Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Eine

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Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Eine
MERICS
PAPERS
ON CHINA
EINE NEUE ÄRA
CHINESISCHEN KAPITALS
Chinesische Direktinvestitionen
in Deutschland und Europa
Thilo Hanemann | Mikko Huotari
Juni 2015
COPYRIGHT © 2015
MERCATOR INSTITUTE FOR CHINA STUDIES
RHODIUM GROUP, LLC. ALLE RECHTE VORBEHALTEN
Rechtlicher Hinweis: Die Verfasser dieser Studie haben sich bei der Erstellung nach besten
Kräften bemüht, Fehler und Lücken zu vermeiden. Sie übernehmen jedoch keine
Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit und keine Haftung für Schäden,
die sich aus der Nutzung der hierin enthaltenen Informationen ergeben.
Chinesische Direktinvestitionen
in Deutschland und Europa
Eine neue Ära chinesischen Kapitals
Thilo Hanemann und Mikko Huotari
Eine Studie des
Mercator Institute for China Studies
und der Rhodium Group
Über diese Studie
Über diese Studie
Partner
Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein im Jahr 2013 gegründetes
Institut der gegenwartsbezogenen und praxisorientierten China-Forschung mit Sitz in
Berlin. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator. MERICS ist weltweit eines der
größten Institute für Forschung und Wissensvermittlung über das gegenwärtige China.
Die Rhodium Group (RHG) ist ein privates Forschungsinstitut, das quantitative Methoden,
Erfahrung in Politikberatung, und qualitative Ansätze verbindet, um disruptive globale
Trends zu analysieren. RHG unterstützt privatwirtschaftliche Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und den öfentlichen Sektor bei ihrer strategischen Planung, um auf
solche neuen Trends zu reagieren. RHG hat Niederlassungen in New York, Kalifornien und
Washington sowie Partner in Schanghai und Neu-Delhi.
Verfasser
Thilo Hanemann leitet bei der Rhodium Group den Bereich „Global Cross-Border Investment“.
Er unterstützt Kunden aus der Privatwirtschaft und dem öfentlichen Sektor dabei, neue
Trends in globalen Kapitalströmen zu erkennen und deren Auswirkungen zu beurteilen.
Eines seiner Fachgebiete ist die Entwicklung chinesischer Auslandsinvestitionen und deren
Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und Empfängerländer. Seit 2014 ist er auch „Senior
Policy Fellow for China’s Global Investment“ bei MERICS. In dieser Funktion unterstützt er
die Arbeit des Instituts zum Wandel der Position Chinas in der Weltwirtschaft.
Mikko Huotari ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovation, Umwelt,
Wirtschaft und leitet das Forschungsprogramm Außenpolitik und Außenwirtschaft bei
MERICS. Er arbeitet vor allem zum Verhältnis von China und Ostasien, zu den chinesischeuropäischen Beziehungen und zur Rolle Chinas im globalen Finanzsystem. Bevor er zu
MERICS kam, lehrte Mikko Huotari an der Universität Freiburg, wo er über China und die
Transformation der ostasiatischen Währungs- und Finanzordnung promovierte. Zuvor
war er für das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaft in Nanjing, für die
Deutsche Botschaft in Peking und die Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP)
tätig.
Kontakt
[email protected]
[email protected]
Unter dem folgenden Link können Sie die
Studie online lesen oder herunterladen:
cofdi.merics.org | #cofdi
2
MERICS
Danksagung
Danksagung
Die vorliegende Studie beruht auf einer Zusammenarbeit des Mercator Institute for China
Studies (MERICS) in Berlin und der Rhodium Group (RHG) in New York. Wir danken beiden
Organisationen dafür, dass sie uns die Freiheit und Mittel für dieses Projekt gewährt
haben. Besonderen Dank schulden wir Sebastian Heilmann bei MERICS und Daniel H. Rosen
bei der RHG für ihre Unterstützung und ihren Zuspruch.
Beide Verfasser sind vielen Experten in China, Europa und den USA für ihre nützlichen
Hinweise und Ratschläge zu Dank verplichtet. Diese Studie und unsere vorherige Arbeit
zu chinesischen Investitionen konnten wir mit verschiedenen einschlägigen Organisationen
diskutieren, unter anderem mit dem chinesischen Handelsministerium, der China EXIM
Bank, der EU-Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie sowie mit der Germany Trade and Invest.
Im März 2015 haben uns die Teilnehmer einer Studiengruppe in Berlin mit nützlichen
Kommentaren bei der Präzisierung unserer Analyse geholfen. Wir haben insbesondere
von dem Feedback von Wissenschaftlern in Deutschland proitiert, die sich intensiv mit
diesem Thema beschäftigen, darunter Margot Schüller, Cora Jungbluth und Angela Stanzel.
Abschließend gilt unser ganz besonderer Dank unseren Kollegen in Berlin und New York –
unter anderem Cassie Gao, Ben Eckersley, Joy Ma, Rebecca Wertz, Björn Conrad, Theresa
Höhn, Kerstin Lohse, Roman Wilhelm, Luisa Kinzius, Ferdinand Schaf und Fabienne
Frauendorfer – für ihre inhaltliche, administrative und gestalterische Unterstützung bei
der Erstellung dieser Studie.
Auch wenn all diese Menschen dazu beigetragen haben, diese Studie zu verbessern, so
liegt die alleinige Verantwortung für verbleibende Fehler bei den Autoren.
Thilo Hanemann, Mikko Huotari
Berlin, Juni 2015
MERICS
3
Grußwort
Grußwort
Chinesische Investitionen stärken den Standort Deutschland. Sie schafen Arbeitsplätze,
bringen Kapital und eröfnen über die resultierende stärkere Verlechtung mit China auch
deutschen Unternehmen neue Chancen. Auch wenn ganz unterschiedliche Geschäftskulturen aufeinander trefen: Die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen. Mit der vorliegenden Studie liegt eine wertvolle Darstellung dieser Entwicklung vor, die überdies auch
weitere Potenziale aufzeigt.
Aus chinesischer Sicht ist Deutschland wesentlicher Partner bei der Bewältigung der
anstehenden Herausforderungen. Das Land steht vor einem gewaltigen wirtschaftlichen
Umbruch, von der Führung als „Neue Normalität“ bezeichnet: Die Abhängigkeit von den unter
Überkapazitäten leidenden Schwerindustrien muss reduziert werden, die gravierenden
Umweltprobleme müssen in den Grif bekommen und die steigenden Löhne müssen mit
höherer Produktivität abgefedert werden.
Deutschland hat genau diesen Strukturwandel bewältigt – und ist dabei ein äußerst
wettbewerbsfähiges Industrieland geblieben. Heute haben wir auch an ehemals verschmutzten Industriestandorten wie dem Ruhrgebiet saubere Luft und sauberes Wasser.
Das will China auch schafen. Da wir unsere Industrie frühzeitig nachhaltig gestaltet haben,
verfügt Deutschland heute über die Technologien und Innovationskapazitäten, die für
die Modernisierung der chinesischen Produktion benötigt werden. China bietet für diese
Technologien einen riesigen Markt – dies begründet die Komplementarität, von der unsere
Wirtschaftsbeziehungen beiderseitig proitieren. Das große Potenzial unserer Wirtschaftsbeziehungen wird zum einen durch deutsche Investitionen in China und zum
anderen durch chinesische Unternehmen, die in Deutschland F&E-Zentren aubauen und
in Unternehmen mit hohem Technologieniveau investieren, realisiert.
Auf dieser guten strategischen Positionierung dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Wir
können auch in Zukunft noch einiges dafür tun, um im Wettbewerb mit anderen Standorten weitere Investitionen zu sichern. So realisieren chinesische Investoren bereits heute zahlreiche kleinere Technologieprojekte in Deutschland. Aber bei den kapitalintensiveren Investitionen in Infrastruktur liegen andere Länder vorn. Hier können wir das
vorhandene chinesische Kapital noch stärker anziehen. Auch gegenüber den innovativen
E-Commerce-Unternehmen Chinas sollten wir unsere Stärken herausstellen, um den Anteil deutscher Markenprodukte in ihren Vertriebskanälen sicher zu stellen. Zudem sollten
wir die Betreuung chinesischer Investoren ausbauen. Sie kennen oft Deutschland noch
nicht gut und benötigen Informationen und Beratung.
4
MERICS
Grußwort
Darüber hinaus müssen wir den eingeschlagenen Weg der Erleichterung bei der Visavergabe weiterverfolgen. Bereits heute vergeben wir Schengen-Visa für Geschäftsreisen
in 48 Stunden, bei der Reduktion der vorzulegenden Dokumente können wir aber noch
weiter vorankommen. China schaft seinerseits ebenfalls Erleichterungen. Und schließlich müssen gleiche Bedingungen auch für Investitionen gelten. Wir sind sehr ofen für
chinesische Unternehmen, erwarten umgekehrt aber, dass auch in China das Prinzip der
Gleichbehandlung von aus- und inländischen Unternehmen durchgesetzt wird.
Das Potenzial für chinesische Investitionen in Deutschland ist noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn es uns gelingt, hier Fortschritte zu erzielen, können wir den Standort
Deutschland deutlich stärken. Die vorliegende Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur
Bestandsaufnahme und zur Identiikation des Potenzials chinesischer Investitionen in
Deutschland. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre!
Michael Clauß
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in China
MERICS
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Inhalt
6
Über diese Studie
2
Danksagung
3
Grußwort
4
Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
7
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
11
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
15
3. Neue Chancen nutzen
28
4. Bedenken gezielt ausräumen
38
5. Die Policy-Agenda für Europa
53
Literaturverzeichnis
58
Datenanhang
60
Impressum
61
MERICS
Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
Eine neue Ära chinesischen Kapitals ist angebrochen: Im Zuge der wirtschaftlichen
Liberalisierung und eines fundamentalen Wandels des Wachstumsmodells wird China in
der nächsten Dekade von einem „Niemand“ zu einer treibenden Kraft globaler Investitionsströme. Plausible Prognosen sagen voraus, dass Chinas globale Vermögenswerte sich bis
2020 von derzeit 6,4 Billionen USD auf fast 20 Billionen USD verdreifachen. Dieser Aufholprozess wird massive Auswirkungen auf die Zielländer und die globalen Märkte haben.
Chinas neue Positionierung in der Welt als Investor erfordert von politischen Entscheidern
weltweit, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen zu China neu denken müssen.
Nur dann können die Vorteile dieser globalen Integration Chinas voll genutzt und potenzielle Risiken minimiert werden. Dies trift insbesondere auf die Länder der Europäischen
Union zu, deren Ökonomien heute nach drei Jahrzehnten der Expansion von Handelsbeziehungen und massiven Investitionen
20
europäischer Unternehmen in China
18 Billionen
bereits aufs Engste mit dem Land
verlochten sind.
15
Die erste Welle chinesischen
Kapitals ist in Europa
angekommen
10
Die neue Ära chinesischen Kapitals hat
begonnen. Und die erste Welle trift
5 Billionen
Europa bereits mit voller Wucht. Aus5
ländische Direktinvestitionen chinesischer Firmen („Outward Foreign
Direct Investment“, OFDI) übersteigen
0
2004
2008
2012
2016
2020
mittlerweile 100 Milliarden USD pro
Quelle: SAFE; He et al. (2012).
Jahr und verlagern sich zunehmend
von Investitionen in ressourcenreiche Entwicklungsländer (z.B. im Energiesektor) hin zu
Technologie, Marken, Immobilien und anderen Vermögenswerten in Industrieländern. Die
vorliegende Studie basiert auf einem neuartigen Datensatz, der individuelle Transaktionen
erfasst und dadurch die Verzerrungen und Verzögerungen oizieller Statistiken vermeidet. Diese Datengrundlage erlaubt einen aktuellen und umfassenden Blick auf Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen in Europa.
Abbildung 1:
Chinas globale
Investitionen
verdreifachen sich
bis 2020
Chinas Auslandsvermögen
basierend auf der Annahme
voller Konvertibilität der
Kapitalbilanz bis 2020
Billionen USD
Das jährliche Investitionsvolumen chinesischer Unternehmen in den Mitgliedstaaten der
EU lag noch Mitte der 2000er Jahre nahe null. Seitdem ist es rasant gestiegen und erreichte 2014 14 Milliarden Euro. Im Zeitraum 2000 bis 2014 verzeichnen wir mehr als
1.000 chinesische Neugründungen („Greenield Investment“), Fusionen und Übernahmen
(„Mergers and Acquisitions“, „M&A“) im Wert von mehr als 46 Milliarden Euro. Die für
chinesisches Kapital attraktivsten Industriezweige waren Energie, der Automobilsektor,
Lebensmittel und Immobilien. Staatsbetriebe spielten eine wichtige Rolle bei Chinas
Investitionen in Europa. Der Anstieg in den letzten Jahren geht jedoch vor allem auf Privatunternehmen und Finanzinvestoren aus den entwickelten Küstenprovinzen zurück.
MERICS
7
Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
Abbildung 2:
15.000
Chinesische OFDI
in Europa steigen
exponentiell an
12.000
Wert der Neugründungen
und Übernahmen
(mit einem Anteil >10%)
9.000
von chinesischen
Unternehmen in der
EU-28
6.000
Millionen EUR
3.000
0
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014
Quelle: Rhodium Group.
Abbildung 3:
Deutschland ist eines
der beliebtesten
Zielländer für
chinesische Investoren
Gesamtwert der OFDIProjekte von chinesischen
Unternehmen in
deutschen Bundesländern
zwischen 2000 und 2014
Farbschattierung zeigt
den Gesamtwert in den
jeweiligen Bundesländern
< 50 Mio.
50 — 100 Mio.
Hamburg
Sachsen-Anhalt
Niedersachsen
NordrheinWestfalen
Hessen
BadenWürttemberg
100 — 500 Mio.
Bayern
500 Mio. — 1 Mrd.
> 1 Mrd.
Berlin
Unter den Empfängern chinesischer
Direktinvestitionen in Europa steht
Deutschland an zweiter Stelle (nach
Großbritannien): Zwischen 2000 und
2014 wurden insgesamt 6,9 Milliarden Euro investiert. Seit 2011 sind die
jährlichen Investitionen kräftig gestiegen und liegen seitdem relativ stabil
bei ein bis zwei Milliarden Euro pro
Jahr – anders als in anderen Ländern,
wo starke Schwankungen zu verzeichnen sind. Deutschlands Kapazitäten
im Bereich der modernen industriellen
Fertigung waren die wichtigsten Ziele für chinesische Investoren in diesem
Zeitraum. Der Automobil-Bereich sowie die Industrie- und Anlagentechnik
machen mehr als 65 Prozent der chinesischen Investitionen seit 2000 in
Deutschland aus. In den vergangenen Jahren wurde der sektorale Mix
erweitert: Zunehmend stieg auch
das Interesse an IT-Technik, Finanzund Unternehmensdienstleistungen
sowie an Konsumgütern. Die meisten
Investitionsdeals in Deutschland waren keine „mega merger“, sondern
kleine und mittelgroße Übernahmen.
In Deutschland waren dabei häuiger
chinesische Staatsbetriebe beteiligt
als in anderen europäischen Ländern.
Quelle: Rhodium Group.
Chinas OFDI-Boom: Testfall für Europa im Umgang mit chinesischem Kapital
Der Boom chinesischer Direktinvestitionen wird zum Testfall für europäische Entscheider,
der verdeutlicht, ob sie der neuen Ära chinesischen Kapitals gewachsen sind. Wir zeigen
in dieser Studie, dass China – verglichen mit anderen ausländischen Investoren in der Vergangenheit – ein ganz anders gelagerter Fall ist. Einerseits ergeben sich durch die Größe,
das Wachstum und die Komplementarität der chinesischen Volkswirtschaft einmalige
Chancen für Europa. Andererseits gibt es jedoch auch bestimmte Bedenken, z.B. im Hinblick
auf die politischen und wirtschaftlichen Strukturen in China. Hierzu zählen Subventionen,
das autoritäre politische System und die Tatsache, dass China selbst sich Direktinvestitionen
aus dem Ausland in vielen Bereichen verschließt. Chinas Sonderstellung ändert zwar
nichts an dem Grundsatz, dass ausländische Direktinvestitionen sich in der Summe lohnen.
Es wird allerdings deutlich, dass neue Ansätze erforderlich sind, um den Nutzen zu maximieren und sich gegen die mit diesen neuen Zulüssen verbundenen Risiken abzusichern.
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MERICS
Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
Nur so lassen sich überstürzte Reaktionen vermeiden, die die Aussichten für intensivere
Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China trüben könnten. Diese Studie präsentiert die wichtigsten Chancen und Risiken in Bezug auf wachsende chinesische OFDI
und entwickelt Empfehlungen für politische Handlungsprioritäten auf EU- und Nationalstaatsebene.
Chinas OFDI-Auholjagd bietet riesige Chancen
In erster Linie bietet China eine einmalige Gelegenheit, neues Kapital nach Europa zu bringen,
um die Investitionstätigkeit und das Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen.
Große Chancen ergeben sich außerdem aus dem Innovationspotenzial chinesischer Unternehmen, im Infrastrukturausbau und in einer engeren Verlechtung von exportorientierten
Unternehmen, die durch OFDI stärker mit dem chinesischen Markt und seinen Verbrauchern verbunden werden. In unserer Analyse von mehr als 1.000 Projekten haben sich
Befürchtungen nicht bestätigt, dass chinesische Investitionen negativen Einluss auf die
lokale Beschäftigungslage oder die Innovationsfähigkeit haben.
Zur Realisierung dieser Chancen und Maximierung der Vorteile sehen wir die folgenden
Handlungsprioritäten: Erstens muss Europa dringend erforderliche Strukturreformen umsetzen. Es geht darum sicherzustellen, dass Europa gut positioniert ist im Wettbewerb
mit anderen Industriestaaten um chinesische OFDI. Zweitens: Da China zu einer der prominentesten Kapitalquellen wird, müssen bisherige Ansätze für die Investitionsförderung
und die Unterstützung von Investoren überdacht werden, u. a. durch den Ausbau der vor
Ort in China vorhandenen Kapazitäten. Drittens müssen politische Entscheider darauf
vorbereitet sein, den Grundsatz der Investitionsfreiheit gegen populistische Widerstände
zu verteidigen.
Chinas Politik- und Wirtschaftssystem verstärkt Bedenken bezüglich OFDI
Allerdings bestehen auch berechtigte Bedenken, die sich aus Chinas besonderem Politikund Wirtschaftssystem ergeben. Wenn diese Bedenken nicht ausgeräumt werden, können
Gefahren für die europäischen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen entstehen. Gleichzeitig droht die gesellschaftliche Akzeptanz der europäischen Investitionsfreiheit (weiter)
unterminiert zu werden. Wegen der besonderen Umstände, unter denen China zu einem
globalen Investor aufsteigt, sind Risikoszenarien vorzubereiten, um im Bedarfsfall gerüstet
zu sein.
Oberste Priorität hat unserer Ansicht nach der Abschluss eines robusten bilateralen Investitionsabkommens (BIA), das die bestehenden Asymmetrien im Marktzugang beseitigt.
Notwendig sind hierzu vor allem Marktzugangsrechte (bereits in der Eintrittsphase) für
europäische Unternehmen und eine deutlich reduzierte „Negativliste“ von Sektoren, in
denen der Zugang für FDI in China beschränkt ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass
die Bürger und Parlamente in der EU die Investitionsfreiheit, die China gewährt wird, auch
künftig befürworten. Zweitens müssen europäische Entscheider sich der Frage stellen,
wie reagiert werden sollte, falls Peking die zugesagten Strukturreformen langsamer umsetzt,
als es seiner zunehmenden Präsenz als globaler Investor angemessen erscheint. Dazu
zählen Subventionen und andere, den globalen Wettbewerb verzerrende staatliche Eingrife. Der beste Ausgangspunkt für Überlegungen über mögliche Ansätze auf europäischer Ebene sind die vorhandenen wettbewerbspolitischen Instrumente, etwa die Regelungen für staatliche Beihilfen („state aid“). Die Einzelstaaten verfügen diesbezüglich
MERICS
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Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen
über einige Instrumente, die sie künftig einsetzen könnten (u. a. Wettbewerbspolitik, Ofenlegungsplichten oder die Regulierung öfentlicher Beschafung). Drittens ist eine Debatte
über eine stärkere Angleichung der Investitionsprüfungen innerhalb Europas dringend
notwendig. Und zwar nicht nur, um diese Überprüfungen eizienter und einheitlicher
zu gestalten, sondern auch um das Vertrauen der Bürger in eine funktionierende gesamteuropäische Lösung zu stärken, die potenziellen Sicherheitsrisiken überwachen und entschärfen kann.
Realitätscheck für die globale Investitionsordnung
Chinas Aufstieg zum globalen Investor und die damit einhergehende Veränderung der
chinesischen Präferenzen bietet eine einmalige Gelegenheit zur Verbesserung der bilateralen, regionalen und globalen „Investment Governance“. Es ist von entscheidender
Bedeutung, dass einlussreiche EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland die derzeitigen Bemühungen der EU um ein überzeugendes bilaterales Investitionsabkommen mit China
unterstützen. Europäische Nationalstaaten müssen ihre Eigeninteressen stärker zurückstellen, um sicherzustellen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Gleichzeitig müssen die
europäischen Regierungen jedoch auch neue Kanäle zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen – außerhalb der Investitionsabkommen – erkunden. Sie werden eine zentrale Rolle
dabei spielen, der chinesischen Regierung gegenüber auf der Umsetzung eines neuen
Regulierungsrahmens zu bestehen, der gleiche Voraussetzungen für in- und ausländische Firmen schaft. Dazu gehört, noch deutlicher als bislang auf Verzögerungen sowie
mangelnden Fortschritt im Reformprozess hinzuweisen. Außerdem müssen alle Handlungsoptionen ausgereizt werden, die auf eine stärkere Konvergenz mit marktwirtschaftlichen Standards in China hinwirken.
Der Aufstieg Chinas zum globalen Investor eröfnet jedoch nicht nur Chancen auf EUund Nationalstaatsebene, sondern auch für die Wiederbelebung pluri- und multilateraler
Initiativen im Zusammenhang mit globalen Investitionslüssen. Im Gegensatz zum weltweiten Handel sind die existierenden institutionellen Rahmenwerke zur Regulierung
globaler Investitionslüsse und zur Beilegung von Streitigkeiten unterentwickelt. Ein Grund
dafür ist, dass die frühere Dominanz von Industriestaaten bei globalen OFDI-Strömen keine
starken Anreize für die Schafung globaler Regeln und Institutionen bot. Der Aufstieg der
Schwellenländer fordert diesen Status Quo heraus, und Chinas wachsende globale Investitionen sind ein guter Indikator für die anstehenden Veränderungen. Ein passender Ausgangspunkt wäre eine gemeinsame hochrangige Arbeitsgruppe zum Thema „Investment
Governance“, die sich aus den drei Polen der globalen Wirtschaftsordnung – die EU, USA
und China – zusammensetzt.
10
MERICS
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
Nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Wirtschaftsreformen ist China, nachdem es 2010 Japan überholt hat, inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Chinas neue Position wirkt sich jedoch unterschiedlich auf globale Märkte aus. Die Einbindung in asiatische und globale Produktions- und Handelsnetzwerke ermöglichte China den Aufstieg zu
einer bedeutenden Handelsmacht und hat das Welthandelssystem fundamental verändert.1 Was jedoch die Globalisierung der Finanzmärkte angeht, so ist Chinas Position gemessen an seiner Rolle für den Welthandel weiterhin unbedeutend. 2011 entielen nur
3,4 Prozent der weltweiten grenzüberschreitenden Vermögen und Verbindlichkeiten auf
China. Lässt man die von der Chinesischen Zentralbank verwalteten Reserven außer Betracht, waren es sogar nur 2,1 Prozent (Abbildung 1). Grund dafür ist das investitionsorientierte Entwicklungsmodell, das eine sehr strenge Kontrolle des Kapitalverkehrs erforderte, unter anderem um Volatilität und Kapitallucht zu vermeiden.
Abbildung 4:
Chinas unbedeutende
Rolle in der
Finanzglobalisierung
der letzten 40 Jahre
Bruttoauslandsvermögen
(Forderungen von
Inländern im Ausland)
und -verbindlichkeiten
(Forderungen von
Ausländern im Inland)
von 178 Ländern
250
China
BRIC (ohne China)
200
USA
Großbritannien
150
Japan
Andere asiatische Industrieländer
Andere europäische Industrieländer
100
Andere Industrieländer
Andere Schwellen- und Entwicklungsländer
50
0
1970
Billionen USD
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
Quelle: Aktualisierte und erweiterte Version eines Datensatzes von Lane und Milesi-Ferretti (2007).
Heute stehen wir an der Schwelle zu rasant wachsenden Kapitalströmen aus China. Dies
wird Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte schicken. Das alte Wachstumsmodell,
das auf einer Expansion der Handelsbeziehungen und auf sehr beschränkte inanzielle
Verlechtungen ausgerichtet war, hat ausgedient. Der schrittweise Umbau der chinesischen Volkswirtschaft wurde von der chinesischen Führung bereits eingeleitet.2 Für Chinas
langfristige wirtschaftliche Aussichten wird die größere Ofenheit für globale Kapitalströme von entscheidender Bedeutung
Heute stehen wir an der Schwelle zu
sein, denn für viele Ziele – unter anderem für die globale Konrasant wachsenden Kapitalströmen
kurrenzfähigkeit seiner Unternehmen, für die Förderung neuer
aus China. Dies wird Schockwellen durch
Auslandsmärkte wie auch für eiziente Inlandsmärkte und eine
die globalen Finanzmärkte schicken.
wachsende Innovationsfähigkeit – ist eine stärkere Kapitalverkehrsfreiheit unerlässlich.
1
2
Vgl. di Giovanni, Levchenko und Zhang (2012).
Eine umfassende Analyse des Reformprogramms des Dritten Plenums findet sich bei Rosen (2014).
MERICS
11
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
Diese Erfordernisse (und die engere Abstimmung der höheren Auslandsinvestitionen auf
die außenpolitischen Ziele) werden von der chinesischen Führung anerkannt. Grundsätzlich
besteht auf der Führungsebene Einigkeit darüber, die Liberalisierung entschlossen voranzutreiben. Dies zeigt sich zum Beispiel in politischen Dokumenten auf oberster Ebene, wie
den Entscheidungen des 3. ZK-Plenums der Kommunistischen Partei Chinas im November
2013. Die Pläne für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs nach außen stoßen bei einigen
Interessengruppen auf Widerstand. Im Gegensatz zu anderen Reformbereichen verlaufen jedoch die meisten der angekündigten Liberalisierungsmaßnahmen planmäßig und
konvergieren zunehmend.
Der genaue Zeitplan für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist noch unklar. Es besteht
jedoch Einigkeit darüber, dass die auf die volle Konvertibilität der Währung hinauslaufenden
Reformen einen massiven Schub für alle Arten von Kapitallüssen aus und nach China
auslösen werden. Mehrere wissenschaftliche Arbeiten haben versucht, den Umfang dieser
Kapitalströme zu berechnen. Sie gelangen dabei zu Zahlen, die die globale Finanzwelt
fundamental verändern würden.3 Die detaillierteste dieser Studien, ein Bericht des Hong
Kong Institute for Monetary Research, prognostiziert einen Anstieg des gesamten chinesischen Vermögens und aller Verbindlichkeiten im Ausland von acht Billionen USD im Jahr
2011 auf 28 Billionen USD im Jahr 2020, wobei zugrunde gelegt wurde, dass bis 2020 die
volle Konvertibilität des Kapitalverkehrs erreicht wird (Abbildung 5). In diesem Szenario wird
sich Chinas Gesamtvermögen im Ausland – angetrieben durch die rasche Zunahme der
Direktinvestitionen und Portfolioinvestments – bis 2020 auf fast 20 Billionen USD verdreifachen.
Beispiele:
Abbildung 5:
Chinas globale
20.000
OFDI-Präsenz wächst
rapide
16.000
Prognose zu
Auslandsvermögen und
12.000
-verbindlichkeiten
unter der Annahme
8.000
voller Konvertibilität
der Kapitalbilanz
Netto-Auslandsvermögen
Vermögenswerte
4.000
Reserven:
Investitionen von Zentralbanken in hochliquide
Wertpapieren (nur als
Vermögensposition
verzeichnet)
Chinesische
Zentralbank kauft
Staatsanleihen
anderer Ländern
Andere Investitionen:
grenzüberschreitende
Kredite, Handelskredite,
Einlagen, Barbestände und
andere Investitionsformen
China EXIM Bank
vergibt einen Kredit
an eine ausländische Firma damit
diese chin.
Exportgüter kauft
Portfolio-Investitionen:
Kauf von Schuldtiteln
und Aktien zur Sicherung
inanzieller Erträge
Ein chinesischer
Investitionsfonds
kauft ausländische
Aktien um sein
Portfolio zu
diversiizieren
Milliarden USD
0
–4.000
Verbindlichkeiten
–8.000
–12.000
Ausländische Direkt2004
2008
2012
2016E
Eine chinesische
Firma gründet
Investitionen, die zu einem ein Tochteruntersigniikanten (Anteil > 10%) nehmen im Ausland
und auf Dauer angelegten oder übernimmt
ein existierendes
Interesse an einem ausausländisches
ländischen Unternehmen
Unternehmen
führen
2020E investitionen (FDI):
Quelle: He et al. (2012); SAFE.4
3
4
12
MERICS
Vgl. unter anderem He et al. (2012), Hooley (2013), Bayoumi und Ohnesorge (2013), Ma und
McCauley (2014), Rosen (2014) und Sanyal (2014).
Für weitere Informationen zu den Arten globaler Investitionsströme siehe IWF (2010).
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass solch kühne Prognosen keineswegs unrealistisch
sind. Die chinesische Regierung hat seit 2000 graduell immer liberalere Regeln für OFDIStröme umgesetzt. Diese Veränderungen haben es chinesischen Firmen ermöglicht, ihre
Geschäftstätigkeiten weltweit auszudehnen, was zu einer starken Zunahme der Direktinvestitionen im Ausland seit Mitte der 2000er Jahre geführt hat. In knapp einem Jahrzehnt sind die jährlichen Zahlungsströme von nahe null auf mehr als 100 Milliarden USD
gestiegen, was China unter die fünf Staaten mit den weltweit höchsten Direktinvestitionen im Ausland katapultiert hat (Abbildung 6). Darüber hinaus ist eine Verlagerung der
chinesischen Direktinvestitionen im Ausland festzustellen: Während diese früher vor allem
auf Rohstofe abzielten, ist es jetzt eine vielfältige Mischung aus Technologie, Marken
und Konsumgütern. Auch konzentrieren Chinas Investitionen sich nicht mehr auf Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern ließen zunehmend auch in Industriestaaten.5
120
8%
Chinas Anteil an globalen OFDI-Strömen (Rechte Achse)
7%
Chinas OFDI-Ströme, USD Milliarden (Linke Achse)
100
6%
80
5%
60
4%
3%
40
Abbildung 6:
Chinas ausländische
Direktinvestitionen
boomen
Jährliche OFDI-Ströme,
3-Jahre gleitender
Durchschnitt (Wert und
Anteil an den globalen
OFDI-Strömen)
Milliarden USD (links);
Prozent (rechts)
2%
20
1%
0
0
1986
1990
1994
1998
2002
2006
2010
2014
Quelle: UNCTAD; VR China Handelsministerium.
Durch die Zunahme der Direktinvestitionen im Ausland und anderer Arten von Kapitalablüssen wird sich die wirtschaftspolitische Agenda gegenüber China grundlegend verändern. In den vergangenen Jahrzehnten dominierten einige wenige Hauptthemen: die
Handelsungleichgewichte, der Marktzugang für ausländische Firmen in China und der
fehlende Schutz geistigen Eigentums. Mit Chinas Neu-Positionierung in globalisierten Finanzmärkten werden bestehende
Chinas neue Position
Dogmen (zum Beispiel die bedingungslose Befürwortung ausals globaler Investor wird
ländischer Direktinvestitionen) infrage gestellt. Zur optimalen
die wirtschaftspolitische Agenda
Nutzung dieser neuen Kapitalströme und zur Absicherung gegegenüber China
gen die damit verbundenen Risiken ist allerdings ein wesentlich
grundlegend verändern.
umfassenderer Ansatz erforderlich.
Die globalen Reaktionen auf die erste Welle von Direktinvestitionen chinesischer Firmen im Ausland zeigen, dass eine solch umfassende Betrachtung
bislang nicht verbreitet genug ist. Während politische Entscheidungsträger auf unteren
Ebenen (Bürgermeister, Landesregierungen) versuchen, mehr Investitionen anzuziehen,
haben nationale Regierungen und Gesetzgeber häuig mit populistischen Abwehrmaß5
Vgl. Rosen und Hanemann (2011), Rosen und Hanemann (2012).
MERICS
13
1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals
nahmen reagiert. So zum Beispiel in Kanada, wo überstürzt neue Regeln zur Beschränkung von Investitionen durch Staatsbetriebe eingeführt wurden. In anderen Ländern wurden
Investitionsdeals auf Grund persönlicher Partikularinteressen bisweilen stark politisiert.
Eine objektive Beurteilung der Trends und potenziellen Auswirkungen chinesischer Investitionen ist unabdingbar, um Policy-Antworten zu entwickeln, die den Nutzen der
derzeitigen Welle von OFDI für Zielländer maximieren, Risiken minimieren und darüber
hinaus auch die nächste Welle chinesischen Kapitals ins Auge fassen.
Die vorliegende Studie analysiert Chinas Investitionstätigkeit in Europa, um zu einer genaueren Beschreibung der zu Grunde liegenden Muster zu gelangen, den Nutzen und die
Risiken herauszuarbeiten und schließlich eine Agenda mit wirtschaftspolitischen Prioritäten für Entscheider zu entwickeln. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Interessen
Deutschlands im größeren europäischen Kontext. Basierend auf einem neuartigen Transaktionsdatensatz der Autoren bietet der folgende zweite Teil der Studie einen Überblick
darüber, in welchem Maße Chinas ausländische Direktinvestitionen bislang nach Europa
gelossen sind. Der dritte Teil beschreibt die Chancen, die sich aus den neuen Kapitalströmen
ergeben, und erörtert, was auf höchster politischer Ebene getan werden kann, um den
Nutzen zu maximieren. Gegenstand des vierten Teils sind die potenziellen Risiken,
die sich aus der Zunahme chinesischer OFDI ergeben, sowie mögliche Lösungsansätze.
Im fünften Teil wird auf Grundlage der Empfehlungen eine Prioritätenliste für politische
Entscheidungsträger in Europa und Deutschland erarbeitet.
14
MERICS
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
2. Europa als Ziel für chinesische OFDI
Die erste Welle von Direktinvestitionen, die China im Ausland tätigte, loss überwiegend
in rohstofreiche Entwicklungsländer. In den letzten fünf Jahren sind dagegen verstärkt
Industriestaaten ins Blickfeld gerückt. Die Mitglieder der Europäischen Union sind inzwischen bedeutende Zielländer chinesischer Direktinvestitionen. Die Daten, die Analysten
und Entscheidern zur Verfügung stehen, um chinesische Investitionen in Europa zu beurteilen, sind jedoch problematisch. Dies liegt zum einen an generellen Trends bei globalen
Investitionstransaktionen, aber vor allem auch an speziischen chinesischen Charakteristika.
Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die verfügbaren Daten, die wir evaluieren
müssen, um den Umfang und die Richtung der chinesischen Direktinvestitionen in Europa
zu erfassen. Wir diskutieren zunächst kurz die verfügbaren oiziellen Datenquellen für
chinesische Investitionen in Europa und bieten dann eine detailliertere Bestandsaufnahme
der OFDI in Deutschland und Europa, die auf einem alternativen Transaktions-Datensatz
beruhen. Dieser ermöglicht eine genauere Beschreibung der Trends, der sektoralen und
geographischen Verteilung sowie der Investoren-Charakteristika.
Oizielle Daten zeigen schnelles Wachstum – sind aber lückenhaft
und zeitverzögert
In den letzten zehn Jahren ist es für Statistikbehörden deutlich schwieriger geworden,
grenzüberschreitende globale Investitionslüsse zu messen. Dies liegt an dem enormen
Zuwachs dieser Transaktionen, aber auch an dem verstärkten Einsatz von OfshoreZweckgesellschaften und komplexen Finanzierungsstrukturen.6 Darüber hinaus gibt es
im Falle Chinas einige Besonderheiten, welche die Lage noch komplizierter gestalten. Zum
einen waren Chinas Statistiken lange vor allem darauf ausgelegt, interne Kapitallüsse
sowie administrative Beschränkungen für grenzüberschreitende Ströme zu dokumentieren.
Dies führte zu statistischen Verzerrungen, da Unternehmen sich häuig „grauer Kanäle“
bedienen, um Gelder ein- und auszuführen. An den oiziellen Daten für die ins Ausland
ließenden Direktinvestitionen wird diese Problematik deutlich. Deshalb müssen in der
Datenanalyse neue Wege beschritten werden, um die aus China abließenden
Kapitalströme, die jüngsten Trends und deren Implikationen für Zielländer vollständig zu
erfassen.7
Die amtlichen Daten sowohl des chinesischen Handelsministeriums (MOFCOM) als auch
des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) bestätigen, dass die chinesischen Direktinvestitionen in Europa rapide zunehmen (Abbildung 7). Beide Datenquellen
weisen jedoch unterschiedliche Verläufe aus, und es gibt deutliche zeitliche Verzögerungen. Beiden fehlt auch eine Aufschlüsselung nach Wirtschaftszweigen sowie nach anderen
politikrelevanten Kennzahlen, weshalb sie für eine handlungsbezogene Analyse nur von
begrenztem Nutzen sind.
Die MOFCOM-Daten zu chinesischen Direktinvestitionen in europäischen Volkswirtschaften decken die Zeit von 2006 bis 2013 ab. Sie zeigen einen Sprung der Investitionsströme auf 5,4 Milliarden Euro sowie einen Rückgang im Jahr 2012 (4,8 Milliarden Euro) und 2013
6
7
Vgl. UNCTAD (2005).
Schüler-Zhou et al. (2012).
MERICS
15
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
(3,4 Milliarden Euro). Insgesamt beliefen sich die auf ausländischen Direktinvestitionen
beruhenden Kapitalbestände Ende 2013 auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die MOFCOMDaten sind für eine Echtzeitanalyse nicht geeignet, weil sie meist mit einer zeitlichen
Verzögerung von neun Monaten vorliegen. Darüber hinaus nimmt MOFCOM auch keine
gesonderte Aufschlüsselung nach Wirtschaftszweigen oder anderen relevanten Kennzahlen vor.
Die Eurostat-Daten weichen insgesamt deutlich von den MOFCOM-Zahlen ab: Für den
Zeitraum 2006 bis 2010 sind niedrige, sogar negative Ströme ausgewiesen, 2011 folgt ein
plötzlicher Anstieg der OFDI-Flüsse auf 4,3 Milliarden Euro und 7,7 Milliarden Euro (2012).
Für 2013 zeigen vorläuige Daten einen Abfall der jährlichen OFDI-Ströme auf 1 Milliarde
Euro. Kapitalbestände in 2012 (im letzten verfügbaren Jahr) sind mit 27 Milliarden Euro
ausgewiesen. Da Eurostat vor allem auf die von den Einzelstaaten gemeldeten Daten zurückgreift, ist die zeitliche Verzögerung noch größer als bei den chinesischen Daten (zurzeit
anderthalb bis zwei Jahre). Eurostat liefert detaillierter aufgeschlüsselte Daten zur Verteilung der Investitionen nach Wirtschaftszweigen und Ländern, deren Nutzen allerdings
begrenzt ist, weil zahlreiche Lücken bestehen und einige Daten aus Datenschutzgründen
nicht ofengelegt werden.8
Abbildung 7:
Oizielle Statistiken
helfen nur bedingt
Jährliche chinesische
OFDI-Ströme und
Bestände in der EU
MOFCOM USD-Daten
wurden in EUR zu
JahresdurchschnittsWechselkursen
umgerechnet
Millionen EUR
8.000
40.000
Ströme: MOFCOM (linke Achse) Ströme: Eurostat (linke Achse) 7.000
35.000
Bestand: MOFCOM (rechte Achse) 6.000
30.000
Bestand: Eurostat (rechte Achse) 5.000
25.000
4.000
20.000
3.000
15.000
2.000
10.000
1.000
5.000
0
0
-1.000
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
-5.000
Quelle: Eurostat, VR China Handelsministerium.
Transaktionsdaten als Alternative
Wegen dieser Mängel im Hinblick auf Qualität, Richtigkeit und Aktualität sind die amtlichen
Daten für eine gründliche Echtzeitanalyse der chinesischen Investitionen unzureichend.
Think Tanks, Forschungsinstitute und Privatunternehmen haben deshalb alternative Ansätze zur Erfassung der chinesischen Auslandsinvestitionen entwickelt. Den meisten
dieser Datenbestände liegt ein Bottom-up-Ansatz zugrunde, der die Daten zu einzelnen
Transaktionen oder Unternehmen erfasst.9 Diese Datenbestände sind zwar mit den
traditionellen Daten zu ausländischen Direktinvestitionen nicht vergleichbar, vermeiden
jedoch einige der bestehenden Probleme und gestatten eine Echtzeitanalyse der Muster
8
9
16
MERICS
Ähnliche Einschränkungen gelten für die offiziellen deutschen Daten zu chinesischen Investitionen
in Deutschland. Für die letzten Zahlen vgl. Bundesbank (2015).
Beispiele dafür sind der China Investment Tracker der Heritage Foundation, der China Investment
Monitor der Rhodium Group, die von der University of Sydney erstellte Datenbank über chinesische
Investitionen in Australien und der China-Canada Investment Tracker.
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
chinesischer Auslandsinvestitionen mit detaillierten Informationen zur sektoralen und
geographischen Verteilung.
In nur fünf Jahren haben sich chinesische Investitionen in der EU-28 vervierfacht
In dieser Studie arbeiten wir mit einem Datensatz der Rhodium Group zu chinesischen
OFDI-Transaktionen in Europa. Dieser deckt Übernahmen und Neugründungen von
chinesischen Firmen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab. Für den Zeitraum 2000 bis 2014 zählen wir 1.047 Transaktionen in den EU-28-Volkswirtschaften,
darin enthalten 726 „Greenield“-Projekte bzw. neu gegründete Unternehmungen sowie
321 Übernahmen, bei denen bestehende Unternehmen aufgekauft wurden (Abbildung 8.1).10
Bis 2008 waren die jährlichen Investitionsströme gering, 2009 und 2010 folgte ein leichter
Anstieg auf etwa zwei Milliarden Euro jährlich, 2011 und 2012 dann ein steiler Anstieg
auf sieben Milliarden Euro. 2013 kam es zu einem leichten Rückgang auf sechs Milliarden,
doch 2014 erreichten die jährlichen Ausgaben einen neuen Rekord von 14 Milliarden Euro.
Der Gesamtwert aller Transaktionen im Zeitraum 2000 bis 2014 betrug 46 Milliarden Euro.
15.000
100
Anzahl Fusionen und Übernahmen (linke Achse) Anzahl der Neugründungen (linke Achse)
80
12.000
Investition in Fusionen und Übernahmen
(rechte Achse)
Investition in Neugründungen
(rechte Achse)
60
9.000
40
6.000
20
0
3.000
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
0
Abbildung 8.1:
Chinesische
Neugründungen
sowie Fusionen
und Übernahmen
in der EU-28
Anzahl der
Transaktionen und
Wert der Investitionen
von 2000 bis 2014
Fusionen und Übernahmen
sind nur ab einem Anteil
von 10% oder mehr
berücksichtigt
Millionen EUR
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
Fokus liegt auf den Kernländern Europas, aber Süd- und Osteuropa holen auf
Die größten Volkswirtschaften Europas sind auch die Hauptzielländer für die in die EU
ließenden chinesischen Investitionen. Dies entspricht dem Bild, das wir insgesamt bei
ausländischen Direktinvestitionen in der EU sehen. Mehr als 50 Prozent der Gesamtinvestitionen im Zeitraum 2000 bis 2014 lossen nach Großbritannien, Deutschland und
Frankreich. In den letzten Jahren hat China seine Investitionen stärker auf Europa verteilt.
Besonders wichtig ist, dass der Anteil der PIIGSC-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien und Zypern) an den Gesamtinvestitionen Chinas in der EU von unter
zehn Prozent vor 2011 auf über 30 Prozent zwischen 2012 und 2014 gestiegen ist. Dies
liegt u.a. daran, dass chinesische Unternehmen die Chancen nutzen, die sich ihnen bei früher
in Staatsbesitz beindlichen ausländischen Unternehmen aus dem Versorgungs- und
Transportsektor bieten. Doch allmählich hat China auch begonnen, in osteuropäische
10 Nähere Informationen zur Datengrundlage sind im Datenanhang zu finden.
MERICS
17
Abbildung 8.2:
Chinesische Direktinvestitionen
in der EU -28, 2000 — 2014
Chinas OFDI verteilen
sich über ganz Europa
Neugründungen,
Fusionen und Übernahmen in der EU-28
nach einzelnen
EU-Mitgliedstaaten;
Wert kumulierter
Investitionen von
2000 bis 2014
0 — 500
Finnland
102
500 — 2.000
2.000 — 5.000
Schweden
1.522
Millionen EUR
5.000 — 10.000
Estland
23
> 10.000
Lettland
3
Litauen
30
Dänemark
134
Irland
99
Niederlande
2.997
UK
12.212
Belgien
928
Polen
453
Deutschland
6.872
Tschechische Rep.
138
Slowakei
Luxemburg
432
40
Österreich
436
Frankreich
5.907
Slowenien 8
Italien
4.202
Ungarn
1.891
Rumänien
733
Kroatien
4
Bulgarien
207
Portugal
5.138
Spanien
1.096
Griechenland
405
Zypern
31
Malta
69
28%
Energie
4%
Transport
und Bau
13%
Automobil
2%
12%
Landwirtschaft und
Lebensmittel
Gesundheit und
Biotechnologie
2%
11%
9%
Immobilien
Konsumgüter und
Dienstleistungen
6%
Maschinenbau
2%
Elektronik
IKT
1%
Metalle und
Mineralien
5%
Werkstoffe
1%
Unterhaltung und
Gastgewerbe
Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
18
MERICS
4%
Finanz- und
Geschäftsdienstleistungen
1%
Luftfahrt
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Volkswirtschaften zu investieren, vor allem in die Bereiche Produktion, Landwirtschaft
und Infrastruktur. Betrachtet man den Gesamtzeitraum, so entielen acht Prozent des
Gesamtwerts der Investitionen auf osteuropäische Volkswirtschaften. Kurz gesagt: Der
Großteil des Kapitals ließt weiterhin in die Kernländer Europas, inzwischen aber streut
China seine Investitionen stärker, sodass sie alle Teile der Europäischen Union erreichen.
Chinesische OFDI ließen vor allem in den Energiesektor und moderne Industrie
Die geograische Verteilung des chinesischen Kapitals spiegelt zum Teil auch die breitere
Mischung von Wirtschaftszweigen wider, an denen chinesische Investoren interessiert
sind. Mit fast 13 Milliarden Euro Investitionen in Energieversorgung, fossile Brennstofe
und erneuerbare Energien steht der Energiesektor an erster Stelle. Weitere wichtige Ziele
chinesischer Investitionen waren moderne verarbeitende Industriesektoren, wie z.B. im
Automobilsektor, (sechs Milliarden Euro), Maschinenbau (vier Milliarden Euro) sowie
Informations- und Kommunikationstechnologie (drei Milliarden EUR). Die Investitionen im
Dienstleistungssektor konzentrieren sich zumeist auf Transport (zwei Milliarden Euro)
sowie zuletzt auch auf Sektoren mit größerer Wertschöpfung wie Biotechnologie und
Finanzen (zusammen drei Milliarden Euro). Zwei Sektoren, die im Berichtszeitraum zumeist noch nicht im Blickfeld chinesischer Unternehmen standen, in den letzten zwei Jahren
jedoch rapide an Bedeutung gewonnen haben, sind Landwirtschaft und Nahrungsmittel
(fünf Milliarden Euro) sowie Gewerbeimmobilien (fünf Milliarden Euro).
Eine Momentaufnahme chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland
Deutschland ist das zweitgrößte Zielland für chinesische Direktinvestitionen in Europa:
Im Zeitraum 2000 bis 2014 wurden insgesamt 6,9 Milliarden Euro investiert (Abbildung 9.1
und 9.2). Seit Mitte der 2000er Jahre sind die jährlichen Zuströme gestiegen, sie betrafen
jedoch vorwiegend kleinere Neugründungen, zum Beispiel Unternehmenszentralen und
Handelsniederlassungen. Seit 2011 sind die Investitionen von Jahr zu Jahr kräftig gestiegen,
was vor allem daran lag, dass die Zahl der Übernahmen stark zugenommen hat. Seither
liegen die jährlichen Investitionen – anders als in anderen Ländern, wo Schwankungen
festzustellen sind – bemerkenswert stabil bei ein bis zwei Milliarden Euro jährlich.
30
Abbildung 9.1:
Chinesische
Neugründungen
sowie Fusionen
1.500 und Übernahmen in
Deutschland
Anzahl der Transaktionen und Wert der
1.000 Investitionen von
2000 bis 2014
2.000
Anzahl Fusionen und Übernahmen (linke Achse)
Anzahl der Neugründungen (linke Achse)
25
Investition in Fusionen und Übernahmen
(rechte Achse)
Investition in Neugründungen
(rechte Achse)
20
15
10
500
5
0
0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Fusionen und Übernahmen
sind nur ab einem Anteil
von 10% oder mehr
berücksichtigt
Millionen EUR
2014
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
MERICS
19
Abbildung 9.2:
Chinesische Direktinvestitionen
in Deutschland, 2000 — 2014
Chinesischen
Niederlassungen in
Deutschland im
Überblick
Standorte chinesischer
(Mit-) Eigentümer
von Unternehmen in
Deutschland im
Jahr 2014
Harman Holding GmbH & Co.
Neusoft Europe AG, 2010
Kreise symbolisieren
Größe und Standorte
der Transaktionen
Fusionen und
Übernahmen
Neugründungen
Tom Tailor Holding AG
Fosun International Ltd, 2014
Industrial and Commercial Bank of China
Niederlassung, 2014
COSCO Container Lines Europe GmbH
Unternehmenssitz, 2005
BOGE rubber and plastics businesses
Zhuzhou Times New Material
Technology Co Ltd, 2011
AWP Aluminium Walzprodukte
Cathay Merchant Group, 2005
Industrial and Commercial
Bank of China (ICBC)
Niederlassung, 2014
WISCO Tailored Blanks GmbH
Wuhan Iron & Steel Co Ltd, 2013
KSM Castings GmbH
Dicastal Wheel Manufacturing,
2011
Huawei Technologies
Niederlassung, 2011
Greatview Aseptic Packaging (GA Pack)
Niederlassung und
Fabrik, 2011
Medion
Lenovo, 2011
Sany
Fabrik und F&EZentrum, 2009
KION Group GmbH
Weichai Power Co., Ltd., 2012
eFusion MMOG GmbH
Shanda Games Ltd.,
2012
KOKINETICS GmbH
Aviation Industry
Corp of China, 2014
BHF Bank
Fosun International
Limited, 2014
Avancis GmbH
China National Building
Material Co Ltd, 2014
Preh GmbH
Joyson Automotive Electronic,
2011
Hilite international gmbh
AVIC mechanical & electrical,
2014
CSR Corporation Limited
F&E-Zentrum, 2014
Jingcheng Holding Europe GmbH
Unternehmenssitz, 2010
Zhafir Plastics Machinery
Unternehmenssitz, 2009
KION Group GmbH
Weichai Power Co., Ltd., 2012
M-tec Mathis Technik GmbH
Zoomlion Heavy Industry Science
and Technology Co, 2013
KRW Leipzig GmbH
Wafangdian Bearing Group Corp,
2013
Thielert Aircraft
AVIC International
Holding Corp, 2013
Weingut Diehl-Blees
Jiangsu GPRO Group Co Ltd, 2014
Beiqi Foton Motor Co. Ltd.
Unternehmenssitz, 2014
SAG solarstrom
Shunfeng Photovoltaic, 2014
Solibro GmbH
Hanergy Holding Group, Ltd.,
2012
Putzmeister
Sany, 2012
Huawei
F&E-Zentrum, 2014
ET Solutions AG
Unternehmenssitz, 2008
Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Immer breiteres Interesse chinesischer Investoren: von Fertigung zu Dienstleistungen
Einer der Gründe für diese stabilen Zulüsse ist, dass die deutsche Volkswirtschaft chinesischen Investoren eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten in verschiedenen Wirtschaftszweigen bietet. Die beiden wichtigsten Sektoren sind die Automobilindustrie sowie
Maschinenbau (mit Investitionen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bzw. 2,7 Milliarden Euro).
Darin zeigt sich Chinas großes Interesse an Investitionen im Bereich moderner industrieller
Fertigung. Zu den anderen Sektoren zählen erneuerbare Energien, Konsumgüter sowie
Finanz- und Transportdienstleistungen (Abbildung 10.1 und 10.2).
Übernahmen machen in Deutschland den größten Anteil aus
Die meisten der nach Deutschland ließenden chinesischen Direktinvestitionen erfolgen in
Form von Unternehmenskäufen (82 Prozent), da Übernahmen einen raschen Markteintritt
bzw. den Erwerb von Know-how, Marken und anderen Vermögenswerten ermöglichen. Die
größten chinesischen Übernahmen in Deutschland waren Lenovos Investition in Medion
(530 Millionen Euro, 2011), AVICs Übernahme von Hilite International (473 Millionen Euro,
2014) sowie die Investition von Weichai Power in die Kion Group (467 Millionen Euro,
2012).
Deutschland ist allerdings auch eines der Hauptzielländer für Investitionen in Neugründungen, was die Position des Landes als größte Volkswirtschaft im Herzen Europas
verdeutlicht.11 Bedeutende Neugründungen im Bereich industrielle Produktion waren
Sanys Produktionsstätte in Bedburg in der Nähe von Köln und das Werk von Greatview
Aseptic in Sachsen-Anhalt (Halle/Saale), wo Verpackungen hergestellt werden. Ein jüngerer Trend sind die steigenden Investitionsausgaben chinesischer Firmen für Forschung
und Entwicklung, Finanzen und andere moderne Dienstleistungen. So hat zum Beispiel
Huawei 2014 in ein Technikzentrum in München investiert. Große chinesische Banken
wie die Industrial and Commercial Bank of China oder die Agricultural Bank of China haben
Tochtergesellschaften in Frankfurt gegründet.
Investitionen konzentrieren sich auf die alten Bundesländer
Ein Blick auf die geograische Verteilung chinesischer Investitionen in Deutschland spiegelt
in erster Linie bestehende Industriecluster wider sowie Regionen, die besonders attraktiv
sind für Neugründungen. Zugleich zeigt dieser Blick, wo man sich besonders um chinesische
Investoren bemüht.
Im Jahre 2014 gab es in allen 16 Bundesländern chinesische Unternehmen. Die meisten
Investitionen entfallen jedoch auf die alten Bundesländer. Dies ist insofern nicht überraschend, als die alten Bundesländer fast 90 Prozent des BIP generieren und fast 90 Prozent
der Umsätze im verarbeitenden Gewerbe verzeichnen.12 Die fünf Bundesländer, in die die
meisten chinesischen Investitionen ließen, sind Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern,
Baden-Württemberg und Niedersachsen. Wichtige Investitionen gibt es jedoch auch im
Osten: Sachsen-Anhalt führt mit wichtigen Ansiedlungen wie beispielsweise Greatview
Aseptic die Liste der neuen Bundesländer an.
Eine weitere wichtige Beobachtung ist, dass Bundesländer, in die chinesische Unternehmen bereits relativ früh investiert haben, Vorreiter sind, wenn es um die Anwerbung
11 Für eine detailliertere Betrachtung von Neugründungen, vgl. GTAI (2015).
12 In der Berechnung ist Berlin nicht berücksichtigt.
MERICS
21
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Abbildung 10.1:
Chinesische
Investoren: von
moderner Fertigung
zu Dienstleistungen
Chinesische
OFDI-Transaktionen in
Deutschland nach
Wirtschaftszweigen von
2000 bis 2014
2.000
1.500
1.000
500
Millionen EUR
0
Abbildung 10.2:
Die Präferenz
chinesischer Investoren
für Übernahmen
und Neugründungen
variiert je nach
Wirtschaftszweig
Anteil am Gesamtwert
der kumulierten
Investitionen 2000
bis 2014
2005
2006
2007
2008
2010
2011
2012
2013
Transport und Bau
Finanz- und Geschäftsdienstleistungen
Metalle und Mineralien
Energie IKT
Konsumgüter und Dienstleistungen
Elektronik Werkstoffe
Maschinenbau
Luftfahrt
Gesundheit und Biotechnologie
Automobil
Konsumgüter
& Dienstleistungen
8%
Automobilindustrie
(Teile & Zubehör)
5,1%
16,9%
Andere
Plastik, Gummi
& andere Materialien
8,5%
10,7%
Erneuerbare
Energie
27,3%
Maschinenbau
Finanzdienstleistungen
& Versicherung
1,8%
9,8%
Konsumgüter
Andere
& Dienstleistungen
1,9%
Elektronik
& Elektronikteile
2,1%
13%
IT-Geräte
10,5%
Finanzdienstleistungen
& Versicherung
Neugründungen
nach Wirtschaftszweigen
Prozent
2009
5%
Erneuerbare
Energie
6%
IT-Geräte
2014
42,3%
Industrieanlagen
& Werkzeuge
31,1%
Automobilindustrie
(Teile & Zubehör)
Fusionen und Übernahmen
nach Wirtschaftszweigen
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
von chinesischen Investoren geht. So zählten Hessen und Bayern schon früh zu den
bevorzugten Zielen chinesischer OFDI und verzeichnen heute die größte Zahl von Transaktionen im Bundesländervergleich.
Wichtig für das Verständnis der geographischen Verteilung chinesischer OFDI sind bestehende Industriecluster. Baden-Württemberg beheimatet große Unternehmen aus den Bereichen Automobil- und Schwerindustrie, wie zum Beispiel HIB Trim, Putzmeister und Emag
Machine Tools. Nordrhein-Westfalen ist ein weiteres Zentrum für Maschinenbau, mit chinesischen Tochterunternehmen von Schwing, Kiekert und Tailored Blanks. Frankfurt ist
Deutschlands Finanzzentrum und hat aus diesem Grund chinesische Finanzdienstleister
angezogen, unter anderem die Bank of China, die Agricultural Bank of China, die ICBC, die
Bank of Communications sowie Fosun durch eine Minderheitsbeteiligung an der Investmentbank BHF. In Hamburg wiederum, einem wichtigen Zentrum für Schiffahrt und Transportlogistik, tummeln sich Filialen chinesischer Handelsunternehmen und großer multinationaler Staatsunternehmen wie COSCO oder ICBC.
22
MERICS
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Abbildung 11 gibt einen Überblick über die nach Deutschland gelossenen chinesischen
Investitionen im Vergleich zu anderen europäischen Volkswirtschaften, aufgeschlüsselt
nach 15 verschiedenen Wirtschaftszweigen.
Deutschland führt bei Industriemaschinen, Automobil- und Informationstechnologie
Da Industriemaschinen zu den Hauptexportgütern aus Deutschland gehören, überrascht es
nicht, dass Deutschland im europäischen Vergleich die meisten Investitionen im Maschinenbau anzieht. Die Investitionen in diesen Sektor sind vielfältig. Sie reichen von großen
Transaktionen, wie etwa dem Kauf des Betonpumpenbauers Putzmeister durch Sany oder
des Betonpumpenhersteller Schwing durch Xuzhou Construction, bis zu kleineren Transaktionen wie der Übernahme des Fräsmaschinenherstellers Waldrich Coburg. Deutschlands
Mittelständler sind besonders attraktive Übernahmeobjekte für chinesische Unternehmen,
die Technologie-Führerschaft anstreben und im Gegenzug bereit sind, beim Marktzugang
nach China zu helfen. Andere europäische Länder, in denen China ebenfalls in den
Maschinenbau investiert hat, sind Italien, Frankreich und Polen.
Auch im Automobilsektor steht Deutschland an erster Stelle, vor Schweden, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die höheren chinesischen Investitionen in den deutschen
Automobilsektor sind jedoch ein neuerer Trend: Fast alle Investitionen wurden erst in den
letzten vier Jahren getätigt. Die chinesischen Investitionen konzentrieren sich bisher auf
Autoteile im mittleren Segment der Wertschöpfungskette. Einige der größten Investitionen
in dieser Kategorie sind WISCO Tailored Blanks und KSM Castings, die Blechplatinen bzw.
Druckgussteile aus Aluminium und Magnesium herstellen. Zugang zu Technologie und
Know-How ist ein starker Anreiz für Investitionen. Beispiele hierfür sind Hilite International, inzwischen ein Tochterunternehmen von AVIC, das Autoventile entwickelt, oder
das Unternehmen BOGE, das jetzt Zhuzhou TMT gehört und schwingungshemmende
Komponenten entwickelt. Diese Trends zeigen, dass die chinesische Automobilindustrie
zunehmend reifer wird und in Bereiche vordringt, die traditionell Spezialgebiete der
Industrieländer waren.
Auch im IT-Sektor ist Deutschland das führende Zielland für chinesische Unternehmen,
mit doppelt so vielen Investitionen wie in Frankreich und Großbritannien. Die bislang
größte Übernahme erfolgte 2011: Lenovo kaufte Medion, einen Hersteller von Unterhaltungselektronik. Die Telekommunikationsirma Huawei hat eine starke Präsenz in
Deutschland, insbesondere in Düsseldorf und München, wo die Europazentrale bzw. das
Forschungs- und Entwicklungszentrum angesiedelt sind. Der Konkurrent ZTE hat eine
vergleichbare Betriebsstruktur in Deutschland: Forschung und Entwicklung sind über das
Land verteilt, während sich die Zentrale ebenfalls in Düsseldorf beindet.
Auch im Bereich Luftfahrt gehört Deutschland zu den beiden einzigen europäischen
Ländern, die chinesische OFDI angezogen haben. 2013 hat AVIC den Flugzeugmotorenhersteller Thielert gekauft. Chinesische Luftfahrtunternehmen bemühen sich darum
aufzuholen und eine wettbewerbsfähigere eigene Industrie aufzubauen. Die andere bedeutende Transaktion im europäischen Luftfahrtsektor war die Übernahme von Fischer
Advanced Composite Components in Österreich.
Deutschland ist auch eines der größten Zielländer für chinesische Investitionen im
Dienstleistungssektor und im Bereich Konsumgüter. Die meisten Investitionen zielen darauf ab, Marken für den chinesischen Markt und die Weltmärkte aufzubauen (z.B. Tom
MERICS
23
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Abbildung 11:
Deutschlands
Attraktivität für
chinesische
Investoren im
europäischen
Vergleich
Chinesische OFDI in der
EU-28 nach Land
und Wirtschaftszweig,
2000 bis 2014
Kreisgröße stellt das
Investitionsvolumen
dar; Anteil der
Neugründungen in grün,
Übernahmen in orange
Österreich
Belgien
Bulgarien
Kroatien
Zypern
Tschech. Rep.
Dänemark
Estland
Finnland
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Ungarn
Irland
Italien
Lettland
Litauen
Luxemburg
Malta
Niederlande
Polen
Portugal
Rumänien
Slowakei
Slowenien
Spanien
Schweden
Transport und Bau
Immobilien
Metalle und Mineralien
IKT
Maschinenbau
Gesundheit
und Biotechnologie
Finanz- und Geschäftsdienstleistungen
Unterhaltung
Energie
Elektronik
Konsumgüter
und Dienstleistungen
Werkstoffe
Luftfahrt
Automobil
Landwirtschaft
und Lebensmittel
Großbritannien
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
Tailor) bzw. Kunden- und andere After-Sales-Dienstleistungen (z.B. Midea) anzubieten.
Die Attraktivität deutscher Finanz- und Geschäftsdienstleistungen zeigt sich u.a. in der
zunehmenden Präsenz chinesischer Banken und anderer Finanzunternehmen in Frankfurt
(wo es jetzt eine RMB-Clearingstelle gibt). Gesundheitswesen und Biotechnologie haben
bislang nur relativ bescheidene Investitionen aus China angezogen, wobei zunehmendes
Interesse in anderen europäischen Volkswirtschaften (Portugal und Niederlande) vermuten
lässt, dass hier noch Raum für weiteres Wachstum besteht.
24
MERICS
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Nachholbedarf im Bereich Energie, Elektronik, Transport und Infrastruktur
Was den Elektroniksektor angeht, sind die chinesischen Investitionen in Deutschland
geringer als in anderen europäischen Ländern. (Deutschland liegt an fünfter Stelle hinter
Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg und Österreich). Die meisten Investitionen
konzentrieren sich auf Forschung und Entwicklung und andere Aktivitäten mit hoher
Wertschöpfung, so zum Beispiel in Lenovos Innovationszentrum in Stuttgart. Auch
Automobilelektronik ist ein Bereich, der auf chinesisches Interesse stößt. So wurde der
Automobilzulieferer Preh übernommen, der Klimaanlagen und Fahrerbediensysteme entwickelt und herstellt.
Die meisten chinesischen Investitionen in Europa ließen jedoch in den Energiesektor –
ein Bereich, in dem es nur vergleichsweise wenige Transaktionen in Deutschland gab.
Hier beschränken sich die Aktivitäten weitgehend auf erneuerbare Energien, insbesondere
auf den Bereich der Produktion von Solaranlagen, wo die staatlichen Subventionen für
chinesische Solarunternehmen lange Zeit attraktiv waren. Das größte Projekt ist die Solarmodulanlage von Astroenergy in Frankfurt (Oder), die von Conergy übernommen wurde.
Wirtschaftszweige, in denen Deutschland im Vergleich zum restlichen Europa unter dem
Durchschnitt liegt, sind Transport und Infrastruktur (die einzige signiikante Investition
ist ein Frachtlughafen in Mecklenburg-Vorpommern), Werkstofe (wo es nach der
Branchenkonsolidierung nur wenige Eintrittschancen gibt) sowie Metalle und Mineralstofe. Nach Deutschland sind bislang auch keine signiikanten Investitionen in Gewerbeimmobilien gelossen – im Unterschied zu anderen europäischen Volkswirtschaften,
insbesondere zu Großbritannien. Anzeichen deuten allerdings darauf hin, dass sich dies
künftig ändern wird. So gibt es Gerüchte über mögliche Großinvestitionen in Frankfurt
und Berlin. Auch in den Unterhaltungssektor und das Gastgewerbe, die ebenfalls stark
gewachsen sind, wurde bislang nur wenig investiert. Chinas wachsendes Interesse an
Unternehmen aus den Bereichen Landwirtschaft und Nahrungsmittel, hat Deutschland
auch noch nicht erreicht.
Große Bandbreite chinesischer Unternehmen in Deutschland
Verschiedenste chinesische Unternehmen investieren in Deutschland. Darin spiegelt sich
die Vielfalt von Unternehmensformen in Chinas heutiger Wirtschaft wider. Abbildung 12.1
schlüsselt die Transaktionswerte anhand zweier Variablen auf: nach der Eigentumsform
des Investors (Privatbesitz oder Staatsunternehmen) und nach der Art des Investors
(strategische Investoren oder Unternehmen der Realwirtschaft, die langfristig investieren,
um Vorteile zu nutzen, in Märkte einzusteigen oder konkurrenzfähiger zu werden, bzw.
Finanzinvestoren, d. h. Unternehmen und Fonds, die vornehmlich der Renditen wegen
investieren).13
Hier ist zu sehen, dass es sich meist um strategische Investoren handelt, d. h. um Wirtschaftsunternehmen aus dem Bereich der Realwirtschaft, die in eines ihrer Hauptgeschäftsfelder investieren. Daran zeigt sich, dass Deutschland für chinesische Produzenten
attraktiv ist, die sich die Wertschöpfungskette hinaubewegen und das bestehende
Fachwissen und den Markenwert im chinesischen Markt nutzen wollen. Finanzinvestoren
beschränken sich bislang auf Verbraucherprodukte und Finanzdienstleistungen. Sie spielen
13 Wir definieren Unternehmen als “privat”, nur wenn mindestens 80 Prozent der Anteile von privaten
Investoren gehalten werden. Genauere Informationen zu dem Datensatz finden sich im Datenanhang.
MERICS
25
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
2.000
Abbildung 12.1:
Eigentumsstruktur
der in Deutschland
tätigen chinesischen
1.500
Investoren
Chinesische OFDI nach
Art des Investors und
Branchen, 2000 bis 2014
1.000
noch eine vergleichsweise geringe
Rolle, gewinnen allerdings europaweit
an Bedeutung.
Finanz-Investitionen
durch Staatsunternehmen
Strategische Investitionen
durch Staatsunternehmen
Finanz-Investitionen
durch private Unternehmen
Strategische Investitionen
durch private Unternehmen
Millionen EUR;
Prozent
500
0
2002
2006
2010
2014
Landwirtschaft, Lebensmittel
Gesundheit, Biotechnologie
Immobilien
Werkstoffe
Unterhaltung, Gastgewerbe
Elektronik
Konsumgüter, Dienstleist.
IKT
Energie
Finanz- u. Geschäftsdienstl.
Metalle und Mineralien
Maschinenbau
Luftfahrt
Automobil
Transport und Bau
0%
25%
50% 75% 100%
Ein zentraler Befund ist die weiterhin
starke Rolle, die Staatsunternehmen
bei chinesischen Investitionen in
Deutschland spielen. Mehr als 60 Prozent des Gesamtwerts aller Transaktionen stammt von Firmen, die sich
zu mindestens zu 20 Prozent in staatlicher Hand befanden. Die Sektoren,
in denen das staatseigene Kapital
dominiert, sind der Automobilsektor,
Maschinenbau, Luftfahrt und Transport. Dies entspricht der historischen
Entwicklung dieser Wirtschaftszweige
in China, die traditionell der Kontrolle
staatlicher Stellen (auf allen Verwaltungsebenen) unterlagen. Von den
vier Milliarden Euro, die von Staatsunternehmen investiert wurden,
stammen mehr als zwei Drittel von
Unternehmen, die von Provinz- oder
Kommunalregierungen kontrolliert
werden. Die Privatunternehmen investierten dagegen vor allem in Sektoren wie Informationstechnologie,
Elektronik und erneuerbare Energien.
Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen
und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
Chinesische OFDI vor allem aus Ostküstenregion und industriellem Kernland
Abbildung 12.2 zeigt, wo sich die Hauptsitze chinesischer Unternehmen beinden, die
in Deutschland seit 2000 investiert haben (aufgeschlüsselt nach Provinzen und Wert der
Investitionen). Wenig überraschend handelt es sich bei den
Unternehmen, die am meisten in Deutschland investieren, um
Staatsunternehmen spielen
solche aus den wohlhabenden Provinzen an der Ostküste.
weiterhin eine starke Rolle
Peking, Shanghai und Guangdong beheimaten große Investobei chinesischen Investitionen
ren in einer Reihe von Sektoren, so z.B. Lenovo in Peking, Fosun
in Deutschland.
in Shanghai sowie Huawei und ZTE in Guangdong. Küstenprovinzen wie Zhejiang und Shanghai mit ihrem lorierenden
Privatsektor sind ebenfalls eine wichtige Quelle für OFDI in Deutschland. Peking ist besonders wichtig, da hier eine große Zahl nationaler Staatsunternehmen (SOE), wie AVIC,
China National Building Materials Company und Power Construction Corporation of China,
angesiedelt sind.
26
MERICS
2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen
Auch Unternehmen aus dem industriellen Kernland im Norden und in Zentralchina sind
wichtige Investoren in Deutschland. Der Norden und Zentralchina sind stark im Bereich
Maschinenbau und Automobilsektor. Dies macht gerade Deutschland für Unternehmen aus
dieser Region zu einem interessanten Investitionsziel. Zu den wichtigen Investoren zählen
Wuhan Iron & Steel und CITIC Dicastal (Tochterunternehmen des großen staatseigenen
Konzerns CITIC Group) in Hebei sowie Weichai Power und Qingdao Machinery Industry
Corp in Shandong und Sany Construction in Hunan.
Heilongjiang
Beijing
Hebei
Abbildung 12.2:
Woher kommen die
in Deutschland
aktiven chinesischen
Investoren?
Chinesische
Direktinvestitionen
nach Heimatprovinz
des Investors,
2000 bis 2014
Xinjiang
Liaoning
Shanxi
Shandong
Shaan- Henan
xi
Anhui
Hubei
Chongqing
Hunan
< 50 Mio.
50 — 100 Mio.
Millionen EUR
Tianjin
Jiangsu
Shanghai
Zhejiang
Jiangxi
Fujian
Yunnan
100 — 500 Mio.
Guangdong
500 Mio. — 1 Mrd.
> 1 Mrd.
Hainan
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
MERICS
27
3. Neue Chancen nutzen
3. Neue Chancen nutzen
Im vorherigen Teil wurde verdeutlicht, dass die chinesischen Investitionen in Deutschland
und anderen Teilen Europas stark zunehmen, und zwar noch stärker, als veraltete amtliche
Zahlen vermuten lassen. Unklar ist jedoch, welche Auswirkungen diese neuen Zulüsse
auf die Volkswirtschaften Europas haben werden – und wie Brüssel, Berlin und andere
europäische Hauptstädte darauf reagieren sollten. Die EU-Mitgliedsstaaten stehen ausländischen Direktinvestitionen grundsätzlich sehr positiv gegenüber und halten sich an
den Grundsatz der Investitionsfreiheit für ausländisches Kapital. Mehr als 30 Prozent der
globalen Kapitalbestände aus Direktinvestitionen entfallen auf die EU.14 Chinas Aufstieg
eröfnet eine einmalige Gelegenheit, diese Kapitalbestände weiter zu steigern und von
ihnen zu proitieren. Allerdings weist China zahlreiche Besonderheiten auf, die eine Debatte über die mit diesen Zulüssen verbundenen besonderen Risiken rechtfertigen.
Auch vor dem Hintergrund steigender Investitionen aus Schwellenländern muss die
derzeitige Aufassung, dass der Nutzen die Risiken weit übertrift, möglicherweise überprüft werden.
In diesem Abschnitt untersuchen wir – unter Berücksichtigung
von Chinas besonderen Charakteristika – die Chancen und den
potenziellen Nutzen, den steigende chinesische Direktinvestitionen Europa bringen. Zunächst werden wir die besondere
Konstellation von politischen, makroökonomischen und MarktFaktoren umreißen, die chinesische Auslandsinvestitionen in
den kommenden Jahren antreiben werden und China zu einem
der wichtigsten Auslandsinvestoren der Welt machen dürften.
Außerdem werden wir diskutieren, inwiefern chinesische Investitionen durch weitere positive Auswirkungen, die ausländische Direktinvestitionen mit
sich bringen können (wie zum Beispiel Verlechtungen für Exporteure mit dem chinesischen Markt oder der Spillover von Innovationen), für die europäischen Volkswirtschaften von Bedeutung sind. Abschließend geben wir Empfehlungen, wie Europa diese Vorteile in den kommenden Jahren optimal nutzen könnte.
China hat das Potenzial, sich
im Laufe des nächsten Jahrzehnts
zur wichtigsten Kraft für das
Wachstum ausländischer
Direktinvestitionen weltweit
zu entwickeln.
Eine riesige neue Quelle globaler Investitionstätigkeit
Der hauptsächliche – und ofensichtlichste – Nutzen von OFDI für ein Zielland liegt in den
Investitionen selbst. China nimmt hierbei nicht nur eine exponierte Stellung ein, weil es
bereits ein bedeutender globaler Investor ist, sondern auch, weil es das Potenzial besitzt,
sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts zur wichtigsten Kraft für das Wachstum ausländischer Direktinvestitionen weltweit zu entwickeln. Obwohl China schon im vergangenen
Jahrzehnt enorme Wachstumsraten erzielt hat, beträgt das Verhältnis der chinesischen
Investitionsbestände im Ausland zum BIP nur sieben Prozent. Dieser Wert liegt unter dem
Durchschnitt für Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen (zehn Prozent) und weit
unter den Werten, die die am weitesten entwickelten Volkswirtschaften wie etwa die
USA (38 Prozent), Japan (20 Prozent) und Deutschland (47 Prozent) verzeichnen.15 Mit
anderen Worten: Der Boom chinesischer Direktinvestitionen im Ausland hat gerade erst
14 Datenpunkt auf Basis der Daten der UNCTAD zu ausländischen Kapitalbeständen 2013.
Einschließlich innereuropäischer ausländischer Direktinvestitionen.
15 Alle Angaben sind aus dem Jahr 2013 und basieren auf den amtlichen nationalen Statistiken und
den von der UNCTAD zur Verfügung gestellten Daten.
28
MERICS
3. Neue Chancen nutzen
begonnen und dürfte sich dank liberalerer Investitionspolitik und der sich wandelnden
wirtschaftlichen Gegebenheiten im chinesischen Markt, die Firmen zu einer internationaleren Ausrichtung zwingen, fortsetzen.
Liberalisierung und Deregulierung sind Voraussetzungen für den OFDI-Boom
Die Erleichterung von Auslandsinvestitionen war eine der Voraussetzungen des Investitionsbooms im vergangenen Jahrzehnt. Die chinesische Führung sieht Auslandsinvestitionen
als wichtigen Teil ihrer Bemühungen beim Aubau einer markt- und innovationsorientierteren, eizienteren und moderneren Volkswirtschaft. 2014 hat China eine Reihe von
Richtlinien umgesetzt, die die Internationalisierung von Unternehmen fördern sollen und
im Einklang mit dem 12. Fünjahresplan (2011–2015) sowie dem Reformprogramm des
3. ZK-Plenums vom November 2013 stehen. Dazu zählen die Deregulierung der administrativen Kontrollen für Unternehmen, die im Ausland investieren möchten, sowie Anreize,
die sich an Firmen und Einzelpersonen richten. Der wichtigste Schritt war die Umstellung
von einem komplexen Verfahren, bei dem Genehmigungen diverser Verwaltungsbehörden
eingeholt werden mussten, zu einem weniger restriktiven System, bei dem sich die meisten
Firmen nur bei den zuständigen Behörden registrieren lassen müssen.16
OFDI-Wachstum von Veränderungen des chinesischen Markts getrieben
Die sich ändernden Gegebenheiten des chinesischen Markts sind der bedeutendste Faktor
für künftige Investitionsströme ins Ausland. Angesichts der jüngsten wirtschaftlichen
Entwicklungen und der sich abkühlenden Konjunktur steigt der Diversiizierungs- und
Wettbewerbsdruck auf chinesische Unternehmen – und damit die Risikobereitschaft und
das Interesse an internationaler Expansion. Wichtig ist dabei, dass auch der Kreis der Auslandsinvestoren vielfältiger wird. Immer mehr Privatunternehmen nutzen ihre neu gewonnene Freiheit für Auslandsinvestitionen. Inzwischen sind sie der Motor der Auslandsinvestitionen in Europa und in anderen Teilen der Welt. Auch die Reformbemühungen
im Staatssektor, könnten zu einem noch stärkeren Schub bei den Auslandsinvestitionen
Abbildung 13:
Bis 2020 wächst der
Bestand von Chinas
OFDI weltweit auf 1 –2
Billionen USD an
Prognosen für Chinas
ausländische Direktinvestitionen bis 2020
3.000
2.500
2.000
1.500
1.000
500
0
2005
2010
2015
2020
Quelle: Rhodium Group.
Diese Graik kombiniert drei
Szenarien für die BIPEntwicklung ($11,2, $13,6
und $17,7) sowie des
Verhältnisses von OFDI
Beständen zum BIP (6%,
10%, 15%) um die mögliche
Unter- bzw. Obergrenze für
Chinas OFDI Bestand im
Jahre 2020 abzuschätzen.
Milliarden USD
16 Vgl. dazu das Dokument „2014 State Council Notice on Government Approval of Investment
Projects“, Staatsrat, November 2014, zu finden unter: http://www.gov.cn/zhengce/
content/2014-11/18/content_9219.htm
MERICS
29
3. Neue Chancen nutzen
beitragen, denn Staatsunternehmen sollen international konkurrenzfähiger werden.
Schließlich ist festzuhalten, dass sich neue institutionelle Anleger (u. a. Staatsfonds und
Sozialversicherungsfonds, Versicherungsgesellschaften, Vermögensverwaltungsgesellschaften, Private-Equity-Fonds und Finanzkonzerne) immer stärker im Ausland engagieren,
um die von ihnen verwalteten großen Geldvermögen, die derzeit fast ausschließlich in
inländischen Anlagen gebunden sind, stärker zu streuen.
Chinas Investitionsaktivitäten im Ausland lassen sich nur schwer prognostizieren: Zu
groß sind die Ungewissheiten bezüglich des Tempos der Wirtschaftsreformen, makroökonomischer Faktoren wie der Geldpolitik, der Entwicklung der Wechselkurse und anderer
relevanter Variablen. Auf Grundlage historischer Erfahrungen in anderen Ländern lassen
sich jedoch anhand der Entwicklung des Verhältnisses von Investitionsbeständen im
Ausland zum BIP einige Szenarien skizzieren. Diese Berechnungen legen nahe, dass –
sofern keine großen Krisen eintreten und China sich hinsichtlich der Direktinvestitionen
im Ausland ähnlich wie andere Schwellenländer zuvor entwickelt – der Wert der auf Direktinvestitionen im Ausland beruhenden chinesischen Kapitalbestände weltweit bis 2020
von heute 744 Milliarden USD auf ein bis zwei Billionen USD steigen dürfte (Abbildung 13).
Europa braucht dringend Investitionen
Der Aufstieg Chinas zu einer bedeutsamen globalen Kapitalquelle ist insbesondere für
Europa relevant. Denn er geschieht zu einer Zeit, in der die ausländischen Direktinvestitionen und auch die Investitionsausgaben insgesamt in Europa gering sind. Seit dem
Ende der Finanz- und Fiskalkrise ist die Investitionstätigkeit in Europa, insbesondere
in den kleineren Volkswirtschaften, rapide zurückgegangen. Die Wachstumsaussichten
leiden darunter. (Abbildung 14).
Abbildung 14:
Europa in der
Investitionsfalle
Bruttoinvestitionen als
Anteil am BIP
Bruttoinvestitionen bezeichnen den Wertzuwachs an
Sachgütern wie Ausrüstungen,
Bauwerken oder Lagerbeständen in einer Volkswirtschaft (Anlage- und
Vorratsinvestitionen).
FDI ist nicht identisch mit und
trägt auch nicht unbedingt
zu Bruttoinvestitionen bei.
Es besteht jedoch ein enger
Zusammenhang (siehe
Fichtner et al. 2014)
Prozent
30%
Deutschland
PIIG* (Durchschnitt)
Japan
USA
25%
UK (Durchschnitt)
20%
* PIIG: Portugal, Irland, Italien, Griechenland
15%
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
Quelle: Weltbank.
Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dringend ihre Investitionstätigkeit erhöhen, um ein
„verlorenes Jahrzehnt“ zu vermeiden. Der „Juncker-Plan“, Europas wichtigste Investitionsofensive für einen Ausweg aus der „Investitionsfalle“ und zur Wiederbelebung der Konjunktur, steckt noch in den Kinderschuhen und wird sicherlich nicht ausreichen.17 Darüber
17 Veugelers (2014).
30
MERICS
3. Neue Chancen nutzen
hinaus läuft die EU mit der Fokussierung auf Infrastruktur Gefahr, die falschen Prioritäten
zu setzen und andere wichtige Wirtschaftsfelder zu übersehen, denen es an Liquidität
fehlt.18 Europaweit werden nach wie vor und immer dringender ausländische Geldgeber
für produktive Direktinvestitionen benötigt, die Arbeitsplätze schafen und erhalten. Im
Vergleich zu anderen volatilen und prozyklischen Kapitalströmen sorgen ausländische
Direktinvestitionen unabhängig von ihrem Ursprungsland für wirtschaftliche Stabilität
und Entwicklung. Schon allein durch ihre große Zahl und die Vielfalt ihrer Interessen können
chinesische Investoren – sowohl private als auch öfentliche Unternehmen – in verschiedenen europäischen Wirtschaftszweigen gleichzeitig wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung geben.
Marktverlechtung durch OFDI: Stärkung der Exportmöglichkeiten
Abgesehen von den unmittelbaren Investitionsausgaben können ausländische Direktinvestitionen für die Zielländer auch indirekt von Vorteil sein: Dies gilt ganz besonders für
China. Die beiden wichtigsten indirekten Vorteile sind stärkere Verlechtungen von exportorientierten Unternehmen in Europa mit dem chinesischen Markt und das Innovationspotenzial chinesischer Unternehmen.
Ein wichtiger, jedoch weniger ofensichtlicher Nutzen ausländischer Direktinvestitionen
für die jeweiligen Volkswirtschaften besteht darin, dass sie Verbindungen zu Auslandsmärkten schafen, die zu Exporterleichterungen beitragen und das Zielland stärker in die
Weltwirtschaft einbinden.19 Durch solche Verbindungen proitieren Unternehmen in den
Zielländern von der Produktspeziikation, von der Integration in neue Produktionsketten
und vom Zugang zu neuen operationellen Netzen.
Kleinere Firmen sind in der Regel nicht in der Lage, den chinesischen Markt in vollem Umfang zu nutzen bzw. zu verstehen. Ein chinesischer Partner kann ihnen dabei helfen.
Wenn dieser auch an der Firma vor Ort beteiligt ist, kann das erfolgversprechender sein
als ein Joint-Venture in China. Viele der Wirtschaftszweige, in denen chinesische Investoren aktiv sind, werden auch künftig aus ihren Exportchancen am chinesischen Markt Kapital schlagen. Chinesische Unternehmen bringen Wissen über China und eröfnen Kanäle
in ein Land, das zu den Hauptexportmärkten Europas zählt.
Beispiele für solche produktiven Verbindungen sind die Übernahme von Weetabix durch
Bright Food oder Joysons Beteiligung an Preh. Beide positionieren sich nun mit speziell
auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Produkten. Auch Putzmeisters strategischer Zusammenschluss mit Sany sah ausdrücklich vor, zu expandieren und Synergien
zwischen dem deutschen und dem chinesischen Markt zu schafen. Unternehmen wie
Dürkopp Adler (Deutschland) und der schwedische Automobilbauer Volvo erleben unter
chinesischen Eignern (ShangGong Group bzw. Geely) eine neue Blüte. Im Jahr 2015 ist
China für Volvo der größte Markt, wobei das Unternehmen seine Geschäfts- und Industriepräsenz weiter ausbaut, gleichzeitig jedoch die schwedische Identität der Marke betont. Durch AVICs 40-Prozent-Beteiligung an KHD Humboldt Wedag war es dem in Köln
angesiedelten Unternehmen möglich, den Verkauf seiner Zementmaschinen und Dienstleistungen auf die BRICS-Länder auszuweiten. Auch das Xinjiang Goldwind gehörende
Unternehmen Vensys konnte den Absatz hochwertiger Windturbinen in China steigern.
18 Fichtner et al. (2014).
19 Vgl. dazu WTO (1996).
MERICS
31
3. Neue Chancen nutzen
Spezialisierung und Innovation: Chinas High-Tech Ambitionen als Chance sehen
Ein zweiter wichtiger Nutzen, den ausländische Direktinvestitionen für das Zielland haben
können, ist die Stärkung des Know-hows und der Innovationsfähigkeit vor Ort.20 Zusätzlich
zu dem nicht direkt greibaren Nutzen der Verstärkung des Gesamtwettbewerbs am
Markt (ein wichtiger Innovationsmotor) sind es in erster Linie drei Wege, auf denen ausländische Direktinvestitionen positive Auswirkungen auf das Know-how und die Innovationsfähigkeit der Zielländer haben können: Erstens schulen ausländische Unternehmen
häuig ihre Mitarbeiter, wodurch sie für ein besseres Angebot an qualiizierten Arbeitskräften vor Ort sorgen. Zweitens lassen sich ausländische Firmen häuig in bestehenden
Forschungsclustern nieder und tragen auf diese Weise zu den dortigen Ausgaben für
Forschung und Entwicklung bei. Drittens bringen ausländische Firmen häuig Technologie
und Wissen mit, was zu Spillover-Efekten führt, die der Innovation und Produktion vor
Ort zugutekommen.
In der Vergangenheit wurden chinesische Unternehmen zumeist als Lowtech-Firmen mit
geringem Innovationspotenzial belächelt. Mittlerweile sieht die Realität anders aus: Chinesische Firmen zählen in etlichen Wirtschaftszweigen zu den führenden Innovatoren.
Die Umstellung auf das neue Wachstumsmodell, das Innovation und den Schutz geistigen Eigentums betont, wird diesen Prozess weiter beschleunigen. Chinesische Firmen
tragen heute schon erheblich zu den in Europa getätigten Ausgaben für Forschung und
Entwicklung bei. Der Telekommunikationsausrüster Huawei hat mehr als 30 Standorte
für Forschung und Entwicklung sowie Innovationszentren in ganz Europa aufgebaut, u. a.
in Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Schweden und Großbritannien
(mit der Konzernzentrale für Forschung und Entwicklung in München). Neben großen
chinesischen Unternehmen wie Sany und CSR, die erheblich in Forschung und Entwicklung
investieren, gibt es aber auch Tausende chinesische Unternehmen, die Innovationspotenzial bieten, zum Beispiel mittels neuer Produktionsverfahren, Infrastrukturlösungen,
Technologien und maßgeschneiderten Konsumgütern. Die Bereiche, in denen SpilloverEfekte chinesischer Innovationen am nächsten liegen, sind unter anderem (Verbraucher-)
Elektronik und die Internetbranche, zunehmend jedoch auch der Maschinenbau sowie der
Transport- und Infrastruktursektor (Eisenbahn, Energie, Telekommunikationsnetze usw.).
Tabelle 1:
Chinesische
Unternehmen
exportieren F&E
Auswahl
von chinesischen
Neugründungen
in Europa im Bereich
von Forschung und
Entwicklung
Projekt
Chinesischer
Investor
Ort
Branche
F&E-Zentrum
CSR Corporation
Dresden,
Deutschland
Diverse Transportmittel
F&E-Zentrum
Sany
Bedburg,
Deutschland
Industriemaschinen und
-anlagen und Werkzeuge
F&E-Zentrum
Xuzhou Construction
Machinery Group
Krefeld,
Deutschland
Industriemaschinen und
-anlagen und Werkzeuge
F&E-Zentrum
Huawei Technologies
Düsseldorf,
Deutschland
IT-Anlagen
F&E-Hauptsitz
Huawei Technologies
München,
Deutschland
IT-Anlagen
Designzentrum Shanghai Automotive
Industry Corporation
Birmingham,
Großbritannien
Automobilzulieferer
Designzentrum Chang’an Automobile
Group
Turin,
Italien
Automobilzulieferer
Prüfzentrum
Prag,
Tschechien
Pharmazeutika und
Biotechnologie
Beijing Genomics
Institute
Quelle: Rhodium Group.
20 Vgl. Caves (1974).
32
MERICS
3. Neue Chancen nutzen
Ausländische Unternehmen führen auch andere Modelle und organisatorische Innovationen
ein: So wie japanische Unternehmen mit Just-in-Time-Produktion und Lean Management
Maßstäbe setzten, sind nun chinesische Unternehmen dabei, mit „High Tempo Cost
Out“-Produktion oder innovativen Ansätzen im Bereich des E-Commerce neue Maßstäbe
zu setzen.21 Von besonderem Interesse könnten die Erfahrungen chinesischer Unternehmen
bei der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte im In- und Ausland sein. Auch wenn es
berechtigte Bedenken zu Infrastrukturprojeken mit chinesischer Beteiligung gibt (siehe
unten), könnten neue chinesische Initiativen („Seidenstraßen-Initiative“) oder auch Beiträge zum europäischen Investitionsprogramm („Juncker-Plan“) durchaus nachhaltig zur
Entwicklung der europäischen Volkswirtschaften beitragen.
Handlungsempfehlungen um Nutzen chinesischer OFDI zu maximieren
Chinesisches Kapital wird nicht zwangsläuig weiter nach Europa ließen. Es herrscht ein
intensiver globaler Wettbewerb, und politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt
bemühen sich um chinesisches Kapital. Darüber hinaus ist auch nicht gewiss, dass Chinas
Direktinvestitionen in den Zielländern die oben diskutierten positiven Efekte mit sich
bringen. Zur Nutzenmaximierung müsste Europa vor allem auf solche Direktinvestitionen
setzen, die langfristig Produktivität und Wachstum steigern. Notverkäufe hingegen haben
zwar den Wechsel der Unternehmenseigner zur Folge, führen jedoch nicht zwingend zu
Veränderungen hinsichtlich des lokalen Investitionsniveaus, der Arbeitsplätze oder Innovationen vor Ort. Zur Maximierung der Quantität, aber auch der Qualität der aus China
zuließenden Direktinvestitionen sehen wir für politische Entscheider in Europa drei Prioritäten.
Strukturreformen machen Europa attraktiv für ausländische Investitionen
Die erste und schwierigste Aufgabe ist die Umsetzung der erforderlichen Strukturreformen,
damit Europa langfristig ein attraktives Ziel für chinesische Investitionen bleibt. Ein
Hauptkriterium für die Standortentscheidungen ausländischer Investoren ist das mittelund langfristige Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft.22 Dieser Grundsatz gilt auch
für chinesische Investoren – neben einer Vielzahl anderer Faktoren, die von der Art des
Investors und der Branche abhängen.23 Europas Attraktivität leidet unter der nach wie
vor ungelösten Eurokrise, der langsamen Konjunkturerholung, demograischen Faktoren
und anderen strukturellen Deiziten. Wenn Europa auch in Zukunft für chinesische Unternehmen attraktiv bleiben will, gilt es, Reformen umzusetzen und die Konjunktur anzukurbeln.
Die Krise hat chinesischen Investoren einige kurzfristige Chancen eröfnet, zum Beispiel
im Zuge der Privatisierung portugiesischer und griechischer Staatsunternehmen. Europa ist
jedoch sehr daran gelegen, dass chinesische Investitionen nicht nur in solche „Notverkäufe“
von Unternehmen ließen, die vor allem als Wertspeicher für langfristige institutionelle
Anleger dienen. Die Regierungen müssen vielmehr das richtige institutionelle und geschäftliche Umfeld dafür schafen, chinesisches Geld in „produktive“ ausländische
Direktinvestitionen zu leiten. Denn diese Investitionen schafen Arbeitsplätze, nutzen
Produktionsfaktoren vor Ort und tragen zu langfristigem Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit bei.
21 Steinfeld und Beltoft (2014).
22 Dunning (1993).
23 Dreger et al. (2015).
MERICS
33
3. Neue Chancen nutzen
Abbildung 15:
Ausländische
Direktinvestitionen in
Europa im freien Fall
Anteil an den
weltweiten
FDI-Zuströmen
60%
Prozent
30%
USA
EU
EU (geschätzte extra-EU-Ströme)
50%
Deutschland
40%
20%
10%
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: UNCTAD, Eurostat.
Deutschland zählt zu den Ländern, die sich wirtschaftlich in guter Verfassung beinden und
für internationale Investoren (auch aus China) sehr attraktiv zu sein scheinen.24 Neuste
Forschungsergebnisse zeigen, dass neben Deutschland vor allem auch Großbritannien,
die Niederlande und Frankreich besonders attraktive Investitionsziele sind.25 Betrachtet
man jedoch Europa insgesamt, zeigt sich ein großes Ungleichgewicht: 18 europäische
Volkswirtschaften rangieren nicht einmal unter den 25 konkurrenzfähigsten Ländern der
Welt. Deutschland hat ein Interesse daran, dass es Europa insgesamt gelingt, konkurrenzfähiger zu werden und mehr Investitionen anzuziehen. Berlin muss eine Führungsrolle
dabei übernehmen, um die erforderlichen Veränderungen im europäischen Kontext zu
bewirken und die nötigen Reformen voranzutreiben.
Europa muss eine Politisierung chinesischer Investitionen vermeiden
Als zweite Voraussetzung dafür, dass Europa für chinesisches Kapital attraktiv ist und
bleibt, gilt es die traditionelle Investitionsfreiheit auch für ausländische Unternehmen in
Europa zu verteidigen. Und zwar auch, wenn chinesische Transaktionen für Spannungen
sorgen. Europa hat eine lange Tradition der Investitionsfreiheit: Jeder Mitgliedsstaat hat
sich der grundsätzlichen Verkehrsfreiheit für Kapital aus Drittländern verschrieben. Von
diesem Grundsatz gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. Insbesondere Deutschland verfügt über eine sehr ofene Regelung: Nur in wenigen Fällen und Wirtschaftszweigen
unterliegen ausländische Investitionen Einschränkungen.
Chinas Aufstieg hat die traditionelle Ofenheit in vielen Ländern erschüttert. Formal
haben zum Beispiel Länder wie Australien und Kanada ihre Gesetze und Vorschriften
verschärft. Die USA und andere Länder haben Gesetze erlassen, um ausländische Direktinvestitionen, insbesondere die aus China, strenger zu prüfen.26 Außerdem hat es heftige
24 In einem neuen Bericht des Institute of World Economy and Politics der chinesischen Akademie für
Sozialwissenschaften (CASS-IWEP 2014) gilt Deutschland unter dem Gesichtspunkt der
Risikoanalyse als das attraktivste Zielland.
25 In semi-offiziellen (WEO 2015) und kommerziellen Berichten (EY 2015, AT Kearney 2015) stehen
Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Frankreich in puncto Wettbewerbsfähigkeit und
Attraktivität als Investitionsstandort weit oben.
26 DeLauro (2014).
34
MERICS
3. Neue Chancen nutzen
Gegenreaktion gegenüber chinesischen Investoren gegeben. Einige geplante Geschäfte,
wie etwa die Übernahme des US-Ölkonzerns Unocal durch CNOOC im Jahr 2005, entwickelten sich zum Politikum. Die eben genannten Gesetze, insbesondere aber die kontroverse politische Debatte um geplante ausländische Investitionen, haben dem Ruf der
jeweiligen Länder als Investitionsstandorte geschadet. Teilweise hatte dies einen deutlichen Rückgang der Direktinvestitionen aus China zur Folge (am deutlichsten seit 2013
in Kanada).27
Bislang steht Europa gut da, und es gab keine stark politisierten Investitionsprojekte.
Dennoch besteht durchaus die Gefahr, dass das Prinzip der Ofenheit aufgeweicht wird.
Die formelle Kapitalverkehrsfreiheit ist zwar im EU-Recht verankert, jedoch ist der Spielraum
für die Mitgliedsstaaten in der Auslegung recht groß. Es bleibt den einzelnen Volkswirtschaften selbst überlassen, Schranken im Falle einer „Gefährdung der öfentlichen Ordnung
oder Sicherheit“ zu deinieren. Ein aktuelles Beispiel ist Frankreichs „wirtschaftspatriotische“
Reaktion auf das Übernahmeangebot des US-Unternehmens General Electric für Alstom:
Ein 2005 in Bezug auf den Verteidigungssektor und andere Wirtschaftszweige erlassenes
Gesetz, wurde dazu genutzt, ausländische Übernahmen auch in verschiedenen anderen
Branchen zu blockieren. Es räumt dem Staat zusätzliche Befugnisse ein und beinhaltet
eine Genehmigungsplicht durch den Wirtschaftsminister. Die Tendenz zu einer großzügigeren Auslegung des Begrifs der „nationalen Sicherheit“ könnte sich künftig angesichts
vermehrter Kapitallüsse aus China fortsetzen.
Neben der Gefahr, Sicherheitsbedenken mit höheren formellen Hürden zu begegnen, gibt
es auch ein erhebliches Risiko der informellen Diskriminierung und Politisierung. Dass der
frühere EU-Industriekommissar Tajani ein chinesisches Übernahmeangebot für den niederländischen Kabelhersteller Draka verhindern wollte, um die technische Führungsstellung
Europas zu schützen, zeigt, dass ein solches Denken auch in der EU-Bürokratie verbreitet
ist. Noch wichtiger ist jedoch, dass populistische Impulse gegen chinesische Übernahmen
in Europa nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Viele Europäer sehen China und seinen
wirtschaftlichen Aufstieg eher negativ und haben allgemein starke Vorbehalte gegen
Übernahmen durch ausländische Unternehmen (Abbildungen 16.1 und 16.2). In Verbindung
mit der zunehmend politisch aufgeladenen Debatte über internationale Investitionsabkommen besteht die echte Gefahr einer populistischen Gegenbewegung gegen chinesische Investitionen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Investitionen zunehmen und
es zu Übernahmen oder feindlichen Übernahmeangeboten kommt, die bei inländischen
Interessengruppen auf Ablehnung stoßen.28
Vor diesem Hintergrund sollte die Ofenheit für chinesische Investitionen auf europäischer Ebene intern und extern durch ein formales bilaterales Investitionsabkommen
zwischen der EU und China fest verankert werden. Im laufenden Verhandlungsprozess ist
das „Versprechen der Ofenheit“ nach wie vor das wichtigste Verhandlungsinstrument
gegenüber China. Auch eine verstärkte Diskussion innerhalb der EU darüber, was öfentliche
27 Ng, Loretta and Wing-Gar Cheng, “Cnooc Drops $18.5 Bln Unocal Bid Amid U.S. Opposition,”
Bloomberg, August 2, 2005, http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=newsarchive&sid=ajw_
HHJkvuE4.
28 Eine feindliche Übernahme ist definiert als eine Übernahme, die nicht im Einvernehmen mit der
Führung des Zielunternehmens zustande kommt, sondern sich direkt an die Aktionäre der
Gesellschaft wendet oder auf den Austausch der Unternehmensführung gerichtet ist, um auf
diesem Wege die Genehmigung der Übernahme zu erzielen.
MERICS
35
3. Neue Chancen nutzen
Sicherheit im EU-Kontext bedeutet (vgl. dazu die nachstehenden Empfehlungen), könnte
dazu beitragen, den Ermessensspielraum der Einzelstaaten für das Ergreifen von Ad-hocÄnderungen klarer zu umreißen.
Es gilt, die Investitionsfreiheit auch gegenüber populistischer Empörung zu verteidigen
und überstürzte Reaktionen zu vermeiden. Auf nationaler und lokaler Ebene müssen diejenigen, die chinesische Investitionen fördern wollen, gezielt Strategien verfolgen, um die
Öfentlichkeit über die Gründe und den Nutzen chinesischer Investitionen für die örtliche
Wirtschaft und das Gemeinwesen zu informieren. Eine Möglichkeit wäre, die Vorteile
anhand von Erfolgsgeschichten zu illustrieren.
Abbildung 16.1:
Deutsche sind
skeptisch bezüglich
Chinas zunehmenden
globalen Einluss
Anteil der Befragten,
die den Einluss Chinas
in der Welt „vor allem
positiv“ oder „vor allem
negativ“ bewerten
50
Differenz
40
t
Negativ
30
Positiv
20
10
0
-10
-20
-30
Prozent
-40
-50
-60
-70
-80
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Quelle: BBC World Service Country Poll.
Abbildung 16.2:
Europäer haben
negative Grundhaltung gegenüber
ausländischen
Übernahmen
Anteil der Befragten,
die Auswirkungen
ausländischer
Übernahmen
auf das Land als
gut/schlecht
beurteilen
Deutschland
Gut
Italien
Schlecht
Frankreich
USA
Griechenland
Spanien
UK
China
Israel
Prozent
Philippinen
-80
-60
-40
-20
0
20
Quelle: PEW Research Spring 2014 Global
Attitudes Survey.
40
60
Neue Strategien für Investitionsförderung notwendig
Der dritte Bereich, der dazu beitragen
kann, das Potenzial chinesischer
Investitionen besser auszuschöpfen,
ist eine verstärkte Investitionsförderung. Fördermaßnahmen sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil des
Wettbewerbs um die globalen ausländischen Kapitallüsse in Direktinvestitionen. Einige EU-Staaten, unter anderem Großbritannien, Frankreich und Deutschland, unterhalten
bereits starke Investitionsförderungsgesellschaften.29 Diese sind auch ein
wichtiges Instrument für Regionen
und Kommunen, um ausländische
Investoren für ihren Standort anzuwerben.
Im Vergleich zu anderen ausländischen
Investoren, sind chinesische Unternehmen häuig sehr unerfahren und
benötigen einen besonderen Ansatz
der Investitionsförderung und Unterstützung vor Ort. Erfolgreiche Strategien beinhalten kontinuierliche und
hochrangige politische Unterstützung,
eine enge Begleitung vor und nach
der Initiierung des Investitionsvorhabens, lokale Anreize und Training
sowie Initiativen wie Investitionskonferenzen, die eine „Willkommenskultur“ Wirklichkeit werden lassen.30
29 Vgl. Morisset und Andrews-Johnson (2004).
30 Vergleiche dazu die Empfehlungen des ersten Treffens des Deutsch-Chinesischen Beratenden
Wirtschaftsausschusses unter: http://www.asien-pazifik-ausschuss.de/downloads/positionen/Joint
RecommendationFinalJuly2014.pdf.
36
MERICS
3. Neue Chancen nutzen
Einige „informelle“ Hürden könnten leicht abgebaut werden. Administrative Schwierigkeiten
bei der Visavergabe sind nach wie vor eines der Hauptanliegen chinesischer Unternehmen,
die in den europäischen Markt eintreten. Eine übereifrige „Golden Visa“-Regelung könnte
zwar möglicherweise einen unproduktiven innereuropäischen Wettbewerb auslösen.
Einige Länder müssten jedoch dringend überprüfen, ob ihre Vorschriften den neuen
Gegebenheiten – nämlich Chinas Stellung als bedeutender Kapitalexporteur – noch gerecht
werden.
Europäische Volkswirtschaften verfügen über gute Voraussetzungen und sollten ihre
Vorgehensweise an die Bedürfnisse chinesischer Investoren anpassen. Sie sollten Ansätze
erarbeiten, um Investitionen in neue Bereiche wie Forschung und Entwicklung und weitere
innovationsstarke Branchen zu fördern. Die deutsche Germany Trade and Invest (GTAI) ist
unter den stärksten Investitionsförderungsgesellschaften in Europa und verfügt über viel
Erfahrung im Umgang mit chinesischen Investoren. Sie könnte noch efektiver arbeiten,
wenn sie den Fokus von Neugründungen auf Investoren ausweiten würde, die den
deutschen Markt durch Akquisitionen betreten und diese beispielsweise bei Nachfolgeinvestitionen nach Übernahmen unterstützen. Unseren Daten zufolge bestünde dafür
großer Bedarf. Des Weiteren ließe sich die Arbeit der GTAI durch größere personelle
Ressourcen in China und die gezielte Anwerbung von Investitionen zur Clusterbildung in
Deutschland optimieren. Auch die Vernetzung und der Informationsaustausch von Investitionsförderstellen auf nationaler, föderaler und kommunaler Ebene sollten verbessert
werden. Nicht zuletzt wäre eine noch engere Kooperation mit der Chinesischen Handelskammer und anderen privaten chinesischen Unternehmensorganisationen eine hilfreiche
Maßnahme.
Auch wenn die EU-Kommission formell kein starkes Mandat für Investitionsförderung hat
und nationaler Wettbewerb um ausländische Investitionen die Möglichkeiten für supranationale Bemühungen deutlich beschränkt, könnten einige Schritte auf EU-Ebene unternommen werden, um besser auf die Bedürfnisse chinesischer Investoren eingehen zu
können: Erstens sollte die EU-Kommission neue Modelle für die Anwerbung chinesischer
(und anderer ausländischer) Investitionen in transeuropäische bzw. grenzüberschreitende
Projekte (z.B. Infrastrukturen) entwickeln. Ein Schwerpunkt könnte auf dem Anwerben
staatlicher Investitionsfonds und großer institutioneller Investoren liegen, die versuchen
werden in den nächsten Jahren einen beträchtlichen Anteil ihres Kapitals im Ausland
anzulegen. Zweitens könnte die EU eine europäische „Willkommens- und Informationsstelle“ für ausländische Investoren einrichten, um lokale und nationale Bemühungen um
Investorenwerbung zu verstärken. Eine Dachorganisation, ähnlich wie „Select USA“, die
als Anlaufstelle Investoren mit nationalen und lokalen Investitionsförderern verknüpft,
wäre eine kosteneiziente Lösung. Eine solche Organisation könnte auch die Koordination
und den Informationsaustausch zwischen lokalen Förderern verbessern, „good practices“
und Vergleichsmaßstäbe bezüglich der Anwerbung chinesischer Investoren bereitstellen
und kleinere europäische Volkswirtschaften unterstützen, die nicht genügend Ressourcen
und Erfahrung mit eizienter Investorenwerbung haben.31
31 Vgl. Ecorys (2013).
MERICS
37
4. Bedenken gezielt ausräumen
4. Bedenken gezielt ausräumen
China bietet Europa eine einzigartige Chance, das Investitionsvolumen zu steigern und
von den damit verbundenen Vorteilen zu proitieren. Es gibt jedoch auch eine Reihe speziischer Bedenken, die sich auf den besonderen Charakter Chinas als Ursprungsland der
Direktinvestitionen beziehen. Dabei geht es weniger um branchen- oder unternehmensspeziische Faktoren, von denen der Erfolg oder Misserfolg bestimmter Übernahmen
oder Neugründungen abhängt, sondern, um Bedenken allgemeinerer Art, die mit dem politischen und wirtschaftlichen System und der internationalen Rolle Chinas zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund müssen die Einwände, die bislang gegen ausländische
Direktinvestitionen angeführt wurden, aus Sicht der Zielländer neu bewertet werden.32
Im Folgenden analysieren und bewerten wir die sechs wichtigsten Bereiche (makroökonomische Volatilität, asymmetrischer Marktzugang, Subventionen und andere unfaire
Vorteile, Technologie-Transfer, nationale Sicherheit sowie regulatorische Bedenken) und
unterbreiten Vorschläge, wie sich diese Bedenken ausräumen lassen.
Makroökonomische Volatilität
Zu den ältesten Bedenken im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen zählt, dass
diese Volatilität und Schwankungen hinsichtlich Investitionsumfang und Preisniveau für
die Zielländer mit sich bringen könnten. Diese Sorge betrift vor allem kurzfristige und
hochmobile Kapitallüsse. Es gibt allerdings viele historische Beispiele für starke Auf- und
Abschwünge („Boom and Bust“), bei denen ausländische Direktinvestitionen eine wichtige
Rolle gespielt haben. Die meisten davon betrafen Investitionen im Rohstofsektor kleinerer
Volkswirtschaften.33
Abbildung 17:
OFDI-Ströme können
massiv schwanken
Gesamtwert der von
Chinesen weltweit getätigten Übernahmen im
Werkstof-Bereich
Exklusive Energieträger
(beinhaltet Chemikalien,
Metalle und Bergbau, Papier
und Plastik etc.)
Milliarden USD
20
15
10
5
Quelle: Bloomberg, Thomson, Rhodium Group.
China ist ein schwieriger Fall, weil das
Land zwei Faktoren vereint: Erstens
ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, und der Umfang der
derzeitigen und künftigen Kapitalablüsse aus China übertrift die anderer Schwellenländer, die sich bisher
als globale Investoren betätigt haben.
Zweitens beindet sich China mitten
im schwierigen Prozess interner und
externer Finanz- und Wirtschaftsreformen. Deshalb ist in den kommenden Jahren mit erheblichen Schwankungen und einer großen Volatilität
zu rechnen. Diese beiden Faktoren
bedeuten, dass die Gefahr von „Boom
32 Die Analyse des Erfolgs bzw. Scheiterns einzelner Projekte oder eine genaue Aufschlüsselung für
bestimmte Wirtschaftszweige übersteigt den Rahmen der vorliegenden Studie. Wir möchten jedoch
betonen, dass aus unseren Daten nicht ersichtlich ist, dass chinesische Investoren häufiger
scheitern als Investoren aus anderen Ländern. Es gibt durchaus Beispiele für bekannte OFDIProjekte in Europa und Deutschland, bei denen die Investitionsausgaben und die Zahl der
geschaffenen Arbeitsplätze hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Dass die tatsächlichen
Investitionen für Neugründungen erheblich von den angekündigten Investitionen abweichen, ist
jedoch ein weltweit häufig anzutreffendes Phänomen.
33 Vergleiche zum Beispiel Botta, Godin und Missaglia (2014).
38
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
and Bust“-Zyklen für Länder mit einem hohen Anteil chinesischer Investitionen in den
kommenden Jahren höher ist. Ein Beispiel ist der jüngste Anstieg und Rückgang von
chinesischen Investitionen in den globalen Bergbau- und Werkstofsektor (Abbildung 17).
Dieser Umschwung, insbesondere der Rückgang der Ausgaben im Zusammenhang mit
diesen Übernahmen, war in den Zielländern von Nordamerika über Lateinamerika bis
Afrika deutlich zu spüren.
Risiken für Europa sind gering, aber bessere Daten zur Beobachtung notwendig
Für Europa, insbesondere für Deutschland, spielen solche Sorgen zurzeit noch eine vergleichsweise geringe Rolle. Erstens entfällt trotz der jüngsten Steigerung nur ein kleiner
Teil der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in die EU auf China. Dies gilt für alle
Sektoren. Zweitens hat Europa eine diversiizierte Wirtschaftsstruktur, die nicht von
stark zyklischen Sektoren wie etwa Rohstofen abhängig ist. Eine Entwicklung, die man
künftig jedoch möglicherweise im Auge behalten müsste, ist das jüngste sprunghafte
Wachstum der ausländischen Direktinvestitionen durch „Finanzinvestoren“, unter anderem
Private-Equity-Firmen, Versicherungsgesellschaften und Staatsfonds. Die Zulüsse aus
diesen Quellen könnten in den kommenden Jahren einen sehr großen Umfang erreichen.
Bislang konzentrieren sich ihre Investitionen jedoch vorwiegend auf einige wenige Branchen,
wodurch es in bestimmten Teilen Europas zu Vermögenspreisinlation und zu spekulativen
Blasen kommen könnte. Ein Beispiel dafür sind gewerbliche Immobilien, bei denen die
jährlichen Investitionen, die vor 2013 extrem niedrig waren, in den Jahren 2013 und 2014
auf insgesamt sechs Milliarden USD gestiegen sind.
Noch räumen wir diesem Bereich einen recht geringen Stellenwert ein. Dieser wird jedoch
enorm an Bedeutung gewinnen, sobald auch andere Kapitalformen (nicht OFDI) aus China
verstärkt nach Europa strömen. Wir erachten es für sinnvoll, dass die europäischen Institutionen insbesondere chinesische Kapitallüsse in kleinere EU-Staaten, Beitrittskandidaten
und Drittländer überwachen, um potenzielle Blasen und Volatilität zu erkennen, bevor diese
auf die EU-Volkswirtschaften übergreifen und sie in Mitleidenschaft ziehen. Dass China
und andere Schwellenländer sich zu bedeutenden Kapitalexporteuren entwickeln, sollte
zudem einen starken Anreiz dafür bieten, die Transparenz der Daten über Kapitallüsse
nach Europa generell zu verbessern. Hierzu könnte sich die EU am Modell Treasury International Capital (TIC) Systems in den USA orientieren, das Informationen über ausländische
Inhaber amerikanischer Staatsanleihen, Aktien und Schuldpapiere liefert.34
Asymmetrie im Marktzugang
Eine zweite große Sorge ist, dass ausländische Direktinvestitionen den internationalen
Wettbewerb unter den Unternehmen verzerren könnten, sofern die betrefenden Märkte
in unterschiedlichem Maße für Investitionen geöfnet sind. Solche Asymmetrien beim
Marktzugang sind nicht allein aus Gründen der Fairness problematisch. Sie sind auch im
Hinblick auf den wirtschaftlichen Wohlstand nicht förderlich, weil sie zu politisch
verursachten Investitionsungleichgewichten zwischen zwei Ländern führen können.
In der Vergangenheit begegnete man diesen Bedenken zumeist durch bilaterale Abkommen zwischen Industrieländern (welche lange Zeit die dominierende Kraft unter den
Auslandsinvestoren waren), um so eine gewisse gegenseitige Ofenheit zu garantierten.
34 Vgl. zum Treasury International Capital (TIC) System: http://www.treasury.gov/resource-center/
data-chart-center/tic/Pages/index.aspx.
MERICS
39
4. Bedenken gezielt ausräumen
Multilaterale bzw. regionale Abkommen, etwa durch den OECD-Kodex zur Liberalisierung
des Kapitalverkehrs, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen
(GATS) oder den Vertrag von Maastricht, in dem der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs
innerhalb der Europäischen Union festgeschrieben wurde, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.35
Mit dem jüngsten Aufstieg der Schwellenländer zu bedeutsamen Kapitalexporteuren ist
diese Frage wieder auf die Tagesordnung gerückt. China steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ofenheit für ausländische Direktinvestitionen war eines der zentralen
Elemente der chinesischen Wirtschaftsreformen seit den 1980er Jahren. China hat ausländische Investitionen als wichtige Quelle für Wachstum, Innovation und Beschäftigung
gefördert. Gleichzeitig unterliegen Ausländer in vielen Bereichen der chinesischen Wirtschaft immer noch Zugangsbeschränkungen. Was die formellen Beschränkungen der
ausländischen Direktinvestitionen angeht, so gilt China als eines der restriktivsten
G20-Länder (Abbildung 18). Darüber hinaus werden ausländische Unternehmen in China
auch informell stark diskriminiert.36 Als China noch ein Entwicklungsland ohne bedeutende
Investitionstätigkeit im Ausland war, iel dies kaum ins Gewicht. Inzwischen ist China jedoch
einer der wichtigsten ausländischen Investoren, und seine Firmen genießen so gut wie
unbeschränkten Zugang zu den am weitesten entwickelten Ländern. Damit hat sich die
Situation grundlegend geändert.
Abbildung 18:
China bleibt für
ausländische FDI einer
der am strengsten
reglementierten
Märkte überhaupt
FDI Restrictiveness Index,
ausgewählte Länder,
2014
Der Index misst gesetzliche
Einschränkungen für FDI
Index: 0=ofen;
1=geschlossen
Vergleicht man China und Europa, so
ist der Unterschied hinsichtlich des
Indien
formellen Marktzugangs besonders
BRICS
Russland
ofensichtlich. Die EU-Staaten haben
Durchschnitt
sich verplichtet, freie Kapitalzulüsse
Brasilien
Australien
nicht nur aus anderen europäischen
OECD
USA
Volkswirtschaften, sondern auch aus
Japan
Drittländern wie China zuzulassen.
Durchschnitt
Das bedeutet, dass es chinesischen
Österreich
Großbritannien
Unternehmen – auf dem Papier – freiFrankreich
EU
steht, in europäische Märkte zu invesDeutschland
tieren, ohne dass sie dabei erhebliLuxemburg
chen Beschränkungen unterliegen.
Durchschnitt
0
0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Betrachtet man das rapide Wachstum
Offen
Geschlossen
der letzten Jahre, so spricht vieles
dafür, dass dies auch tatsächlich der
Quelle: OECD.
Fall ist. Gleichzeitig unterliegen jedoch
insbesondere europäische Unternehmen in China gravierenden Markteintrittsbarrieren.
Unternehmen aus der EU sind insbesondere in vielen der weit entwickelten Produktionsund Dienstleistungssektoren äußerst konkurrenzfähig, die zu jenen Bereichen der chinesischen Wirtschaft zählen, in denen die stärksten Einschränkungen gelten. Abbildung 19
China
35 Vgl. OECD (2013). Der Volltext des GATS ist unter https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/26gats_01_e.htm zu finden. Für den Volltext des Vertrags über die Europäischen Union (Vertrag von
Maastricht) vgl. http://europa.eu/eu-law/decision-making/treaties/pdf/treaty_on_european_union/
treaty_on_european_union_en.pdf.
36 Eine Zusammenfassung dieser informellen Beschränkungen findet man in einem Bericht, der 2014
von Covington & Burling für die Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, erstellt wurde:
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/august/tradoc_152739.08.10.pdf.
40
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
Positiv ist zu verzeichnen, dass China
sich dessen bewusst ist und zumindest oiziell eingestanden hat, dass
eine Deregulierung ausländischer Direktinvestitionen zentral für die laufenden Wirtschaftsreformen ist.37 Anfang 2015 legte der Staatsrat einen
Gesetzesentwurf vor, der den derzeitigen Ansatz formell auheben
würde. Im Moment besteht das OFDI-Regime in China aus drei Listen,
die Sektoren benennen, in denen (1)
Landwirtschaft
Forstwirtschaft
Fischerei
Bergbau
Lebensmittel & andere
Herstellende
Industrie
Ölraffinerien & Chemikalien
China
Deutschland
Metalle, Maschinen & Mineralien
Abbildung 19:
Keine Reziprozität:
Asymmetrien im
Marktzugang
zwischen China und
Deutschland
FDI Restrictiveness
Index, Deutschland
im Vergleich zu
China, 2014
Der Index misst
gesetzliche
Einschränkungen
für FDI
Index: 0=ofen;
1=geschlossen
Elektronik & andere Instrumente
Transportanlagen
Stromerzeugung
Stromvertrieb
Bauindustrie
Großhandel
Einzelhandel
Straßentransport
Seetransport
Lufttransport
Hotels & Gaststätten
Radio und Fernsehen
Dienstleistungen
Gleicher Marktzugang ist elementar für tragfähige EU-China Investitionsbeziehungen
Wir sind davon überzeugt, dass die
Asymmetrien im Marktzugang zu
den wichtigsten Problemen zählen,
die in nächster Zeit gelöst werden
müssen. Auch wenn es keine unmittelbare Gefahr gibt, dass bestehende
Ungleichgewichte zu systemischen
Marktverzerrungen führen, verstärkt
die derzeitige Situation den Eindruck
mangelnder Fairness. Dies erschwert
es Entscheidern, für verstärkte Integration im Investitionsbereich mit
China zu werben. Kurz gesagt: Mehr
Reziprozität im Marktzugang sollte für
die EU-Staats- und Regierungschefs
einen hohen Stellenwert einnehmen,
und das nicht nur, um faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen
aus der EU sicherzustellen, sondern –
was noch wichtiger ist – auch, um
Europas langfristige Verplichtung zu
Ofenheit gegenüber China zu verteidigen.
Landwirtschaft
und Bergbau
enthält eine detaillierte, nach Wirtschaftszweigen aufgeschlüsselte Darstellung der in China
bzw. Deutschland geltenden formellen Investitionsbeschränkungen. Insbesondere für
Deutschland ist Symmetrie im Marktzugang von allerhöchster Priorität, denn die deutsche
Wirtschaft ist einer der weltweit größten Kapitalexporteure und Unternehmen haben ein
massives Interessen daran, in derzeit noch beschränkte Bereiche der chinesischen Wirtschaft vorzustoßen.
Sonstige Medien
Festnetzkommunikation
Mobilfunk
Banken
Versicherungen
Sonstige Finanzinstitute
Rechtsberatung
Rechnungs- & Prüfungswesen
Architektur
Ingenieurswesen
Immobilien
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
Ofen
Geschlossen
Quelle: Organization for Economic Co-Operation
and Development (OECD)
37 Vgl. MOFCOM (2015).
MERICS
41
4. Bedenken gezielt ausräumen
ausländische Investitionen begrüßt werden, in denen sie (2) Einschränkungen unterliegen
und in denen sie (3) verboten sind. Stattdessen soll nun eine moderne Regelung eingeführt werden, die auf Marktzugangsrechten basiert, die nur durch eine knapp gehaltene
„Negativliste“ sowie mögliche Überprüfungen im Hinblick auf eine Gefährdung der nationalen Sicherheit und Wettbewerbspolitik eingeschränkt werden. Grundsätzlich wäre diese
Entwicklung positiv, dennoch bleiben Zweifel: Der Zeitplan für die Umsetzung und der
Umfang der Negativliste bleiben unklar. Zudem sind Umfang und Verfahren der Überprüfung
im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Wettbewerbspolitik nicht eng genug deiniert,
sodass viel Raum für potenzielle informelle Diskriminierung bleibt. Chinas Partner können
sich noch nicht zurücklehnen, sondern müssen aktiv werden, um rasche und eiziente
Reformen für ausländische Direktinvestitionen in China voranzutreiben.
Auf europäischer Ebene können verschiedene Kanäle genutzt werden, um die eigenen
Interessen zu vertreten. Erstens ist die EU-Kommission seit dem 2008 geschlossenen
Vertrag von Lissabon ermächtigt, bilaterale Investitionsabkommen (BIAs) auszuhandeln,
die das primäre Instrument für die Diskussion und Deinition der Investitionsfreiheit im
beiderseitigen Verhältnis sind. Ein solides bilaterales Investitionsabkommen mit China,
das Marktzugangsrechte für europäische Unternehmen und nur wenige Ausnahmen (in
Form einer Negativliste) auführt, wäre ein großer Schritt in Richtung der von China angekündigten Reformen für ausländische Direktinvestitionen. Die EU-Kommission hat mit
den Verhandlungen über die Formulierung des BIA erhebliche Fortschritte erzielt. Inzwischen beinden sich die Verhandlungen in der schwierigen Phase der Vereinbarung der
Negativliste. Da die EU zum Abschluss von Investitionsabkommen ermächtigt ist, könnte
sie eine zweite Strategie verfolgen: die Zusammenarbeit mit anderen interessierten Ländern
zur Förderung der globalen Investitionsfreiheit durch andere Abkommen und Initiativen
auf bilateraler, plurilateraler oder multilateraler Ebene. Bilaterale und regionale Abkommen könnten dazu beitragen, neue Maßstäbe für Ofenheit zu setzen und einen „Wettlauf“ zu fördern. Die drei größten Volkswirtschaften der Welt, auf die 60 Prozent des globalen
BIP und 67 Prozent der globalen ausländischen Direktinvestitionen entfallen, sind ofenkundig an ungehinderten Investitionslüssen interessiert. Vor diesem Hintergrund ist es
sinnvoll, über die Wiederaufnahme von Gesprächen über multilaterale Investitionsabkommen
nachzudenken, die globale Standards für die Freiheit grenzüberschreitender Investitionen
und regulatorische „best practices“ zur Wahrung legitimer nationaler Interessen setzen.
Auch wenn die Verhandlungen über Investitionsabkommen inzwischen unter der Führung
der EU erfolgen, spielen die einzelnen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle dabei, eine
größere Symmetrie hinsichtlich des Zugangs zum chinesischen Markt zu schafen. Zum
einen wird es wichtig sein, dass einlussreichere EU-Staaten wie Deutschland sich stärker
an gesamteuropäischen Interessen orientieren und nicht nur auf ihre eigene nationale
Agenda achten, um Europas Gewicht in den BIA-Verhandlungen zu stärken. Angesichts
des ungewissen Zeitplans für ein bilaterales Investitionsabkommen (BIA) sollten große
EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland darüber hinaus auf bilateralen Wegen auf China
einwirken, damit es die versprochenen Gesetzesreformen bezüglich ausländischer Direktinvestitionen umsetzt und die informelle Diskriminierung ausländischer Firmen abstellt.
Subventionen und andere politische Wettbewerbsvorteile
Ein weiterer Faktor, der in der globalen OFDI-Arena zu unfairem Wettbewerb führen kann,
sind Subventionen und andere politische Vorteile, die sich ergeben, wenn bestimmte Un-
42
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
ternehmen Vorzugsbehandlung genießen. Derartige Vorteile können Verzerrungen auf
den Weltmärkten bewirken, zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmen den Zuschlag für
einen weltweit ausgeschriebenen Vermögenswert nicht deshalb gewinnt, weil es diesen
am eizientesten nutzen kann, sondern, weil es Darlehen zu Vorzugskonditionen bekommt
und andere politische Privilegien genießt. Anders als im Handel, wo die Welthandelsorganisation und andere Einrichtungen über Streitigkeiten in Subventionsfragen entscheiden,
gibt es weder eine globale Deinition von Investitionssubventionen, noch einen institutionellen Rahmen für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Investitionen. Grund dafür ist, dass traditionell mehr als 80 Prozent der globalen ausländischen
Direktinvestitionslüsse aus Industrieländern kamen, in denen der Anteil der Unternehmen
in Staatsbesitz dramatisch reduziert wurde und Subventionen sich prinzipiell auf Unternehmen beschränken, deren Auftrag die Bereitstellung öfentlicher Güter ist.
Auch hier ist es der Aufstieg der Schwellenländer, insbesondere Chinas, der den Status quo
der vergangenen Jahrzehnte infrage stellt. Durch die Reformen der vergangenen Jahrzehnte hat sich die Rolle der Staatsunternehmen in der chinesischen Wirtschaft enorm
verändert. Dennoch spielen sie auch heute in vielen Bereichen noch eine wichtige Rolle.
Auch weiterhin erhalten sie bevorzugten Zugang zu Kapital und anderen Ressourcen.38
Es sind jedoch nicht nur die Unternehmen in Staatsbesitz, die von politischer Vorzugsbehandlung proitieren, sondern auch große Privatunternehmen aus Bereichen, die wichtige
nationale Entwicklungsziele verfolgen, oder die den Regierungen auf regionaler und
lokaler Ebene wegen der Beschäftigungsefekte oder Steuereinnahmen besonders wichtig sind. Kurz gesagt: Viele der global operierenden Unternehmen in China erfahren eine
Vorzugsbehandlung durch die Lokal- oder Zentralregierung und ziehen aus diesen Beziehungen erhebliche Vorteile.
Früher waren europäische Unternehmen davon vor allem dann betrofen, wenn sie in China
mit subventionierten Unternehmen konkurrieren mussten. Nachdem jedoch in letzter
Zeit ausländische Direktinvestitionen aus China zugenommen haben, sind europäische
Firmen dieser Konkurrenz inzwischen auch in ihren Heimatmärkten ausgesetzt. Abbildung 20 zeigt, dass zwei Drittel der chinesischen OFDI-Geschäfte (mit einem Gesamtvolumen von 46 Milliarden USD) von Staatsunternehmen getätigt wurden. In vielen Fällen
haben diese bei Investitionsprojekten auch europäische Privatunternehmen ausgestochen.39
Besonders unfair dabei ist, dass europäische Unternehmen nach EU-Recht keine „staatlichen
Beihilfen“ ihrer eigenen Regierungen erhalten dürfen. Dieses Verbot wird durch Behörden
der Europäischen Kommission durchgesetzt.40 Das Erfordernis der Überprüfung „staatlicher
Beihilfen“ gilt jedoch nur für europäische Unternehmen, nicht für Unternehmen aus Drittländern. Kurzum, Europäische Unternehmen unterliegen den EU-Regeln für staatliche
Hilfen, müssen aber gleichzeitig mit chinesischen Firmen konkurrieren, die in ihrem Heimatland in den Genuss der Kreditlinien staatseigener Banken und häuig höchst zuträglicher
Industriepolitik kommen.
38 Vgl. Meissner et al. (2015).
39 Beispielsweise unterbot 2011 China Three Gorges den deutschen Versorger E.ON im Wettbewerb
um einen Anteil in Höhe von 21 Prozent an Energias de Portugal.
40 Vgl. den Überblick über die EU-Regelungen zu staatlichen Beihilfen unter http://ec.europa.eu/
competition/state_aid/overview/index_en.html.
MERICS
43
4. Bedenken gezielt ausräumen
Abbildung 20:
OFDI von
Staatsunternehmen
dominieren noch
in Europa
Chinesische OFDITransaktionen in der
EU-28 nach Art
des Investors,
2000 bis 2014
15.000
Finanz-Investitionen durch Staatsunternehmen
Strategische Investitionen durch Staatsunternehmen
12.000
Finanz-Investitionen durch private Unternehmen
Strategische Investitionen durch private Unternehmen
9.000
6.000
Millionen EUR
3.000
0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Quelle: Rhodium Group.
Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang.
Europa braucht einen „Plan B“, falls Reformen in China stagnieren
Positiv zu bewerten ist, dass China mit den kürzlich angekündigten Wirtschaftsreformen
darauf abzielt, dem Markt eine entscheidende Rolle in der chinesischen Wirtschaftspolitik
zukommen zu lassen. Wenn diese Reformen wirklich umgesetzt werden, könnten viele
der als problematisch angesehenen Punkte des chinesischen Wachstumsmodells (u.a. die
Dominanz staatseigener Unternehmen und ein staatlich kontrolliertes Finanzsystem) an
Brisanz verlieren.41
Im Hinblick auf eine Bevorteilung von chinesischen Firmen sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten vor allem zügige Fortschritte bei Chinas selbstverordneten Reformen einfordern und diese unterstützen. Die neue marktorientierte Reformagenda könnte den
Europäern Gelegenheit geben zu zeigen, dass das Prinzip der „Wettbewerbsneutralität“
chinesische Unternehmen nicht behindern soll, sondern als nützliches Konzept dazu beiträgt,
die produktive Koexistenz von Staatsunternehmen und einem wettbewerbsorientierten
Markt sicherzustellen. In der Tat haben Wissenschaftler regierungsnaher Think Tanks in
China klar gemacht, dass China langfristig ein starkes Eigeninteresse daran hat, einen
regulatorischen Rahmen für staatliche Beihilfen zu schafen, wenn die Modernisierung
des Staatssektors gelingen soll.42 Europa ist mit der Modernisierung seiner eigenen
Staatsunternehmen weit vorangekommen und kann deshalb glaubwürdig die eigenen
Erfahrungen weitervermitteln.
Gleichzeitig wird deutlich, dass eine zügige Umsetzung der marktwirtschaftlichen Reformen
in China keineswegs gesichert ist. Der Zeitplan und die tatsächlichen Erfolgsaussichten
sind unklar, und mächtige Interessengruppen wehren sich dagegen. Darüber hinaus sind
Entwicklungen im Staatssektor ziemlich widersprüchlich. Einige der angekündigten Reformen der Staatsunternehmen sehen große Fusionen chinesischer Unternehmen vor,
durch die global konkurrenzfähige Giganten beispielsweise für Hochgeschwindigkeitszüge,
Maschinenbau und Kernkraft entstehen sollen. Darüber hinaus hat die chinesische
41 Rosen (2014); Ahlers et al. (2014).
42 Liao und Zhang (2012).
44
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
Regierung in der letzten Zeit sehr strategisch neue Initiativen (Fonds etc.) eingerichtet,
die durch eine staatlich gesteuerte Kreditvergabe Direktinvestitionen fördern und zur
Schafung neuer Märkte sowie zum Abbau von inländischen Überkapazitäten beitragen
sollen.43
Politische Entscheider in der EU müssen Lösungen inden, um ein Szenario zu vermeiden,
in dem China immer weiter wächst, ohne gegen diese Marktverzerrungen vorzugehen.
Das Ziel besteht dabei nicht darin, Investitionen von Staatsunternehmen zu blockieren,
sondern Regeln einzuführen, die mehr Transparenz bezüglich Art und Umfang der staatlichen Beihilfen für speziische Investitionen schafen. Auf EU-Ebene wäre der naheliegende
Ausgangspunkt eine Erweiterung der bestehenden Regelungen für staatliche Beihilfen
um eine externe Dimension (gegenüber Nicht-EU-Staaten). Die politischen Entscheider in
den Einzelstaaten könnten die Möglichkeit in Erwägung ziehen, für Staatsunternehmen die
Ofenlegung von Eigentumsverhältnissen, Finanzierung und Subventionen zu fordern.
Technologietransfer und „Headquarters Efect“
Eine vierte Sorge besteht darin, dass ausländische Direktinvestitionen (insbesondere
Übernahmen) zum Technologietransfer und zur Verlagerung der damit verbundenen
Wertschöpfung aus dem Zielland in das Heimatland des Investors führen. Dieser sogenannte „Headquarters Efect“ war ein wichtiges Thema in den Debatten über OFDI der
1980er Jahre. In den vergangenen Jahren hat dieser Aspekt jedoch an Bedeutung verloren, da Wissenschaftler kaum noch empirische Belege inden können.
Durch den Aufstieg Chinas zum globalen Investor wird diese Frage jedoch aus vielfältigen
Gründen wieder aufgeworfen. Zum einen beindet sich China noch in einem vergleichsweise frühen Entwicklungsstadium, und es ist Chinas erklärtes Ziel, eigene Direktinvestitionen im Ausland zu nutzen um technologisch aufzuholen. Zum anderen betreibt China
eine starke Industriepolitik, die inländische Forschung und Entwicklung sowie „eignständige Innovation“ fördert. Diese Ansätze, die im Mai 2015 durch die neue Regierungsstrategie
„Made in China 2025“ eine neue Stufe erreicht haben, sollen China als innovative globale
Produktionssupermacht positionieren.44
Früher waren ausländische Firmen häuig zum Technologieaustausch mit ihren chinesischen Partnern gezwungen. Nun könnte die strikte Umsetzung der nationalen Technologieagenda dazu führen, dass bei der Entscheidung darüber, wo chinesische Unternehmen
ihre Forschung und Entwicklung ansiedeln, die Zielvorgaben der Industriepolitik stärker
wiegen als unternehmerische Logik. Dies ist eine der Hauptsorgen in Europa. Europäische
Firmen sind, vor allem bei Industrieanwendungen, häuig Technologieführer in ihren
Bereichen. Gerade darauf zielen auch Chinas Ambitionen. Chinesische Unternehmen nutzen
Investitionen in Europa dazu, um sich Zugang zu Technologie und Know-how zu verschafen, sei es in Form von Übernahmen oder durch Neugründungen (vgl. dazu Tabelle 2).
Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo fast alle wichtigen Fusionen und Übernahmen
chinesischen Unternehmen Zugang zu Technologie und Know-how bedeuten.
43 Vgl. Irwin und Gallagher (2014) und Aizenmann et al. (2015).
44 Vgl. State Council (2015).
MERICS
45
4. Bedenken gezielt ausräumen
Tabelle 2:
Chinesische
Übernahmen zielen
häuig auf innovative
Technologien
Auswahl von
technologie-bezogenen
Übernahmen durch
chinesische
Unternehmen in
Europa
EU-Unternehmen
Chinesischer
Investor
Ort
Branche
Schwing
Xuzhou Construction Machinery Group
Herne,
Deutschland
Industriemaschinen,
-anlagen und Werkzeuge
WISCO Tailored
Blanks
Wuhan Iron & Steel
Duisburg,
Deutschland
Autoteile und
-zubehör
Thielert Aircraft
Engines
AVIC International
St. Egidien,
Deutschland
Luft- und Raumfahrtzulieferer
Medion
Lenovo
Essen,
Deutschland
IT-Anlagen
Alcatel-Lucent Enter- China Huaxin Post & Telecommunication Economy
prise in Colombes,
Development Center
France
Boulogne-Billancourt,
Frankreich
IT-Anlagen
PSA Peugeot Citroen Dongfeng Motor Group
Paris,
Frankreich
Autoteile und
-zubehör
Mailand,
Italien
Industriemaschinen,
-anlagen und Werkzeuge
Compagnia Italiana
Forme Acciaio
Zoomlion Heavy Industry
Science & Technology
Development
Quelle: Rhodium Group.
Positive Auswirkungen von Technologie-Investitionen
Die Erfahrungen mit Technologie-Investitionen aus China in Europa sind noch sehr begrenzt, denn die meisten Transaktionen liegen weniger als fünf Jahre zurück. Noch sind
allerdings keine Anzeichen erkennbar, dass die chinesischen Investitionen zu einer politisch
veranlassten Verlagerung von Wertschöpfung nach China geführt hätten. Es ist also notwendig, darüber aufzuklären, dass eine steigende Zahl solcher Investitionen für die
Besitzer des geistigen Eigentums eine grundsätzlich positive Entwicklung ist. Chinesische
Unternehmen sind bereit und willens, in ofenen und marktbezogenen Transaktionen
den Marktpreis für Technologie zu zahlen. Dies bedeutet die Abkehr von erzwungenem
Technologietransfer und unverhohlenem Diebstahl geistigen Eigentums. Darin zeigt sich
die gestiegene Bedeutung von Innovation und Technologie für das neue chinesische
Wachstumsmodell. Darüber hinaus gibt es bislang keine systematischen Anhaltspunkte
dafür, dass die Angst berechtigt wäre, chinesische Firmen könnten in der EU Technologiewerte kaufen und die damit verbundenen Aktivitäten und Arbeitsplätze nach China
verlagern.
Es gibt bislang
keinerlei Anzeichen dafür, dass
chinesische Unternehmen sich anders
verhalten als andere multinationale
Unternehmen.
Ganz im Gegenteil: Die meisten chinesischen Unternehmen
expandieren innerhalb Europas und verstärken ihre Präsenz
und ihr Personal für Forschung und Entwicklung in der EU.
Das macht Sinn, denn in ihrer Heimat haben sie mit einem
massiven Mangel an qualiizierten Arbeitskräften zu kämpfen,
während Europa auch noch einen guten rechtlichen Rahmen
für den Schutz geistigen Eigentums bietet. Kurz: Es gibt bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass chinesische Unternehmen sich anders verhalten als
andere multinationale Unternehmen, in der Organisation globaler F&E Wertschöpfungsketten.
Politische Entscheider haben deshalb die Aufgabe, weiter um eine gute Positionierung
Europas im Wettbewerb der Industrienationen um die Milliarden von Euro zu kämpfen, die
multinationale Unternehmen aus China in den kommenden Jahren für die Globalisierung
46
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
ihrer Forschung und Entwicklung ausgeben werden. Auf nationaler und lokaler Ebene ist
es wichtig, strategischer über potenzielle Beiträge Chinas zur lokalen Innovationsfähigkeit und über mögliche Modelle für eine vereinfachte Zusammenarbeit nachzudenken.
Zum besseren Verständnis langfristig möglicherweise negativer Auswirkungen von
Technologie-Investitionen ist es unseres Erachtens nach erforderlich, mehr Zeit und Mittel
für die Analyse aufzuwenden. Insbesondere sollten die Entwicklungen in den Wirtschaftszweigen untersucht werden, die in hohem Maße durch Chinas Industriepolitik
oder andere staatliche Eingrife geprägt sind.
Gefährdung der nationalen Sicherheit
Ausländische Direktinvestitionen bergen nicht nur wirtschaftliche Risiken, sondern können
auch konkrete Bedenken im Hinblick auf die nationale Sicherheit der Zielländer wecken.
Grundsätzlich haben ausländische Direktinvestitionen positive Auswirkungen auf die politische Stabilität im Verhältnis zweier Länder. Allerdings kann es Grund zur Sorge geben,
wenn ein Besitzerwechsel ausländischen Firmen die Möglichkeit eröfnet, die Lieferung
von Waren und Dienstleistungen zu verweigern, die für das Funktionieren einer Volkswirtschaft unerlässlich sind, insbesondere für deren Rüstungsindustrie. Ausländische Direktinvestitionen können auch dann Schaden anrichten, wenn sie ausländischen Interessen
zusätzliche Kanäle für Iniltration, Überwachung und Sabotage kritischer Infrastrukturen
im Bereich der Energie-, Transport-, Internet- und Finanznetze eröfnen. Dies kann auch
dazu führen, dass Technologie oder Wissen an ein von Ausländern kontrolliertes Unternehmen übertragen werden, das diese gegen nationale Interessen einsetzen könnte.45
Viele Länder behalten sich das Recht vor, ausländische Übernahmen oder allgemein alle
ausländischen Direktinvestitionen auf diese oder einige dieser Aspekte hin zu überprüfen.
Sicherheitsbezogene Überprüfungen sind auch als Ausnahmen vom freien Kapitalverkehr
in den meisten bilateralen Investitionsabkommen und Investitionsbestimmungen aus
Freihandelsabkommen vorgesehen.46
Was Investitionsprüfungen im Hinblick auf nationale Sicherheit betrift, stehen Zielländer
im Falle Chinas vor neuen Herausforderungen. In den vergangenen Jahrzehnten waren
alle großen Auslandsinvestoren demokratische Marktwirtschaften. Die einzigen bedeutenden Ausnahmen bildeten Singapur und Russland (Abbildung 21). Die neu in den Kreis
der großen Kapitalexporteure vorgestoßenen Länder, darunter vor allem Japan, waren
entweder militärische Bündnispartner oder einfach nicht groß genug, um eine Gefahr
darzustellen. China ist da ein anderer Fall: Inzwischen ist es die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und einer der fünf größten ausländischen Direktinvestoren weltweit.
Gleichzeitig tritt China als autoritärer Staat mit einem einzigartigen Wirtschaftssystem
und schwachen Sicherheitsbeziehungen zu den meisten großen Zielländern immer
selbstbewusster auf der internationalen Bühne auf. Ohne die Einbindung in existierende
Militärbündnisse und mit teilweise völlig unterschiedlichen Wertevorstellungen muss die
Grundausrichtung chinesischer Außenwirtschaftspolitik weiterhin kritisch beobachtet
werden.
45 Vgl. Moran (2009).
46 Vgl. zum Beispiel Yannaca-Small (2007).
MERICS
47
4. Bedenken gezielt ausräumen
Größe des Kreises
repräsentiert
OFDI-Ströme im
Jahresdurchschnitt
2008 bis 2013
Autokratie (–6 bis –10)
Demokratie (6 bis 10)
USA
17.500
9.500
China
Japan
3.250
3.250
20 Mrd.
USD
Anokratie (–5 bis 5)
22.000
BIP (2014, Milliarden USD)
Abbildung 21:
China ist der größte
ausländischer
Investor mit einem
autokratischen
politischen System
BIP 2014; OFDI-Ströme
im Jahresdurchschnitt
2008 bis 2013;
Politisches Regime
(Polity IV Klassiizierung)
Verein.
Saudi- Arab.
Arabien Emirate
Russland
Frankreich
Singapur
0
Qatar
Kuwait
Malaysia
Belgien
–3.000
–10
–5
0
5
Regimetyp, 2014 (Polity IV Klassifizierung)
10
Quelle: International Monetary Fund WEO,
United Nations Conference on Trade and Development, Polity IV.
Investitionsprüfungen sind legitim und wichtig – eine bessere
EU-Koordination aber notwendig
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Unsicherheit über Chinas Verhalten und geopolitische Ambitionen47 ist es wichtig, dass europäische Länder chinesische Investitionen
sehr genau auf Gefahren für ihre nationale Sicherheit hin prüfen und gegebenenfalls
Investitionen blockieren oder angemessene Maßnahmen zur Verringerung des Risikos
trefen. Darüber hinaus sind Prüfmechanismen wichtig, damit Regierungen die Investitionsfreiheit verteidigen können: Bürger der EU werden eine verstärkte physische chinesische
Präsenz nur tolerieren, wenn sie sicher gehen können, dass mögliche Sicherheitsbedenken
angemessen überwacht und ggf. angegangen werden. Die meisten europäischen Staaten
haben bereits Prüfverfahren eingeführt, allerdings mit großen Unterschieden hinsichtlich
der Vorgehensweise und der Deinitionen (Tabelle 3). Der deutsche Ansatz sieht vor, dass
jede Übernahme, die darauf hinausläuft, dass mindestens 25 Prozent eines Unternehmens
in ausländische Hand gelangen, auf potenzielle Gefahren für die öfentliche Sicherheit
und Ordnung überprüft werden kann. Frankreich folgt einem weitergehenden Ansatz und
hat sein Prüfrecht erst kürzlich erweitert. Einige Staaten wie die Niederlande, Kroatien und
Lettland sehen keine Investitionsprüfungen vor.
Der Ansatz der meisten EU-Mitgliedstaaten (insbesondere in Deutschland) ist richtig und
war in der Vergangenheit erfolgreich. Der Aufstieg Chinas zu einem prominenten Investor
erfordert jedoch, die fragmentierte Lage bezüglich solcher Prüfungen in Europa zu überdenken, um ggf. zu einem koordinierteren Ansatz zu gelangen. Erstens haben chinesische
Investoren begonnen, sich stärker für europäische Vermögenswerte zu interessieren, bei
47 Heilmann et al. (2014).
48
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
denen sich nicht nur nationale, sondern auch regionale Sicherheitsimplikationen ergeben.
Dies ist zum Beispiel im Bereich der Versorgungs-, Transport- oder Telekommunikationsinfrastruktur der Fall. Zweitens dürfte die für die kommenden Jahre zu erwartende
Zunahme chinesischer Auslandsinvestitionen die Kapazitäten der kleineren EU-Staaten
zur ordnungsgemäßen Überprüfung der betrefenden Investitionen überfordern. Drittens
wird ein koordinierter Ansatz mit klareren Kriterien auch dazu beitragen, eine Politisierung
von Transaktionen durch einzelne Regierungen zu verhindern.
Europa braucht keine speziisch auf China ausgerichteten Mechanismen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten jedoch einen EU-weiten Dialog über „best practices“ für Investitionsprüfungen initiieren. Dabei sollten die vier Grundsätze der OECD für solche Investitionsüberprüfungen zugrunde gelegt werden: Nichtdiskriminierung, Transparenz und
Berechenbarkeit, Verhältnismäßigkeit sowie Verantwortlichkeit.48
Die Einzelstaaten werden ihre Souveränität bezüglich dieser Prüfungen kaum aufgeben.
Zudem besteht bereits ein informeller Austausch zwischen den europäischen Kernländern.
Dennoch wäre es bereits ein wichtiger Schritt, europaweit zu einem besseren gemeinsamen
Verständnis von Gefahren für die nationale Sicherheit zu gelangen und einheitlichere Verfahren und Zeitpläne für Sicherheitsüberprüfungen einzuführen.49 Ein besserer Informationsaustausch über Transaktionen und Gefährdungsszenarien sowie die Zusammenarbeit
bei Investitionen, die mehr als ein Land betrefen, ist elementar: Ein Beispiel dafür ist die
jüngste Beteiligung am Flughafen Toulouse (dem „Airbus-Flughafen“).50
Auch mehr Transparenz bei Investitionsprüfungen wäre empfehlenswert, etwa durch die
Veröfentlichung grundlegender Informationen (Anzahl der überprüften Deals und der
Deinition möglicher Gefahren für die nationale Sicherheit in den einzelnen Ländern).
Auch wenn es bislang gelungen ist, eine starke Politisierung von Transaktionen zu vermeiden, wäre mehr Transparenz und eine Mitteilung einiger grundlegender Informationen
an die Öfentlichkeit und das Parlament auch für das deutsche Überprüfungsverfahren
von Investitionen von Vorteil.
Schließlich bietet Chinas Aufstieg als Direktinvestor die Gelegenheit, Normen und Standards
für Sicherheitsprüfungen in einem generelleren Rahmen zu diskutieren. Europa könnte
ein guter Ausgangspunkt dafür sein. Letztendlich wird das Thema jedoch im globalen
Rahmen diskutiert werden müssen. Dies gilt insbesondere, da China dabei ist, die Rahmenbedingungen für seine eigenen nationalen Investitionsprüfungen zu überarbeiten und die
Sorgen existiert, dass diese als Instrument zur weiteren Diskriminierung ausländischer
Investoren genutzt werden könnten.51 Kurz gesagt: Es besteht ein akutes Risiko, dass
ausländische Direktinvestitionen weltweit zu häuig wegen Ausnahmen im Hinblick auf
die nationale Sicherheit abgelehnt werden. Zur Stärkung der Investitionsfreiheit ist deshalb
eine Koordination der Deinitionen, der Begrife und des rechtlichen Rahmens unerlässlich.
48 Vgl. OECD (2009).
49 Vgl. Röller und Véron (2008).
50 “French plans for airport sale to China spark unease,” http://www.france24.com/en/20141205france-sell-major-stake-toulouse-airport-firm-china.
51 Chinas Investitionsprüfung geht von einer sehr breiten Definition von “Sicherheit” aus, die nationale
Sicherheit, ökonomische und soziale Stabilität beinhaltet. Vgl. China‘s National Security Review
(http://www.mofcom.gov.cn/article/b/f/201102/20110207403117.shtml) und den Entwurf des
neuen Investitionsgesetztes von 2015 (http://tfs.mofcom.gov.cn/article/
as/201501/20150100871010.shtml).
MERICS
49
4. Bedenken gezielt ausräumen
Tabelle 3:
Sehr diverse
Ansätze für
Investitionsprüfungen
in der EU
Investitionsprüfungen
in ausgewählten
EU-Staaten, 2014
Österreich
Investoren aus Nicht-EWR-Staaten, die in gewissen Wirtschaftszweigen eine Beteiligung
von mindestens 25 Prozent erwerben, müssen die Genehmigung des Wirtschaftsministeriums einholen. Dies betrift die Bereiche Landesverteidigung, Stromversorgung,
Telekommunikation, Transport und andere Branchen.
Zypern
Das verplichtende Sicherheitsüberprüfungsverfahren wurde aufgegeben, es gibt
jedoch noch Beschränkungen für Massenmedien, Immobilien und das Baugewerbe.
Dänemark
Ausländische Investitionen in Firmen, die Rüstungsgüter herstellen und die auf eine
Beteiligung von mehr als 40 Prozent oder auf mehr als 20 Prozent der Stimmrechte
hinauslaufen, bedürfen der Genehmigung durch das Justizministerium.
Finnland
Finnland sieht Beschränkungen vor, wenn Ausländer Beteiligungen an Unternehmen
erwerben, die Rüstungsgüter produzieren oder für die Landesverteidigung unverzichtbare Waren oder Dienstleistungen liefern.
Frankreich
Übernahmen in bestimmten Wirtschaftszweigen werden durch den Wirtschafts- und
Justizminister überprüft, wenn die Beteiligung bestimmte Schwellenwerte übersteigt.
Dies ist auf die öfentliche Ordnung, Sicherheit und Landesverteidigung bezogen und
betrift damit unter anderem die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Kernenergie, Erfassen
und Abhören von Kommunikation, Verschlüsselungstechnik, Wafen, Munition und
Kriegsgerät, Glücksspiel und Kasinos sowie andere Branchen.
Deutschland
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann Übernahmen prüfen und
untersagen, die auf eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent hinauslaufen, wenn
die betrefende Transaktion die Sicherheit oder öfentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dieses Überprüfungsverfahren ist nicht auf bestimmte
Wirtschaftszweige beschränkt.
Italien
Italien hat ein nationales Sicherheitsüberprüfungssystem, das in den Bereichen Landesverteidigung, Energie, Transport und Kommunikation gilt, und zwar „in Fällen, in denen
durch eine Übernahme oder eine andere Art von Transaktion die Gefahr einer „ernsthaften Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Staates entsteht.“
Litauen
Litauen untersagt ausländische Investitionen in Bereichen der nationalen Sicherheit
und Verteidigung. Der staatliche Verteidigungsrat kann Ausnahmen für Investoren aus
EU- und NATO-Ländern gestatten.
Polen
Ausländische Unternehmen benötigen für den Erwerb in Grenzgebieten gelegener
Immobilien wie auch für Investitionen in Flughafenverwaltungsgesellschaften die
Genehmigung der Regierung. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung dürfen
keine Flughäfen eröfnen.
Portugal
Es gibt keine formale Sicherheitsüberprüfung für ausländische Investitionen in
Portugal. Nur einige sensitive Bereiche werden von den jeweils zuständigen Behörden reguliert, beispielsweise im Transport- und Telekommunikationswesen.
Slovenien
Ausländische Firmen dürfen Wafen weder herstellen noch mit ihnen handeln.
Spanien
Ausländische Investoren, die sich an spanischen Unternehmen aus dem Rüstungssektor beteiligen möchten, benötigen die Genehmigung der Regierung.
Schweden
Unternehmen mit ausländischem Mehrheitsanteil benötigen für die Herstellung von
Kriegsmunition die Genehmigung der Regierung.
Großbritannien
Der Innenminister kann bei Unternehmenszusammenschlüssen, die die nationale
Sicherheit oder bestimmte öfentliche Interessen beeinträchtigen könnten aufgrund
verschiedener Vorschriften intervenieren, unter anderem aufgrund des Industriegesetzes und des Unternehmensgesetzes. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Regelungen für Investitionen in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Energie und Schiffahrt. Im Einzelfall erfolgt die Überprüfung ausländischer Investitionen durch das Oice
of Fair Trading (OFT) und die Competition Commission.
Quelle: Nationale Regierungsquellen, OECD Investment Policy Reviews, OECD-WTO-UNCTAD Berichte zu G20
Handels- und Investitionsmaßnahmen sowie US Department of Commerce Investment Climate Statements.
50
MERICS
4. Bedenken gezielt ausräumen
Ein „race to the bottom“ bei Sozial- und Umweltstandards?
Zu guter Letzt gibt es aus Sicht der Zielländer Bedenken, ausländische Investoren könnten
„bad practices“ exportieren und damit eine Abwärtsspirale bei Arbeits-, Umwelt- und anderen Standards einleiten. Dies gilt insbesondere im Falle von OFDI aus Schwellenländern, da diese im Allgemeinen weniger gut reguliert sind als die aus Industrieländern.
Chinesische Firmen operieren in einem institutionellen und regulatorischen Umfeld, das
sich sehr stark von dem der meisten anderen großen Investorenländer unterscheidet (Abbildung 22). In Europa gab es mehrere Fälle, die Bedenken aukommen ließen, dass bei einer
Zunahme chinesischer Investitionen die geltenden arbeitsrechtlichen Standards, die Umweltgesetze oder die Steuervorschriften unterminiert werden könnten. Bekannte Beispiele dafür sind die italienische Stadt Prato, wo chinesische Unternehmer das „Modell“
chinesischer Ausbeuterbetriebe auf Europa übertragen haben; der COSCO-Betrieb im Hafen
von Piräus, durch den zwar die Produktivität gesteigert, die Position der örtlichen Gewerkschaften jedoch unterwandert wurde, sowie der Fall von COVEC in Polen, bei dem
das chinesische Unternehmen seine Konkurrenz preislich deutlich unterboten, dann jedoch
seine vertraglichen Verplichtungen nicht eingehalten hatte.52
Abbildung 22:
Chinesische
Unternehmen
sind ein anderes
regulatorisches
Umfeld gewöhnt
Governance Quality
Index, ausgewählte
Länder
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
-1,5
Mitspracherecht und Verantwortlichkeit
Index: 2.5=hoch;
–2.5=niedrig
Politische Stabilität
Regierungseffektivität
Qualität der Rechtsvorschriften
Rechtsstaatlichkeit
Korruptionskontrolle
-2,0
Deutschland
Japan
EU (Durchschn.)
USA
Italien
China
Russland
Quelle: Weltbank
Bedenken hinsichtlich regulatorischer Standards sind unnötig
Wir halten solche Ängste für unberechtigt, sofern es robuste verbindliche Vorschriften gibt,
die auch ordnungsgemäß durchgesetzt werden. Chinesische Firmen, die sich in Europa
niederlassen, müssen die am Niederlassungsort geltenden Gesetze einhalten. Verstöße
können geahndet und Verplichtungen auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Die
genannten Beispiele chinesischer Unternehmer und Firmen in Europa beruhen zumeist
darauf, dass die Kapazitäten vor Ort nicht ausreichen, um Gesetze tatsächlich durchzusetzen und Verstöße zu ahnden. Deshalb sind wir der Aufassung, dass es gerade
umgekehrt ist: Je mehr chinesische Unternehmen sich durch ausländische Direktinvestitionen in Europa niederlassen, desto größer ist der Anreiz für chinesische Unternehmen,
sich den in den Industrieländern geltenden regulatorischen Standards anzupassen. Und
52 Ceccagno, Antonella (2012), van der Putten (2014), and Le Van (2012).
MERICS
51
4. Bedenken gezielt ausräumen
umso mehr Gelegenheit besteht auch, hierzulande gerichtlich gegen ein Fehlverhalten
chinesischer Firmen vorzugehen.
Der Sorge, dass durch den Markteintritt Chinas und anderer Schwellenländer eine regulatorische Abwärtsspirale entsteht, begegnet man daher am besten durch eine europaweite Harmonisierung der Arbeits-, Umwelt- und sonstigen Standards sowie durch eine
Stärkung der zur Rechtsdurchsetzung vorhandenen Kapazitäten der lokalen Behörden.
Darüber hinaus sollten Entscheider in Europa darüber nachdenken, wie sie die wachsende
Präsenz chinesischer Unternehmen vor Ort nutzen können, um Fortschritte bezüglich des
regulatorischen Umfelds (auch für europäische Unternehmen in China) zu erzielen. Ein
Beispiel dafür ist die Durchsetzung der geistigen Eigentumsrechte. Wenn sich chinesische
Unternehmen in Europa niederlassen und hier über erhebliches Vermögen verfügen, eröfnet
das neue Wege für Gerichte und Staatsanwälte, Schadensersatzansprüche gegen sie
durchsetzen zu können. Ein weiterer Bereich, in dem wir neue Chancen für Nationalstaaten
sehen, Verbesserungen zu erwirken, wäre eine intensivere Zusammenarbeit mit China
bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten. In China besteht großes Interesse, gegen
Korruption vorzugehen. Daraus ergeben sich neue Gelegenheiten für bilaterale Zusammenarbeit.
52
MERICS
5. Die Policy-Agenda für Europa
5. Die Policy-Agenda für Europa
Wir haben in dieser Studie argumentiert, dass, dass sich China deutlich von anderen bedeutenden ausländischen Investoren unterscheidet. Einerseits ergeben sich durch die
Größe, das Wachstum und die Komplementarität der chinesischen Volkswirtschaft einmalige
Chancen für Europa. Andererseits gibt es Bedenken angesichts Chinas politischem und
wirtschaftlichem System. So zum Beispiel gegenüber den weit verbreiteten staatlichen
Eingrifen oder Chinas Stellung im internationalen System. Diese Besonderheiten im Falle
Chinas stellen zwar das bestehende Paradigma nicht in Frage, dass ausländische Direktinvestitionen grundsätzlich positive Efekte für die Zielländer haben. Dennoch gibt es
einige Punkte, die politische Entscheider in Europa dringend angehen sollten, um auf
Chinas Aufstieg als gewichtiger OFDI-Exporteur zu reagieren, den damit verbundenen
Nutzen zu maximieren und gleichzeitig den Bedenken Rechnung zu tragen.
Eine bessere Datengrundlage ist nötig
Eine zentrale Erkenntnis dieser Studie lautet: Die derzeitige Datenlage reicht schlicht
nicht aus, nicht einmal für relativ leicht zu verfolgende Kapitallüsse wie Direktinvestitionen. China wächst zu einem massiven, aber weiterhin relativ undurchsichtigen Investor
heran. Es ist an der Zeit, bessere Ansätze zu entwickeln, um Umfang, Richtung und Trends
globaler Kapitallüsse zu verstehen. Die nationalen Statistikämter sollten angemessene
Ressourcen bereitstellen, um die Datenerfassung zu verbessern und eine Analyse der für
die politische Entscheidungsindung relevanten Kapitallüsse und Kennzahlen leisten zu
können. Organisationen wie der IWF, die OECD und die UNCTAD, die alle über das notwendige
Fachwissen verfügen, könnten einen multilateralen Prozess in Gang setzen, um die
Transparenz zu verbessern und globale Kapitalströme in Echtzeit zu verfolgen, statt diese
Ströme nur nachträglich zu dokumentieren. Forschungseinrichtungen und der Privatsektor können diesen Prozess mit neuen Ideen und innovativen Ansätze unterstützen.
Handlungsprioritäten auf EU-Ebene
Abgesehen von der problematischen Datenlage haben wir verschiedene Bereiche analysiert, die politische Entscheider dringend angehen sollten. Auf der EU-Ebene sehen wir
dabei die folgenden Prioritäten:
Erstens: Wenn Europa verstärkt ausländische Direktinvestitionen aus China anziehen möchte,
die produktiv sind und Arbeitsplätze schafen, muss es zu allererst die strukturellen Hürden
beseitigen, die Wachstum verhindern. Chinesische Investitionen sind für Europa als zusätzliche Wachstumsanreize von großer Bedeutung. Allerdings steht Europa im Wettbewerb um
diese Kapitallüsse und muss die notwendigen Strukturreformen erfolgreich umsetzen.
Zweitens wird es elementar sein, ein solides bilaterales Investitionsabkommen abzuschließen. Dieses sollte die bestehenden Asymmetrien im Marktzugang abbauen, sich auf
eine kurze Negativliste beschränken und europäischen Unternehmen mehr Marktzugangsrechte einräumen. Auf diese Weise würden nicht nur faire Wettbewerbsvoraussetzungen
für EU-Unternehmen geschafen, sondern die Investitionsfreiheit würde auch von den
Bürgern der EU und von europäischen Parlamenten getragen.
Drittens halten wir eine Debatte über eine stärkere Angleichung der Investitionsprüfungen
innerhalb Europas für dringend erforderlich. Dies ist nicht nur notwendig, um die Eizienz
und Kohärenz dieser Überprüfungen aus sicherheitspolitischen Gründen zu verbessern.
MERICS
53
5. Die Policy-Agenda für Europa
Es dient auch dazu, das Vertrauen der Bürger in eine gesamteuropäische Lösung zu stärken, der es gelingt, Risiken zu minimieren. Nur so können populistische Gegenbewegungen und die Politisierung von Transaktionen vermieden werden. Letztendlich liegt die
Verantwortung für solche Überprüfungen bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Gemeinsame Regeln und eine bessere Koordination sind jedoch wichtig, um das Vertrauen in diese
nationalen Verfahren und deren Eizienz zu erhalten.
Viertens müssen sich die politischen Entscheider in Europa der Frage stellen, wie zu reagieren wäre, falls Peking die Strukturreformen, die es im Hinblick auf Subventionen und
andere wettbewerbsverzerrende staatliche Eingrife zugesagt hat, langsamer umsetzt
als es seiner wachsenden Rolle als Investor entspricht. Der beste Ausgangspunkt für
Überlegungen über mögliche Ansätze auf europäischer Ebene sind die vorhandenen
wettbewerbspolitischen Instrumente, etwa die Regelungen für staatliche Beihilfen.
Handlungsprioritäten für Deutschland und andere Nationalstaaten
Aus Sicht der Einzelstaaten sehen wir folgende Prioritäten, die wir am Beispiel Deutschlands illustrieren:
Erstens wird es wichtig sein, den Grundsatz der Investitionsfreiheit zu verteidigen. Als
Mitglieder der EU sind Deutschland und andere EU-Staaten verplichtet, ihre Grenzen für
Kapitallüsse aus Drittstaaten ofenzuhalten. Chinesische Investoren erfreuen sich fairer
Gleichbehandlung. Es könnte jedoch sein, dass die Zunahme chinesischer Transaktionen
ähnlich wie in anderen Teilen der Welt zu populistischen Gegenreaktionen führt. In einem
solchen Fall müssten Regierung und Verantwortliche zum Grundsatz der Investitionsfreiheit
stehen und diesen verteidigen.
Zweitens: Deutschland verfügt zwar schon über ein vergleichsweise efektives und gut
ausgestattetes System der Investitionsförderung, doch nachdem sich China zu einer signiikanten Kapitalquelle entwickelt hat, sollten die bestehenden Ansätze überdacht werden.
Dazu gehört der Ausbau der Kapazitäten in China, um Investoren vor Ort besser zu unterstützen. Weitere Bemühungen sollten sich darauf richten, China-speziische administrative
Barrieren zu verringen. Ein noch stärkerer Fokus auf innovations-intensive Industrie und
Investitionsausweitungen nach Übernahmen wäre empfehlenswert.
Drittens: Es ist entscheidend, dass einlussreiche EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland
und andere die derzeitigen Bemühungen der EU um ein überzeugendes bilaterales Investitionsabkommen mit China unterstützen, und dass Europa mit einer Stimme spricht.53
Die informelle Diskriminierung ausländischer Unternehmen in China muss beendet werden.
Bei der Überwachung der diesbezüglichen Fortschritte kommt den Regierungen der
Einzelstaaten eine wichtige Rolle zu, weil diese sich nicht einfach durch ein bilaterales
Investitionsabkommen regeln lassen. Die europäischen Regierungen müssen gegenüber
der chinesischen Führung auf der Umsetzung eines neuen Regulierungsrahmens bestehen,
der gleiche Voraussetzungen für in- und ausländische Firmen schafen soll. Hochrangige
Regierungsvertreter müssen diesen Reformprozess positiv begleiten, aber auch beharrlich
auf Verzögerungen und mangelnden Fortschritt hinweisen.
Viertens: Eine Vorzugsbehandlung für nationale Spitzenunternehmen, eine strategische
Industriepolitik und staatliche Eingrife bleiben Säulen des chinesischen Wachstumsmodells.
Deutschland und andere EU-Staaten sollten mehr Mühe auf die Entwicklung von WorstCase-Szenarien verwenden, für den Fall, dass sich daran nichts ändert. Die EU-Staaten
53 Meunier (2014).
54
MERICS
5. Die Policy-Agenda für Europa
verfügen diesbezüglich über einige Instrumente, die sie künftig einsetzen könnten (u. a.
Wettbewerbspolitik, Ofenlegungsplichten oder die Regulierung öfentlicher Beschaffung). Es ist notwendig sich heute mit solchen Szenarien auseinanderzusetzen, um im
Ernstfall vorbereitet zu sein.
Ein Zeitfenster zur Neugestaltung der globalen Investitionsordnung
Der Aufstieg Chinas zum globalen Investor eröfnet jedoch nicht nur Chancen auf EU- und
einzelstaatlicher Ebene, sondern auch für die Wiederbelebung pluri- und multilateraler Initiativen im Zusammenhang mit globalen Investitionslüssen. Nachdem die Gespräche über ein
multilaterales Investitionsabkommen (MAI) 1998 gescheitert waren, liegt ein wirklich globaler
Ansatz für Investment Governance auf Eis. Chinas neuerliches Interesse an aktiven Auslandsinvestitionen bietet eine gute Gelegenheit, die Diskussion über neue Regelungen wieder aufzunehmen, um die Investitionsfreiheit weltweit festzuschreiben und Grundregeln für
zulässige Ausnahmen festzulegen. So etwa zur Überprüfung im Hinblick auf Belange der
nationalen Sicherheit, die Wettbewerbspolitik und Investitionssubventionen. Denkbar wäre
eine Vermittlung etwa durch die G20, durch regionale Organisationen, durch den Ausbau bestehender institutioneller Plattformen für die Diskussion derartiger Themen (zum Beispiel
OECD oder IWF) oder durch neue Gespräche über ein multilaterales Investitionsabkommen
(MAI) der nächsten Generation. Eine gemeinsame hochrangige Arbeitsgruppe zu Investment
Governance, die drei Pole der globalen Wirtschaftsordnung – die EU, die USA und China –
zusammen bringt, wäre ein guter Anfang. Auch hier kann Deutschland eine führende Rolle
spielen und den Prozess initiieren und steuern.
Mehr als OFDI: Die neue Ära chinesischen Kapitals erfordert einen Politikwandel
Ausländische Direktinvestitionen dienen als Testfall für einen größeren Veränderungsprozess, um den Herausforderungen in der neuen Ära chinesischen Kapitals gewachsen
zu sein. Mit den ausländischen Investitionen sind immense Chancen und Herausforderungen verbunden, die in dieser Studie zusammengefasst wurden. Daraus ergibt sich, dass
Chinas Aufstieg in Europa und anderen Teilen der Welt einen Wandel der wirtschaftspolitischen Ausrichtung im Verhältnis zu China erforderlich macht. In den letzten zwei Jahrzehnten haben die meisten Staaten ihre Wirtschaftspolitik zu China auf einige wenige
Anliegen reduziert (Handel, Schutz geistigen Eigentums, Marktzugang). Diese Einstellung muss sich ändern: Künftig gilt es, ein viel breiteres Themenspektrum zu behandeln.
Diese „Normalisierung“ der Wirtschaftspolitik in Bezug auf China geschieht allerdings unter dem Vorzeichen, dass China eine außerordentlich große Volkswirtschaft mit vielen
Besonderheiten ist, die sich von anderen Wirtschaftspartnern unterscheidet.
Diese neue wirtschaftspolitische Agenda wird auch eine stärkere Koordination und
Zusammenarbeit verschiedener Ministerien und Verwaltungsapparate innerhalb der Einzelstaaten erfordern. Ebenso relevant werden eine bessere Kooperation zwischen den
Einzelstaaten sowie eine klarere Kompetenzverteilung zwischen den Einzelstaaten und
der EU sein. Wenn diese Anpassung ausbleibt und am bisherigen Kurs festgehalten wird,
entgehen Europa nicht nur attraktive Chancen, die sich aus der neuen Position Chinas in
der Weltwirtschaft ergeben. Auch die Interessen der Bürger und Unternehmen Europas
würden ignoriert. Dies könnte zu populistischen Abwehrreaktionen führen, die sich gegen chinesische Investitionen und die wirtschaftliche Verlechtung mit China generell
richten. Europäische Entscheider müssen Sorge tragen, dass wir die vielfältigen Chancen
nutzen, die Chinas Umstellung auf ein neues Wachstumsmodell bietet.
MERICS
55
Tabelle 4:
Die Europäische Policy-Agenda bezüglich chinesischer OFDI
China-speziische Besonderheiten
Chancen
FDI erhöht das Investitionsvolumen in
Empfängerländern
Im nächsten Jahrzehnt wird China zu den Ländern mit dem
höchsten OFDI Wachstum gehören
(1–2 Billionen USD bis 2020)
FDI vertieft die Anbindung von Empfängerländern
an globale Wertschöpfungsketten und
Exportmärkte
China ist bereits einer der wichtigsten Exportmärkte
der EU; durch bessere Anbindungen kann dies noch stärker
genutzt werden
FDI kann zu höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung
(F&E), Spezialisierung und der Ausbildung von Arbeitskräften
beitragen
Chinesische Firmen wollen Lücken im eigenen
Fachkräfteangebot durch ausländische F&E schließen und
werden selbst wichtige Innovatoren
Risiken
FDI kann die Volatilität von Investitionen und Preisen
in Empfängerländern erhöhen.
China ist ein Schwellenland mit einem fragilen
Finanzsystem, dem schwierige Reformen im Finanzsektor
und Kapitalmarktöfnung bevorstehen
Ausländische Direktinvestitionen können zu Ungleichgewichten
führen, wenn der Marktzugang
nicht symmetrisch ist
China proitiert in der EU vom freien Kapitalverkehr, hält aber
an vielen formellen (und informellen) Beschränkungen für
ausländische Investitionen fest
Subventionen und andere politische Vorteile für bestimmte
Investoren können den globalen Wettbewerb um Übernahmen
verzerren und zu suboptimalen wirtschaftlichen Ergebnissen
führen
Chinesische Firmen, insbesondere Staatsunternehmen,
proitieren von Subventionen und anderen Formen der
Vorzugsbehandlung, durch die sie anderen Firmen gegenüber
im Vorteil sind; die derzeitige Welle großer Fusionen wird
diese Situation noch verschärfen
Ausländische Übernahmen können zum Transfer
von wichtigem Know-how und industriellen
Kapazitäten führen
Das Hauptmotiv der in Europa investierenden chinesischen
Unternehmen ist der Zugang zu Technologie und Know-how;
und chinesische Industriepolitik könnte Technologietransfer
oder die Auslagerung von F&E-Aktivitäten nach China
forcieren, die nicht Marktlogik oder Standortvorteilen folgen
Unter bestimmten Bedingungen können ausländische Übernahmen Risiken für die nationale Sicherheit
von Empfängerländern darstellen
Die Größe der chinesischen Volkswirtschaft kombiniert mit
Chinas ungewöhnlichem polit-ökonomischen System
machen China zu einem besonderen Fall in Bezug auf
Sicherheitsrisiken
Ausländische Direktinvestitionen können zu einem
„race to the bottom“ bei arbeits-, umwelt- und
anderen Standards führen
Chinesische Firmen operieren daheim in einem
institutionellen und regulatorischen Rahmen, der sich stark
von dem in Industrienation unterscheidet, was zu einem
Export von solchen Standards führen könnte
56
MERICS
Politikempfehlungen für die EU
Politikempfehlungen für Deutschland
(1) Langfristige Probleme im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit
lösen, um für FDI attraktiv zu bleiben
(1) Führungsrolle bei der Wiederherstellung europäischer
Wettbewerbsfähigkeit wahrnehmen
(2) Einhaltung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Mitgliedstaaten
durchsetzen
(2) Anzahl China-speziischer Fachkräfte für Investitionsförderung
erhöhen und neue Möglichkeiten für gezielte Investitionsförderung,
subnationale und intra-europäische Koordination ausloten
(3) Investitionsförderung besser koordinieren, insbesondere durch
Anbindung an die europäische Infrastrukturagenda
(1) Risiken für kleinere EU-Staaten/Beitrittskandidaten
überwachen
(2) Kapitallüsse in speziische Anlageprodukte stärker
überwachen (z.B. Immobilien)
(3) Transparenz bzw. Datenerfassung bezüglich Kapitalströmen
(inkl. Kreditvergabe und öfentliche Aufträge) verbessern
(1) Bilaterales Investitionsabkommen mit robusten
Marktzugangsrechten abschließen
(3) Zusammenarbeit mit anderen, um globale Investitionsfreiheit
als Anreiz zu fördern
(3) Vorbereitet darauf sein, das Prinzip der Investitionsfreiheit auch
im Falle von umstrittenen Übernahmen zu verteidigen
(1) Potenzielle Risiken identiizieren, die in bestimmten Branchen
und Anlageklassen durch den Zuluss chinesischen Kapitals
entstehen könnten.
(2) Zunehmende Kapitallüsse von Finanzinvestoren aus
China verstärkt beobachten
(1) China gegenüber auf bilateralen Marktzugang dringen
(2) Europäischen Einluss durch bessere Abstimmung der
europäischen Interessen maximieren
(3) EU-US-China Dialog zu Global Investment Governance
initiieren
(1) Unterstützung der laufenden Reformen in China aber
Vorbereitung auf Worst-Case-Szenarien, falls Reformen
ausbleiben
(2) Untersuchen, inwieweit eine externe Dimension des
„state aid“ Regimes der EU hilfreich wäre
(1) Die chinesische Seite an ihren Reformzusagen messen
(2) Optionen für Worst-Case-Szenarien jenseits des bestehenden
Investitionsprüfungsprozesses entwickeln, um solche
wirtschaftlichen Bedenken von der Sicherheitsprüfung zu trennen
(3) Ofenlegungsanforderungen für Staatsunternehmen prüfen
(1) EU-Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für F&E stärken
um chinesische Neuansiedlungen anzulocken
(1) Strategisch über mögliche chinesische Beiträge zur lokalen
Innovationskapazität nachdenken
(2) Langzeitfolgen von chinesischen Investitionen auf lokale
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit besser untersuchen
(2) Mehr Mittel zur Verfügung stellen, um langfristige Risiken für
verschiedene Branchencluster zu untersuchen
(3) Wettbewerbspolitik und andere zur Verfügung stehende
Instrumente nutzen, um Bedenken bezüglich Übernahmen
zu begegnen, die Innovation/Wettbewerb gefährden könnten
(1) EU-weiten Dialog über bessere Koordination von nationalen
Sicherheitsüberprüfungen in Gang setzen
(1) Mehr Transparenz durch Veröfentlichung der Basisdaten von
Sicherheitsprüfungen
(2) EU-China-Dialog über Deinitionen und „Best Practices“
ermöglichen
(2) An europäischem Dialog zu Koordination bzw. Informationsaustausch teilnehmen
(3) Globale Diskussion über „best practices“ und Modelle
vorantreiben
(1) Arbeits-, umweltrechtliche und sonstige Vorschriften in der EU
stärker harmonisieren
(2) Sicher stellen, dass schwächere Staaten ausreichend
Kapazitäten haben um diese Standards durchzusetzen
(3) Institutionelle Entwicklung zu einer stärkeren Konvergenz mit
Marktwirtschaften in China unterstützten
(1) Die mit FDI verbundene stärkere physische Präsenz von
chinesischen Unternehmen positive nutzen hinsichtlich
Streitigkeiten und etwaiger Verfehlungen
(2) Zusammenarbeit mit China im Bereich von Wirtschaftsstraftaten
verbessern
MERICS
57
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MERICS
59
Datenanhang
Datenanhang
Diese Studie stützt sich auf einen von der Rhodium Group (RHG) entwickelten Transaktions-Datensatz
zu chinesische Direktinvestitionen in Europa. Darin enthalten sind die Fusionen, Übernahmen und Neugründungen durch chinesische Unternehmen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Amtliche Statistiken aus China und Europa sind für eine gründliche Echtzeitanalyse der chinesischen Investitionsmuster ungeeignet, da sie erst mit erheblichem Zeitverzug vorliegen und aufgrund der Nutzung
von Ofshore-Finanzzentren und anderen Faktoren verzerrt werden. Datenbestände, in denen Informationen zu einzelnen Transaktionen zusammengeführt werden, sind eine hilfreiche Alternative, um chinesische
Direktinvestitionen im Ausland zu untersuchen.
Die RHG-Datenbank beruht auf der Identiikation und Aggregation einzelner chinesischer Investitionen in
der EU (Unternehmen aus Hongkong und Taiwan sind nicht berücksichtigt). Dafür werden verschiedene
Kanäle genutzt: unter anderem kommerzielle Datenbanken, Online-Suchalgorithmen, Medienberichte,
Meldungen an Behörden, Geschäftsberichte, Wirtschaftsverbände, amtliche Quellen, Investitionsförderungsstellen und Branchenkontakte. Der Datenbestand umfasst nur Transaktionen, die nach den allgemein üblichen
internationalen Deinitionen als Direktinvestitionen anzusehen sind, d. h. Neugründungen (GreenieldProjekte) und Beteiligungen an bestehenden Unternehmen in der EU, bei denen sich die Beteiligung auf
mindestens zehn Prozent des Eigenkapitals oder der stimmberechtigenden Anteile beläuft. Dienstleistungsverträge, Beschafung oder andere Elemente, die im Zahlungsbilanzhandbuch des IWF nicht als Investition
deiniert sind, werden nicht berücksichtigt. Der Mindestwert für die in die Datenbank aufgenommenen
Einzeltransaktionen beträgt eine Million Euro.
Übernahmen werden nur berücksichtigt, wenn sie tatsächlich zustande kommen. Sie werden zum Datum
des Zustandekommens aufgenommen. Neugründungen werden nur berücksichtigt, wenn die Projekte bereits begonnen haben. Sie werden zum Zeitpunkt des ersten Spatenstichs oder sonstigen Beginns aufgenommen. Ausgaben für über mehrere Jahre laufende Neuvorhaben werden inkrementell verzeichnet, wenn
sie tatsächlich getätigt werden. Die Transaktionswerte werden addiert, und zwar entweder mit dem amtlichen Wert oder mit einem Schätzwert, welcher auf Variablen wie der Anzahl der Beschäftigten, den
Jahreseinnahmen oder auf dem Wert ähnlicher Projekte beruht. In CNY oder anderen Fremdwährungen
gemeldete Transaktionswerte werden in Euro umgerechnet, auf der Grundlage des durchschnittlichen
Wechselkurses für das Jahr, in dem die Transaktion erfasst wird. Die Werte für Fusionen und Übernahmen
berücksichtigen sowohl Eigenkapitalinvestitionen als auch die Übernahme von Schuldverplichtungen.
Durch die Transaktionsdaten werden etliche Probleme der amtlichen Daten vermieden, insbesondere der
erhebliche Zeitverzug und die Verzerrungen, die sich durch die intensive Nutzung von Ofshore-Firmennetzwerken ergeben. Der Datenbestand bietet somit eine hilfreiche Alternative für die Echtzeit-Einschätzung
der Investitionsmuster und der Verteilung der Investitionen nach Wirtschaftszweigen, Einstiegsformen,
Geograie und Eigentumsverhältnissen. Die Transaktionsdaten sind jedoch nicht direkt mit den FDI-Statistiken
vergleichbar, die nach den für die Zahlungsbilanz geltenden Klassiizierungsgrundsätzen ermittelt werden.
Und sie können auch nicht für die Analyse von Fragen der Zahlungsbilanz herangezogen werden.
Die Jahresgesamtwerte der ausländischen Direktinvestitionen im RHG-Datenbestand sind im Allgemeinen
höher als die in den amtlichen Statistiken angegebenen jährlichen Mittellüsse. Dies hat vor allem zwei
Gründe: Erstens werden die Investitionen bis zum letzten wirtschaftlich Berechtigten zurückverfolgt,
während Investitionen, die durch Ofshore-Rechtsgebilde getätigt werden, in den Daten der Zahlungsbilanz
zumeist nicht erfasst werden. Zweitens weichen die für den RHG-Datenbestand verwendeten Deinitionen
und Rechnungslegungsgrundsätze leicht von den für die Zahlungsbilanz geltenden Grundsätzen ab. So
berücksichtigt zum Beispiel der RHG-Datenbestand den vollen Wert der Fusionen und Übernahmen (einschließlich der übernommenen Schulden), jedoch nicht die Rücklüsse nach China, die sich zum Beispiel
durch konzerninterne Transaktionen ergeben. Unterschiede sind auch bei der Erfassung von Transaktionen
möglich, bei denen nicht eindeutig abgrenzbar ist, ob es sich um Mittellüsse im Zusammenhang mit Portfolio- oder mit Direktinvestitionen handelt, zum Beispiel im Falle von Transaktionen bei Gewerbeimmobilien,
nicht operativen Beteiligungen in rohstofgewinnenden Industrien sowie von Aufwendungen für langfristige Pacht- bzw. Mietverträge, Luftfracht- und Infrastrukturprojekte.
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