das jubiläumsmagazin - Hu

Transcription

das jubiläumsmagazin - Hu
ISBN 978-3-9813135-1-2
DAS JUBILÄUMSMAGAZIN
INHALT
18
A N E K D O T E N & Z I TAT E
22
HIDDE N PL ACE S
34
U N SE R E SE CHS V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
WOHER
84
01
Ort der Debatten
Editorial
85
13
Das moderne Original
200 Jahre Universität Unter den Linden
84
05
Gute Aussichten, altes Haus
Steffen Hallaschka gratuliert
86
16
Was wollen Sie? Das schaffen Sie nie!
Jens Bisky hat es trotzdem geschafft
07
Engagiert fördern
Die Humboldt-Universitäts-Gesellschaft (HUG)
18
Geschichte in Kürze
Anekdoten & Zitate
08
Die Summe der einzelnen Teile
Humboldt in Zahlen
22
Hidden Places
Eine fotografische Entdeckungsreise
48
U N SE R E SE CHS GRÜ N DU N GSIDE E N
WAS
87
87
89
90
92
94
95
34
36
38
40
42
44
46
Unsere sechs Veranstaltungshöhepunkte
Kunst im Foyer
Eröffnung des Grimm-Zentrums
Humboldt-Streitgespräche
Ausstellung »Inmitten der Stadt«
Humboldt unterwegs
Konferenz »Das Modell Humboldt«
48
50
53
56
59
62
65
Unsere sechs Gründungsideen
Freiheit
Verantwortung
Unabhängigkeit
Wissenschaft
Zukunft
Bildung
WOHIN
97
97
71
To whom Are you writing
Christoph Markschies über die Zukunft
72
Falsches Vorbild
Martin Spiewak über Wilhelm von Humboldt
74
Europäische Universitäten im 21. Jahrhundert
Georg Winckler über das Universitätssystem
76
Internationalisierung à la Humboldt
Internationaler Austausch an der HU Berlin
8 0 Freiräume durch Ihr Engagement
Freunde und Förderer der HU Berlin
81
English Version
1 0 0 Impressum
2
I N H A LT
3
GUTE AUSSICHTEN,
ALTES HAUS!
S T E F FE N H A L L A S CHK A
MODE R AT OR U N D PRODU Z E N T
p Glückwunsch zum Zweihundertsten, altes Haus, ehrlich und von Herzen! Auch
wenn diese Zeilen eine Anmaßung sind, denn zumeist bin ich wie ein Fremder durch
die heiligen Hallen Unter den Linden gehuscht. Schließlich war ich nicht exklusiv im
Bildungsbetrieb Humboldt eingeschrieben, sondern hatte mich längst dem Einbildungsbetrieb Funk und Fernsehen verschrieben. Gewissenhaftes Studium sieht gewiss
anders aus! Aber es zeugt von Deiner Größe und Güte, dass Du mich geduldig bummeln ließest und nicht eifersüchtig warst, wenn ich mal wieder länger fort blieb. Danke,
dass Du mich jedes Mal wieder in die Arme geschlossen hast, obwohl es zuletzt den
Anschein hatte, als würde ich den nahtlosen Übergang in die Universität des dritten
Lebensalters anstreben.
Aber immerhin: So konnte ich mein Teilzeitstudium auf imposante 24 Semester
strecken und lande damit in Relation zur 200-jährigen Universitätshistorie schon oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Wer bietet mehr? Wir sind also ein gutes Stück des Weges
gemeinsam gegangen. Dass Du Dich dennoch nicht an mich erinnern wirst, kann ich
Dir nachsehen. Wie solltest Du?
Liebe HU, zum runden Geburtstag wünsche ich Dir Studierende, die die Freiheit
des Studiums nicht als Beliebigkeit wahrnehmen. Die so viel Zeit für Neugier als Privileg begreifen und den Zugang zu Bildung als Verpflichtung. Und ich wünsche Dir Professoren und Dozenten, die die Lehre vor so vielen nicht als Leere empfi nden. Die es
verstehen, in jungen Menschen die Leidenschaft der Erkenntnis zu wecken und die
selbst darauf brennen, von ihnen zu lernen.
Das mag naiv klingen, bestenfalls romantisch. Aber Du wirst es mit Deiner 200-jährigen Erfahrung am besten wissen: In diesem Jahrhundert wird Bildung der wichtigste
aller Rohstoffe sein! Und zudem auch noch einer, der sich vermehrt, je verschwenderischer man damit umgeht. Gute Aussichten, altes Haus!
f
BI L D : M AT T HI A S HE Y DE
4
GR AT U L AT IO N
GR AT U L AT IO N
5
ENGAGIERT
FÖRDERN
DIE HU MB O L D T- U N I V E R SI TÄT S - GE SE L L S CH A F T
(HU G)
p Wissenschaft lebt vom Austausch mit der Öffentlichkeit und im Dialog mit der
Gesellschaft. Dieser Leitidee fühlt sich die Humboldt-Universität vor dem Hintergrund
ihrer einzigartigen Geschichte und der vor ihr liegenden Herausforderungen besonders
verpflichtet. Auch die Humboldt-Universitäts-Gesellschaft (HUG) hilft dabei.
Die HUG ist das Netzwerk der Freunde, der Ehemaligen und der Förderer. Sie setzt
sich für wissenschaftliche Exzellenz, Attraktivität und Lebendigkeit der Universität im
Herzen der deutschen Hauptstadt ein. Hierfür mobilisiert die HUG bürgerschaftliches
Engagement und finanzielle Mittel.
SCHWERPUNKTE DER ARBEIT
p Gesprächspartner der Universität zu sein, um Feedback zu einzelnen Themen
zu geben und Türen in Richtung Politik und Wirtschaft zu öffnen,
p an einzelnen Zukunftsthemen der Universität konzentriert mitzuarbeiten,
p die Chancen aus dem 200-jährigen Jubiläum zu nutzen, um Kontakte und
Kooperationen mit Wirtschaft und Gesellschaft zu verstärken.
Die HUG finanzierte seit ihrer Gründung im Jahr 1996 rund 150 Projekte. Bei der
Mehrzahl der Projekte handelte es sich um Vorhaben von studentischen Gruppen, insbesondere Veranstaltungen und Exkursionen einschließlich der wissenschaftlichen
Publikationen. Ein Highlight war die Ausstellung »Ägypten – ein Tempel der Tiere« im
Berliner Zoo in Zusammenarbeit mit dem Zoo der Stadt Kairo. Die HUG half der Universität beim Auf bau des Fundraisings, wirkt an der Organisation des Jubiläums mit
und engagiert sich für viele Jubiläumsprojekte.
f
W E R DE N AU CH SIE MI T GL IE D DE R HU G
U N D E N GAGIE R E N SICH FÜ R DIE HU MB O L DT- U N I V E R SI TÄT !
ME HR I N FOR M AT IO N E N FI N DE N SIE AU F
W W W. HU - BE R L I N . DE/ HU G .
BI L D : © PHO T O C A SE / A L PHO X I C
6
HU G
HU G
7
DIE SUMME DER
EINZELNEN TEILE
HU MB O L D T I N Z A H L E N
Summe aller Lehrräume an der HU in qm: 31.807
Länge des Bücherbestandes der HU-Bibliotheken in km: ca. 200
Länge aller Bücherregale im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in km: ca. 57
Gäste in Mensa Süd und Coffeebar pro Tag während des Semesters im Jahr 2008: 3.420
Summe der getrunkenen Tassen Kaffee pro Tag: 1.000
Summe der vertilgten Stücke Kuchen im Jahr 2008: 60.000
Anzahl aller bisherigen Studierenden an der HU seit WS 1992/93 bis SS 2009: 128.985
Durchschnittsalter der Beschäftigten in Jahren: 44
Anzahl der Nobelpreisträger: 29
Preis des bisher teuersten Forschungsinstrumentes / wiss. Apparates in Millionen Euro: 1,9 *
Alter des jüngsten Professors in Jahren: 25 **
Alter des jüngsten Absolventen an der HU in Jahren (Bachelorabschluss): 20
Anzahl aller bisher verbrauchten Glühbirnen und Leuchtstoffröhren an der gesamten HU: 14.111
Anzahl aller Fenster im Hauptgebäude: 605
* MRT-Gerät für das Verbundprojekt »Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin«,
aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
** Ostap Okhrin geb. Mai 1984
BI L D : M AT T HI A S HE Y DE (S . 9 – 1 1)
8
HU MB O L D T I N Z A H L E N
O
WOHE R
9
Woher wir kommen.
Seit 200 Jahren lebt die erste
Berliner Universität mit großen
Namen. Wilhelm von Humboldt,
Schleiermacher, Hegel, Fichte
und Alexander von Humboldt
waren die Ersten.
DAS MODERNE
ORIGINAL
2 0 0 JA HR E BE R L I N E R U N I V E R SI TÄT
U N T E R DE N L I N DE N
p Die Humboldt-Universität zu Berlin ist die älteste der Berliner Hochschulen und eine der führenden Forschungseinrichtungen von Weltruf. Sie hat ihren Sitz Unter den Linden – im
Herzen der Hauptstadt.
Alles begann 1809/10: Unter dem Eindruck der Reformideen
Schleiermachers entwickelte der preußische Politiker, Schulreformer, Sprachforscher und Philosoph Wilhelm von Humboldt
sein Universitätskonzept. Humboldt stellte sich eine universitas
litterarum vor, in der die Einheit von Lehre und Forschung verwirklicht und eine umfassende (humanistische) Bildung der Studierenden ermöglicht wird.
Mit 256 Studenten und 52 Lehrenden begann im Jahr 1810
das erste Semester an der neu gegründeten Berliner Universität.
Die Fächer wurden in die Fakultäten Jura, Medizin, Philosophie
und Theologie gegliedert.
Die zukunftsweisende Konzeption Wilhelm von Humboldts
hat die Berliner Universität zu einem Vorbild der modernen Universität gemacht: Die Einheit von Lehre und Forschung, die Freiheit der Wissenschaft und eine allseitige Bildung der Studierenden wurden Leitbild für zahlreiche Universitätsgründungen in
der Welt. Alexander von Humboldt, Wilhelms Bruder, ergänzte
den traditionellen europäischen Blick der Universität durch au-
12
WOHE R
ßereuropäische Perspektiven und faszinierte tausende Zuhörer
durch seine berühmten Kosmos-Vorlesungen in allgemein verständlicher Sprache.
Die Universität durchlief in ihrer 200-jährigen Geschichte
viele Wandlungen. Sie ist heute in elf Fakultäten gegliedert, verfügt über starke interdisziplinäre Forschungszentren, mehrere
Zentralinstitute und Graduate Schools. Das Lehr- und Forschungsprofi l der Humboldt-Universität umfasst alle grundlegenden Wissenschaftsdisziplinen in den Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften, der Humanmedizin, den Agrarwissenschaften sowie der Mathematik und den Naturwissenschaften.
Derzeit studieren 34.000 junge Menschen in den Fakultäten
und Instituten der Universität und der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Über 350 Professoren sind in Forschung und Lehre
tätig. Mit über 240 Studiengängen bietet die Universität ein breites Spektrum an Disziplinen – von Afrikawissenschaften bis
Zahnmedizin. Einige sind deutschlandweit einmalig, beispielsweise der Reformstudiengang Medizin und der Bachelor und
Master in Statistik oder wurden, wie Gender Studies und Kulturwissenschaften, erstmalig hier angeboten. International anerkannte Abschlüsse, passende Module zur Weiterbildung und
englischsprachige Studiengänge locken junge Menschen aus der
DA S MODE R N E OR IGI N A L
13
»Die zukunftsweisende Konzeption
Wilhelm von Humboldts hat die
Berliner Universität
zu einem Vorbild
der modernen Universität gemacht.«
ganzen Welt. Dazu gehören sowohl die geistes- und sozialwissenschaftlichen Institute in Berlin-Mitte als auch die naturwissenschaftlichen Einrichtungen auf dem modernen Campus Adlershof im Südosten Berlins, auf dem mehr als 7.000 Studierende und Wissenschaftler in enger Nachbarschaft und regem wissenschaftlichen Austausch mit den renommierten und technologieorientierten Unternehmen vor Ort lernen, forschen und entwickeln.
Die neue Universitätsbibliothek, das Jacob-und-WilhelmGrimm-Zentrum, bietet als hochmodernes Kommunikationszentrum die Möglichkeit, über vier Millionen Bücher und Periodika direkt zu nutzen oder über das Internet zu bestellen. Mit
14
WOHE R
dem Erwin-Schrödinger-Zentrum als Kommunikations- und
Kongresszentrum auf dem Campus Adlershof stehen den Studierenden zusätzlich moderne elektronische Hilfsmittel zur Verfügung. Außerdem verfügt die Humboldt-Universität über wahre
Schätze aus 300 Jahren Forschung und Lehre. Ihre 100 verschiedenen wissenschaftlichen Sammlungen beherbergen über 30
Millionen Objekte. Mit ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen wirkt die Humboldt-Universität in das Leben
der Stadt zurück. Im Rahmen von regelmäßigen Ausstellungen,
Lehrveranstaltungen und zu den öffentlichen Ringvorlesungen
werden ausgewählte Teile der Sammlungen genutzt.
Die frühen Nobelpreisträger sind Vorbild auch für heutige
Generationen von Wissenschaftlern, wie zahlreiche LeibnizPreise für Forscherinnen und Forscher an der Humboldt-Universität zu Berlin belegen. Die Universität engagiert sich vor allem bei der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung: Jungen,
herausragenden Wissenschaftlern wird schon früh die Möglichkeit der selbstständigen Forschung und Lehre geboten. Schwerpunkte legt die Universität auf die Grundlagenforschung, auf
die soziale und ökologische Ausrichtung der wissenschaftlichen
Fragestellungen und die kulturelle und ökonomische Bedeutsamkeit der Ergebnisse.
Für eine Spitzenuniversität ist der internationale Austausch
in Forschung, Lehre und Studium eine Selbstverständlichkeit.
Gegenwärtig unterhält die Humboldt-Universität akademische
Partnerschaften mit über 170 Hochschulen weltweit sowie 300
Erasmus- und Sokrates-Partnerschaften. Sie pflegt traditionell
intensive Beziehungen zu Nord-, Mittel- und Osteuropa und unterhält starke Kooperationen mit den USA und Asien. Ebenso
herausragend ist die Mobilität der Studierenden: Jedes Jahr absolvieren mehr als 1.000 Studierende einen Teil ihres Studiums
im Ausland.
Die Hauptstadt-Universität zeichnet sich durch Weltoffenheit und Reformfreude aus. Die besondere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, ein professionelles System der
Qualitätssicherung in Forschung und Lehre sowie zukunftsorientierte Studienreformen machen die Humboldt-Universität zu
einer der führenden deutschen Hochschulen. Zahlreiche Hochschulrankings verdeutlichen Jahr um Jahr die breite nationale
und internationale Anerkennung der Universität.
Die HU lebt mit zweihundert Jahren bewegter Geschichte –
wird doch ihre Historie von ihrer besonderen Lage bestimmt,
einst im Zentrum von Preußen und Deutschland, schließlich in
der Hauptstadt der DDR und heute im Zentrum des wiederverei-
nigten Deutschlands. Im Jubiläumsjahr 2009/2010 präsentiert
sich die Humboldt-Universität mit Ausstellungen, Vorträgen,
Symposien und Konzerten als »Das moderne Original« – ein
Ort, an dem seit zwei Jahrhunderten Herausragendes in Lehre
und Forschung geleistet wird.
f
BI L D : M AT T HI A S HE Y DE (S . 1 2)
FE L I X S CHU M A N N (S . 15)
DA S MODE R N E OR IGI N A L
15
WAS WOLLEN SIE?
DAS SCHAFFEN SIE NIE!
DR . JE N S BISK Y
JOU R N A L IS T U N D BU CH AU T OR
p Sehr viele hatten mir abgeraten, das Studium wie geplant an der Humboldt-Universität zu beginnen. Und es sprach ja einiges dafür, als Studienanfänger im Oktober
1990 eine andere Hochschule zu wählen. Auch hatte man sich Unter den Linden nie
Mühe gegeben, mich als Student zu gewinnen. Im Gegenteil. Studienzulassung war
Gnadenakt.
Als ich mir Ende der achtziger Jahre im Hauptgebäude die auszufüllenden Fragebogen und die umfangreichen Hinweisblätter zu den Bewerbungsunterlagen abholen
wollte, sah mich die Zettel verteilende Dame bloß unwirsch an: »Was wollen Sie? Das
schaffen Sie nie!« Während der Eignungsprüfung, die absolviert werden musste, behandelte man mich – und gewiss nicht nur mich allein – wie einen tollkühn gewordenen Bittsteller, der im Überschwang für Augenblicke seine Grenzen vergessen hatte.
Im Herbst 1990 war klar, dass dieser Universität rasch Jahre des Übergangs bevorstanden, der Überprüfungen und des Personalwechsels, der Unsicherheit und des ständigen Improvisierens. Warum ich dennoch am Hause blieb, weiß ich kaum. Trägheit
mag eine Rolle gespielt haben. Aber auch das Gefühl, im Mittelpunkt der neuen Republik zu studieren, von der noch keiner wusste, dass sie später »Berliner Republik« heißen würde. Es gab dann bald Streikaktionen und Demos, auf denen der Glaube, im
Glutkern der Gegenwart zu studieren, sehr plausibel wirkte.
Viel wichtiger aber als alle rebellische Folklore, wichtiger auch als die so genannte
Erneuerung wurde für mich der Seminarbetrieb. Er beruhigte, wenn in stillsten Stunden die Frage auf kam, ob alles gut sei oder nicht doch Wechsel angebracht. Gewiss, es
gab Bürokratie und auch wechselnde Klassifizierungssysteme. Aber darum hat sich
ernsthaft keiner geschert. Man ging dorthin, wohin man wollte, gleichgültig ob die
Studienordnung dies vorsah oder anderes. Langweilte ein Seminar, dann ging man
auch nicht mehr hin.
Sehr schnell war man dann in der Welt eigener Vorhaben gefangen: in einem Seminar über Nietzsche-Lektüren, beim Transkribieren der Briefe des Fontane-Freundes
Friedrich Eggers, beim Kommentieren einer noch nicht edierten Streitschrift Rudolf
Borchardts. In diesen Seminaren herrschte die rechte Verbindung aus handwerklicher
Strenge und geistiger Anarchie. Und so ernst wie in diesen Seminaren bin ich davor
und danach nicht mehr genommen worden.
Heute könne man nicht mehr studieren, schon gar nicht an der Humboldt-Universität, sagen mir viele. Sie mögen ihre Gründe haben. Und doch glaube ich, dass der romantische Impuls zu studieren sich seine Wege schon irgendwie sucht.
f
I L LU S T R AT IO N : A N DR E A S T ÖPFE R
16 WOHE R
GR AT U L AT IO N
17
Hier ist es schön still, in der Bibliothek.
Draußen klingeln die Bahnen: hier muffeln
kurzsichtige Professoren in dicken Wälzern,
freundliche, wenn auch großfüßige Mädchen
laufen hin und her, als wollten sie alle Studenten, die nicht Bescheid wissen, auffressen – eine
Insel der Seeligen.
p
GESCHICHTE
IN KÜRZE
A N E K D O T E N & Z I TAT E
I L LU S T R AT IO N : A N DR E A S T ÖPFE R
Kurt Tucholsky, Jurastudent 1910 - 12
p Ich glaube mit Recht behaupten zu
können, dass das Unterrichtswesen im
hiesigen Staat durch mich in einen neuen Schwung gekommen ist … Etwas, was
mir noch eigentümlicher als alles andere
persönlich angehört, ist die Errichtung
einer neuen Universität hier in Berlin.
Wilhelm von Humboldt, 16.07.1810
p Die Berliner Universität, dem Palaste des Königs gegenüber einquartiert, ist
durch die Stiftungsurkunde das geistige
Leibregiment der Hohenzollern.
Emil Du Bois Reymond, 1870, Physiologe
Ich war ein Student, und ich studierte in
Berlin die schönen Wissenschaften und die
hässlichen … Ich studierte aber auch das Leben,
und in ihm das Schöne und Hässliche von demselben Blatt – oh großer Gott, was studierte ich
alles! Es ist mir heute noch ein Mirakel, dass ich
nicht mit einem Riss, einem Sprung im Hirnkasten oder einem darum gelegten eisernen
Band herumlaufe: die Gehirnerweiterung war
zu mächtig.
p
Wilhelm Raabe, 1909, Ehrendoktor der Medizin an der HU
p Fürwahr, ein herrliches Gebäude! Nur schade, die wenigsten Hörsäle sind geräumig, die meisten düster und unfreundlich, und, was das Schlimmste ist, bei vielen gehen die Fenster nach der Straße, und da kann man schrägüber das Opernhaus bemerken. Wie muß der arme Bursche auf glühenden Kohlen sitzen, wenn die ledernen, und
zwar nicht saffian- oder maricainledernen, sondern schweinsledernen Witze eines
langweiligen Dozenten ihm in die Ohren dröhnen und seine Augen unterdessen auf
der Straße schweifen und sich ergötzen an dem pittoresken Schauspiel der leuchtenden
Equipagen, der vorüberziehenden Soldaten, der dahinhüpfenden Nymphen und der
bunten Menschenwoge, die sich nach dem Opernhause wälzt. Wie müssen dem armen
Burschen die 16 Groschen in der Tasche brennen, wenn er denkt: Diese glücklichen
Menschen sehen gleich die Eunike als Seraphim oder die Milder als Iphigenie. »Appolini et Musis« steht auf dem Opernhause, und der Musensohn soll draußen bleiben?
Aber sehen Sie, das Kollegium ist eben ausgegangen, und ein Schwarm Studenten
schlendert nach den Linden.
Heinrich Heine, Jurastudent 1821 - 23
18 WOHE R
p Der Zudrang zum Studium ist heute nicht, wie dies früher der Fall war, ein
Zeichen, dass es dem Volke gut geht,
sondern, so seltsam das klingen mag,
ein Zeichen der Not … Die Universität ist
die große Wartehalle der Unentschlossenen geworden.
Bericht des Rektors Erhard Schmidt
1929/30, Mathematiker
Die intensivste Erinnerung an meine Studienzeit war ein Auftritt von Hans Kappert, Professor für Vererbungslehre und Pflanzenzüchtung. Eines Tages stellte er sich auf das Podest
und sagte: »Meine Damen und Herren, solange
über dem Eingangsbereich dieses rote Banner
schwebt, werde ich hier keine Vorlesungen mehr
halten«, drehte sich um und verschwand.
p
Robert Kiepert, studierte in der Nachkriegszeit
A N E K D O T E N & Z I TAT E
19
p Und so richtig ist mir der Wolfgang
Heise in Erinnerung geblieben, der gleich
anfing, Heiner Müller vorzulesen und darüber zu diskutieren. Das war im Grunde
das erste Mal, wo ich richtig stolz war:
Mensch, jetzt biste Student und kannst
das alles studieren. Alles ist offen und mal
sehen, was da alles noch kommt und hoffentlich wird’s interessant. Der zweite Eindruck war eine Vorlesung zu Kulturtheorie und Kulturgeschichte von Dietrich
Mühlberg, die erstaunlich witzig und entspannend war. Das sind meine ersten Bilder, die ich von der Universität habe. Und
das alles hat mich so mit Freude erfüllt, so
guck an, das kann ja toll werden, das kann
ja interessant werden.
Jürgen Kuttner, studierte Kulturwissenschaften von 1980 - 1985 und promovierte zwei
Jahre später zum Doktor der Philosophie.
p
Stattliche Repräsentation nach außen stand besonders hoch im Kurse. Gut
angezogen, womöglich mit dem nach hinten gezogenen Pomadenscheitel – S.C.Scheitel oder Lausechaussee genannt –
geschmückt, traten die Coleuren jeden
Dienstag und Freitag um elf im Vorhof
der Universität zum sogenannten Antanze an. Nur die Corps des S. C. hielten sich
zu vornehm, um sich daran zu beteiligen.
Jede der übrigen Verbindungen zog stolz
und nichtachtend, in Wahrheit aber immer brennend interessiert, an denjenigen
buntbemützten Völkerschaften vorüber,
mit denen sie nicht im Paukverhältnis
stand, um mit steifer Höflichkeit und
eckigen Ellbogen vor denjenigen die Mütze zu ziehen, mit denen sie paukten.
Dann zog alles zu viertel zwölf in die
Weißbierstube von Kortwich in der Friedrichstraße zum Frühschoppen, wo jede
Verbindung ihren Stammtisch hatte.
Friedrich Meinecke, Historiker um 1900
20 WOHE R
An Trinkgelage, Duelle und Ausfahrten ist in Berlin nicht zu denken. Hier
herrscht so ein Drang nach Höherem,
so ein Streben nach Wissenschaft. Dahingegen sind die anderen Universitäten die reinsten Kneipen wohingegen
Berlin ein wahres Arbeitshaus ist.
Ludwig Feuerbach, Philosophiestudent 1824
p Eine außerordentlich beeindruckende Persönlichkeit war
Walter Friedrich, der damals schon emeritiert war – ein Schüler
von Wilhelm Conrad Röntgen. Er lebte dieses alte Ethos des Wissenschaftlers: Wenn ein wissenschaftliches Problem stand, dann
konnte man nicht schlafen, ehe man einen Ansatz für die Lösung dieses Problems hatte. Er hat sich im Laufe der Diplomarbeit mehrmals mit uns getroffen und sich über die Fortschritte
berichten lassen. Ein Bonmot, das er damals formulierte, lautet:
»Bei Röntgen war’n wa drei Leute und wat ham wa allet entdeckt.
Heute hab ick tausend Mitarbeiter, entdeckt wird jar nischt.«
Prof. Dr. Dieter B. Herrmann, studierte Physik von 1957 - 63
p Zum Zweck der Immatrikulation begaben wir uns in Gruppen von je hundert Studenten in einen großen und hohen Saal,
der mit den Büsten von berühmten Berliner Professoren geschmückt war. Der Rektor der Berliner Universität war damals
der weltberühmte Rudolf Virchow. Er war ein sanfter und ruhiger kleiner Mann mit weißem Haar und Bart, einem freundlichen Gesicht und einer angenehmen Stimme.
William Edward Du Bois, Amerikanischer Bürgerrechtler, Student
in Berlin 1892 - 94, Ehrendoktor an der HU 1958
A N E K D O T E N & Z I TAT E
21
HIDDEN
PLACES
DE R FO T O GR A F JE N S B Ö SE N BE R G IS T DE R U N I V E R SI TÄT
U N T E R S DACH GE S T IE GE N , H AT S T IL L E K E L L E R GE FU N DE N
U N D SICH I M PA R K U M GE SE HE N .
FO T O GR A FIE : JE N S B Ö SE N BE R G
CE N T RU M FÜ R A N AT O MIE , PHIL IPPS T R A S SE 1 2
FR I T Z - R EU T E R - S A A L , D ORO T HE E N S T R A S SE 2 4 , H AUS 2
24 WOHE R
L A B OR , I N VA L IDE N S T R A S SE 4 2
F OY E R DE S AU DI M A X , U N T E R DE N L I N DE N 6
26 WOHE R
W I N DK A N A L I N A D L E R SH O F, RU D OW E R CH AU S SE E 4 – 6 C
27
AU FE N T H A LT SR AU M , I N VA L IDE N S T R A S SE 4 2
28 WOHE R
HÖR S A A L 1 , I N VA L IDE N S T R A S SE 4 2
29
F OY E R , I N VA L IDE N S T R A S SE 4 2
30 WOHE R
ME N Z E L - DACH , SE MI N A R FÜ R K Ü N S T L E R IS CH - Ä S T HE T IS CHE PR A X IS ,
U N T E R DE N L I N DE N 6
Was wir sind.
Sechs Gründungsideen –
sechs Kernveranstaltungen.
Ein Spiegel der Universität
und Struktur für ein ganzes
Festjahr.
S CHI N K E LT R E PPE , D ORO T HE E N S T R A S SE 2 6
32
WOHE R
A LT E S CH MIE DE , PHI L IPPS T R A S SE 1 2
HIDDE N PL ACE S
33
UNSERE SECHS
VERANSTALTUNGSHÖHEPUNKTE
IM JUBILÄUMSJAHR
34 WOHE R
35
CEAL FLOYERS
KUNST: EIN
TROJANISCHES
PFERD
FÜR IDEEN
K U N S T I M F OY E R –
E I N E K U N S T I N S TA L L AT IO N VO N
CE A L F L OY E R I M F OY E R DE R H U M B O L D TU N I V E R SI TÄT ZU BE R L I N
E RÖ F F N U N G: 1 2 . O K T OBE R 2 0 0 9
»Es geht um
Missverhältnisse
zwischen dem
sichtbaren Objekt
und dessen
Bezeichnung.«
»K U N S T I M FOY E R« IS T E I N PROJE K T DE R HU MB O L DTU N I V E R SI TÄT ZU BE R L I N U N D DE R HU MB O L DTU N I V E R SI TÄT S - GE SE L L S CH A F T MI T FR EU N D L ICHE R
U N T E R S T Ü T ZU N G DE S E HR E N VOR SI T Z E N DE N
DR . H . C . H A R T W IG PIE PE N BRO CK .
36 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
p Ceal Floyer (Jg. 1968) wurde im Rahmen eines beschränkten Wettbewerbs unter vier Bewerbern ausgewählt, das im zweiten Weltkrieg stark zerstörte und in den 1950er Jahren wieder
aufgebaute Foyer im Hauptgebäude der Humboldt-Universität
zu Berlin mit einer Installation zu gestalten. Der dreiläufige
Treppenaufgang wird bis heute von Karl Marx’ 11. Feuerbachthese in goldenen Lettern dominiert: »Die Philosophen haben
die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an,
sie zu verändern.«
Die in Berlin lebende Künstlerin blickt bereits auf zahlreiche
internationale Ausstellungsbeteiligungen und Einzelausstellungen zurück. Sie überzeugte die Fachjury – bestehend aus Ulrike
Brandi, Horst Bredekamp, Regula Lüscher, Thomas Schmidt,
Hartwig Piepenbrock und Peter Weibel – mit ihrer reduzierten
Formengrammatik sowie mit ihrem tiefen Interesse an dem
Nichtsichtbaren und an dem Unausgesprochenen. Floyer hat
sich nicht politisch, wissenschaftlich oder philosophisch mit
dem Marx-Zitat auseinander gesetzt, sondern kontextualisiert
das Zitat und den Raum künstlerisch. Sie zeichnet ein neues
Bild des denkmalgeschützten Foyers.
Ceal Floyer konzipiert Lichtprojektionen, Videos, Audiostücke, Installationen und fertigt Papierarbeiten und Fotografien
an, die stets bestimmte Assoziationen wecken. Es geht um Missverhältnisse zwischen dem sichtbaren Objekt und dessen Be-
zeichnung. Die Künstlerin arbeitet formal mit sehr reduzierten
Elementen, die aber alle sichtbar sein sollen und dadurch Erwartungen provozieren. Bucket (1999), ein Werk zwischen Audiostück und Skulptur, zeigt einen einfachen Eimer, in dem sich ein
CD-Spieler mit Lautsprecher befindet. Das Stromkabel führt aus
dem Eimer heraus und endet in einem Bodenanschluss. Dann
ertönt im Raum das Geräusch des Wassertropfens. Intuitiv blickt
der Betrachter nach oben, sucht das Leck in der Decke, wird es
jedoch nicht finden. Ceal Floyer zeigt uns ein Bild, und wir erwarten das Nichtvorhandene. Ebenso in der Installation Scale
(2007), die sie anlässlich der Ausstellung für den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst realisierte. Die Künstlerin montierte
24 Lautsprecher wie eine Treppe an der Wand des Raumes. Aus
jedem Lautsprecher war ein leicht verzerrtes Trittgeräusch zu
hören. Es war nur ein Geräusch, mehr nicht.
Die Installation von Ceal Floyer für das Hauptfoyer der
Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden trägt den Titel
»Vorsicht Stufe!«. Die Künstlerin hat eine Vielzahl von identischen Messingschildern mit dieser Aufschrift anfertigen lassen
und montiert diese auf jeden einzelnen der 56 Stufenabsätze des
Treppenantritts und der zwei Treppenarme. Es handelt sich um
gewöhnliche Warnschilder aus Messing in reduzierter Form, die
uns aus alltäglichen Gewohnheiten beim Durchschreiten von
Gebäuden bekannt sind. Das verborgende Potential liegt bei Ceal
Floyers Installation nicht in dem einzelnen Warnschild, sondern
in der Wahrnehmung der durch die Begriffsreihung erzeugten
Situation.
Vom Foyer aus betrachtet scheinen sich diese Schilder bis
ins Unendliche fortzusetzen. Es entstehen seltsame Achsenbezüge im Raumgefüge des von rotem Marmor und DDR-Design
dominierten denkmalgeschützten Foyers. Genau in dieser Irritation und in der Frage nach der Gefahr, auf die hier aufmerksam
gemacht wird, verbirgt sich erst die Gefahr des Stolperns – physisch und gedanklich. Sie kehrt die Tatsächlichkeit des einzelnen
Schildes im täglichen Gebrauch dieser Warnschilder um, banalisiert sie und entkräftet so deren eigentliche Funktionalität. Humorvoll geht die Britin dabei auch mit dem deutschen Ordnungssinn und der DIN-Norm um, nach der Warnungen im öffentlichen Raum reglementiert werden. Ceal Floyer erzählt diese
Geschichte jedoch nicht selbst. Sie spielt lediglich mit den Erwartungen des Betrachters. Am Ende steht ein freier Umgang
mit der Intervention – ästhetisches Raumerlebnis, Provokation
oder Warnung vor Raum und Zitat? Das muss jeder der Foyerpassanten selbst erfahren.
f
T E X T: A N K E HE RVO L
BI L D : S . 3 6 : CE A L F L OY E R , » S C A L E « , 2 0 0 7 / C OU R T E S Y:
VA N MO E R K E R K E C O L L E C T IO N , BE L GIU M / F O T O : J E N S Z IE HE
S . 3 7 : CE A L F L OY E R , »BU CK E T« , 1 9 9 9 ,
C OU R T E S Y: E S T HE R S CHIPPE R , BE R L I N
K U N S T I M F OY E R
37
GEISTIGE
FREIHEIT
UNTER DEM
HIMMEL
VON BERLIN
E RÖ F F N U N G DE S
»JAC OB - U N D -W I L HE L M GR I M M - Z E N T RU MS «
E RÖFF N U N G: 1 9 . N OV E MBE R 2 0 0 9
p »Die Bibliothek ist nicht nur eine Schatzkammer des Wissens, sondern sie sammelt faktisch das, was Menschen gedacht,
gefühlt, erlebt haben. Also viel mehr als das, was man als Wissen
deklariert.« Milan Bulaty, seit 1992 Direktor der Universitätsbibliothek Berlin, ist schon früh von der Welt der Bücher fasziniert.
Während seines Studiums in Prag stößt er in einer literarischen
Zeitschrift auf Marcel Proust und dessen Romanzyklus »Auf der
Suche nach der verlorenen Zeit«. Da man dieses Werk nur unter
Sondergenehmigung ausleihen kann, verschafft er sich über
eine Bekannte seines Vaters Zugang und liest getarnt als Praktikant die Bücher in ihrem Büro: versteckt sie in einer Schreibtischschublade, die er schließen muss, wenn jemand das Zimmer betritt. Eine Erfahrung, die ihn für sein ganzes Leben prägt
und zu der er heute ironisch meint: »Die beste Leseförderung ist
die durch Verbote.«
Mit der feierlichen Eröffnung des Jacob-und-WilhelmGrimm-Zentrums wird nun am 19. November 2009 der größte
zusammenhängende Freihandbestand an Büchern im deutschsprachigen Raum für die Öffentlichkeit zugänglich. Neben
500.000 wertvollen Exemplaren in geschlossenen Magazinen
werden den Nutzern knapp zwei Millionen Medieneinheiten frei
in den Regalen zur Verfügung stehen – und das täglich. Denn
die Bibliothek öffnet ihre Türen Montag bis Freitag von 8 – 24
Uhr und am Wochenende von 10 – 18 Uhr. Damit ist sie die erste
große Berliner Bibliothek, die über die gesamte Woche Besu-
38 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
chern offen steht. Studierende und Wissenschaftler können hier
den Beginn einer neuen Epoche in der Geschichte der Bibliothek
miterleben. »Nach 177 Jahren Unterbringung in Provisorien wird
die Zentralbibliothek, gemeinsam mit dem Computer- und Medienservice, endlich ein eigenes Gebäude haben«, so Milan Bulaty. Ein Gebäude, das nicht nur viel Raum für kluge, kreative und
kritische Köpfe bietet, sondern mit seiner modernen, klaren Architektur auch ästhetische Akzente setzt.
Unter einem Glasdach, das den Himmel über Berlin freigibt,
befindet sich das Herzstück des Jacob-und-Wilhelm-GrimmZentrums – der große Lesesaal mit seinen Leseterrassen. Ein
Auditorium, Ausstellungsräume, PC-Pool, Cafeteria sowie eine
Zeitungslounge ergänzen das Angebot. Wer lieber im Team arbeitet oder ungestört sein will, kann sich in die Gruppenräume
oder Arbeitskabinen zurückziehen. Für Eltern, die ihre Kinder in
die Bibliothek mitbringen, gibt es einen abgetrennten Bereich,
die Berliner Volksbank Kinderstube. Für Veranstaltungen auf
dem Dach, mit weiten Blicken in alle Richtungen, die LöbbeckeTerasse. Die klare, funktionale Struktur des Gebäudes, die Reduzierung auf wenige Farben, das moderne Mobiliar, die Verwendung nur einer Holzart und der Blick ins Freie auf Museumsinsel oder Friedrichstraße sollen nicht nur konzentriertes
Arbeiten fördern, sondern auch die Aufenthaltsqualität steigern.
Die drahtlose Netzanbindung ermöglicht im ganzen Gebäude
volle Bewegungsfreiheit mit dem Laptop. Videokonferenzräume,
Multimediaarbeitsplätze sowie ein modernes Informations- und
Kommunikationszentrum ergänzen die zeitgemäße EDV-Ausstattung. »Ich bin sehr zufrieden mit der Architektur des Gebäudes«, so Milan Bulaty. Viele der baulichen Entscheidungen wurden in reger Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Max
Dudler gefällt; viele Anregungen, Erfahrungswerte und Ideen
sind berücksichtigt. Das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
bietet zukünftig 1.250 Arbeitsplätze in inspirierender Atmosphäre für alle Berliner.
Vor Jahren beobachtete Milan Bulaty einen Fotografen, der
mehrere Stunden im Regen stehend auf einer Leiter akribisch
die Einschusslöcher in der Fassade des alten Verwaltungsgebäudes in der Dorotheenstraße 1 fotografierte. Neugierig geworden,
spricht er ihn an. Der Fotograf will mit seiner Kamera die letzten
Dokumente aus dem Jahr 1945 festhalten – der Zeit des Kampfes
um Berlin. Heute hängen die Arbeiten des deutsch-amerikanischen Künstlers Arun Kuplas im Foyer der neuen Zentralbibliothek – und eine Brücke von Vergangenheit zur Zukunft ist gespannt. Mit dem Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum entsteht
inmitten des historischen Berlins ein fantastisches Leseparadies,
in dem zukünftig geistige Freiheit erlebbar wird.
f
»Nach 177 Jahren
Unterbringung in
Provisorien wird
die Zentralbibliothek, gemeinsam
mit dem Computerund Medienservice,
endlich ein eigenes
Gebäude haben.«
T E X T: K AT JA R ICH T E R
BI L D : © M A X DU D L E R
VO N L I N K S: »FOY E R« , »FOR S CHU N GSS A A L « , »L E SE T E R A S SE N «
E RÖ F F N U N G DE S GR I M M - Z E N T RU MS
39
EIN FREIER RAUM
FÜR GRUNDSÄTZLICHE
FRAGEN
DIE HU MB O L D T- S T R E I T GE SPR ÄCHE
I N KO OPE R AT IO N MI T
DE R S T IF T U N G ME RC AT OR
3 . DE ZE MBE R 2 0 0 9 , 2 9 . A PR I L 2 0 1 0 ,
8 . JU L I 2 0 1 0 U N D 1 4 . OK T OBE R 2 0 1 0
p Unabhängigkeit ist ein wesentliches Element des Humboldtschen Universitätsideals. Bildung und Forschung sollen nicht
wirtschaftlichen oder politischen Zielen, sondern den ganz eigenen Gesetzen der Vernunft genügen. Dass dieses Prinzip langfristig das ertragreichere ist, muss gerade in Zeiten von kurzsichtigen Effizienzdiskussionen und Mittelknappheit gelegentlich wieder ins Blickfeld gerückt werden. Und gerade weil die
Universität ein solch offener Ort zweckfreien Nachdenkens ist,
soll sie im Jubiläumsjahr Ausgangspunkt spannender Debatten
werden. Die Humboldt-Universität lädt gemeinsam mit der Stiftung Mercator zu vier Streitgesprächen über die Zukunftsfragen
von Bildung, Forschung und Lehre ein.
Das erste Streitgespräch »Wo soll es hingehen?« befasst sich
mit den zukünftigen Themen der Wissenschaft: Die drängenden Lebensprobleme – aktuell beispielsweise der drohende Klimawandel oder die Herausforderungen des globalen Terrorismus – wirken sich auf die Interessen der Forschung aus und
sprengen zunehmend die Grenzen traditioneller Fachgebiete.
Wie findet ein Wissenschaftler sein ganz persönliches Thema?
Und was kann, was darf die Gesellschaft an konkretem Ertrag
erwarten?
In der zweiten Diskussionsrunde »Wie sollen wir arbeiten?«
liegt der Schwerpunkt auf den Strukturen, in denen Wissenschaft gedeiht. Sind modernste Methoden manchmal einfach
nur neue Moden, die nicht jeder nachmachen muss? Haben wir
die finanziellen Rahmenbedingungen, um alle guten Ideen zum
Blühen zu bringen? Oder könnte das Heil der Wissenschaften
»Wo soll es hingehen? Wie sollen
wir arbeiten?
Wer darf studieren? Wie werden
wir besser?«
gar eher in der Beschränkung liegen, wie sie die sogenannten
Geisteswissenschaften mit ihren schmalen Budgets schon lange
erleben?
Beim dritten Streitgespräch »Wer darf studieren?« werden
die Erfahrungen des amerikanischen Hochschulsystems, die
deutschen Reformversuchen zum Teil Pate standen, unter die
Lupe genommen. Was passt zu unseren Bedürfnissen, und welche Ideen müssen wir gar nicht erst übernehmen? Ist uns mit
erhöhten Absolventenzahlen schon geholfen? Oder sollten die
40 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
Universitäten strenger auswählen, wer in den Genuss höherer
Bildung kommen darf?
Einen umfassenden Blick auf die Zukunft der Institution
Hochschule wirft schließlich die vierte Diskussion »Wie werden
wir besser?«. Berufsqualifizierend oder allgemeinbildend, unternehmerisch oder budgetiert, basisdemokratisch und eigenverantwortlich oder straff und effizient organisiert – alle Strategien
für die Entwicklung der deutschen Universitäten haben ihre Argumente für sich. Wie werden Universitäten in einigen Jahren
aussehen, wenn man die Ansätze weiter denkt?
Vertreter unterschiedlichster Professionen – dabei sein sollen
unter anderem Spitzenforscher amerikanischer und europäischer Universitäten, aktive und ehemalige Größen der Politik
sowie namhafte Künstler – werden unter der Leitung professioneller Moderatoren zum intellektuellen Schlagabtausch in den
Ring steigen. Die Fragen sind bewusst offen formuliert, um interessanten Diskussionen jenseits vorformulierter Standpunkte
Raum zu lassen. Die Humboldt-Streitgespräche in Kooperation
mit der Stiftung Mercator sind frei im Ansatz, frei im Zugang
und frei im Ergebnis. Die Leiterin des Projekts, Elisabeth Lack,
erhofft sich vom Fokus auf die außeruniversitäre Öffentlichkeit
frischen Wind in den Universitätsräumen und Inspirationen aus
aller Welt.
Es sollen jedoch nicht nur die Stimmen etablierter Persönlichkeiten gehört werden, sondern gerade auch Studierende und
junge Wissenschaftler zu Wort kommen. Deswegen wird in diesem Jahr die Preisfrage der jungen Akademie an der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Kooperation mit der Humboldt-Universität gestellt. »Wer kriegt die Krise?« wird gefragt und Essays, literarische Texte, Kunstwerke oder
andere Formate können eingesandt werden. Der Preisträger des
Wettbewerbs wird zum 3. Panel zur Zukunft des Studiums eingeladen, man darf gespannt sein, wie das Aufeinandertreffen
mit den Diskutanten verlaufen wird.
Als Veranstaltungsorte rückt die Universität ihre schönsten
Räume ins Blickfeld der Öffentlichkeit: Den traditionsreichen Senatssaal am 03. Dezember 2009 und den neugeschaffenen Lichthof im Hauptgebäude Unter den Linden am 29. April 2010, den
in frischem historischen Glanz erstrahlenden Luisensaal am 08.
Juli 2010 und schließlich die nagelneue Universitätsbibliothek,
das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, am 14. Oktober 2010.
f
T E X T: BE T T I N A BU S SE
BI L D : M A R IE - L OU ISE GR E B
HU MB O L D T- S T R E I T GE SPR ÄCHE
41
GESCHICHTE
IN GESCHICHTEN
ERZÄHLT
AU S S T E L LU N G »I N MI T T E N DE R S TA D T
– 2 0 0 JA HR E U N I V E R SI TÄT U N T E R DE N
L I N DE N «
1 6 . A PR I L BIS 1 8 . AU GU S T 2 0 1 0
GIB T E S E I N K A PI T E L I N DE R GE S CHICH T E , DA S BE S O N DE R S SPA N N E N D WA R U N D DA S HE RVORGE HOBE N W IR D?
Nein, wir heben keine Epoche besonders hervor. Wenn man sich,
wie wir das in den letzten Monaten gemacht haben, in die UniGeschichte einarbeitet, stößt man in jeder Zeit auf spannende
Episoden und interessante Persönlichkeiten. Gerade auch, weil
wir uns nicht nur die wissenschaftliche Seite, sondern auch die
Lebenswelten von Studierenden und Lehrenden anschauen.
W IE GE N AU E R Z Ä H L E N SIE GE S CH I CH T E ?
Wie bereits erwähnt, wird es Themeninseln geben, die sich z. B.
dem wissenschaftlichen Profi l der Universität widmen oder den
Orten, an denen Wissenschaft praktiziert und gelehrt wird. Die
dort getroffene Auswahl muss auf 400 qm zwangsläufig exemplarisch sein, erhält aber in der epochenübergreifenden Konfrontation eine besondere Spannung.
Besonders wichtig ist uns, dass beim Gang durch die Ausstellung
klar wird, dass die erste Berliner Universität zu keiner Zeit ein
abgeschlossenes System gewesen ist. Eher im Gegenteil – und
das hängt sicher auch mit ihrer besonderen Lage hier in Berlin
zusammen – man findet zu jeder Zeit einen regen Austausch in
beide Richtungen: mit der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft usw.
In der Ausstellung lässt sich das an vielen Stellen erkennen, ein
Beispiel dafür ist das fruchtbare Wechselspiel zwischen Industrie
und Wissenschaft am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.
DIE AU SS T E L LU N G S O L L E I N E L E BE N DIGE R E ISE DU RCH 2 0 0 JA HR E
U N I V E R SI TÄT S GE S CHICH T E SE I N . W E LCHE ROU T E H A BE N SIE GE -
W IR D E S E I N ZUS ÄT Z L ICHE S BE GL E I T PRO GR A M M GE BE N ?
WÄ H LT ?
Ja, es soll ein breit gefächertes Begleitprogramm für die Ausstellung geben. Wir planen Lieder- und Filmabende, Vorträge, Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen mit Zeitzeugen.
Es wird keine Reise entlang eines Zeitstrahls werden – von 1810
bis heute – sondern eine von Themeninsel zu Themeninsel. Diese Inseln – die werden im Foyer des Grimm-Zentrums übrigens
auch räumlich voneinander getrennt sein – funktionieren ganz
eigenständig. Wir geben dem Publikum also keine Route vor,
sondern man kann je nach Interesse zuerst hier oder dort in die
Uni-Geschichte eintauchen.
DIE HU BL ICK T S T O L Z AU F E I N E V IE L Z A HL BE DEU T E N DE R W IS SE N S CH A F T L E R : W E M W IR D M A N I N DE R AU S S T E L LU N G BE GE G NEN?
Natürlich werden die Besucher auf sehr prominente Forscher
treffen, auf Hermann von Helmholtz zum Beispiel, diesen unglaublich vielseitigen Physiker. Es gibt aber auch weniger bekannte Pioniere zu entdecken, Max Hermann zum Beispiel, der hier
die Theaterwissenschaften etabliert hat.
Wir möchten allerdings nicht nur die wissenschaftlichen Leistungen der Protagonisten sichtbar machen, sondern auch ihr politisches und gesellschaftliches Engagement. Ein Beispiel dafür
ist das fast singuläre Eintreten des Mediziners und Pazifisten Georg Nicolai gegen den I. Weltkrieg.
42 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
BE R L I N L O CK T M I T V IE L E N K U LT U R A N GE B O T E N , DIE KO N K U R R E N Z IS T H A R T ! WA S M ACH T IHR E AU S S T E L LU N G BE S O N DE R S?
Ehrlich gesagt, wird zumindest unser abendliches Begleitprogramm wohl vor allem mit der Fußball-WM in Südafrika konkurrieren.
Andererseits ist 2010 ja nicht nur das Jubiläumsjahr der Humboldt-Universität, sondern auch das Berliner Wissenschaftsjahr.
Es wird also eine große Konkurrenz, aber gleichzeitig auch eine
äußerst spannende Dichte an Angeboten zur Wissenschaftsgeschichte und -gegenwart geben. Vor diesem Hintergrund bietet
die Ausstellung die Möglichkeit, in die Geschichte der ersten und
lange Zeit einzigen Universität Berlins mit ihren Glanzpunkten
und Widersprüchen einzutauchen.
DIE K U R AT OR I N N E N I L K A T HO M U N D
DR . K IR S T E N W E I N I N G I M GE SPR ÄCH
MI T K AT JA R ICH T E R
BI L D : T O M S CH MIE DE L
AU S S T E L LU N G »I N MI T T E N DE R S TA D T«
43
WISSENSCHAFT
IM BERLINER ALLTAG
20 . 0 5 . 2 0 1P0L AT Z
2
HELM
H O LT
Z
HU MB O L D T U N T E RW E GS
15 . M A I BIS 5 . JU N I 2 0 1 0
7 .0 6 . 2010
05
ERL
HU B
32 . 0 5 . 2 0 1 0P L AT Z
2
BRE
EID
ITSCH
1 . 0 5 . 2 0 1 0 AT Z
15
ALEX
ANDE
RPL
IN
47 . 0 5 . 2 0 1 0P L AT Z
2
P OTS
DAM
ER
T E X T: BE T T I N A BU S SE
BI L D : GI N A L OU ISE S CH MIE DE L
p Obwohl die Hauptstadt sich der Anwesenheit gleich vierer
Universitäten rühmen kann, ist Berlin keine Universitätsstadt.
Für Berliner, die selbst nicht hier studieren oder arbeiten, ist die
»Humboldt-Universität« wohl im Wesentlichen das große alte
Gebäude Unter den Linden mit den zwei Figuren davor. Zum
200-jährigen Bestehen der Universität den Bewohnern der Stadt
und ihren Gästen eine Ahnung davon zu vermitteln, wie Wissenschaft mitten in Berlin im 21. Jahrhundert betrieben wird und
was das mit dem eigenen Alltag zu tun hat, ist die Idee der Veranstaltungsreihe »Humboldt unterwegs«.
Die Koordinatorin Laura Gronius zu den Hintergründen des
Projekts: »Die Universität ist immer noch ein Ort mit einer besonderen Aura. Gerade für Personen, die von ihrer Sozialisation
her keine Berührungspunkte mit der akademischen Welt haben,
ist etwa der ›Professor‹ immer noch eine sehr ehrwürdige Figur
mit großer Autorität, die zunächst Distanz schafft. Mit der tatsächlichen Forschung und Lehre an der HU, die zum Beispiel
stark durch den Mittelbau und die Juniorprofessuren geprägt
wird, hat das wenig zu tun. Gegen dieses Bild wollen wir ein
bisschen angehen und uns für das allgemeine Publikum öffnen.
Und zwar anders als zur Langen Nacht der Wissenschaften, wo
wir unsere Türen öffnen und zu uns einladen. Bei ›Humboldt
unterwegs‹ ist das Konzept: Wir gehen hinaus in die Stadt. Das
Jubiläum ist für uns auch der Anlass, die Verbundenheit mit un-
44 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
»Es geht darum zu
zeigen, wie alltagsund lebensnah Wissenschaft sein kann.
Es soll um aktuelle
Themen gehen.«
serem Standort zu feiern und der Stadt Berlin und den Berlinern
unsere Reverenz zu erweisen.«
Die »Tournee« der Humboldt-Universität wird durch sechs
verschiedene Orte im Stadtgebiet führen, sowohl zentrale Knotenpunkte wie der Alexanderplatz oder der Potsdamer Platz als
auch Mittelpunkte von Wohnvierteln wie der Kreuzberger
Marheinekeplatz oder der Helmholtzplatz im Prenzlauer Berg.
Der jeweilige Standort wird dabei zum Ausgangspunkt von
Stadtspaziergängen, öffentlichen Seminaren und Vorträgen, einer Vielzahl von Praxiskursen und Experimenten, die sich vom
Geist des Ortes inspirieren lassen und die örtlichen Gegebenheiten einbeziehen. So wird etwa am Potsdamer Platz in der Spielbank von Mathematikern die Wahrscheinlichkeitsrechnung am
Roulettetisch anschaulich gemacht, während Physiker und Musikwissenschaftler das Geheimnis der hervorragenden Akustik
des Kammermusiksaals ergründen. Andere Programmpunkte
59 . 0 5 . 2 0 1 P0L AT Z
2
MARH
EINE
KE
6
. 2 0 1A0T Z
6
0
.
3
0
NNPL
HERM
sind thematisch mit bestimmten Ecken Berlins verknüpft. So
bietet sich etwa der Helmholtzplatz, an dem in den vergangenen
Jahren ein Bevölkerungsaustausch stattfand, der das Gesicht des
Kiezes radikal verändert hat, für eine Diskussion zwischen Politikern, Anwohnern und den Stadtsoziologen der HU an. »Humboldt unterwegs« reiht sich ein in eine lange Tradition an der
Universität, Wissenschaft im lebendigen Austausch mit der Berliner Öffentlichkeit zu betreiben. Im frühen 19. Jahrhundert waren es Alexander von Humboldts aufsehenerregende »KosmosVorlesungen«, später etwa die verschiedenen Orts gehaltenen
populärwissenschaftlichen Vorträge von Hermann von Helmholtz. Eine Inspirationsquelle der jüngeren Ära sind die öffentlichen Aktionen der Uni-Streiks der letzten Jahre: Mancher Berliner erinnert sich vielleicht noch an Vorlesungen und Seminare
auf dem Bebelplatz, dem Potsdamer Platz oder in den Zügen des
S-Bahn-Rings. Laura Gronius ist begeistert, aber nicht überrascht von der breiten Resonanz, die das Projekt schon jetzt innerhalb und außerhalb der Universität findet.
»Unsere Dozenten sind ja häufig schon überaus erfahren in
der öffentlichen Kommunikation ihrer Arbeit, und wir werden
thematisch ziemlich konkret arbeiten und nicht einfach Vorträge auf hochgestochen wissenschaftlichem Niveau nach draußen
verlagern. Es geht darum zu zeigen, wie alltags- und lebensnah
Wissenschaft sein kann. Es soll um aktuelle Themen gehen –
A
Mobilität ist beispielsweise ein Schwerpunkt: Mobilität innerhalb der Stadt und über ihre Grenzen hinaus, im Denken und
auf dem Arbeitsmarkt. Welche Formen von Mobilität gibt es, welche wird es künftig geben und welcher Energien bedarf es dafür?
Die einzelnen Programmpunkte sind wirklich Werkstattberichte
und zeigen, was hinter unseren ›altehrwürdigen Mauern‹ geschieht. So konnten wir die Mitarbeiter, Professoren und Studierenden auch rasch für die Aktion gewinnen. Die Resonanz ist
insgesamt sehr gut. Hinzu kommt, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Schirmherrschaft für das Projekt
übernommen hat, was uns natürlich die Suche nach Partnern
und Sponsoren für Standortpatenschaften erleichtert.« Die Berliner können sich also auf lebendige Diskussionen, spannende
Aktionen und einen originellen Einblick ins wissenschaftliche
Leben freuen – und so dazu angeregt werden, auch nach dem
Jubiläumsjahr gelegentlich den Weg durch die immer offenen
Türen der Universität zu finden, um zu sehen, was bei Humboldts so geforscht wird.
f
T E X T: BE T T I N A BU S SE
BI L D : GI N A L OU ISE S CH MIE DE L
HU MB O L D T U N T E RW E GS
45
DIE ERWARTUNGEN
SIND GANZ KONKRET
»DA S MODE L L HU MB O L DT – DIE ZU K U N F T DE R
F OR S CHU N GSU N I V E R SI TÄT I M W IS SE N S CH A F T S S Y S T E M«
7. BIS 9 . OK T OBE R 2 0 1 0
Vom 7. bis 9. Oktober 2010 findet im Senatssaal der HumboldtUniversität die Konferenz »Das Modell Humboldt – Die Zukunft
der Forschungsuniversität im Wissenschaftssystem« statt. Wir
sprachen mit Bernd Henningsen, Professor für Skandinavistik /
Kulturwissenschaften und Direktor des Nordeuropa-Instituts
der Humboldt-Universität zu Berlin, einem der Initiatoren der
Konferenz.
HE R R PROFE S S OR HE N N I N GSE N , BE I DE R GE PL A N T E N KO N FE R E N Z
ZU M JU BI L ÄU M U N SE R E R A L M A M AT E R S O L L E S U M DIE ZU K U N F T
DE R FOR S CHU N GSU N I V E R SI TÄT GE HE N . ZU M V E RGL E ICH E I N
K U R Z E R BL I CK I N DIE V E R GA N GE N HE I T: W IE S A H DE N N U N I V E R SI TÄT VOR HU MB O L DT AU S?
Die alte Universität war eine Ausbildungsuniversität: Der
Staat brauchte Beamte, die Gesellschaft Fachleute, und die wurden an der Universität ausgebildet. »Vorlesung« hieß seinerzeit
tatsächlich Vorlesung im wörtlichen Sinne, und zwar aus genehmigten Texten. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts wird den
Dekanen vorgeschrieben, dass sie dafür Sorge zu tragen haben,
dass in Doktorarbeiten nichts Neues steht! Für die Forschung
waren vor Humboldt die Akademien eingerichtet. Heute muss
eine Dissertation wissenschaftlichen Fortschritt bringen; erst
seit Humboldt kennen wir die Forschungsuniversität.
che Kontakt nötig, ist auch die persönliche Antwort der Studierenden auf die Fragen, die sie in der Wissenschaft stellen, nötig
– Wissenschaft ist insofern auch ein soziales Abenteuer. Wenn
Tausende an einem Institut studieren, wenn bisweilen mehr als
hundert Personen in einem Seminar sitzen, dann beschränkt
sich das Abenteuer auf das Ergattern eines Stehplatzes. Insofern
hat die Universität heute vielfach wieder einen reinen (schlechten) Ausbildungscharakter bekommen, den sie früher ja schon
einmal hatte und den beispielsweise viele der so hoch gelobten
amerikanischen Universitäten weiterhin und immer hatten.
Und dann wurde beispielhaft mit der Stiftung der KaiserWilhelm-Gesellschaft zum 100-jährigen Jubiläum der Berliner
Universität 1910/11 (die heutige Max-Planck-Gesellschaft) Spitzenforschung aus der Universität hinaus verlagert. Heute wird
dies ja oft beklagt: Die Nobelpreise werden in der Regel an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die an außeruniversitären Einrichtungen und großen Labors arbeiten und
eben nicht an Universitäten.
Unsere Konferenz soll Mittel und Wege aufzeigen: Wie soll
die Forschungsuniversität der Zukunft aussehen? Hat sie eine
Zukunft? Welche Impulse können wir von draußen aufnehmen?
Ja, was wird in den Universitäten selbst und natürlich in Politik
und Verwaltung zu diesem Thema gedacht? Das sind unsere
Fragestellungen.
HEU T E SI N D DIE MODE R N E N U N I V E R SI TÄT E N AU F DE R GA N Z E N
W E LT DE M CH A R A K T E R N ACH »HU MB O L D T- U N I V E R SI TÄT E N « .
A L S L E HR E N DE R A N DE R HU MB O L DT- U N I V E R SI TÄT H A BE N SIE
W IE IS T DIE SE R SIE GE SZU G DE S HU MB O L DT S CHE N U N I V E R SI -
AU CH E I N E G A N Z PE R S Ö N L ICHE M O T I VAT IO N , DIE SU CHE N ACH
TÄT S MODE L L S ZU E R K L Ä R E N ?
N EU E N PE R SPE K T I V E N A N ZU S T O S SE N .
Die Standardantwort ist, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor
auf der Verknüpfung von Lehre und Forschung beruht. Die idealistische Vorstellung der Gründer besagte, dass die Universität
eine autonome Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden sei.
Die Studierenden beteiligen sich an der Forschung, die Ergebnisse der Forschung fließen wiederum in die Lehre ein; ganz
individuelle Persönlichkeiten bilden sich in dieser Gemeinschaft, in Einsamkeit und Freiheit. Dieses Konzept – so geht die
Rhetorik und so lautet der Humboldt-Mythos – ist an der Berliner Universität zum ersten Mal umgesetzt worden (Göttingen
war auch nicht schlecht!). Hier haben die Gründerväter visionär
gedacht und vieles richtig gemacht; die hervorragenden Ergebnisse insbesondere in den Naturwissenschaften bestätigten dieses Modell. Durch die Erfolge wurde im Weiteren die Berliner
Universität zu einem großen Anziehungspunkt, auch für Studierende und Professoren aus dem Ausland.
Nun, ich bin ja 1992 in den Umstrukturierungsprozess der
HU hineingeraten, da war es naheliegend, ja da war es überlebensnotwendig, dass wir uns über den Sinn und Unsinn von
Universität und »Wie organisiert man sie?« den Kopf zerbrochen
haben. Das ist einer meiner Antriebe: Den praktischen Umgang
mit Humboldt ständig vor der Nase, als Humboldtianer.
IS T DE N N DIE SE E S SE N Z DE S MODE L L S HU MB O L DT A N E I N E R MO -
U N D SIE E RWA R T E N SICH VO N DE R KO N FE R E N Z KO N K R E T E W E G W E ISU N GE N FÜ R DIE ZU K Ü N F T IGE GE S TA LT U N G AU CH DIE SE R
U N I V E R SI TÄT ?
Wir wollen Personen identifizieren, die sich auf pragmatische, aber auch auf visionäre Art Gedanken über die Universität
gemacht haben und machen. Von ihnen wollen wir lernen.
Die nächste Exzellenzrunde fällt mit dem Jubiläumsjahr zusammen. Ich habe die große Hoffnung, dass die Impulse, die auf
dieser Konferenz gegeben werden, auch Eingang finden werden
in die Vorstellungen von der HU – nachdem wir dann den Exzellenzwettbewerb gewonnen haben!
DE R N E N M A S SE N U N I V E R SI TÄT N O CH SPÜ R B A R?
Im Grunde nur noch teilweise, in den überschaubaren Einheiten, in kleinen Lehrveranstaltungen und Instituten. Für die
Teilhabe an und die Vermittlung von Forschung ist der persönli-
46 WA S – V E R A N S TA LT U N GSHÖHE PU N K T E
DA S I N T E RV IE W FÜ HR T E BE T T I N A BU SSE
BI L D : FE L I X S CHU M A N N
KO N FE R E N Z »DA S MODE L L HU MB O L DT«
47
DIE SECHS
GRÜNDUNGSIDEEN:
WAS STECKT
HEUTE DAHINTER?
A R T WOR K & KO N Z E P T: A N N IK A L IS CHK E
FO T O GR A FIE : JE N S B Ö SE N BE R G
49
FREIHEIT
Kein Universitätsprofessor kann
unabhängig von politischen
und gesellschaftlichen Einflüssen
forschen.
»Ergiebiger als die Frage nach
dem ›ob‹ eines gesellschaftlichen Einflusses ist zweifellos
die Frage danach, wie groß
oder gering dieser Einfluss
sein sollte.«
DR . BE R N H A R D L O R E N T Z
VOR SI T ZE N DE R DE R GE S CH Ä F T SFÜ HRU N G
DE R S T IF T U N G ME RC AT OR
p Untersuchungen zu den wechselseitigen Einflüssen von Wissenschaft und Gesellschaft füllen Bibliotheken. Immerhin darf
es wohl als Konsens gelten, dass Wissenschaft ohne gesellschaftlichen Einfluss nicht betrieben werden kann. Wie oder wo sollte
sie auch außerhalb einer Gesellschaft durchgeführt werden?
Der Einfluss der Gesellschaft lässt sich sowohl auf der Ebene
der Institutionen als auch auf der der Individuen leicht einsehen.
Wenn die Freiheit der Wissenschaft in Artikel 5, Absatz 3 des
Grundgesetzes verankert wird, so ist dieser rechtsetzende Akt
eben auch ein gesellschaftlicher Akt. Die Grenzen dieser Freiheit werden ebenfalls durch Rechtsetzung gesellschaftlich gezogen. Dabei ist nicht nur an Rechtsgüterabwägungen – etwa beim
Embryonenschutz oder Tierschutz – zu denken, sondern auch an
die in Deutschland zwar vergleichsweise umfängliche, aber zugleich doch endliche öffentliche Förderung der Wissenschaft.
Auch ihr Umfang ist definiert durch einen gesellschaftlich vermittelten begrenzenden Einfluss auf die tendenziell grenzenlosen Horizonte der Wissenschaft. Für die Ebene der Individuen
gilt: Man mag die normierende Kraft von Paradigmen, Methoden und Gesetzmäßigkeiten beliebig hoch veranschlagen, am
Ende wird Wissenschaft doch von Individuen betrieben, die auch
anderes als Wissenschaftler sind und immer auch anderen als
wissenschaftlichen Einflüssen ausgesetzt sind.
50 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
Ergiebiger als die Frage nach dem »ob« eines gesellschaftlichen Einflusses ist zweifellos die Frage danach, wie groß oder
gering dieser Einfluss sein sollte und danach, ob das Maß dieses
Einflusses von allen – etwa von Wissenschaftlern, Ministerien,
Forschungsorganisationen oder Stiftungen – in gleicher Weise
beziffert werden müsse. Die Stiftung Mercator, die die Freiheit
der Wissenschaft mit dem Verfolgen gesellschaftlicher Ziele in
Einklang zu setzen sucht, gibt darauf eine Antwort. Mit Projekten, für die wir uns auch über deren Finanzierung hinaus engagieren, streben wir Ziele nicht allein innerhalb der Wissenschaft
an, streben nicht das Neue als solches an. Wir verfolgen in unseren Themenclustern Klimawandel, Integration und Kulturelle
Bildung immer auch gesellschaftliche Ziele. Diese machen wir
gegenüber der Öffentlichkeit bewusst auch transparent. Gleichwohl sind wir davon überzeugt dies nur dann erfolgreich tun zu
können, wenn die Qualität der geförderten Projekte auch wissenschaftlich auf höchstem Niveau ist.
f
FR E IHE I T
51
»Erst durch die Freiheit der
Wissenschaft werden internationale Spitzenleistungen
möglich.«
52
WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
Die Universität hält eine kritische
Distanz zum politischen
und gesellschaftlichen Geschehen.
DR . I L KO - S A S CH A KOWA L C Z U K
HIS T OR IK E R , PROJE K T L E I T E R I N DE R FOR S CHU N GS A B T E ILU N G
DE R BU N DE SBE AU F T R AGT E N FÜ R S TA SIU N T E R L AGE N (B S T U)
PRO F. DR . SU S A N N E A L BE R S
I N F OR M AT IK E R I N U N D L E IBN I Z - PR E IS T R ÄGE R I N
p Die Freiheit der Wissenschaften ist ein unschätzbares Gut.
Insbesondere als junger Mensch – nach einigen praktischen Tätigkeiten in der Industrie – habe ich diese Freiheit als besonderes
Privileg empfunden. Sie gestattet es einem Wissenschaftler,
selbstbestimmt und ohne zeitliche Vorgaben interessante Forschungsfragen zu untersuchen. Erst durch diese Freiheit werden
internationale Spitzenleistungen möglich: Nur wenn ein Wissenschaftler seine Arbeitsrichtung frei bestimmen kann, entsteht bei ihm die Leidenschaft für den oftmals jahrelangen Einsatz, der dann zu dem erhofften Durchbruch führt. Weiterhin
ergeben sich überraschende Forschungsergebnisse nicht selten
in Vorhaben, die von anderen als gewagt oder wenig ertragreich
angesehen werden.
Trotz dieser Freiheit wird die Arbeit eines Wissenschaftlers
durch gesellschaftliche und politische Einflüsse geprägt. Dabei
habe ich erstere stets als Bereicherung empfunden. Ein Wissenschaftler hat nicht nur den Wunsch, seine Disziplin voranzubringen, sondern möchte auch einen Beitrag für die Gesellschaft
leisten. Es ist daher natürlich, Fragestellungen aufzugreifen, die
die Gesellschaft aktuell bewegt. Gravierender ist der Einfluss der
Politik, die in einigen Disziplinen durch Gesetze, generell aber
vor allem durch den Wissenschaftshaushalt die Arbeitsbedingungen eines Forschers prägt. Ein Wissenschaftler ist heute in
der Pflicht, für die Finanzierung seiner Forschung in nicht uner-
VERANTWORTUNG
heblichem Maße selbst zu sorgen. Durch die Fördermittel des
Leibniz-Preises bin ich in den kommenden Jahren erneut in der
privilegierten Lage, von der zeitraubenden Drittmitteleinwerbung befreit zu sein. Die Einrichtung eines solchen Preises war
aber vor gut 20 Jahren auch eine politische Entscheidung.
Ich wünsche mir, dass die Politik noch stärker als bisher in
Bildung und Forschung investiert. Nur so kann sich die Situation an den Schulen und Hochschulen verbessern. Die entsprechenden Investitionen kommen letztendlich der gesamten Gesellschaft zugute. Wissen ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Für die
Wissenschaft selbst stützen die Aufwendungen jene Freiheit, die
schon die Brüder Humboldt gelebt haben. So wird Alexander beschrieben mit den Worten »Die Horizonte seines Denkens waren offen – so offen wie nur selten in der Geschichte des abendländischen Denkens« (Ette, S. 32, 2009).
f
p In vielen europäischen, aber auch außereuropäischen Sprachen ist dem Begriff Verantwortung eine »Antwort« eingeschrieben. Bis ins Hochmittelalter war Verantwortung ein juristischer
Begriff. Ein Beschuldigter hatte vor Gericht Rede und Antwort
zu geben, eben Verantwortung zu übernehmen. Mir gefällt diese
Implikation von Verantwortung, weil sie auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit, auf Ehrlichkeit und Offenheit abzielt – und zugleich
Antworten dazu notwendiger Fragen bedürfen. Das scheint mir
für die Universität, für die Lehre wie die Forschung, eine immer
noch aktuelle Richtschnur zu sein. Denn zu einer solchen Idee
von Verantwortung gehört es, jegliche Fragen zuzulassen und
ihnen Rede und Antwort zu stehen. Verantwortung entfaltet sich
so in einem Beziehungsgeflecht, in dem der Einzelne nicht nur
in Freiheit für sich selbst zuständig ist, sondern zugleich für seine Gesellschaft und seine sozialen Räume. Und dies funktioniert wiederum nur mit der Bereitschaft, sich selbst – egal ob
Professor oder Studienanfänger – in Frage stellen zu können
und zu lassen. Eine solche (leider nicht ganz realistische) Herausforderung kommt nicht umhin, vorgefertigte Antworten abzulehnen und unermüdlich Reflexionsarbeit zu leisten, die allein Wahrheiten – selbst wenn man es als Wahrheit ansieht, dass
es keine gibt – verpfl ichtet ist. Das wiederum funktioniert nur in
Freiheit, was heißt, dort wo Freiheit fehlt, wird auch Verantwortung deformiert, nicht selten abgeschafft. So gesehen gehören
Verantwortung und Freiheit eng zusammen und sind in der
Lage, alles beständig zu befragen und den Sinn zu prüfen. Verantwortung heißt so auch, machtsichernde Selbstvergewisserungen zu überwinden. Studierende, Lehrende und Forscher
dürfen nicht nur »unbequeme« Fragen zulassen, nein, sie müssen sie fordern und fördern, ebenso Antworten, selbst wenn sie
noch »unbequemer« erscheinen als die Fragen. Fast jeder würde
dies unterschreiben – nirgends aber ist das Realität. Für mich als
Zeithistoriker heißt Verantwortung schließlich ganz konkret,
die drei europäischen Grundübel des 19./20. Jahrhunderts – Kolonialismus, Faschismus/Nationalsozialismus und Kommunismus – als Teil einer vielfach fortwirkenden Vergangenheit in
meiner Gegenwart zu begreifen und diese Geschichten nicht ruhen zu lassen. Denn mit Blick auf unsere Universitäten, unsere
Gesellschaft und zu schweigen von unserer Welt scheinen ja
nicht nur Antworten und auch Fragen, sondern vor allem die daraus folgenden Schlussfolgerungen, die auch umgesetzt werden,
zu fehlen. Zur Verantwortung gehört so nicht nur die Suche,
sondern auch der Mut, die Suche mit Konsequenzen zu verbinden. Und daran mangelt es vor allem, weshalb Verantwortung
für mich letztlich heißt, die Freiheit Anderer so zu verteidigen
als ginge es um meine eigene. Das erfordert nicht nur Mut, sondern – wiederum mit Blick etwa auf Universitäten, Gesellschaften oder die ganze Welt – auch die Notwendigkeit, (eigene) Privilegien zu erschüttern, denn Verantwortung hat von alters her
Gerechtigkeit zum Ziel.
f
V E R A N T WOR T U N G
53
»Wir sind nicht nur für
das verantwortlich,
was wir tun, sondern
auch für das, was wir
nicht tun.«
Molière
DR . N IKO L AUS BR EU E L
VOR SI T ZE N DE R DE S VOR S TA N DE S DE R HU MB O L DTU N I V E R SI TÄT S - GE SE L L S CH A F T
p Verantwortung – ein alter, so gar nicht moderner und doch
wieder aktueller Begriff. Auch bei der uns alle beschäftigenden
Finanz- und Wirtschaftskrise spielt das Thema »Verantwortung« meines Erachtens eine zentrale Rolle. Übernommene
Risiken waren größer als die Kraft der betroffenen Unternehmen. Kurzfristige Wertsteigerung stand vor Nachhaltigkeit. Lasten wurden wie selbstverständlich auf Dritte abgewälzt. Über
längere Zeit haben wir Finanzjongleure hofiert wie Rockstars.
Aus der Finanzkrise sollten wir – unter anderem – lernen,
dass entsprechendes Handeln zumindest auf längere Sicht nicht
ohne negative Folgen bleibt. Verantwortung verdient eine Renaissance. Dies bedeutet allerdings auch, dass wir nicht zunehmend Themen an den Staat delegieren sollten – nur weil dies
kurzfristig die leichtere Lösung zu sein scheint. Wenn wir Zukunft gestalten wollen, müssen wir selbst Verantwortung einfordern und übernehmen – für unser eigenes Handeln und für unsere Mitmenschen. Nichtstun ist keine Alternative.
Verantwortung zu übernehmen ist aber nicht nur eine Last;
im Gegenteil! Die Freude, die gestaltendem Handeln entspringt,
54 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
und die Befriedigung, mit Menschen und für Menschen wirklich etwas zum Besseren zu wenden, machen unseren Tag wertvoll. Wilhelm von Humboldt hat gesagt, »im Grunde sind es
doch die Verbindungen zu den Menschen, welche dem Leben
seinen Wert geben«. Halten wir uns daran. Übernehmen wir
wieder mehr Verantwortung – mit anderen und für andere!
Die Notwendigkeit, gemeinsam Verantwortung zu tragen,
zeigt sich auch im Bereich der Bildung. Bildung eröffnet Zukunftschancen. Bildung geht alle an. Bildung ist zu wichtig, um
sie allein dem Staat zu überlassen; zumal dieser vor dem Hintergrund überschuldeter Staatshaushalte weniger Spielräume hat.
Aus meiner Sicht ist jeder von uns aufgefordert, hier einen Beitrag zu leisten. Wir sollten alles Mögliche dafür tun, um die
Chancen der Kinder auf Bildung zu verbessern. Lassen wir uns
nicht einreden, dies gehe nicht oder wäre nicht zu finanzieren.
Das 200-jährige Jubiläum der Humboldt-Universität ist eine
erstklassige Gelegenheit, darüber zu diskutieren, wie wir gemeinsam vorankommen können. Die Universität trägt die Verantwortung für ein großes Erbe – unterstützen wir sie dabei. f
V E R A N T WOR T U N G
55
UNABHÄNGIGKEIT
Die Wissenschaft forscht stets mit
gesellschaftlichem Nutzen.
PRO F. DR . WO L F G A N G C OY
I N F OR M AT IK E R
p Zu den Grundideen der Humboldtschen Gründung gehört
die Unabhängigkeit universitärer Forschung. »Einsamkeit und
Freiheit« sollen den Weg zu neuer Erkenntnis und wissenschaftlichem Fortschritt beschreiben. Dazu werden die Professoren fi x
honoriert – egal, was sie forschen (»Bücher und Schriften (der
Universität) … sind von aller Zensur befreit.«) Als Gegenleistung
sollen ihre Forschungen öffentlich zugänglich und transparent
sein. Humboldt wollte solche Unabhängigkeit von König und
Berliner Regierung durch eine solide Finanzierung über Schenkung in Schlesien eroberter Domänen-Güter sichern. Ein schöner Gedanke, der der Berliner Universität eine Freiheit geschenkt
hätte, die vergleichbar mit der finanziellen Unabhängigkeit amerikanischer Privatuniversitäten wäre. Allein, der König zögerte
und die HU hängt wie andere deutsche Universitäten vom Landeshaushalt ab.
Dieses Geld reicht nun vorn und hinten nicht. Um den Mangel auszugleichen, muss die Universität sich um weitere Fördermittel bemühen – im Jargon Drittmittel genannt. Eine reine
Spende ist freilich ein seltenes Ereignis. Selbst die staatliche Förderung über die DFG, die EU oder das BMBF ist mit Bedingungen und Absichten verbunden – umso mehr sind dies Mittel
nichtstaatlicher Geldgeber.
Transparenz, gesellschaftlicher Bezug und Drittmittel definieren ein fragiles Spannungsfeld. Selbstverständlich verfügt
die Universität über Forschungsmöglichkeiten, die für gezielte
Aufträge einsetzbar sind. Solange Auftragsforschung die Arbeit
der Universität erleichtert, ist nicht viel dagegen einzuwenden.
Aber was ist mit Diplomarbeiten, die von Firmen angeregt oder
in Firmen durchgeführt werden? Wie soll die Universität mit
Professuren umgehen, die für eine gewisse Zeit extern, aber
nicht interesselos finanziert werden? Die Universität vollführt
also einen Eiertanz auf einer schiefen Ebene, um ihren gesellschaftlichen Auftrag auszuführen, nämlich wissenschaftlichen
Fortschritt zum Nutzen aller. Das macht sie gerne. Sie kann
auch nicht anders.
f
56 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
U N A BH Ä N GIGK E I T
57
»Der größte gesellschaft liche
Nutzen unabhängiger
Wissenschaft besteht letztlich darin, dass die Führungskräfte von morgen auf
höchstem Niveau ausgebildet
werden.«
DR . W I L HE L M K RU L L
GE N E R A L SE K R E TÄ R DE R VO L K S WAGE N S T I F T U N G
p Kreative Wissenschaft braucht Freiräume für neues Denken.
Institutionell haben Universitäten dabei vor allem die Aufgabe,
die administrativ-organisatorischen Rahmenbedingungen, die
finanziellen Ressourcen und die personellen Voraussetzungen
für ein produktives Miteinander aller Beteiligten zu schaffen.
Operationale Autonomie bildet die Voraussetzung dafür,
dass selbstbestimmt geforscht und gelehrt werden kann. Schon
Wilhelm von Humboldt – vielfach als Verfechter staatlicher Interventionen im Hochschulbereich missdeutet – wünschte sich
seinerzeit die neu zu gründende Universität als eine möglichst
autarke und autonome Institution. Sie sollte über ein eigenes Vermögen in Form von Domänen verfügen, um ihre Unabhängigkeit zu untermauern. Dies ist zwar bis heute ein Traum geblieben, bleibt jedoch eine bürgerschaftliche Zukunftsaufgabe.
Entgegen landläufiger Auffassungen schließen sich Unabhängigkeit und gesellschaftlicher Nutzen keineswegs aus. Autonom verantwortete Wissenschaft wird zwar primär das Ziel verfolgen, qua Forschung neue Erkenntnisse hervorzubringen. Konkrete Problemlösungen, wirtschaftlich verwertbare Resultate
58 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
WISSENSCHAFT
Die Wissenschaft kommuniziert
ihre Ergebnisse zu wenig und zu
kompliziert.
PHI L IPP VO N DE M K N E SE BE CK
S T U DE N T DE R PHILO S OPHIE
und technische Neuerungen sind dabei durchaus mehr als bloße
Nebenprodukte. Sie allein könnten jedoch den enormen finanziellen Aufwand für unsere Bildungs- und Forschungseinrichtungen nicht rechtfertigen. Der größte gesellschaftliche Nutzen unabhängiger Wissenschaft besteht letztlich darin, dass durch Teilhabe an neuester Forschung die Führungskräfte von morgen für
Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf höchstem Niveau
ausgebildet werden. Die bereits von Wilhelm von Humboldt postulierte »Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden« bleibt
auch weiterhin der wichtigste Erfolgsfaktor für die Universität zu
Beginn des 21. Jahrhunderts. Für die weitere Ausgestaltung der
Wissensgesellschaft ist sie geradezu unverzichtbar!
f
p Als Alexander von Humboldt die Reiseberichte veröffentlichte, die seinen Ruhm als Wissenschaftler festigten, konnte er
sich sicher sein, mit nur einer Publikation die Fachwelt und den
gebildeten, interessierten Teil der Bevölkerung zu erreichen. Seine Vorlesungen zu den Reiseberichten waren so populär, dass
kein Saal unserer Universität den Andrang fassen konnte.
Zwei Jahrhunderte später haben die einzelnen Teildisziplinen
der Wissenschaften einen Spezialisierungsgrad erreicht, der
dazu führt, dass ihre Ergebnisse, ja ihre gesamte Sprachkultur,
bereits Fachleuten angrenzender Wissenschaften nicht in Gänze
zugänglich sind. Dies ist wahrscheinlich unvermeidlich, aber
sehr bedauerlich, nicht nur da viele Menschen außerhalb des
Wissenschaftsbetriebs an neuen Erkenntnissen interessiert sind,
sondern auch da eine funktionierende Vermittlung von Forschungsergebnissen dazu führt, dass die Nützlichkeit der Wissenschaft erkannt und somit ihre (Teil-)Finanzierung aus öffentlichen Mitteln in höherem Maße akzeptiert wird.
Die Vermittlung der Ergebnisse an die breitere Öffentlichkeit kann von den Wissenschaftlern selbst nicht geleistet werden, sondern muss von Fachleuten, die sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus zu Hause sind, übernommen
werden. Diese Fachleute möchte ich »Wissenschaftskommunikatoren« nennen. Hochschuleigene Publikationen wie HU Spektrum stellen hier nur einen ersten Schritt dar, da auch Artikel
wie »Die Multidimensionalität maligner Lymphome« sich an ein
Fachpublikum und nicht an eine breitere Öffentlichkeit wenden.
Den Redakteuren der Wissenschaftsseiten von Qualitätszeitun-
gen wie FAZ oder Zeit sollte man die Kommunikation von Forschungsinhalten jedenfalls nicht allein überlassen – zwar sind
diese Seiten genau die Kontexte, in denen der Leser sich über
Forschungsergebnisse informieren soll, doch sollte den Redakteuren bereits in druckfähiger, für den interessierten Laien verständlicher Form zugearbeitet werden.
Wenn Wissenschaftsredakteure Publikationen aus einer anderen als der von ihnen einmal studierten Fachrichtung in für
den Laien verständliche Worte fassen, kommt es häufig zu Übertragungsverlusten, die bei besserer Zuarbeit von Seiten der Forschungseinrichtungen vermieden werden könnten. So ist beispielsweise häufig zu beobachten, dass solche Aussagen, die im
Ursprungsartikel ausdrücklich als spekulative Ausblicke, deren
Richtigkeit – oder deren Widerlegung! – weitere Forschung überprüfen müsse, als faktisch bewiesene Ergebnisse den Weg in die
Qualitätspresse finden.
Aufgabe eines Wissenschaftskommunikators auf Seiten der
Forschungseinrichtung sollte daher nicht nur sein, Ergebnisse
in einer Art und Weise zu kommunizieren, die zumindest einem
fachfremden Wissenschaftsjournalisten zugänglich ist, sondern
auch, welche Annahmen die vorliegenden Ergebnisse nicht bestätigen, selbst wenn diese unbestätigten Annahmen eine größere öffentliche Wahrnehmung für die Forschungseinrichtung
bedeuten würden. An dieser Stelle muss trotz des beständigen
Kampfes um Fördermittel die wissenschaftliche Redlichkeit
über den PR-Effekt gestellt werden.
f
W IS SE N S CH A F T
59
»Mehr denn je können
sich die Menschen heute
durch die verschiedensten
Medien über die wissenschaftliche Forschung
informieren.«
DR . L IE SE L O T T E K U GL E R
K U R AT OR I N DE R MUSEU MSS T I F T U N G
P O S T U N D T E L E KO M MU N IK AT IO N
p Spätestens seit den Berichten über die Reisen Alexander von
Humboldts nach Südamerika ist ersichtlich, dass sich breite Bevölkerungskreise für die Wissenschaften interessieren. Wissenschaft als Abenteuer, Wissenschaft als Entdeckung wird bis heute zur Faszination für zahlreiche Interessierte.
Den Wissenschaften wurde in den letzten hundert Jahren
wiederholt vorgeworfen, dass sie ihre Ergebnisse und ihre Forschungen nicht für ein breites Publikum in geeigneter Weise
kommunizieren, dass sie eher die Popularisierung scheuen. In
den letzten zwanzig Jahren haben Forschung und Wissenschaft
aus dem Vorwurf gelernt und das auch aus ganz praktischen
Gründen der Nachwuchsrekrutierung. Sie haben den Elfenbeinturm verlassen und sich in die Medienlandschaft hinaus gewagt,
sie haben mit modernen Methoden der Kommunikation ein großes Publikum erreichen können. Davon zeugen unter anderem
die zahlreichen Wissenschaftsmagazine und verschiedenste TVFormate, davon zeugen Beiträge und Beilagen in großen Tageszeitungen oder die »Langen Nächte der Wissenschaft«, in denen
60 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
die Universitäten ihre Forschungen auf eine für viele Menschen
verständliche Art und Weise kommunizieren. Mehr denn je können sich die Menschen heute durch die verschiedensten Medien
über die wissenschaftliche Forschung informieren.
Nahezu alle Forschungseinrichtungen, Universitäten und
Institute haben heute sogar Mitarbeiter für die Öffentlichkeitsarbeit. Hinzu traten in den letzten Jahren die Wissenschaftsausstellungen und die verstärkte Zusammenarbeit mit den relevanten Museen, in denen auf besondere Art und Weise, vor allem
auch sinnlich, die Ergebnisse der Wissenschaft vermittelt werden. Hier folgen die Universitäten den Brüdern Humboldt, die
– jeder auf seine Weise – allen Schichten mehr Chancen auf Bildungserwerb sichern wollten. War es die Reform des Bildungssystems bei Wilhelm von Humboldt oder war es der Volksbildungsgedanke Alexander von Humboldts, der danach strebte die
Natur- und technischen Wissenschaften mit populären Vorlesungen »unter die Leute« zu bringen. Er hatte den Wunsch nach
einer ersten Sternwarte in Berlin. Nicht zu vergessen, dass das
Museum für Naturkunde seit 1810 integraler Bestandteil der
Humboldt-Universität ist und dass die Sammlung Alexander von
Humboldts sich dort befindet.
Die Zusammenarbeit der Universitäten mit anderen Institutionen außerhalb des eigentlichen Forschungsbereichs gewinnt
an Fahrt und dient auch dem Interesse, in Zeiten immer größerer Informationsflüsse und unüberschaubarer Prozesse der Verunsicherung der Menschen entgegen zu wirken. Eine verstärkte
Zusammenarbeit ermöglicht den Museen, neue Themen aufzugreifen, aufzubereiten und professionell zu vermitteln. Sie können die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart bauen, auch als Archiv der Sachkultur.
Forschungseinrichtungen und Einrichtungen der Forschungsvermittlung wie Museen können partnerschaftlich ihr
Bemühen um Popularisierung und »Volksbildung« synergetisch
steigern, das Neue, das Spannende, die Entdeckung nach außen
tragen, vermitteln und so allen die Reise in neue Welten ermöglichen und erleichtern.
f
W IS SE N S CH A F T
61
ZUKUNFT
Die deutsche Hochschule muss sich
mehr am Modell einer exzellenten Universität
orientieren, um besser zu werden.
»Globalität in der Wissenschaft heißt zuallererst
Austausch. Die technische
Entwicklung der letzten
20 Jahre hat hierbei nun
für einen enormen Sprung
gesorgt.«
PRO F. DR . GR E G O R VO GT- SPIR A
GE N E R A L SE K R E TÄ R DE R V I L L A V IG O N I
p Die Universität ist nicht selten Vorreiter. Das gilt z. B. für die
sogenannte Globalisierung, in deren Folge derzeit viel über die
Errichtung transnationaler Governance-Strukturen diskutiert
wird. Die Universität hat solche Strukturen bereits: Globalität gehört genuin zu ihr, die Welt der Wissenschaft ist eine! Die universitas, die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, hat
noch nie an nationalen Grenzen halt gemacht – weder bei den
Scholaren des Mittelalters noch in der Universität des 19. und 20.
Jahrhunderts – und die der humboldtschen Reform zugrundeliegende Idee, die als Aufgabe von Wissenschaft bestimmt, das
Denkbare zu erkunden, macht deutlich, warum das auch heute
so ist.
Globalität in der Wissenschaft heißt zuallererst Austausch.
Die technische Entwicklung der letzten 20 Jahre hat hierbei nun
für einen enormen Sprung gesorgt: Netzwerkbildung konnte
sich noch nie so schnell, so umfassend und in solcher Reichweite
vollziehen. Damit entsteht für die Universitäten eine neue Situation: Sie treten in anderer Weise als zuvor in einen globalen Wettbewerb. Und da exzellente Köpfe bevorzugt dahin gehen, wo sie
andere exzellente Köpfe treffen können, hat jede eine Chance,
die sich attraktiv zu machen versteht. Indes, die internationale
Beweglichkeit der Forschenden wie Studierenden bedarf adäquater Strukturen in der Universität selbst, die finanziell und rechtlich landesspezifischen Regulierungen unterliegt. Hier liegt
eine der entscheidenden Zukunftsaufgaben.
62 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
Die Internationalisierung kann daher vorerst schrittweise
erfolgen. Ein erster Schritt sollte sich neben allen weiterreichenden Vernetzungen auf das großartige Projekt des europäischen
Hochschulraums konzentrieren und tragfähige Netzwerke einrichten, die auch Studienprogramme umfassen. Denn Europa ist
zunächst einmal die wichtigste Orientierung außerhalb der nationalen Grenzen, und die kreative Vielfalt, die es durch das kompetitive Nebeneinander hochentwickelter Kulturen auf engstem
Raum bietet, lässt sich als »Standortvorteil« im globalen Wettbewerb nutzen. Die Mobilitätsprogramme sind »humboldtfähig«zu
machen!
Internationale Ausrichtung indes kann sich auch noch weitere Formen suchen. Eine solche wäre die Einrichtung internationaler Kollegs. Denn da nichts die persönliche Begegnung und
das Gespräch zu ersetzen vermag, kann die Schaffung solcher
Orte mit hoher Anziehungskraft in besonderem Maße die humboldtsche Gründungsidee realisieren.
f
ZU K U N F T
63
»Was also sind für mich
die Merkmale exzellenter
Universitäten?
Ich nenne zehn.«
PROF. DR . A N DR E A S FIS CHE R
R E K T OR DE R U N I V E R SI TÄT ZÜ R ICH
p Ich bin gebeten worden, bei meinen Überlegungen zur Zukunft der Humboldt-Universität vom Satz auszugehen: »Die
deutsche Hochschule muss sich mehr am Modell einer exzellenten Universität orientieren, um besser zu werden.« Dieser Satz
setzt voraus, dass wir wissen, was eine exzellente Universität ist.
Ich will mich hier nicht auf Definitionsversuche einlassen, sondern blicke auf englische und amerikanische Universitäten, deren Exzellenz weltweit anerkannt ist und auch durch objektivierte Rankings immer wieder bestätigt wird; als Beispiele seien
Oxford oder Cambridge, Harvard oder Yale genannt. Ich weiß
jedoch sehr wohl, dass sich einige der nachfolgend genannten
Charakteristika nur schwer auf deutsche oder schweizerische
Universitäten übertragen lassen, meine also nicht, dass sich
etwa Oxford tel quel nach Berlin verpflanzen ließe.
Was also sind für mich die Merkmale exzellenter Universitäten? Ich nenne zehn. (1) Sie sind sich ihrer Geschichte bewusst
und sind im guten Sinn traditionsverbunden; sie sind aber auch
offen für Neues. (2) Sie sind frei, das heißt – innerhalb bestimmter Grenzen natürlich – selbstorganisiert und selbstbestimmt. (3)
Sie sind von Akademikern geleitet, die aus eigener Erfahrung
wissen, wie eine Universität funktioniert, die aber auch Führungs- und Managementqualitäten haben. (4) Sie sind gut finanziert und können über den Einsatz ihrer finanziellen Mittel
64 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
BILDUNG
Bildung für alle. Elite oder Masse?
Studienplätze müssen limitiert werden.
DR . H . C . HE IK E S CH MO L L
JOU R N A L IS T I N , FR A N K FU R T E R A L LGE ME I N E ZE I T U N G
selbstständig entscheiden. (5) Sie sind forschungsorientiert und
wissen, was Qualität der Forschung bedeutet: Die dort Lehrenden gehören als Forscher zu den Besten in ihrer jeweiligen Disziplin. (6) Sie wählen sich ihre Studierenden selbst aus. (7) Sie
sorgen dafür, dass diese Studierenden in kleinen Gruppen persönlich betreut und während des ganzen Studiums gefördert
und gefordert werden. (8) Sie lassen dem Individuum viel freien
Raum und akzeptieren auch Unbequeme und Querdenker. (9)
Sie vermitteln allen Angehörigen, Studierenden und Dozierenden ein Gefühl des Stolzes, gerade dieser Universität – und keiner anderen – anzugehören. Das Zusammengehörigkeitsgefühl
ist groß und manifestiert sich auch äußerlich. (10) Sie haben eine
gut entwickelte Alumni-Kultur. Alumni sind nicht einfach »Ehemalige«, sondern tragen ihrerseits, beispielsweise mit Spenden,
zum weiteren Gedeihen ihrer Alma Mater bei.
f
p Bildung für alle oder Aufstieg durch Bildung sind die Parolen, die so populär wie ausgehöhlt erscheinen. Die großen Städte
wie Berlin und Hamburg zeigen, dass es statt Bildung für alle
längst eine Zweiklassenbildung des öffentlichen und privaten
Segments gibt und sich die Unterschiede verschärfen werden.
Denn die bürgerliche Mittelschicht tendiert dazu, aus dem öffentlichen Bildungssystem und der deutschen Sprachwelt auszusteigen, während die sogenannten bildungsfernen Schichten,
womöglich mit Migrationshintergrund, versuchen, Mindeststandards und Mindestkommunikation in einer Sprache zu erreichen, an der vielen Einheimischen wenig zu liegen scheint.
Auch in einigen Wissenschaften verschärft der Abschied vom
Deutschen als Wissenschaftssprache die Kluft zwischen Forschung und Gesellschaft und stellt die Frage nach der Expertokratie statt Demokratie.
Die meisten bildungspolitischen Akteure sind vorsichtshalber dazu übergegangen, Bildung nicht als Persönlichkeitsbildung und Teilhabe am Gemeinwesen, sondern Ausbildung auszulegen. Aber Bildung beginnt da, wo Individuen positive Bilder
von sich selbst entwickeln und handlungsfähig gemacht werden,
weil sie das Lernen des Lernens beherrschen. Schon daran scheitern viele. Bildung beginnt nicht erst bei der hypertrophen Vorstellung der höheren Bildung oder gar Elitebildung. Deshalb ist
Elite-Bildung ohne Massenbildung auch gar nicht denkbar, es
handelt sich nicht um einen Gegensatz, sondern um ein komplementäres Verhältnis. Wer glaubt, Elitenbildung ohne Breitenbildung haben zu können, macht sich etwas vor, er entzieht den
Eliten den Nährboden. Wilhelm von Humboldt selbst war das
klar. Sein Schulmodell einer interkulturellen Erziehung unter
Einschluss aller ethnischen und religiösen Minderheiten verwirklicht das Ziel einer Bildung für alle als erstes Bürgerrecht.
Humboldts Ideal, die »höchste und proportionierlichste Bildung der Kräfte zu einem Ganzen«, ist nur unter der Bedingung
der Freiheit zu erreichen. Insofern wäre es fatal, elementare Freiheiten durch Beschränkung von Studienplätzen zu beschneiden.
Vermassung durch Unterfinanzierung ist mit massiver Unfreiheit verbunden, die engen Korsette der Kreditpunkte eines konsekutiven Studienmodells auch.
In weniger als einer Generation wird sich zeigen, wie sich
das Berufs- und Persönlichkeitsbild des Hochschullehrers wandelt, wissenschaftlicher Nachwuchs von anderen Voraussetzungen aus denken wird, der Ort von Wissenschaft in der Universität neu definiert werden muss. Wer in solchen Umbruchzeiten
den institutionellen Machtinteressen freien Lauf lässt und experimentelle Spielräume liquidiert, der erweist Wissenschaft und
Gesellschaft einen Bärendienst. Individuelle Entwicklungen
brauchen Raum und Zeit. Kreativität lässt sich nicht im Zeittakt
oder nach Plan entwickeln. So richtig es ist, die immer schon
vorhandenen Qualitätsunterschiede zwischen Universitäten
auch sichtbar zu machen, so falsch ist es, die Förderung der
»Leuchttürme« mit der Vernachlässigung der anderen Universitäten zu erkaufen. Es könnte sonst leicht sein, dass bald keine
wetterfesten Schiffe mehr verkehren, denen die Leuchttürme
leuchten könnten.
f
BI L DU N G
65
PROF. DR . HE I N Z - E L M A R T E N OR T H
E R Z IE HU N GS W IS SE N S CH A F T L E R
p Natürlich »Bildung für alle«, und ohne Frage, auch »Elite«
ist ein legitimes Thema von Bildungspolitik und -reflexion. Dafür spricht schon die Tradition des Bildungskonzepts selbst;
denn »Bildung« hat mehr als eine Dimension.
Erwartbarkeit des Verhaltens für andere, also im »Umgang
mit Menschen«, zu sichern, das bedeutete Bildung seit der Aufklärung zuerst und das ist – als Fähigkeit zur Teilhabe an Gesellschaft und Kultur – auch heute der primäre Sinn allgemeiner
Bildung.
Differenz wird in diesem Prozess individuell und gesellschaftlich erzeugt, zum einen durch die Aktivität der Individuen
selbst, ihre Fähigkeiten und Interessen, ihre Anstrengungsbereitschaft und ihre Lernstrategien – diese Art selbsterzeugter
Ungleichheit kann man nicht vermeiden, Bildungsprozesse haben ihre individuelle Logik, selbst gegen Gewalt relativ resistent
und tolerant gegen Etikettierungen wie »Elite« oder »Masse«.
Gesellschaftlich wird Differenz ebenfalls erzeugt: z. B. durch
Zugangsregeln zu Bildungsprozessen, durch das Angebot an
Lernmöglichkeiten und durch die Verbindung von Ausbildung,
Zertifi kat und Beruf – hier existieren natürlich Gestaltungsspielräume. Aber Gleichheit kann hier nur bedeuten, dass der
Zugang so weit offen ist, dass man sich am Wettbewerb beteiligt, Zielgleichheit ist ausgeschlossen; es gibt weder ein Menschenrecht aufs Abitur noch auf den Zugang zu allen Studien-
66 WA S – GRÜ N DU N GSIDE E N
»Erwartbarkeit
des Verhaltens für
andere, also im
›Umgang mit Menschen‹, zu sichern,
das bedeutete
Bildung seit der
Auf klärung zuerst
und das ist auch
heute der primäre
Sinn allgemeiner
Bildung.«
gängen oder in beliebige Berufskarrieren. Es gibt auch kein
Recht auf eine beliebige Ausweitung von Studienplätzen oder
auf eine Akademisierung aller möglichen Ausbildungsgänge.
Hier regieren Leistung und Wettbewerb, Verfügbarkeit von Ressourcen für die Angebotsstruktur, Prüfungen und Auswahlverfahren bei der Rekrutierung, Gleichheit besteht nur in der Teilnahme am concours.
Wo dann die Eliten bleiben oder die Exzellenz? Dort, wo
man sie sucht und identifiziert – z. B. im Kontext von Macht,
Geist, Arbeit. Universitäten sind hoffentlich Orte, die Elitenbildung nicht verhindern, man sollte aber schon froh sein, wenn sie
exzellente Ausbildung bieten.
f
BI L DU N G
67
Wohin wir gehen.
Drei Autoren denken über die
Zukunft der Universität nach.
68 WOHI N
69
TO WHOM
ARE YOU WRITING?
PROF. DR . DR . H . C . CHR IS T OPH M A R K S CHIE S
PR Ä SIDE N T DE R HU MB O L D T- U N I V E R SI TÄT ZU BE R L I N
HIN
70 WOHI N
p Die Universität zu Cambridge ist anlässlich ihres 800-jährigen Jubiläums in diesem Jahr auf die liebenswürdige Idee gekommen, 800 Rektoren und Präsidenten auf der ganzen weiten
Welt zu bitten, handschriftlich einen Brief aufzusetzen und zu
versiegeln, den die altehrwürdige Einrichtung exakt hundert
Jahre auf bewahrt und dann dem Adressaten zustellen wird.
Auf der ersten Textseite der Broschüre, der den potentiellen
Autoren die Prozedur erklärt, wird die Schlüsselfrage gestellt:
»To whom are you writing?«. Zur Auswahl werden angeboten:
der Nachfolger, ein künftiger Gegenspieler, der Premierminister. Natürlich: Einen Bundeskanzler wird es in hundert Jahren
immer noch geben, fraglich ist heute nur, wie viel er in einem
zusammenwachsenden Europa dann noch zu sagen hat. Aber
soll ich wirklich dem künftigen Bundeskanzler, der künftigen
Bundeskanzlerin schreiben? Er oder sie wird die Humboldt-Universität nicht durch die Zeiten bringen können.
Gut, beginnen wir also: »Mein verehrter, lieber Nachfolger«.
Aber wird es in hundert Jahren immer noch einen Präsidenten
der Humboldt-Universität und seinen Gegenspieler, den Präsidenten der Freien Universität, geben? Die auf Ewigkeit gestellte
Situation der zuerst geteilten, dann wiedervereinigten Stadt:
zwei Universitäten im ewigen Nebeneinander von Kooperation
und Wettbewerb, mal die eine, mal die andere vorn? Und müssen
wir uns dann beide immer noch von der Politik genehmigen lassen, wie viele Studierende wir zuzulassen haben? Sind wir immer noch in großen Teilen abhängig von dem desaströsen Berliner Haushalt und den grotesken »Strukturplänen«, die den Lehrstuhl Byzantinistik römisch drei auf halbe Ewigkeit zementieren, ganz gleich, wie das Fach sich entwickelt? Sind unsere Uni-
versitäten dann immer noch so deutsch, wie sie heute deutsch
sind, ganz im Unterschied zur eingangs erwähnten altehrwürdigen englischen Universität, die inzwischen längst wieder wie zu
ihren Gründungszeiten Menschen aller nationes und nun auch
Nationalitäten als Studierende und Dozierende anzieht?
Ich weiß noch nicht ganz genau, an wen ich den Cambridger
Jubiläumsbrief adressieren soll. Aber ich weiß eigentlich recht
genau, was ich schreiben werde: Zukunft wird allzumal in einer
globalisierten Welt von Determinanten bestimmt, auf die wir
alle keinen oder nur verschwindend geringen Einfluss haben.
Das wissen wir aus der teilweise schrecklichen Geschichte unserer Universität im zwanzigsten Jahrhundert ganz genau. Aber
die ganze 200-jährige Geschichte bietet auch diverse Beispiele
dafür, dass auch unter schwierigsten Bedingungen hinreißende
Lehre und maßstabssetzende Forschung gelingen kann. Ich hoffe, dass sich die Humboldt-Universität im nächsten Jahrhundert
noch mehr an Alexander von Humboldt orientiert. Aus dem
schwierigen akademischen Alltag der Bolognareform auf bricht
zu einer Lehre, die wieder Stadtgespräch wird wie seine KosmosVorlesungen, im Blick auf ihre Dozenten und Studierenden so
kosmopolitisch zusammengesetzt ist, wie er gelebt hat und mit
ihrer Forschung die engen Grenzen von disziplinären Strukturen, Weltanschauungen und Schultraditionen so transzendiert,
wie er es tat.
f
71
»Wer heute für die Marktwirtschaft ficht, argumentiert nicht mehr mit Adam
Smith. Verteidiger der
Evolutionslehre schlagen
nicht mehr in Darwins
Originaltexten nach.«
FALSCHES
VORBILD
M A R T I N SPIE WA K
JOU R N A L IS T, DIE Z E I T
W I L HE L M VO N HU MB O L DT GI LT A L S E R FI N DE R DE R U N I V E R SI TÄT – ZU U N R E CH T. A BE R I N K R ISE N U N D PRO T E S T Z E I T E N
MUSS E R W IE DE R M A L A L S P OPS TA R DE R BI L DU N G HE R H A LT E N
p Es wird viel gestorben an deutschen Universitäten. Der Tote
ist stets derselbe: Wilhelm von Humboldt und »seine« Universität. Physisch tot ist der Gelehrte seit Langem, nämlich seit dem
8. April 1835. Normalerweise schrumpft eine Erinnerungsgemeinde mit dem Abstand zum Sterbedatum. Nur bei Religionsstiftern ist das anders – und bei Humboldt. Je länger der echte
Humboldt unter der Erde liegt, desto größer wird die Zahl der
Trauernden. In den nächsten Monaten werden die Kränze noch
prächtiger, die Wehklagen noch lauter sein. Denn es jährt sich
im Juli zum 200. Mal das Datum, an dem Wilhelm von Humboldt »An des Königs Majestät« seinen »Antrag auf Errichtung
der Universität Berlin« stellte und danach jene Hochschule gegründet wurde, die heute Humboldts Namen trägt. Andächtig
wird man um sein Grab herum stehen und mit Wehmut die große Geschichte der deutschen Universität beschwören.
Sie geht in Kurzform so: Wir schreiben das Jahr 1809. Preußen liegt am Boden, die Universitäten sind in einem lamentablen Zustand. Da lässt der König einen Gelehrten an die Spitze
des Kultusministeriums berufen, der selbst nie eine Schule besucht und das eigene Studium schon nach vier Semestern geschmissen hatte: Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835), damals 41
Jahre alt. Nur 13 Monate hält es der Geheime Staatsrat in dem
Ressort aus. Doch diese knappe Zeitspanne genügt ihm, mit der
Gründung der Berliner Hochschule der modernen Universität
ihre Gestalt zu geben.
Seite an Seite gehen Professoren und Studenten darin ihren
Forschungsinteressen nach. Weder staatliche Interventionen
noch kurzfristige Nützlichkeitserwägungen behindern sie in ihrem Streben nach der Wahrheit. Denn Bildung, nicht Ausbildung ist das Ziel des Studiums. Das Ergebnis: durch Wissenschaft gereifte Persönlichkeiten.
Rasch verbreiten sich diese Prinzipien, erst in den preußischen Universitäten, später in der Welt, und begründen die Leis-
72 WOHI N
tungskraft der deutschen Wissenschaft. Zwei Jahrhunderte
lang trotzt die Humboldtsche Universität allen Herausforderungen: dem Aufstieg der modernen Naturwissenschaften, der Barbarei des Nationalsozialismus, der modernen Massenuniversität. Aber heute machen Politiker und Hochschulbürokraten
dem Humboldtschen Geniestreich den Garaus. Der Totengräber
heißt Bologna.
Genau vor zehn Jahren, am 19. Juni 1999, haben 29 europäische Bildungsminister im italienischen Bologna eine Erklärung unterzeichnet, deren Ziel die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums mit vergleichbaren Hochschulabschlüssen bis 2010 ist. Gegen die Folgen dieses Beschlusses, gegen die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, gegen die Verschulung des Studiums, gegen Studiengebühren richtet sich der »Bildungsstreik«, den Schüler und
Studenten im Sommer 2009 als bundesweite Protestplattform
organisiert haben.
Humboldt wurde für solche Zustände ebenso wenig zur Verantwortung gezogen, wie er bis dahin für den Ruhm der deutschen Hochschulen haftbar gemacht worden war. Das änderte
sich Anfang des 20. Jahrhunderts. Fast 100 Jahre nach ihrer Entstehung entdeckte man damals Humboldts Schrift Ȇber die
innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen
Anstalten in Berlin«. Ein Biograf hatte das vergessene Manuskript in den 1890er Jahren in einem Archiv gefunden. Erstmals
1903 wird es vollständig veröffentlicht. In einem nur zehn Seiten
langen Fragment sahen Zeitgenossen all das beschrieben, was
sie sich für ihre Hochschule ersehnten: Staatsferne und Elitedenken sowie die Einheit der Wissenschaften, die sich mittlerweile in viele Einzeldisziplinen ausdifferenziert hatten. Nachträglich, als Akt erfundener Tradition also, wurde Humboldts
Texttorso nun zum programmatischen Gründungsmanifest erst
der Berliner Universität, dann der deutschen Universität erklärt
– und der preußische Gelehrte zum Schutzheiligen der deutschen Professoren erhoben. Von nun an wurde jede Reform an
ihm gemessen, fragte man sich bei jeder Neuerung: Was hätte
Humboldt dazu gesagt?
In der Regel waren es nicht Historiker, sondern Geisteswissenschaftler anderer Fächer, die sich als Humboldt-Interpreten
hervortaten. Typisch für die Zeit sprach der Orientalist und Weimarer Kultusminister Carl Heinrich Becker der Humboldtschen
Universitätsidee eine ewige, fast heilige Gültigkeit zu. »Vom Wesen der deutschen Universität kann man nur mit ehrfürchtiger
Scheu sprechen«, schrieb Becker. Sie verfolge ein »selbstloses
und zweckloses Suchen«, das letztlich im »deutschen Wesen«
wurzle.
Aber auch für andere Zwecke ließ sich Humboldt einspannen. So begründete der erste Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute Max-Planck-Gesellschaft), Adolf von Harnack,
die Notwendigkeit, neben den Universitäten reine Forschungseinrichtungen ohne Studenten zu gründen, ausgerechnet mit
Humboldts Manuskript. An einer Stelle ist darin die Rede von
universitätsunabhängigen »Instituten«.
Nach dem Ende des Naziregimes berief sich die Wissenschaftspolitik in beiden deutschen Staaten wieder auf den preußischen Adligen. Die DDR machte ihn zum Symbol eines sozialistischen Humanismus. In der Bundesrepublik benutzte man
den Mythos Humboldt »als Alibi des Wiederauf baus der Ordinarienuniversität«, meint der Historiker Mitchell G. Ash – man
drückte sich damit vor Aufarbeitung des eigenen Versagens im
Nationalsozialismus.
Heute wird Humboldt vor allem gegen die Bologna-Reform
in Stellung gebracht, die Umstellung auf das Bachelor- und Masterstudium. Im angeblich völlig verschulten Bachelorstudium
habe das forschende Lernen keinen Platz mehr, sei die Diskursgemeinschaft von Professoren und Studenten unmöglich. Doch
diese Gemeinschaft war auch vor hundert Jahren keinesfalls die
Regel. Unter den Bedingungen der Massenuniversität hat es sie
allenfalls in Ausnahmefällen gegeben.
Wie früher wettert man mit Humboldt gegen die Vermassung der Universitäten, das Spezialistentum im Studium oder
gegen den Versuch, den Studenten (auch) berufstaugliche Kenntnisse zu vermitteln. Schon damals waren solche Argumente elitär und rückwärtsgewandt. Heute sind sie völlig fehl am Platz.
Wenn knapp 40 Prozent eines Jahrgangs studieren, muss das
Bildungskonzept ein anderes sein als in Zeiten, in denen nicht
einmal einer von hundert die Universität besuchte. Die überwältigende Mehrheit der Studenten will nicht Professor werden,
sondern sucht – wie früher auch – eine akademische Ausbildung
für einen anspruchsvollen Beruf in einem Unternehmen, in
Krankenhaus, Schule oder Amtsstube.
Wer heute für die Marktwirtschaft ficht, argumentiert nicht
mehr mit Adam Smith. Verteidiger der Evolutionslehre schlagen
nicht mehr in Darwins Originaltexten nach. Warum aber rufen
Professoren, die von Berufs wegen für das Neue offen sein müssen, ausgerechnet einen Denker des vorletzten Jahrhunderts
zum Zeugen an, wenn sie heute für eine gute Universität kämpfen? Humboldt ist tot – das stimmt seit Langem. Beim 100. Jubiläum seiner Universität versuchte man, ihn wiederauferstehen
zu lassen. Vielleicht gelingt es zum 200. Jahrestag, dem Mythos
Humboldt endlich seine ewige Ruhe zu schenken.
f
73
EUROPÄISCHE
UNIVERSITÄTEN IM
21. JAHRHUNDERT
PRO F. DR . GE O R G W I N CK L E R
R E K T OR DE R U N I V E R SI TÄT W IE N
p Warum sind die Bemühungen so intensiv, in Europa eine
abgestimmte Studienlandschaft zu schaffen (Bologna-Prozess)?
Einerseits gilt es, nationale Fragmentierungen als Folge der Geschichte der letzten 200 bis 220 Jahre zu überwinden, denn die
europaweite Mobilität der Forscher und Studierenden ist zu verstärken. Andererseits sind die Studienangebote in Hinblick auf
die hohen Studierendenzahlen und die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt auszudifferenzieren. Beides soll durch die Einführung einer gemeinsamen dreistufigen Studienarchitektur,
also durch einen Rückgriff auf eine alte Tradition, gelingen.
Zur Erinnerung: Das britische System ist teilweise noch
heute dem mittelalterlichen College-System verbunden. Deutlich wird dieses mittelalterliche Erbe im amerikanischen System, das dem britischen Beispiel folgte. Im College wird die Tradition der früheren Artistenfakultät fortgesetzt. Es geht um die
Vermittlung von Allgemeinbildung, auch darum, die Studenten
im Geiste des Humanismus zu erziehen. In den »professional
schools« wiederum wird nicht die wissenschaftliche Wahrheit
gesucht. Vielmehr werden Theologen, Juristen oder Mediziner
(im Anschluss an diese drei klassischen Fakultäten der mittelalterlichen Fakultät) ausgebildet. Selbstverständlich kamen in der
modernen Welt weitere »professional schools« hinzu: Business
School, School of Journalism und anderes mehr.
74 WOHI N
Das Universitätssystem in Frankreich erfuhr während der
Revolutionsjahre ab 1791 und in der anschließenden napoleonischen Ära eine einschneidende Zäsur. Die Universitäten, die es
damals versäumten, naturwissenschaftliche oder technische
Studien zu betreiben, wurden im Namen des Fortschritts geschlossen und durch »écoles spéciales« (die heutigen »grandes
écoles«) ersetzt. In diesen wurden und werden die Staatskader so
ausgebildet, dass sie dem Staat nützen. Die verbleibenden französischen Universitäten erfuhren damals einen Bedeutungsverlust, der bis heute nachwirkt.
Gegen diese Nützlichkeit der Ausbildung in den »écoles spéciales« wandten sich Anfang des 19. Jahrhunderts Humboldt
und andere. Die universitas litterarum, die Forschungsuniversität, trat an die Stelle der universitas magistrorum et scholarium.
Die neue Universität sollte Meta-Subjekt des spekulativen Geistes sein. Die Suche nach der Wahrheit, nicht die Nützlichkeit
wurde die zentrale Idee der Universität. Folgerichtig wurden die
Bakkelaureats- und Magisterstudien abgeschafft, nur das Doktoratsstudium blieb. Erst später, nicht zuletzt während der NaziZeit, kamen in Deutschland Diplomstudien hinzu.
Alle drei Systeme, das mittelalterlich britische, das dem
Staatsnutzen verpflichtete französische wie die deutsche Idee der
Forschungsuniversität, eignen sich nur wenig, Antworten auf die
vielfältigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu finden.
Den ersten beiden Systemen fehlt das Element der Forschung
und der über die Forschung erzielten Innovation. Das Humboldtsche System mit Doktoratsstudien und langen Diplomstudien
kann nicht die zunehmend differenzierten Studienwünsche der
weiter wachsenden Studierendenpopulation befriedigen. Zudem
verhinderte das Humboldtsche System eine Ausdifferenzierung
der Universitätslandschaft: Alle Universitäten wollen der Idee der
»reinen« Forschungsuniversität folgen. Erst die Einrichtung von
Fachhochschulen wirkte differenzierend.
Offenbar wird die Zukunft am besten mit hybriden Systemen wie in den USA gemeistert. Dort übernahm am Ende des
19. Jahrhunderts die Johns Hopkins University als erste in den
USA die Humboldtsche Idee einer stark an Forschung ausgerichteten Universität mit der Einführung eines eigenen PhD-Studiums. Dennoch blieb das Angebot an traditionellen Bachelor- und
Masterstudien voll erhalten. Unter den rund 4.000 amerikanischen Hochschuleinrichtungen, die alle heute noch der traditionellen college education eng verbunden sind, existieren nur 250
bis 300 PhD granting institutions. So entstand ein hybrides System: Auf der Basis der mittelalterlichen College- und Professio-
»Auf der Basis der
mittelalterlichen
College- und Professional-SchoolTradition wurden
PhD-Studien in
einigen Universitäten eingerichtet.
Dieses hybride System macht die
amerikanischen
Universitäten heute
wettbewerbsstark.«
nal-School-Tradition wurden PhD-Studien in einigen Universitäten eingerichtet. Dieses hybride System macht die amerikanischen Universitäten heute wettbewerbsstark.
Nach Dahrendorf sollen Universitäten forschungsorientiert
und innovativ sein, Offenheit für die Welt zeigen, Reichweite besitzen und sich mit Angelegenheiten des öffentlichen Interesses
auseinandersetzen. All dies können die europäischen Universitäten verwirklichen, wenn sie einen abgestimmten Hochschulraum schaffen, in dem über Wettbewerb jene Differenzierung
und Dynamik entsteht, die leistungsfähige Universitäten im
21. Jahrhundert benötigen.
f
75
INTERNATIONALISIERUNG
A LA HUMBOLDT
p An der Humboldt-Universität zu Berlin hat Internationalität
eine lange Tradition – die nicht zuletzt auf Alexander von Humboldt zurückgeht – und wird bewusst nicht pro forma abgehandelt, sondern mit Leben gefüllt. Hinter über 400 Partnerschaftsverträgen mit Universitäten weltweit verbergen sich unzählige
Projekte, die sich in drei Bereichen niederschlagen: In der Forschung knüpfen Wissenschaftler Netzwerke mit internationalen
Kolleginnen und Kollegen und fördern damit nicht nur die Wissenschaft, sondern befruchten auch die Lehre. Im Studium gibt
es Austauschprogramme, bei denen HU-Studierende ein oder
zwei Semester im Ausland absolvieren und umgekehrt Studierende aus aller Welt in Berlin willkommen geheißen werden.
Und in Berlin prägt die Humboldt-Universität den internationalen Charakter der Stadt aktiv mit. Jeder Humboldtianer kann international sein – es gibt genügend spannende Initiativen für
alle, die sich engagieren möchten.
FORSCHUNG UND LEHRE
200 Jahre nach Alexander von Humboldts Reise bricht das Präsidium der Humboldt-Universität in die Neue Welt Lateinamerikas auf, um die Wissenschaftsbeziehungen zur Iberoamerikani-
76 WOHI N
schen Welt neu zu beleben. Das Jubiläum der Humboldt-Universität überschneidet sich mit der Zweihundertjahrfeier der Unabhängigkeit wichtiger Lateinamerikanischer Staaten, denn Humboldts wissenschaftliche Reise hatte auch politisch emanzipatorische Auswirkungen. Die Humboldt-Universität hat deshalb in
Lateinamerika nicht nur einen außerordentlich hohen historischen Symbolwert; im Zeichen Humboldts steht sie auch für ein
modernes integratives Wissenskonzept der Verbindung von
Geistes- und Naturwissenschaften, das in Zukunft immer mehr
Bedeutung erlangen wird. In diesem Sinne geht es bei der Intensivierung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Humboldt-Universität, die sich vor allem auf die Länder Kuba, Mexiko, Chile und Argentinien und deren bedeutende Universitäten
konzentriert, um den Auf bau von langfristigen engen Kooperationsstrukturen unter Ausnutzung aller moderner im 21. Jahrhundert zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel.
Modellhaft dafür kann der Auf bau eines deutsch-argentinischen Masterprogramms der Humboldt-Universität an der Universidad de Buenos Aires stehen, das sich programmatisch der
interdisziplinären Gestaltung des Wissens widmet und im August 2010 beginnen soll.
77
»Es geht um den Auf bau
langfristiger enger
Kooperationsstrukturen
unter Ausnutzung aller
im 21. Jahrhundert zur
Verfügung stehenden
Kommunikationsmittel.«
STUDIERENDENAUSTAUSCH
Die Möglichkeit, während des Studiums ins Ausland zu gehen,
wird jährlich von über tausend Studierenden der HU wahrgenommen. Das Erlebnis beschreibt ein Theologiestudent, der
2008 in Südafrika studierte: Mein Studienaufenthalt in Südafrika
wurde ermöglicht durch einen Fakultätspartnerschaftsvertrag zwischen den Theologischen Fakultäten der HU und der Universiteit
Stellenbosch. Auch ohne Theologie zu studieren ist ein Studienaufenthalt in Stellenbosch in jedem Fall ein bereicherndes Erlebnis. Das
Land hat eine sehr bewegte Geschichte und Gegenwart, die bei aller
Gebrochenheit und bei allen Schwierigkeiten eine große Auf bruchsstimmung und Dynamik kennt, nachdem der Schrecken der Apartheid abgeschüttelt wurde. Südafrika ermöglicht einen Perspektivenwechsel auch im Blick auf die eigene Lebenssituation und vielleicht
stimmt trotz aller Erfahrungen und Eindrücke am Ende doch das
alte Dictum, dass der, der in ein anderes Land geht, um es kennen zu
lernen, am Ende am meisten über das eigene gelernt hat.
Ebenso kommen jedes Jahr Studierende aus aller Welt nach
Berlin, um an der HU zu studieren. Eine Studierende aus England, die 2008 an einem Austauschprogramm teilnahm, schreibt
darüber: Ich bereue es nicht, dass ich die Gelegenheit genutzt habe,
78 WOHI N
INTERNATIONAL@HOME
während meines Studiums ins Ausland zu gehen. Vor allem habe ich
Glück gehabt, dass ich nach Berlin gekommen bin, denn es ist die
ideale Stadt zum Studieren: Man kann ohne große Kosten viel unternehmen und erleben – das ist ein wichtiger Unterschied zu meiner
Heimatuniversität. Auch wenn es nicht immer leicht war, sich in einem anderen Land, in einer fremden Sprache und an einer ganz anderen Uni zurechtzufinden, habe ich nicht nur in meinem Studienfach viel gelernt. Es ist natürlich für mein späteres Berufsleben gut,
dass ich Auslandserfahrungen gesammelt habe und fließend eine weitere europäische Sprache spreche. Aber auch mir persönlich hat es viel
gebracht, allein schon, weil ich gelernt habe, wie ich auch in einem
wenig vertrauten Umfeld gut zurecht komme und dass eine andere
Sprache mich nicht davon abhält, enge Freundschaften zu knüpfen.
An einer Universität muss man nicht ins Ausland gehen, um international zu sein – es gibt viele Projekte, die auf das direkte
Umfeld konzentriert sind. Diese »Internationalität zu Hause«
gibt es auch an unerwarteten Orten. Haben Sie zum Beispiel
schon einmal gehört, dass der Lateinunterricht dabei hilft, interkulturelle Kompetenzen zu schulen? Sicher nicht – bekanntlich
ist Latein ja eine »tote Sprache«. Doch an der Humboldt-Universität zu Berlin arbeiten Professoren mit Schulen gemeinsam daran, die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund
durch den Lateinunterricht zu fördern. Warum ausgerechnet Latein? Nun, so argumentieren Wissenschaftler und Lehrer, der
Lateinunterricht schult auf verschiedenen Ebenen. Als Reflexionssprache leistet er einerseits einen spezifischen Beitrag zur
Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten: Beim Übersetzen lateinischer Texte verbessern die Schülerinnen und Schüler die Ausdrucksfähigkeit in der deutschen Sprache und entwickeln ihre
Lesekompetenz, denn sie lernen, genau hinzusehen, geeignete
Wörter zu suchen, sie kritisch zu prüfen und kreativ anzuwenden. Andererseits bedeutet der Lateinunterricht die gezielte Auseinandersetzung zwischen Vertrautem und Fremdem. Um die
Verständigung zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund zu fördern, ist ein solcher Perspektivenwechsel die Voraussetzung zu Identitätsfindung und reflektierter Fremdwahrnehmung.
f
KO N TA K T
DR . E S T HE R VO N R ICH T HO F E N
HU MB O L D T- U N I V E R SI TÄT ZU BE R L I N
A B T E I LU N G I N T E R N AT IO N A L E S
R E GIO N A L R E FE R E N T I N A SIE N
U N T E R DE N L I N DE N 6 , 1 0 0 9 9 BE R L I N
T 030 2093 - 2 4 43
F 030 2093 - 2780
W W W. I N T E R N AT IO N A L . HU - BE R L I N . DE
BI L D : M AT T HI A S HE Y DE (S . 7 7, 7 9)
79
FREIRÄUME
DURCH IHR
ENGAGEMENT
p »Gezielt in innovative Konzepte zur Weiterentwicklung
der Universitäten in Deutschland investieren« – das möchte
Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender Geschäftsführer der Stiftung Mercator und übernimmt die vollständige Finanzierung
der »Humboldt-Streitgespräche« – einer der Höhepunkte zum
200. Geburtstag der Universität.
Der öffentlichen Finanzierung einer Universität sind Grenzen
gesetzt, an die gerade innovative Projekte immer wieder stoßen.
Verschiedene Ziele und Visionen unserer Universität können
mit staat lichen Mitteln allein nicht geschultert, sondern konnten
und können nur mit dem Engagement privater Förderer, verantwortungsbewusster Unternehmer und ehrenamtlicher Unterstützer verwirklicht werden. Denn: »Investitionen in Forschung
und Bildung sind Deutschlands Zukunft«, so der Berliner Appell
des Stifterverbandes, in dem sich führende Unternehmen trotz
der Wirtschaftskrise zur Förderung des Wissenschafts- und Bildungssystems bekennen. In dieser Verantwortung sehen sich
viele Unternehmen, Stiftungen sowie private Förderer und unterstützen das Fundraising der Universität in unzähligen Bereichen: Die Hamburger Hermann Reemtsma Stiftung stellt zur
Renovierung des im Volksmund »Trichinentempel« genannten
Kleinods des Berliner Klassizismus eine Million Euro zur Verfügung. Die Berliner Volksbank unterstützt die Vereinbarkeit von
Elternschaft und wissenschaftlichem Arbeiten, indem sie der
neuen Universitätsbibliothek einen Eltern-Kind-Arbeitsbereich,
die »Berliner Volksbank Kinderstube«, ermöglicht. Der private
Förderer Dr. h. c. Hartwig Piepenbrock spendet anlässlich des
80 WOHI N
200-jährigen Jubiläums für eine Kunstinstallation, die sich kreativ mit dem berühmten Marx-Zitat im Foyer des Hauptgebäudes
Unter den Linden 6 auseinandersetzt. Dies sind nur einige wenige Beispiele, die verdeutlichen, wie das Fundraising dazu beitragen will, das Profi l der Universität und gleichzeitig die Humboldtsche Reputation für exzellente Forschung und Lehre zu
stärken. Darum suchen wir voraus denkende Partner, die unsere
Ideale teilen und unsere Projekte inhaltlich und finanziell fördern. Wir freuen uns über jede Unterstützung. Gestalten Sie mit
uns die Zukunft und fördern Sie den Weg unserer Studierenden
und der Spitzenforschung in das 21. Jahrhundert.
f
SPR E CHE N SIE U N S A N , U N T E R S T Ü T Z E N
SIE DIE U N I V E R SI TÄT MI T IHR E R SPE N DE :
K A R I N A JU N G
M A R I A N A BU L AT Y
R E FE R AT Ö F FE N T L ICHK E I T S A R BE I T,
M A R K E T I N G U N D FU N DR A ISI N G
T 0 3 0 2 0 93 - 2 83 8/2 1 4 7
F 030 2093 - 2372
FU N DR A ISI N G @U V. HU - BE R L I N . DE
W W W. HU - BE R L I N . DE/ F OE R DE R N
BI L D : FE L I X S CHU M A N N (S . 8 1 - 83)
81
Humboldt-Universität is
celebrating its 200th anniversary.
This broshure offers an insight
into “The modern classic” and
its task for the anniversary year.
PLACE
FOR
DEBATES
PR O F. D R . D R . H . C . C H R IS T O PH M A R K S CH I E S
PR E SI D E N T O F T H E H U M B O L D T- U N I V E R SI TÄ T
Z U BE R L I N
the issue of what future the model that we
ried like a stranger through the sacred halls
link with the name ”Humboldt“ actually
at Unter den Linden. For I was not exclusive-
(still) has in a globalised world.
ly enrolled in the Humboldt educational en-
THE MODERN
CLASSIC
schools. The Humboldt’s teaching and re-
The early Nobel Prize winners became
search profi le covers all the essential disci-
role models for current generations of aca-
plines in humanities, social and cultural
demics as the numerous Leibniz awards for
sciences, human medicine, agricultural sci-
scientists at the Humboldt-Universität zu
In my opinion, it is precisely here – con-
terprise, but had long since committed my-
tributions to debates beyond the formulaic
self to the vanity business of radio and tele-
ences as well as mathematics and natural
Berlin show. The university is especially
phrases that nobody can bear to hear any-
vision. Assiduous studies certainly look dif-
sciences. At present, 34,000 young people
committed to promoting young academics:
more – where this jubilee magazine has suc-
ferently! But it testifies to your greatness and
are studying in the departments and insti-
from early on, excellent young scientists are
ceeded. Throughout its history, the Hum-
goodness that you patiently let me roam
tutes of the university and Charité - Univer-
offered the opportunity to research and
boldt-Universität has time and again been
around and were not jealous when I stayed
sitätsmedizin Berlin. More than 350 profes-
teach autonomously. Special emphasis is
the internationally recognized forum for de-
away for longer. Thank you for embracing
sors are involved in teaching and research.
placed on fundamental research, on the so-
bates about education at the university and
me again and again, although it seemed in
With more than 240 study programmes, the
cial and ecological direction of scientific
elsewhere. In a globalised age, it will be dif-
the end that I was striving for a seamless
university offers a wide range of disciplines,
questions and on the cultural and economic
ficult to remain that way, to become it again,
transition into the university of the third
from African studies to virology. Some
significance of the results.
especially as the debate should not be limit-
age. But anyway, this way I managed to
p
The Humboldt-Universität zu Berlin is
courses are unique in Germany, such as the
International exchange in research,
ed to experts and embellished with the re-
stretch my part-time studies to an impres-
the city’s oldest university and a leading re-
“reformed medical studies programme”
teaching and studying goes without saying
fi ned terminology from a highly differenti-
sive 24 semesters and – in relation to the
search institution with an international rep-
and the BA and MA in statistics, or were of-
at a leading university. The Humboldt-Uni-
ated landscape of disciplines. But can we not
200-year-old university’s history – crossed
utation. It is situated on Unter den Linden
fered fi rst here, such as gender studies and
versität currently maintains academic part-
indeed give it a go – this booklet in the hand
the five percent barrier. Do I hear any other
right in the heart of the capital.
cultural sciences. Young people from all
nerships with more than 170 universities
– during these celebratory months? In this
bids? So we have walked together along a
It all began in 1809/10: Impressed by
over the world are attracted by the interna-
worldwide as well as 300 Erasmus and
sense, I wish you an equally pleasurable and
good stretch of the road. I can make allow-
Schleiermacher’s reform ideas, the Prussian
tionally accepted degrees, modules suitable
Socrates partnerships. It traditionally culti-
informative read.
ances, however, for the fact that you will not
politician, school reformer, linguist and phi-
for further education and English-taught
vates close relationships with northern, cen-
remember me. How could you?
f
2 0 0 Y E A R S O F BE R L I N ’ S U N I V E R SI T Y O N U N T E R
DE N L I N DE N
losopher Wilhelm von Humboldt developed
study programmes. This includes the hu-
tral and eastern Europe and maintains
Anniversaries can be celebrated in dif-
Dear HU, for your milestone birthday I
his university concept. Humboldt had in
manities and social science departments in
strong co-operations with the USA and Asia.
ferent ways. You could, for example, hold a
wish you students who do not see the free-
mind a universitas litterarum where teach-
the Mitte district of Berlin as well as the
Equally impressive is the mobility of the stu-
dom of academic studies as merely arbitrary,
ing and research are one and students re-
natural science institutes in the modern
dents: every year, more than 1,000 students
who see so much time for curiosity as a priv-
ceive a comprehensive (humanist) education.
campus at Adlershof, in south-east Berlin,
complete part of their studies abroad.
ilege and access to education as an obliga-
The fi rst semester at the newly founded
where more than 7,000 students and scien-
The capital city university stands out for
tion. And my wish for you is to have profes-
Berlin university began in 1810 with 256 stu-
tists learn, research and develop in close
being cosmopolitan and open to reform.
sors and lecturers who do not feel that teach-
dents and 52 lecturers. The disciplines
proximity to renowned and technology-ori-
The particular promotion of the next gener-
ing so many students is an empty task, who
where divided up among the law, medicine,
entated companies and with whom they en-
ation of scientists, a professional system of
really know how to solve the problems of the
are able to evoke the passion of knowledge in
philosophy and theology departments.
gage in lively exchange.
quality assurance in research and teaching
German universities, which – as has been
young people and who themselves ache to
the case for 200 years – are also, and in par-
learn something from them in return.
p
somewhat stiff ceremonial event, get a
string quartet to play and evoke the glorious
past. Of course, you could also invite a rather
provocative speaker, bring in a jazz band
and talk about the well-known problems of
our time. For let’s not fool ourselves. We all
ALL THE BEST
FOR THE
FUTURE, OLD
SPORT!
Wilhelm von Humboldt’s pioneering
The
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zen-
as well as future-oriented study reforms
concept made the then University of Berlin a
trum, the new university library, is a state-of-
make the Humboldt-Universität one of Ger-
ticular, the same as those of the jubilant
This may sound naïve, romantic at best.
prototype for the modern university: unity
the-art communication centre that offers the
many’s leading universities. Several univer-
Humboldt-Universität, namely fewer stu-
But with your 200 years of experience will
of teaching and research, freedom of science
possibility to use more than four million
sity rankings reveal the university’s national
dents or many more lecturers, better condi-
know best that, in this century, education
and an all-round education for the students
books and periodicals, either directly or or-
and international recognition.
tions for research and teaching and mark-
will be the most precious of all resources!
became the model for the founding of nu-
dered via the Internet. With the Erwin-
The Humboldt-Universität has had an
edly more internationality; abandoning the
And moreover it is a resource that grows the
merous universities all over the world. Wil-
Schrödinger-Zentrum, a communication and
eventful 200-year history, a history that has
foolish idea of offering everything for every-
more lavishly you handle it. All the best for
helm’s brother, Alexander von Humboldt,
congress centre on the Adlershof campus,
not least been determined by its special situ-
body, and then from a university that bears
the future, old sport!
expanded the university’s traditional Euro-
the students have additional modern elec-
ation: once in the centre of Prussia and Ger-
the name of the brothers Alexander and Wil-
pean view with perspectives from outside of
tronic devices at their disposal. The univer-
many, then in the capital of the GDR and
helm von Humboldt, were instead of the
Europe and fascinated thousands of listen-
sity also owns genuine treasures resulting
now at the centre of re-unified Germany. In
simple, antiquated buzzwords (and “unity of
ers during his famous Kosmos lectures,
from 300 years of research and teaching. Its
the jubilee year of 2009/2010, the Hum-
which he held in a language that everyone
100 different scientific collections include
boldt-Universität is presenting itself via ex-
could understand.
more than 30 millions objects. The univer-
hibitions, lectures, symposia and concerts
teaching and research” is unfortunately one
of them), a real examination of the classical
models of the universitas littrerarum and its
S T E F F E N H A L L A S CH K A
M O D E R A T O R & PR O DU CE R
f
The university has been through many
sity reflects back on life in the city through
as “the modern classic” – a place in which
continuation in the future beyond the buzz-
p
Genuine, heartfelt congratulations to
changes during its 200-year history. Today
its aesthetic and scientific collections. Select-
excellent teaching and research has been
words and party-political phrases (“educa-
you old sport, the Humboldt-Universität, on
it is divided into eleven departments, has
ed items from the collections are used regu-
carried out for two centuries.
tion for all” and the like) that have had their
your bicentenary! Even though these lines
strong interdisciplinary research centres
larly in exhibitions, seminars and public cir-
day. This also includes an open debate on
may be insolent, as most of the time I scur-
and several central institutes and graduate
cle lectures.
84 E DI T O R I A L & C O N GR AT U L AT IO N
f
85
WHAT DO YOU
WANT?
YOU’LL NEVER
MANAGE THAT!
of studying in the heat of the present appear
quickly in the world of one’s own projects:
quite plausible.
in a seminar about Nietzsche readings,
But far more important for me than all
when transliterating the letters by Fontane’s
the rebellious folklore, more important too
friend Friedrich Eggers, or when comment-
than the so-called renewal, were the semi-
ing on an unedited pamphlet by Rudolf Bor-
nars. They calmed me down when the ques-
chardt. These seminars were dominated by
tion arose in the quietest hour whether ev-
the perfect blend of professional rigour and
erything was okay or if change was appro-
intellectual anarchy. And I have never been
priate. There was certainly bureaucracy and
taken so seriously – neither before or after-
differing classification systems, but nobody
wards – as in these seminars.
seriously worried about them. You went
Today, people say to me that it is no lon-
where you wanted to get, regardless of
ger possible to study, and most certainly not
whether this or something else was in-line
at the Humboldt-Universität. They may have
with the study guidelines. If a seminar was
their reasons. But I believe that the romantic
boring, you simply stopped going to it.
stimulus to study will somehow fi nd its way.
You were therefore caught up very
SIX FOUNDING
IDEAS:
WHAT’S BEHIND THEM?
A R T WO R K & C O N CE P T: A N N IK A L IS CH K E
PH O T O GR A PH Y: J E N S B Ö SE N BE R G
f
DR . JE N S BISK Y
J O U R N A L IS T A N D AU T H O R
p
Many had advised me not to start study-
ing at the Humboldt-Universität as planned.
And indeed, for a fresher in October 1990,
there was a lot that spoke in favour of choosing a different university. In addition, no
one at Unter den Linden had taken the trouble of winning me as a student. Quite the
in article 5, paragraph 3 of the Basic Law,
out doubt the question of how big or small
this will be both a legislative and a social act.
this influence should be and whether the ex-
The limitations of this freedom are equally
tent of this influence need to be numbered
set out socially by legislation. This includes
by everybody – for example, scientists, min-
not only consideration of objects of legal pro-
istries, research organisations or founda-
tection – for example the protection of em-
tions – in the same way. The Mercator Foun-
bryos and animals – but also the promotion
dation, which seeks to reconcile the freedom
of science, which is comparatively rather ex-
of science with the pursuit of social goals,
tainly was not the only one – was treated like
tensive in Germany and which also, finally,
provides an answer for this. Through our
a foolhardy supplicant who had forgotten his
enjoys public support. Its scope is also de-
commitment to projects, which goes beyond
boundaries for some moments.
fi ned by a socially based restricting influ-
mere sponsoring, we strive for goals not
ence on the horizons of science that tend to
only within the field of science; we do not
be limitless. At the individual level, the fol-
just strive for the new as such. In our cluster
contrary. Admission was an act of grace. At
FREEDOM
the end of the eighties, when I went to the
main building to collect the questionnaires
No university professor
can carry out research
independently of political
and social influences.
to be completed and the lengthy instructions sheets, the lady handing out the pages
looked at me gruffly and said: “What do you
want? You’ll never manage that.” During
the mandatory aptitude test, I – and I cer-
DR . BE R N H A R D L O R E N T Z
C E O O F T H E M E R C A T O R F OU N DA T I O N
In the autumn of 1990, it was clear that
this university faced years of change, of inspections and change of staff, of insecurity
p
Libraries are full of analyses of the mu-
lowing is valid: You may assess the norma-
of themes – climate change, integration and
and constant improvisation. Why I contin-
tual influences of science and society. After
tive power of paradigms, methods and prin-
cultural education – we also include social
ued to stay, I hardly know. Phlegm might
all, it could be agreed that there is no science
ciples arbitrarily high, but in the end science
goals as standard. We make them deliber-
have played a role, but also the feeling of
without social influences. How or where
is conducted by individuals who are differ-
ately transparent for the public. Nonethe-
studying at the heart of the new republic,
should it be carried outside of a society? The
ent from scientists and are always subject to
less, we are also convinced that we can only
which nobody yet knew would later be called
social influence can easily be detected at the
influences that are not scientific.
succeed if the quality of the projects spon-
“Berlin Republic”. Soon there were strikes
and demonstrations, which made the belief
86 W HE R E FRO M
I L LU S T R A T I O N : A N DR E A S T Ö PF E R
institutional level as well as at an individual
More productive than the question of
one. When science’s freedom is enshrined
“whether” there is social influence is with-
sored is at the highest scientific level.
f
87
sired breakthrough. Moreover, surprising
in the privileged position of having been
research results often arise from projects
freed of the time-consuming task of raising
that are considered by others to be too bold
third-party funding in the years to come.
or to promise little return.
The establishment of such a prize some 20
Despite this freedom, the work of a sciPR O F. DR . SU S A N N E A L BE R S
C O M PU T E R S CIE N T IS T
A N D L E I B N I Z PR I Z E AWA R D E E
entist is shaped by social and political influ-
years ago was nevertheless also a political
decision.
ences. The social ones I have always consid-
It is my wish that politics shall invest to
ered as enriching, however. A scientist does
an even larger extent in education and re-
Freedom of science is an invaluable
not only want to enhance his discipline but
search. Only then can the situation in
good. Particularly when I was young – after
also to make a contribution to society. It
schools and higher education institutions
some practical jobs in industry – I came to
therefore comes naturally to seize questions
improve. The whole of society would eventu-
value this freedom as a privilege. It allows
society is currently concerned with. More
ally benefit from the respective investments.
the scientist to examine interesting research
serious, however, is the influence of politics,
Knowledge is also an economic factor. For
questions self-determinedly and without a
which determines the working conditions of
science itself, this expenditure helps main-
certain given time schedule. It is this free-
a scientist in some disciplines via laws, but
tain the freedom that the Humboldt broth-
dom that enables international top perfor-
generally by means of the science budget.
ers once enjoyed. And this is how Alexander
mances: Only if a scientist can decide freely
Today, the scientist is obliged to raise a large
is described, with the words: “The horizons
about his or her working direction can the
part of the funding for his or her research
of his thinking were open – open in a way
passion for the often long-lasting commit-
projects himself or herself. With the help of
only rarely found in the history of Western
ment emerge that eventually leads to the de-
funding from the Leibniz Prize, I am again
thought.” (Ette, p. 32, 2009)
p
RESPONSIBILITY
The university keeps a
critical distance to
political and social life.
f
D R . I L KO - S A S C H A KOWA L C Z U K
HIS T OR I A N , PR OJE C T L E A DE R I N T H E R E SE A R CH
D E PA R T M E N T O F T H E O F F I C E O F T H E F E D E R A L
C O M M IS SI O N E R (B S T U )
In many European but also non-Europe-
not only freely responsible for him- or her-
stantly questioning everything, testing its
an languages, the term responsibility con-
self, but also for his or her society and social
meaning. Responsibility, therefore, also
tains an “answer”. Responsibility was a legal
spaces. In turn, this only works if everyone
means to transcend self-ascertainment that
term right up to the high Middle Ages. The
– whether a professor or university fresher
is aimed at securing power. Students, lec-
accused had to answer to the court and
– is ready to question him- or herself and to
turers and researchers must not only allow
thereby take responsibility. I like this impli-
allow him- or herself to be questioned by
“uncomfortable” questions, no, they must
cation of responsibility because it is aimed at
others. Such a (unfortunately not all too re-
demand and support them, the answers,
truth and veracity, at honesty and forthright-
alistic) challenge has no choice but to reject
too, even if they appear even more “uncom-
ness – and at the same time demands an-
prefabricated answers and undertake tire-
fortable” than the questions. Nearly every-
swers to essential questions. For me, this
less reflection, which is committed only to
body would sign up to this – though no-
still seems to be a current guideline for the
the truth – even if you consider it the truth
where is this the reality. Finally, as a contem-
university, both for teaching and research.
that there is none. This in turn only works
porary historian, responsibility for me
Because such an idea of responsibility in-
in freedom, which means that in the ab-
means precisely to understand the three ba-
volves accepting any questions and being
sence of freedom responsibility, too, is dis-
sic evils of 19th and 20th century Europe –
ready to provide answers to them. In this
torted and not infrequently abolished. Seen
colonialism,
way, responsibility unfolds within a web of
in this way, responsibility and freedom be-
and communism – as a part of a past that
relationships within which the individual is
long closely together and are capable of con-
persists in my present in many ways and not
p
88 W H AT
fascism/national
socialism,
89
to let these bygones be bygones. Because,
and the satisfaction of changing things for
with our universities, our society let alone
the better, with others and for others, make
our world in mind, what seems to be miss-
our day worthwhile. As Wilhelm von Hum-
ing are not only answers and also questions,
boldt said: “It is relationships with people
but primarily the resulting conclusions that
that in essence give meaning to life.” Let us
are then to be implemented. Responsibility
abide by this. Let us take more responsibility
therefore also involves not only the search
again – with others and for others!
but also the courage to link the search with
The need to share responsibility jointly
consequences. And it lacks this basically be-
is also relevant in education. Education
cause, in the end, responsibility to me
opens up prospects for the future. Education
means to defend another’s freedom is if it
concerns all of us. Education is too impor-
was my own. This demands not only cour-
tant to leave it to the state alone, particularly
age, but also – again with universities, soci-
as it has less scope in a situation of heavily
eties or the world in mind – the necessity to
indebted national budgets. It is my view that
upset (one’s own) privileges, because re-
we are all required to make a contribution
sponsibility has from ancient times had jus-
here. We should do everything possible to
tice as its goal.
improve our children’s chances for educa-
f
tion. Let us not be satisfied with claims that
this is neither possible nor cannot be financed. The Humboldt-Universität’s bicenD R . N IKO L AU S BR EU E L
PR E SIDE N T A N D CHIE F E X E CU T I V E O F T H E
H U M B O L D T- U N I V E R SI TÄ T S - GE SE L L S CH A F T
tenary is a fi rst-class opportunity to discuss
how we can move forward together. The university bears the responsibility for a great
p
Responsibility – an old and not in the
inheritance – let us support it in that.
f
least bit modern term, yet one that is current
again. In my opinion, the theme of “responsibility” also plays a vital role in the financial
and economic crisis that is affecting us all.
The risks undertaken were greater than the
strengths of the companies concerned.
Short-term appreciation was more important than sustainability. Shifting burdens
INDEPENDENCE
Science is always research for
the benefit of society.
Humboldt wanted to secure such inde-
Transparency, social relevance and
pendence from the Prussian King and the
third-party funding delineate a fragile field
Berlin government through solid fi nancing
of tension. The university can of course be
via the gift of conquered domains in Silesia.
exploited for targeted contracts. As long as
A nice thought that would have given the
contract research facilitates the work of the
a long time, we have courted financial jug-
Berlin university a freedom comparable to
university, there is not a great deal to com-
glers like rock stars.
on to third parties went without saying. For
mained a dream until today, it continues to
be a civil task for the future.
Contrary to common perceptions, indeDR . W I L H E L M K RU L L
SE CR E TA RY GE N E R A L O F T H E
VO L K S WAGE N F OU N DA T I O N
pendence and social benefit are by no means
mutually exclusive. Autonomously accountable science will aim primarily at generating
the fi nancial independence of American pri-
plain about. But what about those theses
p
Creative science needs room for new
new insights through research. But specific
Among other things, we should learn
vate universities. Only the king was hesitant
that are stimulated by companies or con-
thinking. The university’s main institution-
solutions, economically exploitable results
from the fi nancial crisis that such conduct
and the Humboldt-Universität is, like many
ducted by companies? How should the uni-
al task in this is to provide an administrative
and technical innovations are more than
does not come without negative consequenc-
other German universities, dependant on
versity deal with professorships that are
and organisational framework, fi nancial re-
mere by-products. They alone cannot justify
the state budget.
sponsored externally for a certain amount of
sources as well as the necessary staffi ng in
the enormous costs of our educational and
es, at least in the long term. Responsibility
PR O F. DR . WO L F G A N G C OY
C O M PU T E R S CIE N T IS T
This money, however, is by no means
time and where the funding entities are
order to ensure productive co-operation
scientific institutions. In the end, the major
that we do not increasingly delegate issues
p
The independence of university re-
sufficient. To balance out the deficit, the
themselves not uninterested in the profes-
among all those involved. Operational au-
benefit to society of independent science is
to the state – simply because this appears to
search is one of the basic ideas behind Hum-
university is obliged to raise other funds –
sorships. The university is therefore walk-
tonomy constitutes the prerequisite for self-
that by participating in the latest research,
be the easiest solution in the short term. If
boldt’s foundation idea. “Solitude and free-
called “third-party funding” in jargon. A
ing on eggshells to fulfi l its social contract,
determined research and teaching. Wilhelm
the future managers of academic, economy
we want to shape the future, we ourselves
dom” should lead the way to new awareness
simple donation is really a seldom event.
namely scientific progress for the benefit of
von Humboldt – often misunderstood as ad-
and society are educated at the highest level.
have to demand and take responsibility – for
and scientific progress. Professors receive a
Even national funding via the German Re-
all. It is happy to do this. But it has no other
vocating governmental interventions in
The “community of teachers and learners”
our own actions and for our fellow humans.
fi xed remuneration for this – regardless of
search Foundation, the European Union or
choice.
higher education – hoped that the newly
as already postulated by Wilhelm von Hum-
Doing nothing is no alternative.
their field of research (“books and papers (of
the German Federal Ministry of Education
founded university would be as self-suffi-
boldt continues to be the most important
deserves a renaissance. But this also means
f
Taking responsibility is not only a bur-
the university)… are free of all censorship.”)
and Research is linked to requirements and
cient and autonomous as possible. To
factor of the success of the university at the
den, however; quite the contrary in fact! The
In return, their research results should be
intentions – the funds of non-state sponsors
strengthen the university’s independence, it
beginning of the 21st century. It is virtually
pleasure that comes from acting creatively
transparent and publicly accessible.
all the more so.
should have its own assets in form of do-
indispensable to the further shaping of the
mains at her disposal. Although this has re-
knowledge-based society!
90 W H AT
f
91
SCIENCE
Researchers communicate
their results not
enough and too complicated.
PH I L IPP VO N DE M K N E SE BE CK
S T U DE N T O F PH I L O S O PH Y
DR . L IE SE L O T T E K U GL E R
C U R A T O R O F T H E M U S E U M F OU N DA T I O N
senses. In this, universities are following in
serves to counter the growing insecurity of
the footsteps of the Humboldt brothers who,
many people in an age of ever increasing in-
each in his own way, wanted to give all social
formation flows and unfathomable process-
classes a greater chance of acquiring an edu-
es. Greater co-operation enables museums
cation, be it Wilhelm von Humboldt’s reform
to grasp current issues, and to prepare and
of the education system or Alexander von
present them professionally. They can build
Humboldt’s thoughts on educating the gen-
a bridge between the past and the future in
eral public and who then worked to bring
the present, also as an archive of material
natural and technical sciences “to the peo-
culture.
ple” via public lectures. He wanted to estab-
Research institutes and institutions
lish the first observatory in Berlin. And let us
that present research, such as museums,
not forget that the Natural History Museum
can increase their popularisation and “pub-
in Berlin has been an integral part of the
lic education” efforts using co-operation and
Humboldt-Universität, which holds Alexan-
synergies to make public and show the new,
der von Humboldt’s collection, since 1810.
the exciting and the discovery, and thus en-
The co-operation of universities with
When Alexander von Humboldt pub-
Communicating the content of research
p
At the latest since the reports about Al-
other institutions outside of their own fields
lished the travel reports that formed the ba-
should not be left solely in the hands of edi-
exander von Humboldt’s travels to South
of research is gaining momentum and also
sis of his reputation as a scientist, he could
tors of the science sections of quality news-
America, it is clear that large population
be sure that with just one publication he
papers, such as the Frankfurter Allgemeine
circles are interested in science. Science as
would reach both the professional world and
Zeitung or Die Zeit. Although these sections
an adventure, science as a discovery, is still a
the educated, interested section of the popu-
are precisely the contexts in which readers
matter of fascination for many interested
lation. His lectures on the travel reports
should be informed in detail about scientific
people today. Over the last one hundred
were so popular that no hall in our univer-
results, these should, however, be offered to
years, scientists were repeatedly accused of
sity was large enough to accommodate the
the editors in a printable form that is com-
not communicating their research and re-
crowds. Two centuries later, the individual
prehensible for interested non-professionals.
sults appropriately to a wide audience for
disciplines have reached such a high degree
When science journalists write about
fear of popularisation. In the last two de-
of specialisation that their results, even their
publications from fields of study outside of
cades, research and science have learnt from
language culture, are not fully accessible to
their own in a way that is comprehensible for
these accusations and have done so for the
professionals
disci-
non-professionals, this often leads to a loss of
very practical reason of recruiting young ac-
plines. This might be unavoidable, but it is
information that could have been avoided
ademics. They left the ivory tower and dared
very unfortunate, not only because many
had the scientific institution provided better
to leap into the media world, reaching a wide
people outside the scientific establishment
material. Hence we often see, for example,
audience with modern methods of commu-
are interested in the latest findings, but also
that statements explicitly marked as specula-
nication. The numerous journals and di-
because a functioning presentation of re-
tive opinions in the initial article, and whose
verse scientific TV formats are proof of this,
search results means that the usefulness of
accuracy – or whose rebuttal – is still to be
as are the contributions and supplements in
science is recognised and therefore its (par-
proven by further research, find their way
large daily newspapers or the “Long Nights
tial) funding from the public purse is more
into quality newspapers as proven results
of Science”, when universities present their
p
from
neighbouring
widely accepted.
A science communicator’s task at a re-
research in a comprehensible format for
Presenting these results to the wider
search institution should therefore not only
large numbers of visitors. People today,
public cannot be achieved by scientists alone,
be to communicate results in a way that
more than ever, can use all kinds of media to
but must be handled by professionals who
makes them accessible to science journalists
catch up on scientific research.
are familiar with both science and journal-
from other fields, but also to warn of the as-
Nowadays, nearly all research institu-
ism. I would like to call these professionals
sumptions that are not proven by the given
tions, universities and institutes even employ
“science communicators”. University publi-
results, even if these unproven assumptions
public relations staff.
cations like HU Spektrum are only a first
would generate greater public interest in the
In addition to this, scientific exhibitions
step in this as articles such as “The multi-
particular scientific institution. Despite the
and co-operation with relevant museums
dimensionality of malign lymphomas” are
constant struggle for funding, scientific in-
have increased in recent years, which has led
also directed mainly towards a professional
tegrity must at this point be valued higher
to scientific results being presented in par-
audience rather than towards a larger public.
than the public relations effect.
ticular ways, and especially to stimulate the
92 W H AT
f
able and ease the journey into new worlds
for everybody.
f
93
FUTURE
German universities have to
follow the modell of an
excellent university in order
to improve.
PR O F. DR . A N DR E A S FIS CHE R
PR E SIDE N T O F T H E U N I V E R SI T Y O F ZU R I CH
supervision in small groups and are sup-
entists and students demands appropriate
trend in the middle class is to opt out of the
ported and challenged throughout their
structures within the university itself that
public education system and the German
studies. (8) They provide individuals with a
underlies country-specific fi nancial and le-
language world, whilst the so-called educa-
great deal of scope for independent thought
gal regulations. Herein lies the crucial task
tionally disadvantaged strata of society –
and also accept more awkward scholars and
for the future.
possibly with a migration background – try
students as well as lateral thinkers. (9) They
Internationalisation can therefore take
to achieve minimum standards and mini-
give all members of the university, the stu-
place gradually at the beginning. Alongside
mum communication in a language in
dents and lecturers, a sense of pride for be-
all far-reaching link-ups, a fi rst step should
which many native speakers seem to have
ing a part of this particular university and
be to concentrate on the excellent project
little interest. In some sciences, abolishing
no other. The feeling of togetherness is
that is the European higher education area
German as an academic language has in-
strong and is also manifest externally. (10)
and establish strong networks that also in-
creased the gap between science and society
They have a well developed alumni culture.
clude study programmes. Europe is initially
and raises the issue of “expertocracy” instead of democracy.
In my thoughts on the future of the
Alumni are not merely ”former students“
the most important orientation beyond na-
Humboldt-Universität, I was asked to base
but contribute to their alma mater’s contin-
tional borders and the creative diversity it
To play it safe, most of those involved in
my thoughts on the following sentence: “In
ued success, for example with donations.
offers via the competitive co-existence of
education policy have come to interpret edu-
highly developed cultures in an extremely
cation as training rather than as character
confi ned space can be utilised as a “loca-
formation and participation in the commu-
tional advantage” in the global competition.
nity. But education starts where individuals
The mobility programmes need to be made
begin to develop positive images of them-
“Humboldt-compliant”!
selves and are empowered to act because
p
order for it to improve, the German higher
f
education institution must move closer to
the model of an excellent university.” This
statement assumes that we know what an
excellent university is. I will not attempt a
PR O F. D R . GR E G O R VO GT- SPIR A
SE CR E TA RY GE N E R A L V I L L A V I G O N I
defi nition here but instead look towards
94 W H AT
Meanwhile, international orientation
they are proficient in the art of learning.
British and American universities, such as
p
The university is often a role model.
can take on other appearances, for example
Many already fail in this. Education does not
Oxford or Cambridge, or Harvard or Yale,
This applies, for example, to “globalisation”,
the establishment of international graduate
merely start with the hypertrophic image of
whose excellence is acknowledged world-
which has resulted in a great deal of discus-
schools. As there is no replacement for per-
higher education or even elite formation
wide and confi rmed over and again by ob-
sion today about the establishment of trans-
sonal encounters and face-to-face conversa-
and education. Elite formation is therefore
jective rankings. I am very well aware, how-
national structures of governance. The uni-
tions, creating these highly appealing loca-
unthinkable without mass education, and
ever, that some of the following characteris-
versity already has such structures: it is
tions puts Humboldt’s founding idea into
this is not a contradictory but a complemen-
tics cannot be transferred easily into Ger-
genuinely global – the world of science is
practice particularly well.
tary relationship. Whoever believes that elite
man or Swiss universities, so I do not mean,
one! The universitas, the community of lec-
education is possible without mass educa-
for example, that Oxford could be uprooted
turers and learners, has never stopped at
tion is fooling him- or herself and deprives
tel quel to Berlin.
national frontiers – neither with regard to
What then are the characteristics of ex-
scholars of the Middle Ages nor to the uni-
cellent universities as I see them? I mention
versity of the 19th and 20th century – and
ten. (1) They are aware of their history and
the basic idea underlying Humboldt’s re-
linked to their traditions in a positive sense;
form, which challenges science to explore
but they are always open for something
the thinkable, makes it clear why this is still
new. (2) They are free, meaning self-organ-
the case today.
ised and self-governed, within certain lim-
Globality in science means in the first
its of course. (3) They are headed by schol-
instance exchange. Technological develop-
f
EDUCATION
the elites of their breeding ground. Wilhelm
Education for all – elite or
mass? Study places
must be restricted.
school model of an intercultural education
von Humboldt was well aware of this. His
that includes all ethnic and religious minorities puts into practice the aim of education
for all as a primary civil right.
Humboldt’s ideal of the “the highest
and most proportional combination of all
strengths into a whole” can only be achieved
DR . H . C . HE IK E S CH M O L L
J OU R N A L IS T F R A N K F U R T E R
A L L GE M E I N E Z E I T U N G
ars, who know from personal experience
ment over the last 20 years has enabled a
how a university functions, but who also
great leap forward: never before was the de-
possess leadership and management skills.
velopment of networks so fast, so compre-
(4) They are well funded and and can decide
hensive and so far-reaching. Thus universi-
p Education for all or advancement through
under-funding is linked to a massive lack of
independently about the use of their fi nan-
ties fi nd themselves in a new situation: they
education are slogans that appear to be as
freedom, as is the tight corset of credit
cial means. (5) They are research-led and
are part of a global competition in a different
popular as they are hollow. Large cities such
points in a consecutive study model.
know what quality in research means: those
way than before. And because great minds
as Berlin and Hamburg show that, instead
In less than a generation, it will show
who teach there are among the best re-
like to go where they can meet other great
of education for all, a two-class system in the
how the professional and personal image of
searchers in their field. (6) They choose
minds, every university that knows now to
public and private sectors has existed for a
university lecturers changes, how academic
their students themselves. (7) They make
make itself appealing stands a chance. How-
long time and that the differences will be-
young professionals will base their thinking
sure that these students receive personal
ever, the international mobility of both sci-
come more pronounced. This is because the
on different premises and how science’s
under conditions of freedom. It would therefore be fatal to trim basic liberties by restricting study places. “Massification” by
95
place at the university must be defined anew.
of course scope to shape matters. But equal-
Where do the elites live then, or where
In such times of upheaval, whoever gives
ity in this context can only mean that access
do we fi nd excellence? They are where you
carte blanche to institutional power inter-
is open to the extent that it allows for compe-
look for them and identify them, for exam-
ests and eliminates the scope for experi-
tition. Equality of targets is not possible.
ple within the context of power, mind and
mentation does a disservice to science and
There is neither a human right to the uni-
work. Universities are hopefully places
society. Individual developments need space
versity entrance qualification (Abitur), nor to
where the formation of elites is not prevent-
subject develops? Will our universities then
and time. Creativity does not emerge in time
all study programmes or to any professional
ed. You should, however, be content if they
still be as German as they are today and very
with a clock pulse or according to a plan. It is
career. There is also no right to any exten-
offer excellent training.
much in contrast to the above mentioned
as right to make the qualitative differences
sion of study places or to making every pos-
long-established English university, which
that have always existed between universi-
sible training programme an academic pro-
now again, as it did in its early days, attracts
ties visible, as it is wrong to achieve the ad-
gramme. Here, performance and competi-
people from all nations and now also from all
vancement of the “beacons” by neglecting
tion rule, as do the availability of resources
nationalities as students and lecturers?
the other universities. It could otherwise
for the study offer structure, examinations
I still do not know exactly to whom I will
easily be the case that there are soon no lon-
and selection procedures for recruitment
write the Cambridge jubilee letter. But I am
p
ger any weatherproof ships for whom the
purposes. Equality only exists in participa-
pretty sure of what I will write. In a globalised
create a harmonised higher education area
beacons light the way.
tion in the concours.
world, the future will be shaped by determi-
(Bologna process)? On the one hand, it is im-
nants that we cannot influence, or can influ-
perative to overcome national fragmenta-
ence only to a very small extent. We have cer-
tions as a result of the history of the last 200
tainly learned this from the at times terrible
to 220 years because the Europe-wide mo-
f
TO WHOM
ARE YOU
WRITING?
f
PR O F. D R . D R . H . C . C H R IS T O PH M A R K S CH I E S
PR E SI D E N T O F T H E H U M B O L D T- U N I V E R SI TÄ T
Z U BE R L I N
pend largely on Berlin’s disastrous budget
and the preposterous “structure plans” that
have cemented the chair for Byzantine studies III to half an eternity, no matter how the
EUROPEAN
UNIVERSITIES IN
THE 21ST
CENTURY
PR O F. D R . GE O R G W I N CK L E R
PR E SIDE N T O F T H E U N I V E R SI T Y O F V IE N N A
Why are there such intensive efforts to
On the occasion of its 800th anniversa-
history of our university in the 20th century.
bility of scientists and students must be en-
ry this year, Cambridge University has come
But the entire 200-year history provides us
forced. On the other hand, the study pro-
up with the amiable idea of asking 800 vice-
with diverse examples of how captivating
grammes offered need to be differentiated
chancellors and presidents all over the world
teaching and standard-setting research can
with regard to the high numbers of students
p
PR O F. DR . HE I N Z - E L M A R T E N O R T H
E DU C A T I O N A L IS T
are allowed to admit? And will we still de-
“Education for all” and, no question
to write and seal a hand-written letter, which
succeed – even under the most difficult con-
and the requirements of today’s world of
about it, “elite” is also a legitimate issue of
the long-standing institution will keep for
ditions. It is my hope that in the next century
work. Both should succeed by introducing a
education policy and education reflection.
exactly 100 years and eventually deliver to
the Humboldt-Universität will take the lead
joint three-step study architecture, i.e. with
This is already supported by the tradition of
the addressee. On the fi rst page of text of the
from Alexander von Humboldt to an even
recourse to an old tradition. As a reminder:
the concept of education itself, as “educa-
brochure, which explains the procedure to
greater extent, breaking free from the diffi-
The British system is even today still par-
tion” has more than one dimension. Initially
the potential authors, you will find the key
cult academic daily grind of the Bologna re-
tially linked to the mediaeval college system.
since the Enlightenment, education has
question: “To whom are you writing?” The
form and embarking upon teaching that will
This medieval heritage manifests itself
meant ensuring an expectation of people’s
authors may choose between a successor, a
once again be the talk of the city, as his Kos-
clearly in the American system, which fol-
conduct for others, i.e. “when dealing with
future opponent and the Prime Minister.
mos lectures were, with students and lectur-
lowed the British model. The college contin-
people”, and this – as ability to participate in
There will naturally still be a German Chan-
ers as cosmopolitan as he lived, and with re-
ues the tradition of the former faculty of
society and culture – is also today the pri-
cellor in 100 years’ time, but what is question-
search that transcends the narrow borders of
arts. The idea is to teach general knowledge,
mary meaning of general education.
p
able today, however, is how much say he or
disciplinary structures, world views and
but also to educate the students in the spirit
Differences are generated in this pro-
she will have in a Europe that is continuing to
scholarly traditions, as he conducted it.
of humanism. Academic truth is not sought
cess on an individual and a social basis, on
grow together. But should I really write to the
in “professional schools”, however. Rather
the one hand by the activities of individuals
future Chancellor? He or she will not be able
they train theologians, jurists or physicians
themselves, their skills and interests, their
to take the Humboldt-Universität forward
(along the same lines as these three classical
readiness to make efforts and their learning
through the ages.
mediaeval faculties). More “professional
f
strategies. This kind of self-generated in-
Very well then, lets begin. “Dear revered
equality cannot be avoided as education pro-
successor,” but will there still be a president
course:
cesses have their own logic and are even
of the Humboldt-Universität and his oppo-
schools, and many more.
relatively resistant to violence and tolerant of
nent, the president of the Freie Universität, in
labels such as “elite” or “mass”. On the other
100 years’ time? Will the everlasting situation
changed radically during the revolutionary
hand, differences are also generated by soci-
of the first divided then reunited city contin-
years after 1791 and the subsequent Napole-
ety, for example by the rules for admission
ue: two universities in an eternal co-existence
onic era. Universities who at the time failed
to education processes, by the offer of learn-
of co-operation and competition, each one
to pursue natural scientific or technical
ing options and by the relationship between
ahead at one time or other? And will politi-
studies were closed down in the name of
training, certificate and profession – there is
cians still tell us both how many students we
progress and replaced by “écoles spéciales”
96 W H AT
schools” emerged in the modern world, of
The
business
university
schools,
system
journalism
in
France
97
(today’s »grandes écoles«). Those destined
WIR DANKEN
for the higher ranks of government were,
and still are, trained here in order to benefit
the state. The other French universities suf-
U N SE R E N FR EU N DE N U N D FÖR DE R E R N , DIE DU RCH IHR
E N GAGE ME N T MI T U N S GE ME I N S A M Z A HL R E ICHE JU BI L ÄU MS PROJE K T E GE S TA LT E T H A BE N .
fered a loss in importance, which continues
to affect them even today.
It was this usefulness of academic training in the “écoles spéciales” that Humboldt
and others turned against at the beginning
of the 19th century. The universitas litterarum, the research university, took the
place of the universitas magistrorum et
scholarium. The new university was intended to be meta-subject of the speculative
mind. The search for truth, not utility, became the central idea of the university. Consequently, the Baccalaureates and “Magister” degrees were abolished, and only the
doctorate study programme continued. Only
later, indeed during the Nazi-era, were diploma degrees introduced in Germany.
All three systems – the mediaeval British system, the French system obligated to
benefit the state, as well as the German idea
of the research university – are little suited
to fi nd the answers for the manifold challenges of the 21st century. The first two systems lack the element of research and the
innovation achieved by it. Humboldt’s system, with doctorate studies and long diploma studies, cannot satisfy the increasingly
differentiated study wishes of a student pop-
today still follow the idea of traditional col-
ulation that is continuing to grow. Addition-
lege education, only 250–300 PhD-granting
ally, Humboldt’s system prevented differen-
institutions exist.
tiation of the university landscape: all uni-
And this is how a hybrid system arose.
versities want to follow the idea of the “pure”
PhD studies were introduced in some uni-
research university. But it was not until the
versities, based on the mediaeval college and
establishment of universities of applied sci-
professional school tradition. This hybrid
ences that differentiation was stimulated.
system enables the American universities to
It is obvious that the future will best be
be strongly competitive.
handled with hybrid systems such as those
According to Dahrendorf, universites
in the USA. At the end of the 19th century,
today should be research-led and innova-
the Johns Hopkins University was the first
tive, open to the world, have a wide reach,
university in the USA to adopt Humboldt’s
and deal with matters of public interest. Eu-
idea of a strongly research-led university by
ropean universities could achieve all this if
introducing its own PhD study programme.
they created a harmonised higher education
The offer of the traditional Bachelor’s and
area in which competition gives rise to
Master’s programmes stayed the same, how-
those differentiation and dynamic that
ever. Among the approx. 4,000 American
high-performing universities in the 21st
higher education institutions, which even
century need.
98 W HE R E T O
f
NORDSONNE
IDENTITY
IMPRESSUM
HE R AU S GE BE R
GE S TA LT U N G
Christoph Markschies, Präsident der
Humboldt-Universität zu Berlin
NORDSONNE IDENTITY, Berlin
F O T O GR A FIE
V E R A N T WOR T L ICH
Constanze Richter
Referat HU200
[email protected]
www.hu200.de
Jens Bösenberg, Annika Lischke,
Matthias Heyde, Felix Schumann
I L LU S T R AT IO N
Andreas Töpfer
R E DA K T IO N
Ü BE R SE T ZU N G
Sabrina Schulze
Belle Parole
AU T OR E N
BI L DBE A R BE I T U N G U N D L I T HO GR A FIE
Susanne Albers, Jens Bisky, Nikolaus
Breuel, Bettina Busse, Wolfgang Coy,
Andreas Fischer, Steffen Hallaschka,
Anke Hervol, Karina Jung, Philipp von
dem Knesebeck, Ilko-Sascha Kowalczuk,
Wilhelm Krull, Lieselotte Kugler, Bernhard Lorentz, Christoph Markschies,
Esther von Richthofen, Katja Richter,
Ruprecht Röver, Heike Schmoll, Martin
Spiewak, Heinz-Elmar Tenorth,
Gregor Vogt-Spira, Georg Winckler
Paul Schäfer
Dietsche-Gebhardt Reproduktionen
R E DA K T IO N S S CH LU S S
25. September 2009
ISBN
978-3-9813135-1-2
100 I MPR E S SU M
DRU CK
DZA Druckerei zu Altenburg GmbH