Leseprobe 1 - frankfurt business media
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Fred Reichheld mit Rob Markey Die ultimative Frage 2.0 Wie Unternehmen mit dem Net Promoter System kundenorientierter und erfolgreicher sind Aus dem Amerikanischen von Karen Herzog Inhalt Vorwort Einführung: Net Promoter – Vom Score zum System I 15 Die Grundlagen des Net Promoter Systems 1 2 Schlechte Gewinne, gute Gewinne und die ultimative Frage 32 Schlechte Gewinne 33 Wie schlechte Gewinne Wachstum behindern 37 Die Alternative: Gute Gewinne 40 Schlechte und gute Gewinne: Wie Unternehmen den Unterschied erkennen 45 Die ultimative Frage 49 NPS als Erfolgskennzahl 53 Die Herausforderung: Begeisterung messbar machen 54 Die Entdeckung der ultimativen Frage 56 Auswertung der Antworten 58 Fallbeispiel Intuit: Der Lösungsansatz 60 Das Ergebnis bei Intuit: Begeisterte Kunden und Aktionäre 63 Inhalt 3 4 5 NPS als Wachstumsmotor 66 Die wirtschaftliche Macht ausgezeichneter Kundenbeziehungen 69 Beispielrechnung: Wert der Mundpropaganda bei Dell 74 Der Zusammenhang zwischen NPS und Wachstum 78 Weitere Überlegungen 81 Relativer NPS und Marktanteil 82 Erfolgsgeschichte Enterprise Rent-A-Car 85 Wie Enterprise das Messen lernte 87 Verankerung des ESQi im Unternehmen 89 Weshalb der ESQi funktioniert 90 Wie ESQi Verbesserungen anstößt 93 „The Vote“ – Abstimmung für mehr Wachstum 96 Ein einzigartiges System 97 Acht Prinzipien der Messung 99 Prinzip 1: Die ultimative Frage stellen und sonst (fast) nichts 100 Prinzip 2: Eine geeignete Skala wählen und beibehalten 102 Prinzip 3: Interne (Bottom-up-) und externe (Top-down-) Ansätze trennen 104 Prinzip 4: Auf hohe Beteiligung der richtigen Kunden zielen 105 Prinzip 5: NPS ebenso regelmäßig erheben und diskutieren wie die Finanzdaten 108 Prinzip 6: Mit differenzierter Datenerhebung schneller lernen und Verantwortlichkeit stärken 109 Prinzip 7: Auf Genauigkeit ohne Verzerrungen prüfen 112 Prinzip 8: Zusammenhang zwischen NPS und Kundenverhalten validieren 116 Zusammenfassung 118 Inhalt II Mit NPS zum Erfolg 6 7 8 Inhalt Resultate erzielen mit NPS 120 Charles Schwab Corporation 120 Apple Retail 123 Ascension Health 125 Carolina Biological Supply 129 Progressive Insurance 131 Rackspace 133 Virgin Media 135 Noch mehr Erfolgsgeschichten 136 Wirtschaftlichkeit und Inspiration: Der doppelte Imperativ 142 Der Pfeiler Inspiration 143 Der Pfeiler Wirtschaftlichkeit 145 Beide Pfeiler stärken 148 Beide Pfeiler austarieren 152 Die ersten Schritte 155 Feedbackschleifen schließen 160 Geschlossene Feedbackschleifen an der Kundenschnittstelle herstellen 162 Feedbackschleifen im mittleren Management etablieren 165 Feedbackschleifen im Topmanagement schließen 169 Kunden-Communities schaffen 175 9 10 Bereit für die lange Reise 180 Geeignete Führungskräfte wählen und Erfolgsvoraussetzungen schaffen 181 Als Organisation an einem Strang ziehen 183 Organisation auf den Kunden ausrichten 186 Die richtigen Leute einstellen 189 Bei der Kopplung der Vergütung an NPS vorsichtig sein 191 Bei der IT-Unterstützung nicht am falschen Ende sparen 195 Die Unternehmenskultur verändern 200 Der Blick nach vorn 202 Mitarbeiter-NPS (eNPS) 203 Widerstand von außen und innen 205 Das wahre Risiko 206 Zuverlässige Daten 208 Weitere Verbesserungen 211 Warum ist dies alles so schwierig? 217 Anhang Ratschläge für die Reise 222 Danksagung 242 Register 244 Die Autoren 246 Inhalt Vorwort Dieses Buch wird Ihnen zeigen, wie Unternehmen den Weg zu nachhaltigem Wachstum einschlagen können – zu Wachstum, das darauf beruht, dass Kunden gerne bei einem Unternehmen kaufen und Mitarbeiter gerne dort arbeiten und ihre Begeisterung mit ihren Nachbarn, Freunden und Kollegen teilen. Dies ist die einzige nachhaltige Wachstumsformel. Durch Übernahmen, aggressive Preisstrategien, Erweiterungen des Produktportfolios, Cross-Selling-Strategien, neue Marketingkampagnen und weitere klassische Strategien können sich Unternehmen zwar oft kurzfristig Wachstum verschaffen. Nachhaltigen Erfolg haben sie aber nur, wenn diese Maßnahmen letztlich zu loyalen Kunden führen. Dasselbe gilt für Marktanteile. Eine starke Position im Markt verhilft Unternehmen oft zu einem wirtschaftlichen Vorsprung. Wenn dieses Potential jedoch nicht genutzt wird, um Kunden ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, werden weder der Vorsprung noch die Marktdominanz lange halten. Diese Erkenntnis hat an Bedeutung gewonnen, weil die Geschäftswelt von einer stillen Revolution erfasst wird. Diese Revolution wird, wie viele andere, die derzeit die Weltordnung verändern, auch von den Social Media mit vorangetrieben. Kunden und Mitarbeiter posten Blogs, twittern und texten in Echtzeit über ihre Erfahrungen und überrollen so die sorgfältig formulierten Botschaften der Marketing- und PR-Abteilungen: Macht verlagert sich weg von den Unternehmen hin zu den Menschen, die von den Unternehmen kaufen und die für sie arbeiten – zu Kunden und Mitarbeitern. Um aus dieser Revolution als Gewinner hervorzugehen, müssen Unternehmenslenker Wege finden, dass ihre Mitarbeiter die Kunden begeistern können. Die meisten Manager wollen zufriedene Kunden. Die entscheidende Frage lautet also: Woher wissen Unternehmen, was Kunden fühlen, und wie können sie individuelle und organisatorische Veranwortlichkeiten für die Kundenerfahrungen in ihrem Unternehmen etablieren? Hier helfen weder traditionelle Zufriedenheitsumfragen noch Finanzkennzahlen weiter. Erstere erreichen nur wenige im Unternehmen wirklich und werfen für viele mehr Fragen und Zweifel auf, als dass sie aktives Handeln treiben. Und bei Letzteren lassen sich nicht Vorwort 11 einmal „gute“ Gewinne (die Wachstum ermöglichen) von „schlechten“ (die Wachstum behindern) unterscheiden. Mit diesem Buch stellen wir einen völlig neuen Ansatz vor. Ausgangspunkt ist eine einzige Frage – die ultimative Frage – die regelmäßig, systematisch und am besten direkt nach einem Geschäftsvorfall gestellt wird. Aus den Antworten erkennt ein Unternehmen, welche Kunden begeistert sind, welche eher genervt und welche indifferent sind. Daraus kann eine einfache und leicht verständliche Kennzahl abgeleitet werden – der Net Promoter® Score. Dieser zeigt, wie es wirklich um die Kundenbeziehungen bestellt ist. Diese Kennzahl kann genauso Woche für Woche ermittelt und verfolgt werden wie die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens. Danach beginnt im Net Promoter Unternehmen die eigentliche Arbeit: direkten Kontakt mit den Kunden aufnehmen, ihnen richtig zuhören, die Probleme lösen, die zu Schwierigkeiten oder Verärgerung geführt haben, und täglich Kundenerfahrungen schaffen, die mehr und mehr Begeisterung wecken. In die Aufgabe, wahre Kundenorientierung in den Arbeitsalltag einzubetten, kann jeder einzelne Mitarbeiter eingebunden werden. Manager, die heute Finanzberichte nutzen, um sicherzustellen, dass sie selbst und ihr Team die Umsatz- und Gewinnziele erreichen, können mit dem Net Promoter Score ihre Zielerreichung in Bezug auf Kundenloyalität messen und sich mit dem Net Promoter System kontinuierlich verbessern. Auf diese Weise ermöglicht das Net Promoter System Unternehmen, aus dieser „stillen Revolution“ als Gewinner hervorzugehen. Diejenigen Unternehmen, die das Net Promoter System bereits erfolgreich anwenden – in den folgenden Kapiteln werden Sie einiges über diese Pioniere lesen –, haben diese Lektion schon gelernt und die Konkurrenz hinter sich gelassen. Das Spektrum reicht von kleinen Firmen mit lokalem oder regionalem Einzugsgebiet über Superstars aus dem Silicon Valley bis hin zu Riesen wie General Electric. („Dies ist die beste Messgröße für Kundenzufriedenheit, die ich je kennengelernt habe – ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemand von uns nicht nutzen wollte!“, so Jeff Immelt, CEO von General Electric, bei einem Führungskräftetreffen im Jahr 2005.) Obwohl sich diese Net Promoter Unternehmen in vielerlei Hinsicht unterscheiden, haben sie eines gemeinsam: Sie sind getrieben von der Goldene Regel „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest“. Sie alle wollen Kunden, die so vom Umgang mit ihnen so begeistert sind, dass sie gerne wiederkommen und auch noch ihre Freunde und Kollegen mitbringen. Auch wenn die meisten der hier vorgestellten Beispiele aus der Wirtschaftswelt stam12 Vorwort men, lassen sich diese Ideen in allen Organisationen anwenden – Schulen, Krankenhäuser, Wohltätigkeitseinrichtungen und sogar Behörden. Denn diese haben ebenfalls Kunden, Nutzer oder Mitglieder, die sie begeistern sollten, und können von einem Managementsystem, das auf schnellem, regelmäßigem Feedback ihrer Kunden beruht, enorm profitieren. Wenn Sie das Buch gelesen haben, besuchen Sie bitte auch die Webseite www.netpromotersystem.com. Wir möchten gemeinsam eine Community von Menschen aufbauen, die Institutionen wollen, die das Leben der Menschen bereichern und echte Loyalität verdienen – und die überzeugt sind, dass Unternehmen nur dann die Chance auf nachhaltiges Wachstum und wahre Größe haben, wenn sie ihre Leistungen in dieser Dimension genauso sorgfältig messen und vorantreiben wie ihre Finanzkennzahlen. Ein Hinweis an alle, die die erste Auflage von „Die ultimative Frage“ gelesen haben: Jedes Kapitel dieser Neuauflage enthält wichtige Ergänzungen und Erläuterungen, und viele Kapitel sind völlig neu. Wenn Sie die Erstauflage bereits gut kennen, lesen Sie bitte die Einführung (neu), überfliegen die Kapitel 1 bis 4 und arbeiten das Kapitel 5 durch, als würden Sie es zum ersten Mal lesen. Kapitel 5 erläutert einige der kostspieligsten Irrtümer, die sich ergeben können, wenn die aufgeführten Prinzipien nicht vollständig verstanden wurden. Teil II des Buches (Kapitel 6 bis 10) ist nahezu komplett neu. Diese Kapitel beschreiben und analysieren die Erfolge der Anwender des Net Promoter Systems seit Erscheinen der ersten Auflage. Vorwort 13 Net Promoter – Vom Score zum System Erfolg im Geschäft und im Leben sollte davon abhängen, welche Spuren man bei den Menschen, denen man begegnet, hinterlässt – ob man ihr Leben bereichert oder beeinträchtigt hat. Das Rechnungswesen ignoriert diese grundlegende Idee, trotz all seiner Feinheiten und seines Einflusses. Daher habe ich vor einigen Jahren einen neuen Ansatz entwickelt, um zu messen, wie ein Unternehmen oder eine Organisation die Menschen in seiner Umgebung behandelt – ob es Beziehungen herstellt, die Loyalität verdienen. Ich habe diese Messgröße den Net Promoter® Score (NPS) genannt.1 Tausende innovativer Unternehmen, darunter Apple, Allianz, American Express, Zappos.com, Intuit, Philips, GE, eBay, Rackspace, Facebook, LEGO, Southwest Airlines und JetBlue Airways, wenden NPS an. Die meisten verwendeten NPS zunächst, um Loyalität, Engagement und Begeisterung ihrer Kunden zu messen. Ihnen gefiel die Einfachheit der Kennzahl und die Konzentration auf ein motivierendes Ziel, das sich mit NPS gut beschreiben lässt: Kunden so gut zu behandeln, dass sie zu loyalen, begeisterten ‚Promotoren‘ des Unternehmens werden. Da NPS eine Open-Source-Methode ist, können Anwender die Methode an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen. Im Laufe der Zeit entwickelten und erweiterten die Unternehmen den Ansatz. Sie beschränkten sich nicht nur auf die reine Messung der Kundenloyalität, sondern entwickelten neue Methoden, um Mitarbeiter besser einzubinden und echte Veränderung im Unternehmen zu bewirken. Sie tauschten Ideen miteinander aus und bauten auf den Anwendungen anderer auf. In einer wahren Explosion kreativer Intelligenz verwandelte sich NPS von einer reinen Kennzahl schnell in etwas deutlich Größeres: Obwohl der Ansatz letztendlich noch recht jung ist, entwickelte sich daraus ein Managementsystem, der Kern eines umfassendes Geschäftsmodell. Die Abkürzung NPS selbst steht nicht länger für „Net Promoter Score“, sondern für „Net Promoter System“. Der Unterschied wird an den Aussagen einiger Führungskräfte der obigen Unternehmen deutlich: 1 16 Net Promoter® Score ist eine eingetragene Marke von Satmetrix Systems Inc., Bain & Company und Fred Reichheld. Unser Ziel ist es, die weltweite und konsistente Nutzung von NPS zu fördern und das System vor Missbrauch zu schützen. Einführung „NPS hat unser Denken deutlich verändert, so dass sich unser gesamtes Unternehmen nun auf den Kunden ausrichtet. In den 70er und 80er Jahren revolutionierte Total Quality Management die Qualitätskosten der Produktion – heute hat NPS einen vergleichbaren Einfluss.“ Gerard Kleisterlee, CEO von Philips „NPS war ideal für Apple. Es ist integraler Bestandteil der DNA unserer Apple Stores geworden.“ Ron Johnson, SVP und Gründungsvorstand von Apple Retail „NPS hat unsere Welt komplett verändert. Es ist zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Prozesse und Unternehmenskultur geworden. NPS ist heute für uns nicht mehr wegzudenken.“ Junien Labrousse, Executive Vice President und Chefstratege Produkt und Technologie bei Logitech „NPS ist der Lackmustest, ob wir unseren Unternehmenswerten entsprechend leben – NPS ist jeden Morgen auf dem Startbildschirm meines Computers.“ Walt Bettinger, CEO, Charles Schwab „NPS ist das mächtigste Instrument, das wir je eingesetzt haben. Es ist praktisch anwendbar und stößt echtes Handeln an.“ Dan Henson, damals Chief Marketing Officer von General Electric „Wir nutzen NPS täglich, um sicherzustellen, dass wir unsere Kunden und Mitarbeiter begeistern.“ Tony Hsieh, CEO von Zappos.com, Autor von „Delivering Happiness“ Kapitel 6 beschreibt ein knappes Dutzend Beispiele, wie Unternehmen das Net Promoter System in die Praxis umgesetzt und welche Erfolge sie damit erzielt haben. NPS war ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Sanierung des Finanzdienstleisters Charles Schwab; während dieser Zeit verdreifachte sich der Aktienkurs des Unternehmens. Auch für Apples berühmte Stores, bei denen die höchste Flächenproduktivität im gesamten Einzelhandel vermutet wird, ist NPS ein zentrales Element. Das System hat Klinikbetreiber Ascension Health darin unterstützt, seine Patienten besser zu versorgen, und die Versicherungsgruppe Progressive Insurance darin, ihren Marktanteil auszuweiten und mehr Versicherungsnehmer an sich zu binden. American Express konnte den Service für seine Karteninhaber verbessern und zugleich die Kosten senken etc. Das Net Promoter System hat sich als ein kräftiges Zugpferd für Wachstum und Gewinne erwiesen. Net Promoter – Vom Score zum System 17 Ich möchte jedoch nicht beim System aufhören, denn es gibt noch einen weiteren Faktor, der diejenigen Unternehmen verbindet, die die eindrucksvollsten Erfolge mit Net Promoter erzielt haben: der Net Promoter Spirit – die Kultur. Diese Unternehmen haben eine bestimmte Führungskultur, eine eigene Philosophie, die das System durchdringt und antreibt. Führungskräfte, die diesen Spirit leben, gehen davon aus, dass jedes wahrhaft großartige Unternehmen das Leben der Menschen, die mit ihm in Berührung kommen, bereichern sollte – und Beziehungen aufbauen, die echte Loyalität verdienen. Selbstverständlich muss ein großartiges Unternehmen Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaften. Aber ebenso positiv sollte die Wirkung für die Mitarbeiter, die Geschäftspartner und insbesondere für die Kunden sein. Wenn die Loyalität all dieser Interessengruppen nicht nachhaltig aufgebaut wird, wird auch der Gewinn für die Aktionäre über kurz oder lang schwinden. Darüber hinaus erkennen diese Führungskräfte, dass auch ihre persönliche Reputation und das, was sie anderen hinterlassen, davon abhängt, wie gut sie diese Mission erfüllen. Ausdrücke wie „persönliche Reputation“, „Net Promoter Spirit“ und „Leben bereichern“ verleiten zu der Annahme, dass NPS weich und nebulös sei. Jedoch ist das Gegenteil der Fall: Net Promotor ist die Schnittmenge von Mission und Mathematik. Eine Mission ohne Messgröße für Erfolg und Misserfolg ist nur heiße Luft. Nur durch die systematische Messung der Wirkung auf die Menschen und die Geschäftsbeziehungen kann ein Unternehmen erkennen, ob es seine Mission erfüllt und das Leben der Menschen bereichert. Dies ist der Sinn von NPS. Es bietet einen praktischen Ansatz zur Messung der Fortschritte eines Unternehmens. Und es bietet ein Managementsystem, durch das ein Unternehmen seine Kultur verändern und wahre Größe anstreben kann. Dieses Buch erzählt die Geschichte über NPS, vom Ursprung über die gegenwärtige Entwicklung hin zu einem Blick in die Zukunft. Es zeigt Ihnen, wie Sie das System in Ihrem Unternehmen anwenden können und wie Sie Ihr Geschäft – und Ihr Leben – erfolgreicher gestalten. Ursprung NPS erblickte im Jahr 2003 in einem Artikel des Harvard Business Review das Licht der Welt. Dieser Artikel – „The One Number You Need 18 Einführung to Grow“ – führte schließlich zu einem Buch mit dem Titel „The Ultimate Question“ („Die ultimative Frage“), das 2006 in mehreren Sprachen erschien. Sowohl der Artikel als auch das Buch beschrieben eine einfache, pragmatische Weise, Kunden auf Basis ihrer Antwort auf eine einzige Frage in Kategorien einzuteilen. Die Frage war: „Auf einer Skala von 0 bis 10, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie dieses Unternehmen (oder Produkt/Dienstleistung/Marke) einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Ich empfahl, noch mindestens eine Folgefrage zu stellen: „Was ist der Hauptgrund für Ihre Bewertung?“ Durch die einfache Skala von 0 bis 10 können Unternehmen rasch die Gefühle und Einstellung ihrer Kunden erfassen. Die offen gestellte Folgefrage erlaubt den Kunden, die Gründe für diese Einstellung in ihren eigenen Worten darzulegen. Das vermeidet Verzerrungen, die sich aus den vorgegebenen Antwortkategorien herkömmlicher Kundenzufriedenheitsumfragen ergeben. Als meine Kollegen und ich die Ergebnisse dieser Frage untersuchten, stellte sich heraus, dass man die Kunden drei klar umrissenen Kategorien zuordnen kann. Jede Kundengruppe zeigt bestimmte Verhaltensmuster und Einstellungen. Und jede Kundengruppe erfordert andere Maßnahmen von Seiten des Unternehmens. • Promotoren antworten mit 9 oder 10 und signalisieren, dass ihr Leben durch den Kontakt mit dem Unternehmen bereichert wurde. Sie sind loyale Kunden, die typischerweise wiederholt bei diesem Unternehmen kaufen und ihm so einen größeren Teil ihres Budgets zukommen lassen. Sie empfehlen das Unternehmen ihren Freunden und Kollegen, ganz im Sinne der gestellten Frage. Sie nehmen sich die Zeit, Umfragen zu beantworten, geben konstruktives Feedback und machen Vorschläge. Wir haben diese Kundengruppe Promotoren genannt, weil sie mit ihrer Energie und Begeisterung als genau solche agieren. Jedes Unternehmen sollte sich die Begeisterung dieser Kunden erhalten, wirtschaftliche Wege zu finden, die die Zahl solcher Kunden erhöhen und die Mitarbeiter, die für Kundenbegeisterung sorgen, für ihren Einsatz würdigen und belohnen. • Passiv zufriedene Kunden bewerten das Unternehmen mit 7 oder 8. Sie haben erhalten, wofür sie bezahlt haben, nicht mehr. Sie sind zufrieden, aber nicht begeistert und loyal. Sie zeigen ein deutlich anderes Verhalten und andere Einstellungen. Sie empfehlen das Unternehmen nicht weiter – und wenn sie es doch tun, dann oft Net Promoter – Vom Score zum System 19 einschränkend und ohne viel Enthusiasmus. Diese Kunden lassen sich leicht von Rabatten oder Aktionen der Konkurrenz abwerben. Wir haben diese Gruppe passiv zufriedene Kunden genannt, da sie dem Unternehmen wenig Energie entgegenbringen und nicht als langfristig werthaltig für das Unternehmen gelten können. Ziel für diese Kundenkategorie muss eine Verbesserung der Dienstleistungen, Produkte oder Prozesse sein – möglichst so, dass diese Kunden begeistert werden und sich möglichst viele in Promotoren verwandeln. • Kritiker bewerten das Unternehmen mit 6 oder weniger. Ihre Bewertung signalisiert, dass die Begegnung mit dem Unternehmen ihr Leben nicht bereichert und meist sogar beeinträchtigt hat. Sie sind unzufrieden, verärgert oder enttäuscht darüber, wie sie behandelt wurden. Sie raten Freunden und Kollegen von diesem Unternehmen oft aktiv ab. Wenn sie nicht sofort den Anbieter wechseln können – zum Beispiel weil sie langfristige Verträge haben oder wenn es keine anderen Anbieter mit vergleichbaren Leistungen gibt –, werden sie zum Ärgernis, indem sie einen Beschwerdebrief nach dem anderen schreiben und so die Kosten in die Höhe treiben. Ihr oftmals unzufriedenes oder gar unwirsches Benehmen zerstört die Motivation und den Stolz der Mitarbeiter. Unternehmen müssen der Enttäuschung dieser Kritiker auf den Grund gehen, bei ihnen um Verzeihung bitten und Lösungen für das Problem finden. Wenn es keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung für die Unzufriedenheit eines Kritikers gibt, muss das Unternehmen lernen, diese Gruppe gar nicht erst als Kunden anzulocken. Wenn es ein wesentliches Unternehmensziel ist, das Leben seiner Kunden zu bereichern, kann mit Hilfe dieser drei Kundenkategorien der Erfolg des Unternehmens gemessen werden. Promotoren repräsentieren Erfolge. Kunden bewerten ein Unternehmen nur dann mit 9 oder 10, wenn es wirklich eine positive Wirkung auf sie hat. Passiv zufriedene Kunden sind eben nur zufrieden, sie können nicht wirklich als Erfolg gelten – es sei denn, das Unternehmen gibt sich mit Mittelmaß zufrieden. Kritiker stellen natürlich einen deutlichen Misserfolg dar. Etwas ist gründlich schief gegangen, und ein Geschäftsvorfall, der einen positiven Effekt haben sollte, wirkt sich stattdessen negativ aus. Die Kategorisierung von Kunden ist jedoch nur der erste Schritt. Wir suchten dann nach einer einfachen Kennzahl, die Woche für Woche ermittelt werden kann, die Fortschritte eines Unternehmens zusammenfasst und seine Verbesserungsmaßnahmen fokussiert. 20 Einführung 10 9 ☺ 8 7 K 6 5 4 ☺ - L = NPS 3 2 1 L 0 Äußerst unwahrscheinlich Äußerst wahrscheinlich Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie uns einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen? Abbildung 1.1: Net Promoter Score: bereicherte Leben minus beeinträchtigte Leben Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie uns einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen? Wir wollten eine Kennzahl, die einfach, aussagekräftig und leicht verständlich ist – eine ergebnisorientierte Kennzahl ähnlich wie der Jahresüberschuss oder das Nettovermögen. Wir entschieden uns daher, den „Netto“-Wert von Promotoren und Kritikern zu berechnen – den Net Promotor Score (siehe Abbildung 1.1) Dieser wird ermittelt, indem man vom Prozentsatz der Kunden, die Promotoren sind, den Prozentsatz der Kritiker abzieht. Die weitere Entwicklung von NPS Als die erste Auflage des Buches „Die ultimative Frage“ erschien, steckte die ganze Idee noch in den Kinderschuhen und war gerade erst auf dem Weg von der Theorie zur Praxis. Die Theorie war überzeugend empirisch belegt, und manche frühe Anwender wie Intuit und General Electric hatten einige erfolgreiche Experimente unternommen. Dennoch war es Theorie. Das Buch berichtete von Unternehmen, für die wir einen hohen NPS im Vergleich zu ihren Wettbewerbern ermittelt hatten. (Wir hatten einen Ansatz entwickelt, den NPS über eine Branche hinweg ermitteln zu können, was wir heute als Top-down-NPS bezeichnen. Dieser bewertet die Kundenbeziehungen eines Unternehmens gesamthaft, nicht einzelne Geschäftsvorfälle.) Aber diese Beispielfirmen wendeten NPS und seine Instrumente verständlicherweise nicht an – da 2006 solche Instrumente und Prozesse kaum existierten. NPS war ja gerade erst erfunden worden. Net Promoter – Vom Score zum System 21 Diese Situation hat sich bis zum Erscheinen der vorliegenden zweiten Auflage grundlegend geändert. Tausende Unternehmen wenden NPS nun an. Viele haben außerordentliche Erfolge erzielt. Unternehmen wie Apple, Intuit, Philips, Rackspace und andere bereits genannte haben NPS in das Zentrum ihrer Managementstrategien gestellt. Sie haben die Mikroökonomie der Theorie verfeinert – zum Beispiel können sie die Wandlung eines passiv zufriedenen Kunden in einen Promoter in Euro bewerten. Sie haben Messgrößen, Instrumente und Prozesse entwickelt, die heute einen Standard für das Net Promoter System bilden. Dieses System hat ihnen geholfen, bessere Methoden des Mitarbeitermanagements von Einstellung, über Weiterbildung bis zur Entlohnung zu finden. Es hat zur Überprüfung von Strategien, zur Überarbeitung von Produkten und zur Verbesserung von Prozessen geführt. Kurz gesagt: Man entdeckte, dass das Net Promoter System die Kraft hat, ein Unternehmen zu verändern. Es wurde darüber hinaus erkannt, dass es trotz der Einfachheit des Konzepts viel schwieriger ist als erwartet, eine Armee von Promotoren aufzubauen – allerdings auch viel lohnender. Meine Kollegen und ich durften viele dieser Unternehmen auf ihrer NPS-Reise begleiten. Wir haben Foren, Konferenzen, Webseiten und Online-Communities ins Leben gerufen, um den Lerneffekt zu beschleunigen und Best-Practice-Beispiele zu teilen. Das Zentrum dieser Bewegung ist das von Bain & Company ausgerichtete NPS Loyalty Forum. Bain & Company, eine weltweit tätige Beratungsgesellschaft, ist seit 32 Jahren meine berufliche Heimat. Die Mitgliedsunternehmen des Forums treffen sich mehrmals jährlich, meist am Sitz eines von ihnen (siehe Kasten „NPS Loyalty Forum“ mit einem Auszug aus der Teilnehmerliste). Diese Treffen ermöglichen den Austausch untereinander und mit Mitarbeitern und Entscheidern des Gastgebers, von CEOs und Finanzchefs über Operations Manager und Marketingfachleute bis hin zu Kundenbetreuern. Diese gegenseitige Befruchtung hat sich vor allem deshalb als wertvoll erwiesen, weil NPS in jeder Funktion und jeder Ebene eines Unternehmens wichtige Wirkungen hat. Bei der Organisation von öffentlichen Fachkonferenzen wurden wir auch von Satmetrix unterstützt, einem weiteren Partner bei der Entwicklung der ursprünglichen NPS-Kennzahl. Diese Konferenzen fanden bislang zweimal jährlich statt, eine in den USA und eine in Europa. In den ersten fünf Jahren nahmen über 3.200 Manager teil. Ein dreitägiger Zertifizierungskurs wurde entwickelt, den bis zum Erscheinen dieser Auflage bereits mehr als 1.000 Führungskräfte absolviert haben. Dieser Kurs wird inzwischen auch online angeboten. 22 Einführung NPS Loyalty Forum Folgende Unternehmen haben an mindestens einem Treffen des NPS Loyalty Forums teilgenommen (Auszug): 24 Hour Fitness Advance Auto Parts Aggreko Allianz American Express Archstone Ascension Health Asurion Atlas Copco Avid Technology BBVA Bancomer Belron Cancer Treatment Centers of America (CTCA) Charles Schwab Chick-fil-A Cintas Cisco Deutsche Post DHL Deutsche Telekom eBay E.ON Ermenegildo Zegna Experian Consumer Division Facebook FranklinCovey GE Healthcare General Electric Company Gilbane Building Company Grocery Outlet Honeywell Aerospace Humana ING Group Intuit JetBlue Airways Joie de Vivre HospitalityLEGO Net Promoter – Vom Score zum System LexisNexis Lloyds Banking Group Logitech Macy’s Medtronic Nike Nokia Paul Davis Restoration Philips Pricewaterhouse Coopers Progressive Insurance Qantas Rackspace RSC Equipment Rental Safelite Schneider Electric Sodexo Stora Enso SunTrust Swiss Reinsurance Company Symantec Corporation TD Bank TD Canada Trust Teach For America Tech Data Teleperformance Thermo Fisher Scientific T-Mobile TPG Vanguard Verizon Volaris Westpac Group Zappos 23 Durch die Teilnahme an den Foren, Konferenzen und Programmen konnte ich die Entwicklung von NPS von einer reinen Messgröße zu einem System miterleben. Tatsächlich war eine der wichtigsten Erkenntnisse der Teilnehmer, dass die Kraft von NPS weit über die ursprünglichen Ideen zu loyalen Kunden und profitablen Wachstums hinaus reicht. Der Net Promoter Score war der Ausgangspunkt, aber erst das Net Promoter System hat Führungskräfte bei der Schaffung einer Unternehmenskultur unterstützt und die Mitarbeiter motiviert, kundenorientierter zu handeln. Die ultimative Frage des ersten Buches war die schon erwähnte Formulierung: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie uns einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Dies war eine Kurzfassung einer noch grundlegenderen Frage, die lautet: „Haben wir Sie so gut behandelt, dass wir Ihrer Loyalität würdig sind?“ Die Kurzfassung schien für die meisten Industrien am besten zu funktionieren – das heißt, sie ergab eine Kennzahl, die verlässlich mit dem Kundenverhalten korrelierte –, obwohl auch leicht abweichende Formulierungen aus Sicht einiger Unternehmen manchmal besser funktionierten. Die Frage war jedoch nicht der eigentliche Kern der Sache. Schließlich kann kein Unternehmen erwarten, dass es sein Wachstum oder seinen Gewinn nur durch Kundenzufriedenheitsstudien steigert, wie auch immer die Fragen formuliert sein mögen. Stattdessen hat die Frage zur Entwicklung eines Managementsystems mit drei zentralen Elementen geführt. Das erste Element ist die Kategorisierung der Kunden in Promotoren, passiv zufriedene Kunden und Kritiker anhand einer einfachen Befragung. Das zweite Element ist die Entwicklung einer leicht verständlichen Kennzahl aus dieser Kategorisierung. Aus diesen beiden Elementen setzt sich wie gesehen der Net Promoter Score zusammen. Doch dann kommt eine dritte, wesentliche Komponente hinzu: Fortschritte und Erfolge mit diesem Konzept auszudrücken, um so alle im Unternehmen zu motivieren, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um mehr Promotoren und weniger Kritiker zu erzeugen. Mit anderen Worten: systematisch und regelmäßig zu lernen, die NPS-Werte und das dazugehörige Feedback für Verbesserungen zu nutzen. So kann ein Unternehmen seine Ergebnisse verbessern und nach wahrer Größe streben. Und so wird aus dem Net Promoter Score ein Net Promoter System. Inzwischen haben viele beachtenswerte Unternehmen das Net Promoter System übernommen, und der Begriff hat an Bekanntheit gewonnen. Die grundlegenden Ideen des ersten Buches bleiben gültig, aber 24 Einführung nach fünf Jahren Erfahrung können wir sie nun genauer positionieren und charakterisieren. Da diese Auflage auch viel Material und viele Erkenntnisse der zweiten Generation enthält, haben wir uns entschieden, dem Buch den Titel Die ultimative Frage 2.0 – Wie Unternehmen mit dem Net Promoter System kundenorientierter und erfolgreicher sind zu geben (Im Original: The Ultimate Question 2.0: How Net Promoter Companies Thrive in a Customer-Driven World). Was Sie in diesem Buch finden werden Was erwartet Sie in dieser überarbeiteten und erweiterten Fassung von „Die ultimative Frage“? Teil I des Buches erläutert die grundlegende Idee. Er beginnt mit der deprimierenden Verbreitung kundenunfreundlicher Praktiken und den „schlechten Gewinnen“, die sie generieren. Er berichtet über die Ursprünge von NPS und beschreibt detailliert, was unsere Forschungen ergeben haben. Darüber hinaus erklärt und quantifiziert er die logische Verbindung zwischen NPS und dem Wachstum eines Unternehmens. Dieser Zusammenhang ist umso relevanter und unmittelbarer, als die Verbreitung webbasierter Kommunikationsmittel zunimmt. Kunden können sich in Echtzeit über die Praktiken von Unternehmen sowie über ihre Performance informieren und übernehmen im Markt so immer mehr die Kontrolle. Im ersten Teil des Buches werden auch die praktischen Aspekte der Messung der Kundeneinstellung betrachtet. Ein Kapitel erzählt die inspirierende Geschichte von Enterprise-Rent-A-Car, einem Unternehmen, das ein System entwickelt hat, das ich als Ausgangsmodell für NPS nutzte. Daneben werden die Prinzipien für eine regelmäßige, genaue und verlässliche Messung von etwas so Ungreifbarem wie den Gefühlen der Kunden beschrieben. Teil II – in dieser Ausgabe fast in Gänze neu – konzentriert sich darauf, wie Unternehmenslenker mit dem Net Promoter System beachtliche Erfolge erzielt haben. Er enthält Best-Practice-Beispiele führender Unternehmen und fasst ihre wichtigsten Lektionen zusammen. Er weist auf grundlegende Änderungen hin, die Führungskräfte dieser Unternehmen vornehmen mussten, um eine kulturelle Veränderung herbeizuführen, die den Aufbau einer Armee von Promotoren ermöglicht. Net Promoter – Vom Score zum System 25