Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in
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Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona - Exkursionsprotokoll vorgelegt bei Prof. Dr. Paul Gans und Christina West, M.A. Universität Mannheim Geographisches Institut im Rahmen der Großen Exkursion: Städte in Spanien 17. März – 3. April 2003 Markus Lüske Walldürn 3. Semester Wirtschaftspädagogik Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Inhaltsverzeichnis 1 Route Stadt Barcelona 3 1.1 Wegstrecke 3 1.2 Routenplan (Standorte 1-7) 4 1.3 Routenplan (Standorte 7-9) 5 1.4 Routenplan (Standorte 1 und 10) 6 2 Einleitung 7 3 Geographische und topographische Rahmenbedingungen 7 4 Barcelona in Zahlen 8 5 Wesentliche Elemente der aktuellen Stadtstruktur 10 6 Begehung der Stadt 11 6.1 Passeig de Gràcia / Eixample 11 6.1.1 Wirtschaftliche und historische Entwicklung seit Mitte des 15. Jahrhunderts 11 6.1.2 Die Stadterweiterung nach dem Plá Cerdà 12 6.1.3 Exkurs: Zwei weitere Pioniere der modernen Stadtplanung 15 6.1.4 Die Eixample heute 17 6.2 Museu d’Art Contemporani de Barcelona / El Raval 19 6.3 Plaça Central del Raval 21 6.4 Rambla dels Caputxins 22 6.5 Plaça Sant Jaume / Barri Gòtic 22 6.5.1 Historische Entwicklung Barcelonas bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts 23 6.5.2 Die Ciutat Vella heute 23 6.5.3 Exkurs: Citybegriff und andere Bezeichnungen für das zentrale Stadtgebiet 25 6.6 Moll de Bosch i Alsina / Port Urbà 28 6.7 Carrer d’Andrea Doria / Barceloneta 29 6.8 Vila Olímpica 30 6.8.1 Die Olympischen Areale 31 6.8.2 Sozio-ökonomische Wirkungen der Olympischen Spiele 32 6.8.2.1 Beschäftigung und wirtschaftliche Aktivitäten 32 6.8.2.2 Der Wohnungsmarkt 32 6.8.2.3 Auswirkungen des Sportanlagenbaus 33 6.8.2.4 Die Zugänglichkeit der Stadt 33 6.8.2.5 Fazit 34 1 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 6.9 Plaça de los Glòries Catalanes 34 6.10 Carrer d’Astúries / Gràcia 36 6.11 L’Illa / Avinguda Diagonal 37 7 Schlussbetrachtung 38 8 Literaturverzeichnis 40 2 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 1 Route Stadt Barcelona 1.1 Wegstrecke Carrer de Balmes / Hotel - C. d' Aragó / Fundació Tàpies Standort 1: Passeig de Gràcia / Casa Battló Plaça de Catalunya - C. d' Elisabets Standort 2: Plaça dels Angels / Museu d'Art Contemporani de Barcelona C. Angels - C. de les Egipcíaques - C. de l' Hospital Standort 3: Plaça Central del Raval C. de Sant Pau Standort 4: Rambla dels Caputxins C. de Ferran - C. del Vidre / Plaça Reial Standort 5: Plaça Sant Jaume C. del Bisbe / Catedral - Via Laietana - C. de la Princesa C. de Montcada - Passeig del Born / Santa Maria del Mar C. L' Espaseria - C. Consolat de Mar - Passeig d' Isabel II Standort 6: Moll del Dipòsit / Port Urbà Passeig Joan de Borbó - C. Sant Carles Standort 7: C. d'Andrea Doria Passeig Marítim de la Barceloneta - Plaça dels Voluntaris Olímpics Standort 8: Avinguda d'Icària / Vila Olímpica C. d' Alaba - C. de Ramón Turró - C. de Badajoz Standort 9: Plaça de les Glòries Catalanes Metro-Station Glòries (Fahrt mit der Metro) - Metro-Station Fontana Standort 10: C. d'Astúries / Plaça de la Virreina C. de l' Or - C. Menéndez - C. Maspons - C. Pere Serafí Travessera de Gràcia - C. de Matilda - C. Mozart - C. Santa Teresa Plaça de Joan Carles I / Metro-Station Diagonal (Fahrt mit der Metro) Metro-Station Maria Cristina - Avinguda Diagonal Standort 11: L'Illa / Av. Diagonal 3 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 1.2 Routenplan (Standorte 1-7) Abb. 1: Stadtplan Barcelona (Ajuntament de Barcelona 1990, S. 1) 4 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 1.3 Routenplan (Standorte 7-9) Abb. 2: Stadtplan Barcelona (Ajuntament de Barcelona 1990, S. 1) 5 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 1.4 Routenplan (Standorte 1 und 10) Abb. 3: Stadtplan Barcelona (Ajuntament de Barcelona 1990, S. 1) 6 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 2 Einleitung Bei der Begehung Barcelonas stehen die Epochen der Stadtentwicklung und die Veränderung der Stadtstruktur bzw. der inneren Differenzierung im Mittelpunkt. In kaum einer anderen europäischen Metropole wurde eine derart aktive Stadtentwicklungspolitik betrieben wie in der katalanischen Hauptstadt. Das aktuelle Bild der Stadt ist geprägt von einer Synthese aus historischer Stadtentwicklung und modernen Restrukturierungsprozessen. Voraussetzung für diese Prozesse waren die Veränderungen der politischen Bedingungen mit dem Übergang Spaniens zur Demokratie nach dem Tode Francos und die darauffolgende Selbstverwaltung der Region Katalonien und der Stadt Barcelona. Im globalen Wettbewerb um Investitionen setzt die Stadt ihren Transformationsprozess fort; ehemalige Gewerbeflächen werden neu erschlossen, um Standortvorteile für die Ansiedlung zukunftsträchtiger Branchen zu generieren. 3 Geographische und topographische Rahmenbedingungen Barcelona ist die Hauptstadt der autonomen Region Catalunya, die sich aus den vier Provinzen Lleida, Barcelona, Girona und Tarragona zusammensetzt. Die Stadt liegt auf 2º10’ östlicher Länge und 41º23’ nördlicher Breite. Die physischen Dimensionen der Siedlungsfläche Barcelonas sind durch die Lage der natürlichen Grenzen bestimmt: Die Stadt liegt auf einer leicht zum Mittelmeer abfallenden Ebene, die durch die parallel zum Meer verlaufende Gebirgskette Collserola begrenzt wird, dessen höchste Erhebung der Tibidabo mit 512 m ist. Unterbrochen wird diese Ebene durch den am Meer gelegenen Hügel des Montjuic (172 m) und einige Hügel (turós) im höher gelegenen Teil der Stadt. Die Flüsse Llobregat und Besòs begrenzen diesen Raum im Südwesten und Nordosten; sie durchbrechen das Küstengebirge und verbinden Barcelona mit dem Hinterland. Diese natürlichen Gegebenheiten bilden ein geographisches System, das wesentlich die Verkehrswege und die Erweiterungsmöglichkeiten des modernen Barcelona vorgibt. Die Ebene selbst wurde durch eine Vielzahl kleinerer, zueinander parallel verlaufender Flüsse durchzogen, die die Ausrichtung vieler senkrecht zum Meer verlaufender Straßen bestimmt (Reimann 1996, S. 137). 7 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 4 Barcelona in Zahlen A. Vergleich der Einwohnerzahlen, Flächen und Einwohnerdichten im Jahr 2001 La población a 1 de enero de 2001 Ambito territorial Población Superficie (km2) Densidad (Hab/km2) Barcelona 1.505.325 101,0 14.904 Región Metropolitana % Barcelona / R. Metropolitana 4.390.413 34,3 3.235,6 3,1 1.357 - Cataluña % Barcelona / Cataluña 6.361.365 23,7 31.895,3 0,3 199 - 41.116.842 3,7 506.030,0 0,02 81 - España % Barcelona / España Tab. 1: Einwohnerzahlen im Vergleich (Ajuntament de Barcelona 2003a) B. Administrative Einheiten auf der Ebene der “districtes” Abb. 4: Administrative Gliederung in 10 “districtes” (Ajuntament de Barcelona 2003b) 8 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Im Jahr 1984 wurden 10 dezentrale administrative Einheiten eingerichtet, die die Verwaltung den Bürgern näher bringen sollte; dabei beruhte die Einteilung auf historisch, sozial und städtebaulich gewachsenen Einheiten, deren Benennung sich an alten Stadtvierteln oder an Dörfern, die im Zuge des Wachstums der Stadt eingemeindet worden sind, orientierte. Ciutat Vella und Eixample bilden das historische Barcelona, Nou Barris entwickelte sich in der Zeit des industriellen Wachstums, während die übrigen “districtes” mit den alten Dörfern in der Ebene korrespondieren (West 2000, S. 55). C. Administrative Einheiten auf der Ebene der “zones estadístiques gran” (ZEG) Abb. 5: Administrative Gliederung in 38 “zones estadístiques gran” (ZEG) (Ajuntament Barcelona 2003c) 9 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Die zehn “districtes” wurden in 38 ZEG unterteilt, die nach denselben Kriterien wie die “districtes” ausgewiesen wurden, die aber als kleinere Einheiten mehr Bürgernähe bieten sollten. Über ihre baulichen Strukturen lassen sich diese Zonen relativ gut abgrenzen (West 2000, S. 57). 5 Wesentliche Elemente der aktuellen Stadtstruktur Barcelona lässt sich in drei Bereiche gliedern: die Kernstadt, der suburbane Bereich jenseits der Eixample und die Industriestandorte. Die Kernstadt umfasst den "casc antic", d.h. die Altstadt, das Viertel El Raval und die Eixample. Außerdem ist noch die Stadterweiterung „Barceloneta“ aus dem 18. Jh. zur Kernstadt zu zählen. Der suburbane Raum jenseits der Eixample weist im Gegensatz zu dessen schachbrettartigem Grundriss kaum noch regelhafte Ordnungsmuster auf. Es handelt sich hier oft um "überformte" Dörfer und planlos angelegte Neubausiedlungen. Diese zusammengewachsenen Siedlungen besitzen entweder radiale Strukturen, die von einem Hügel ihren Ausgang nahmen (z.B. Horta-Guinardó), oder Netzstrukturen (Gràcia, Sarrià, Sant Gervasi), die sich aus den parallelen Wegen und Flüssen, die die Ebene von Barcelona durchzogen, entwickelten (Reimann 1996, S. 140). Die Gebiete, in denen Industrieansiedlungen dominieren, sind vor allem die ZEG Zona Franca-Port, Poblenou und Sant Andreu. In den Randgebieten der Zona Franca wuchsen Arbeiterviertel, wie z.B. Bellvit, Cornellà, Hospitalet. Die ZEG Poblenou ist nach der Zona Franca die älteste Industriezone. Hier siedelten sich Firmen verschiedenster Industriesektoren an, die allerdings zunehmend ihren Standort verlagern, um sich in den Industriezonen der Peripherie (z.B. Vallès) wieder anzusiedeln. Die entstandenen Schlafstadtviertel sind La Verneda, Santa Coloma und El Besòs. Was den Unterschied zwischen Barcelona und mitteleuropäischen Städten anbelangt, sind folgende Punkte hervorzuheben: Zum einen ist der sehr scharfe Gegensatz zwischen dem klar gegliederten zentralen Bereich und der unkontrollierten Suburbanisierung äußerst typisch für Barcelona und andere spanische Städte. Zum anderen ist die Innenstadt Barcelonas noch nicht so entvölkert wie die zentralen Bereiche der Städte Mitteleuropas. Die Altstadt Barcelonas wird zwar vorwiegend von ärmeren Schichten bewohnt, doch auch Mittel- und Oberschicht bevorzugen Viertel, die nicht zu weit vom Zentrum entfernt liegen. Schließlich ist es für den suburbanen Bereich Barcelonas typisch, dass dort die Einfamilienhäuser weitaus seltener sind als in 10 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona mitteleuropäischen Städten. Auch Angehörige höherer Schichten wohnen häufig in Hochbauten, die sozialen Unterschiede äußern sich weniger in der Art der Bebauung als in der Qualität der Bauausführung, in der Wohnausstattung und im Wohnumfeld (Bähr/Gans 1986, S. 16). 6 Begehung der Stadt 6.1 Passeig de Gràcia / Eixample 6.1.1 Wirtschaftliche und historische Entwicklung seit Mitte des 15. Jahrhunderts Nach seiner mittelalterlichen Blütezeit stagnierte die Entwicklung der Stadt fast drei Jahrhunderte. Gründe dafür waren politischer und ökonomischer Natur: 1410 starb das Haus der Grafen von Barcelona aus und die Krone ging auf die kastilische Dynastie über. Damit begann der Niedergang Kataloniens, auf den sich ein bis heute schwelendes beiderseitiges Misstrauen zwischen Katalonien und der Zentralgewalt des Landes gründet. Die autonomen katalanischen Institutionen wurden schon sehr bald außer Kraft gesetzt; Kastilisch als allein gültige Amtssprache eingeführt. Die politische Macht Barcelonas verringerte sich weiter aufgrund der Vereinigung der Königreiche Kastilien und Aragón im Jahre 1474 durch die Heirat des Königs Fernando von Aragón mit Isabel, Erbin der Krone Kastiliens. Die Politik der “Katholischen Könige” zielte in folgende Richtungen: Schaffung einer territorialen Einheit auf der Halbinsel und die Ausdehnung nach Afrika und in den Atlantik-Raum (Roldán 1989, S. 52). Nach der Entdeckung Amerikas verlagerte sich die Konzentration des europäischen Warenhandels vom Mittelmeer hin zum Atlantik. Sevilla erhielt von den Königen das Monopol für den Amerikahandel, und Barcelona war jeglicher Warenaustausch mit Amerika untersagt. Als Barcelona 1714 als Folge der “falschen” Parteinahme während des spanischen Erbfolgekrieges von den Truppen Philipps V. erobert wurde, bedeutete dies nicht nur den Verlust der politischen Autonomie Kataloniens, sondern hatte auch weitreichende Konsequenzen für die städtebauliche Entwicklung. Um die aufrührerische Stadt besser kontrollieren zu können, wurde eine Zitadelle errichtet, der 1200 Gebäude weichen mussten. Mit Ausnahme des neuen Hafenviertels Barceloneta, das 1753 entstand, beschränkte sich für 150 Jahre jegliche Bautätigkeit auf den Raum innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern (Bader/Mayer 1992, S. 1365). Ab 1755 betrieb die wieder zugelassene Flotte Barcelonas Handel landwirtschaftlicher Produkte mit den amerikanischen Kolonien; auf dem Rückweg wurde Baumwolle 11 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona transportiert, die die Spinnereien der Stadt neben den traditionellen Rohstoffen wie Wolle, Seide oder Leinen verarbeiteten. Der neue wirtschaftliche Aufschwung schlug sich auch in den Bevölkerungszahlen nieder: sie stieg von 37.000 im Jahr 1715 über 80.000 im Jahr 1759 auf 130.000 im Jahr 1798. Dieser Zuwachs hatte zur Folge, dass der bis dahin als Gartenfläche genutzte Arrabal (Vorstadt, heute: El Raval) bebaut wurde und im Süden der Zitadelle das Viertel Barceloneta entstand (Bähr/Gans, S. 12). Entscheidend für den wirtschaftlichen Aufschwung waren die Reinvestitionen der Unternehmensgewinne und der Einsatz neuer, aus Frankreich und England importierter Technologien (mechanischer Webstuhl, Dampfmaschine), die die Katalanen weiterentwickelten. So wurde Katalonien im 19. Jh. nicht nur führend in der spanischen Textilherstellung, sondern es entwickelte sich auch eine metallverarbeitende Industrie. Das industrielle Wachstum und der starke Bevölkerungsanstieg innerhalb der Stadtmauern erforderten eine räumliche Expansion, so dass die Madrider Zentralregierung im Jahr 1854 die Erlaubnis zur Schleifung der Mauern erteilte (Stegmann/Stegmann 1992, S. 236). 6.1.2 Die Stadterweiterung nach dem Plá Cerdà Die 1859 begonnene Stadterweiterung, die Eixample, sollte die mittelalterliche Stadt um fast das zehnfache vergrößern, 800.000 Einwohner aufnehmen und bis zum Riu Besòs reichen. Grundlage für die Bebauung waren die Pläne von Ildefons Cerdà, der bereits im Jahr 1855 einen topographischen Plan der Umgebung Barcelonas als Vorarbeit für die künftige Stadtentwicklung fertigte. In die Geschichte der Stadtplanung eingegangen ist sein Entwurf dank des Umfanges des vorgesehenen Erweiterungsgebietes und der Strenge seines Ordnungsprinzips. Grundlage war ein rechteckiges Straßenraster, welches ursprünglich nur an zwei, maximal drei Seiten bebaut werden sollte. Die für die Erweiterung vorgesehene Fläche umfasste 16 km² die mit 900 quadratischen (113 m x 113 m), an den Ecken abgeschrägten Blöcken (mançanas) gefüllt werden sollte; die Breite der Strasse sollte 20 m betragen (Albers 2002, S. 27 f). Zwei wesentliche Elemente bestimmten Cerdàs neue Stadt: das großzügige Straßenraster für Transport und technische Infrastruktur und der Raum zwischen den Straßen für Wohnen Stadterweiterung sollte und die soziale Einrichtungen, Wohnungsknappheit Ruhe und beseitigen, Erholung. das Die weiträumige Bebauungsschema optimale hygienische Bedingungen schaffen. Cerdà wollte eine durchgrünte und durchlüftete Stadt. Straßenkreuzungen und Plätze sollten der 12 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Kommunikation dienen und dadurch "mehr Brüderlichkeit unter den Menschen schaffen". Er vertrat das idealistische Konzept von der Gleichheit der Menschen. Die bestehenden sozialen Ungleichheiten wollte er durch seine Planung mildern und abbauen. Dabei sollte das quadratische Raster eine gleichmäßige Bebauung ermöglichen und eine hierarchische verhindern. In diesem Netz verteilte er die kollektiven sozialen Einrichtungen über die Stadt. Die Gesamtstadt sollte aus der Addition kleiner elementarer Städte entstehen, die unabhängig voneinander errichtet werden konnten. So entsprach der Plan auch der Forderung, ihn in zeitlich unterschiedlichen Etappen zu realisieren (Strempel/Heinemann 1988, S. 35). Bei der Planung des Verkehrs stellte Cerdà rationale Überlegungen den herrschenden Ideen gegenüber, Prachtstrassen und Alleen mit repräsentativen Funktionen anzulegen. Er war davon überzeugt, dass die Dampfmaschine Kommunikation und Handel revolutionieren würde. Deshalb entwickelte er unterschiedliche Straßenprofile für Fußgänger, Reiter und Droschken, sah Verkehrsinseln vor mit Verkaufsständen für den täglichen Bedarf, Erste-Hilfe-Posten, Plätze für Straßentheater, öffentliche Wasserpumpen und überlegte sich die günstigste Straßenbeleuchtung. Um eine Bodenspekulation zu vermeiden, ging Cerdà von einem einheitlichen Bodenpreis im gesamten neuen Stadtgebiet aus. Für ihn war der Staat die ordnende Macht, die über den sozialen Klassen stand (Strempel/Heinemann 1988, S. 36). Das Besondere der "Teoría general de la urbanización" liegt darin, dass Cerdà eine neue Zeit heraufkommen sah - bestimmt vor allem durch neue Perspektiven für den Verkehr - und damit neue Voraussetzungen für die Stadtentwicklung, deren Klärung er sich zum Ziel gesetzt hatte. In der Rückschau wird deutlich, dass Cerdà als Vorläufer einer "wahren" Wissenschaft der Stadtentwicklung anzusehen ist, der mit klarem Blick für die Vielfalt der Zusammenhänge, insbesondere für die Verknüpfung räumlicher und sozialer Aufgaben seine Planungen erstellte (Albers 2002, S. 29 ff). Die Erschließung der Eixample erfolgte jedoch außerordentlich schleppend und blieb bis Ende des 19. Jhs. auf Teilgebiete beschränkt. Die restriktiven Bestimmungen des Plans, vor allem die geringe Nutzungsdichte, versprachen keine größeren Renditen, und so wurden die Kapitalströme eher in den Aufbau neuer Industriebetriebe (z.B. Poblenou) und die Bebauung der Vororte (z.B. Gràcia) gelenkt. Erst nachdem die Stadt durch den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Wasserversorgung der Eixample einen Standortvorteil gesichert hatte und gleichzeitig die Nachfrage nach Wohnraum 13 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona anhielt, investierten zahlreiche Fabrik- und Grundbesitzer in die Bebauung des Gebietes (Bähr/Gans 1986, S. 16). Abb. 6: Cerdàs überarbeitetes Projekt der Stadterweiterung von 1863 (Institut für Landeskunde und Regionalforschung 2002, S. 6) Obwohl der Plan von Cerdà bis 1953 der offizielle Stadtentwicklungsplan blieb, sind die einzelnen Bestimmungen schon sehr bald unterlaufen worden. Cerdà hatte die Ordnungsfunktion des Staates in einer kapitalistischen Gesellschaft völlig überschätzt. Da eine Kontrolle der Bebauung nie realisiert wurde, entwickelte sich das Rastermodell zu einem hervorragend strukturierten Gelände für Bodenspekulanten. Zunächst wurde der Raum für Grünflächen und Parkanlagen eingeschränkt, später alle vier Seiten der einzelnen mançanas bebaut und schließlich stockte man die Häuser auf, so dass sich das Bauvolumen von 67.200 m³ auf fast 300.000 m³ im Jahr 1972 erhöhte. Darüber hinaus wurden die für Schulen, Marktplätze und andere soziale Einrichtungen bestimmten mançanas mehr und mehr zweckentfremdet für Wohngebäude genutzt. (Bähr/Gans 1986, S. 16). Von dem ursprünglichen Plan, eine durchgrünte Stadt zu schaffen, in der Licht, Luft und Sonne das Leben der Bewohner bestimmen, ist nicht viel mehr geblieben als ein autofreundlichen Grundmuster (Strempel/Heinemann 1988, S. 37). Die ständige Preissteigerung der Ware Wohnung führte dazu, dass die Stadterweiterung ein rein bürgerliches Wohngebiet wurde. Die Wohnprobleme der 14 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Arbeiterklasse wurden nicht gelöst, die Überbevölkerung der Altstadt verschärfte sich noch mehr. Evolución de la población Años Población 31/12/1900 537.354 31/12/1910 587.411 31/12/1920 710.335 31/12/1930 1.005.565 31/12/1940 1.081.175 31/12/1950 1.280.179 31/12/1960 1.557.863 31/12/1970 1.745.142 01/03/1981 1.752.627 01/03/1991 1.643.542 01/05/1996 1.508.805 01/01/1998 1.505.581 01/01/1999 1.503.451 01/01/2000 1.496.266 01/01/2001 1.505.325 Hombres 256.602 278.285 335.337 474.672 491.834 576.716 724.811 822.471 832.119 775.988 704.985 703.231 702.576 699.645 - Mujeres 280.752 309.126 374.998 530.893 589.341 703.463 833.052 922.671 920.508 867.554 803.820 802.350 800.875 796.621 - Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung von 1900 bis 2001 (Ajuntament Barcelona 2003f) 6.1.3 Exkurs: Zwei weitere Pioniere der modernen Stadtplanung: James Hobrecht und Reinhard Baumeister Der Bebauungsplan des James Hobrecht Um der Ausdehnung Berlins Raum und Boden zur Verfügung zu stellen und dabei den Stadtentwicklungstendenzen Rechnung zu tragen und eine wilde Bebauung zu stoppen, wurde James Hobrecht 1852 vom Berliner Polizeipräsidenten beauftragt, einen Bebauungsplan zu erarbeiten, der 10 Jahre später durch einen staatlichen Erlass verabschiedet wurde. Dieser "Bebauungsplan für Berlin und die Umgegend bis Charlottenburg", der so genannte "Hobrecht-Plan", sah ein Straßenraster mit boulevardartigen Achsen, Sternplätzen, Diagonalverbindungen und tiefen Grundstücken vor, das ringartig um die Altstadt gelegt wurde und sich teilweise an vorhandenen Straßen orientierte. Hobrecht sah seine Aufgabe vor allem darin, eine lebenswerte Stadt für die Bevölkerung zu bauen. Die großen Industriekomplexe sollten sich entweder außerhalb der Stadt ansiedeln oder zumindest innerhalb der Häuserblöcke. Statt einer Trennung der Funktionen entwickelte er die Idee des Arbeitens und Wohnens an einem Ort, woraus die "Berliner Mischung" entstanden ist: im Erdgeschoss des Vorderhauses Handel oder Gastronomie, darüber die Hausbesitzer oder Verwalter, darüber Beamte oder Angestellte. In den Hinterhäusern lebten Arbeiter, während weiter im Blockinneren Betriebe angesiedelt wurden (West 2002a, S. 87ff). 15 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Hobrechts Vorstellungen kollidierten schon bald mit den Interessen von Grundbesitzern und Baugesellschaften. Preis treibende Bodenspekulation führte zu einer möglichst dichten Bebauung. Insbesondere die extreme Grundstückstiefe lieferte wenige teure Wohnungen zu den breiten Straßen und Plätzen und viele billige Wohnungen in den Seitenflügeln und Hinterhäusern; teilweise folgten bis zu fünf Hinterhöfe aufeinander. Ermöglicht wurde die hohe Verdichtung, die von Hobrecht nicht beabsichtigt war, durch die wenig detaillierte Bauordnung von 1853. Der Bebauungsplan von 1862 war nämlich ein Straßenfluchtlinienplan, in dem keine Angaben zur Bebauung gemacht wurden. Aber auch die Bauordnung von 1853 beinhaltete nur Bestimmungen zur Sicherheit der Bevölkerung vor Feuergefahr und sah keinerlei Beschränkungen für die Bebauung der Grundstücksflächen vor (West 2002a, S. 91 f). Die Stadterweiterung Mannheims nach Plänen von Reinhard Baumeister Der Karlsruher Städtebauer beschäftigte sich ab 1870 mit dem Thema der Stadterweiterung und begann ein selbstständiges wissenschaftliches Fachgebiet zu entwickeln. Der Ausdruck "Städtebau" wurde im Zusammenhang mit dem Entwurf für die östliche Stadterweiterung von Mannheim von 1872 geprägt. Baumeisters Planungsvorstellungen, die den Namen "Stadt-Land" trugen, sahen wie folgt aus: In der Achse der Heidelberger Straße, wo heute der Wasserturm steht, war ein Theater geplant, hinter dem ein großer Platz liegen sollte, der auf der einen Seite durch eine mächtige Markthalle abgeschlossen werden sollte. Von der Mittelachse der Markthalle zog eine breite Allee nach Osten; von den Flanken der Markthalle sollten strahlenförmig die Hauptverkehrsstraßen ausgehen. Als Form des Straßensystems favorisierte er das Dreiecksystem, dass auf einer Anzahl von Verkehrsknotenpunkten basiert, die mit den benachbarten durch gerade Linien verbunden sind. Das Rechtecksystem lehnte er aus verkehrstechnischen und architektonischen Gründen ab (West 2002a, S.95 f). Die Flächen zwischen diesen Hauptachsen sollten mit meist rechteckigen Baublöcken in geschlossener Bauweise bebaut werden. An die Ringstraße stieß ein großer Park, der in ein Villengebiet übergehen sollte. Auch für öffentliche Einrichtungen und Industriebetriebe waren Plätze ausgewiesen. Die Stadtgemeinde als Eigentümerin des Baugeländes übte über Festlegungen in den Kaufverträgen einen starken Einfluss auf die Bebauung aus, was die Bodenspekulation weitgehend ausschaltete. Baumeisters erste Überlegungen zu einer Theorie der planvollen Stadterweiterung wurden in den "Thesen über die Stadterweiterung" von 1874 und der Schrift 16 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona "Stadterweiterungen in technischer, baupolizeilicher und wirthschaftlicher Beziehung" von 1876 veröffentlicht. Er forderte Eingriffsmöglichkeiten für die Stadtverwaltung bei der Planung, damit diese die Wachstumsentwicklungen für die Städte positiv gestalten konnten. Nur so konnte ein geregelter Wohnungsbau und eine Verkehrs- und Versorgungsplanung bestmöglichst umgesetzt werden. Ferner entwickelte er seine Vorstellungen von der funktionalen Stadt, wobei er ein Auseinandersiedeln der Bevölkerungsgruppen ablehnte. Ihm schwebte ein Mittelweg zwischen absoluter Vermischung und Segregation vor, die er durch Zonen- und Staffelanordnung erzielen wollte (West 2002a, S. 99). Den Plänen der drei Pioniere ist gemeinsam, dass sie eine soziale Mischung fordern, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Während Hobrecht eine soziale Mischung aller Schichten auf engstem Raum (im gleichen Haus) propagiert, befürworten Baumeister und Cerdà die Bildung von sozialen Gruppierungen, die z.B. auf der Ebene des Hauses zusammenleben sollen, sich auf der Ebene der Stadtviertel aber mischen (West 2002b, S. 37). Vergleicht man die Haltung der Städteplaner bezüglich der Idee der Zonenbildung, so findet sich bei Cerdà und Hobrecht eine klare Absage. Sie setzen auf eine Mischung der Funktionen, die hingegen von Baumeister abgelehnt wird. Als Konsequenz aus der funktionalen Ordnung befürwortet Baumeister zur Gestaltung des Straßennetzes das Dreiecksystem, da hierdurch die benachbarten funktionalen Einheiten am schnellsten zu erreichen sind. Hingegen greifen Cerdà und Hobrecht auf das Rechtecksystem zurück, da durch die Funktionenmischung im Idealfall keine langen Wege entstehen (West 2002a, S. 100). 6.1.4 Die Eixample heute Mit dem Bau der Eixample bekam der Passeig de Gràcia eine Breite von 60 m und war bis zum Ausbau der Avinguda Diagonal die breiteste Straße in Barcelona. Die Hauptfunktion des Passeig war, den Verkehr aus der Altstadt zur Av. Diagonal, der zweiten großen Verkehrsachse zu leiten. Während Cerdà noch 1 bis 2-geschossige Wohnhäuser mit Vorgärten als Bebauung plante, siedelten sich im Laufe der Zeit immer mehr Geschäfte an, so dass die Straße schon um 1900 zu Barcelonas Flanier- und Geschäftsstrasse wurde. Gleichzeitig wurde sie zum bevorzugten Wohnstandort des Großbürgertums und wohlhabender Fabrikanten, da sie hier ihre Bedürfnisse nach baulicher Selbstdarstellung befriedigen konnten. Von den Architekten des Modernisme 17 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona wurden am Passeig prunkvolle Häuser errichtet, die dem Viertel den Namen „Quadrat d' Or“ einbrachte (West 2000, S. 36). In Katalonien versteht man unter dem Gattungsnamen "Modernisme" eine umfassende künstlerische Bewegung während der letzten Jahrzehnte des 19. Jhs. und der ersten des 20. Jhs.. Ihren Höhepunkt erreichte sie gegen 1900 als eine auf fließende, asymmetrische Linienführung basierende Kunstrichtung mit floralen und koloristischen Ornamentsformen, wie sie u.a. in der Architektur, der Glaskunst, der Typographie und im Möbelhandwerk zu finden war. Dem katalanischen Modernisme parallele Bewegungen sind die "Art Nouveau" in Frankreich und Belgien, der "Modern Style" in England und den USA und der "Jugendstil" in Deutschland (Generalitat de Catalunya 1992, S.1). Zwei Gebäude am Passeig de Gràcia seien hier kurz erwähnt: Das Casa Battló wurde von dem katalanischen Architekten Antoni Gaudí 1905 vollkommen umgebaut; betroffen waren sowohl die Außenformen (wellenförmiges Mosaik, Erker mit knochenförmigen Säulen, Balkone mit geschwungenen gusseisernen Brüstungen, an schuppenförmige Drachenhaut erinnernde Dachziegeln) als auch das Innere (Treppenhaus mit Fliesen in Blauton-Schattierungen). Der Besitzer dieses Gebäudes, der Stoff-Fabrikant Josep Battló, wollte es ursprünglich abreißen lassen, beantragte aber im Jahr 1904 bei der Stadt eine umfassende Neugestaltung des Gebäudes und beauftragte Gaudí mit dem Umbau (Zerbst 1991, S. 162). Bei dem Umbau der Casa Amatller im Jahr 1898 verwendete der Architekt Puig i Cadafalch flämische Elemente und verband sie mit denen des Modernisme. Er erstellte eine harmonische Frontseite mit Stufengiebel, eine Galerie nach katalanischer Tradition und Erker im neogotischen Stil (Sureda 2001, S. 17). Die Eixample ist heute noch Wohnstandort der gehobenen Mittel- und Oberschicht. Die zentrale Lage, die mittlere Wohndichte, die repräsentativen Bauten und die gut ausgestatteten Wohnungen sind Gründe dafür, dass diese Bevölkerungsschichten in der Eixample wohnen. Der Passeig de Gràcia beheimatet viele hochrangige und spezialisierte Dienstleistungen; zahlreiche in- und ausländische Banken und Versicherungen haben hier ihren Verwaltungs- und Repräsentationssitz. Daneben war der Passeig schon immer eine renommierte Adresse für Hotels der obersten Kategorie oder für Anbieter von Gütern des langfristigen Bedarfs im Hochpreissegment (West 2000, S. 138). 18 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Ende der 1970er Jahre wanderten Teilbereiche der Banken und Versicherungen auf die Av. Diagonal; ihnen folgten Hotels und Exklusivgeschäfte. Die freiwerdenden Räumlichkeiten wurden nach und nach von Esslokalen und Bars belegt, womit eine andere Gruppe von Klienten, vor allem einfache Konsumenten und Touristen, angesprochen wurden. Es folgten Niederlassungen großer Handelsunternehmen, die mittelfristige Bedarfsgüter des mittleren Preissegments anboten. Seit 1998 ist ein Wandel im Geschäftsbesatz zu verzeichnen: Die Kundenräume der Banken werden in die benachbarten billigeren Straßen verlagert, die Anbieter von Gütern im mittleren Preissegment haben den Passeig verlassen. Als neue Nutzer erschienen Anbieter mittel- und langfristiger Güter im Hochpreissegment. Nationale und internationale Unternehmen, hauptsächlich aus der Modebranche, suchen ein Ladenlokal an der Renommieradresse Barcelonas zu mieten (West 2000, S. 138). In der übrigen Eixample wechseln Ladenlokale, Bars, Restaurants, Dienstleistungen und Wohnnutzung miteinander ab. Generell kann man sagen, dass die Dreta Eixample einen höherwertigen Besatz an Dienstleistungen und besser ausgestattete Wohnungen aufweist als die linke Hälfte. 6.2 Museu d’Art Contemporani de Barcelona / El Raval Das Viertel El Raval (kastilisch: arrabal = Vorstadt) entstand infolge der fortschreitenden Expansion der Stadt im 14. und 15. Jh.. Nachdem auch die zweite Mauer, die die heutige Altstadt bis zu den Rambles umschloss, schon nach kurzer Zeit ein Hindernis bildete, erweiterte man die Stadt nach Westen. Bis zum 18. Jh. waren hier hauptsächlich Klöster, Krankenhäuser und Gärten gelegen; diese religiösen Einrichtungen hatten sich schon vor dem Bau der dritten Stadtmauer außerhalb der Stadt hier angesiedelt (Bähr/Gans 1986, S. 10). Ursache für die weitere Bebauung des Viertels im 18. Jh. war der Bevölkerungszustrom aus dem Hinterland aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Arbeitskräften für die sich entwickelnde Industrie (Textilherstellung, Metallverarbeitung). Die Fläche innerhalb der mittelalterlichen Mauern war Mitte des 19. Jhs. vollständig mit Industrieanlagen und Wohnungen bebaut und erreichte dadurch eine hohe bauliche und demographische Dichte (West 2000, S. 33). Die Stadterweiterung Cerdàs ermöglichte eine weitere Ausdehnung der Stadt, wodurch sich die Situation in der Altstadt änderte. Die Führungsschicht wanderte in die Eixample 19 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona ab, städtische Infrastruktur und Wohngebäude wurden nicht erneuert und es folgte die Marginalisierung der gesamten Altstadt, insbesondere des Viertels El Raval. Das degradierte Zentrum entwickelte sich zum Zuzugsgebiet für mittellose und arbeitssuchende Immigranten; in den 1980er und 1990er Jahren wurde El Raval zum Wohnstandort von meist asiatischen und afrikanischen Einwanderern. Dadurch bekam das Viertel eine eigenständige Prägung; viele der Geschäfte werden von Asiaten geführt (West 2000, S. 139). Im Jahr 2001 lebten in der Altstadt 88.793 Einwohner (1996: 83.829) bei einer Einwohnerdichte von durchschnittlich 19.757 EW/km² (El Raval: 34.445 EW/km², Barceloneta: 10.308 EW/km²) (Ajuntament de Barcelona 2003e). Im Vergleich zu den übrigen Distrikten Barcelonas weist die Ciutat Vella die höchste Steigerungsrate der Bevölkerungszahl auf. Diese positive Veränderung überrascht umso mehr, da der Distrikt seit den 1980er Jahren ein “Abwanderungsdistrikt” war. Wo liegen die Ursachen für diese Entwicklung? Evolución de la población por distritos 1996-2001 1996 2001 Distrito Población % Población % Variación 2001-1996 Absolutas BARCELONA 1.508.805 100,0 1.505.325 100,0 -3.480 -0,2 83.829 248.777 167.390 81.864 129.573 5,6 16,5 11,1 5,4 8,6 88.793 248.383 167.189 82.291 132.864 5,9 16,5 11,1 5,5 8,8 4.964 -394 -201 427 3.291 5,9 -0,2 -0,1 0,5 2,5 115.753 169.832 170.849 135.579 205.359 7,7 11,3 11,3 9,0 13,6 114.018 165.942 164.163 135.281 206.401 7,6 11,0 10,9 9,0 13,7 -1.735 -3.890 -6.686 -298 1.042 -1,5 -2,3 -3,9 -0,2 0,5 1. Ciutat Vella 2. Eixample 3. Sants-Montjuïc 4. Les Corts 5. Sarrià-Sant Gervasi 6. Gràcia 7. Horta-Guinardó 8. Nou Barris 9. Sant Andreu 10. Sant Martí % Tab. 3: Bevölkerungsentwicklung 1996-2001 (Ajuntament de Barcelona 2003d) Eine mögliche Erklärung ist die Umsetzung des Stadtteil-Entwicklungsplans “Àrea de Rehabilitació Integrada”, der die Sanierung der Gebäude und Wohnungen in der Ciutat Vella zum Ziel hatte und der Marginalisierung dort ansässiger sozialer Gruppen entgegenwirken wollte. Dazu wurde eine privatrechtliche Gesellschaft in Form einer Public-Private-Partnership (PPP) gegründet, zu der die Stadtverwaltung, die Landesregierung und private Geschäftsleute und Gesellschaften gehörten. In der Zeit von 1988-1996 wurden 1.774 Wohnungen neu gebaut und 12.397 Wohnungen auf Privatinitiative mit einer Förderung durch öffentliche Gelder renoviert (West 2000, S. 71 f). 20 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Um die Attraktivität des Viertels auch für höhere Sozialschichten zu steigern, wurde versucht, mit kleinen geplanten Eingriffen eine Art Initialzündung für die Regenerierung der Umgebung auszulösen (Theorie der „Strategischen Metastasen“ von Oriol Bohigas, Architekt und oberster Stadtplaner Barcelonas in den 1980er Jahren). In diesem Sinne wurde das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) gebaut. Das von dem US-Amerikaner Richard Meier entworfene Museum wurde 1995 eröffnet und sammelt vorrangig neueste Tendenzen der katalanischen Kunst und internationale Trends. Der Bau des Museums zog eine Reihe von Galerien und Kunsthandwerkläden nach sich, was den gewünschten Effekt der Theorie Bohigas zum Ausdruck bringt. Dennoch sei die Frage erlaubt, ob das Projekt einen positiven Effekt im Sinne „strategischer Metastasen“ auf sein Umfeld hat oder ob es nicht eher wie ein Fremdkörper in einer andersartigen Umgebung wirkt. 6.3 Plaça Central del Raval Bestandteil des Stadtteil-Entwicklungsplans für die Ciutat Vella war auch der Bau einer großen öffentlichen Platzanlage im Zentrum des Viertels El Raval, im Zuge dessen auch neue Wohnungen gebaut werden sollten. Die Innenstadt zu entrümpeln, ohne ihre Identität zu zerstören, war das Leitmotiv zahlreicher Eingriffe im historischen Bestand des Zentrums. Sorgfältiger Umgang mit vorhandener Substanz und die Anlehnung an klassische Platzkonzeptionen sollten auch den neuen Platz kennzeichnen. Neben finanziellen Mitteln der EU beteiligte sich die bereits oben erwähnte PPP PROCIVESA (Promoció de Ciutat Vella SA) an dem Projekt. Auf einer Fläche von 55 m x 300 m entstand ein Platz, der die Straßen Carrer de Sant Pau und Carrer de L’Hospital miteinander verbindet (Esquinas 2003, S. 1) Versucht man die Frage der sozialen Bedeutung der Platz- und Parkanlagen zu beantworten, so erscheint der Umgang Barcelonas mit dem öffentlichen Raum beispielhaft für das moderne Verständnis von Öffentlichkeit. Öffentliche Räume sind Bestandteil und Ausdruck von Lebensformen einer Gesellschaft; sie sollen den Verfall der Öffentlichkeit stoppen, der sich darin äußert, dass sich gesellschaftliches Leben fast nur noch innerhalb der Familie in den eigenen vier Wänden abspielt. Im Gegensatz zu Orten des Konsums und der reinen Fortbewegung sind Plätze und Parkanlagen soziale Orte der Versammlung, der Kommunikation und des Austauschs. Diese Freiräume sind Ausgangspunkt für die Umwandlung des passiven in ein aktives Gesellschaftsleben. Daher gehört die Neugestaltung und die Wiederbelebung bereits bestehender, ebenso 21 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona wie die Schaffung neuer Platz- und Parkanlagen zu den bedeutendsten städtebaulichen Maßnahmen (Dutli 1991, S. 9 ff). 6.4 Rambla dels Caputxins Durch die Bebauung des Viertels El Raval im 18. Jh. wurde die zweite, innere Stadtmauer nutzlos, sodass diese geschleift werden konnte. Es entstand eine großzügige Allee, die Rambla, die als Marktort zum Zentrum der Stadt wurde und von den Repräsentativbauten des wohlhabenden Bürgertums gesäumt waren (West 2000, S. 33). Die fast zwei Kilometer langen Rambles im Zentrum der Altstadt verbinden die Plaça de Catalunya mit der Plaça Portal de la Pau am Hafen. Das Wort Rambla ist arabischen Ursprungs und bedeutet Flussbett; es lässt darauf schließen, dass hier ehemals ein Fluss vom Tibidabo zum Meer floss. Da die Straße für die damaligen Verhältnisse sehr lang war, erhielt sie den Plural Rambles und wurde in fünf Abschnitte unterteilt: Rambla Canaletes, Rambla dels Estudis, Rambla Sant Josep, Rambla dels Caputxins und die Rambla Santa Mònica (Schröder 1997, S. 210). An der Plaça de la Boquería beginnt die Rambla dels Caputxins, auch Rambla del Centro genannt. Sie ist nach einem Kapuzinerkloster benannt, das früher an der Plaça Reial stand. Neben der Funktion als Marktort sollte man auch die stadtklimatische Funktion der Rambles erwähnen: Ein wesentlicher temperaturerhöhender Faktor ist die dichte Bebauung der Kernstadt, denn das Baumaterial hat eine höhere Wärmekapazität (d.h. das Material kann mehr Wärme speichern) als der Boden oder die Vegetation des Freilandes. Hier ermöglichen die breit angelegten Rambles die Frischluftzufuhr vom Hafen her. Ferner trägt der Baumbestand dazu bei, dass infolge des pflanzlichen Transpirationsprozesses der Umgebungsluft Wärme entzogen wird und sich dadurch das Mikroklima verbessert (Kuttler 1998, S. 135). 6.5 Plaça Sant Jaume / Barri Gòtic Auch wenn sich die Altstadt aus verschiedenen Teilen mit ihrem jeweils eigenen Charakter zusammensetzt, ist sie im Großen und Ganzen ein homogenes Ensemble geblieben. Jedes Jahrhundert hat seinen architektonischen und städtebaulichen Beitrag geleistet, ohne die Ausgewogenheit des Stadtbildes zu gefährden. 22 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 6.5.1 Historische Entwicklung Barcelonas bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts Das Gotische Viertel (Barri Gòtic) ist das Herzstück der Altstadt und entspricht in seiner Lage weitgehend den römischen Anfängen der Stadt; hier wurde im 2. Jh. v. Chr. die Kolonie Barcino gegründet. An der Plaça Sant Jaume befand sich das Forum der römischen Siedlung; auch heute noch hat sich dieser Kern als Standort von weltlicher Macht erhalten. Hier befinden sich das Rathaus (Palau del Ayuntament) mit neoklassizistischer Fassade und gotischem Innenhof und der Sitz der Landesregierung (Palau de la Generalitat) aus dem 15. Jh.. Die Fassade beinhaltet Elemente der Gotik und der Renaissance, den Innenhof prägen gotischen Treppen. Von der römischen Gründung der Stadt zeugen nur noch wenige Bauwerke. So sind z.B. in der Nähe der Kathedrale noch Reste der ehemaligen Stadtmauer und der rekonstruierte Aquädukt zu sehen. In der Carrer Paradis steht ein alter Mühlstein, der die höchste Erhebung des Hügels Táber und einen ehemaligen römischen Tempel markiert. Nach dem Niedergang des römischen Reiches fiel Barcelona 415 unter die Herrschaft der Westgoten. Doch weder die Westgotenzeit (415-711) noch die Herrschaft der Mauren (713-801) prägten Barcelona in seiner Entwicklung. Erst mit der Vertreibung der Mauren durch die Karolinger wurde der Grundstein zur katalanischen Nation gelegt. Barcelona wurde unabhängige Grafschaft, Hauptstadt der spanischen Mark und bedeutender Handelsplatz (Schröder 1997, S. 189). Das Barri Gòtic erhielt seine charakteristische Prägung in der Gotik-Epoche, als Barcelona neben Genua und Venedig die bedeutendste Handelsstadt im Mittelmeerraum war. Aus dieser wirtschaftlichen Blütezeit (1150-1450) stammen zahlreiche Bauten, die im Gotik-Stil errichtet wurden (u.a. die Kathedrale 1298-1450; die Fassade wurde zu Beginn des 20. Jhs. vollendet). Die rasch zunehmende Bevölkerung führte im 13. Jh. zum Bau einer neuen Stadtmauer, die die heutige Altstadt bis zu den Rambles umschloss. Allerdings bildete auch die neue Mauer bereits nach kurzer Zeit ein Hindernis für die städtische Ausdehnung, so dass man die Altstadt im Südwesten (El Raval) erweiterte. Hier lebte die Bevölkerung Barcelonas bis Mitte des 19. Jhs. auf engstem Raum, eingezwängt zwischen den Stadtmauern (Bähr/Gans 1986, S. 10). 6.5.2 Die Ciutat Vella heute Die Altstadt hat sich teilweise zur City gewandelt; dabei wird die Straßenfront im Erdgeschoss zunehmend vom Einzelhandel dominiert, während die oberen Stockwerke 23 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona weiterhin Wohnfunktion übernehmen. Ungünstiger gelegene, nicht renovierte Bereiche der Altstadt sind dagegen typische Wohnviertel unterer sozialer Schichten. Resumen de indicadores Ciutat Vella BARCELONA Dto.1 Ciutat Vella Zeg: 1 Barceloneta Zeg: 2 Parc Zeg: 3 Gòtic Zeg: 4 Raval Población. 2001 1.505.325 88.793 15.083 19.951 16.261 37.498 Población. 1996 1.508.805 83.829 14.981 20.132 13.845 34.871 14.910 19.757 10.308 17.854 19.714 34.445 Esperanza de vida 19951999 hombres mujeres 78,5 73,2 72,4 74,9 73,1 73,0 74,5 82,2 68,0 79,0 66,8 78,5 70,1 79,6 67,5 79,7 67,6 79,0 % nascidos Catalunya. 2000 66,6 52,1 63,0 54,2 49,3 47,7 % nascidos extranjero. 2000 7,2 22,7 11,5 19,5 26,0 27,6 Tasa natalidad. 2000 8,3 8,6 7,7 7,2 6,8 9,1 Tasa mortalidad. 2000 10,3 14,7 16,5 13,2 13,2 13,3 Tasa inmigración. 2000 15,7 24,3 19,2 23,9 27,2 21,6 Tasa emigración. 2000 25,9 32,70 26,9 30,5 35,2 30,2 Turismos/1000 hab. 2000 410 276 259 300 344 224 Densidad (hab/km2). 2001 Tab. 4: Zusammenfassung statistischer Indikatoren für den Distrikt Ciutat Vella (Ajuntament de Barcelona 2003e) In ihrer Analyse der Raum- und Sozialstruktur in Barcelona von 1986 bis 1996 (West 2000) hat West die Wohnsegregation untersucht. Dabei versteht sie Segregation als Prozess, aber auch als statisches Merkmal. Das Merkmal stellt die ungleichmäßige Verteilung von Bevölkerungsgruppen im Raum dar. Es können sowohl einzelne als auch mehrere segregierende Merkmale für die Verteilung eine Rolle spielen. Segregation als Prozess beschreibt den Vorgang und die Stadien der Entmischung oder Abgrenzung von Bevölkerungsgruppen und das Entstehen mehr oder weniger homogener Nachbarschaften (West 2000, S. 11). Sie kam u.a. zu folgenden Ergebnissen: Gruppen, die eine niedrige Sozialposition beziehen (Bildung und Einkommen werden als Indikatoren für den Sozialstatus verwendet), zeigen eine Tendenz zur stärkeren Segregation, während Gruppen, die mittlere oder hohe Sozialpositionen aufweisen, in ihrer Neigung zur Segregation abnehmen. 24 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Die Abnahme der Segregation der akademischen Bildungsgruppen ist gleichzusetzen mit einer Ausdehnung über neue Standorte. Die traditionellen ZEG der Oberschicht (Pedralbes, Sarrià etc.) bleiben bestehen, während gleichzeitig neue Lebensräume gesucht werden. Gefunden werden diese vor allem im Distrikt Ciutat Vella, obwohl dieser eigentlich nicht ihrem Sozialniveau entspricht. Welches sind die Ursachen für diesen Prozess? Wie für deutsche Großstädte schon analysiert wurde, geht mit einer Pluralisierung der Lebensformen eine Suche nach geeigneten Wohnstandorten einher. So wurde für die 1980er Jahre eine Zuwanderung junger Menschen in die Innenstädte deutscher Großstädte festgestellt, die hier die erste Lebensphase nach Verlassen des Elternhauses verbringen. Da Barcelona eine der größten Universitäten des Landes ist und sich ein Teil der universitären Einrichtungen am Rande der Altstadt befinden, kann von einem ähnlichen Phänomen ausgegangen werden. Nach Beendigung der Ausbildung wird der Wohnort häufig beibehalten, da die angrenzenden Bereiche der Ciutat Vella eine gute Versorgung ermöglichen (West 2000, S. 136). Ein weiterer Grund liegt sicherlich in den Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen der älteren Bausubstanz in der Kernstadt, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Sie begünstigen die Zuwanderung einkommensstarker Gruppen, führen aber gleichzeitig zur Verdrängung einkommensschwacher Mietergruppen (Gentrification = stadtteilbezogener Aufwertungsprozess, der auf der Verdrängung unterer Einkommensgruppen durch den Zuzug wohlhabenderer Schichten basiert und zu Qualitätsverbesserungen im Gebäudebestand führt). 6.5.3 Exkurs: Citybegriff und andere Bezeichnungen für das zentrale Stadtgebiet Zur Bezeichnung des zentralen Stadtraumes hat sich in der deutschsprachigen Stadtgeographie der Begriff „City“ gegenüber synonymen Bezeichnungen wie Stadtmitte, Stadtkern und Zentrum durchsetzen können. Problematisch ist dabei allerdings, dass „City“ auch ein Begriff aus dem Alltag ist, der in der Umgangssprache mehr oder weniger unreflektiert benutzt wird. Zur Unklarheit trägt außerdem bei, dass der Citybegriff im angelsächsischen und angloamerikanischen Kulturraum eine andere Bedeutung hat. In Großbritannien wird mit „City“ nicht das zentrale Stadtgebiet, sondern eine Großstadt als ganze Einheit bezeichnet; zur Bezeichnung des zentralen städtischen Teilraumes ist der Citybegriff jedoch ungebräuchlich. Stattdessen wird der Begriff „central business district“ (CBD) angewendet (Zehner 2001, S. 70). 25 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Der deutsche Begriff „City“ leitet sich von der City of Westminster her mit ihrer Konzentration öffentlicher Einrichtungen und von der östlich davon gelegenen City of London, in der sich vor allem das Banken- und das Zeitungsviertel entwickelten. Dieser Umstand hat zu Kontroversen über den Begriffsinhalt geführt, die allerdings in einer weitgehenden Einigung mündeten, dass unter „City“ sowohl die höchstrangigen Wirtschafts- wie Verwaltungsfunktionen verstanden werden (Hofmeister 1993, S. 161). Heineberg sieht den Begriff „City“ vorrangig als einen Funktionsbegriff. Danach ist die City „der zentralst gelegene Teilraum ... einer größeren Stadt ... mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger Funktionen des tertiären und quartären Sektors, ...“ (Heineberg 2001, S. 162). Für die Standorte dieser Funktionen lassen sich verschiedene Merkmale festhalten: - es existieren Standort- oder Funktionsgemeinschaften, z.B. von Einzelhandel, Gastronomie und Arztpraxen in einer Hauptgeschäftsstraße, - es lassen sich funktionale Viertel ausmachen durch räumliche Gliederung der Standorte, z.B. Bankenviertel, Unterhaltungs- und Vergnügungsviertel, Regierungs- und Universitätsviertel, - die Entwicklungsdynamik einzelner Standorte differiert. Weitere Citymerkmale sind: - Verdrängung der Wohnbevölkerung und Auffüllung mit kommerziellen und administrativen Funktionen, - Überwiegen der Tag- gegenüber der Nachtbevölkerung, - hohe Arbeitsplatzdichte, - hohe Dichten des ÖPNV und des Fußgängerverkehrs, - Einrichtungen für den ruhenden Verkehr, - hohe Boden- und Mietpreise, - besondere physiognomische Merkmale: großer Repräsentationsaufwand, hohe Bebauungs- und Schaufensterdichte, Geschäftspassagen (Heineberg 2001, S. 162). Die Funktionen der City Neben den physiognomischen Merkmalen ist für die City die Standortgemeinschaft bestimmter Funktionen wesentlich. Vorrangig zu nennen ist der Einzelhandel, der in der City am frühesten und bis in die Gegenwart aufgetreten ist. Dabei führt die Spezialisierung zu unterschiedlichen Betriebstypen, wie z.B. Fachgeschäft, Kaufhaus, Shopping-Center. 26 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Leitbranchen sind Bekleidungsgeschäfte, Juweliere und Uhrengeschäfte, Fotofachgeschäfte und Geschäfte der Unterhaltungselektronik (Hofmeister 1993, S. 165). Die zweite große Gruppe von Cityfunktionen sind die privaten Dienstleistungen und Unternehmensverwaltungen. Dabei zeigen Einrichtungen des Geld- und Versicherungswesens eine besonders hohe Citygebundenheit. Ebenso weisen Makler-, Architekten- und Ingenieurbüros, Werbeagenturen und Anwaltskanzleien eine hohe Konzentration in der City auf. Als citybestimmende, nicht aber citytypische Funktionen (im Sinne der Definitionen von Heineberg) seien an dieser Stelle die Arzt- und Facharztpraxen erwähnt, die zahlreich in der City vorhanden sind, aber zu hohen relativen Anteilen auch über das übrige Stadtgebiet verteilt sein können (Hofmeister 1993, S. 168). Häufig hat sich ein Teilbereich der City zum Unterhaltungs- und Vergnügungsviertel entwickelt mit Cafés, Bars, Kinos, Theatern. Dabei sind die Grenzen zu den Funktionsbereichen Kunst einerseits und Gaststätten- und Beherbergungswesen andererseits fließend. Administrative Einrichtungen und offiziöse Funktionen wie z.B. Büros von Parteien, Verbänden, Organisationen und diplomatische Vertretungen sind relativ häufig in zentraler Lage anzutreffen; dabei kommt es innerhalb der City auch zu einer Schwerpunktnutzung in Form eines Regierungsviertels (Hofmeister 1993, S. 170). Gliederung und Abgrenzung der City Kennzeichen der City sind ihre räumliche Geschlossenheit und bauliche Kompaktheit. Dabei erfolgt die Gliederung und Abgrenzung mittels o.g. Merkmale, die z.B. in Kartierungen der Flächennutzungen festgehalten werden können. Der Citykern, der durch besonders große Häufigkeiten oder Dichten citytypischer Einrichtungen gekennzeichnet ist, wird auch als Hauptgeschäftsbereich bezeichnet. Indikatoren sind z.B. die hohe Passantendichte sowie die Ausweisung und Gestaltung von Fußgängerbereichen (Heineberg 2001, S. 164). Außerhalb des Citykerns, aber noch innerhalb der City gibt es gerade in Großstädten eine Reihe funktionaler Viertel mit charakteristischen Standort- und FunktionsGemeinschaften ähnlicher oder sich ergänzender Branchen, z.B. Banken-, Regierungsund Vergnügungsviertel. Der Cityrand stellt den äußeren Bereich der City dar und ist die Übergangszone zu den angrenzenden innerstädtischen Teilräumen. Hier treten die citytypischen Merkmale und Funktionen in geringerer Dichte und Intensität auf als im Citykern, insbesondere ist der 27 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Anteil der Wohnfunktion an der Gebäudenutzung höher. Häufig findet am Cityrand eine Expansion der City durch Nutzungswandel statt, z.B. die Umwandlung von Wohnhäusern in Geschäfts- und Bürohäuser (Heineberg 2001, S.165). 6.6 Moll de Bosch i Alsina / Port Urbà Eines der wesentlichen Merkmale des gegenwärtigen Wandels Barcelonas ist die Wiederherstellung einer offenen Beziehung zwischen der Stadt und dem Meer. Trotz seiner direkten Lage am Mittelmeer ist für Barcelona diese Beziehung nicht selbstverständlich. Mit dem Wachstum der Stadt im 19. Jh. verlor Barcelona im Laufe der Umsetzung des Cerdà-Planes schrittweise den direkten Kontakt zum Meer ("espalda al mar" = Rücken zum Meer). Die Industrialisierung des Viertels Poblenou und der Bau der ersten spanischen Eisenbahnlinie 1849 entlang der Küste schnitten die Stadt zunehmend vom Meer ab (Reimann 1996, S. 168). Für Barcelona bedeutet die Rückorientierung auf das Meer ("cara al mar" = Gesicht zum Meer) nicht nur eine neue Beziehung zwischen dem Hafen und der Stadt, sondern auch die Wiederentdeckung des gesamten städtischen Küstenbereiches. Die Moll de Bosch i Alsina wurde von 1982-87 erneuert; diese Sanierung fand in der ersten Phase der urbanistischen Erneuerung seit der Demokratisierung des Landes statt. Unter dem Namen „Espais urbans“ wurden räumlich punktuelle Kleinobjekte allein unter städtischem Management und städtischer Finanzierung durchgeführt. Vorrangig ging es um die Schaffung von Frei- und Grünflächen, um die Lebensqualität innerhalb der dichtesten Zonen der Stadt zu erhöhen. Bei der Erneuerung der Mole sollte einerseits die Ausdehnung des öffentlichen Raums bis zum Wasser (der Kai war lange Zeit für die Öffentlichkeit unzugänglich), andererseits ein reibungsloser Verkehrsfluss gewährleistet sein. So entstand zwischen dem Passeig de Colom und der eigentlichen Mole als Kernstück der Gesamtanlage eine 25 m breite, leicht erhöhte Aussichtsterrasse, die ein Großteil der Fahrspuren des Küstenringes überdeckt. Man versuchte, widersprüchliche Funktionen möglichst dicht an- und übereinander zu lagern und als ästhetische Einheit zu behandeln (Dutli 1991, S. 48 f). Die Umgestaltung des alten Hafens war Bestandteil des Programms "Àrees de Nova Centralitat", welches die Stadtplanung von 1987 bis 1992 maßgeblich beeinflusste. Ziel war es, eine ökonomische und qualitative Verbesserung in den weniger wohlhabenden Quartieren zu erreichen. Durch die Gestaltung des öffentlichen Raumes sollte das Gleichgewicht zwischen Zentren und Peripherie wieder hergestellt werden mit der 28 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Absicht, Urbanität in den konturlosen und substanzlosen Vorstädten der 1960er Jahre zu entwickeln (West 2000, S. 60). Um dieses Ziel zu erreichen, sollte eine polyzentrische Stadtstruktur durch Dezentralisierungsprojekte geschaffen werden. Dabei handelte es sich um zwölf Areale im Stadtgebiet, die die Funktionen Verkehr, Büroraum, Verkaufsflächen, Wohnraum und Freizeitanlagen integrieren. Die Abhängigkeit vom historischen Kern und von der Eixample sollte vermindert werden; gleichzeitig sollten diese neuen Zentren die Altstadt und die Eixample entlasten und der dortigen Verdrängung des Wohnraums durch Büround Dienstleistungs- bzw. Einzelhandelsflächen entgegenwirken (Reimann 1996, S. 155 f). Heute bietet das Areal des alten Hafens Potential unterschiedlicher Nutzungen wie Einkauf, Freizeit und Tourismus. So ist der Port Urbà zu einem Yachthafen umgebaut worden, und über die neu errichtete Rambla de Mar sind auf der Moll d’Espanya u.a. ein Groß-Aquarium und ein IMAX-Kino-Center zu erreichen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass stereotype Erscheinungsbilder vieler amerikanischer und europäischer Häfen wiederholt werden, ohne das historische Erbe Barcelonas zu berücksichtigen. Die Rückbesinnung auf die maritime Vergangenheit sollte nicht vergessen werden, „Waterfront Development“ bedeutet mehr als nur die Stärkung der städtischen Ökonomie (Schubert 2002, S. 23). Dass ein Nachbau der Santa María (Kolumbus‘ Flaggschiff) das historische Erbe nur unzureichend widerspiegelt, hat man inzwischen auch erkannt: das Schiff wurde aus dem Hafenbecken entfernt. 6.7 Carrer d’Andrea Doria / La Barceloneta Bis Anfang des 18. Jhs. war das Gebiet des heutigen Barceloneta nur dünn von Fischern besiedelt, die außerhalb der Stadtmauern lebten. Durch den Bau einer Festung auf dem Gelände des heutigen Parc de la Ciutadella wurden dort Tausende von Menschen wohnungslos, die in den folgenden Jahren auf der dem Hafen vorgelagerten Landzunge Notunterkünfte errichteten. Im Jahr 1753 wurde das Viertel Barceloneta als erste planmäßige Stadterweiterung angelegt; man baute es nach den Plänen des Ingenieurs Cermeño in einem rechtwinkligen Raster unter Einhaltung präziser Vorgaben (identische Einfamilienhäuser mit maximal zwei Stockwerken). Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums im 19. Jh. lockerte man die Stockwerksbeschränkung und ermöglichte den Bau von 29 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona 5-geschossigen Wohngebäuden. Im 20. Jh. verlor Barceloneta sein einheitliches Aussehen, weil es nun möglich war, den Gebäudetyp zu variieren (Ajuntament de Barcelona 2003g). Auffällig ist heute die renovierte Wasserfront Barcelonetas, die sich deutlich von den Fassaden im Inneren des Viertels abhebt. Besondere Bedeutung wurde hierbei der der Stadt zugewandten Seite zugemessen. An der Moll de Depòsit, der Hafenseite des Viertels, wurde eine ehemalige Lagerhalle völlig restauriert und zum Palau del Mar umgebaut. Restaurants und Einzelhandelsgeschäfte des Hochpreissegments teilen sich das sanierte Gebäude mit dem katalanischen Geschichtsmuseum. Um den maritimen Charakter Barcelonetas zu bewahren, wurden die Strände an der Meeresseite des Viertels neu gestaltet. Dabei ging durch die Anwendung des Küstengesetzes auch historisches Erbe verloren, z.B. ein Teil der nostalgischen „Badeanstalten“ direkt am Meer. Da eine Bebauung nur in einer Entfernung von mindestens 100 m zum Meer erlaubt ist, wurden nur einige wenige dieser Bäder saniert. 6.8 Vila Olímpica In Barcelona wurden die Olympischen Spiele als die große Chance gesehen, einige der generellen Stadtentwicklungsprobleme zu lösen. Wie in anderen Olympiastädten wurde das Großereignis als Katalysator für die notwendige Städtebaupolitik und für die Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen und sozialen Projekten genutzt (West 2001, S. 152). Charakteristisch für das Projekt Olympische Spiele 1992 war, dass es nicht an einem Nullpunkt ansetzte. Es war eingebettet in einen viel breiteren Prozess der langfristigen Stadtplanung, den "Strategischen Plan Barcelona 2000", mit einer größeren Reichweite als die Planung für die Olympischen Spiele (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 89). Der Plan zielt auf eine Modernisierung der örtlichen Wirtschaft und auf die Veränderung der Lebensverhältnisse ab. Er ist ein Programm, das von allen wesentlichen sozialen Gruppen der Stadt (einschließlich Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Universitäten) seit 1988 gemeinsam erarbeitet und 1990 beschlossen wurde. Das übergeordnete Ziel lautet: Konsolidierung Barcelonas als europäische Wirtschaftsmetropole, mit Einfluss auf die Makroregion, in der sie liegt, mit einer modernen Lebensqualität, sozial ausgeglichen und fest in der mediterranen Kultur verankert (Reimann 1996, S. 155). Um dieses Ziel zu erreichen, werden drei Handlungslinien verfolgt: - Ausbau Barcelonas zu einer der führenden Zentren der Makroregion, - Verbesserung der Lebensqualität und des Fortschritts der Bürger, 30 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona - Potenzierung von Industrie und Unternehmensdienstleistungen (West 2000, S. 62). Für die städtische Erneuerung im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen war entscheidend, dass man kein zusammenhängendes Areal zur Austragung wählte, sondern dass die Spiele auf vier olympische Zentren verteilt wurden. Wie der Port Urbà wurden auch diese Zentren Bestandteile des Programms „Areale neuer Zentralität“ (vgl. Kap. 5.6). Durch diese Vorgehensweise war die Möglichkeit gegeben, die gesamte Stadt in die Neuplanung einzubeziehen. Es wurden Großprojekte durchgeführt, die unmittelbar auf die Struktur der Stadt wirkten, wie im Falle der Neuordnung und dem Ausbau des Verkehrs-, Abwasser- und Versorgungssystems für die Besucher und Sportler. Die Durchführung des Programms erfolgte im Rahmen der "Public Private Partnership"; dazu wurden unabhängige, private Unternehmen mit öffentlichem Kapital (Risikokapitalgesellschaften, Investitionsclubs) gegründet. Durch diese Form konnte man unterschiedliche Akteure wie lokale und internationale Unternehmen, kommunale Körperschaften, zentrale Ministerien und Stadtteilgruppen verbinden und in die Planung mit einbeziehen. Die Kontrolle und Koordination der verschiedenen Projekte blieb jedoch in den Händen des Stadtrates (West 2001, S. 153). 6.8.1 Die Olympischen Areale Die vier Bereiche, in denen sich das Programm der Olympischen Spiele konzentrierte, sind das Olympische Dorf mit dem Olympia-Hafen, der Olympische Ring auf dem Berg Montjuïc, das Vall d' Hebron nordwestlich der Stadt und das Areal an der Avinguda Diagonal auf der Höhe der Metro-Station Zona Universitària. Die Standorte der Sportanlagen wurden nach einem dezentralen Modell gewählt. Exemplarisch für die vier olympischen Zentren soll an dieser Stelle das Olympische Dorf näher untersucht werden. Zusammen mit dem Olympia-Hafen bildet das Olympische Dorf La Nova Icària das Kernstück des Projektes "Öffnung der Stadt zum Meer". Durch zwei Hochhäuser markiert, zeichnet sich dieses neue Areal deutlich in der Silhouette Barcelonas ab. Das Vila Olímpica entstand auf einem Teil des ehemaligen Industriegebietes des Viertels Poblenou, das als Industriebrache seit den 1970er Jahren keiner Nutzung mehr zugeführt werden konnte. Zum Projekt gehören u.a. 2000 Eigentumswohnungen im Hochpreissegment, acht Bürogebäude, ein Hotel, ein Kongresszentrum und eine öffentliche Bibliothek. In der nördlich angrenzenden Zone wurden weitere 500 Wohnungen gebaut, von denen 150 die Stadt gefördert hat (West 2000, S. 65). Die Fassaden der Gebäude an der Av. Icària sind eine Reminiszenz an die ehemals das Gelände prägende Industriearchitektur. Dominierend sind rote Backsteinfassaden und geradwinklige, auf den ersten Blick schmucklose Fassaden, die teilweise durch Außentreppen ergänzt wurden. 31 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Das kurzfristige Planungsziel bestand darin, etwa 15.000 Athleten während der Spiele hier zu beherbergen; heute ist das Vila Olímpica zu einem Wohngebiet für mittlere bis höhere Einkommensgruppen geworden. 220 Firmen haben sich dort niedergelassen, und 1.854 Wohnhäuser sind entstanden (García 1993, S. 257). Auch das Projekt des Olympischen Dorfes wurde in Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor durchgeführt. Planung und Durchführung lagen bei der Vila Olímpica SA, einer Aktiengesellschaft, die sich aus der Stadt Barcelona, dem Ministerium für öffentliche Arbeiten und Transport, der staatlichen Eisenbahngesellschaft RENFE, weiteren Institutionen des öffentlichen Sektors, dem Versicherungskonzern MAPFRE und einer US-amerikanischen Hotelkette zusammensetzt. 6.8.2 Sozio-ökonomische Wirkungen der Olympischen Spiele Eine exakte Abschätzung der sozio-ökonomischen Folgen, die ein Ergebnis wie die Olympischen Spiele für eine Stadt mit sich bringt, steht vor mehreren Problemen. U.a. muss die zu untersuchende Zeitspanne festgelegt werden. Sollte der Oktober 1986 als Ausgangspunkt genommen werden? Oder sollten frühere Strategien einbezogen werden? Weitere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man die Grenze zwischen eindeutig durch die Olympiade verursachten Kosten und Nutzen und anderen Investitionen ziehen will, die nicht das direkte Ergebnis der Spiele sind und vielleicht auch ohne sie erfolgt wären (García 1993, S. 264). 6.8.2.1 Beschäftigung und wirtschaftliche Aktivitäten Die dem olympischen Projekt vorangehende Periode (1980-1985) war durch eine hohe Arbeitslosenquote in der Stadt gekennzeichnet; die Strukturveränderungen in der Textilund Schwerindustrie schlugen auch in Barcelona voll durch. Die Arbeitslosenquote verringerte sich während der Zeit der Vorbereitung der Olympischen Spiele von 18,8% auf 9,6%. Nach Schätzungen von Brunet hat das Projekt von 1987-1991 im Jahresdurchschnitt unmittelbar für 35.000 Personen neue Arbeitsplätze geschaffen (Brunet 1995, S. 24). Diese Arbeitsplätze entstanden mehrheitlich im Baubereich. Auch im Dienstleistungsbereich stieg die Zahl der Beschäftigten, hier vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Bereich Reinigung, Sicherheit und im Einzelhandel. In diesen Branchen ist die Beschäftigung aber weitgehend ungesichert, und es waren häufig Arbeitsplätze mit geringem Verdienst, die hauptsächlich von Frauen, Schülern und Studenten wahrgenommen wurden (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 109 f). 6.8.2.2 Der Wohnungsmarkt Die Stadtentwicklung im Zuge der Olympischen Spiele hat zu erhöhten Boden- und Wohnungspreisen geführt. Die "olympische Operation" mit ihren starken privaten Investitionen hat das öffentliche Angebot an Wohnraum bzw. an Sozialwohnungen nicht wesentlich vergrößert, denn Investitionen wurden nur dort getätigt, wo auch 32 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Gewinnaussichten bestanden. Die zunehmende Konzentration auf die Ansiedlung moderner Dienstleistungsunternehmen hat die Tendenz der Verteuerung weiter verschärft. So ist dann auch von verschiedenen Seiten das Projekt Vila Olímpica kritisiert worden, da von Beginn an mittlere und gehobene Einkommensschichten als Nachfolgenutzer geplant waren. Der Anstieg des Bildungsniveaus und der ökonomischen Kapazität in der ZEG Poblenou (West 2000, S. 120, 125) bestätigen diese Feststellung. Somit vollzieht sich Gentrification in diesem Gebiet, das früher zu den verfallensten und wertlosesten der Stadt gehörte (García 1993, S. 258). Ferner kam es als Folge der hohen Miet- und Wohnungspreise zu verstärkten Wanderungsbewegungen aus Barcelona heraus; die Mehrheit der die Stadt verlassenden Bevölkerung zog wegen der dort niedrigeren Wohnungspreise in andere Bereiche des Großraums Barcelonas (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 109). Die negative Entwicklung der Bevölkerungszahlen von 1981 bis 2000 widersprechen dieser Aussage nicht (Tab. 2, S. 13). 6.8.2.3 Auswirkungen des Sportanlagenbaus Die Stadt hat im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen die Zahl der Sportstätten stark vergrößert und durch die dezentrale Lage den Zugang zu ihnen teilweise erleichtert. Von den 14 neuen Hallen wurden sieben in Arbeitergebieten, vier in Mittelschichtquartieren und die restlichen drei in gehobenen Wohngebieten errichtet. Diese Verteilung weckte nicht nur in der Bevölkerung ein Gefühl der symbolischen Teilhabe an den Spielen, sondern die Bewohner der jeweiligen Stadtviertel wurden tatsächlich Nutzer dieser Anlagen. Die Gesamtkosten für die Sportanlagen betrugen weniger als 7% der Gesamtinvestitionen in die städtische Infrastruktur; denn der Olympische Planungsausschuss (COOB' 92) war entschlossen, die Kosten in Grenzen zu halten und schloss sehr früh Verträge mit zukünftigen Nutzern wie Sportvereinen und -verbänden ab (García 1993, S. 271). Es ist aber nicht auszuschließen, dass eine Überangebot an Sportstätten geschaffen worden ist, und es könnte schwierig werden, sie rentabel zu nutzen. Dann besteht die Gefahr, dass die neuen Sportstätten schnell unbrauchbar werden wie es in den 1930er Jahren nach der erfolglosen Olympia-Bewerbung geschah (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 113). 6.8.2.4 Die Zugänglichkeit der Stadt Die umfangreichen Straßenbaumaßnahmen gehörten zu den wichtigsten städtebaulichen Veränderungen im Rahmen des Projekts Olympische Spiele. Drei der vier Standorte liegen an der neugebauten Stadtautobahn, die als Verbindungsglied zwischen dem innerstädtischen und dem regionalen Verkehrsnetz dient. 33 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Allerdings haben die massiven Investitionen in das Straßennetz ausschließlich den privaten PKW-Verkehr gefördert; eine Strategie der Verbesserung des ÖPNV wurde nicht entwickelt. Es fehlen die Koordinierung der verschiedenen Schienennetze (Metro, städtische und regionale Eisenbahn im Großraum) und die tarifliche Integration aller Nahverkehrsmittel. Eine grundlegende Reform des Busnetzes steht ebenso aus wie schärfere, restriktive Maßnahmen gegenüber dem Individualverkehr. Die Folge ist, dass die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zurückgeht (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 126 f). 6.8.2.5 Fazit Das "olympische Projekt" hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht; den größten Nutzen bescherte die Olympiade städtischen Immobiliengesellschaften, Teilen des Hotel- und Gastronomiegewerbes, Architekten und Designern und einigen der Bauwirtschaft zuzurechnenden Unternehmensgruppen. Am anderen Ende der Skala finden sich marginalisierte Gruppen, die von den Preiserhöhungen besonders stark betroffen waren und die auch auf dem "Olympia-Arbeitsmarkt" keine Chancen hatten. Dennoch waren verschiedene soziale Gruppen, darunter auch die Gewerkschaften, der Auffassung, dass die Olympiade Barcelona zu einem Aufschwung verholfen hat; es bestand Konsens darüber, dass die Lebensqualität verbessert wurde (García 1993, S. 274). Aber der Schwung der Entwicklungsphase, die durch die Olympischen Spiele 1992 charakterisiert ist, hat sich gewissermaßen aufgebraucht. Das Ziel, zu einer der bedeutendsten Metropolen im Mittelmeerraum zu werden, wurde erreicht; die Rahmenbedingungen für die Konkurrenz der Metropolen haben sich aber seit 1992 durch den Schub der Globalisierung erneut tiefgreifend verändert (Ehrenberg/Kruse 2000, S. 81). Als zentrale Hemmnisse werden immer wieder der mangelnde Konsens der verschiedenen beteiligten Administrationen (Stadt, Generalitat, Zentralregierung) genannt und die Unklarheit darüber, wie die Bedeutung der metropolitanen Region Barcelonas mit der Entwicklung von Katalonien insgesamt in eine produktive Beziehung gesetzt werden kann. 6.9 Plaça de les Glòries Catalanes Nach den Plänen von Cerdà sollte die heutige Pl. de les Glòries ein neues Zentrum der Stadt werden, denn hier schneiden sich die großen Achsen Av. Diagonal, Gran Via de les Corts Catalanes und die Av. Meridiana. An diesem Platz sollten administrative Gebäude errichtet werden, ganz im Sinne der gerechten Verteilung sozialer und öffentlicher Einrichtungen zur Gewährleistung der stadtteilbezogenen Autonomie. 34 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Die Realität stellte sich allerdings anders dar, denn um die Pl. de les Glòries wurden statt administrativer Gebäude Wohn- und Fabrikanlagen gebaut, auf dem Platz selbst verlor sich das Raster zwischen sich kreuzenden Betontrassen und Bahngleisen. Kleingewerbe, Lagerhallen und ein Flohmarkt prägten den typischen Vorortcharakter dieses Platzes (Reimann 1996, S. 165). Die Aufnahme in das Programm „Areale neuer Zentralität“ soll den Platz als neues Zentrum der sich nach Norden ausbreitenden Kernstadt ausweisen. In dieser Funktion soll er Ungleichgewichte in den Beziehungen zwischen dem traditionellen Zentrum der Stadt und den in der Nähe des Meeres gelegenen Stadtteilen ausgleichen. Ausgangspunkt der Neugestaltung dieses Bereiches war eine neue Verkehrsführung der hier zusammenlaufenden Verkehrsachsen. Dazu wurde ein auf 10 m angehobener Straßenring gebaut, unter dem sich ein Parkhaus befindet. Die Kombination von Verkehrsknotenpunkt und Metrostation sollten dieses Parkhaus am Eingang der Stadt zu einer Schnittstelle zwischen öffentlichem Nahverkehr und Individualverkehr machen. Bislang scheint dies allerdings noch nicht gelungen zu sein: das Parkhaus ist in der Regel nur wenig ausgelastet (Reimann 1996, S. 165). Verschiedene öffentliche Projekte in diesem Bereich sollen das vorhandene Entwicklungspotenzial unterstreichen. Im südlichen Teil des Platzes entstand auf dem Gelände eines ehemaligen Bahnhofs das katalanische Nationaltheater und ein MusikAuditorium. Mit dieser Ansammlung kultureller Einrichtungen soll ein völlig neuer „kultureller Pol“ im Norden der Stadt entstehen. Zusätzlich wurde der an den Platz angrenzende Teil der Av. Diagonal städtebaulich verbessert und umgenutzt. Auf dem ehemaligen Gelände von Olivetti befinden sich heute ein Einkaufscenter und Gebäude mit städtischen Einrichtungen, wie das Stadtplanungsamt und das städtische Rechenzentrum. Auf den angrenzenden Industriebrachflächen wurden die alten Produktionsgebäude weitgehend abgerissen und ersetzt durch moderne Büro- und Wohnkomplexe, die von städtischen Grünflächen umgeben sind (West 2000, S. 120). Im Programm „La Segona Renovació“ (Die zweite Erneuerung), welches von 19911995 aufgelegt wurde, ist auch die Pl. de Glòries involviert. Dieses Programm war wie das Konzept der Areale neuer Zentralität durch PPP, Partizipation der Bürger an Entscheidungsprozessen und der Versuch eines Ausgleichs zwischen Zentrum und Peripherie gekennzeichnet. Die gewählte Art und Weise, eine Verknüpfung zwischen Städtebau, Stadtmanagement und Bürgern herzustellen, wurde als modellhaft („model Barcelona“) bezeichnet. 35 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Das Programm enthielt drei Großprojekte, von denen ein Projekt die Weiterführung und den Ausbau der Av. Diagonal umsetzte. Bereits Cerdà beabsichtigte die städtebauliche Erschließung der restlichen Av. Diagonal, um die Integration des Distriktes Sant Marti in die restliche Stadt zu ermöglichen. Bis 1991 war diese Avinguda von Südwesten nur bis zur Pl. de les Glòries für den Kfz-Verkehr durchgängig erschlossen, während der nordöstliche Teil zwischen dem Platz und dem Meer teilweise verbaut war mit Fabrikationsgebäuden der Schwerindustrie und ausschließlich für den Güterumschlag genutzt wurde. Heute ist die Av. Diagonal direkt an die städtischen Umgehungsstraßen angebunden (West 2000, S. 67). Wie attraktiv ist der Distrikt Sant Martí für die Bevölkerung Barcelonas? In ihrer Untersuchung kommt West zu dem Ergebnis, dass dieser Distrikt die höchste positive Wanderungsbilanz aller Distrikte Barcelonas hat. Dieses Ergebnis für das Jahr 1996 kann zumindest teilweise auf die Schaffung von neuem Wohnraum im Rahmen der Programme „Àrees de Nova Centralitat“ und „La Segona Renovació“ zurückgeführt werden. Die zwei Großprojekte „Pl. del les Glòries“ und „Carles I – Av. Icària“ liegen ebenso wie die Projekte „Diagonal-Prim“ und „Front Maritím del Poblenou“ innerhalb des Distrikts Sant Martí (West 2000, S. 131). 6.10 Carrer d’Astúries / Gràcia Der Stadtteil Gràcia entstand im 18. Jh. ebenso wie Sant Gervasi und Sant Andreu als ländliche Siedlungsgemeinschaft außerhalb der Festungsmauern. Mitte des 19. Jhs. war Gràcia noch eine selbstständige Gemeinde und unterlag somit nicht den strengeren Flächennutzungs- und Bauvorschriften wie sie in der Eixample zur der Zeit Gültigkeit hatten. Daher ließen sich hier nach der Schleifung der Stadtmauern zahlreiche Spinnereien und Webereien nieder, die entweder Betriebsverlagerungen oder Neuansiedlungen darstellten (Bähr/Gans 1986, S. 16). Der Industrieansiedlung folgte der Wohnungsbau, der ausgelöst wurde durch einen gewaltigen Bevölkerungszuwachs. Die Einwohnerzahl vervierfachte sich innerhalb von 50 Jahren und erhöhte sich bis zum Jahr 1900 auf etwa 50.000. Die Gebäude wurden dicht nebeneinander errichtet, ihre Höhe nahm auf bis zu 16 m zu. An der Grundrissund Parzellenstruktur änderte sich bis heute nichts, d.h. die aktuelle Straßenbreite beträgt immer noch ca. 6 m und die Blöcke sind vollständig bebaut. Obwohl die Bevölkerungszahl in den letzten Jahren zurückging (Tab. 3, S. 18), errechnet sich für Gràcia mit 27.237 Einwohnern pro km² im Jahr 2001 noch immer eine der höchsten Dichtewerte aller Distrikte (Tab. 5, S. 35). 36 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Densidad de población 2001 Distrito Población Superficie km2 Densidad Hab./Km2 BARCELONA 1.505.325 101,0 14.910 88.793 248.383 167.189 82.291 132.864 114.018 165.942 164.163 135.281 206.401 4,5 7,5 21,3 6,0 20,1 4,2 12,0 8,0 6,6 10,8 19.757 33.275 7.832 13.675 6.612 27.237 13.879 20.422 20.610 19.118 1. Ciutat Vella 2. Eixample 3. Sants-Montjuïc 4. Les Corts 5. Sarrià-Sant Gervasi 6. Gràcia 7. Horta-Guinardó 8. Nou Barris 9. Sant Andreu 10. Sant Martí Tab. 5: Bevölkerungsdichte in den Distrikten 2001 (Ajuntament de Barcelona 2003h) Bis heute geblieben ist die Mischung in der Flächennutzung. Es sind nicht die großen Industriebetriebe, die das Gesicht des Viertels prägen, sondern das Nebeneinander von Läden, Cafés, Werkstätten, Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben. Allerdings sind auch in Gràcia Aufwertungsprozesse sichtbar: In günstiger Lage zur Eixample wurden alte Häuser abgerissen und durch moderne Appartementgebäude ersetzt. Die neuen Mieter bzw. Eigentümer gehören einer besser verdienenden Bevölkerungsschicht an, die sich weniger auf den alten Ortskern, sondern vielmehr zur City hin orientiert (Bähr/Gans 1986, S. 17). Dieser Stadtteil ist inzwischen durch Zugezogene überprägt und Gentrification ist zu beobachten. Die Platzgestaltungen von Gràcia bildeten Teil einer umfassenden Sanierung im Rahmen des Programms „Espais Urbans“. Neben der Verkehrsberuhigung und Neugestaltung der bestehenden Plätze zielte die Politik der Stadt langfristig auf den Erwerb ganzer Häuserblocks und die Umfunktionierung der Höfe in öffentliche Grünräume. Erklärtes Ziel war es, den Plätzen durch verhaltene Eingriffe eine neue Identität zu verleihen, z.B. durch die Schließung der platzbegleitenden Straßen für den Durchgangsverkehr, was zu einer physischen wie optischen Vergrößerung der Plätze führte und ihnen einen einheitlichen Charakter gab. Gelungenes Beispiel dieser Platzgestaltung ist die Plaça de la Virreina (Dutli 1991, S. 102). 6.11 L’Illa / Avinguda Diagonal Die Av. Diagonal verbindet die Eixample mit den bevorzugten Wohnstandorten der gehobenen Bevölkerungsschicht (Pedralbes, Sarrià, St. Gervasi). Sie wurde im Laufe 37 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona der Jahre gleichermaßen zur repräsentativen Adresse für die Oberschicht wie auch für Anbieter von hochwertigen Dienstleistungen und für die Verwaltungsgebäude von Banken und Firmen. Die Ausweitung von kommerziellen Aktivitäten stimmt mit der Wanderungsrichtung der Oberschicht entlang der Av. Diagonal überein (West 2000, S. 139 f). Im Rahmen des Programms „Areale neuer Zentralität“ wurde an der Av. Diagonal ein Projekt ausgewiesen, das auf der Fläche eines ehemaligen Krankenhauses verschiedene Nutzungen mit einem großen Angebot an öffentlichen Flächen und Dienstleistungen umfasst. Zwischen der Carrer de Numància und der Carrer d’Entença erstreckt sich ein Komplex, der das Potenzial dieser wichtigen Entwicklungsachse der kommerziellen und finanziellen Aktivitäten der Stadt stärken soll. Ziel dieses Projektes ist eine Stärkung des Image Barcelonas als europäisches Finanzzentrum und Global City. Ein 35.000 m² großes Einkaufszentrum, knapp 2500 Einstellplätze, ein Vier-Sterne Hotel und 48.000 m² Büroflächen gehobenen Standards bilden das Kernstück dieses Komplexes. Ergänzt werden diese Nutzungen durch ein Finanzzentrum, einen Schulbereich und einen großen öffentlichen Park im Inneren des Blocks (Reimann 1996, S. 163). Folgende Fragen seien an dieser Stelle erlaubt: - Hat sich die geplante Mischnutzung behauptet oder haben sich die rein tertiären und kommerziellen Nutzungen durchgesetzt? - Beeinflusst das Areal seine unmittelbare Umgebung in Sinne einer Nutzungsmischung? 7 Schlussbetrachtung Die Wirksamkeit der Stadtplanungsmaßnahmen in Barcelona ist im Wesentlichen auf die Stadtentwicklungspolitik unter Ausnutzung der Olympischen Spiele und auf die aktive Beteiligung wichtiger Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit zurückzuführen. In Barcelona stand die Stadtplanung speziell nach 1986 unter dem strategischen Charakter lokaler Politik, der im "Pla Estratègic econòmic i social Barcelona 2000" zum Ausdruck kommt. Bei dieser Form wird Stadtentwicklung als ein Prozess verstanden, der durch relativ kurzfristige Projekte vonstatten geht. Durch die Form der PublicPrivate-Partnership wurden unterschiedliche Akteure verbunden und in die Planung und Durchführung mit einbezogen. Das Programm "Arees de Nova Centralitat" hat 38 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona allerdings gezeigt, dass es "partnerschaftswürdige" und marginalisierte Restbereiche gibt (West 2000, S. 72). Wohnungsbauprogramme wie das "Vila Olímpica" schufen lediglich Wohnraum gehobenen Standards, so dass sich die Lebensqualität sozial schwacher Schichten trotz der Milliardeninvestitionen nicht wesentlich verbesserte. Derzeit befindet sich Barcelona in einem städtebaulichen Transformationsprozess. Mehr als sieben Millionen Quadratmeter Gewerbeflächen werden in den nächsten Jahren innerhalb des Stadtgebietes erschlossen. Die geplanten Investitionen übersteigen insgesamt das im Vorfeld der Olympischen Spiele im Jahr 1992 eingesetzte Volumen. Im Zentrum der Aktivitäten liegt der Ausbau des ehemaligen Arbeiter- und Industrieviertels Poble Nou zu einem modernen Dienstleistungszentrum vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Nach den Plänen der Stadtregierung werden mehr als 140.000 Menschen in umgebauten oder neu errichteten Büro- und Gewerberäumen arbeiten (Holzer 2003, S.1). Weitere geplante Großprojekte in Barcelona betreffen den Ausbau des Metronetzes sowie die Erweiterung des Messegeländes. Im vergangenen Jahr begannen die Bauarbeiten zur Vorraussetzung Verschiebung für eine des Flussverlaufes Vergrößerung des des Llobregat. Hafengeländes. Diese Ziel ist dieser Infrastrukturmaßnahmen ist nicht zuletzt die Positionierung der Stadt als Logistik- und Wirtschaftszentrum im Mittelmeerraum. Barcelona sucht den Wandel - wie würde Cerdà diese Projekte bewerten? 39 Phasen der Stadtentwicklung und Konzepte der Stadtplanung in Barcelona Literaturverzeichnis Ajuntament de Barcelona (1990): Plano de la Ciudad. Barcelona Ajuntament de Barcelona (2003a): La población a 1 de enero de 2001. Online: http://www.bcn.es/estadistica/castella/dades/sintesi/vivat0.htm. 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