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Gill Marchant, Sue Brown & Andy Gray Biblische Geschichten erzählen Praxistipps für die Arbeit mit Kindern toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 1 Sue Brown · Andy Gray · Gill Marchant Top Tipps Biblische Geschichten erzählen Praxistipps für die Arbeit mit Kindern toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 2 Angaben zu den Bibelzitaten: Alle Bibelzitate stammen aus der Gute Nachricht Bibel Titel der englischsprachigen Orginalausgabe: „Top Tipps on Sharing Bible Stories“, erschienen bei: Scripture Union England & Wales ©2008 by Sue Brown, Andy Gray, Gill Marchant Innenillustrationen: Colin Smithson, UK Deutsch von Christina Alsop ©der deutschsprachigen Ausgabe: 2010 Bibellesebund e. V., Marienheide Satz: Breklumer Print-Service, Breklum Umschlaggestaltung: Nicole Laubach, Ranstadt, malerei-grafikdesign.de Umschlagfoto: iStockphoto, Randy Plett Druck: Bercker, Kevelaer ISBN-Nr.: 978-3-87982-363-5 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 3 INHALTSVERZEICHNIS Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kapitel 1: Was uns die Bibel über das Geschichten-Erzählen sagt . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kapitel 2: Grundsätze des Geschichten-Erzählens . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kapitel 3: Tipps für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Zehn Top Tipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 4 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 5 EINLEITUNG Jeder hat seine eigene einzigartige Geschichte zu erzählen, die manchmal Generationen zurückreichen kann. Auch Kinder können ihre Geschichte erzählen, sie spiegelt in den meisten Fällen den Familienhintergrund, das soziale Umfeld oder den schulischen Kontext wider. Geschichten sind Teil unseres Lebens. Daher ist es nicht überraschend, dass uns Geschichten faszinieren. Man muss kein Kind sein, um von einer gut erzählten Geschichte in den Bann gezogen zu werden. Unser ganzes Leben ist von Geschichten umgeben – wenn wir z. B. jemandem erzählen, was wir heute erlebt haben, die Nachrichten hören, Serien im Fernsehen oder Filme anschauen. In diesem Buch geht es darum, wie man Kindern biblische Geschichten erzählt. Vieles lässt sich jedoch auch auf das Geschichten-Erzählen für Jugendliche oder Erwachsene übertragen. Denkanstoß … Kannst du dich an die erste Geschichte erinnern, die dir je erzählt wurde? Wo hast du diese Geschichte gehört, wer hat sie erzählt und wie wurde sie erzählt? Schreib alle Attribute auf, die diese Geschichte für dich unvergesslich gemacht haben. Halte diese Liste bereit, während du dieses Buch liest, und denk weiter darüber nach. 5 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 6 Warum Geschichten erzählen? Man hat viel darüber nachgedacht, wie Geschichten „funktionieren“ und wie sie uns dabei helfen, die Welt zu verstehen. Fest steht, dass Erwachsene genauso wie Kinder und Jugendliche Geschichten brauchen, um alltägliche Erfahrungen einordnen zu können. Jede neue Geschichte wird dem persönlichen Geschichtenvorrat hinzugefügt, der uns Hilfen bietet, das Leben besser zu verstehen. Christen sind davon überzeugt, dass biblische Geschichten nicht einfach beliebige Geschichten sind, sondern besondere, weil sie von Gott reden. Indem wir uns diese Geschichten einprägen und sie weiter erzählen, wird Gott „durch die erzählte Geschichte aktiv“. Mit anderen Worten: Er bleibt nicht nur der Gott, der in der Geschichte vorkommt. Er wird vielmehr durch das Wirken seines Geistes schöpferisch in der Gegenwart tätig, wenn sich der Erzähler und die Zuhörer mit der Geschichte beschäftigen. Und wenn Gott so in unserer Auseinandersetzung mit der Geschichte am Werk ist, können wir eine Veränderung in uns sowohl beim Hören der Geschichte als auch beim Erzählen erwarten. In Wirklichkeit … Mitten im Erzählen einer Geschichte schenkt mir Gott manchmal eine neue Erkenntnis, die mir zuvor so nicht bewusst war. Dieser neue Hinweis geht oft mit einer Herausforderung in meinem eigenen Leben einher. Solche Momente zählen zu den Privilegien eines Geschichtenerzählers. 6 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 7 Wenn man Kindern biblische Geschichten erzählt, stellt sich heraus, dass das Verständnis des Wortes „Geschichte“ gar nicht so einfach ist. „Geschichte“ kann unterschiedliche Bedeutungen haben: • In unserer Vorstellung neigen wir dazu, Geschichten mit Fiktion gleichzusetzen, was bedeutet, dass unsere Aussagen nicht unbedingt der Wahrheit oder der Wirklichkeit entsprechen. Es könnte daher sein, dass Kinder fragen, ob die von uns erzählte biblische Geschichte denn auch wahr oder wirklich so passiert sei. Aus diesem Grund wird manchmal das Wort „Erzählung“ statt „Geschichte“ verwendet. • Geschichten erzählen kann auch heißen, Lügen zu verbreiten, Dinge übertrieben darzustellen oder über jemanden herzuziehen. Diese negative Bedeutung des Wortes „Geschichte“ ist auch Kindern durchaus bekannt. • Mit „Geschichte“ kann ein „historischer“ Bericht gemeint sein, eine tatsächliche, persönlich von jemand erlebte Begebenheit – eine Erfahrung, die zum Leben eines Menschen gehört. • Eine Erzählung oder Geschichte kann frei erfunden sein mit der Absicht, einen Sachverhalt oder eine Idee zu verdeutlichen. Als Erzähler einer biblischen Geschichte sollten wir darauf hinweisen, dass es sich z. B. um ein Gleichnis handelt, das mit der Absicht erzählt wird, eine Lehre zu vermitteln, oder um den Bericht über ein Ereignis, das tatsächlich so stattgefunden hat. Wir müssen unseren Zuhörern mitteilen, ob wir als Erzähler Teil dieser Geschichte sind und was diese Geschichte für uns persönlich bedeutet. 7 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 8 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 9 KAPITEL 1 WAS UNS DIE BIBEL ÜBER DAS GESCHICHTEN-ERZÄHLEN SAGT Geschichten aus der Bibel und die biblische Geschichte Die Bibel ist voller Geschichten. Mit welcher sollen wir beginnen? Machen wir uns zunächst bewusst, dass jede einzelne biblische Geschichte ihren Platz unter dem Spannungsbogen der Heilsgeschichte hat. Gottes große Geschichte handelt von seiner Beziehung zu der von ihm erschaffenen Welt: eine Geschichte über Schöpfung, Rebellion, Erlösung und Wiederherstellung. Im Zentrum dieser Geschichte steht Gott selbst. Manche Mitarbeiter in der Kinderarbeit erarbeiten diese große biblische Geschichte kontinuierlich, indem sie einzelne Geschichten in chronologischer Reihenfolge vom ersten Buch Mose bis zur Offenbarung erzählen. Andere beschäftigen sich mit bestimmten Themen oder Personen und versuchen, diese in den gesamtbiblischen Zusammenhang einzuordnen. In der Bibel findet sich mehrmals die Aufforderung, die Geschichten vom Reden und Handeln Gottes an Kinder weiterzugeben. 2 Mose 12,26 und Josua 4,6 halten fest, wie den Israeliten von Gott aufgetragen wird, ihren Kindern zu erklären, warum sie bestimmte Handlungen vornehmen oder spezielle Orte aufsuchen: „Und wenn euch eure Kinder fragen, was das bedeutet, dann antwortet ihnen ...“ In Psalm 78 spricht der Psalmist davon, dass er diese Geschichten nicht verschweigen, sondern sie der 9 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 10 kommenden Generation erzählen wird. Durch den Propheten Joel (1,3) weist Gott sein Volk an, die Botschaft nicht nur an die nächste Generation weiterzugeben, sondern auch an nachfolgende Generationen: „Erzählt es euren Kindern, damit sie es ihren eigenen Kindern weitersagen und diese wieder der folgenden Generation ...“. Auch im Neuen Testament weist Jesus darauf hin, dass man bestimmte Geschichten immer wieder erzählen wird. Matthäus 26 berichtet davon, dass eine Frau kostbares Salböl über Jesu Kopf ausgießt und Jesus sagt (Vers 13): „Überall in der Welt, wo in Zukunft die Gute Nachricht verkündet wird, wird auch berichtet werden, was sie getan hat. Ihr Andenken wird immer lebendig bleiben.“ Viele Stellen im Alten Testament bezeugen Gott als den Herrn der Geschichte, namentlich der Geschichte seines Volkes. 2 Mose 3,6 berichtet davon, dass Gott dem Mose in einem brennenden Dornbusch begegnet und ihm sagt: „Ich bin der Gott, den dein Vater verehrt hat, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Bei diesem Erlebnis wird Mose sich an all die Geschichten erinnert haben, die er über den Gott seiner Vorfahren gehört hatte. In dieser Situation vernimmt er seinen Auftrag, nach Ägypten zurückzukehren und die Israeliten in das verheißene Land zu führen. Neben Geschichten, die von Menschen und ihren Begegnungen mit Gott berichten, finden sich in der Bibel auch Geschichten, die einen bestimmten Sachverhalt ansprechen. 2 Samuel 12 schildert, wie der alttestamentliche Prophet Nathan dem König David eine solche Geschichte vorträgt. David ist vom Inhalt dieser Geschichte, dass da ein reicher Mann seinem armen Nachbarn das einzige Lamm, an dem dessen Herz hing, 10 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 11 wegnahm, zunächst sehr empört und muss vom Propheten darauf hingewiesen werden, dass er selber in dieser Geschichte vorkommt und sein eigenes Verhalten angesprochen wird. Denkanstoß … Falls du schon lange Christ bist, denk mal über die biblischen Geschichten nach, die du gehört hast. Wer hat sie dir erzählt? An wen in der nächsten Generation hast du sie weitergegeben? Falls du gerade erst Christ geworden bist, fragst du dich vielleicht: „Was bedeuten diese Geschichten für mich?“ Bitte Gott darum, dir diese Geschichten zu erschließen, und dann erzähl weiter, was du entdeckt hast, damit ihr gemeinsam in der Liebe zu Gott wachst. Wenn Jesus Geschichten erzählt Jesus gebraucht Geschichten, wenn er seinen Jüngern etwas erklären will, wenn Menschen zusammenkommen, um ihm zuzuhören oder wenn er mit den theologischen Lehrern seiner Zeit diskutiert. Am bekanntesten sind die Gleichnisse, mit denen Jesus sich an seine Zuhörer wandte. Aber auch auf die alttestamentliche Überlieferung greift Jesus zurück, als ihm z. B. die Pharisäer vorhalten, seine Jünger machten sich schuldig, weil sie am Sabbat Ähren ausrauften. Hier verteidigt Jesus das Handeln seiner Jünger mit dem Verweis auf David, der die Schaubrote aß, die nur den Priestern vorbehalten waren. In Lukas 4,25-27 nimmt Jesus Bezug auf die Geschichte 11 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 12 von Elija, der zu einer Witwe in Sarepta gesandt wurde, und Elischa, der zu Naaman, dem Syrer, geschickt wurde, um deutlich zu machen, dass ein Prophet in seiner Heimatstadt wenig Akzeptanz findet. Außerdem erwähnt Jesus auch aktuelle Ereignisse, um wichtige Aussagen zu unterstreichen. Womöglich war der in Lukas 12 erwähnte Hausherr, der von Dieben heimgesucht worden war, eine damals vielen bekannte Persönlichkeit. Wenn Jesus Geschichten erzählte, benutzte er Bilder, die seinen Zuhörern vertraut waren, und knüpfte an ihnen bekannte Erfahrungen an. Obwohl er auf durchaus alltägliche Erfahrungen und Vorstellungen zurückgriff, um schwierige, missverständliche Zusammenhänge zu erläutern, waren auch seine Jünger wiederholt auf zusätzliche Erklärungen angewiesen (Lukas 18,34): „Die Zwölf verstanden kein Wort.“ Jesus stellte ihre vorgefassten Meinungen infrage, indem er die Geschichte für sich selber sprechen ließ. Einige seiner Gleichnisse erklärte er seinen engsten Nachfolgern, selten gab er solche Erläuterungen einer größeren Zuhörerschaft. Denkanstoß … Fühlst du dich versucht, ausdrücklich auf die Bedeutung der Geschichte hinzuweisen? Warum folgst du nicht dem Beispiel Jesu und lässt die Geschichte für sich selbst sprechen? Natürlich müssen wir beim Erzählen biblischer Geschichten – einschließlich solcher, die von biblischen Personen selbst erzählt werden – darauf achten, dass unsere Zuhörer aus ihrer Lebenserfahrung heraus eine Beziehung zu jenen Personen und zu jener Zeit herstellen 12 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 13 können. Vielleicht müssen einzelne Elemente einer Geschichte erst erläutert werden, weil sie bei unseren Zuhörern nicht (mehr) als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Sorge dafür, dass die Kinder mitkriegen, dass es sich um eine Geschichte aus der Bibel handelt. Du kannst ihnen auch zeigen, wo diese Geschichte in der Bibel zu finden ist. In Wirklichkeit … Ich habe Kindern an einer Schule in einem sozialen Brennpunkt die Geschichte von Rut und Noomi erzählt. Noomis Erfahrung, ihre Heimat wegen einer Hungersnot verlassen und in einem neuen Land leben zu müssen, war hier vielen Kindern bekannt. Auch sie hatten ihre Verwandtschaft zurücklassen müssen. Solche persönlichen Erfahrungen haben ihnen ein besseres Verständnis der Geschichte ermöglicht. 13 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 14 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 15 KAPITEL 2 GRUNDLAGEN DES GESCHICHTEN-ERZÄHLENS Die Auswahl einer biblischen Geschichte Es stehen so viele gute Geschichten zur Auswahl. Welche soll man denn erzählen? Sind alle biblischen Geschichten für Kinder geeignet, oder sollte man gezielt auswählen? Die Geschichte von Amnon und seiner inzestuösen Beziehung zu seiner Halbschwester Tamar (2 Samuel 13) dürfte für die meisten Kinder nicht geeignet sein. Mit Unterstützung der Eltern jedoch kannst du diese Geschichte dazu nutzen, dem Thema Missbrauch in der Familie nachzugehen. Bei jungen Leuten wiederum könntest du die Geschichte eher anwenden. Der Kontext, die Zuhörer und das Thema werden daher deine Auswahl beim Geschichten-Erzählen beeinflussen. Der Bibellesebund England und Wales hat eine Umfrage durchgeführt: Man wollte herausfinden, welche zehn biblischen Geschichten unbedingt an die kommende Generation weitergegeben werden sollten. Hier ist das Ergebnis (in der Reihenfolge der Nennungen): Jesu Geburt, Jesu Tod und Auferstehung, die Schöpfung und Adam und Eva, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, die Zehn Gebote, das Gleichnis vom verlorenen Sohn, Noah und die Arche, David und Goliath, Daniel in der Löwengrube, die Speisung der 5000. Bist du überrascht? Alle biblischen Geschichten wurden aus einer Glaubensperspektive geschrieben. Sie sollten nicht nur be15 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 16 richten, was geschehen ist, sondern dieses Geschehen auch als Teil von Gottes Geschichte mit den Menschen darstellen. So sind zum Beispiel die Erzählungen über einzelne Könige in den Büchern der Könige und der Chronik keine vollständigen Darstellungen ihrer Taten, sondern eine gezielte Auswahl, um Gottes Handeln mit Israel zu zeigen. Die Schreiber des Neuen Testaments kannten die Schriften des Alten Testaments und nahmen oft direkt oder indirekt darauf Bezug. Die christliche Gemeinde liest die Schriften des Alten Testaments aus neutestamentlichem Blickwinkel, vom Mensch gewordenen Sohn Gottes her, der für uns gestorben und auferstanden ist. Das hat zur Folge, dass Christen die Geschichten von Mose und Abraham „neutestamentlich“ auslegen. Ein Jude oder Moslem, für den Mose und Abraham auch bedeutende Gestalten sind, wird deren Geschichten anders interpretieren. Das muss bedacht werden, wenn wir solche Geschichten erzählen und Kinder vor uns haben, die durch eine andere Religion geprägt sind. Wenn du die biblische Geschichte, die du erzählen willst, frei auswählen kannst, solltest du dir die folgenden Fragen stellen. Die Antworten darauf werden deine Auswahl und die Art des Erzählens beeinflussen. • Wer sind deine Zuhörer? • Wie alt sind sie? • Wo erzählst du diese Geschichte? • Wie viel Zeit hast du? • Kennst du die Kinder gut, ein bisschen oder gar nicht? • Hast du ihnen schon einmal Geschichten erzählt? • Kommen sie aus einer christlichen Sozialisation und hören sie öfter biblische Geschichten? • Ist dir ein Thema gestellt worden? 16 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 17 Denkanstoß … Beantworte diese Fragen in Bezug auf eine dir bekannte Gruppe von Kindern in deiner Gemeinde. Was solltest du bedenken, wenn du in dieser Gruppe eine Geschichte erzählst? Denk dann an Kinder in einem anderen Kontext, zum Beispiel in der Schule oder in einem Verein. Wie würdest du diesen Kindern eine Geschichte erzählen? Vergleiche diese Gruppen und versuche dir vorzustellen, wie du mit ihnen umgehen würdest. Die Wahl des Schwerpunkts Wir müssen uns entscheiden, welche Elemente einer Geschichte wir herausstellen möchten. Lies die Geschichte sorgfältig, möglichst in mehr als einer Übersetzung. Notiere dir alle Punkte, die in dieser Geschichte wichtig sind. Versuch dabei herauszufinden, worauf es dem biblischen Verfasser ankam. Entscheide dann, worauf du dich konzentrieren willst. Deine Antworten auf die oben formulierten Fragen werden dir dabei helfen. 17 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 18 In Wirklichkeit … Als ich die Geschichte von Rut und Noomi in einer Gruppe von Kindern mit Migrationshintergrund erzählte, betonte ich Gottes Nähe zu uns, auch wenn wir von unserer Familie und der uns vertrauten Kultur getrennt sind. Diese Perspektive bestimmte, wie ich die Einführung der Geschichte gestaltete und welche Punkte ich betonte. Die Zuhörer im Blick Während des Erzählens einer Geschichte finden mehrere Begegnungen statt: • Der Erzähler begegnet den Zuhörern und umgekehrt. • Jeder hat die Möglichkeit, Gott zu begegnen. • Die Zuhörer begegnen einander. Wenn wir eine Geschichte erzählen, bringen wir unser eigenes Verständnis davon in der Erzählung zum Ausdruck. Unsere Zuhörer suchen ihren Zugang zu der Geschichte. Falls ihr Gottes-, Welt- und Selbstbild sich von unserem unterscheidet, werden sie die Geschichte womöglich ganz anders verstehen, als wir es erwartet hätten. Das muss uns nicht irritieren, wenn wir bedenken, dass unsere Begegnung sich nicht zwei-, sondern dreidimensional abspielt: der Erzähler, der Zuhörer und Gott. Wir können Gott zutrauen, die Geschichte zu gebrauchen. Jemand hat einmal behauptet, dass biblische Geschichten in uns wirken, sich im Unterbewusstsein festsetzen und uns von dort aus beeinflussen. Das sind doch super Aussichten, oder? Das ist natürlich keine Entschuldigung für schlechte 18 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 19 Vorbereitung. Wir müssen gründlich daran arbeiten, so viele Verbindungen wie möglich mit der Welt der Kinder, die uns zuhören, herzustellen. In Wirklichkeit … 46 Kinder im Alter von elf Jahren wurden gefragt, was sie von der Noah-Geschichte gelernt hatten. Die Antworten fielen recht unterschiedlich aus: 16 empfanden die Geschichte als Herausforderung, sich um diese Welt zu kümmern, 19 wollten ihr Verhalten überprüfen, 4 wollten neu über Gott nachdenken, 6 hatten Mitleid mit den Tieren oder sahen Noah als Vorbild. Nur ein Schüler fühlte sich gar nicht angesprochen. Was einen guten Erzähler ausmacht Wir können biblische Geschichten vorlesen, und es gibt sehr gute Bücher mit biblischen Geschichten für die verschiedenen Altersgruppen. Eine Geschichte vorzulesen bedeutet für den Leser, dass er mit jedem Wort die Absicht und das Gefühl des Schreibers wiedergibt. Gutes Lesen mit wechselnder Geschwindigkeit, Akzentuierung, Lautstärke und Emotion ist eine Kunst für sich. Ein Bilderbuch kann noch eine zusätzliche Dimension beim Erzählen einer Geschichte öffnen. Freies Erzählen gibt uns die Möglichkeit, unser eigenes Verständnis, unsere eigenen Gefühle und Worte mit einzubringen. Es gibt uns die Freiheit, Stellen hervorzuheben, die für unsere Zuhörer von besonderem Interesse 19 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 20 sein könnten, und in unserer Wortwahl ihr Aufnahmevermögen zu berücksichtigen. Wir können im Erzählen der Geschichte einen Teil von uns selbst weitergeben – wie sie uns beim ersten Hören angerührt hat, was die Geschichte uns bedeutet. Wir können die Geschichte so erzählen, dass es zum Lernstil unserer Zuhörer passt – sind sie geneigt, nachzudenken, sich über Erfahrungen auszutauschen oder haben sie eher einen praktischen Zugang zum Gehörten? Solche Überlegungen sollten sich auswirken auf das Erzählen einer Geschichte. Die Kunst des guten Geschichten-Erzählens liegt darin, auswendig zu sprechen. Selbst kurze Blicke auf den Text lenken vom Zuhören ab. Denk daran: Zu jeder Geschichte gehört ... … ein Anfang, an dem die entscheidenden Personen vorgestellt werden, der geschichtliche Hintergrund aufgezeigt wird, der Kontext der Geschichte und etwaige Spannungen zwischen den Personen (oder innere Konflikte einer Person) beschrieben werden. … ein Mittelteil, der beschreibt, wie sich einzelne Personen entwickeln oder neue Erkenntnisse über sich oder andere gewinnen. Er zeigt weitere Konflikte auf und bereitet uns auf den nächsten Teil vor. 20 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 21 … ein Ende, an dem die Lösung der Konflikte uns glücklich oder traurig stimmen mag, oder uns mehr Fragen aufgibt. … eine Frage oder Herausforderung, wie z. B. „Und was ist mit dir?“ In Wirklichkeit … Wenn ich eine neue Geschichte lerne, schreibe ich sie manchmal auf und zeichne mir kleine Bilder wie im Comic. Manchmal erzähle ich mir die Geschichte immer und immer wieder, bis ich die richtigen Worte finde ... nicht selten unter der Dusche! 21 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 22 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 23 KAPITEL 3 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Wie viel von der Geschichte kann ich erzählen? Vergewissere dich, dass der von dir präsentierte Kernpunkt auch tatsächlich dem biblischen Text entspricht. Es kann eine große Versuchung darstellen, Aussagen anderer Bibelstellen zu benutzen, die jedoch (wenn wir ehrlich sind) im vor uns liegenden Text nicht betont werden. Um ein Beispiel zu nennen: Kernpunkt der Geschichte von Zachäus und seiner Begegnung mit Jesus in Lukas 19 ist nicht, dass Jesus kleine Menschen und daher Kinder liebt. Das mag zwar wahr sein, aber Lukas bringt das schon im vorhergehenden Kapitel zum Ausdruck. Eine biblische Geschichte sollte nicht als Aufhänger benutzt werden, um unsere Lieblingsthemen zu transportieren! Wir müssen darauf achten, die ganze Geschichte wiederzugeben, wie sie in der Bibel dargestellt ist, und nicht solche Teile auszulassen, die uns unangenehm sind. Jemand fragte mal eine Gruppe von KindergottesdienstMitarbeitern, ob sie schon die Geschichte von Samuel und seinem Hören auf Gott erzählt hätten (1 Samuel 3, 1-11). Fast jeder hob die Hand. Als gefragt wurde, wer denn auch erzählt hätte, was Gott Samuel sagte, als er schließlich zuhörte (1 Samuel 3,12-18), hob nicht einer die Hand. 23 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 24 Vorbereitung Lies den biblischen Text Lies die biblische Geschichte in verschiedenen Übersetzungen und schlag in Kommentaren oder Auslegungen zum Text nach, soweit das möglich ist. Gute Übersetzungen und Kommentare sind auch über das Internet zugänglich. Lass dich von erfahrenen Mitarbeitern aus deiner Gemeinde beraten, was gute Studienbibeln, biblische Nachschlagewerke und Atlanten betrifft. Wenn es dir ernst damit ist, Kindern und jungen Leuten bei der Auseinandersetzung mit der Bibel zu helfen, wirst du dir nach und nach entsprechende Nachschlagewerke anschaffen. Einen Bibeltext in unterschiedlichen Übersetzungen zu lesen hilft, inhaltliche Nuancen zu erkennen. Kommentare geben Hilfestellung beim Verständnis des Hintergrundes und der Auslegung der biblischen Geschichte. Dadurch wird nicht nur unser Vorstellungsvermögen angeregt, wir werden gleichzeitig auch daran erinnert, am Text der Geschichte zu bleiben. So sollte jeder, der die Geschichte von Nehemia und dem Wiederaufbau der Stadtmauer von Jerusalem erzählt, die geschichtlichen und geographischen Hintergründe kennen. Betrachte die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln Man kann eine Geschichte aus dem Blickwinkel verschiedener Personen, die darin vorkommen, betrachten. Das Erzählen aus einer anderen, ungewohnten Perspektive bietet sich an, wenn eine Geschichte sehr bekannt ist. So könnte man die Geschichte vom Verhör Jesu einmal aus der Perspektive von Pontius Pilatus erzählen. 24 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 25 Erzähl die Geschichte in der ersten oder dritten Person In die Rolle der Person zu schlüpfen, von der die Geschichte handelt, kann sehr authentisch wirken, kann aber leicht auch erzwungen wirken. Wenn du in die Rolle des Hauptdarstellers schlüpfen willst, solltest du dir überlegen, was für diese Person typisch ist, z. B. eine andere Stimmlage, ein bestimmter Akzent, eine typische Geste oder ein bestimmter Gegenstand. Ab Seite 36 findest du weitere Anregungen zum Einsatz der eigenen Stimme. Denkanstoß … Such dir eine Person mit einer Nebenrolle in der biblischen Geschichte. Denk darüber nach, wie sie die Ereignisse sehen würde. Wie könntest du die Geschichte aus der Perspektive dieser Person erzählen? Schreib den Erzähltext auf Es kann hilfreich sein, deinen Erzähltext erst mal aufzuschreiben. Damit wird dir klar, was du sagen willst. Du kannst dann beim wiederholten Lesen entsprechende Änderungen vornehmen, außerdem wird dir der Text vertraut. Versuch, die Geschichte auswendig zu lernen, um nicht ins Vorlesen zu verfallen. 25 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 26 Falls du dir die Geschichte nicht einprägen kannst, notier dir die wichtigsten Ereignisse als Gedächtnisstütze. Der Anfang der Geschichte Willst du mitten in die Geschichte hineinspringen? Oder hast du vor, aus der Perspektive einer bestimmten Person mit der Geschichte zu beginnen? Beabsichtigst du, von Anfang an klarzustellen, dass die Geschichte aus der Bibel stammt? Willst du die Bedeutung der Geschichte erklären, bevor du zu erzählen beginnst? Wähle den Einstieg so, dass du die Aufmerksamkeit deiner Hörer gewinnst. Wenn es sich um eine biblische Geschichte handelt, ist es äußerst wichtig, nicht mit „Es war einmal ...“ zu beginnen, da diese Einleitung mit Märchen in Zusammenhang gebracht wird. Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass biblische Geschichten aus einer anderen Kultur und Zeit stammen und daher ein paar Hintergrundinformationen erforderlich sein können. Das Ende der Geschichte Formuliere den Schlusssatz vor und bleib dabei. Lass deine Zuhörer mit dem Wunsch zurück, mehr zu hören. Die Meinungen darüber, ob man die Bedeutung einer Geschichte erklären oder es den Zuhörern überlassen solle, selbst den Sinn herauszufinden, gehen auseinander. Wenn Jesus Gleichnisse erzählte, hängte er keine Erklärung an (mit Ausnahme des Gleichnisses von der guten Saat in Markus 4). Aber seine Zuhörer haben meist gut verstanden, worum es ging (zum Beispiel nach dem Hören des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, Lukas 10). Eine eindrucksvolle Geschichte, gut erzählt, wird Stunden, wenn nicht Tage 26 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 27 im Gedächtnis der Hörer fortleben, während sie darüber nachdenken oder sie sogar anderen weitererzählen. Der Heilige Geist wirkt im Gedächtnis der Zuhörer und kann dafür sorgen, dass sie Gottes Stimme hören. Wenn du allerdings den Eindruck gewinnst, dass dich deine Zuhörer missverstehen oder falsche Schlussfolgerungen aus der Geschichte ziehen, dann sind ein paar klärende Worte zur Kernaussage der Geschichte sicher angebracht. Normalerweise wird der wichtigste Punkt im Schlussteil erwähnt. Bei manchen Kindern lässt jedoch die Aufmerksamkeit nach, sobald sie meinen, die Geschichte sei gleich zu Ende, und dann kriegen sie die entscheidende Aussage nicht mehr mit. Vielleicht bringst du die Kernaussage der Geschichte eher in der Mitte ein und formulierst sie als Frage zu einer Person oder deren Verhalten. Dann kannst du diese Frage am Ende wieder aufgreifen und in die Runde fragen, wer eine Antwort darauf hat. In Wirklichkeit … Beim Erzählen der Geschichte von David, Abigajil und Nabal (1 Samuel 25) fragte ich die Kinder am Anfang, wer hier wohl die mutigste Person sei. Nachdem ich die Geschichte erzählt hatte, stellte ich die Frage erneut und ließ mir von den Kindern erklären, warum Abigajil die mutigste Person war. Übe das Erzählen allein oder mit einem Freund Stell dich vor einen Spiegel oder bitte eine Bekannte/ einen Bekannten, deine Mimik und Gestik zu beobach27 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 28 ten. Das mag dir zunächst peinlich sein, ist jedoch eine wertvolle Übung, um dir Eigenarten bewusst zu machen, aber auch dein Selbstvertrauen zu stärken. Wie Kinder eine Geschichte besser verstehen können Biblische Geschichten kommen aus einer anderen Kultur und einer anderen Zeit, daher werden deine Zuhörer ein wenig Hilfe benötigen, um zu den Ereignissen der Geschichte einen inneren Bezug zu finden. Einfache Fragen helfen Kindern bei der emotionalen Auseinandersetzung damit. Ein Beispiel: Naaman war wahrscheinlich sehr überrascht, als er auf eine solch ungewöhnliche Weise geheilt wurde. Frag deine Zuhörer, ob sie jemals eine Überraschungsparty erlebt haben oder einen Besuch von einer besonderen Person: Solch eine Erinnerung macht es ihnen leichter, eine emotionale Verbindung zu Naamans Erleben herzustellen. Wenn du deine Zuhörer an deinen eigenen emotionalen Reaktionen auf eine Geschichte teilhaben lässt, wird ihnen das ebenfalls den Zugang zu der Geschichte erleichtern. In Wirklichkeit … Wenn ich eine biblische Geschichte erzähle, die von einer Reise handelt, erinnere ich die Kinder daran, dass es damals noch keine Autos, Züge oder Flugzeuge gab. Die Leute gingen zu Fuß oder ritten auf einem Esel. 28 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 29 Hilfsmittel fürs Geschichten-Erzählen Es gibt drei Kanäle, über die wir Informationen aufnehmen: visuell (durch das, was wir sehen), auditiv (durch das, was wir hören) und kinästhetisch (durch das, was wir selber tun). Jeder nimmt Informationen nicht nur auf einem Kanal auf, sondern in der Regel über mehrere Kanäle, und wir tun gut daran, beim Erzählen die Gelegenheit zum hörenden, schauenden und handelnden Lernen zu geben. So können zum Beispiel visuelle Vorstellungen durch Worte oder Bilder hervorgerufen werden, hörendes Lernen wird durch das Beschreiben von Erinnerungen, die Betonung und das gezielte Einsetzen der Stimme angesprochen, während das Verbinden von Bewegungen mit Schlüsselwörtern die Hörer später an die Geschichte erinnert. Wir müssen nicht jedes Mal alle Kanäle nutzen, sollten sie aber gezielt einsetzen. Denkanstoß … Welchen Einfluss würde es auf deine Erzähltechnik haben, wenn du diese drei Kanäle der Informationsvermittlung bewusst einsetzt? Tausche mit anderen Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendarbeit deine Erfahrungen aus. Bilder und Illustrationen Bilder sind eine sehr gute und altbekannte Art, Menschen immer wieder zur Geschichte zurückzuholen. Benutze farbige Bilder oder auch aussagekräftige Schwarz-Weiß-Bilder in möglichst hoher Bildqualität und soweit vergrößert, dass sie auch in der hintersten Reihe gesehen werden können. 29 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 30 Requisiten und visuelle Hilfen Grundsätzlich können alle möglichen Gegenstände benutzt werden, um Aufmerksamkeit zu wecken und als Gedächtnisstütze zu dienen. So kannst du zum Beispiel verschiedene Objekte auf einem Tisch zurechtlegen, die in irgendeiner Weise mit deiner Geschichte zusammenhängen. Alternativ kannst du Gegenstände in einer „Geschichten-Tasche“ oder einem Karton verbergen und sie im passenden Augenblick hervorholen. Handpuppen Handpuppen sind in einzigartiger Weise geeignet, Kontakt zu Menschen herzustellen. Selbst sonst schwer zu erreichende Kinder lassen sich durch sie ansprechen. Handpuppen können eine Geschichte erzählen oder sie vorspielen, sie können in eine Geschichte hineinführen oder über deren Bedeutung sprechen. Bevor du eine Handpuppe aussuchst, überleg dir, welche Charakterzüge sie haben sollte, und such dann eine aus, die diese Züge trägt . Übe mit deiner Handpuppe vor einem Spiegel. So siehst du die Handpuppe aus der Perspektive deiner Zuhörer und kannst entsprechende Bewegungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck bringen. • Wenn die Handpuppe „spricht“, solltest du als Geschichtenerzähler auf alle Fälle die Puppe anschauen, und die Puppe sollte mit den Zuhörern „Blickkontakt“ herstellen. Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder eine bessere Beziehung zu Handpuppen herstellen können, die „sprechen“, als zu solchen, die jemandem nur ins Ohr flüstern. • Wenn eine Handpuppe spricht, müssen ihre Lippen 30 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 31 sich etwa so viele Male bewegen, wie Silben im gesprochenen Text vorhanden sind. Falls eine Puppe zum Beispiel einen langen Satz „sagt“, aber ihren Mund nur einmal öffnet, fällt Kindern diese Unstimmigkeit schnell auf und die innere Beziehung zwischen ihnen und der Puppe nimmt Schaden. • Die Puppe erstarrt nicht, wenn sie nicht spricht. Sie muss umherschauen und sich weiter bewegen, auch wenn gerade andere Dinge passieren. Schattenspiele sind eine effektive und althergebrachte Art, um Geschichten zu erzählen. Du brauchst nur einige Handpuppen, einen Vorhang und Beleuchtung. Nimm die erzählte Geschichte vorher auf und lass die Schattenpuppen als Schauspieler agieren. Hier wie auch im Blick auf andere Hilfsmittel gilt: Die Puppe sollte nicht wichtiger werden als die Geschichte, die du erzählst. Alle Erzählmethoden sind nur ein Mittel zum Zweck und sollten niemals wichtiger werden als die Geschichte selber. 31 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 32 Wiederholung Wiederholung kann Aufmerksamkeit dauerhaft erhalten – besonders bei jüngeren Kindern. Wiederholte Schlüsselsätze und aktive Teilnahme können in die Geschichte mit eingebunden werden. Das fördert nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern ruft auch das Hauptanliegen der Geschichte immer wieder ins Gedächtnis. Wenn du ein Motto mehr als einmal wiederholst, fühlen sich die Zuhörer dadurch zum Mitmachen aufgefordert. Aller guten Dinge sind drei Im europäischen Kulturraum findet sich in vielen volkstümlichen Geschichten eine Konstellation aus drei Figuren – wie zum Beispiel „Goldlöckchen und die drei Bären“ oder „Die drei kleinen Schweinchen“1. Gute Geschichten haben oftmals drei Hauptpersonen, enthalten drei Wünsche oder drei Antworten auf eine Fragestellung. Der Geschichtenerzähler Chris King behauptet, dass die Dreierkonstellation in einer Geschichte verschiedene Handlungsoptionen und Meinungen zulässt. Er hat recht! Versuch es doch einmal mit drei verschiedenen Personen oder drei möglichen Antworten auf eine Frage. Oder lass die Personen in der Geschichte auf drei verschiedene Arten reagieren. Mach mal ein paar Versuche mit diesen Konstellationen und beobachte, welche unterschiedlichen Reaktionen das bei deinen Zuhörern auslöst. 1 Hier handelt es sich um volkstümliche Geschichten für Kinder aus dem englischen Sprachraum. Ein Beispiel aus dem deutschen Sprachraum: „Vom klugen Schneiderlein“ (Grimms Märchen). 32 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 33 Vorstellung und Vortrag Technische Hilfsmittel Durch die Verwendung einiger technischer Hilfsmittel kannst du die Geschichte, die du erzählst, noch anschaulicher und eindrücklicher machen. Die Geschichte kann mit passender Musik eingeleitet werden, mit einer PowerPoint-Präsentation lassen sich entscheidende Szenen illustrieren, vielleicht bietet es sich auch an, die Geschichte anhand von Cartoons zu entwickeln. Falls du solche Hilfsmittel einsetzen möchtest, achte darauf, dass alles komplett vorbereitet ist, zuverlässig funktioniert, sicher zu benutzen und leicht zugänglich ist. Dies gilt besonders für elektronische Ausrüstung, bei der man oft mit der Tücke des Objekts zu kämpfen hat. Wenn möglich, benutze deine eigene Ausrüstung, denn dann weißt du, wie die Geräte funktionieren! Auf jeden Fall solltest du vermeiden, dass ein technisches Problem den Erzählvorgang unterbricht. Falls du dich auf die technische Ausrüstung anderer verlassen musst, solltest du vor der Veranstaltung die entsprechenden Funktionen ausprobieren oder deine Vorstellungen demjenigen mitteilen, der die Geräte bedient. Falls im Verlauf der Geschichte Änderungen nötig sein sollten, kann man sich auf ein Zeichen dafür einigen, damit der Erzählfluss nicht unterbrochen werden muss. Technische Hilfsmittel, so großartig sie auch sein mögen, müssen nicht zwingend eingesetzt werden. Manchmal sind ganz einfache Requisiten, oder gar keine, am effektivsten. Bitte beachte hierzu auch den Abschnitt zum Thema „Godly Play“ auf Seite 42, der ein gutes Beispiel für diesen Ansatz zeigt. 33 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 34 Körpersprache Stillstehen oder sich bewegen Ein guter Grund, sich zu bewegen, ist die Darstellung verschiedener Schauplätze der Geschichte. Zwei Personen könnten zum Beispiel an verschiedenen Orten stehend dargestellt werden. Zu viel Bewegung wirkt jedoch eher verwirrend und signalisiert Nervosität und Unbehagen beim Erzähler. Sitzen oder Stehen Ob man sitzt oder steht, hängt von der Zahl der Zuhörer ab, dem Aufbau des Raumes und davon, ob man Anschauungsmaterial einsetzen will. Es ist hilfreich, so nah wie möglich an den Hörern zu sein, damit man Blickkontakt halten und ihnen auf Augenhöhe begegnen kann. Letztendlich kommt es darauf an, dass der Erzähler entspannt ist. Blickkontakt Zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Erzählers gehört, Blickkontakt mit seinen Zuhörern aufzubauen. Häufiger Blickkontakt trägt auch dazu bei, Gruppendisziplin und Konzentration aufrecht zu erhalten. Der erfahrene Erzähler benutzt diese Verbindung mit den Zuhörern, um subtile Hinweise auf das Fortschreiten der Geschichte mitzuteilen. Das Benutzen einer Tafel oder von Anschauungsmaterial kann den Blickkontakt abbrechen lassen, obwohl schüchterne oder ängstliche Kinder vielleicht lieber eine Tafel oder Handpuppe anschauen als den Erzähler. 34 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 35 Gesichtsausdruck Falls du Blickkontakt im Erzählprozess einsetzt, musst du dir deines Gesichtsausdrucks fortwährend bewusst sein. Das Gesicht kommuniziert viele Informationen. Die Zuhörer können diese unterschwelligen Signale deuten. Denk darüber nach, wie du diese Signale in deiner Geschichte einsetzen kannst, und trainiere sie, so dass sie ganz natürlich in deine Geschichte mit einfließen. Denkanstoß … Wenn du das nächste Mal eine Geschichte erzählst, beachte mal deine eigene Körpersprache. Wie viel bewegst du dich? Was bringt deine Körpersprache deinen Zuhörern gegenüber zum Ausdruck? Besorg dir ein Buch über Körpersprache und finde heraus, wie du deine Geschichten noch besser kommunizieren kannst. Armbewegungen und Körpersprache Denk darüber nach, welche Bewegungen du in deiner Geschichte einsetzen möchtest, und übe das Erzählen damit. Bitte jemanden, dir beim ersten Erzählen zuzuhören, und sprich darüber, ob deine Bewegungen den Hörern bei der Aufnahme des Erzählten helfen. Es könnte sein, dass du beim Erzählen unbewusst Bewegungen machst, die vom Erzählten ablenken. Vermeide „verschlossene“ Körpersprache, die der Beziehung zu deinen Zuhörern hinderlich ist. So solltest du auf keinen Fall mit 35 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 36 verschränkten Armen dastehen, während du eine Geschichte erzählst. Einsatz der Stimme Tempo Die Geschwindigkeit, in der gesprochen wird, hilft den Zuhörern, Wichtiges von weniger Wichtigem in der Geschichte zu unterscheiden. Zunehmendes Tempo lässt die Spannung steigen, die gleiche Wirkung zeigen knappe Worte, zum Beispiel kurze, unvollständige Sätze. Detaillierte Beschreibungen, längere Sätze und Dialoge verlangsamen die Erzählung. Solch ein gezieltes „Bremsen“ ist z. B. dann angebracht, wenn du die Zuhörer zum Nachdenken über eine besondere Stelle in der Geschichte bringen willst. Eine Verzögerung des Sprechtempos kann die Hörer auch zur Identifikation mit einer Person in der Geschichte bringen, oder aber nach einem besonders bewegten Teil der Geschichte eingesetzt werden. Eine Beschleunigung des Erzähltempos zeigt eine von den handelnden Personen empfundene Dringlichkeit oder aber deinen Wunsch, zum nächsten wichtigen Ereignis weiterzugehen. Denkanstoß … Hör jemandem beim Geschichten-Erzählen zu und achte besonders auf den Einsatz der Stimme, wie damit eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre erzeugt wird. Notiere dir, wann und wo das Sprechen beschleunigt oder verlangsamt wird und wie sich das auswirkt. 36 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 37 Stimmhöhe Für unbeschwerte, heitere Momente, aber auch für stressige Situationen solltest du eine höhere Stimmlage benutzen. Aber bitte nicht piepsen! Wenn man aufgeregt ist oder sich über etwas ärgert, verkrampft man sich körperlich, auch die Stimmbänder werden angespannt. Daraus resultiert ein Ansteigen der Stimmhöhe. Wenn man entspannt ist, klingt die Stimme weicher. In ärgerlicher Stimmung atmet man mehr Luft ein. Die Luftröhre weitet sich, die Stimmbänder gehen weiter auf. Deshalb wird die Stimmlage niedriger als unsere normale Sprechlage, was sich manchmal rauer anhört. Beim Erzählen kann man diese Effekte nachahmen und so seinen Zuhörern helfen, die von uns geschilderten Emotionen oder Situationen nachzuvollziehen. Stille Stille schafft Atmosphäre. An der richtigen Stelle eingesetzt, sollte man die sprichwörtliche „Stecknadel fallen hören“. Das könnte der Moment sein, wenn eine Person zum ersten Mal etwas erkennt, oder der Augenblick, wenn sich nach äußeren oder inneren Konflikten eine Lösung ergibt. Stille kann Erwartung erzeugen, den Zuhörern aber auch inneren Raum schaffen, um zu fragen: „Was geschieht als Nächstes? Was würde ich in dieser Situation tun?“ Akzent und Dialekt Die Wiedergabe eines bestimmten Akzents, der eine Person kennzeichnet, oder eines Dialekts, den jemand spricht, muss wirklich gut gemacht werden, ansonsten sollte man besser darauf verzichten. Vielleicht solltest du einen bestimmten Akzent bei einer Nebenfigur aus37 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 38 probieren, statt mit der Hauptfigur eventuell gleich etwas falsch zu machen. Sei vorsichtig mit dem Gebrauch von Akzenten und Stimm-Darstellungen, die ungute Klischeevorstellungen ins Gedächtnis rufen und beleidigend wirken. Das Publikum mit einbeziehen Leute aus dem Publikum können beim Erzählen der Geschichte mitwirken. Sie können zum Beispiel einzelne Figuren darstellen, während die Geschichte weiter erzählt wird. Sie müssen deswegen nicht sprechen. Sie können Kerngedanken vorlesen, Schlagworte oder Bilder präsentieren. Achte darauf, welche Kinder du zum Mitmachen aufforderst, berücksichtige ihre Persönlichkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Vermeide es, Erwachsene in Verlegenheit zu bringen oder die Autorität einer Person zu untergraben, indem du sie aufforderst, etwas Lächerliches zu tun. Du könntest vor Beginn der Veranstaltung freiwillige Helfer fragen, ob sie bereit sind, mitzuwirken, und ihnen kurz beschreiben, was sie zu tun haben. In welchem Umfang das Publikum mit einbezogen werden kann, muss vor Ort geklärt werden. Beobachte, wie dein Publikum auf bestimmte Wörter, 38 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 39 Sätze oder Textpassagen reagiert. Dies wird deine Fähigkeiten als Erzähler verbessern, du merkst es, wenn du die Geschichte das nächste Mal erzählst. Die Geschichte wird sich manchmal wie von selbst erzählen, indem du dich mit deinem Publikum auseinandersetzt, und du wirst neue Ideen haben, während du erzählst. Hab keine Scheu, im Erzählprozess auf die Eingebungen des Heiligen Geistes einzugehen. Aber bleib immer der Geschichte treu und behalte stets den Kontext im Hinterkopf. Falls dein Publikum sich langweilt oder zappelig wird, was bei jüngeren Zuhörern leicht mal vorkommen kann, geh schnell zum nächsten Teil der Handlung über. Falls dein Publikum sichtlich in die Geschichte eintaucht, kannst du ruhig mehr Zeit auf Beschreibungen verwenden. Es hängt von deinen Zuhörern ab, ob du deine Geschichte knapper oder ausführlicher darbieten kannst, und daran bemisst sich die Menge an Detailinformationen ebenso wie dein Sprechtempo. In Wirklichkeit … Ich erzählte einer Gruppe junger Leute die Geschichte vom Verlorenen Sohn in modernem Kontext. Dabei beschrieb ich eine enge Gasse, in der reihenweise die Mülleimer eines Restaurants standen. Ich schilderte den Gestank, die Fäulnis und den Abfall in allen Einzelheiten, indem ich die Geschichte verlangsamte, als der junge Mann gerade etwas essen wollte, das er gefunden hatte. Dies war für uns eine so widerliche Vorstellung wie es das Schweinefutter für den jungen Mann im Gleichnis gewesen sein muss. 39 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 40 Verschiedene Erzählarten Es gibt viele verschiedene Arten, biblische Geschichten zu erzählen. In Wirklichkeit … Einmal habe ich am Anfang einer Geschichte vergessen, eine wesentliche Information weiterzugeben. Als mir das aufgefallen ist, habe ich meine Erzählung nicht unterbrochen, sondern die Information mit in die Geschichte einfließen lassen. Es ist keinem aufgefallen, aber ich habe es mir gemerkt, als ich diese Geschichte das nächste Mal erzählte. Einsatz der Vorstellungskraft Wir gebrauchen unsere Phantasie, ob wir nun Geschichten lesen oder sie hören. Vor unserem inneren Auge stellen wir uns die beschriebenen Szenen bildhaft vor. Einige biblische Geschichten enthalten Hinweise, durch 40 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 41 die der Autor uns eine bildhafte Vorstellung der Geschehnisse ermöglicht. Betrachte in diesem Zusammenhang die Beschreibung der Speisung der 5000 im Markusevangelium (Markus 6,39), wo „... sich alle in Tischgemeinschaften im grünen Gras niedersetzten“. Oder sehen wir uns an, wie im ersten und zweiten Samuel-Buch vom Leben Davids berichtet wird: voller Sprachkraft, anschaulich und lebendig. Sollte der biblische Bericht kurz gehalten sein, können wir dennoch den Zuhörern beim Gebrauch ihrer Vorstellungskraft helfen. Wenn wir uns zum Beispiel Josefs und Marias Reise von Nazareth nach Bethlehem vorstellen, können wir über die ganze Länge und Breite des Weges nachdenken. War es ein flacher oder kurvenreicher Weg, ging er durch Täler oder über Hügel? Wie mag es wohl gewesen sein, in einem von den Römern besetzten Land zu leben? Was bedeuten diese Strapazen für eine hochschwangere Frau? Nachschlagewerke liefern uns Fakten, die unsere Vorstellungskraft beflügeln. Mit unserer Vorstellungskraft können wir uns in die Geschichte hineinbegeben und nehmen nicht nur Fakten zur Kenntnis. Multisensorische Geschichten Wir können Menschen helfen, neuen Zugang auch zu den Geschichten zu finden, die sie schon oft gehört haben, indem wir im Erzählprozess mehrere Sinne ansprechen. Das gibt dem Erzähler die Chance, aus passiven Zuhörern aktive „Teilnehmer“ seiner Geschichte zu machen, sodass mehr Menschen etwas davon mitbekommen. „Xpedition Force“, eine Freizeit des Bibellesebundes England und Wales hat die Ereignisse der Karwoche 41 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 42 zum Thema, wie sie im Matthäusevangelium dargestellt werden. Jede der fünf Veranstaltungen spricht jeweils schwerpunktmäßig einen unserer Sinne an: das Gehör mit dem Klang von Jesu Ritt nach Jerusalem, den Geruchssinn mit dem Parfüm, das über Jesu Füße gegossen wurde, den Geschmack mit dem letzten (Passah)Mahl, den Tastsinn in Verbindung mit dem Verrat und der Kreuzigung, das Sehvermögen mit der Auferstehung. Dieses Konzept hat sich als sehr effektiv erwiesen, um die Ereignisse in der Woche vor Jesu Kreuzigung zu veranschaulichen. In Wirklichkeit … Eine Jugend-Mitarbeiterin in Yorkshire hatte das Tosen von Wellen und stürmischer See aufgenommen. Sie spielte diese Aufnahme ein, während sie ihrer Jugendgruppe die Geschichte von der Stillung des Sturms vorlas. Die Mitglieder der Gruppe schlossen die Augen, um sich die Szene bildhaft vorzustellen. An bestimmten Stellen fragte die Leiterin ihre Zuhörer, was sie in dieser Situation denken und wie ihnen zumute ist. Viele bekannten, dass sie sich mit der Geschichte stärker als je zuvor identifiziert hatten. Godly play Der besondere Erzählansatz des Godly play2 wurde von Dr. Jerome Berryman aus den Vereinigten Staaten ent2 Godly play bedeutet so viel wie „göttliches Spielen“, ein Wortspiel, das zur Benennung dieses besonderen Erzählansatzes verwendet wird. 42 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 43 wickelt, der hierzu Teile aus der Montessori-Pädagogik verwendete. Beim regulären Geschichten-Erzählen spielt der Erzähler eine Schlüsselrolle, aber das ist bei Godly Play nicht der Fall. Der Erzähler spielt eine untergeordnete Rolle und nimmt keinen Blickkontakt mit den Hörern auf. Die Geschichte und ihre Hörer stehen im Mittelpunkt. Erreicht wird das dadurch, dass man zum Beispiel schlichte hölzerne Figuren, farbige Materialien und offene Fragen einsetzt, die zum Nachdenken anregen und nach Antworten verlangen. Bei dieser Methode sagt der Erzähler den Teilnehmern absichtlich nicht, worauf die Geschichte hinausläuft. Stattdessen wird die Gruppe dazu aufgefordert, über die Geschichte nachzudenken und ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen – die Geschichte spricht für sich selbst. Zum Abschluss jedes Godly Play werden die Kinder aufgefordert, die Geschichte nachzuerzählen und sie eigenständig weiter zu erforschen, indem sie verschiedenen multisensorischen Aktivitäten nachgehen. Mehr Infos dazu unter: http://www.godlyplay.de/ Darstellung einer biblischen Figur Ein ausgezeichneter Ansatz, Geschichten zum Leben zu erwecken, für den aber viel Zeit und Aufwand benötigt wird, wenn er überzeugen soll. Erzähl die Geschichte in der ersten Person, entweder als biblische Figur selbst oder als ein imaginärer Beobachter, der die Handlung so mitbekommen haben könnte. Du musst die biblische Person und ihre Reaktionen erforschen, damit du ihre Beweggründe und Emotionen verstehst. Du schreibst am besten auf, was du sagen willst, als Monolog, als eine Art Drehbuch. Wenn man Geschichten auf diese Art weitergeben will, ist auch die richtige Zeitform wichtig. 43 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 44 Bitte jemanden, deinen Text zu lesen und dir Rückmeldung zu geben, wie es ihm damit ergangen ist. Vielleicht hat diese Art des Erzählens mehr mit dem Schauspielern gemein als mit dem Geschichten-Erzählen. Man sollte aber darauf achten, dass die künstlerische Darstellung nicht wichtiger wird als die Geschichte. Es wäre ja traurig, wenn die Zuhörer dich zwar für einen wunderbaren Schauspieler halten, sich aber an kein Wort deiner Geschichte mehr erinnern können! In Wirklichkeit … Eine meiner Lieblings-Darstellungen einer biblischen Person fand in einem Weihnachtsgottesdienst statt. Mein Sohn war wenige Wochen vorher geboren worden, und mit dem Baby auf dem Arm erzählte ich die Geschichte von Josefs erster Nacht mit dem kleinen Jesus. Es war richtig rührend für mich und (so hoffe ich jedenfalls) für meine Zuhörer. Ich schöpfte hierbei aus dem Schatz meiner persönlichen Erfahrungen: Diese fast unerschöpfliche Quelle steht jedem Erzähler zur Verfügung. 44 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 45 Vater, wir danken Dir, dass Du uns durch die Bibel die größte Geschichte aller Zeiten erzählst. Wir danken Dir für das große Vorrecht, diese Geschichte an andere weitergeben zu können. Hilf uns, biblische Geschichten so zu erzählen, dass allen Hörern Deine Liebe mitgeteilt wird. Möge unser Erzählen Deinem Namen alle Ehre machen. Amen 45 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 46 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 47 ZEHN TOP TIPPS 1. Bleib der Bibel treu. Lies die biblische Geschichte sorgfältig durch und vergewissere dich, dass deine Erzählung sowohl der Geschichte selbst als auch dem biblischen Gesamtzeugnis gerecht wird. 2. Bereite dich gründlich vor, indem du deine Zuhörer und deren Bedürfnisse im Blick hast. Plane den Anfang und das Ende der Geschichte. Entscheide, auf welche Aspekte der Geschichte du dich konzentrieren willst und wie du diese darstellen willst. 3. Sorge dafür, dass die Kinder erfahren, dass es sich um eine Geschichte aus der Bibel handelt. 4. Bitte Gott, dass die Geschichte, die du erzählst, deine Zuhörer einlädt, ihm zu begegnen. 5. Übe das Erzählen der Geschichte mit allen symbolhaften Gegenständen, die du einsetzen willst. 6. Prüfe rechtzeitig vor Beginn der Veranstaltung, ob deine Ausrüstung einsatzbereit ist und ob du von allen Zuhörern gut gesehen und gehört werden kannst. 7. Erzähl die Geschichte und lies sie nicht einfach vor. Scheu dich nicht, kreativ zu sein und die Geschichte bei jedem Erzählen etwas anders vorzutragen. 8. Setz deinen Körper, deine Augen und deine Stimme ein, um eine entsprechende Stimmung zu erzeugen und mit den Zuhörern eine Beziehung aufzubauen. 9. Steck dir das Ziel, an deinen Fähigkeiten als Erzähler kontinuierlich zu arbeiten. 10. Bleib entspannt und freu dich auf die Begegnung mit Gott und mit den Zuhörern. 47 toptips_2_Layout 1 19.08.10 08:09 Seite 48