lebensvielfalt sowie die Bewertung von Einflüssen auf ein Ökosystem fließen der Grube Messel 138 000 Euro zu. Senckenberg im International Year of Planet Earth „Erdwissenschaften zum Nutzen der Menschheit“ - Der Untertitel des von den Vereinten Nationen für 2008 proklamierten International Year of Planet Earth (IYPE) drückt das Ziel der bisher größten internationalen Initiative der Geowissenschaften aus. In einem Zeitraum von insgesamt drei Jahren wird das weltweit vorhandene Potential von Experten aller Fachrichtungen zusammengetragen, um neue und zukunftsorientierte Möglichkeiten zur Bewältigung dringend anstehender Aufgaben darzustellen. Klimawandel und die damit einhergehenden Veränderungen in den Ökosystemen, knapper werdende Ressourcen sowie die Ursachen und Auswirkungen von Naturkatastrophen sind Themen, die zunehmend die öffentliche Diskussion bestimmen. Und in der Tat geht es dabei um gegenwärtige und künftige Phänomene von globaler Bedeutung, deren Folgen im alltäglichen Leben deutlich spürbar werden und Gesellschaften weltweit vor große Aufgaben stellen. - Verantwortliches und zielgerichtetes Handeln setzt jedoch gleichermaßen ein umfassendes Verständnis der komplexen Wechselwirkungen im System Erde voraus, wie Kenntnisse über die Auswirkungen menschlicher Einflussnahme auf die empfindlich ausbalan- 6 Specials cierten Systeme. - Die von der International Union of Geosciences (IUGS) und der erdwissenschaftlichen Abteilung der UNESCO initiierte Kampagne soll Politiker, Entscheidungsträger, Medien sowie die breite Öffentlichkeit informieren und für die Bedeutung und den gesellschaftlichen Nutzen der Erdwissenschaften sensibilisieren. - Das Leben auf der Erde steht im Fokus der Themen, die sich mit den Böden, dem Erdinneren, Gefahren und Gesundheit, dem Grundwasser, mit dem Klima und den Ozeanen, mit Megastädten und nutzbaren Ressourcen befassen. Das IYPE wird von zehn wissenschaftlichen International Councils for Sciences (ICSU) und bedeutenden geowissenschaftlichen Organisationen sowie 18 assoziierten Partnerorganisationen der IUGS unterstützt. Gemeinsam verkörpern sie die größte „lebende Datenbank“ an Informationen über die erdgeschichtliche Vergangenheit und den gegenwärtigen Status des Planeten Erde. – Im Rahmen des IYPE treffen sich Experten verschiedener Fachrichtungen, um Forschungsergebnisse über Gesteine, Fossilien, Gletscher und Sedimente zu diskutieren und um sich untereinander über neue Forschungsergebnisse auszutauschen. Ziel ist zum einen die Interpretation der Erdgeschichte, zum anderen die anwendungsbezogene Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für eine realistische Vorhersage künftiger Naturereignisse. Senckenberg wird sich mit den verschiedenen Arbeitsgruppen der geowissenschaftlichen Abteilungen sowohl im Rahmen rein wissenschaftlicher Themen als auch mit populärwissenschaftlichen Veranstaltungen beim Internationalen Jahr des Planeten Erde einbringen. – Die Koordination der Senckenberg-Aktivitäten hat Peter Königshof übernommen. Gemeinsam mit den Dresdener Kollegen der SNSD soll eine Internationale Senckenberg-Konferenz als wissenschaftlicher Beitrag zum IYPE durchgeführt werden. Auf dem Programm stehen das derzeit laufende IGCP-Projekt Nummer 499 („Devonian Land-Sea Interaction: Evolution of Ecosystems and Climate“ DEVEC), das federführend am Standort Frankfurt betrieben wird, und das IGCPProjekt 497 (The Reic Ocean: Its Origin, Evolution and Correlatives), mit dem sich die Kollegen am Staatlichen Museum in Dresden beschäftigen. Für die breite Öffentlichkeit ist eine Wanderausstellung zum weltweit bekannten „International Geoscience Programme“ (IGCP) vorgesehen, die voraussichtlich im Oktober 2008 im Frankfurter Naturmuseum eröffnet wird. Als weiterer populärwissenschaftlicher Beitrag werden Vorträge und Exkursionen angeboten. Alle Aktivitäten sollen von der Senckenberg-Homepage abgerufen werden können. Weitere Infos zum IYPE finden sich unter: http://www.yearofplanetearth.org. Senckenberg im International Polar Year (IPY) „Die Welt kann uns alles sagen, was wir wissen wollen. Das einzige Problem ist, dass die Welt keine Stimme hat. Aber die Anzeichen sind da. Sie sprechen immerfort.“ Quitsak Tarkiasuk Ivujivik, Kanada Gletscher schmelzen, Schelfeiskanten brechen und größere Gebiete der Pole werden zunehmend eisfrei. Die Signale sind deutlich! Das IPY, das am 1. März 2007 begonnen hat und bis 1. März 2009 dauert, bündelt die wissenschaftlichen Ergebnisse über die Polargebiete und stellt deren Bedeutung für das globale Klima sowie die damit einhergehenden Veränderungen für die Ökosysteme dar. Mehr als 50 000 Wissenschaftler aus über 60 Nationen werden in der interdisziplinären und international koordinierten Kampagne zusammenarbeiten. 7 Specials Pronchichev Bucht an der Laptev See im Nordosten der Tajmyr Halbinsel - Foto: Ralf Kahlke Im Rahmen des durch das Alfred-Wegener-Institut (AWI) bei Senckenberg durchgeführten Journalistenseminars am 10. Januar 2007, hatte Gritta Veit-Köhler vom DZMB bereits die Projekte der in laufende Forschungsprogramme eingebundenen Senckenberg-Wissenschaftler vorgestellt. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit bieten Erkenntnisse über die Diversität und Verteilung von Arten sowie über deren Gefährdung und bieten darüber hinaus die Chance, Empfehlungen für etwaige Schutzmaßnahmen von Ökosystemen auszusprechen. Das Themenspektrum der Biologen und Paläontologen am Forschungsinstitut Senckenberg erstreckt sich von der Biochemie der Tiefseeschwämme und Siedlungsstrategien mariner Krebse über die Biodiversität von Kleinstlebewesen am Meeresgrund und bezieht auch die Verbreitung von Flechten entlang der antarktischen Halbinsel sowie die ausgestorbenen Großsäuger im arktischen Permafrost ein. Bei der offiziellen Eröffnung des IPY am 01. März in Berlin hatte Gritta VeitKöhler erneut Gelegenheit, das Forschungsinstitut Senckenberg zu vertreten. Vor Ort hat sie das Core Projekt „clicOPEN“ (climate change in coastal areas of the antarctic peninsula) vorgestellt, in das sie und Christian Printzen (Frankfurt) unter der Federführung des AWI in die Polarforschung eingebunden sind. In dem Projekt dokumentiert die Meeresbiologin Veränderungen der Meiofauna am Meeresboden, während sich die wissenschaftliche Arbeit von Christian Printzen auf klimabedingte Reaktionen von Flechten an verschiedenen Standorten entlang der Antarktischen Halbinsel konzentriert. Als ersten Eindruck vom Larsen-Schelfeis Gebiet, den Dorte Janussen (Frankfurt) und Armin Rose (DZMB Wilhelmshaven) von der erst am 31. Januar beendeten Antarktis-Expedition ANTXXIII/8 mit der FS Polarstern Gritta Veit-Köhler auf Expedition i. d. Arktis, Foto: G. Veit-Köhler gewonnen hatten, schilderte Gritta Veit-Köhler, dass in der zuvor von Eis bedeckten extrem nährstoffarmen Meeresregion auch an geringere Tiefen angepasste Tiere leben. Die Probennahmen von Meiofauna (Tiere, die kleiner als 1mm sind) und Schwämmen werden derzeit taxonomisch und biochemisch untersucht. Im November 2007 werden Dorte Janussen und Gritta Veit-Köhler erneut mit der FS Polarstern in die Antarktis aufbrechen. Unter der Leitung von Angelika Brand (Universität Hamburg) wird die Expedition ANDEEP-SYSTCO die taxonomische und ökologische Forschung zur Entschlüsselung systemischer Verbindungen von der Atmosphäre bis hinab in die Tiefsee unterstützen. Sommerlandschaft i. Spitzbergener Tundra d. Kongsfjordgebieta Foto: Anne Hormes, AWI 8 Schelfeiskante i. d. Antarktis Foto: Simon/Simon, AWI Forschungsprojekte und Expeditionen Tiefsee-Expedition ins östliche Mittelmeer oder: „Schlittenfahrt“ zu Silvester Wer lebt wo, wie und warum? – Salopp formuliert könnte man so das umfangreiche wissenschaftliche Programm der Tiefsee Expedition 71 zusammenfassen, die das Forschungsschiff Meteor vom 11. Dezember 2006 bis 04. Februar 2007 im östlichen Mittelmeer durchgeführt hat. An Bord: mehr als 80 Wissenschaftler aus insgesamt 29 Forschungsinstituten und deren Mitarbeiter, sowie 32 Mann Besatzung. - Hinter dem wer, wo, wie und warum stecken selbstredend klar definierte Aufgaben, die in festgelegte Zielregionen führten und in drei Fahrtabschnitten angesteuert wurden. - An zwei von drei der biologisch und biogeochemisch orientierten Expeditionsabschnitte waren 14 Senckenberger aus den drei meeresbiologisch arbeitenden Abteilungen (Marine Zoologie Frankfurt, Meeresforschung sowie DZMB Wilhelmshaven und Hamburg) beteiligt. Fahrtabschnitt zwei wurde von Dr. M. Türkay (Abteilungsleiter Marine Zoologie, Frankfurt) geleitet. Ziel der Expedition war es, genauere Kenntnisse von der Zusammensetzung und Verteilung der in den Untersuchungsgebieten vorkommenden Arten, von deren Lebensbedingungen sowie von Einfluss nehmenden Mechanismen zu gewinnen, die die Prozesse und Biodiversitätsmuster in der vergleichsweise nährstoffarmen Mittelmeerregion steuern. Das Wetter meinte es gut, als die FS Meteor am 11. Dezember 2006 in Heraklion, Kreta, pünktlich um 10 Uhr die Anker lichtete und in See stach. - Mit Kai George und Marco Bäntzow (DZMB) an Bord lief das deutsche Forschungsschiff unter der wissenschaftlichen Leitung von Bernd Christiansen, Universität Hamburg, bei Sonnenschein und milden Temperaturen in Richtung Osten aus und nahm zunächst Kurs auf das fast 5000 m tiefe Rhodos-Becken, das in der ersten Woche als Referenzgebiet beprobt werden sollte. Senckenberg-Container am Kran schwebend ...beim Verladen an Deck ...an Bord der FS METEOR – Fotos: B. Köster Das Senckenberg-Design wurde v. DZMBTeam i. Eigenleistung erbracht. Bevor jedoch am Folgetag um 4 Uhr früh die erste Station des Fahrtabschnitts M 71/1 bei 35°45,9´N und 28°48,0´E erreicht wurde, galt es, die zugeteilten Labors einzurichten sowie Plankton- und Schleppnetze, Bodengreifer, Messgeräte, Unterwasserfilm- und Fotokameras für den Einsatz vor Ort vorzubereiten. - Ein Forschungsschiff schläft nie. Rund um die Uhr sind die verschiedenen Arbeitsgruppen im Einsatz. Für die Wissenschaftler, das wissenschaftliche Personal und die Besatzung bildet ein Arbeitstag von 13 Stunden und mehr keine Ausnahme. – Auch die Kollegen vom DZMB haben während der Expedition ihren Arbeitsrhythmus nahezu umkehren müssen, da Multicorer und Kastengreifer, die großen Geräte, mit denen das Sediment vom Meeresboden aufgenommen wird, abends und nachts gefahren werden. Nach einer erfolgreich verlaufenen ersten Expeditionswoche setzte die FS Meteor ihre Fahrt weiter in Richtung Osten fort. Kai George und Marco Bäntzow hatten bis dahin bereits eine Vielzahl von Kleinstkrebsen, Milben, Fadenwürmern und anderen Organismen vom 4300 m tiefen Meeresgrund des Rhodos-Beckens bergen und für weitere Untersuchungen fixieren können. Hauptzweck des wissenschaftlichen Arbeitsprogramms dieses ersten Fahrtabschnitts waren jedoch Probennahmen im Bereich der südlich von Antalya bei 35°29, 496' N, 30°10,102' O gelegenen Anaximander Seeberge. 9 Forschungsprojekte und Expeditionen Da Seeberg-Ökosysteme im Vergleich zum umgebenden Meeresboden häufig eine relativ hohe Organismendichte beherbergen, ist deren Funktion und Einfluss auf den umgebenden Wasserkörper von speziellem wissenschaftlichen Interesse: die Anaximander Seeberge liegen in einer vom übrigen Ozean weitgehend isolierten, nährstoffarmen und zudem von den dynamischen geologischen Vorgängen zahlreicher Schlammvulkane beeinflussten Region. In dem sehr warmen Tiefseewasser von rund 14°C können die in vergleichbaren Meerestiefen lebenden Tiere nicht existieren, da sie an kälteres Wasser angepasst sind. Im Verlauf der zweiten Woche wurden also eine Reihe von Habitaten auf dem Gipfel, an Abhängen und am Fuß eines der drei etwa 1000 Meter vom Meeresgrund aufragenden Seeberge beprobt. Neben ozeanografischen Aspekten - wie den jeweiligen Strömungsverhältnissen, der Leitfähigkeit und den Temperaturen des Wassers sowie dem Sauerstoff- und Salzgehalt in verschiedenen Wassertiefen – dienten die Probennahmen der Identifizierung von Tiergruppen sowie deren Zahl und Verteilung am Meeresgrund und in der Wassersäule. Die gewonnenen Ergebnisse sollen zum weiteren Verständnis der Funktion von Seebergen beitragen und mit bereits vorliegenden Daten zu Seeberg-Ökosystemen im NO-Atlantik verglichen werden. Mittelmeer-Cruise bei schönstem Wetter – Foto: Senckenberg Während das wissenschaftliche Programm der Meteor-Expedition M 71/1 bei schönem Wetter und geringer Wellenhöhe durchgeführt werden konnte und die beteiligten Wissenschaftler an Heilig Abend bei bester Laune wieder in Heraklion abgesetzt worden waren, begann am 27. Dezember 2006 der zweite Fahrtabschnitt unter der Leitung des Frankfurter Meeresbiologen Michael Türkay bei wenig freundlichem Wetter. - Mikrobiologen, Zoologen, Paläontologen, Protozoologen und Planktologen blieb kaum Zeit, ihre „Seebeine“ zu entwickeln, bevor die FS Meteor, pünktlich um 16 Uhr Ortszeit, bei Sturm in Richtung Süden auslief. - Mehr als 300 Kisten mussten entladen werden. Nachdem alles seefest „gelascht und geschäkelt“ war, stand an Deck das obligatorische Sicherheitstraining an, bei dem Fahrtleiter, Wissenschaftler und Besatzung ein erstes Mal komplett zusammentreffen. Epibentosschlitten wird von Bord gelassen Foto: Senckenberg 10 Reiseziel des Fahrtabschnitts M 71/2 war das Seegebiet südlich von Kreta. Das Arbeitsprogramm des Projekts „LEVAR“ (Levantine Basin Biodiversity and Variability) beinhaltete je drei Probennahmestationen in zwei Referenzgebieten von jeweils 17 Seemeilen x 5 Seemeilen. - Mehrfachbeprobungen des IerapetraBeckens (> 4 000 m Tiefe) sowie der weiter südlich und in etwa doppelter Entfernung zur Küste gelegenen Herodot-Ebene (ca. 2800 m Tiefe) sollten Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Arteninventars und Artenreichtums klären. Von einem Vergleich der beiden Gebiete in punkto Häufigkeit und Diversität dort lebender Tiergemeinschaften aller Größenklassen sowie abiotischer und biochemischer Parameter der Tiefseesedimente erwarten die Wissenschaftler sich weitere Erkenntnisse über die Struktur und Funktion der Lebensgemeinschaften. Wichtig sind dabei die Parameter, die die Biodiversitätsmuster steuern. Die Probennahmen sollen Aufschluss darüber geben, ob Meerestiefe und Küstenabstand einen Zusammenhang zwischen Diversitäts- sowie Produktivitätsmustern in Abhängigkeit bestimmter Ökofaktoren erkennen lassen. Von Interesse ist dabei, ob der laterale Transport organischer Nährstoffeinträge in dem insgesamt extrem nährstoffarmen Levantinischen Becken eine größere Rolle spielt als die pelagische Produktion in der Wassersäule. Forschungsprojekte und Expeditionen Ein Vergleich der neuen Ergebnisse mit zuvor gewonnenem Datenmaterial soll zudem zeigen, ob sich Vermutungen bezüglich einer Veränderung in der Faunenzusammensetzung im Laufe der letzten 25 Jahre bestätigen. Im positiven Fall wäre zu klären, inwiefern die Veränderungen regional begrenzt sind bzw. mit größeren ozeanischen Veränderungen in Verbindung zu bringen sind und auch, inwieweit dies eine Folge wiederkehrender natürlicher Klimaschwankungen ist, oder evtl. im Zuge der anthropogen beeinflussten Klimaerwärmung gesehen werden muss. Populationsgenetische Untersuchungen an Foraminiferen sollen weiteren Aufschluss über zuvor festgestellte genetische Unterschiede zu denselben Arten in den Weltozeanen geben. FS METEOR ist Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das 1985 auch den Bau des Schiffes finanziert hat. Mit ca. 97 m Länge ist die METEOR eine Forschungseinrichtung mit 20 Labors. An Bord ist Platz für 26 Wissenschaftler und 32 Mann Besatzung. – Foto: Senckenberg Mit zum Senckenberg-Team gehörten Marco Bruhn, Burkhard Köster, Ingrid Kröncke, Pedro Martínez, Hermann Neumann und Thomas Wehe (Wilhelmshaven), Sven Hoffmann (Hamburg) sowie Carola Becker, Kristin Pietratus, Matthias Schneider und Joachim Scholz (Frankfurt). Bevor am 29. Dezember 2006 um 4:30 Uhr die eigentlichen Forschungsarbeiten auf der ersten Position im Westteil des ersten Untersuchungsgebiets begannen, war eine Kartierung mit dem Fächerlot durchgeführt worden. Auf einen Einsatz des Wasserschöpfers folgten mehrere Fahrten mit Multicorer und Kastengreifer, die erste Sedimentproben vom Meeresboden zutage förderten. - Nachdem sich das Wetter am 28. und 29. Dezember von seiner besten Seite gezeigt hatte und einige der Teilnehmer bereits von der Sonne deutlich gerötete Hautpartien feststellen mussten, nahm der Wind am 30. Dezember wieder zu und erreichte am Silvestermorgen volle Bft 8 mit Wellenbergen von beträchtlicher Höhe, die beim Geräteeinsatz zu Verzögerungen führten. Trotz der widrigen Wetterbedingungen waren die meisten Probennahmen erfolgreich. Um 5 vor 12 Uhr wurde „Anna“, einer von vier Epibenthosschlitten, an einem 4300 m langen Drahtseil abgetaucht. Nach 500 m Schleppstrecke förderte „Anna“ in ihren Netzen reichlich Schlamm als Morgengabe zum Neujahrstag 2007 zutage. Erst nach mehrfachem Sieben ließen sich später unter dem Binokular Borstenwürmer, Floh-, Scheren- und Ruderfußkrebse, Tiefseeasseln sowie sonstiges Kleingetier identifizieren. – Während die Nachtschicht Silvester an Achterdeck immerhin mit einem Kreppelgruß aus der Küche – bzw. mit 96prozentigem Ethanol zum Probenfixieren in der Kühlkammer verbrachte, hatten Fahrtleiter Michael Türkay und Kapitän Walter Baschek die dienstfreien Expeditionsteilnehmer zu einer Silvesterfeier in die Messe geladen. Der Fahrtbericht vermeldet, dass das Deutlich geschichtetes Sediment i. einem neue Jahr mit Sekt begossen wurde und man tanzend und fröhliche Multicorer-Rohr- Foto: Senckenberg Lieder singend in den Neujahrsmorgen geschippert ist. Der Fahrtabschnitt M 71/2 endete am 15. Januar 2007 in Heraklion. Insgesamt haben die Probennahmen den Eindruck einer sehr individuen- und artenarmen Epibenthos-Gemeinschaft am Tiefseeboden des küstenfernen Levantinischen Beckens bestätigt. Das während der Meteor-Fahrt Nr. 71 gesammelte und an Bord vorbereitete Material ist mittlerweile wohlbehalten in den Instituten angekommen, um in den heimischen Labors sorgfältig aufgearbeitet zu werden und bald die Grundlage zu weiteren Interpretationen zu bieten, die die Ausgangsfragen der TiefseeExpedition ins östliche Mittelmeer zufriedenstellend beantworten. 11 Forschungsprojekte und Expeditionen Älter als Lucy ... - Hominidenfunde in Galili „PAR-Team claims discovering human fossil remains considerably older than Lucy, partial elephant skeleton“ titelt das Walta Information Center, Addis Ababa, Ethiopia, einen Artikel vom 03. März 2007 und bezieht sich dabei auf die Pressekonferenz, bei der Ottmar Kullmer, Sektionsleiter und Experte für Tertiäre Säugetiere in der Frankfurter Paläoanthropologie, am selben Nachmittag die fossilen Funde menschlicher Vorfahren und eines Elefanten vorgestellt hatte. Im Februar war das Expeditions-Team gleich an zwei Orten, im Ost- und Westteil Galilis, auf die verschieden alten fossilen Backenzähne gestoßen. Die Grabungsstelle am südlichen Rand des heute wüstenähnlichen „AfarDreiecks“ liegt im Bereich der Awash-Region. Sowohl die geologische als auch die biostratigraphische Einordnung lassen darauf schließen, dass beide Funde älter sind als die berühmte „Lucy“. - Das etwa 1,2 m messende fossile Skelett der Australopithecinen-Frau wurde im November 1974 von einer amerikanisch-französischen Expedition unter der Leitung von Donald Johanson und Yves Coppens, zirka 250 km weiter nördlich, bei Hadar, Äthiopien, entdeckt. – Zu Lucys Zeit, vor etwa 3,2 Millionen Jahren, war die Region von großen Waldgebieten bedeckt. Das genaue Alter der vom Paleo-Anthropological Research Team im Frühjahr 2007 gefundenen Australopithecinen-Überreste muss nun durch präzise wissenschaftliche Analysen geklärt werden. Klar ist jedoch schon jetzt, dass einer der beiden Molaren deutlich älter eingeordnet werden kann. Spannend für die Wissenschaftler ist dabei, ob der Backenzahn des Vormenschen nicht eventuell sogar zu der im Hominiden-Stammbaum früher eingeordneten Art Australopithecus anamensis gehört, oder doch zu Australopithecus afarensis, zu der auch Lucy zu zählen ist. Sollte sich diese Annahme bestätigen, ist von besonderem wissenschaftlichen Interesse, ob beide Arten nicht eventuell gleichzeitig gelebt und sich sogar das Habitat geteilt haben. Wie Ottmar Kullmer sagt, sind dies die bedeutendsten Funde seit dem Jahr 2000. Stolz ist er auch auf den Fund eines Elefantenskeletts, dessen 150 kg Lucy – Australopithecus afarensis Foto: Senckenberg schwerer Schädel vor dem Transport nach Addis Abeba zunächst bei der im Afar-Dreieck herrschenden Gluthitze ausgebuddelt und eingegipst werden musste. - „Allein die Stoßzähne sind über zwei Meter lang“, freut sich der Kollege aus der Paläoanthropologie. - Weitere Teile des außerordentlich gut erhaltenen Skeletts sollen später ausgegraben werden. Fund d. 150 kg wiegenden Elefantenschädels i. d. Fossilienfundstelle Galili. Ottmar Kullmer i. d. Mitte hockend. Foto: Senckenberg, Ottmar Kullmer Obwohl mittlerweile etliche andere Orte mit einer Vielzahl fossiler Säugetiere erschlossen wurden, stellt das zirka 100 km² große Fundgebiet Galili ein besonders wichtiges Zeitfenster für die Wissenschaftler dar, da in Afrika nur wenige Orte bekannt sind, die die Zeitspanne von 4,5 – 3,7 Millionen Jahren abdecken. Die meisten der bisher in Galili geborgenen Funde wurden in etwa 3,7 – 4,0 Millionen Jahren alten Ablagerungen ergraben. Seit Beginn der Forschungsgrabungen im Februar 2000 konnten dort bereits mehr als 1600 fossile Reste von Wirbeltieren geborgen und katalogisiert werden. Fossilien, die mittlerweile im National Museum von 12 Forschungsprojekte und Expeditionen Äthiopien untergebracht sind. Darunter weitere Elefanten und Funde von Carnivoren und Nagetieren, Affen, Antilopen, Schweinen, Rhinozerossen, Flusspferden, Krokodilen und Fischen, was auf eine See- und Flusslandschaft mit angrenzenden Wäldern schließen lässt. Galili a. südl. Rand d. Afar-Dreiecks – heute eine trockene u. extrem heiße Region. - Foto: Senckenberg Das PAR-Team ist ein Zusammenschluss von Forschungsinstituten. Grabungsleiter ist Horst Seidler vom Institut für Anthropologie der Universität Wien. Neben Senckenberg Frankfurt, den Universitäten von Addis Abeba und Mekelle, gehört auch das National Museum of Kenya zu dem internationalen Konsortium von Wissenschaftlern. Partieller Bohrkern a.d. Sihailongwan - Foto: Senckenberg, Weimar Vegetation in China vor 60 000 Jahren Nordostchina liegt im Einflussbereich des ostasiatischen Monsunsystems und gilt aufgrund seiner geografischen Lage als Schlüsselregion für die Erforschung der Klimadynamik in Ostasien. Eine Region, auf die der Mensch nach wie vor relativ wenig Einfluss nimmt, so dass in der dort Chinesische Provinz Jilin, Nordost-China liegenden Provinz Jilin eines der bedeutendsten natürlichen Waldvorkommen des Landes erhalten blieb, das sich durch besonders artenreichen Laubmischwälder auszeichnet. In der Sektion Quartäre Pflanzen der Senckenberg-Dependance in Weimar wird derzeit durch Pollendiagramme die Entwicklung der Klimageschichte der Provinz Jilin anhand der Vegetationsdynamik während der letzten Eiszeit analysiert. – Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. finanziert. Das für den Zweck bereit gestellte Kernmaterial wurde durch Forschungsbohrungen in dem 50 Meter tiefen Maarsee Sihailongwan gewonnen. In die vorausgegangene Feldarbeit waren Mitarbeiter des Geoforschungszentrums Potsdam und des Instituts für Geologie und Geophysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften Peking eingebunden. Jilin im Nordosten Chinas grenzt an Russland u. Nordkorea Während die Auszählung der Jahresschichten des insgesamt etwa 90000 Jahre umfassenden Materials sowie sedimentologischgeochemische Untersuchungen, die nun u. a. an Instituten in Potsdam, Jülich und Peking durchgeführt werden, erfolgt in Weimar die paläobotanische Untersuchung und Auswertung von etwa 600 Proben aus 30 Metern Kernmaterial. Unterstützung bei der Bewältigung der Aufgabe hat Martina Stebich nun durch Judith Arlt, die seit Januar 2007 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut Senckenberg beschäftigt ist. - Frau Arlt hat im Sommer 2004 ihr Biologie-Studium an der Friedrich Schiller-Universität Jena abgeschlossen und hatte bereits während eines studienbegleitenden Praktikums in der Weimarer Außenstelle Gelegenheit, sich in 13 Forschungsergebnisse das Thema einzuarbeiten. Ein pollenanalytisch-vegetationskundliches Seminar, das die junge Wissenschaftlerin nach ihrem Studienabschluss besucht hat, qualifiziert sie nun zusätzlich für das ambitionierte Projekt, bei dem durch eine hohe zeitliche Auflösung in der Größenordnung weniger Jahre bis Jahrzehnte kurz- bis mittelfristige Veränderungen der Vegetation erfasst werden sollen. Ein noch relativ grob aufgelöstes Pollendiagramm, das eine erste lückenlose Dokumentation der Vegetationsentwicklung im Sihailongwan während der vergangenen 60 000 Jahre zeigt, wurde bereits von den beiden Wissenschaftlerinnen erarbeitet. Die Ergebnisse lassen auf zeitgleiche Klimavariationen in Grönland, Europa und Ostasien, also der nördlichen Hemisphäre, schließen. Von den paläobotanischen Untersuchungen an den laminierten Sedimenten erhoffen sich die Weimarer Kolleginnen eine Annäherung an rezentökologische Fragestellungen, aus der sich neue Interpretationsansätze für Fossilbefunde ergeben. Martina Stebich (l.) u. Judith Arlt (r.) Foto: Senckenberg, Weimar „Hotspots“ der Artenvielfalt – Biodiversitätsforschung in hessischen Naturwaldreservaten Naturwaldreservate (NWR) sind Gebiete, in denen die natürlichen Prozesse von menschlichen Eingriffen weitestgehend unbeeinflusst ablaufen können. Sie sollen selten gewordenen oder bedrohten Tier- und Pflanzenarten Rückzugsmöglichkeiten bieten und sind nicht zuletzt dadurch von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung. Die ersten Naturwaldreservate in Hessen wurden 1987 begründet – heute existieren über die Landesfläche verteilt 31 Gebiete mit insgesamt über 1200 Hektar Fläche, die für Hessen typische Waldgesellschaften repräsentieren und in denen der „Urwald von Beispiel für einen hessischen „Urwald“: Das Naturwaldreservat Stirnberg morgen“ im Experiment heranwächst; denn NWR Foto: Senckenberg, J.-P. Kopelke dienen vorrangig Forschungszwecken. Sie bestehen aus zwei Teilflächen, der unbewirtschafteten Kernfläche (Totalreservat) und der bewirtschafteten Vergleichsfläche. So können natürliche und vom Menschen gesteuerte Prozesse miteinander verglichen und die hieraus gewonnenen Erkenntnisse für die Waldbewirtschaftung und für ein Ökosystemmanagement i.w.S. nutzbar gemacht werden. Um die Waldentwicklung vom Status quo bis hin zum Zerfall, also dem Alterstod der Bäume, wissenschaftlich zu begleiten, wurde vor nunmehr 17 Jahren das Langzeitprojekt „Hessische Naturwaldreservate“ ins Leben gerufen. In enger Kooperation zwischen der Hessischen Landesregierung, Hessen-Forst und dem Forschungsinstitut Senckenberg (FIS) werden in einem interdisziplinären Ansatz Wiederholungsinventuren durchgeführt; sie dokumentieren den Ablauf der Sukzession bzw. den Entwicklungszustand der Reservate in bestimmten zeitlichen Abständen. Besonders bemerkenswert und einzigartig für die NWR-Forschung von Hessen ist, dass die Studie neben forsteinrichtungstechnischen und vegetationskundlichen Erhebungen auch auf eine beinahe 20-jährige Tradition in der zoologischen Inventur zurückblicken kann: seit 1990 wird die Fauna von Wissenschaftlern des FIS untersucht. Die Biologen Dr. Wolfgang Dorow und Günter Flechtner rücken den Tieren mit verschiedensten Fallentypen auf den Leib – zur potenziellen Beute gehören Tiergruppen wie etwa Regenwürmer, Spinnen, Wanzen, 14 Forschungsergebnisse Käfer, Bienen, Wespen, Ameisen, Großschmetterlinge und sogar Vögel und Fledermäuse! Neun NWR haben die Senckenberger mit ihren Teamkollegen bereits auf ihre Fauna hin untersucht. Erst kürzlich erschienen Ergebnisse der zoologischen Untersuchungen vom Hohestein bei Eschwege in der Reihe „Naturwaldreservate in Hessen“. Die Auswertungen in den Labors in Frankfurt hatten schon für manche Überraschung gesorgt. So barg das auf dem Stirnberg in der Rhön gesammelte Material ein bernsteinfarbenes Tier, das Dorow Harpagoxenus sublaevis – Braune Raub-Knotenameise zunächst für eine Schmalbrustameise, also eine LeptothoraxFoto: Senckenberg, Wolfgang Dorow Art, hielt: „Erst unter dem Mikroskop fielen uns die gewaltigen, kneifzangenartigen Mundwerkzeuge auf – das Erkennungsmerkmal der Braunen RaubKnotenameise, Harpagoxenus sublaevis. Der Sozialparasit vermag diese „Waffen“ wirkungsvoll im Kampf um die Brut anderer Ameisenarten einzusetzen und trennt diesen in blitzschnellen Beiß-Attacken Beine und Fühler ab. Dann raubt er Eier und Puppen der Besiegten und bringt sie in sein eigenes Nest, um die Tiere nach dem Schlüpfen für die Aufzucht der eigenen Nachkommen und zur Nahrungsbeschaffung zu versklaven; ein hochinteressantes Insekt und für Hessen ist der Fund überhaupt erst der zweite Nachweis!“ Auch sein Kollege Flechtner gerät ins Schwärmen: „Unsere heimischen Buchenwälder weisen eine hohe Artenvielfalt auf und beherbergen etwa viermal mehr Tierarten als ursprünglich angenommen. Allein im NWR Weiherskopf wurden drei Tierarten gänzlich neu entdeckt, für Deutschland konnten vier Arten, für Hessen 74 Arten erstmals nachgewiesen werden. Außerdem haben wir 29 als verschollen geglaubte Käferarten wiedergefunden!“ Nächste Station der Zoologen ist das im Nationalpark Kellerwald-Edersee gelegene Naturwaldreservat Locheiche, Neatus picipes – Schwarzkäfer (NWR Weiherskopf) bedrohte Art - Foto: Senckenberg das in diesem Jahr erstmals unter die Lupe genommen wird. Darüber hinaus sind Wiederholungsinventuren in verschiedenen NWR angedacht. Diese lassen Synergieeffekte von Langzeitforschung und Langzeitmonitoring erwarten: Treten beispielsweise bei der Folgeinventur Arten auf, die zum Zeitpunkt der Erstinventur nicht vorhanden waren, deutet dies auf veränderte Lebensbedingungen, zum Beispiel auf eine Änderung der klimatischen Verhältnisse hin. Arealverschiebungen konnten beispielsweise im NWR Stirnberg für die wärmeliebende Streifenwanze, Graphosoma lineatum, nachgewiesen werden, die ihr Verbreitungsgebiet in der Folge häufiger trocken-warmer Sommer bis auf 900 m ü NN ausgeweitet hat. Generell ist der Einfluss von Umweltveränderungen auf die Artenvielfalt in unseren Wäldern noch weitestgehend ungeklärt. Mit einer qualitativen Erfassung der Tier- und Pflanzenwelt hat das Projekt „Hessische Naturwaldreservate“ seine „ökologische Nische“ bezogen und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Ökosystemschutz. Heute stehen Fragen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität im Mittelpunkt des Forschungsinteresses und rückten in den letzten Jahrzehnen auch zunehmend in das Bewusstsein einer breiten (Welt-)Öffentlichkeit, denn: funktionierende Ökosysteme spielen eine tragende Rolle zur Erhaltung des globalen Klimagleichgewichts. Graphosoma lineatum – Streifenwanze Foto: Senckenberg von Thorsten Wenzel 15 Forschungsergebnisse Dramatischer Rückgang der Ruderfußkrebse in der Nordsee Die Menge macht’s! – Sind wir auch noch so klein, so sind wir doch wichtig und Viele und außerdem schnell, zumindest was die Reproduktionsrate betrifft. - Das ist bzw. war, so ließe sich mal vermuten, die bislang erfolgreiche Strategie der Ruderfußkrebse (Copepoden). In der Summe von Individuen aus den etwa 400 vorkommenden Arten bilden die winzigen zur Meiofauna zählenden Organismen weltweit die vermutlich größte Biomasse. Als Futterverwerter und zugleich natürlich auch Nahrungslieferant nehmen insbesondere die marinen Arten eine Schlüsselposition in den Ökosystemen der Meere ein. Während sie selbst zum Speiseplan von Fischen, größeren Krebsen und auch Vögeln zählen, ernähren sich die Winzlinge unter den Krebstierchen von Phytoplankton. Insofern ist es einleuchtend, dass eine spürbare Verringerung des Nahrungsangebots Einfluss auf das gesamte System nimmt. Und eben eine solche Veränderung zeichnet sich nun bei den in der Deutschen Bucht vorkommenden Arten ab. Seit 1974 werden von Wulf Greve und seiner Arbeitsgruppe jeden zweiten Werktag mit engmaschigen Netzen Proben aus der Nordsee vor Helgoland genommen. Auf diese Weise werden etwa 400 Zooplanktonarten in bezug auf ihren Bestand und die Saisonalität erfasst und von den Kollegen des Deutschen Zentrums für marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in der Hamburger Niederlassung des Forschungsinstituts Senckenberg untersucht. Die von Wulf Greve im Rahmen des kontinuierlich engen Zeitrasters durchgeführten Langzeituntersuchungen ergaben in 2006 für die Ruderkrebsarten Acartia longiremis, Temora longicornis, Pseudocalanus elongatus und Paracalanus Sextonis menuhinensis, Ruderfußkrebs – parvus im Jahresmittel lediglich eine Zahl von 1092 Individuen Foto: Senckenberg, DZMB pro Kubikmeter. In der Abnahme der Individuenzahl zeigen die vier Arten die gleiche Häufigkeit. Damit hat der fortlaufende Rückgang während der letzten 20 Jahre ein extremes Minimum erreicht. 5-Jahresmittel der Häufigkeit kleiner Ruderfußkrebse bei Helgoland 6000 Individuen im Kubikmeter Ein für 1985 zu verzeichnender Peak mit einem Wert von 7782 Individuen im Jahresmittel ist als Konsequenz des zu der Zeit ungewöhnlich reichen Nahrungsangebots zu betrachten, das durch ein vermehrtes Algenwachstum als Folge der Überdüngung der Nordsee durch phosphathaltige Waschmittel zustande kam. Nachdem diese Eutrophierung durch die zuleitenden Flüsse abgebaut ist, greifen nun andere Faktoren, die das marine Ökosystem ins Wanken bringen. 5000 4000 3000 2000 1000 0 Wulf Greve sieht den Grund für den 1977-1981 1982-1986 1987-1991 1992-1996 1997-2001 2002-2006 dramatischen Niedergang der Copepoden-Population u. a. in den mittlerweile auch in der Nordsee spürbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels: „Die Klimaänderung hat zur Einwanderung und Vermehrung von Sprotten und anderen Planktonfressern geführt“, lässt der Meeresbiologe besorgt verlauten. Greves Messreihen verzeichnen zugleich eine Zunahme der ansonsten insgesamt selteneren Wasserflöhe (Clacoderen), die in drei marinen Gattungen nachgewiesen werden konnten: darunter die Art Penilia avirostris. Ein Phytoplanktonfresser, der eigentlich im Mittelmeer beheimatet ist, sich aber seit 1990 als weiterer Neozoe in der Nordsee etabliert hat. Die beiden anderen nachgewiesenen Gattungen, Podon und Evadne, sind dagegen keine reinen Pflanzenfresser. In deren Zunahme sieht Greve einen 16 Museum weiteren möglichen Zusammenhang mit dem Rückgang der Ruderfußkrebse. Außerdem seien weitreichende Umstellungen wie der Verlust der Winterruhe mit dem Absterben von Fraßfeinden der nun erheblich reduziert vorkommenden Kleinstkrebse, der steigende Nahrungsbedarf bei höheren Temperaturen und die klimabedingte Veränderung im Vorkommen einzelner Arten an diesen Veränderung im marinen Ökosystem beteiligt. Aber auch in der Einflussnahme des Menschen sieht der Hamburger Kollege eine Ursache: „Die Abnahme der Ruderfußkrebse kann z.T. auf die Raubfisch-Fischerei unter den Nutzfischen zurückgeführt werden, die zu einer Zunahme Ceratonotus steiningeri – Ruderfußkrebs Foto: Senckenberg, DZMB der kleinen Plankton fressenden Fische geführt hat.“ Neben dem eindeutigen Nachweis für den kontinuierlichen Niedergang der Ruderfußkrebse, die als Hauptverwerter der pflanzlichen Produktion des Phytoplanktons eine wichtige Funktion im Meeresökosystem einnehmen, sind die Auswirkungen des mit dem dramatischen Rückgang einhergehenden Nahrungsmangels für die Nutzfische noch zu untersuchen. - Neben den Fischen sind auch der Sandaal und die von ihm lebenden Seevögel sowie Seehunde betroffen. Sonderausstellung im Naturmuseum Frankfurt ...“Das Meer ist ein riesiges Durcheinander von Geräuschen. Wenn man unter Wasser einmal den Atem anhält, nimmt man die seltsamsten und wunderbarsten Laute wahr.“ Bill Curtsinger „UNTER WASSER“ ist die Sonderausstellung mit Fotos von Bill Curtsinger getitelt, die in Kooperation mit dem Konsortium Deutsche Meeresforschung und dem Frederking und Thaler Verlag noch bis zum 20. Mai im Naturmuseum Frankfurt präsentiert wird. Als „inneren Raum“ bezeichnet Bill Curtsinger die Welt „unter Wasser“. Und eben diesen Raum macht er in seinen Bildern sichtbar: anmutig „fliegende“ Kaiserpinguine hat er auf ihrem Tauchgang durch das eiskalte Wasser begleitet und in nahezu achtungsgebietender Pose bei einem Spaziergang übers Packeis der Antarktis abgelichtet. – Farbe, Komposition, Licht, alles stimmt. - Curtsingers Aufnahmen sind lebensnah und einige sogar einzigartig. Dem Naturfotografen gelang es als Erstem, ein Walross unter Wasser und Sattelrobben unter der Eisdecke zu fotografieren. Das war nicht einmal seinem großen Vorbild Jacques Cousteau geglückt. Bill Curtsinger schwamm mit Südkapern und Buckelwalen. Er beobachtete Blauhaie beim Jagen und Bastardschildkröten bei der Paarung, fand sich in riesigen Schwärmen von Heringen oder Großaugenmakrelen wieder und überlebte schwer verletzt den Angriff eines Grauen Riffhais. Und immer wieder erkundete er die Gewässer im Golf von Maine, seiner Heimat. Die Bilder des Meisterfotografen Bill Curtsinger lassen den Betrachter in eine faszinierende Welt eintauchen und geben eine Vorstellung von einem ganz eigenen Universum und seinen Bewohnern. Von Anfang an interessierte Curtsinger die Tiefsee mehr als die bunte Welt der tropischen Riffe. 17 Museum Museumsführer für die Ohren Seit 11. April bietet ein elektronischer Führer wissenswerte Informationen zu insgesamt 50 Exponaten und Ausstellungsbereichen und lässt das Senckenberg-Museum auf diese Weise nun auch zum Hörerlebnis werden. Mit Unterstützung der Deutschen Telekom, T-Com wurden in einer ersten Ausbaustufe 50 leicht zu handhabende Geräte von professionellen Sprechern mit ansprechenden Texten versehen und bei einem Pressetermin von Herrn Strutz und Prof. Mosbrugger erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Birgit Klesper, die Leiterin des Bereichs Corporate Communication bei T-Com bemerkte in Anlehnung an das bekannte Goethe-Wort: „Auch wir als Konzern Deutsche Telekom nehmen unsere Verantwortung ernst und fördern Bildung und Wissenschaft im Rhein-Main-Gebiet und über die Grenzen hinaus.“ - Wie schon bei den über das Haus verteilten Informationsterminals unterstreicht die Deutsche Telekom, T-Com mit dem Audioguide die bildungsorientierte Ausrichtung des Hauses und trägt auf diese Weise erneut zu einer zeitgemäßen Präsentation der Exponate im Senckenberg-Museum bei. Tierstimmen - wie etwa der Ton des Parasaurolophus, der mit seinem „klingenden Horn“ im Sauriersaal zu finden ist, der gellende Ruf eines Argusfasans in der Vogelausstellung oder gar das Brüllen des zwei Meter großen Kamtschatka-Bären am Zugang der Säugetierausstellung lassen den Gang durchs Museum zu Volker Mosbrugger und Wolfgang Strutz freuen sich mit Brigti Klesper über die Einweihung des Audioguides – Foto: T-Com einem nahezu „belebten“ und informativen Abstecher in Natur und Urzeit werden. Der O-Ton des Direktors zur Begrüßung ist ebenso zu hören, wie das Hämmern bei den Grabungsarbeiten in der Grube Messel oder zirpende Zikaden, die die Entdeckung der mehr als drei Millionen Jahre alten AustralopithecinenDame „Lucy“ in der äthiopischen Afar-Ebene atmosphärisch nachvollziehbar machen. Der elektronische Museumsführer ist kaum größer als ein Mobiltelefon und wird künftig an der Kasse ausgegeben. Das geringe Gewicht des nur etwa 100 Gramm wiegenden Audioguides macht es dem Besucher im wahrsten Sinne des Wortes leicht, sich damit mühelos durch das Haus zu bewegen und seine jeweiligen Lieblingsobjekte anzusteuern. Moderne Technik gewährleistet eine ausgezeichnete Tonqualität. Die elektronisch in Deutsch und Englisch kommentierten Exponate sind mit Nummern versehen und in einem Begleit-Flyer ausgewiesen. - So kann jeder Besucher seine individuelle Tour durch das Naturmuseum festlegen und vor Ort durch Eingabe der Zahlen auf anregende und unterhaltsame Weise Wissenswertes und manchmal sogar Kurioses erfahren. Audioguide- seit 11. April im Museum handlich – leicht – informativ...! 18 Vermerkt „Senckenberg-Stern“ am Firmament – Asteroid 7565 Zipfel Jutta Zipfel, die Leiterin der Frankfurter Sektion Meteoritenforschung, war sicherlich nicht wenig erstaunt, als sie während der 69. Jahrestagung der Meteoritical Society in Zürich von der Mitteilung überrascht wurde, dass ein Kleinplanet nach ihr benannt ist. Nicht alle im Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars schwebenden Planetoiden sind erkennbar. Die Gesamtzahl der Objekte von mehr als 1 km Durchmesser wird auf über 1 Million geschätzt. Doch nur größere Objekte lassen sich mit Spezialteleskopen ausmachen. 7565 Zipfel misst im Durchmesser etwa 6 bis 12 Kilometer. Seine in einer Ellipse verlaufende Bahn liegt in einer nur schwer vorstellbaren Entfernung: am 02. April 2007 war der Planetoid 2,322 Astronomische Einheiten (AE) von der Erde und 2,761 AE von der Sonne entfernt. Wobei eine durch Radarmessungen im Sonnensystem geeichte Astronomische Einheit 149 597 870 Kilometer beträgt und dem mittleren Abstand der Erde zur Sonne Jutta Zipfel mit verschiedenen Meteoriten entspricht. - Zu welcher Zeit 7565 Zipfel wo genau zu verorten ist, Foto: Senckenberg zeigt eine animierte Grafik des Near Earth Object Program der NASA. Bei Interesse im Internet zu finden unter: http://ssd.jpl.nasa.gov/sbdb.cgi?sstr=7565;orb=1 7565 Zipfel wird nun offiziell im Minor Planet Circular der IAU und in einem von der Harvard University veröffentlichten Verzeichnis vermerkt. - Die Vergabe eines Namens bleibt für einen Zeitraum von 10 Jahren nach klar definierten Regeln dem Entdecker vorbehalten. In alphabetischer Reihenfolge bilden die gelisteten Namen die vielfältigen Passionen der Menschen ab, ihre Faszination und auch den Wunsch nach etwas Außergewöhnlichem und Bleibendem. – In bunter Mischung sind dort prominente Musiker wie Beethoven, Chopin und die Beatles „verewigt“. Vermerkt wurden auch die Namen von Ländern, Städten und Orten mit einer besonderen Bedeutung wie etwa Bilzingsleben, die von Literaten, Malern, Politikern sowie Wissenschaftlern wie z. B. Darwin, Curie und auch der von Johann Wolfgang von – Goethe. Wen wundert’s da, dass neben so vielen anderen auch Asterix, der Held des von vielen so sehr geschätzten Gallier-Comics, dort zu finden ist. – Beschützt und tröstet er doch immer wieder den Häuptling seines kleinen gallischen Dorfs, der vor schlichtweg gar nix Angst hat, außer dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnt. – Befürchtungen, die ja nun nicht ganz von der Hand zu weisen sind: wie man weiß, sind Meteoriten, die irgendwann vom Himmel fielen, die Objekte mit denen Jutta Zipfel sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeit bei Senckenberg befasst. – Im Dünnschliff unterm Mikroskop entfalten sie in einer breiten Farbpalette eine ganz eigene, anmutige Schönheit. Dünnschliff eines Marsmeteorits Foto: Senckenberg, Jutta Zipfel 19 Vermerkt Namensgeber – Naturwissenschaftler – Visionär... Johann Christian Senckenberg (1707 – 1772) "Meine Stiftung wird von hier aus gute Leute machen, auch gute auswärtige herbeiführen und hiesige zum Nacheifern bringen, mir zur Freude, da alles darauf abzielt daß der Stadt in medicis wohl gedient werde.“ J. Chr. Senckenberg i. Aug. 1763 Johann Christian Senckenberg, geb. 28. Februar 1707 in der Frankfurter Hasengasse, trat in die Fußstapfen seines Vaters, des Frankfurter Stadtarztes Johann Hartmann Senckenberg und wurde nach seiner Promotion in Göttingen schließlich zum Physicus ordinarius ernannt. - Der tiefreligiöse Sonderling, als den manche seiner Zeitgenossen ihn empfanden, entwickelte nach persönlichen Schicksalsschlägen und unbefriedigenden beruflichen Erfahrungen eine Vision zum Wohle aller und investierte noch zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen in eine eigene Stiftung. Hauptzweck der Dr. Senckenbergischen Stiftung war die Verbesserung der Gesundheitspflege für die Frankfurter Bevölkerung und eine – nach heutigem Verständnis – nahezu ganzheitliche Versorgung der Kranken. Senckenberg hat die Fertigstellung seines Bürgerhospitals nicht mehr erlebt. Bei der Inspektion der bereits deutlich fortgeschrittenen Bauarbeiten stürzte er am 15. November 1772 vom Baugerüst des Uhrtürmchens und verstarb noch am gleichen Abend. - Sein Bauvorhaben wurde durch die Administration der noch heute bestehenden Dr. Senckenberigschen Stiftung beendet. Ölgemälde von A. W. Tischbein, 1771 - Senckenberg hält d. l. Hand a. d. Bibel, i. d. r. eine Bauzeichnung. Hinten das Uhrtürmchen, gekrönt v. Saturn. Seine Stiftung hat Hiesige und auch Auswärtige zum Nacheifern gebracht. Direkt daraus hervorgegangen und bis heute erfolgreich tätig sind: das Bürgerhospital, das Senckenbergische Zentrum für Pathologie, das Zentrum für Morphologie (Dr. Senckenbergische Anatomie), die Dr. Senckenbergische Bibliothek und der Botanische Garten. Institute, die – bis auf das Bürgerhospital - heute der 1914 gegründeten Johann Wolfgang Goethe-Universität angeschlossen sind. Auf Initiative des Anatomielehrers Philipp Jacob Cretzschmar und unter Mitwirkung der Stiftungsvertreter Christian Ernst Neeff, Johann Georg Neuburg sowie des damaligen Hospitalmeisters Reus und des Stiftsgärtners Becker erfolgte am 22. November 1817 die Konstituierung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. - In einem Schreiben vom 17. November 1817 an die Administration hatte auch Johann Conrad Varrentrapp den Plan der Gesellschaftsgründung begrüßt, die sich nach dem Willen des Stifters mit der gesamten Naturkunde befassen müsse und mitgeteilt, dass für das geplante Naturalien-Kabinett ein Bauplatz auf dem Stiftungsgelände bereit gestellt werde. Neuburg wurde zum Ersten Direktor und Cretzschmar zum Zweiten Direktor der SNG gewählt. - Zum Stiftungsgelände mit Bürgerhospital i. Vordergrund Namen der Gesellschaft hieß es in der ersten Modell d. Stiftung - Foto: Dr. Senckenbergische Stiftung gedruckten Satzung von 1819: „Um das Andenken Johann Christian Senckenbergs, des ersten Stifters einer naturwissenschaftlichen Anstalt in dieser Stadt, zu ehren, um zu der Erreichung seiner hierbei ausgesprochenen Zwecke beizutragen, und um zu diesem Ende so viel als möglich an sein Institut anzuschließen und dessen Zwecke zu unterstützen, hat die Gesellschaft mit Genehmigung der Administration dieser Stiftung den Namen Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft angenommen und das Wappen der Stiftung zu dem ihrigen gewählt.“ 20 Vermerkt Das Museum Senckenbergianum wurde auf dem Stiftungsgelände errichtet und am 22. November 1821, dem vierten Gründungstag der SNG, eröffnet. In der Chronik der SNG ist dazu auf Seite 217 zu lesen: "Es wird beschlossen, vom künftigen Jahre an wöchentlich zweimal, mittwochs und freitags von 11-1 Uhr, für jedermann frei die Sammlungen zu öffnen. Dr. Mappes und Dr. Sömmerring erbieten sich im Januar in diesen Stunden im Gebäude gegenwärtig zu sein und mit Hilfe des Ausstopfers und Aufwärters für gehörige Aufsicht zu sorgen." Museum Senckenbergianum a. Eschersheimer Turm Innerhalb kurzer Zeit erlangte das SenckenbergFoto: Senckenberg Museum weit über die Grenzen Frankfurts hinaus den Status eines Forschungsmuseums von Bedeutung. Bereits für das Jahr 1823 hält die Chronik anlässlich der sechsten Jahresfeier der SNG auf Seite 224 fest: "...: die Sammlungen werden fleißig besucht, und nicht bloß um etwas Hübsches anzuschauen, wir sehen sie von den nämlichen Personen wiederholt besuchen, im einzelnen betrachten und die Jugend mit lebhaftem Interesse die Naturgegenstände in der Wirklichkeit aufsuchen oder wiedererkennen, von denen in der Schule gesprochen worden war." Auf Seite 226 wird vom Besuch eines Gesandten der Stadt Bremen, Johann Smidt, berichtet, der den Besuch des Bundestags in Frankfurt zum Anlass nahm, auch dem Stiftungsfest der SNG beizuwohnen. Er hat später berichtet: "Überhaupt hat sich das wissenschaftliche Leben hier sehr vervollkommnet. Die Zahl der jungen Gelehrten von denen mehrere von Bedeutung zu sein scheinen, hat sich sehr vermehrt, und ein lobenswerter Wetteifer zur Auszeichnung durch Kunst und Wissenschaft gestaltet sich dadurch - der, wenn die Wahlverwandtschaften mit dem Frankfurter Reichtum sich, wie es das Ansehen gewinnt, immer mehr prononzieren, Frankfurt vollends zur Hauptstadt von Deutschland erheben wird. Die Tendenz, die Wissenschaft weiter zu bringen, habe ich bei diesem Museum viel vorherrschender gefunden wie bei dem unsrigen. Die Verbindungen und Korrespondenzen mit anderen wissenschaftlichen Instituten der Art, welche hier sehr lebendig sind, bei uns aber gänzlich zu fehlen scheinen, mögen wohl Ursache davon sein; denn wo es an Reibung und Wetteifer fehlt, kann die Stagnation nicht ausbleiben." Im Sinne ihres Namensgebers hat die SNG mit dem Forschungsinstitut und dem Naturmuseum das Ziel des Stifters auf einer erweiterten naturwissenschaftlicher Ebene und zum Wohle aller fortgesetzt und ist dabei mit der Zeit gegangen. - Die Vielfalt der Natur zu beschreiben, zu verstehen und zu bewahren ist man 1817 angetreten. - Die Sammlungen des Hauses sind mittlerweile auf weit über 20 Millionen Objekte angewachsen. Heute weist Forschung bei Senckenberg deutlich in die Zukunft und greift die Herausforderungen der Welt des 21. Jahrhunderts auf. Natur-, Arten- und Klimaschutz gehören zur Zielsetzung und bilden sich im Naturmuseum ab, das auch weiterhin eine bildungsorientierte Ausrichtung hat und täglich für Schulklassen, Familien und naturwissenschaftlich Interessierte durch eine moderne, interaktive Präsentation der vielen Exponate nach wie vor eine Schule des Sehens in Sachen Natur ist. Johann Christian Senckenberg hatte die Vision, einen „Tempel für die Wissenschaft“ zu bauen und hat sein Ziel zum Wohle aller unbeirrt verfolgt. Am 28. Februar hat sich sein Geburtstag zum 300. Mal gejährt. Die Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung hat ihren Gründer bei einem großen Festakt im Römer gewürdigt und den Geburtstag des großen Sohnes der Stadt Frankfurt zum Anlass genommen, gleich das gesamte Jahr zum SenckenbergJahr zu deklarieren und so das Werk des engagierten Bürgers und Mäzens zu würdigen. Für detaillierte Infos zu den einzelnen Institutionen sowie zu dem umfangreichen kulturellen und wissenschaftlich ausgerichteten Programm, in das Museum und Museumspädagogik mehrfach eingebunden sind, siehe auch: www.senckenberg-jahr.de Citycard – Design: S. Herkner 21