Wie Autochrome Farbe in die Fotografie brachte

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Wie Autochrome Farbe in die Fotografie brachte
Vor 100 Jahren: Mit Autochrome begann die praktische Farbfotografie
(Artikel von Gert Koshofer in der Zeitung „Kölnische Rundschau“, 2007)
„Das Schönste, was uns die Fotografie zur bildlichen Wiedergabe der Natur gegeben hat.“ sah
der amerikanische Fotograf Edward Steichen in der Farbfotografie mit Autochrome-Platten.
Sein Kollege Alfred Stieglitz verkündete: „In Kürze wird die Welt farbkrank sein und die
Lumières sind daran schuld.“ Die Rede ist von den Farbfotoplatten der Gebrüder Lumière aus
Frankreich, die vor hundert Jahren, 1907, in den Handel kamen. Mit ihnen hatte tatsächlich
eine neue Epoche in der Geschichte der Fotografie begonnen. Schon 1839, als die Erfindung
der Fotografie in Form der Daguerreotypien des Franzosen Louis Daguerre in Paris offiziell
vorgestellt wurden, träumte man von „Aufnahmen in natürlichen Farben“, musste sich aber
noch lange mit der schwarzweißen Abbildung begnügen. Allerdings war Autochrome noch
nicht die Farbfotografie für jedermann, die gelang erst mit der Einführung der „modernen“
Farbfilme von Kodak und Agfa im Jahre 1936 – und befindet sich inzwischen im
durchgreifenden technologischen Umstieg zur Digitalfotografie.
Farbfotografie noch ein Luxus
Der Kaufpreis der Autochrome-Glasplatten war dreimal so hoch wie für SchwarzweißNegativplatten. Für eine Platte im Standardformat 9 x 12 cm wurde in einem Aufsatz 1978
vergleichsweise der Preis eines Diafilms mit 36 Aufnahmen herangezogen. Es war also Luxus
gewesen, mit Autochrome zu fotografieren. Trotzdem verbreitete sich das neue Fotomaterial
von Frankreich aus recht bald in alle Kulturländer. Der Pariser Bankier Albert Kahn sandte
Fotografen in alle Welt, um die Schönheit fremder Länder auf Autochrome-Platten einfangen
zu lassen. Seine Sammlung tausender Farbaufnahmen kann im Museum der Jardins Kahn in
Boulogne-Billancourt bei Paris besichtigt werden. Fotografen des amerikanischen „National
Geographic Magazine“ nutzten Autochrome über drei Jahrzehnte lang für Reportagen. Auch
in deutschen Museen wie in der kürzlich wiedereröffneten Foto- und Filmabteilung des
Deutschen Museums in München sind Autochrome-Aufnahmen zu sehen. Sie haben ihre
farbliche Schönheit weitgehend über die Jahrzehnte bewahren können, was man von den
heutigen digitalen Speichermedien leider kaum erwarten kann.
Lange Belichtungszeiten
Da die Rasterschicht von Autochrome das Licht dämpfte und zudem deren Lücken auf der
Platte mit Ruß ausgefüllt waren, erforderte die Platte sehr lange Belichtungszeiten. Es wurde
empfohlen, sie 60mal länger als eine damals übliche Schwarzweißplatte zu belichten. Bei
offener Sommerlandschaft und Blende 8 war eine Belichtungszeit von ½ bis 1 Sekunde
erforderlich – noch nichts für Schnappschüsse also. Ein Stativ, Geduld und ruhige Motive
waren somit zwingende Voraussetzungen für das Gelingen von Farbaufnahmen. Trotzdem war
Autochrome damals ein Fortschritt gegenüber Farbfototechniken, bei denen drei Aufnahmen
durch rote, grüne und blaue Filter hintereinander oder zwar gleichzeitig, aber mit
Spezialkameras auf drei Platten oder Filmen gemacht werden mussten. Mit einer einzigen
Belichtung und anschließender Schwarzweißentwicklung brachte Autochrome großformatige
farbige Diapositive hervor. Diese wurden zumeist in speziellen Betrachtern angeschaut – eine
Projektion mit zu starkem Licht konnte die Farbrasterschicht beschädigen. Praktische Tipps
für die Fotografie mit Autochrome gab die 1912-1913 in nur 12 Heften im Leipziger Verlag
Seemann erschienene Zeitschrift „Farben-Photographie – eine Sammlung von Aufnahmen in
natürlichen Farben“, die beispielhafte Fotos aus weit über 5.000 von Fotografen an sie
eingesandten Platten zeigte. 1935 wurde Autochrome endgültig durch ähnliche Filme der
Firma Lumière abgelöst, die nicht mehr ihren Ruf erlangten.
Gert Koshofer
KÄSTEN:
So funktionierte Autochrome:
Während Farbfilme das Motiv in mehreren blau-, grün- und rotempfindlichen Schichten
„einfangen“, geschah das beim Autochrome zugrunde liegenden Kornrasterverfahren in einer
einzigen lichtempfindlichen Schicht. Der Trick bestand darin, vor dieser eine Rasterschicht
mit unregelmäßigen Partikeln aus zinnoberrot, gelbgrün und ultramarinblau eingefärbten
Kartoffelstärkekörnern anzuordnen. Diese wirkten bei Aufnahme und Betrachtung der
schwarzweiß zum Dia entwickelten Platte wie Filter und glichen damit den Sensoren für Rot,
Grün und Blau in Digitalkameras. Die Körnchen hatten den Durchmesser von ca. 0,012 bis
0.015 mm. Im Auge entstand so ein aus Farbelementen gemischtes Bild ähnlich dem Eindruck
eines pointellistischen Gemäldes der Neoimpressionisten im späten 19. Jahrhundert.
Die Gebrüder Lumière
Erfinder und Produzenten von Autochrome waren Auguste und Louis Lumière. Ihr Vater
Antoine, ein Fotohändler aus Lyon, hatte dort 1882 eine Fabrik zur Herstellung der von Louis
verbesserten Trockenplatten erworben. Daraus wurde die „Société Anonyme des plaques et
papiers photographiques A. Lumière et ses Fils“. Am 11. Mai 1893 stellten die Gebrüder
Lumière im Pariser Fotoclub erstmals farbige Diapositive vor, die noch aus übereinander
montierten farbigen Schichten bestanden. Schon im selben Jahr hatten sie aber bereits mit der
Ausarbeitung von Autochrome begonnen. 1895 erfolgte ihre größte Erfindung: der
Cinématographe Lumière. Dieses Kombinationsgerät von Filmkamera und –projektor, mit
dem sie selber Kurzfilme drehten und Wandervorführungen machten, bedeutete die Geburt
des Kinofilms.
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