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Matsushita: Der Rückhand-Seitenschnitt-Aufschlag
Diesmal steht ein echter Klassiker im Blick der Technikanalyse: der Rückhand-Seitenschnitt-Aufschlag. Ohne Frage, die Rückhand-Aufschläge gehören in der Weltspitze
heutzutage eher zu den Ausnahmen. Aber dennoch sind sie nicht ganz verschwunden.
Der kroatische Butterfly-Spieler Zoran Primorac ist wohl der markanteste Vertreter,
denn er spielt Rückhand-Aufschläge fast mehr als solche mit der Vorhand. Auch der
Weltranglistenfünfte Wladimir Samsonov aus Weißrussland und der belgische ExEuropameister Jean-Michel Saive greifen gegen bestimmte Gegner in bestimmten
Situationen gerne auf die Rückhand-Variante zurück. Jüngstes und prägnantestes
Beispiel ist freilich der deutsche Senkrechtstarter Dimitrij Ovtcharov, der einen extrem
guten Aufschlag mit der Rückhand präsentiert und sich im letzten halben Jahr unter die
TOP 25 der Welt gespielt hat.
Koji steht in der Vorhandseite leicht schräg zur Grundlinie (s. auch Foto S1).
Schläger und Ball sind etwa in Tischmitte (Foto 1). Der Oberkörper ist im
Hüftgelenk nach vorne gebeugt. Der Ball liegt im angespannten, leicht nach
innen gewölbtem Handteller. Der Blick ist auf den Ball fixiert. Dadurch wird
die Konzentration auf die Bewegungsausführung und den nachfolgend
antizipierten Spielzug gelenkt. Insgesamt ist der Körper auch durch Beugen
der Kniegelenke nach unten abgesenkt. Das Körpergewicht liegt eindeutig
auf dem vorderen rechten Bein beim Rechtshänder (Foto S1). Beim Linkshänder wäre es anders herum. Der Schläger in der rechten Hand ist etwas
tiefer als der Ball in der linken.
Bei einer Spielergruppe spielt der Rückhand-Aufschlag aber nach wie vor sogar eine
dominante Rolle. Die Defensivspieler wenden ihn sehr häufig an, weil sie nach seiner
Ausführung eine bessere Position zum Tisch haben. So ist es auch kein Geringerer als
Koji Matsushita, der uns den Rückhand-Seitenschnitt-Aufschlag vorführt. Der japanische Defensivkünstler gehört seit fast 20 Jahren zu den weltbesten Defensivspielern
und schaffte sogar den Sprung unter die TOP 20. Derzeit steht er auf Platz 54. Er gilt
als technischer Perfektionist und ist bekannt für sein stilvolles und elegantes Spiel.
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Die eigentliche Ausholphase wird durch den Ballhochwurf eingeleitet (Foto 2 und Foto
S1). Mit dem Hochwerfen des Balles richtet sich Koji aus der gebeugten tiefen Position
auf. Dabei lastet sein Körpergewicht allein auf dem vorderen Fuß, denn das linke hebt
Koji mit dem Hochwerfen an. Dies ist nicht zwingend notwendig, aber häufig zu beobachten, da durch den Stand auf einem Bein eine bessere Drehbewegung des Oberkörpers gewährleistet wird. Nach wie vor beobachtet er den Ball ganz genau. Interessant
auch wie sich der Handteller aufstreckt und dem Ball einen zusätzlichen Wurfimpuls gibt.
Der Schlagarm verbleibt in der alten Position.
Koji wirft den Ball bis etwa auf Augenhöhe an und hat ihn dabei
immer noch ganz fest im Blick (Foto 3). Den ballhochwerfenden
linken Arm zieht er dabei nach hinten unten zurück.
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Schlagphase und Balltreffpunkt (Foto 6)
Im höchsten Punkt des Ballhochwurfs, dem Umkehrpunkt, beginnt Koji den Schlagarm vor
dem Köper leicht nach oben zu bewegen (Foto 4). Er setzt diese Schlagarmbewegung in
Richtung linker Schulter fort. Auf Foto 5 dürfte er den Endpunkt der halbkreisförmigen
Ausholbewegung erreicht haben, während der Ball sich schon nach unten bewegt. Hier setzt
nun die eigentliche Schlagphase ein.
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Blitzschnell zieht Koji den Schläger nun in einer halbkreisförmigen Bewegungen
mit schräg gestelltem Schlägerblatt nach vorne unte unten. Die Schlagarmbewegung ist fast identsich mit der Ausholbewegung, nur dass sie nun wesentlich
schneller ausgeführt wird, um den nötigen Schnitt zu erzeugen (Foto 6). Interessant ist dabei, dass Koji den Unterarm nicht aus der Beuge nach vorne streckt,
sondern durch Anheben der rechten Schulter noch mehr beugt. Diese ruckartige
Bewgung im Schultergelenk möglicherweise in Verbindung mit einer winzigen
Handgelenkbewegung kann enorm viel Schnitt produzieren. Da der
Handgelenkeinsatz auf den Bildern 5-7 nicht erkennbar ist , können wir nicht
bestimmen, ob er den Aufschlag mit oder ohne Handgelenkeinsatz durchführt.
Fest steht jedoch - und das lässt sich sehr gut von der Schlägerkurve und der
Schlägerblattstellung ableiten -, dass es sich hier um einen lang platzierten Aufschlag mit Seitenunterschnitt handelt.
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Ausschwungphase (Fotos 7-9, S2)
Nach dem Ballterreffpunkt hebt Koji den stark gebeugten Schlagarm bis auf Schulterebene (Foto 7). Der Schläger befindet sich sogar über Kopfhöhe (Foto
8). Dies belegt, wie schnell, ja explosiv er seine Aufschlag-Armzugbewegung nach dem Überschreiten des Umkehrpunktes des Balles vollzogen hat. Dies zeigt
überdies, dass der Rückhand-Seitenschnitt-Aufschlag eine extrem gut koordinierte Ganzkörperbewegung ist, die ein genaues Timing verlangt.
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Foto S2 beweist zudem, das das Körpergewicht vom vorderen rechten Bein
in der Aushol- und zu Beginn der Schlagphase auf das hintere linke Bein
verlagert wird.
Prinzip Halbkreis und Fazit (Z)
Die Zeichnung verdeutlicht sehr anschaulich die kreisförmige Bewegung des Rückhand-SeitenschnittAufschlags. Trifft man den Ball in der Phase der nach unten gerichteten kreisförmigen Bewegung,
erhält der Ball mehr Unterschnitt (a). Trifft man den Ball genau in dem Punkt der waagerechten Bewegung (b), so erhält er Seitenschnitt. Trifft man den in der Phase des Hochziehens des Schläger, bekommt er sogar Seitenoberschnitt (c). Wenn dies nun noch mit unterschiedlichen Schlägerwinkeln
(stark geöffnet bis senkrecht) und unterschiedlichen Handgelenkeinsätzen geschieht, kann man sich die
große Zahl an Schnittvariationen vorstellen. Deswegen wird es auch immer wieder Spieler auf
Weltklasseniveau geben, die auf den Rückhand-Seitenschnitt-Aufschlag zurückgreifen. Deshalb sollte
er auch keinesfalls im Repertoire der Tischtennis-Grundschulung fehlen.
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