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Kapitel 1 Veränderungen in der Presselandschaft 1.1. Wege aus der Krise: Zeitungen auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen Über Generationen hinweg prägte viele Bundesbürger ein immer gleiches morgendliches Ritual: Aufstehen, Kaffeewasser aufsetzen, Zeitung holen. Und dann der erste Blick auf die Schlagzeilen. Die Tageszeitung liegt druckfrisch schon in aller Frühe im Briefkasten, vor der Haustür oder auch im Zeitungskasten um die Ecke. Wie Zeitungsverleger und -redakteure übereinstimmend feststellen, kann man es sich mit den Leserinnen und Lesern vor allem verscherzen, wenn man ihnen die Zeitung vorenthält, sprich, der Zusteller verschlafen hat oder gar ein Warnstreik der Redakteure oder Drucker das Erscheinen verhindert. Es fehlt dann etwas am Morgen, wenn der Brief- oder Zeitungskasten leer bleibt. Diese Erkenntnisse mögen selbstverständlich sein. Und doch, bei den Zeitungen und Zeitschriften ist eben nicht mehr alles selbstverständlich. Mit scheinbar unantastbaren Traditionen wird gebrochen. Die Verlage und Redaktionen sehen sich seit ein paar Jahren mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert. Nach der technischen Revolution im Der Krise zum Trotz hat der Leser eine vielfältige Auswahl an Tageszeitungen. Bild: SV-Bilderdienst/ Teich A./Caro Kapitel 1 | 15 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Druckbereich in den 70er Jahren, als von Blei- auf Computersatz umgestellt wurde, ist jetzt die zweite große Veränderung in der Zeitungslandschaft Deutschlands im Gange. 1.1.1. Ursachen für die Zeitungskrise Auflage sinkt Es ist nicht nur eine Veränderung, sondern eine ausgewachsene Krise, die die Zeitungen durchlaufen. Die Branche muss seit Jahren Auflagenrückgänge verkraften: Zuletzt wurden im zweiten Quartal 2005 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 27,40 Millionen publiziert. Davon waren 21,6 Millionen Tageszeitungen, 3,83 Millionen Sonntagszeitungen und gut 1,9 Millionen Wochenzeitungen. Ein Jahr zuvor waren es 3,2 Prozent mehr.1 Das liegt an der konjunkturellen Schwäche in Deutschland, die einher geht mit einem deutlich gesunkenen Konsum. Nachdem die Wirtschaftsleistung im Jahr 2003 preisbereinigt erstmals seit zehn Jahren um 0,1 Prozent zurückgegangen war, hat sich zwar das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 real um 1,7 Prozent verbessert, dieses Plus wurde jedoch fast ausschließlich vom Export getragen, die privaten Konsumausgaben gingen um 0,3 Prozent zurück.2 Diese Konsumschwäche wirkt sich auch auf die Tageszeitungen aus: Auch wenn nach wie vor drei von vier Bundesbürgern täglich eine Zeitung lesen, geht die Auflage zurück. Auf Zeitungen kann man in der Wirtschaftskrise offenbar verzichten. Erschwerend kommt hinzu, dass angesichts der Bevölkerungsentwicklung immer schmalere Jahrgänge ins „zeitungsreife“ Alter nachwachsen. Einbruch am Anzeigenmarkt Deutschland steckt seit dem Jahr 2001 in einer Wirtschaftskrise. Die Wachstumsraten stagnieren, die Arbeitslosigkeit hat dramatisch zugenommen. Die Unternehmen halten sich zurück mit Neueinstellungen oder verkleinern ihre Belegschaften. Dies hatte Folgen für die Tageszeitungen. Das Anzeigengeschäft, und dort vor allem die Stellenanzeigen, war bis zum Jahr 2000 mit durchschnittlich zwei Dritteln Hauptumsatzträger. 2002 brachen die Anzeigen um zwölf Prozent ein und noch einmal um zehn Prozent im Jahr 2003. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist alarmiert: „Einen so starken Rückgang der Umsätze wie in den vergangenen drei Jahren hat es bei den Zeitungen in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gegeben.“3 Vor allem die Zahl der Stellenanzeigen ist innerhalb eines Jahres um 1) BDZV, Zur Lage der Zeitungen in Deutschland 2005. (Stand 8/2005, www.bdzv.de/markttrends_und_daten.de) 2) Vgl. Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, 13.01.2005. 3) BDZV, Die deutschen Zeitungen in Zahlen und Daten, Auszug aus dem Jahrbuch „Zeitungen 2004“, Berlin, o.A., S. 6. 16 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 36 Prozent zurückgegangen. Auch wenn sich die Zahlen langsam stabilisieren (die Anzeigen konnten zwischen 2004 und 2005 um 0,3 Prozent zulegen, die Stellenanzeigen sogar um 2,5 Prozent), ist das Niveau doch erheblich geschrumpft. Heute gilt die Faustregel: 53 Prozent des Umsatzes erzielen die Tageszeitungen mit Anzeigen, 47 Prozent durch den Vertrieb. Das kann jeder Leser spüren, der einmal eine Wochenendausgabe einer überregionalen Zeitung in der Hand hält. Sie ist leichter als früher. Kein Wunder: Auch der Verbrauch von Zeitungsdruckpapier ging zwischen 2001 und 2002 von 2,9 Millionen auf knapp 2,2 Millionen Tonnen zurück. Auf alle überregionalen Tageszeitungen hoch gerechnet heißt das: Die Werbeeinnahmen schrumpften nach dem Rekord im Jahr 2000 um fast 30 Prozent, ebenso die Einnahmen im Anzeigengeschäft. Beispiel Süddeutscher Verlag, der die Süddeutsche Zeitung herausgibt: Der Umsatz sank von 873,5 Millionen Euro im Rekordjahr 2000 auf 719,9 Millionen Euro im Jahr 2002. Entsprechend sieht es bei den Erlösen aus: Mit 76,6 Millionen Euro rutschte der Verlag 2002 tief ins Minus. Der Süddeutsche Verlag schlitterte in eine existenzbedrohende Krise, der SZ drohte nach 57 Jahren das Aus oder die Übernahme.4 Auch bei den Privatanzeigen brach das Geschäft ein. Das hat zum einen ebenfalls konjunkturelle Gründe, doch es kommt noch etwas Weiteres erschwerend hinzu. Zeitungsanzeigen, ob für Wohnungen oder Autos, verlieren ihren Reiz, je mehr Interessenten sich im Internet informieren. Beispiel Mietwohnungen: Reichlich kryptisch sind die Kleinanzeigen in einer Tageszeitung: 3-Zi, WoKü, Balk., Ren. Altbau, SW-Lage, ca. 90 m2, € 950,– + NK, Tel. .... Darüber hinaus erfährt der Leser nichts über das Objekt. Anders, würde jene Wohnung im Internet angeboten: Im Netz gibt es viel mehr Platz und Präsentationsmöglichkeiten. Die Anzeigen können mit beliebig vielen Bildern, Karten und Zusatzinformationen ergänzt werden. Kurze Filme oder ein virtueller Rundgang sind technisch möglich. Der Nutzer wiederum profitiert durch verfeinerte Suchmöglichkeiten, um das Objekt nach beliebigen Kriterien wie Ausstattungsmerkmalen, Preis oder Lage mit anderen zu vergleichen. Und außerdem haben die Anzeigen im Internet den großen Vorteil, dass sie für den Anbieter wie für den Interessenten ständig verfügbar sind, bis das Objekt verkauft oder ver4) Vgl. Süddeutsche Zeitung, 07.08.2003. Kapitel 1 | 17 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Anzeigen und Internet mietet ist. Die Verlage müssen neu rechnen, darin sind sich Unternehmensberater, Verleger und Medienforscher einig. Manche sehen langfristig bereits das Ende der Anzeigenmärkte in den Tageszeitungen gekommen. So würden Unternehmen Stellenangebote bald nur noch aus Dummheit, Faulheit oder Mitleid in Zeitungen veröffentlichen, so der Medienökonom Axel Zerdick.5 Weniger Sozialisation durch Zeitung Auch der Nutzer, also der Leser oder die Leserin einer Tageszeitung, hat sich verändert. Was tun eigentlich diejenigen, die keine Zeitung im Briefkasten liegen haben, soweit sie sich nicht aus Zeitungskästen bedienen? Sie nutzen natürlich andere Medien, zunächst vor allem Hörfunk und Fernsehen. Insbesondere gut ausgebildete Jüngere setzen sich schon vor dem Frühstück an den PC, rufen ihre E-Mails ab und sehen sich ein paar Websites wichtiger Zeitungen an. Dabei surfen sie nicht nur durch die Seiten der Lokalpresse oder Regionalzeitungen. Deutsche Zeitungen, aber auch englische, französische oder spanische Blätter haben interessante Artikel zu bieten. Diese werden dann kurzerhand ausgedruckt oder auf den elektronischen Terminplaner (sog. PDA, Personal Digital Assistent) oder das Mobiltelefon gespeichert. Das mag zwar noch eine eher kleine Gruppe sein. Dennoch steht fest: Die Tageszeitungen haben in der Altersgruppe zwischen 14 und 39 kräftig Leser verloren. Vor allem die Reichweite bei den 20- bis 29-jährigen ging zwischen 1994 und 2004 von über 72 auf 61,5 Prozent zurück.6 Pressefreiheit bekommt eine neue Bedeutung, heißt das doch immer mehr die Freiheit, seine eigenen Medien zu nutzen. Der Leser kann sich heute seine Zeitung zusammenstellen, die „Leser-Blatt-Bindung“ geht zurück. Damit hatten die Verleger nicht gerechnet. Junge Menschen des 21. Jahrhunderts für eine Zeitung zu begeistern, fällt schwer oder ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Im Zeitungsmarkt ging es über 50 Jahre ständig aufwärts. Auf die digitale Revolution waren die Verlagshäuser nur unzureichend vorbereitet, oder wie es Dirk Ippen, der Verleger des Münchner Zeitungsverlags von Münchner Merkur und tz einmal selbstkritisch formulierte: „It’s learning the hard way!“ Die Verleger haben die Vorteile des Internets nicht nur verschlafen, sondern bewusst ignoriert, meinen Experten. Sie befürchteten nämlich den „Kannibalisierungseffekt“ ihrer Zeitungen und der damit verbundenen geringeren Auslastung ihrer teuer angeschafften Druckmaschinen.7 5) Vgl. Axel Zerdick, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.07.2003. 6) BDZV (vgl. Anm. 3), S. 28. 7) Vgl. Interview Andreas Becker, Marc Ziegler, Unternehmensberatung Detecon International, in: BJVreport 6/2003, S. 26f. 18 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe und ehemalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach erzählt von einer Begebenheit, die sich zutrug, als er die Redaktion einer Tageszeitung der WAZ-Gruppe besuchte: Gegen 20:00 Uhr sei die Redaktionsarbeit weitgehend getan gewesen und so setzten sich die Redakteure vor den Fernseher und verfolgten die Tagesschau im Ersten. Nach Ende der Sendung stand einer der Redakteure auf und sagte: „Bravo, diese Meldungen haben wir alle auf Seite eins für morgen.“ Ein gutes Zeichen und eine Erfolgsstory für die Redaktion? Wohl eher nicht oder Hombach wörtlich: „Das Abbild der Tagesschau zu sein, ist nicht witzig.“ Die Tageszeitung erscheint rund zwölf Stunden nach der Tagesschau (ARD), wiederholt sie aber lediglich deren Themen, ist sie für viele Leser überflüssig. Sie haben sich darüber am Vorabend informiert. Der Charakter der Tageszeitung verändert sich auch hier: Für den Leser hat die Tageszeitung als Erstinformationsmedium weitgehend ausgedient. 1.1.2. Die neue Rolle der Tageszeitungen Wenn die Zeitung heute kein Erstinformationsmedium ist, was ist sie dann? Diese Frage ist noch nicht beantwortet. Die Macher versuchen mit verschiedenen Modellen dem Leserschwund zu begegnen. Die Zeitungsbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt und tut etwas gegen die Krise. Innerhalb von zwei Jahren haben die Verlage zum Teil vielversprechende Ideen entwickelt und in die Tat umgesetzt. Nicht alles ist dabei eigene Kreation. Ganz im Gegenteil, viele Innovationen gibt es bereits seit langem im europäischen Ausland. Kapitel 1 | 19 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Bedeutungsverlust der Zeitung als Erstinformationsmedium Der moderne Zeitungsleser nutzt auch über PDA den Internet-Auftritt einer Tageszeitung. Bild: SV-Bilderdienst/ Haas R. 1.1.2.1. Tabloid-Format: Schnellboot oder Fast Food? Leseranwerbung mit Tabloid-Format und Gratiszeitungen Ganz groß im Kommen sind Zeitungen in einem kleineren, handlicheren, kompakten Format. Der Leser soll diese Zeitung neben der Kaffeetasse bequem am Küchentisch oder sogar in der überfüllten U-Bahn lesen können. So genannte Tabloid-Formate 8 haben sich schon seit mehr als drei Jahren in Großbritannien etabliert. Angefangen hatte der Independent, der die Auflage mit seiner Kompakt-Ausgabe auf Anhieb um 15 Prozent steigern konnte. Diese Zeitung erscheint zwischenzeitlich ausschließlich in der Tabloid-Version. Und selbst die Macher der britischsten aller Zeitungen, The Times, haben zwischenzeitlich auf das handlichere Format umgestellt. Dabei handelt es sich aber nur von außen um ein Abbild der klassischen Ausgabe. Die kleinere Tabloid-Ausgabe ist inhaltlich anders und das heißt vor allem: reduziert. Tabloids sind eine kompakte Version, gedacht für den Berufspendler, der keine Zeit hat für 60 oder 80 Seiten Zeitungslektüre – ihm genügen auch 32. Er interessiert sich für den „Mainstream-Mix“: Ein bisschen Politik und Wirtschaft, Buntes und Sport und ein paar Versatzstücke Feuilleton, Wissenschaft oder Lokales. Ohne diese Beschränkung ließe sich der Inhalt auch nicht auf 32 Seiten unterbringen. Was die einen deshalb als „Fast-Food-Variante“9 bezeichnen, ist für die Verlage ein „schnelles Beiboot“.10 Ohne nähere Angaben zu machen, spricht die Axel-Springer-AG von einem Erfolg des Tabloid-Formats seiner Tageszeitung DIE WELT, das seit Mai 2004 in Berlin vertrieben wird. Nach und nach kamen weitere Ballungsräume (Hamburg, München, Rhein-Main, Köln-Bonn, Ruhrgebiet) hinzu, in denen die WELT KOMPAKT (Branchenwitz: „Springers Halb-Welt“) für 50 Cent verkauft wird. Sie richtet sich vor allem an jüngere Leser, insbesondere diejenigen, die bislang überhaupt keine Tageszeitung gelesen haben. Die Hoffnung, die sich hinter diesem wie den anderen Tabloid-Experimenten verbirgt: Junge Leser mit einer frischen Aufmachung an die Zeitung heranzuführen und dann später für das Original zu begeistern. Der Verlag will natürlich auch die Stammleserschaft nicht vergraulen. DIE WELT im klassischen norddeutschen Format gibt es weiter. 8) Deutsche Aussprache: tablo-id. 9) Peter Dermühl, Fast Food in Fahrt, in: journalist 9/2004, S. 30. 10) So Springer-Eigenwerbung, in: journalist, 9/2004 (vgl. Anm. 9). 20 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Zeitungsformate im Überblick Berliner Format (315 x 470 mm) tageszeitung, Badische Zeitung Broadsheet (295 x 533 mm) Norddeutsches Format (auch Nordisches Format) 400 x 570 mm) Bild, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Der Tagesspiegel, DIE WELT Tabloid, auch Half-Broadsheet oder Halbnordisches Format (235 x 315 mm, Sondermaß: 285 x 400 mm) BZ Berlin, Bild am Sonntag, WELT KOMPAKT Tabloid Extra (305 x 457 mm) Rheinisches Format (350 x 510 mm, Sondermaß: 360 x 530 mm) Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Rheinische Post, Rhein Zeitung, Rheinpfalz, Stuttgarter Zeitung, Südkurier, Thüringer Allgemeine Halbrheinisches Format (260 x 325 mm, Sondermaß: 260 x 350 mm) 20 Cent Schweizer Format (320 x 475 mm) Neue Zürcher Zeitung Quelle: journalist, 9/2004, S. 32 Die anderen Verlage beobachten die Situation genau, jedoch wollen nur 26 Prozent der deutschen Verlage auf keinen Fall Tabloid-Formate einrichten.11 Das Tabloid-Format birgt natürlich auch Gefahren. Beobachter befürchten, dass sich DIE WELT und WELT KOMPAKT gegenseitig Leser wegnehmen, ein „Selbstkannibalisierungseffekt“ ist nicht ausgeschlossen. Auch deshalb hält sich die Konkurrenz mit eigenen Tabloid-Produkten im Moment noch zurück oder testet die neuen Projekte zuerst 11) Umfrage der Unternehmensberatung KPMG im Jahr 2004 unter 300 deutschen Verlagen. Kapitel 1 | 21 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 einmal auf regionalen Märkten. So hat die Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, zu der auch das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche oder DIE ZEIT gehören, gleich drei neue Zeitungen auf dem Markt. Zum einen das Tabloid-Format NEWS Frankfurt. Es soll ebenfalls vor allem junge Leser ansprechen, denen die Redaktion einen zusätzlichen Nutzen für SMS oder E-Mail anbieten will. Viele Artikel enthalten Hinweise auf Seiten im Internet. Und außerdem spielt das Thema Weblog, die so genannten Internet-Tagebücher, eine größere Rolle. NEWS Frankfurt druckt nach eigenen Angaben als erste deutsche Tageszeitung regelmäßig zu wichtigen Themen, was die sogenannten „Blogger“ im Internet dazu schreiben.12 Eine weitere Zeitung ist 20 cent, ein Boulevardblatt im südlichen Brandenburg und nordöstlichen Sachsen. In Cottbus gehört der Holtzbrinck-Gruppe bereits die Lausitzer Rundschau. In dieser Redaktion entsteht auch 20 cent. Der Name ist Programm und Verkaufspreis und soll möglichst niedrigschwellig Jugendliche von 14 bis 39 Jahren ansprechen, Altersgruppen, die vom Fernsehen und Internet geprägt seien. Entsprechend kurz ist die Darstellung, mehr als 60 bis 70 Zeilen traut Chefredakteur Stefan Herbst den jugendlichen Lesern nicht zu. Die Navigation spielt hingegen innerhalb des Layouts eine wichtige Rolle, es sei deshalb „ein Stück weit gedrucktes Internet“, so Herbst.13 „Jugendliche“ zwischen 18 und 35 sind auch beim dritten Holtzbrinck-Produkt angesprochen. Die Würzburger Main-Post bekommt einmal in der Woche eine bunte Beilage, genannt Boulevard Würzburg. Hat diese Beilage Erfolg, ist damit zu rechnen, dass ähnliche Zusatzangebote auch bei anderen Regionalzeitungen zum Einsatz kommen. Gratiszeitungen umstritten Bei einem Preis von 20 Cent für eine Tageszeitung ist der Schnitt zum kostenlosen Zeitungen nicht mehr weit. Nur, darf man eine Zeitung verschenken? Darf man redaktionelle Arbeit und journalistische Recherche dem Leser zum Nulltarif anbieten? Werden andere kostenpflichtige Zeitungen diskriminiert, wenn ein Konkurrenzblatt verschenkt wird? Und wie ist es um die Pressefreiheit in Zeitungen bestellt, bei denen der Anzeigenkunde das alleinige finanzielle Sagen hat? Denn natürlich werden diese Zeitungen ausschließlich über den Anzeigenverkauf finanziert. Es besteht zumindest die Gefahr, dass ein Inserent dann großen Einfluss auf den Inhalt ausübt. Diese Fragen wurden in Deutschland diskutiert, als im Jahr 2000 der „Kölner Zeitungskrieg“ tobte. Damals brachte der norwegische Schibsted-Verlag die Gratiszeitung mit dem Namen 20 Minuten Köln auf den Markt. Schibsted war damit kein Anfänger, vielmehr hatte er schon in der Schweiz und Frankreich erfolgreich Gratiszei- 12) Näheres zu „Weblogs“, siehe Kapitel 8, S. 345ff. 13) Siehe Dermühl (vgl. Anm. 9), S. 31. 22 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 tungen auf den Markt gebracht. In Deutschland gab es für die Norweger hingegen nur Ärger und jahrelange Prozesse, sie verließen entnervt das Land. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) stellte sich von Anfang an gegen die Gratiszeitungen. Dieses Geschäftsmodell sei wettbewerbswidrig, das Verschenken redaktioneller Leistung sittenwidrig, so die Argumentation. Dieser Ansicht schlossen sich auch die Kölner Konkurrenzblätter von 20 Minuten Köln an und fochten den Streit vor Gericht aus. Vor allem das Verlagshaus M. DuMont Schauberg mit dem Kölner Stadtanzeiger, der Kölner Rundschau und der Boulevardzeitung Express mit einer Auflage von 253.000 Exemplaren sah sich durch die Gratiskonkurrenz massiv angegriffen. Der Verlag brachte selbst eine Gratiszeitung heraus (Kölner Morgen), ebenso der Axel-Springer-Verlag (Köln Extra). Im Jahr 2003 gab der Bundesgerichtshof14 dem Gratisblatt 20 Minuten Köln grünes Licht. Kernpunkte der Argumentation des Kartellsenats: Es gibt keinen Grund, die bezahlten Zeitungen mehr zu schützen, vor allem nicht vor Gratiszeitungen. Auch bei mischfinanzierten Zeitungen bestehe die Gefahr der Einmischung der Anzeigenkunden. Neulinge im Pressegeschäft könnten sich nur über das Anzeigengeschäft Gratiszeitungen nicht wettbewerbswidrig Mit einer Werbekampagne wirbt die Axel Springer AG für ihr jüngstes Tabloid-Format WELT KOMPAKT, hier die „verjüngte Angela Merkel“. Bild: WELT KOMPAKT 2005 14) Az: I ZR 151/01. Kapitel 1 | 23 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 gegen etablierte lokale oder regionale Zeitungen durchsetzen, die „häufig keinem oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt seien“. Diesem kräftigen Votum will sich der Verlag M. DuMont Schauberg nicht beugen und strebt eine Verfassungsbeschwerde an, weil er die Pressefreiheit durch die Gratiskonkurrenz bedroht sieht. Der Leser könne nämlich gar nicht mehr zwischen verschiedenen Publikationen auswählen, wenn es Gratiszeitungen gebe, die diese Auswahl über den Geldbeutel führten. Gratiszeitungen weltweit im Kommen Ob nun Gratiszeitungen das Ende der Pressefreiheit darstellen, darf bezweifelt werden. Sie sind nämlich auch eine konsequente Fortsetzung der Diskussion, wie der Leser in Zukunft zum Zeitunglesen und damit auch zum Zeitungkaufen ermuntert werden kann. Gratiszeitungen gibt es weltweit, vor allem in Großstädten, wo sie an U-Bahnstationen oder Bahnhöfen den Pendler mit schnell lesbarer geistiger Kost versorgen. Dass dieses Konzept vor allem bei jüngeren Lesern ankommt, beweist 20 Minuten in Zürich. In der Schweiz war der norwegische Schibsted-Verlag erfolgreich und zwar so sehr, dass die Schweizer Verlage Tamedia AG (Tages-Anzeiger) und die Berner Zeitung AG dieses Blatt gekauft haben und nun in verschiedenen Ballungszentren publizieren. Erstmals in der Geschichte der Schweiz gibt es mit 20 Minutes dieselbe Tageszeitung auch im französisch-sprachigen Teil. Die Gratiszeitung 20 Minuten wird von vielen Schweizern gelesen, doch auch Kaufzeitungen konnten Zuwächse verzeichnen. Die Schweizer Verlage hoffen, ähnlich wie beim Tabloid-Format, über die Gratiszeitung junge Leser überhaupt für eine Tageszeitung zu begeistern. Diese haben nämlich gelernt, dass Informationen im Internet meist kostenlos sind. Deshalb erwarten sie das auch bei den Gratiszeitungen. In den USA konnten sogar die Stammzeitungen vom Gratisboom profitieren: In Dallas oder Boston interessierten sich Leser durch die Gratiszeitungen auch für die Stammblätter. Selbst die Qualitätszeitung Washington Post gibt eine Gratiszeitung unter dem Titel Express heraus und der alteingessene San Francisco Examiner wurde komplett auf den kostenlosen Vertrieb umgestellt. Die Zuwächse sind beachtlich: Die Zahl der kostenlosen Tageszeitungen stieg allein 2003 weltweit um 16 Prozent und bei den Auflagen konnten sie jährlich um sechs Prozent zulegen. Besonders erfolgreich ist die schwedische Metro International AB: Sie verteilt in 16 Ländern mehr als 30 Lokalausgaben ihrer Metro. Diese gibt es in vielen europäischen Metropolen, aber auch in Hongkong, Chile oder den USA. Mitte 2005 haben Metro und Schibsted einen neuen Versuch unternommen, auch in Deutschland Gratiszeitungen zu etablieren. Dafür sind deutsche Partner mit im Gespräch. Interesse bekundeten die Holtzbrinck-Gruppe und der Fernsehsender RTL. Das ruft auch andere Verlage auf den Plan: Der Vorstandsvorsitzende der Axel 24 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Springer AG, Mathias Döpfner, sagt: Entweder es gibt keine Gratiszeitungen in Deutschland – oder wir sind aktiv dabei.15 1.1.2.2. Zeitungen als Marke für weitere Produkte Umbruch und Neuorientierung prägen die Zeitungslandschaft. Die Wege, dem Leserschwund zu begegnen, sind dabei vielfältig: zum Beispiel bei der Financial Times Deutschland (FTD). Neben der Berliner tageszeitung (taz) ist die FTD die einzige erfolgreiche Neuerscheinung auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt seit Bestehen der Bundesrepublik. 2000 wurde die Zeitung als Joint-Venture der englischen Financial Times des Medienkonzerns Pearson und des Verlagshauses Gruner + Jahr gegründet. Im Jahr des absoluten Börsenbooms etablierte sich die Zeitung in Lachsrosa schnell als angesehene überregionale Tageszeitung und wuchs seitdem beständig. Im dritten Quartal 2005 konnte sie ihre Auflage um 4,3 Prozent auf über 101.000 Exemplare steigern.16 Sie wirbt für sich damit, weit mehr zu sein als eine Zeitung. Neben der Printversion gibt es unter dem Motto „One Brand – all Media“ („eine Marke – alle Medien“) weitere Serviceleistungen, wie „FTD-Online“, also die FTD im Web, „FTD auf PDA“ also auf den „Handheld“, den handlichen Computern oder „FTD-Print“, die Zeitung, die über das Netz gelesen werden kann. Zusätzliche aktuelle Neuigkeiten kann sich der Nutzer auf das Handy bestellen, zudem gibt es den „FTD-Audio-Service“, bei dem ausgewählte Artikel als hörbare Datei im mp3-Format heruntergeladen werden können. Zeitung als Marke für Information Einen anderen Weg geht die Süddeutsche Zeitung. Redaktionelle Nebengeschäfte sollen das Verlagshaus aus der Krise führen. Auch dies haben andere europäische Tageszeitungen schon vorgemacht. Schon vor 20 Jahren wurde man als Leser italienischer Zeitschriften mit zusätzlichen Geschenken („in regalo“) bedacht. Mal gab es eine Novelle eines bekannten Schriftstellers, mal eine Straßenkarte gratis mit. Zwischenzeitlich sind diese Beilagen nicht mehr kostenlos. So hat die römische Tageszeitung La Repubblica ein neues Standbein errichtet und verkauft zusätzlich Weltliteratur. Im Jahr 2003 brachte sie bereits 34 Millionen Bücher unter die Leute. Dieses neue Standbein trug auf Anhieb zu 15 Prozent des Gesamtgewinns bei.17 Einen ähnlichem Erfolg erzielte die Süddeutsche, die im Jahr 2004 eine 50-bändige „SZ-Bibliothek des 20. Jahrhunderts“ anbot. Innerhalb kurzer Zeit konnte die komplette Bibliothek zum Preis von 196 Euro 46.000-mal verkauft werden. Dies über- Zeitung als Marke für Qualität 15) In: Manager-Magazin, 19.06.2005. 16) Pressemitteilung FTD vom 14.10.2005. 17) Siehe Peter Dermühl, Kreative Offensive, in: journalist 6/2004, S. 32. Kapitel 1 | 25 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 raschte selbst die Verantwortlichen. Das Echo der Leser sei überwältigend, sagt der Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags, Klaus Josef Lutz. Genau dies habe der Süddeutschen gefehlt, könne er in einer Vielzahl von E-Mails immer wieder lesen. Das Prinzip heißt dabei, Synergien zu nutzen und die Süddeutsche als Marke zu stärken. Im konkreten Fall der Bibliothek ging das so: Jede Woche wurde ein neuer Band präsentiert. Dazu lieferten Redakteure im Feuilleton eine Rezension des Buches. Damit werde gewährleistet, dass die Zusatzprodukte „höchste Qualität sind und es muss alles auf Augenhöhe mit der SZ passieren“, so Lutz. Als weiteres Projekt kam im Oktober 2004 der „Klavier-Kaiser“ auf den Markt, sozusagen die personifizierte Verbindung des redaktionellen Nebengeschäfts mit der Person von Joachim Kaiser, dem langjährigen Musikkritiker des Blattes. 20 CDs mit 14 großen Pianisten, die Joachim Kaiser auf der CD kommentiert. Auch dieses Projekt übertraf auf Anhieb die Erwartungen, wie die Geschäftsführung mitteilte. Die Reihe wurde mit der „SZ-Cinemathek“ fortgesetzt. 50 Spielfilme auf DVD mit entsprechendem Begleitmaterial der Kinoredaktion lagen als Nächstes in den Regalen, aber auch eine Kinderbuchreihe, eine Popmusikedition oder eine Fußball-WM-Bibliothek gehören inzwischen zu den Nebengeschäften, die der Süddeutsche Verlag unter der Rubrik „Mediathek“ anbietet. Diese redaktionellen Nebengeschäfte haben zwischenzeitlich viele Nachahmer gefunden: Die Frauenzeitschrift Brigitte (Gruner + Jahr) brachte eine Hörbuch-Edition heraus, die zudem von der Moderatorin der Literatur-Sendung „Lesen!“ im ZDF, Elke Heidenreich, ausgewählt wurde, die Wirtschaftszeitung Handelsblatt startete u.a. eine „Handelsblatt Management Bibliothek“ und die Frankfurter Allgemeine Zeitung überraschte in der „FAZ-Bibliothek“ mit den „Meilensteinen der ComicLiteratur.“ Allerdings konnte nicht jedes Nebengeschäft bislang die Qualitätskriterien der Redaktionen erfüllen. Es gibt daneben auch thematisch leichte Supplements wie z.B. „wohl fühlen“ (Süddeutsche Zeitung) rund um das Thema Wellness. Diese erfreuen vor allem den Verlagsgeschäftsführer, weil neue Anzeigenkunden gewonnen werden konnten. Für den Leser sind diese Beilagen irritierend. Zwischen vielen Seiten Werbung entdeckt man Artikel von bekannten Autoren. Wichtig sind bei diesen Ausgaben, die auch andere Verlagshäuser anbieten, die Anzeigen. „Die Zeitung hat mit den zielgruppenorientierten Magazinen die Möglichkeit, gezielt Imagewerbung für den Einzelhandel der Stadt zu machen“, so SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz.18 Alles in allem sind diese Beilagen der Redaktion aber eher unangenehm. Nicht zu Unrecht befürchtet sie, dass die Grenzen zwischen Journalismus und Anzeigen verwischt werden könnten. Eine weitere Entscheidung, auch eine Folge 18) In: BJV-Report 4/2004, S. 16. 26 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Nebengeschäfte, ob Bücher oder DVD, werden für Zeitungshäuser wie den Süddeutschen Verlag immer wichtiger. Bild: SV-Bilderdienst, Haas, R., Cinemathek 2006 der Krise, griff viel stärker in die Arbeit der SZ-Journalisten ein. Die Süddeutsche Zeitung strich einen Großteil der Außenstellen im „Speckgürtel“ Münchens, um den Charakter der überregionalen Zeitung zu verstärken. Dies bedeutete für eine große Anzahl freier Journalisten und Fotografen, die die Landkreisausgaben belieferten, das Aus. In der Krise schließen manche Zeitungen ganze Redaktionen und verlagern diese auf Kooperationspartner. So auch die Münchner Abendzeitung. Dort wurde im Oktober 2003 die seit langem existierende „Motorseite“ eingestellt und inhaltlich dem größten deutschen Automobilclub ADAC übertragen. In der Samstagsausgabe der AZ veröffentlicht nun der ADAC die Beilage: Das Motormagazin mobil. Kritik gab es daran vom Deutschen Journalistenverband, dessen Bundesvorsitzender Michael Konken meinte, nach Art und Umfang müsse die Beilage eindeutig als umfangreiche Veröffentlichung von PR-Material gewertet werden. Ein eindeutiger Hinweis fehle allerdings.19 Auch der Deutsche Rat für Public Relations (PR-Rat) musste sich aufgrund einer Beschwerde der Sache annehmen. Für ihn besteht kein Anlass für eine Mahnung oder Rüge. Es handele sich um keine Schleichwerbung, da der ADAC von der AZ ein redaktionelles Honorar auf Seitenbasis erhalte (anders wäre dies im umgekehrten Fall). Dass der ADAC zudem PR-Absichten habe, sei legitim. 19) Pressemitteilung DJV vom 26.11.2003. Kapitel 1 | 27 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007 Zeitung nur noch als Marke Dass hier aber trotzdem ein Grenzfall vorliegt, der grundsätzliche Fragen journalistischer Glaubwürdigkeit aufwirft, wird mit jedem weiteren Satz des PR-Rates deutlich: Bedenklich sei, dass die Zusammenarbeit zwischen ADAC und AZ nicht der Redaktion überantwortet werde, sondern dem Verlag der AZ und seinem Geschäftsführer. „Es bleibt offen, ob damit nicht zumindest institutionell der Trennungsgrundsatz berührt wird, den die Presse hoch hält. Immerhin steht im Signet der Mobil-Beilage „Abendzeitung/ADAC“; ihre Leser nehmen daher an, der Begriff Abendzeitung weise auf die Redaktion der AZ hin.“20 Die Auseinandersetzung wird ihre Fortsetzung finden, da auch andere Zeitungen eine Zusammenarbeit mit dem ADAC prüfen. Für den Motorjournalismus in Deutschland könnte dies bedeuten, dass die Zahl unabhängig berichtender Journalisten weiter zurückgeht. Zeitungsmarkt Osteuropa 1.2. Globalisierung der Zeitungsbranche 1.2.1. Investitionen außerhalb Deutschlands „Und wenn wir ein Projekt hier zu Lande nicht durchsetzen können, dann gehen wir eben in die Ukraine.“ Dieser etwas zugespitzte Spruch eines Zeitungsverlegers öffnet den Blick dafür, dass insbesondere die deutschen Pressekonzerne in den Staaten Mittel- und Osteuropas zwischenzeitlich zu den ganz großen Akteuren gehören. Von einem „Aufmarsch der Big Player“ spricht der Medienforscher Horst Röper.21 In den neuen EU-Beitrittsstaaten Polen, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn sehen sich deutsche Verlagshäuser zwischenzeitlich als Marktführer, jedenfalls was die Auflage betrifft. Allerdings gibt es dafür bislang keine sicheren Daten, Anhaltspunkte liefert aber eine Zusammenstellung der Europäischen Journalisten Föderation (EJF),22 die auch zeigt, dass die deutschen Pressekonzerne in den weiteren Transformationsstaaten Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Serbien den Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt ebenfalls dominieren. Besonders stark engagiert haben sich dabei der WAZ-Konzern aus Essen, die Passauer Neue Presse, die Rheinisch-Bergische-Verlagsgesellschaft (Rheinische Post), der Bauer-Verlag und die Axel-Springer-AG, in 20) Vgl. http://www.drpr-online.de/statische/itemshowone.php4?id=19 (30.11.2004). 21) Siehe Horst Röper, Aufmarsch der Big Player, in: journalist 9/2003, S. 44. 22) Dokumentation: Deutsche Beteiligung an Medien Osteuropas (vgl. http:// www.journalist.de/downloads/pdf/dokumentationen/doku_9_2003_1.pdf). 28 | Kapitel 1 Wolfram Schrag, Medienlandschaft Deutschland Copyright by UVK 2007