Der Stilpapst - OfficeABC.DE

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Der Stilpapst - OfficeABC.DE
Mode
Der Stilpapst
Bernhard Roetzel –
Gentleman aus Leidenschaft
Bernhard Roetzel, Jahrgang 1966, Buchautor, Journalist und einer der
besten Kenner des klassischen Gentle­man-Stils in Deutschland. Er ist
ein ­gefragter Referent, Trainer und Berater. Im TV und Radio gibt er
fachkundige und unterhaltsame Interviews zu Fragen des Stils und der
Bekleidung. Sein Bestseller »Der Gentleman« aus dem Jahr 1999 wurde
bereits in 18 Sprachen übersetzt.
Foto: Erill Fritz
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Mode
Die richtige Kleidung ist oft entscheidend für
beruflichen Erfolg. Wir fragten Bernhard Roetzel, Stilpapst und Gentleman, nach der passenden Garderobe für Männer.
Das Buch »Der Gentleman« von 1999 hat sich nicht
nur zum Bestseller entwickelt, sondern ist längst
ein anerkanntes Standardwerk. In seinem neuesten Buch, dem »Mode Guide für Männer«, wendet
sich Bernhard Roetzel an eine jüngere Zielgruppe – an Männer zwischen 20 und 40, aber auch an
Junggebliebene, die erfolgreich sind im Beruf und
im Privatleben. Roetzel gibt praktische Tipps für alle Situationen, von Geschäftstreffen und festlichen
Anlässen bis zu Freizeitaktivitäten. Ideal für Modemuffel, aber auch für ALEXe mit Trendbewusstsein.
Alex traf Bernhard Roetzel bei der Präsentation
seines neuen Buches beim Berliner Herrenausstatter cove&co.
Fotos: cove&co
Alex: Mit »Der Gentleman. Handbuch der
­klassischen Herrenmode« und »Der Style-Guide«,
den Sie für Men’s Health geschrieben haben, sind
Sie überaus erfolgreich. Wie erklären Sie sich den
­großen Zuspruch?
Bernhard Roetzel: Die Männer suchen Orientierung, da ihnen diese nirgendwo sonst gegeben
wird. Väter und Verkäufer fallen in aller Regel als
Berater aus.
Sind Deutschlands Männer
wirklich alle so schlecht gekleidet?
Man müsste zunächst definieren, nach welchen
Maßstäben jemand gut gekleidet ist. Ich würde nie
so weit gehen, meinen Kleidungsstil, also den klassischen Look, als die einzig wahre Lösung für alle
Männer zu propagieren. Schlecht gekleidet ist für
mich – unabhängig von Stilrichtung oder Mode –
derjenige, dessen Kleidung nicht zu seiner Persönlichkeit passt, nicht dem Anlass angemessen ist und
nicht das Beste aus den physischen Gegebenheiten
macht.
Konnten Sie auf Ihren vielen Reisen
regionale Stil-Unterschiede feststellen?
In Deutschland sind die Leute in Hamburg am klassischsten angezogen, man sieht viele H
­ erren in
­ overt Coats, rahmengenähten Schuhen, TweedjaC
cken und schönen Kaschmirpullovern. In München
gibt es auch viele gut angezogene Herren. Ruhrgebiet und Rheinland sind nicht gerade das bevorzugte Revier für Freunde des Gentleman-Looks.
Alles in allem sind die wirklichen Kenner gut auf
Deutschland verteilt, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist jedoch verschwindend gering.
Woher stammt Ihr großes Wissen
um Fragen der Etikette?
Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt
dumm.
Eine konkrete Frage: Einstecktücher gehören
zum klassischen Outfit. Gilt dies auch für junge
Leute, z. B. bei Vorstellungsgesprächen?
Oder wirken ­diese dann eher »overdressed«?
Es kann vorkommen, dass ein Einstecktuch beim
Personalentscheider als »overdressed« rüberkommt. Dennoch sollte man zu seinem Stil stehen.
Wer vorher nie Einstecktuch getragen hat und es
auch später nicht tun wird, sollte es beim Vorstellungsgespräch weglassen. Authentizität ist wichtig.
Klassischer Einreiher –
bestens geeignet für den
Berufseinsteiger.
Zur Grundausstattung
eines jeden HerrenKleiderschrankes
­gehören mindestens
zwei Anzüge, vier hellblaue Hemden und ein weißes,
fünf Krawatten und zwei Paar
schwarzer Schuhe.
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Mode
Beim Einstellungsgespräch schauen Personaler häufig
­zuerst auf die Schuhe. Diese sollten möglichst klassisch
sein und rahmengenäht.
Farbige Strümpfe sollte
nur derjenige tragen, der
sich das erlauben kann.
Sie zeigen oftmals viel Mut zur Farbigkeit.
Sollte mehr Farbe in deutsche Büros?
Nein. Im Büro sind grundsätzlich dunkle Farben
beim Anzug angeraten. Farbe sollte sich auf Krawatte und Einstecktuch beschränken. Farbige
Strümpfe sollte nur derjenige tragen, der sich das
erlauben kann.
Und was passt am besten zu wem?
Die Kleidung, die zugleich Ernsthaftigkeit ausstrahlt und zur Branche passt. Ein Softwareentwickler muss nicht wie ein Banker aussehen.
Was sollte jeder junge Mann für die Arbeit
im Büro als modische Grundausstattung im
Schrank hängen haben?
Das absolute Minimum sind zwei Anzüge, einer in
Dunkelblau, einer in Dunkelgrau. Dazu vier hellblaue Hemden und ein weißes, fünf Krawatten und
zwei paar schwarze Schuhe. Die Schuhe möglichst
klassisch und rahmengenäht. Außerdem ein klassischer Slipon oder Trenchcoat.
Mit »Mode Guide für Männer« wenden Sie sich an
jüngere Männer. Kennzeichnet diese Generation
ein mangelndes Modeinteresse jenseits von H&M
& Co.?
Nein. Die jüngeren Männer sind wesentlich klassischer eingestellt als ihre Väter und Großväter. Betrachten Sie nur einmal den Aufwand, der heute für
den Abi-Ball betrieben wird. Das gab es bei mir Ende der Achtziger nicht.
Was zählt Ihrer Meinung nach zu den »No Gos«
in der Geschäftswelt?
Socken statt Kniestrümpfe, Kurzarmhemden, Motiv­
krawattenklammern, sichtbare Piercings und getönte Haare.
Vielen Dank für das Gespräch.
Der modische Herr zeigt Hemdärmel.
Alex 04/12
Bernhard Roetzel:
»Mode Guide für Männer«,
h.f.ullmann Verlag 2012, 240 S.,
14,99 €. Das Buch vermittelt
u. a., wie man sich beruflich
und privat ins rechte ModeLicht rückt.
www.alex-magazin.de
Fotos: cove&co
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