23-25 Zitrone

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23-25 Zitrone
Garten NATUR
Zitronenbäumchen
Für den Biogärtner ist der sonnenarme
Winter eine lange Zeit. Da kommt ein kleiner,
intensiv duftender Zitronenbaum gerade
recht. Das dekorative Rautengewächs lässt
sich auch in unseren Breiten ohne
Fremdenergie ziehen und liefert in den
Wintermonaten Früchte voller gesunder
Vitalstoffe.
Text und Fotos: Kurt Forster
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Ein Zitronenpflanztopf wird vorbereitet:
Kies und Lavagries sorgen für einen guten
Wasserablauf, darüber kommen tonige
Erde, kalkarmes Steinmehl, Sand und gut
gereifter Kompost.
Wer weniger Geduld besitzt und punkto
Fruchtbildung auf Nummer sicher gehen
will, kauft in einem Gartenzentrum bereits
fruchtende, veredelte Pflanzen. In der professionellen Zucht wird meist die sehr
widerstandsfähige Bitterorange als Unterlage verwendet.
Kräftige Erde ohne Staunässe
I
st die Zitronenschale mit Pestiziden behandelt oder nicht? Kann man sie bedenkenlos in den Kuchenteig raffeln
oder für den Punsch verwenden? Wer
hat in solchen Situationen noch nie gezögert? Die meisten Zitrusfrüchte werden
während der Anbauzeit mehrfach mit Pestiziden besprüht. Für die Haltbarmachung
kommen natürliche oder künstliche
Wachse wie das Pestizid Thiabendazol zum
Einsatz. Eine Alternative besteht in der
Anzucht und Pflege von eigenen, unbehandelten Zitruspflanzen. Dies ist sogar in
unseren Breiten ohne Fremdenergie möglich. Da bei uns die typischen Zitruskrankheiten nicht auftreten, kann man auf einen
Pestizideinsatz verzichten.
Zitruspflanzen gehören zu den ältesten
Kulturpflanzen. Ihre Heimat liegt in Ostasien und an den Südhängen des Himalajas. Bereits vor 4000 Jahren wurden in
Südchina Orangen und Pampelmusen zur
Zierde und zu Heilzwecken gezogen. Auch
in den Hängenden Gärten der Semiramis
sollen Zitruspflanzen gewachsen sein. Die
Römer brachten die Agrumen (lat. für
Zitruspflanzen) nach Italien, wo sie – in
Tontöpfe eingepflanzt – die Säulengänge in
den Häusern der Vornehmen zierten. Wegen ihres hohen Zierwertes haben sie eine
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lange Tradition in den Orangerien der
fürstlichen Gärten. Heute werden Zitruspflanzen auf 5 Kontinenten angebaut und
sind hinter Bananen und Trauben die weltweit am dritthäufigsten angebaute Obstart.
Zitrusgewächse lieben eine kräftige, nährstoffreiche Erde mit niedrigem Kalkgehalt
und hohem Ton- oder Lehmanteil. Für
mittelgrosse Zitronenpflanzen sollte das
Pflanzgefäss mindestens 50 Liter Inhalt besitzen. Da Zitruspflanzen meist verschoben
werden und sie häufiges Umpflanzen nicht
lieben, empfiehlt es sich, genügend grosse,
leichte Kunststofftöpfe zu wählen. Den
Topfboden belegt man am besten mit einer
Schicht Lavagries und Kies, um einen
guten Wasserabfluss sicherzustellen. Den
Rest des Gefässes füllt man mit einer Mischung aus lehmhaltiger Erde, gut gereiftem Kompost und Sand. Zitruspflanzen
lieben ein leicht saures Milieu (pH-Wert 6
bis 6,5), weshalb sich Lauberde1 besonders
gut eignet. Speziell aufbereitete Zitruspflanzenerde kann man in Spezialgeschäften kaufen. Möchte man auf Kunstdünger
verzichten, ist Kuhdung eine gute Alternative. Mit kleinen Magnesium- und Eisengaben kann die Zitruspflanzenerde optimiert werden.
Kerne, Stecklinge
oder Gekauftes?
Sonnig und windgeschützt
Es erfüllt einen mit Stolz, ein eigenes Zitronenbäumchen heranzuziehen. Bei Kindern
kann dieses Erlebnis die Liebe zur Natur
wecken und später das Verantwortungsgefühl für alles Liebgewonnene fördern.
Die einen Zentimeter tief gesteckten
Samen keimen meist gut. Allerdings
blühen aus Kernen gezogene Wildlinge erst
nach 8 bis 10 Jahren, wenn überhaupt, und
auch ihre Früchte können eine Überraschung sein. Diese Wildlinge bilden jedoch
eine robuste Unterlage, die sich mit den
Reisern einer gut fruchtenden Zitruspflanze veredeln lässt.
Etwas schneller und sicherer geht die
Vermehrung mit Stecklingen. Dazu verwendet man einjährige, halbverholzte
Triebe mit zwei Blattpaaren. Sie werden bei
Zimmertemperatur in ein Wassergefäss
gestellt, bis sie kleine Würzelchen bilden.
Jetzt ist der Zeitpunkt, sie einzupflanzen.
Als Mittelmeerbewohner lieben Zitruspflanzen Wärme und viel Licht. Sie gedeihen daher in Süd- oder Westlage am besten. Besonders wohl fühlen sie sich an
einem vor kalten Winden geschützten
Platz vor einer Mauer oder Hecke. Ein
idealer Standort liegt auch unter einem
vorspringenden Dach vor einer Südfront.
Im Hochsommer muss man die Pflanzen reichlich giessen. Am besten verwendet man dazu kalkarmes Regenwasser. Die
Pflanzen lieben kein stehendes Wasser. Bei
Staunässe werden die Blätter gelb und der
Zitrusbaum lässt seine Blätter fallen, was
manche Hobbygärtner als Durst interpretieren und noch mehr giessen, so dass die
Pflanzen zu serbeln beginnen.
Während der Überwinterungszeit, zwischen November und April, stellen Zitruspflanzen ihr Wachstum weitgehend ein.
Ihre Wasser- und Nährstoffbedürfnisse sind
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dann gering. Gegossen wird nur einmal
im Monat.
Sie vertragen im Winter durchaus
Temperaturen um den Gefrierpunkt. Es ist
bedeutend besser, die Pflanzen in der kalten Jahreszeit hell, aber kühl zu halten, als
sie bei hohen Zimmertemperaturen zu verzärteln oder sie zu dunkel zu halten. In
überhitzten Wohnräumen kommt es gerne
zu Laubabfall, Spinnmilben- und Schildlausbefall. Ein guter Luftaustausch (genügend lüften) hilft Krankheiten vermeiden.
Gute Erfahrungen habe ich mit der
Überwinterung im unbeheizten Anlehngewächshaus gemacht. Solange die Temperaturen im kalten Gewächshaus über 5
Grad Celsius liegen, wirkt die kühle Luft
abhärtend auf die Pflanzen.
Im zeitigen Frühjahr werden die Zitruspflanzen leicht zurückgeschnitten, wobei
überkreuzende Äste entfernt werden. Ein
starker Rückschnitt bringt verstärktes
Pflanzenwachstum, aber weniger Blüten
und folglich auch weniger Früchte.
Im Frühjahr, wenn die Fröste vorüber
sind, bringt man die Pflanzen an einem
trüben, regnerischen Tag ins Freie, damit
sie keinen Sonnenbrand bekommen. Wer
den Standort verändert, muss darauf achten, dass die Pflanze keinen Schock erleidet.
Sicher sind Zitrusfrüchte keine Pflanzen für gemässigte Breiten. Trotzdem ist es
möglich, sie erfolgreich und ohne Fremdenergie zu ziehen, sofern ein Kaltgewächshaus oder Wintergarten zur Verfügung
steht. Im Winter liefern uns die gelben
Vitaminbomben wertvolle Biostoffe wie
Vitamin A, B1, B2 und C, Zitronensäure,
Flavonoide, Natrium, Kalium, Kalzium,
Phosphor und Eisen.
Meine Zitrusbäumchen tragen fast ganzjährig kleine, mittelgrosse und grosse
Früchte, wobei ich die saftigen Vitaminpakete
vor allem in den Wintermonaten ernte. Ein
mittelgrosses Bäumchen von einem Meter
Grösse bringt gegen 30 gut ausgereifte
Zitronen hervor. Die aromatisch duftende
Zitronenschale kann als vielfältiger Würzstoff verwendet, der herrliche Zitronenduft
soll tief eingeatmet und genossen werden.
1
Lauberde entsteht schwergewichtig aus kompostiertem
Laub. Diese Erde ist locker, dunkelbraun und leicht sauer.
Kurt Forster überstäubt das Laub aus seinem Garten bei
der Kompostierung alle 10 Zentimeter mit vulkanischem
oder siliciumreichem Steinmehl. Das Laub von Bäumen
an Strassenrändern soll aufgrund der Schadstoffbelastung
gemieden werden.
Vielseitige Rautengewächse
Die Gattung der Zitruspflanzen umfasst etwa 20 Arten, die zur 1600 Arten
zählenden Familie der Rautengewächse (Rutaceae) gehören. Die Lebensbedingungen der Zitruspflanzen sind unterschiedlich. Gewisse Arten wie die chinesische Bergzitrone oder Bitterorange (Poncirus trifoliatus) vertragen bis minus
20 Grad Celsius. Etwas geschützt kann sie auch bei uns im Freien überwintern.
Andere Arten tolerieren nur leichte Minustemperaturen; diese Pflanzen werden
am besten im kalten Gewächshaus überwintert.
Die bekanntesten Agrumen sind die sauren Zitronen (Citrus limon), die dickschaligen Zitronatzitronen (Citrus medica), die leicht schälbaren Mandarinen
(Citrus reticulata), die Orangen (Citrus sinensis), die grossen Grapefruits (Citrus
paradisii), die Pampelmusen (Citrus maxima), die kleineren Chinottos (Citrus
myrtifolia) und die pflaumengrossen Kumquats (Fortunella margarita). Auf Pflanzenmärkten findet man zudem viele Zwergformen, Hybriden, Spezialzüchtungen
und Kreuzungen. Am besten lässt man sich von einem erfahrenen Fachmann
oder einer Fachfrau beraten.
Zierlich, aber produktiv:
Auch kleine Zitronenbäumchen
können bis 30 Früchte tragen.
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