das magazin über das grossartigste skifahren der

Transcription

das magazin über das grossartigste skifahren der
DAS MAGAZIN ÜBER DAS GROSSARTIGSTE SKIFAHREN DER WELT
WINTER 2012/13
IN RASANTER GESELLSCHAFT | PURE UNGESTÖRTHEIT | GENERATIONEN | HIMMLISCHES KLASSENZIMMER
04
EINE VERBINDUNG
ZUR PERFEKTION
ES IST DER WELT SCHÖNSTES SKIERLEBNIS. Ohne Zweifel! Das
ist es, was die Leute zum ersten Mal und auf Jahre hinaus zu CMH
bringt. Aber mit jedem Besuch entdecken sie, dass es mehr als nur das
ist. Es geht darum, eine Verbindung herzustellen, Teil zu sein von etwas
ganz Besonderem, das dann zu einem wesentlichen Bestandteil unseres
Lebens wird.
Es geht darum, eine Verbindung mit dem Erlebnis herzustellen
– dem unbeschreiblichen Rausch, der einen packt, wenn man durch
die Bäume einer perfekt ausgelegten Lichtung oder mühelos den Hang
eines alpinen Gipfels hinunter gleitet. Das zu meistern war einst ein
Traum.
Es geht darum, eine Verbindung zu diesen zauberhaften Orten
herzustellen – auf dem Gipfel einen Moment innehalten und auf die
fjordähnlichen, mit morgendlichen Wolken gefüllten Täler blicken
und dabei die Spuren entdecken, die man gestern hinterlassen hat. Sich
unter einer riesigen Zeder, die älter ist als dein Urgroßvater, wie ein
Zwerg vorkommen, oder entlang der schieren Wand einer Granitspitze
fahren, die älter ist als die Zeit.
Es geht darum, eine Verbindung mit dem allerbesten Team von
professionellen Bergführern und Ski-Guides herzustellen, die schon
ihr ganzes Leben diesen Weg gehen. Voller Leidenschaft eröffnen sie
gespannten Newcomern ihre Welt, führen sie sicher zu den Orten, von
denen sie früher nur geträumt haben, und beobachten, wie sich der
Zauber entfaltet.
Und es geht um ein gleichermaßen engagiertes Team in der Lodge,
das dafür sorgt, dass jeder Aspekt Ihres Erlebnisses bei uns in jeder
Hinsicht Ihren Vorstellungen entspricht. Unsere einzigartige Art von
Gastfreundschaft im Gebirge ist ungezwungen und doch individuell
abgestimmt, professionell und authentisch. Bei CMH gibt es keine
weißen Handschuhe! Sie kommen als unser Gast an, aber wir hoffen,
dass Sie als unser Freund zurückkehren werden.
Es geht darum, eine Verbindung mit den anderen Heliskiern
herzustellen, die dieselbe Leidenschaft und Lebensfreude teilen. Es
entwickelt sich eine einzigartige Kameradschaft, wenn man nach einem
erlebnisreichen Tag in den Bergen die Abenteuer und Missgeschicke im
angenehmen Komfort der Lodge am Ende eines wirklich lukullischen
Abendessens im Kreise seiner neuen besten Freunde wieder aufleben
lässt. Wann waren Sie das letzte Mal so entspannt?
Und letztlich geht es darum, eine Verbindung zu seinem eigenen
Inneren herzustellen. Wir beschäftigen uns in unserem Leben mit
allerlei Zeug. Aber wie viel davon ist wirklich, wirklich von Bedeutung?
Wir alle haben jene allzu seltenen und einzigartigen Momente, in denen
wir mit Familie und Freunden Dinge zu tun, von denen wir wirklich
begeistert sind und die uns wirklich als Person definieren. So viele
unserer Gäste gehen getreu ihrem Beruf oder ihren Geschäften nach,
aber im Innersten sind sie auch Heliskiers. So sind sie einfach.
Und so sind wir einfach. Willkommen in unserer CMH Heli-Skiing
Welt! Wir freuen uns darauf, sie mit Ihnen zu teilen.
Rob Rohn
General Manager und Director of Mountain Operations
WELLENLÄNGEN
Zu unserer technischen Ausrüstung gehören Lawinensuchgeräte,
Mikro-Hydro-Einheiten und Funkgeräte.
08
FLASHBACK
Wie Big-Mountain-Snowboarding zufällig bei CMH ins Leben
gerufen wurde.
10
PURE UNGESTÖRTHEIT
Am Anfang schweiften Guides und Skifahrer nach Belieben umher.
Und das tun sie auch heute noch.
14
RAUCH UND ZAUBER
Chef Richard ‘Smokie’ Benson zeigt stolz seine liebsten
Küchengeräte hervor.
16
IN RASANTER GESELLSCHAFT
Luc Alphand, ehemaliger World-Cup-Speedster, zeigt seinen französischen
Kumpels, wie man’s macht.
24
GENERATIONEN
CMH Das Magazin über das großartigste Skifahren der Welt
Winter 2012/13
PO Box 1660, 217 Bear Street
Banff, Alberta
T1L 1J6 Canada
+001 (403) 762.7100
(800) 661.0252
www.cmhski.com
[email protected]
Projektmanagement: Mark Piquette, Marty von Neudegg
Redakteur: Kevin Brooker ([email protected])
Produktionsmanager: Patty Zinck
Korrespondenten: Shelley Arnusch, Topher Donahue, Aaron Teasdale
Fotografen: Dick Barrymore, Kevin Boekholt, Topher Donahue, John
Entwistle, Dan Griffith, Roger Laurilla, Thomas Leufen, Craig McGee, Russ
Peardon, Michael Welch
Designer: Pryor Design Company – Scott Pryor, Laura Vernon |
www.prydesign.com
Die Arbeit der erfahrenen Mitarbeiter von CMH, junge Neuankömmlinge
unter ihre Fittiche zu nehmen, ist niemals abgeschlossen.
30
HIMMLISCHES KLASSENZIMMER
Eine neue Schar von Skifahrern, die den ‘Bounce’ fest im Griff haben,
absolvieren Powder U.
36
CMH-JAHRBUCH
Eine Handvoll von Mitarbeitern und Gästen, die uns immer zum
Lächeln bringen.
42
EIN SKI FINDET EIN ZUHAUSE
Willkommen in der nagelneuen CMH K2 Lodge. Kümmern Sie sich nicht
um den Yeti.
WELLENLÄNGEN
Nicht einmal diese krassen Berge können
den Marsch der Hochtechnologie aufhalten.
ÜBERPRÜFUNG DER SIGNALE DER
LAWINENSUCHGERÄTE
Mit nicht weniger als 652 Geräten ist CMH der weltweit größte
Nutzer von Lawinensuchgeräten. Von daher ist jedes Feedback über
die Gerätenutzung unter realen Bedingungen von unschätzbarem
Wert für den Hersteller des Lawinensuchgeräts unserer Wahl – das
Barryvox Pulse. Rob Whelan, Assistant Manager von CMH K2,
ist für die Zusammenarbeit mit dem Barryvox-Entwicklungsteam
verantwortlich. „Diese Suchgeräte sind eigentlich Mini-Computer“,
hebt Whelan hervor, „und weil wir so strenge Sicherheitsregeln
befolgen, sind wir in der Lage, Software einzusetzen, die die
benötigten Performance-Daten sammelt, die das Barryvox zur
Überwachung und ständigen Verbesserung benötigt. So baten wir
zum Beispiel um eine Umstellung von den giftigen Alkalibatterien
auf umweltfreundliche Lithiumbatterien – und in der letzten Saison
waren wir die ersten, die diese nutzten.“
ELEKTRONEN HABEN ES DA DRAUSSEN
NICHT LEICHT
Das nächste Mal, wenn Sie in einer CMH Lodge über ein Internet-Download
frustriert sind, überlegen Sie einmal, wie dieses Wunder überhaupt zustande
kommt. „Es ist definitiv eine komplexe Aufgabe, allen unseren Standorten
gute Internetverbindungen bereitzustellen“, sagt Russ Peardon, der Leiter der
Abteilung Informationssysteme von CMH, der nach einer sechsjährigen Pause
jetzt wieder dabei ist. „Früher habe ich mich auf die von den Mitarbeitern
verwendeten Funksysteme konzentriert, aber aufgrund der Erwartungen der
heutigen Gäste dreht sich hier nun alles um den Aufbau besserer InternetVerbindungen.“ Zu diesem Zweck hat die Crew von Russ vor kurzem den
Mikrowellenservice zu den notorisch schwierigen Gebirgen Bugaboos und
Bobbie Burns aufgerüstet und einen vielversprechenden neuen Satelliten
auf den Monashees getestet. Unterdessen müssen die auf den Bergkämmen
aufgestellten Verstärker wirklich einiges aushalten. Sagt Peardon: „Manchmal
müssen wir buchstäblich zu ihnen hinaus fliegen und das Eis abschlagen.“
04
WELLENLÄNGEN
GRÜNE ENERGIE FÜR EINE WEISSE WELT
CMH operierte schon längst „netzunabhängig“, bevor dieser Begriff in Ökokreisen
in Mode kam, so dass wir immer nach cleveren neuen Energielösungen suchen.
In dieser Saison gibt es positiv zu berichten, dass betriebliche Einsparungen
durch den Mikro-Hydro-Stromerzeuger in der Galena Lodge die $ 450.000 schon
wieder hereingeholt haben, die die Installation im Jahr 2005 kostete. So erklärt
der Wartungstechniker der Galena Lodge, Luke Crawford: „Er deckt mehr als 80
Prozent unseres elektrischen Bedarfs. Wir würden es gerne noch besser machen,
aber Mitte Februar verlangsamt sich der Stromfluss zu einem Getröpfel. Dennoch
sparen wir 50.000 Liter Dieselkraftstoff pro Saison.“ Hmm... wenn wir doch nur die
unbegrenzte Potenz der Skifahrer an der Bar anzapfen könnten, die prahlen, wie
toll sie heute waren.
ICH JODELE – HAST DU VERSTANDEN?
Es ist amtlich: Alle Gäste werden mit Funksprechgeräten ausgerüstet. Letzte
Saison war das erste Mal, dass diese Regel durchgängig angewendet wurde.
In der Vergangenheit waren die Guides besorgt darüber gewesen, dass zu viel
Geplapper die Einzelfrequenz überfordern würde, über die sie ständig kritische
Informationen austauschen. Sie hatten auch Sorge, dass Skifahrer, die sich
in falscher Sicherheit wiegen, möglicherweise bewährte partnerschaftliche
Kooperationsfertigkeiten wie ständiger Dialog und Blickkontakt überschauen
könnten. „Aber bei unserem Treffen am Ende der Saison war das Feedback über
die Funkgeräte 100 Prozent positiv“, sagt CMH Mountain Safety Manager Todd
Guyn. Während das neue System einwandfrei für verlorene Skier, voneinander
getrennte Partner und Baumlöcher funktionierte, gab es keine Berichte über
unbeabsichtigte Auswirkungen.
06
WELLENLÄNGEN
Wie Big-Mountain-Snowboarding
praktisch schon vor der Erfindung des
Snowboards von CMH erfunden wurde.
flashback
1981 SURFTE BLAKE BARRYMORE MIT SEINEM VATER IN DER Nähe
des Ferienhauses der Familie auf der Halbinsel Baja California in Mexiko. Die
Rede ist natürlich von Dick Barrymore, dem verstorbenen amerikanischen
Skifilmemacher, dessen alljährliche Filme es mit denen von Warren Miller
aufnehmen konnten. Blake war damals ein junger Ripper, der häufig für Dad
vor der Kamera fuhr.
Zwischen den Wogen tauschten sie Ideen für die kommende Saison aus,
in der Dick einen längeren Aufenthalt in CMH Monashees gebucht hatte.
Eine derart dramatische Kulisse würde einen der ebenso dramatischen
Gimmicks erfordern, für die Barrymore berühmt war. 1979 schoss er zum
Beispiel Filmmaterial von Surfer Mike Doyles bahnbrechendem Monoskiing
und machte als Erster Aufnahmen von einem Skifahrer, der im Schuss ein
Pulverschneefeld hinunterfährt. Aber das Surfen auf den türkisfarbenen
Wasserwänden des Pazifik gab Blake Barrymore eine andere Idee. „Was wäre,
wenn wir ein Surfbrett auf einen dieser Gletscher brächten und es dort so wie
auf einer großen Welle in Waimea fahren würden?“, fragte er. „Mein Sohn“,
antwortete Dick, „das ist eine fantastische Idee“.
Blake, der jetzt in den Fünfzigern ist und noch immer in Sun Valley die
Hänge hinunter brettert, erinnert sich lebhaft an die Ausarbeitung dieses
Segments. „Ich kam mit dem Namen „Ted Shred“ heraus“, erinnert er sich.
„Damals bezeichneten wir dumme Leute als „Teds“ und „shred“ war SurfSlang, der gerade immer beliebter wurde.
Anfangs dachte ich, dass man auf Pulverschnee mit einem großen alten
Surfbrett mit einer Flosse fahren könne“, sagt Blake. „Dann fanden wir
heraus, dass manche bereits mit Schneesurfen experimentierten, aber mit
völlig anderen Boards.“ Was sich schließlich zum Snowboarding entwickelte,
nahm tatsächlich mit einer Art paralleler Evolution seinen Anfang – mit
unabhängigen Tüftlern wie Winterstick in Salt Lake City, Sims in Kalifornien
und Jake Burton in Vermont. Blake, der null Erfahrung mit solchen Boards
hatte, sammelte einige Prototypen ein und machte sich auf den Weg zu CMH.
„Tja, sie waren alle ätzend“, sagt Blake über seine ersten Surfversuche auf
Schnee in der Nähe von Invermere, unweit der Bugaboos. „Sie hatten diese
verrückten Gummibänder und lausige Kanten. Sie waren unheimlich schwer
08
FLASHBACK
zu steuern.“ Und als Ted Shred gerade aufgeben wollte, zeigte Dick auf das
letzte Board in der Sammlung und fragte: „Was ist mit dem kleinen da? Hast
du es schon ausprobiert?“ Es war der Prototyp des Boards, das man später das
Burton Backhill nannte, kaum 100 cm lang, mit zwei Stahllamellen und einem
Seil, das von der Spitze nach vorn reichte und der Steuerung diente.
Obwohl es weit von dem Hochkaräter entfernt war, den er sich vorgestellt
hatte, startete Blake widerwillig einen Versuch. „Ich trat auf das Board mit
einem Paar alten Sorel Schneeschuhen an den Füßen und zog einfach ab. Es
ließ sich tatsächlich steuern.“ So begann der weltweit erste Big-Mountain
Snowboard-Film. Wie Barrymore Senior sich später erinnerte, „hatte Blake
keinen einzigen schlechten Turn auf dem Ding“.
Davon kann sich jeder selbst ein Bild machen, da der vierminütige Film,
der in die Auswahl der Canadian Mountain Odyssey 1983 kam (und immer
noch unzählige Male auf YouTube aufgerufen wird) praktisch jede Abfahrt
enthält, die Ted Shred auf seinem 40-Dollar-Burton gemacht hatte. Nicht,
dass Schwünge das Gebot der Stunde waren. Es dauerte nicht lange, und Ted
fuhr die weiten Hänge der Monashee Gletscher im Schuss hinunter. Es gibt
mehrere Aufnahmen von ihm, wie er durch Gruppen von Skifahrern prescht,
wodurch sie laut kitschigem Filmkommentar vom „Shred-Baron gestreift
wurden“. (Somit war CMH Monashees nicht nur die Wiege des Big-MountainSnowboarding, sondern hier wird auch zum ersten Mal die bis heute
andauernde Rivalität zwischen Skifahrern und Snowboardern dargestellt.)
Blake erinnert sich an eine schreckenerregende Abfahrt: „Ich machte einen
Überschlag und begann, eine enorme Geschwindigkeit zu entwickeln. Später
stellten wir einige Berechnungen an und kamen zu dem Schluss, dass ich fast
150 km/h gefahren war. Das ist in dem Film zu sehen – es ist kein Rooster Tail
sondern ein verdammter Kondensstreifen.“
Paradoxerweise ist Blake Barrymore nie wieder Snowboard gefahren. Das
Skifahren ist einfach zu tief in den Genen der Familie verankert; sein Sohn
Wing Tai gehört zu den aussichtsreichsten, amerikanischen Olympia-Talenten
für Ski-Halfpipe. „Aber wenn mir jemand eine Nachbildung dieses Boards und
einen Heli-Flug in die Hand drücken würde, dann würde ich es im Nu wieder
tun. Es wäre wie ein Traum, der in Erfüllung ginge.“
Links: Blake Barrymore erschreckt sich selbst,
als er annähernd 150 km/h auf einem primitiven
Burton Snowboard erreicht.
Diese Seite: Skifahrer, die kurz davor stehen,
„vom Shred Baron gestreift zu werden“. Die SkiSnowboard-Rivalität begann genau hier.
PURE
Ungestörtheit
Jeder weiß, dass CMH-Skifahrer gesellige Leute sind. Aber wie TOPHER DONAHUE feststellt,
spricht vieles dafür, die Erlebnisse mit nur ein paar engen, persönlichen Freunde zu teilen.
10
PURE UNGESTÖRTHEIT
DAS SKIFAHREN WIE EIN CMH-NOMADE IST, SO STELLE ICH MIT
FREUDE FEST, WIE EINE REISE IN DIE VERGANGENHEIT. Wenn ich
die modernen Sicherheitssysteme, Internet-Wetterberichte, breite Bretter und
natürlich die luxuriöse Unterkunft mal außer acht lassen kann, dann ist es für mich
leicht vorstellbar, eben dieses Abenteuer ein halbes Jahrhundert vorher zu erleben,
als das Heli-Skiing erfunden wurde. Auch wir machen uns mit einer vertrauten
Gruppe von Skifahrern, unserem eigenen Helikopter und Piloten, zwei Guides
und einer einfachen Mission auf den Weg: Frei und weitläufig umherzuschweifen
und dort zu fahren, wo es am verlockendsten ist.
Das private „Nomads Skiing Program“ wurde vor etwa 20 Jahren etabliert,
oder – wenn Sie so wollen – wiederentdeckt, als die Guides Dave Cochrane und
George Field mit einer abenteuerlustigen Gruppe während einer Skitour im
Frühjahr in McBride, als die anderen CMH-Lodges schon geschlossen hatten,
aus einer Laune heraus einen Umweg in Richtung Süden machten. Sie sausten
von einer CMH-Lodge zur anderen und entdeckten – und hinterließen dann
selbst – Skispuren inmitten des riesigen Ski-Paradieses zwischen McBride und
den Bugaboos, dass 375 lineare Kilometer umfasst.
Heutige Freibeuter haben nun zwei Auswahlmöglichkeiten: die „Nomads
North“, wo die Gebiete der Monashees, Gothics und Adamants durchstreift
werden, und „Nomads South“, zu deren Gelände Revelstoke, CMH K2, Galena
und Bugaboos gehören. In beiden Fällen ist der Drill derselbe: die Guides
besprechen die vorläufige Route mit den anderen CMH-Gebieten, tauschen
Meinungen über die Wetter-und Schneeverhältnisse aus, und lassen die Gäste
dann im Rahmen sicherheitsbedingter Grenzen entscheiden, wie und wo sie
heute Skifahren möchten. Wohin sie dies führt, ist immer ein laufendes Projekt.
Der Zauber von Nomads Heli-Skiing liegt darin, dass es erklärtermaßen eine
einmalige Chance im Leben ist. Jeder Trip ist einmalig, und es besteht auch kein
Druck, mit anderen mitzuhalten oder bestimmte Wege einzuschlagen. Ausnahme:
das rechtzeitige Eintreffen zur „Happy Hour“ in der für den jeweiligen Tag
bestimmten Lodge. Für uns bedeutet dies scheinbar endlose Waldabfahrten wie
Glade Runner in CMH K2; danach geht’s hinüber zu den kolossalen alpinen
Hängen in der Nähe der spektakulären, aber selten gesehenen Spitzen der Pinnacles
in den südlichen Monashees. Wie Nomaden-Manager Jeff Bodnarchuck es erklärt:
„Wir fahren in drei Bergketten und vier ausgeprägten Gebieten, manchmal alle am
gleichen Tag. Bei jedem Stopp tut sich uns in jeder Richtung ein neues Panorama
auf, und es sind keine Spuren in Sicht. Das ist es, was Heli-Skiing für mich bedeutet.“
Selbst das Sightseeing macht mehr Spaß, wenn der Flug eher eine Reise als
eine Pendelstrecke ist. Es ist nichts Ungewöhnliches für Heliskier, ein paar Elche
zu sehen, aber wenn man wie wir eines Nachmittags ein seltenes Nördliches
Gleithörnchen sichtet, das von einer Baumkrone hinuntergleitet, als wir an einem
riesigen heuhaufenförmigen Berg an der abgelegenen Südgrenze von CMH
Revelstoke entlang carven – das fühlt sich nun schon an wie ein Geschenk für
uns und nur uns allein.
Monumentale Schneefälle machen das Ganze nur noch angenehmer. Eines
Morgens hören wir die Stimme des Technikers über das Funkgerät knistern: „Ich
habe den Hubschrauber noch nicht gefunden!“ Mein Tagebucheintrag für diesen
Tag lautet: „Ich habe gerade ein noch höheres Maß an Respekt für den Schnee in
British Columbia entwickelt. Entspannung in den Halcyon Hot Springs bei vier
Zentimetern Schneefall pro Stunde; jede Flocke ist groß genug, dass sie, wenn sie
auf das Wasser fällt, ihre Form beibehält, bevor sie schmilzt. Und für heute war
nicht einmal Schnee vorhergesagt!“
Vielleicht ist etwas dran an dem angeblichen Lithiumgehalt der heißen
Quelle, denn ich schwöre, dass ich am letzten Tag dort drei Schneeflocken
gesehen habe, die genau gleich waren. Unser letztes Abendessen ist, ohne
Zweifel, die göttlichste Mahlzeit, die ich je in meinem Leben zu mir genommen
habe. Tyler Leeson, der Küchenchef von Halcyon, ist gerade damit beschäftigt,
sich auf einen kanadaweiten Wettbewerb für Chefköche vorzubereiten, und das
Menü, das er für uns zubereitet – eine Vorspeise bestehend aus mit Honig und
Chipotle glacierten Rippchen mit Brunnenkressesalat, gefolgt von Kalbsfilet im
Teigmantel in Rotwein- und Kirschsauce, und danach zum Dessert MandelKokos-Pavlova mit Ananaspudding und Himbeersauce – ist der krönende
Abschluss eines langen, von steilen Waldabfahrten durch die legendären
Wälder von Galena geprägten Tages.
Dieses Stadium kann man nur als transzendente Glückseligkeit beschreiben.
Der Schriftsteller und leidenschaftliche Skifahrer Ernest Hemingway hat
vielleicht Ein Fest fürs Leben geschrieben, aber soweit ich das beurteilen kann,
haben nur CMH-Nomaden es perfektioniert.
12
PURE UNGESTÖRTHEIT
“Der Zauber
von Nomads
Heli-Skiing liegt
darin, dass es
erklärtermaßen
eine einmalige
Chance im
Leben ist.”
ALS EINE GRUPPE GEHÖREN DIE CHEFKÖCHE VON
CMH ZU DEN BESTEN KANADAS. Sie könnten problemlos in
jedem Top City Hotel oder Restaurant ihrer Wahl Arbeit finden.
Warum entscheiden sie sich also, abgesehen vom Skifahren, für
eine Anstellung im entlegenen Backcountry von B.C.?
„Das ist leicht zu beantworten“, sagt Rick Carswell, der
Lebensmittel- und Getränke-Manager von CMH. „Es ist, weil sie
völlig eigenständig sind. Im Gegensatz zu den meisten Küchen
bestellen unsere Köche die Lebensmittel, die sie möchten, und
bereiten die Speisen genau so zu, wie sie möchten. Jedes Jahr
im Herbst begeben sie sich sogar auf eigene Shopping-Trips in
die Stadt, um sicherzustellen, dass sie alle exotischen Gewürze
und sonstigen Zutaten vorrätig haben, die sie für die Saison
benötigen.“
Dies erstreckt sich auch auf spezielle Küchengerätschaften.
So kam es, dass Richard „Smokie“ Benson im vergangenen
Oktober zu Beginn seiner zweiten Saison bei CMH Adamants
Carswell bat, für ihn ein Gerät zu beschaffen, das der Küchenchef
mit dem treffenden Namen als ein wesentliches Hilfsmittel für
die Zubereitung seiner kulinarischen Genüsse erachtete: einen
elektrischen Räucherofen der Marke Bradley.
„Ich gehöre zu den Köchen, die sich selbst jeden Tag dazu
antreiben, etwas Verwegenes zu tun“, erklärt Smokie. „Also,
ich sehe das so: die Gäste sind da draußen und haben das beste
Skierlebnis der Welt, und deshalb mache ich mich am besten
daran, Speisen zu kreieren, die mit diesem Standard mithalten
können.“ Und deshalb steigt einem beim Kommen und Gehen
in der Adamant Lodge gelegentlich der Duft von schwelendem
Apfel- oder Hickoryholz in die Nase, das von Nüssen über Fische
bis hin zu Rinderfilet alles subtil beräuchert.
„In den letzten fünf oder sechs Jahren habe ich mich
wirklich mit der Kreation erstaunlicher Räucherwaren und mit
Wurstwaren im Allgemeinen beschäftigt“, sagt Benson, 33, und
Absolvent des Culinary Arts Program am Camosun College in
Victoria, B.C.
“Es gibt so viele Variablen, mit denen man herumspielen kann,
wie z.B., ob man erst einpökelt oder nicht und ob man kalten oder
heißen Rauch verwendet.“ Bensons Kästchen, das unbestreitbar
Low-Tech ist, ist selten ohne den einen oder anderen Leckerbissen:
„Mal sehen, ich habe Mandeln, Knoblauch, Tomaten, Puter,
Thunfisch und natürlich kandierten Lachs geräuchert.“
Es überrascht nicht, dass Skifahrer es lieben. „Doch alles hat
seinen Preis“, sagt Smokie. „Seit ich mit der Hickory-Räucherung
begonnen habe, muss ich für die „Rib and Wing Night“ am
Dienstagabend, mit deren Zubereitung ich drei Tage zuvor
beginne, meine Fleischbestellung verdoppeln. Die Leute sind
verrückt nach diesen Rippchen.“
14
GERÄUCHERTES
RINDERFILET A LA SMOKIE
Das Kalträuchern eines erstklassigen Stücks Rindfleisch erzeugt einen
feinen, aber herrlich aromatischen Geschmack. Smokie erklärt, wie Sie
es zu Hause tun: „Filet reinigen, mit einer Schnur umbinden und zwei
Stunden lang kalträuchern. Die ideale Temperatur liegt bei 3°C, daher
macht man dies im Winter offensichtlich im Freien. Für Rindfleisch mag
ich Hackschnitzel vom Mesquitebaum. Sobald es aus dem Räucherofen kommt, mit
gestoßenem schwarzem Pfeffer, Rosmarin, Thymian und einem Hauch von Olivenöl
einreiben, dann im Kühlschrank bis zu sechs Stunden kühl stellen. Schließlich das
Filet in Ihrer heißesten Pfanne scharf anbraten, gut salzen und bei 200°C braten, bis
die Innentemperatur 50C° beträgt. 30 Minuten ruhen lassen, dann servieren.“ Dazu
reicht Smokie gerne Kartoffel-Gnocchi, ein Püree von süßen Walla-Walla-Zwiebeln
sowie Bâtonnet-Regenbogenkarotten. Was den Wein betrifft, so empfiehlt Smokie
Mission Hill Oculus, einen robusten Cabernet Sauvignon. „Dies ist die kanadische
Version eines Bordeaux – sehr fruchtig. Meiner Meinung nach ist er einer der besten
Weine aus dem Okanagan Valley in B.C.“
Der Multi-Sport-Speedster Luc Alphand gab
das Tempo an, aber, wie KEVIN BROOKER
berichtet, konnte seine fröhliche Bande
französischer Sportifs problemlos mithalten.
Der berühmte World Cup Champion Luc Alphand geht den
Pulverschnee auf die gleiche Art an, wie er schon die härtesten
Abfahrten angegangen war: mit vollem Einsatz und einem
Lächeln, das nie vergeht.
16
IN RASANTER GESELLSCHAFT
Mais oui, dort drüben fahren wir auch.
„KENNT JEMAND DEN FRANZÖSISCHEN BOTSCHAFTER IN
KANADA?“ In seinen zwei Jahrzehnten in den Gothics hat Lodgemanager
Claude Duchesne bei seiner Rede nach dem Abendessen schon einige seltsame
Themen angeschnitten, aber keines war so sonderbar wie an diesem Dienstag.
„Es ist eine Verzögerung an der Grenze eingetreten“, so Duchesne weiter.
„Einige von unserer Truppe hier“ – er zeigt auf einen Tisch voller stämmiger,
johlender Franzosen, deren Abendgarderobe aus irgendeinem Grund aus
nichts anderem als ihren weißen Bademänteln besteht – „haben ein paar Kisten
mit speziellen Nahrungsmitteln aus ihrer Heimat in Toulouse verschifft – die
feinsten Cassoulets wurde mir gesagt – und sie sollten längst angekommen
sein. Aber die Leute vom Zoll denken anscheinend, dass Pakete, die aus dem
Süden Frankreichs kommen, verdächtig sind. Wir benötigen Intervention
durch eine höhere Macht.“
Höhere Macht? Was ist denn mit dem Typ, der da drüben sitzt, Sushi isst
und ein breites Lächeln auf dem Gesicht hat? Richtig, es ist Luc Alphand,
einer der großartigsten Skirennfahrer aller Zeiten und der dann zu einem der
großartigsten Rallye-Fahrer aller Zeiten wurde. Er ist der besondere Gast, der
uns lehrt, wie man gewaltige Berge meistert, wann man ohne Hemd auf dem
Tisch tanzt, kurzum: wie man mehr Spaß hat, als jeder Mann in seinen 40ern
wohl jemals gehabt hat. Muss Luc auch diese Kindsköpfe einrenken?
Es ist fast wie am Hahnenkamm. Nur, dass es viel mehr
Spaß macht.
MITTEILUNG AN ALLE, DIE VERSUCHEN, IHREN KUMPELS EINEN
CMH-TRIP SCHMACKHAFT ZU MACHEN: Lade lediglich eine lebende
Legende ein, die in mindestens zwei der weltweit sexiest Sportarten die Spitze
erreicht hat. Vorzugsweise jemanden, dessen sportliche Karriere jetzt, wo er
eine dritte Karriere beginnt, noch immer auf dem Vormarsch ist.
Mehr brauchte Thomas Leufen von Destination Poudreuse gar nicht
zu wissen. Diese Agentur von CMH in Paris klärt seit mehr als 20 Jahren
französische Skifahrer darüber auf, wo man weltweit am besten Skifahren
kann. „Sobald wir Lucs Besuch angekündigt hatten“, sagt Leufen, „da füllte sich
die Gästeliste“. Und so kam es, dass 32 von Lucs neuen besten Freunden (der
33. war gezwungen auszusteigen – lasst ihn bitte nicht diesen Artikel lesen)
sich jetzt genau in der Mitte der letzten und vielleicht sogar besten Woche der
Saison 2011/12 wiederfinden.
Das konnte man gleich vom ersten Tag an sehen, als Duchesne der Gruppe
sagt: „Ich glaube, dies ist der schnellste Samstag, an dem wir jemals eine
Gruppe in Empfang genommen haben, sie Mittagessen gefüttert haben und
sie zum Skifahren bereit waren.“ Und warum auch nicht? Duchesne weist
darauf hin, dass dies der erste strahlend blaue Tag ist, nachdem es einen Monat
lang durchgehend geschneit hatte. „Es ist April, es sind 5 Grad unter null, und
überall gibt es Pulverschnee. Besser kann es gar nicht werden.“
Eine halbe Stunde später ist der Truppe klar, was er damit gemeint hatte. Sie
Kann sich bitte jeder beim Einsteigen in den
Helikopter ein wenig beeilen?
haben sich eingeklickt und sind bereit, in einen perfekten, spärlich bewaldeten
Abhang in den Monashees einzufallen, als der Ehrengast eine schockierende
Beichte ablegt. „Um ehrlich zu sein – dies ist das erste Mal, dass ich Heli-Skiing
mache“, bemerkt Luc beiläufig, was wirklich das letzte ist, was man von einem
Mann erwartet, der mit Sponsorenlogos übersät ist und auf superbreiten
Dynastar-Skiern steht, die erst nächstes Jahr auf den Markt kommen. Aber
jeder Gedanke, dass er kein Wahnsinns-Skifahrer ist, ist sofort verflogen,
als Luc wie der Blitz Duchesne folgt und kolossale Turns in knietiefem
Pulverschnee hinlegt, bevor er spontan zum Sprung ansetzt und sich kunstvoll
von einem riesigen Schneepilz abhebt.
Es scheint, als hätte jemand eine Startpistole abgeschossen. Der Rest
der Gruppe stürmt nach vorn, außer sich vor Freude, als auch sie sich
im Flechtmuster wie Rockstars ihren Weg durch dieses atemberaubende
Gelände suchen. Das sorgt für einen fröhlichen Ton, der die ganze Woche
anhält: Nie sind weniger Skifahrer gefallen, haben unbeholfen herum
gerudert oder über schmerzende Beine geklagt. „Ich fahre Ski mit einem
World Cup Champion“ ist auf dem besten Weg, „Ich fahre wie ein World
Cup Champion“ zu werden.
Ein paar Stunden später steht die Sonne noch hoch am Himmel, und auf
der warmen Terrasse lernen sich alle bei einem frostigen Bier besser kennen.
Nicht wenige sagen bereits: „Beste Abfahrten meines Lebens.“ Luc genießt in
Ich bin mit Luc Alphand Ski gefahren, und ich kann das anhand der
Aufnahmen in meiner Helmkamera beweisen.
18
IN RASANTER GESELLSCHAFT
der Zwischenzeit den Whirlpool. Irgendwann steigt er aus dem Pool, um sich
im Schnee zu rollen. Nur ist der Schnee unter der matschigen Oberfläche zu
hart dafür, weshalb er nun eine Embryonalstellung einnimmt und sich wie
ein Kätzchen mit den Pfoten sanft über das Gesicht reibt. Dann schlendert
er zurück zum Whirlpool. „Wenn es ein Paradies gibt“, verkündet er sachlich,
„dann ist es das hier“.
WAS GLANZVOLLE ALPINE TRADITIONEN ANBELANGT, so ist es
schwer, die Nation zu übertreffen, die den schneidigen Jean-Claude Killy, das
„ski extrême“ von Patrick Vallençant sowie eine Vielzahl weiterer Draufgänger
hervorgebracht hat. In der Tat können die französischen Alpen mit allem
aufwarten, das man sich von einer Gebirgskette wünschen könnte, mit einer
bemerkenswerten Ausnahme: es gibt dort kein Heli-Skiing.
Kein Wunder, dass die Mitglieder der Gruppe, die schon Heli-Skiing gemacht
haben – etwa ein Drittel – derart unterschiedliche Reisevergangenheiten
vorweisen können. So z.B. Didier Caillol und Lucile Brugede, die in der Nähe
von Marseille leben. Sie waren schon mehr als ein Dutzend Mal Heli-Skiing,
und zwar an weit entfernten Orten wie Kasachstan, Utah und Grönland, dazu
mehrere Besuche bei CMH. „Es ist schön, zur Abwechslung mal in einer Gruppe
zu sein, in der alle Französisch sprechen, insbesondere eine, die so sympathique
ist“, sagt Caillol, der zugibt, dass man in Frankreich nicht so intensiv wie in
Alles startklar!
anderen europäischen Ländern Kindern Englisch beigebracht hat.
Was die überwiegend englischsprachigen Mitarbeiter der Lodge anbelangt,
so tun sie ihr bestes als Bürger einer zweisprachigen Nation. Beim ersten
Abendessen stellen sich alle in unterschiedlichstem Französisch vor, wenn auch
nicht ganz so gut wie, sagen wir, Guide Pierre Hungr, der dank dessen, dass
er in Vancouver eine Schule mit der Unterrichtssprache Französisch besucht
und in Chamonix als Guide gearbeitet hat, die Sprache fließend spricht. Selbst
Chefkoch Yoshi Chubachi taucht aus der Küche auf, um die Gäste mit einem
Bienvenue in elegantem, wenn auch mit einem japanischen Akzent behafteten
Französisch zu begrüßen.
Und die Bewirtung einer vollkommen gallischen Gruppe hat einen
weiteren Vorteil, denn wie viele andere Gäste bei CMH bringen sie gerne die
verschiedensten Köstlichkeiten von zu Hause mit und teilen sie mit den anderen.
In dieser Hinsicht sind die Erfinder des Wortes Gourmet – quelle surprise – in
einer Klasse für sich. Diese Woche ist niemand beliebter als Rodolphe Peters und
Stephane Billiot, die zwei rivalisierende Champagnerhersteller repräsentieren.
Sie sind hervorragend mit zahlreichen Magnums ihrer erlesenen Schaumweine
ausgestattet. Irgendwann schaut Peters mit zusammengekniffenen Augen auf
Billiot, als er ein Glas nach dem anderen für seine dankbaren Landsleute füllt.
„Sie machen ihren mit Pinot Noir-Trauben“, knurrt er, „während wir nur
Chardonnay verwenden. Wir sollten Todfeinde sein.“ Aber dann leuchtet sein
Reden wir doch mal über ihr joie de vivre: Ob im
Schnee, wenn sie elegant darüber fliegen, oder beim
Entspannen in der Nähe: diese Franzosen erwiesen sich
als formidable in allem, was das Heli-Skiing betrifft.
20
IN RASANTER GESELLSCHAFT
COOL
HAND
LUC
Gesicht auf, und die beiden geben sich ein überschwängliches „High-Five“.
„Stattdessen sind wir die besten Skikameraden!“
Und was wäre Wein ohne Käse – alle sind sich einig, dass acht große Laibe
von hervorragendem Saint-Nectaire, einem klassischen, weich-cremigen Käse
aus der Vulkanregion Auvergne in Zentralfrankreich, die Mahlzeit perfekt
abrunden. Der Wohltäter ist Francis Charbonnel, der mehrere Sportgeschäfte
besitzt, durch die er Luc privat kennengelernt hat. Für einen Mann wie ihn,
der diese Saison bereits 60 Tage auf Skiern gestanden hat, war diese Reise
zusammen mit einigen Kumpels gar keine Frage. Frankreich, so bestätigt er,
ist eine sportbegeisterte Nation, und er sei nicht überrascht, dass diese Truppe
starker Skifahrer auch eine Vielzahl von Leistungssportlern aus dem Tennis-,
Rad-, Motorrad-, Kletter- und Segelsport enthält – kurzum: Leute, die wie
Luc Alphand sind. Was Charbonnel angeht, so steht sein Status als ehemaliger
Leistungssportler im Abfahrtslauf in den Bergen voll zur Schau. Und als
Teilhaber an einem Hubschrauber-Reiseunternehmen kam ihm gerade eine
neue Idee: „Ich glaube, ich mache den Hubschrauberpilotenschein, wenn ich
nach Hause komme.“
Und dann sind da noch die männlichen Muskelprotze vom Team Cassoulet,
die so genannt werden, obwohl ihre höchst begehrten Dosen mit grünen
Bohnen, Schweinefleisch und Wurst noch immer nicht aufgetaucht sind. Diese
etwa ein Dutzend zählenden copains sind alterfahrene aber immer noch sehr
fitte Rugby-Spieler aus Toulouse, bzw. genauer gesagt, aus Saint-Girons, einer
nahe gelegenen Stadt, über die sie mit fröhlicher Ehrerbietung singen. In der
Tat beginnen die Cassoulets von jetzt auf gleich aus voller Kehle zu singen
und werden dabei vom kleinsten Mitglied ihrer Gruppe angeführt, einem
hervorragenden Tenor namens Hubert de Thoisy, der errötet, wenn man ihn
fragt, ob er ein professioneller Opernsänger ist. „Nein“, lacht der, „ich manage
eine Schuhfabrik“. Er lebte zweitweise in Neuseeland, weshalb er den Cassoulets
eine französische Version des Haka beibrachte, dem Kriegsgesang der Maori,
der durch die ‘All Blacks Rugby-Mannschaft’ berühmt wurde. Und auch, wenn
eine Baskenmütze vom Kopf fällt, beginnen sie zu singen. Glücklicherweise
besitzt de Thoisy eine.
IM LAUFE DER WOCHE wird es zunehmend klar, dass es nur ein Problem
gibt, wenn man mit Luc Alphand herumhängt: Für Sterbliche ist es schwierig,
mitzuhalten. Dies ist eine sehr starke Gruppe, sowohl am Tresen als auch auf
dem Schnee, aber wenn der letzte Mann auf der provisorischen Tanzfläche
auch am nächsten Morgen der erste Mann im Fitnessraum ist (nach einer
22
IN RASANTER GESELLSCHAFT
Abfahrt im Morgengrauen, bien sur), dann hast du definitiv alle Hände voll
zu tun. Wie wäre es mit einem Jägermeister? Luc ist mit dabei. Wenn sich die
Videofreaks nach jedem Skitag um die GoPro-Aufnahmen scharen, dann rate
mal, wer in vorderster Reihe sitzt. Billard? Tischtennis? Ihm gehört der Sieg.
Und bilde dir nicht ein, du könntest ihn bis zu diesem supersteilen Couloir da
drüben schlagen.
Auf der anderen Seite ist er mit seinen funkelnden Augen, seinem
Dauerlächeln und seiner stürmischen Begeisterung alles, was man sich von
einem Ski-Kumpel nur wünschen könnte. Wenn also später in der Woche eine
Warmfront durchzieht, die das Skifahren weniger verlockend macht, dann
nimmt Luc dies fröhlich in Kauf. Und so tut dies natürlich auch jeder andere.
Da hilft es, dass Claude Duchesne die geniale Idee hat, die gesamte Chose für
ein festliches Mittagessen vom Grill mit dem Hubschrauber auf einen nahe
gelegenen Berg zu bringen. „Das ist nicht gerade das übliche Prozedere“,
erläutert er der Gruppe, „aber wir können nicht nur in der Lodge herumsitzen.
Wir müssen raus und Spaß haben.“
Auch Hubschrauberpilot Roger Hoogendoorn macht mit. Während alle
anderen Burgers und Bier verschlingen, packt er sich eine Schaufel und baut
eine große Sprungschanze an einem steilen Hang. Es stellt sich heraus, dass
er diese Kunststoffgleiter für Kinder mitgebracht hat, und bevor wir uns
umgesehen haben, saust er auf dem Bauch die Piste hinunter und demonstriert,
dass seine hervorragenden Flugkünste keine schweren Maschinen benötigen.
Vier oder fünf menschlichen Raketen folgen, bevor Luc (kaputter Rücken usw.)
den Streckenrekord aufstellt. Die anschließende Flut von fliegenden Franzosen
dauert über eine Stunde, aber es bedarf der Aerodynamik eines massigen, nur
in Unterwäsche gekleideten Rugby-Stürmers, um die Markierung von Luc zu
übertreffen.
Just in dem Augenblick nimmt Duchesne über Funk einen Anruf von der
Lodge entgegen. „Hey Jungs“, ruft er, „das Cassoulet ist gerade angekommen!“
Dies ist das Stichwort für Hubert, denn nun sind drei oder vier festliche Lieder
der Toulousains gefordert.
Und tatsächlich bekommt die gesamte Lodge am letzten Abend der Saison
endlich das zu essen, was mehrere Kanadier als „das Beste“ beschreiben,
„das ich jemals aus der Dose gegessen habe“. Es sind sogar noch einige
Magnums Champagner übrig, um auf eine Woche anzustoßen, die für lange
Zeit unvergesslich bleiben wird. Jemand fragt Luc: „Glaubst du, du würdest
nächstes Jahr gerne wiederkommen?“
Dumme Frage. „Absolument“, antwortet er. Ohne zu zögern.
Luc Alphand, der weltweit zu den großartigsten Sportlern gehört,
ist ein Held in seinem Heimatland Frankreich. Der als Sohn eines
Bergführers in Briançon geborene Luc verdiente sich durch sein
leistungsstarkes Skifahren 1984 einen Platz im französischen World
Cup-Kader. Schon Mitte der 90er Jahre dominierte er die SpeedDisziplinen, war 12 Mal siegreich und stand 23 Mal auf dem Podium.
1997 gewann er als erster Speed-Spezialist den Gesamtweltcup
ausschließlich mit Ergebnissen aus Abfahrt und Super-G.
Anschließend übertrug Luc seine Fähigkeiten auf den
Autorennsport und trat 10 Mal in Le Mans und 11 Mal in der härtesten
Ralleye der Welt an – der Rallye Paris-Dakar. Natürlich ging er auch
dort als Sieger hervor (2006). Leider nahm seine Motorsportkarriere
2009 ein beinahe tragisches Ende, als er bei einem Motorradunfall
eine schwere Verletzung der Wirbelsäule davontrug. Entgegen
allen Erwartungen kämpfte er sich jedoch durch und ist wieder
bei bester Gesundheit. Heute lebt er mit seiner Familie in HautesAlpes, wo er mit seinem Bruder Lionel eine kleine Brauerei betreibt.
Lucs 17-jährige Tochter Estelle führt die Familientradition im
Skisport weiter und gewann in der letzten Saison bei den ersten
Olympischen Jugend-Winterspielen vier Medaillen.
Währenddessen ist Lucs professionelle Sportkarriere auch im
Alter von 47 Jahren noch lange nicht vorbei. „Ich habe gerade
einen Dreijahresvertrag unterschrieben, um die schnellste Yacht
der Welt l’Hydroptère DCNS zu lotsen“, erzählt er den anderen
Skifahrern beim Abendessen in der Gothics Lodge. „Es ist ein
Trimaran, der offiziell fast 53 Knoten erreichte, aber er ist schon
schneller gefahren. Das große Risiko ist jedoch, dass er bei dieser
Geschwindigkeit auseinanderfliegen kann.“ Luc trainiert derzeit, um
bei der Rekordsuche auf Hochseerouten das Steuer in die Hand zu
nehmen. „Es ist sehr schwierig, am Steuer zu sein, in der Nacht, bei
drei Meter hohen Wellen, wenn man so schnell wie möglich fährt.“
Gleichwohl ist von Alphand zu erwarten, dass er sich, wie bei
allen anderen Dingen, die er anpackt, ziemlich schnell vom Lehrling
zum Experten entwickeln wird. „Diese Sportarten sind technisch
sehr unterschiedlich“, sagt er, „aber sie haben eines gemeinsam: du
verlässt dich auf deine Augen und die Fähigkeit, das, was auf dich
zukommt, zu analysieren. Und nichts bereitet dich besser darauf
vor als das Skifahren.“
Selbst Alpinisten ohne erkennbares Alter müssen eines Tages Abschied nehmen. Wie AARON TEASDALE
berichtet, erstreckt sich die Aufgabe, die Verantwortung abzugeben, auf alle Bereiche. .
Generationen
Wie viele können behaupten, dass sie im Alter von 4 Jahren
mit dem Heli-Skiing begonnen haben? Nur Luke.
WENN MAN IHN KENNENLERNT, IST ES SCHWER ZU GLAUBEN,
DASS CMH-GUIDE DAN GRIFFITH 61 JAHRE ALT IST. Ein großer,
silberhaariger Bär von einem Mann, dessen jungenhaftes Lächeln und
sonnenverwöhnte Vitalität über seine Reife hinwegtäuschen. Kein Wunder.
Es ist erst sechs Jahre her, dass er in der Zeit zwischen den Ski-Saisonen den
Guinness-Weltrekord für die schnellste Besteigung (189 Tage) der ‘Seven
Summits’ aufstellte, der höchsten Berge auf jedem Kontinent. Griffith ist der
unermüdliche Archetyp von dem, was ein Guide sein sollte.
Angetrieben von der unverminderten Leidenschaft, Menschen in die
Berge zu führen, war Griffith 33 Jahre lang Guide (14 Jahre bei CMH). An
dem Abend, an dem er für diese Geschichte interviewt wird, ist er mehr daran
interessiert, von einem spanischen Ehepaar zu erzählen, mit dem er gerade den
Tag verbracht hat, anstatt über das Bergführen zu sprechen. Es war für sie das
erste Mal in den wilden Bergen Kanadas. „Sie hätten die Frau strahlen sehen
sollen“, sagt er von der Reaktion, derer er nie überdrüssig wird.
Auf die Frage nach seiner Zukunft antwortet Griffith ohne Zögern: „Ich bin
noch nicht an dem Punkt, an dem ich aufhören möchte.“ Obwohl er weiß, dass
er nicht in der Lage sein wird, für immer weiterzumachen, weist er darauf hin,
dass der älteste CMH-Guide bis zu seinem 75. Lebensjahr gearbeitet hat. Und
obwohl der letztendliche Abschied von Griffith ein unbestreitbarer Verlust für
CMH sein wird, hat er das Unternehmen bereits insofern vorbereitet, als dass
er ihm die nächste beste Sache hinterlässt – seinen Sohn.
Rückblickend scheint es unvermeidlich, dass Luke Griffith Skiführer
werden würde. Im zarten Alter von 18 Monaten machte er bereits
Schussfahrten auf Schneerampen im Garten. Im Alter von vier Jahren war er
zum ersten Mal beim Heli-Skiing dabei, was schon an sich als ein Rekord zu
verzeichnen wäre. „Wir sagen immer gerne, dass er zwar 31 ist, aber schon
seit 27 Jahren Heli-Skiing macht“, sagt Dan mit seinem charakteristischen
Lächeln, das das ganze Gesicht überzieht.
24
GENERATIONEN
Wie der Vater, so der Sohn: Die Griffiths in ihrem natürlichen Lebensraum.
Während er seine Winter als Skirennfahrer verbrachte, begann der
jüngere Griffith, seinen Dad auf immer weiter verstreuten Bergabenteuern zu
begleiten. Seinen dreizehnten Sommer verbrachte er im Mount Cook Village
in Neuseeland, während sein Vater Bergführungen machte, und mit 19 half
er bei 17-Tage-Trecks durch die indischen Himalayas mit. „Mein Vater hat
mich an so viele verschiedene Orte geschleppt, dass ich mich nicht immer an
alle erinnern kann“, sagt Luke. „Dann kommt es irgendwie zur Sprache, und
ich sage: Ach ja, da bin ich schon gewesen.“
In seinem 19. Sommer begann Luke, der ein jüngeres, eher zu Scherzen
aufgelegtes Abbild seines Vaters ist, bei CMH als Wanderführer zu arbeiten.
Es war 1999, und er kam gerade rechtzeitig an, um den letzten Abschnitt
des goldenen Zeitalters des Heli-Skiing zu erwischen. „Ich hatte super Glück,
Zeit mit Hans und Leo zu verbringen und die Menschen zu treffen, die die
Guiding-Legenden unserer Zeit sind“, sagt Luke von den Herren Gmoser
und Grillmair, den Gründern von CMH und ursprünglichen Schöpfern des
joie de vivre , der das Unternehmen bis heute durchdringt.
„Die Griffiths sind
das erste und bisher
einzige Vater-SohnGuide-Gespann
der kanadischen
Geschichte.“
Sommerurlaub à la Griffith: die Jungs posieren auf dem Gipfel des Aconcagua, 6969 m.
Komplizierter als nur die Übergabe der Schlüssel: die Piloten Jim Barker und Doug Dykeman.
Ein Arbeitstag wie jeder andere für Todd Guyn.
26
GENERATIONEN
Nach 37 Jahren tritt Colani Bezzola voller Zuversicht zurück.
Einige Jahre später, im Jahr 2005, trat Luke als Heli-Skiing-Guide bei
CMH ein. Als er 2009 sein ACMG-Bergführerzertifikat erhielt, war er erst
29, im gleichen Alter, in dem bereits sein Vater diese Auszeichnung erlangte.
Dies ist das höchste Zertifikat, das ein Guide erreichen kann im Rahmen
eines strengen Verfahrens, das mindestens fünf Jahre in Anspruch nimmt.
Und so wurden die Griffiths zu dem ersten Vater-Sohn-Bergführer-Gespann
in der kanadischen Geschichte.
„Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so erpicht darauf ist, in
den Bergen zu sein, wie mein Vater“, sagt Lukas mit offensichtlicher
Bewunderung. „Ich liebe die Berge, aber nie im Leben liebe ich sie so sehr
wie er. Diese Leidenschaft – so viel Liebe für etwas zu empfinden – hat nicht
nur mit den Bergen sondern mit dem eigenen Leben zu tun.“
Es ist jedoch klar, dass ein beträchtlicher Teil der Leidenschaft des Vaters
genetisch auf Luke übertragen wurde, der zugibt, schon seit seiner Kindheit
„skisüchtig“ zu sein. Dan erzählt gerne die Geschichte vom siebenjährigen
Luke, der mit seiner Klasse einen Skiausflug nach Lake Louise machte.
Ein Skilehrer führte die Kinder zu der für Fortgeschrittene vorgesehenen,
hinteren Bergseite, blieb stehen und fragte: „Was muss man immer tun,
wenn man im Pulverschnee fährt?“ Der kleine Luke hob sofort die Hand
und platzte heraus: „Der Erste sein!“, woraufhin er sich herumdrehte und den
Berg hinunter sauste.
Obwohl er schon als Kind diese ungewöhnliche Weisheit zeigte und, wie
Dan betont, „wenn man etwas schon seit Kinderzeiten tut, dann hat man
einfach diese intuitiven, instinktmäßigen Kenntnisse darüber, wie man sich
da draußen verhalten muss und von denen man vielleicht nicht einmal weiß,
dass man sie hat“, sind Vater und Sohn bescheiden genug zu erkennen, dass
sie niemals alles wissen werden. „Jeden Augenblick eines jeden Tages lernt
man dazu – je mehr man lernt, desto besser wird man“, sagt Luke. „Viele
Guides sind seit weit über 10, 15 Jahren hier in den Monashees. Das ist
fantastisch. Man kann hier von so vielen Leuten lernen.“
CMH ist bekannt für die jahrzehntelange Bindung seiner Guides,
Piloten und anderen Mitarbeiter. Es ist eine Unternehmenskultur, in der
es guten Leuten leicht fällt, zu bleiben. Aber wenn man wie CMH schon
seit fast fünf Jahrzehnten besteht, dann muss selbst der Dienstälteste eines
Tages ausscheiden, um der nächsten Generation Platz zu machen. Dieser
Übergabeprozess des Generationswechsels trat in der vergangenen Saison in
einigen entscheidenden Bereichen der CMH-Operationen ein.
Fast 30 Jahre lang war Jim Barker Chefpilot bei Alpine Helicopters, der
Partnerfirma von CMH, und er hat in der Zeit jeden Aspekt der Arbeit
mit den Helikoptern überwacht, die die Skifahrer in die Berge bringen.
Als er zu Beginn der Wintersaison 2011/2012 ausschied, fiel die Aufgabe
offensichtlich Doug Dykeman zu. Dykeman, ein erfahrener Pilot und
Flugzeugwartungstechniker, fliegt seit 1988 für Alpine und CMH.
Von seiner neuen Rolle sagt er, „Jetzt muss ich mich um 45 Piloten kümmern“.
Das bedeutet, dass man sie im Herbst alle zusammenbringt, nachdem sie den
Sommer in der Regel in der Wald- oder Freilandbrandbekämpfung verbracht
haben, Fortbildungsmaßnahmen besucht haben und, wie Dykeman es
ausdrückt, „um sich wieder auf den Winter einzustellen“.
Das Steuern eines Helikopters im Gebirge im Winter gehört weltweit
zu den größten Herausforderungen für jeden Piloten. Dazu braucht
man präzise Kenntnisse und einen eisernen Willen, und nur die besten
werden bei CMH angestellt. Selbst dann kann es sein, dass Piloten bis zu
Das einzige, was Todd Guyn wichtiger nimmt als das Skifahren, ist die Sicherheit im Skisport.
fünf Jahre als Hilfspiloten fungieren, bevor es ihnen erlaubt wird, eine
Gruppe von Gästen in einem Bell 212, dem zuverlässigen, mit einem
Zweiblattrotor ausgestatteten Hubschrauber, zu befördern, der die Stütze
der CMH-Flotte ist.
„Wir haben Piloten, die wir ohne Bedenken in fast jeder Situation entsenden
können“, sagt Dykeman. Er fügt hinzu, dass er sowohl bei der Beurteilung der
Fähigkeiten eines Piloten als auch bei der Festlegung des Einsatzplans für die
Saison nur einen einzigen Fokus hat. „Hier steht Sicherheit an erster Stelle“,
sagt er, bevor er, ohne mit Worten spielen zu wollen, hinzufügt: „darum dreht
sich hier alles.“
Der zweite wichtige Übergang in der letzten Saison bei CMH war eine
weitere, hinter den Kulissen tätige Schlüsselfigur. Jon ‘Colani’ Bezzola war 21
Jahre lang als der erste und einzige dedizierte Bergsicherheitsmanager tätig.
Bezzola, ein schweizerischer Führer, der erstmals 1975 für CMH zu arbeiten
begann, hat die letzten zwei Jahrzehnte damit verbracht, von einer Lodge zur
anderen zu reisen und sich die Schneedecke anzusehen. Er untersuchte die
Kristalle und Schichten, vereinheitlichte die von den Guides angewendeten
Verfahren zur Beurteilung der Stabilität und leistete einen Beitrag zur
Gestaltung eines innovativen High-Tech-Systems zur Erfassung der Schneeund Wetterdaten, die von den Guides berücksichtigt werden, wenn sie
die besten Entscheidungen darüber treffen, wohin die Skifahrer jeden Tag
gebracht werden. In Anerkennung seiner zukunftsweisenden Bemühungen
erhielt Bezzola 2010 eine Auszeichnung vom kanadischen Lawinenverband.
28
GENERATIONEN
Bergführer Todd Guyn hatte im Laufe seiner 17-jährigen Tätigkeit als
CMH-Guide und später als Assistant Manager der Revelstoke Lodge oft
Gelegenheit, mit Bezzola zusammenzuarbeiten. Aber in den letzten paar
Wintern hat sich ihre Beziehung verändert. Mit Blick auf seinen Ruhestand
nahm Bezzola Guyn, der damals sowohl Vorsitzender des Beratergremiums
für Bergsicherheit von CMH als auch der Technische Direktor des Verbandes
der kanadischen Bergführer war, unter seine Fittiche und begann, ihm die
Feinheiten seiner Tätigkeit beizubringen. Im Winter 2011/12 wurde Guyn
neuer Manager für Bergsicherheit.
„Er war sehr gut in seinem Job – er brachte 25 Jahre Erfahrung mit ein.
Ganz klar, dass ich ihn bewundere“, sagt Guyn über die Herausforderung,
in Bezzolas Fußstapfen zu treten. „Er blieb bis Ende Dezember, um mir zu
helfen. Er war ein guter Mentor.“
Jetzt, wo er die Verantwortung trägt, konzentriert sich Guyn darauf, die
Sicherheitssysteme von CMH auf den nächsten Level zu bringen, ob es nun
darum geht, den Gästen eigene Funkgeräte zu geben oder die neuesten
Technologien in der Lawinenprognose einzusetzen.
„Wir müssen uns permanent der Herausforderung stellen, Heli-Skiing
sicherer zu machen. Ich bin dankbar dafür, dass es nie eine Finanzfrage
ist. Jedes Jahr geben wir so viel Geld aus wie nötig, damit es so sicher wie
möglich ist. Das ist der Kern unseres Unternehmens, und ich setze mich voll
dafür ein, dass das auch so bleibt.“
Gleichwohl ist Guyn der Erste, der einräumt, dass es keine Möglichkeit
Allerdings werden diese Icons zwangsläufig eines Tages jemand anderem
Platz machen. Wenn das geschieht, dann wird CMH das tun, was es am
besten kann: Menschen mit langjähriger, hart verdienter Expertise durch
Menschen mit langjähriger, hart verdienter Expertise ersetzen. Für CMH,
ein auf einem gewachsenen Fundament von erfahrenen Guides, Piloten und
Sicherheitsexperten begründetes Unternehmen, bedeutet dies in der Regel
Beförderung von eigenem Nachwuchs. Es war schon immer ein von Guides
gesteuertes Unternehmen, was sich darin zeigt, dass mehrere Guides, die
schon lange mit dabei sind, jetzt wichtige Führungspositionen belegen.
Doch nicht jeder hat Ambitionen, ins Management zu kommen. „Ich bin
ziemlich glücklich, Guide zu sein, für gute Zeiten zu sorgen und jeden sicher
nach Hause zu bringen“, sagt Luke, wenn er nach seinen Plänen für die Zukunft
gefragt wird. „Manchmal werde ich gefragt, was ich denn tun werde, wenn ich
erwachsen bin, und ich sage: ‘Dieses hier’. Dies ist es, was mein Vater und ich
tun. Wir sind Guides.“
Er hätte genauso gut über CMH selbst sprechen können. Seit seiner
verwegenen Gründung wird CMH von der Leidenschaft getrieben, Menschen
in die Berge zu bringen und ihnen das Abenteuer ihres Lebens zu bieten.
„Wir alle sind hier, weil wir das Skifahren lieben“, sagt Luke, der mal wieder
unabsichtlich den Zeitgeist von CMH zusammenfasst. „Menschen zu Orten
zu bringen, von denen sie nie gedacht hätten, dass sie dort einmal hinkommen
könnten, das Pulverschneegestöber über ihren Köpfen, das Lachen hören, das
Klirren der Skistöcke. Das ist es, worum es geht.“
Es könnte sogar reichen, dass man bis 75 oder vielleicht noch länger HeliSkiing macht. Geschichte ist eine lange, lange Zeit.
GRÜN VOR NEID
„Es ist ganz einfach.
Wir sind alle hier,
weil wir das Skifahren
lieben.“
EINE TRUPPE BERÜHMTER SURFENDER AUSSIES
ZEIGT, DASS SIE AUCH WAHRE AUSTRALIER SIND,
WENN ES UM DAS TOBEN AUF DEM SCHNEE GEHT
gibt, alle Gefahren vom Skifahren in der Wildnis zu eliminieren. Skifahren mit
CMH ist kein Zuckerschlecken. „Wir müssen das Risiko suchen wollen“, sagt
er, „sonst wäre Heli-Skiing nichts für uns“.
In der Wirtschaft wird oft von institutionellem Gedächtnis gesprochen,
aber bei CMH ist das mehr als nur ein abstrakter Begriff. Es sagt etwas aus
über die Tiefe ihrer Verpflichtung, dass jeder dieser Mitarbeiter, der die
Verantwortung weitergegeben hat, sich nicht tatsächlich im Ruhestand
befindet. Barker ist bis auf weiteres stellvertretender Chefpilot und arbeitet
täglich mit Dykeman zusammen um sicherzustellen, dass der Flugbetrieb
weiterhin so reibungslos wie eh und je abläuft. Bezzola ist vielleicht nicht mehr
Manager für Bergsicherheit, aber er ist in seiner neuen Beraterfunktion immer
noch regelmäßig im Banffer Büro von CMH präsent, damit wir uns bei Bedarf
seine 33-jährige Erfahrung zu Nutze machen können. Und dann ist da noch
Dan Griffith, der in nächster Zukunft keine Verantwortung abgeben wird, das
steht gar nicht zur Debatte.
Viele eng zusammengewachsene Gruppen haben einen festen Platz
im Kalender von CMH, aber nur wenige kommen so regelmäßig
oder sind so enthusiastisch wie die australische Surfer-Crew,
die seit 1994 CMH Galena für einen Zeitraum von zwei Wochen
beherrscht, der als Woche 0 bekannt ist. Die Grüne Gruppe, wie
die Mitarbeiter sie nennen, ist eine Truppe von Freunden mit
mehr als ein paar Experten aus der globalen Surfszene, darunter
Quiksilver-Mitbegründer Alan Green und John Law sowie Brian
Singer und Doug Warbrick, die Rip Curl aufgebaut haben. „Galena
ist das Ausrufezeichen, um das sich der Rest des Jahres dreht“,
sagt Singer von der wechselnden Besetzung – Freunde und
Familie gleichermaßen – die die 33 Plätze Jahr um Jahr füllen. „Die
ursprüngliche Kerngruppe bestand überwiegend aus Skifahrern,
die jetzt in den Sechzigern sind, während die Jüngeren mehr zum
Snowboarden neigen.“
„Sie sind jedoch alle Ripper und super lustig“, bestätigt Mike
Welch von CMH, der sie jedes Jahr führt. „Sie veranstalten viele
Kostümabende, australische Barbecues, Spanferkel – was immer sie
auch tun, sie kommen einfach immer voll auf Touren.“ Er bemerkt,
dass im Dezember letzten Jahres, ohne ersichtlichen Grund, „ein
Haufen von ihnen plötzlich beschließt, sie bräuchten eine MohawkFrisur“. Und was das Risiko angeht, wenn man super-früh in der
Saison bucht... Keine Bange. „In einem Jahr hieß es, ‘Bemüht euch
nicht, es lohnt sich nicht’“, erinnert sich Singer. „Aber wir haben
gesagt, „Scheiß drauf, wir kommen“. Und wir hatten trotzdem eine
tolle Zeit.“
l
ah
elz
i
V t.
ine unk
e
et gsp
et
bi sgan
rU u
de te A
w
k
Po rfe
pe
30
ie
rw
e
Ab
e.
n
te
rit
ch
s
e
tg
or
F
ür
nf
e
s
ur
nK
vo
HIMMLISCHES KLASSENZIMMER
EY
LL
E
SH
CH
US
N
AR
ist
t,
e
nd
sfi
au
r
he
s
rl’
Gi
:
1
10
er
d
w
Po
r
de
ol
o
h
Sc
WENN ICH ZURÜCKDENKE AN ALLES, WAS ICH GELERNT HABE BEI POWDER U
– und es war eine ganze Menge – woran ich mich am meisten erinnere, ist der ‘Bounce’.
Der ‘Bounce’, verstehst du, definiert den Erfolg im Pulverschnee. Erfahrene Pistenfahrer
benötigen Techniken zum Kanten, Kurven und Karven auf harten, präparierten Abfahrten.
Aber das lässt sich schlecht auf Hängen umsetzen, wo die weiße Pracht knie-, oberschenkeloder hüfthoch ist. Dort musst du fast alles vergessen, was du auf den Pisten gelernt hast;
halte deine Ski gleichmäßig belastet und „bounze“ von einem Turn zum anderen wie
ein sorgloses Kaninchen. Sobald du die geheimnisumwitterte Hochtiefbewegung mit
gleichzeitiger Drehung – also den ‘Bounce’ – begriffen hast, geschieht allerhand Positives.
Was für eine Dreistigkeit: überhaupt daran zu denken, meine Skier in einen
Hubschrauber-Korb zu werfen, ohne irgendeine Ahnung vom ‘Bounce’ zu haben. Aber
das ist das Ziel von Powder U, der Serie von Trips bei CMH, die auf Coaching und
Kompetenzentwicklung ausgelegt ist statt darauf, vertikale Meter zu zählen. Wie bei einem
akademischen Studienplan starten die Powder U Kurse mit dem Anfängerniveau Powder
101 und Powder 101: Girl’s School und schreiten von dort dann weiter nach oben (äh, nach
unten) fort. In den Kursen für fortgeschrittenere Skifahrer werden alle möglichen Themen
abgedeckt – von Sicherheit im Backcountry über Filmen bis hin zu Geländemerkmalen wie
Bäume, Steilhänge und Schneelöcher. Es gibt sogar einen „Abschlusskurs“ – Powder 707:
The Masters – für gestandene Fahrer und Fahrerinnen, die sich mal wieder ordentlich ins
Zeug legen möchten.
Im vergangenen März meldete ich mich (blauäugige Studentin und Heliski-Anfängerin)
bei Powder 101: Girl’s School bei CMH Revelstoke an. Ich hatte definitiv Bammel. Für viele
Frauen, selbst an präparierte Skipisten gewöhnte Ski-Superstars, zu denen ich eindeutig
nicht gehörte, hat Heli-Skiing einen unbestreitbaren Einschüchterungsfaktor. Wie viele
Rookies fürchtete ich, einer Bewährungsprobe unterzogen zu werden, in eine Gruppe
knallharter, vertikale Meter abhakender ‘Hotshots’ zu kommen und dass man von mir
erwarten würde, Schritt zu halten oder die Schande erleiden zu müssen, der Gruppe ein
Klotz am Bein zu sein. Glücklicherweise hat sich jedoch das genaue Gegenteil bewahrheitet.
Wir waren eine von vier in jener Woche in Revelstoke gleichzeitig bei
CMH untergebrachten Gruppen. Obwohl wir beim Skifahren unter uns
blieben, kamen wir bei allen anderen Gelegenheiten wie Mahlzeiten, AprèsSki, Statusbesprechungen und dergleichen mit den Teilnehmern der anderen
Gruppen zusammen. Unsere aus elf Personen bestehende Truppe war eine
Mischung aus Frauen, die wie ich solo waren, und anderen, die mit ihrem Partner
unterwegs waren. Da war z.B. Lucie, eine elegante, in der Pharmaindustrie
tätige Führungskraft aus Québec (und angehende Großmutter), die mit
ihrem Partner Louis gekommen war. Obwohl Lucie mit der Anmut eines ExModels fuhr, war sie Louis, einem Skilehrer, der bereits eine beeindruckende
Anzahl von CMH-Trips vorweisen konnte, in keiner Hinsicht gewachsen. Bis
zu diesem Zeitpunkt hatte er sich mit dem Gedanken abgefunden, dass HeliSkiing ein Herrenabend war. Aber angesichts der Möglichkeit, dass Lucie im
Frauenkurs mitfahren konnte, nahm er begeistert das Beste aus beiden Welten
mit – sein Heli-Skiing und sein Cherie Amour.
Ebenso war Barbara, ein Professorin für Psychologie aus New Jersey, auf
einer westlichen Tour-de-poudre mit Ehemann Mike, der mit einer anderen
Gruppe fuhr. In ihrem Fall hatte Barbara ebenso viel Erfahrung wie Mike, denn
beide besitzen nicht nur eine sondern zwei Ehrenauszeichnungen (sprich:
Skianzüge von Arc’teryx), mit denen CMH diejenigen belohnt, die Schwindel
erregende eine Million vertikale Fuß gefahren sind. Doch Barbara, die jetzt in
den Siebzigern ist und an beiden Knien eine Bandage trägt, fuhr naturgemäß
langsamer. Trotz ihrer ausgedehnten Erfahrung fuhr sie eher auf der gleichen
Höhe wie meine Gruppe, in der die meisten genau wie ich mit Fuß Nr. 1
begannen.
Abgerundet wurde unser Aufgebot von den Schwestern Nara und Larissa,
kecken Müttern aus Kalifornien, die ihre erste Kostprobe vom Heli-Skiing
dank ihres Vaters Norm bekamen, einem rüstigen Siebziger und routinierten
Pulverschnee-Experten. Unter den anderen Alleingängern befanden sich
Carrie, eine Mutter aus Colorado und Mountainbike-Enthusiastin, Kate,
eine redselige Trainerin für Führungskräfte aus Pennsylvania, und Kim, eine
leistungsstarke Rechtsanwältin aus dem Osten Kanadas, die das zusätzliche
Glück hatte, während ihres Aufenthalts ihren in Revelstoke als Skilehrer tätigen
Sohn besuchen zu können. Ebenfalls auf der Liste: CMH-Mitarbeiterinnen
Sarah und Ellen, plus zwei Frauen aus Calgary, zu denen auch ich gehörte.
Obwohl die Girl’s School Guides/Skilehrer nicht immer Frauen sind,
standen die Sterne auf diesem Trip günstig, da wir von zwei sachbetonten,
alpinen Amazonen betreut wurden: Alison Andrews und Lili Lambert. Für
die beiden, die daran gewöhnt waren, mit den ‘Big Boys’ herumzuziehen und
chauvinistischen Bemerkungen in starker, seidenweicher Fasson zu begegnen,
32
HIMMLISCHES KLASSENZIMMER
hatte dieser Trip natürlich eine sanftere Note. Das sollte aber nicht heißen, dass
sie es dieser Klasse leicht machen würden.
Während das Skifahren die raison d’être jeder CMH-Reise ist, war und
immer sein wird, besteht ein wesentlicher Teil von Powder 101 darin, dass
man erst einmal die Grundlagen lernt. Der erste Tag brachte die erforderliche
Lawinenkunde und Sicherheit im Schnee, gefolgt von einem Briefing über
das Wie, Was und Warum beim Ein- und Aussteigen von Helikoptern wie
z.B. der ‘Helihuddle’, eine Art Gruppenumarmung, damit alle beim Abheben
und Landen des Hubschraubers im Blickfeld des Piloten sind. Während man
instinktiv eine Straußenhaltung einnehmen will, wenn sich der Helikopter
nähert, erinnerte uns Alison daran, dass man besser die Augen auf den
Himmel gerichtet hält und bereit ist, zur Seite zu springen, falls plötzlich ein
Windstoß auftreten sollte.
Es gibt noch mehr zu lernen, wenn man auf der Spitze des ersten verschneiten
Hangs abgesetzt wird, was damit beginnt, wie man die Ausrüstung anlegt. Hast
du schon einmal versucht, dich einzuklicken, wenn du in knietiefem Schnee
stehst? Es ist viel einfacher, wenn man die Endstücke der Skis in den Schnee
pfropft, um sie zu stabilisieren, bevor du in die Bindungen trittst. Und dann
ist da noch die Sache mit dem Skifahren mit einem Guide und einer Gruppe
in ungewohnter, gnadenloser Bergwildnis. Du lernst, den leitenden Guide im
Auge zu behalten und freudigen Lärm zu machen, damit die Gruppe weiß,
wo du bist, ob es nun ein Jauchzen, ein Jodeln, oder deine liebste Girl-PowerHymne im Ich-singe-in-der-Dusche-Stil ist (in meinem Fall war es der Refrain
von ‘What’s Up?’ von 4 Non Blondes).
Dann, wenn die ganze Ausrüstung angelegt ist und man die Sache mit
dem Guide begriffen hat, beginnt der Feldstudienteil von Powder U. ‘VirginPowder’-Jungfrauen haben bei diesen ersten Turns eher das Gefühl, Rehkitze
zu sein, die ihre ersten Schritte machen. Es ist ein neues Gefühl, fremd und
aufregend, so dass man aufmerksam und wach, ein wenig atemlos, etwas
verwirrt und, so war es jedenfalls bei mir, in völliger Hochstimmung ist. Von
da an ging es nur noch bergab, auf einfach herrliche Art.
Angeführt von dem unerschrockenen Zweiergespann Lili und Alison holten
die Teilnehmerinnen der Girl’s School das meiste aus ihrer Zeit in diesem
alpinen Skigelände heraus und kurvten durch die Bäume und über offene
Wiesen mit knie- und oberschenkeltiefem Schnee. Federleichte Flocken fielen
jeden Abend pflichtgemäß vom Himmel und fegten die vorherigen Skispuren
wie beim Schütteln einer Magischen Tafel fort.
Mit jedem Run war unserer kollektiver Fortschritt spürbar. Wir lernten es,
unsere Hände nach vorne und unsere Hüften zentriert zu halten, eine Position,
die einprägsam wenn auch etwas derb als (ähm) ‘sich lieben’ statt (ähm, ähm)
Kannst du lachen? Kräftig essen? Die Schwerkraft zu deinem Vorteil nutzen? Wenn ja, dann hast du vielleicht das Zeug für Powder U.
„Für viele Frauen,
selbst an präparierte
Skipisten gewöhnte
Superstars, zu denen
ich eindeutig nicht
gehörte, hat Heli-Skiing
einen unbestreitbaren
Einschüchterungsfaktor.“
34
HIMMLISCHES KLASSENZIMMER
‘zur Toilette gehen’ beschrieben wurde. Mit jeder Abfahrt wurden wir stärker, unsere
Kurven wurden immer runder und natürlicher. Wir gewannen an Selbstvertrauen
und waren weniger geneigt, dem Drang nachzugeben, das Tempo zu verlangsamen,
und eher in der Lage, mit dem Strom zu schwimmen.
Es entsteht eine wunderschöne Unbekümmertheit beim Tiefschneefahren, die
nicht mit Waghalsigkeit verwechselt werden sollte. Tiefschnee bringt eine natürliche
Geschwindigkeitskontrolle mit sich, und sobald man das akzeptiert hat und erkennt,
dass man seine Stöcke bergab richten kann, ohne dass man die gleichen Gefahren
eingeht, denen man auf einer mit hartem Schnee und Buckelpisten bedeckten Piste
begegnen würde, wird der Berg endlich zu einer weichen, einladenden Spielwiese.
Und wenn es dir wie in unserer Truppe ergeht, dann wirst du jedes Mal, wenn du
rutschend zum Halten kommst, laut lachen.
In der Girl’s School gab es mehr Gelächter als nur das, was durch den puren
Rausch beim Meistern des ‘Bounce Turn’ verursacht wird. Die Alle-für-einenMentalität der Gruppe förderte eine angenehme, den Rücken stärkende Atmosphäre.
Am Ende des ersten Tages hatte jede einen Spitznamen: Lucie in the Sky with
Diamonds, Two-Million Foot Barbara, Killer Kim, Gnarly Narla. Larissa gaben wir
den Namen „The Torso“, da ihre Beine aufgrund ihrer dunklen Jacke und weißen
Hose im Schnee unsichtbar waren. Wir zogen uns gegenseitig an unserer kollektiven
Energie hoch, freuten uns an den Erfolgen und Fortschritten der anderen und halfen
uns gegenseitig, wenn wir fielen, was im Laufe der Woche immer seltener vorkam.
Auch nach dem Skifahren hielt die gute Stimmung weiter an. Wir setzten uns
zusammen und schauten uns ein ausgelassenes Video über unsere Skikünste an,
angefacht von Wein und Holunderblütenlikör. Die Girl’s School saß jeden Abend
zum Abendessen am selben Tisch, und Partner und Familienmitglieder waren gerne
willkommen. Hier erfuhren wir von der früheren Karriere von ‘Kate the Great’
als Leiterin eines Kreuzfahrtschiffs und von ‘Killers’ Alter Ego als Richterin. Wir
hörten Geschichten über Kinder, Ehemänner und Freunde, empfingen und gaben
Ratschläge, und gerieten vor Aufregung ganz aus dem Häuschen, als wir uns bei der
zweiten (und, okay, dritten) Flasche Wein in Erinnerungen über die Höhepunkte des
Tages ergingen.
Am letzten Abend hielt die Girl’s School in Sarahs Zimmer eine Art Abschlussfeier
ab, während wir uns aus Ellens umfangreichem Kostümsortiment mit DiskoAccessoires schmückten. Im Anschluss an unsere private Tanzparty hielten wir einen
extravaganten Einzug in den Bankettsaal, während die größten Hits von Donna
Summer aus einem Ghettoblaster dröhnten und einen geräuschvollen Ton für den
Rest der Festlichkeiten des Abends anschlugen.
Am abschließenden halben Tag fuhren Lili und Alison mit ihrer knallpinkfarbenen
Federboa und ihrer blendenden Elton-John-Brille aus dem Discountladen
(überraschend gut bei flachen Lichtverhältnissen, bemerkte Lili). Wir waren nun
Profis beim Ein-und Aussteigen des Helikopters und carvten voll selbstsicher unsere
eigenen Spuren durch den Pulverschnee. Wir machten ein paar unvergessliche
Abfahrten, bevor wir zurück zur Lodge geshuttelt wurden, wo wir uns schließlich
von den Absolventen der Girl’s School und von Freunden verabschiedeten.
Wehmütig denke ich nun zurück an meine Zeit in diesem Klassenzimmer in den
Wolken, wo ich lernte, zu hüpfen und unbekümmert zu fahren. Am wichtigsten aber
ist, dass ich auch gelernt habe, dass Heli-Skiing nicht nur für Hardcore-Fahrer ist,
was ich befürchtet hatte. Sicher, du kannst kein blutiger Anfänger vom Idiotenhügel
sein, und ja, es hilft, wenn du dich fit hälst. Aber die Girl’s School ist die Art von
unterstützender, offener Umgebung, in der sich jeder Pulver-Neuling glücklich
schätzen kann, Heli-Skiing zum ersten Mal zu probieren.
Für mich persönlich kennzeichnet sie den Beginn einer Herausforderung, die,
wie ich hoffe, eines Tages zu meinem eigenen Einmillionen-Fuß-Anzug führen wird
(dickes Lob an dich, Barbara, dass du mich dazu gebracht hast, diese Möglichkeit
überhaupt in Betracht zu ziehen). Und neben all dem hat die Girl’s School bewiesen,
dass Discomusik doch nicht tot ist.
Um ehrlich zu sein – das einzige, das fehlt, sind Doktorhüte, die man alle
gleichzeitig in die Luft wirft, und ein kräftiges Salut an unsere Alma Mater – das gute
alte Powder U!
CMH-JAHRBUCH
36
CMH-JAHRBUCH
Bruce Howatt
Manager für das Gebiet Bobbie Burns
Skifahren und Bergsteigen standen für Bruce schon
immer an erster Stelle, obwohl er ein Präriejunge
aus Edmonton/Alberta ist. Er gehörte zu der frühen
Welle von akkreditierten, in Kanada geborenen
Guides, machte seine erste Prüfung im Alter
von 18 Jahren und ist seit mehr als einem Viertel
Jahrhundert sommers wie winters bei CMH tätig.
Bruce war in den 1980er Jahren einer der besten
technischen Bergsteiger Kanadas, doch jetzt gibt
er seine Expertise zur Entwicklung von Features
wie Klettersteigen und Ziplines weiter, damit es
der adrenalinhungrigen neuen Generation von
Heliwanderern nicht an Herausforderungen fehlt.
Was das Skifahren anbetrifft, so sagt der Breakdancetanzende Vater von zwei Kindern: „Ich habe mehr
Verletzungen gehabt, als ich zählen kann, aber ich
glaube, ich hab’s immer noch drauf.“
Maria Hawkins
Reisekauffrau, Banff
Sie sind in guten Händen, wenn Ihre Buchung
von der im Hauptbüro von CMH tätigen
Supersportlerin bearbeitet wird. Maria, die in
England geboren und in Banff aufgewachsen
ist, ist so etwas wie ein Spätzünder, hat sie
doch erst im Alter von 25 Jahren mit dem
Rennradfahren begonnen. Aber kaum fünf
Jahre später startete sie bereits für Kanada
bei der Olympiade in Barcelona. Seitdem
hat sie ihrem Repertoire Mountainbiking und
Skilanglauf hinzugefügt, und immer noch
gelingt es ihr, die Welt zu bereisen und in ihrer
Altersklasse an Wettkämpfen von hohem
Niveau teilzunehmen. „Ich liebe lange Rennen
wie Schwedens Vasaloppet“, sagt sie. „Klar,
90 km sind eine lange Strecke, aber ich habe
das Glück, an einem Ort zu leben, an dem ich
perfekt trainieren kann.“
Guy Clarkson
Guide, McBride
Obwohl Guy behauptet, seine Tage hätten nur
24 Stunden, deutet sein Lebenslauf auf etwas
ganz anderes hin. Zu seinen vielen professionellen
Nebenbeschäftigungen gehören u.a. Pilot
(Starrflügler und Hubschrauber), Seemann,
Rancher, Filmemacher, militärischer Ausbilder
und Fernsehproduzent. Doch das Skifahren
übertrumpft alles. „Insbesondere jetzt, wo ich älter
werde, fühle ich mich unglaublich privilegiert“,
sagt der Vater von vier Kindern, der kurz vor seiner
33. Guiding-Saison steht. „Und jeden Winter liebe
ich es mehr.“ Guys Zwischensaison (als ob er eine
hat) bestand darin, nach Norwegen zu reisen, um
sich auf eine bevorstehende, in Kanadas Arktis
spielende Reality-TV-Serie vorzubereiten. Mit
klassischer Untertreibung gibt er zu, dass seine
Partnerin Judy die „verständnisvollste Frau der
Welt“ ist.
38
CMH-JAHRBUCH
Solve Sundsbo
Gast, London, GB
Wie viele Top-Modefotografen können sagen,
dass ihre ursprüngliche Inspiration von einem
Ski-Magazin kam? Nur dieser eine. „Ich habe
das Skifahren immer geliebt“, sagt der in
Norwegen geborene Sundsbo. „Ich erinnere
mich daran, mit 13 ein Praktikum in einem
Sportgeschäft gemacht zu haben, wo ich
alle Zeitschriften gelesen und mir die Videos
angeschaut habe. Ich sagte mir, ‘Eines Tages
werde ich in den Cariboos Ski fahren’.“ Das
tat er auch, aber zunächst erstürmte er seine
Branche mit einem einfachen, kunstvollen Stil,
der in allen Medien publiziert wurde, von der
Top-Werbung über die Modezeitschrift Vogue
bis hin zu einem Coldplay-Album – und sogar
ein 2011 mit einem Emmy ausgezeichneter
Dokumentarfilm war dabei. Sein nächster
Traum? „Meine vier Kinder nach CMH zu
bringen.“
Gary Tarna
Gast, Tokio, Japan
Die Familie von Gary, einem gebürtigen New
Yorker, zog, als er 14 war, nach Tokio, wo
er, abgesehen von einem Studium an der
University of Southern California, schließlich in
den im Perlenhandel tätigen Familienbetrieb
eintrat. Gary Tarna, der einst als Ski-Patroller
in den japanischen Alpen arbeitete – er ist
vollkommen zweisprachig – war 32, als er
seine erste Reise nach CMH machte. Vierzig
Besuche und rund sechs Millionen vertikale
Meter später sind seine zweimal jährlichen
Abenteuer in den Monashees zu einem in
Ehren gehaltenen Ritual geworden. Und
obwohl seine Geschäftstätigkeit nun auch
gebräuchliche Luxusgüter umfasst, kann er
immer noch eine perfekte Perle erkennen: „Es
gibt absolut nichts Besseres im Skisport als
die Waldabfahrten in den Monashees.“
40
CMH-JAHRBUCH
EIN SKI ause
h
u
Z
n
i
e
t
nde
Die Leute bei K2 Sports geben sich
mit einem kurzen Aufenthalt nicht
zufrieden und gehen aufs Ganze.
Sieh da, die CMH K2 Lodge wird
bald aus der Taufe gehoben.
fi
IN DEN LETZTEN VIER SAISONS hatten Ski-Designer und professionelle
Freerider von K2 Sports einen regulären Termin auf dem CMH-Kalender
reserviert. Sie dürfen das sogar Arbeit nennen angesichts dessen, dass sie
sich vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung mit der Erprobung
neuer Ski-Designs beschäftigen und für Unternehmen wie Warren Miller
Films große Spuren im Schnee hinterlassen.
Nun stellt sich heraus, dass ein riesiger Konzern wie K2 eine ähnliche
Einstellung hat wie jeder gewöhnliche Heliskier, denn etwa am 5. Tag
kommt grundsätzlich die Frage auf: „Warum mache ich das nicht die
ganze Saison lang?“ Und somit geschah es, dass letztes Frühjahr, als CMH
fragte, ob K2 an einer mehr dauerhaften Residenz interessiert wäre, das
Unternehmen genau so antwortete, wie jeder Skifahrer geantwortet hätte,
wenn er könnte: „Ja klar! Wann fangen wir an?“
In dieser Saison entsteht daher im malerischen, am Seeufer gelegenen
Ort Nakusp (dem ehemaligen CMH Kootenay) die CMH K2 Lodge. „Das
bedurfte keiner Überredungskünste“, sagt Mike Gutt, Global Marketing
Manager von K2. „Wir hatten so viele positive Erfahrungen gemacht – zuerst
in den Monashees, und insbesondere in den letzten beiden Saisons in CMH
Kootenay. Es ist ein cooler Ort, wo alles auf der gleichen Wellenlänge mit
K2 funkt – die Stadt, die Mentalität, das Gelände. Das Personal war sehr
aufgeschlossen, aber gleiches gilt auch für die anderen Gäste, deren Besuch
mit unserem zusammenfiel. Im vergangenen Jahr haben uns mehr als die
Hälfte von ihnen gefragt, wann wir in der nächsten Saison wiederkommen
würden, damit sie die selbe Woche buchen könnten.“
Das wird laut Marty von Neudegg, dem Leiter der Abteilung
Markenstrategie bei CMH, jetzt viel einfacher werden. „Wir arbeiten gerade
noch die genauen Details aus“, sagte er im Juli, „aber wir rechnen damit,
in allen 14 Wochen je drei-, vier- und fünftägige Aufenthalte anzubieten,
in denen ganz normale CMH-Skifahrer mit K2-Profis wie Seth Morrison,
Sean Pettit und Andy Mahre zusammenkommen können. Wir werden
eine Reihe von Themen zur Auswahl stellen, darunter Filmaufnahmen,
Angebote für Frauen und Ausrüstungstests.“ Er meint, dies sei für alle
ein neues Konzept und sicherlich ein laufendes Projekt. „Aber stellen Sie
sich vor – ein Skiunternehmen mit eigener Heliski-Lodge! Da werden eine
42
EIN SKI FINDET EIN ZUHAUSE
Menge Leute in der Skibranche sehr neidisch werden.“
Von Neudegg weist darauf hin, dass diese beiden Unternehmen vieles
gemeinsam haben. „Wir sind beide etwa im gleichen Alter. K2 feiert
2013 sein 50. Jubiläum, und CMH wird das gleiche 2015 tun. Und beide
Unternehmen waren Jahrzehnte, bevor dieser Begriff erfunden wurde,
stark im Freeriding engagiert.“
Offensichtlich bildet Freeriding das Kernstück des Ski- und
Snowboardgeschäfts von K2. Das Unternehmen stelle nicht einmal
Rennskis her, sagt Gutt. „Die ganze Welt bewegt sich auf die FreerideEthik zu, selbst in Europa, wo der Rennsport traditionsgemäß die Branche
beherrscht hat. Aber in der letzten Saison haben unsere Stückzahlen dort
drüben zum ersten Mal sogar die in Nordamerika übertroffen.“
Einer der wichtigsten Vorteile für CMH wird in der noch konzentrierteren
Forschung und Entwicklung künftiger Pulverschnee-Tools liegen. „Unser
Bestand von K2-Skis ist bei unseren Kunden bereits beliebt“, sagt von
Neudegg. „Das liegt zum Teil daran, dass ihnen ein großartiges Gebiet
zur Verfügung stand, in dem sie alle Arten von Flexmustern, Rockern und
Sidecuts ausprobieren konnten, und sie die Energie hatten, sich in puncto
Design richtig hineinzuknien. Wenn sich dieser Prozess nun auf die ganze
Saison erstreckt, dann können dabei nur bessere Skis herauskommen.“
Die anderen Erneuerungsarbeiten betreffen die Lodge selbst, und Gutt
verspricht grundlegende Veränderungen im verrückten K2-Stil, mit dem
die Leser von Skimagazinen sehr gut vertraut sind. „Wir reden hier nicht
von ein paar Postern hier und da“, sagt er. „Jeder Raum wird sein eigenes
Dekor haben. Es wird super funky sein.“ Rechnen Sie auch mit einem
Besuch des K2 Sasquatch, der Kneipentouren und spontane Sprünge in den
kristallklaren Upper Arrow Lake anführen wird.
Nicht, dass dieser Deal noch versüßt werden müsste, aber Gutt verrät
einen konkreten Bonus für jeden einzelnen Fahrer, der ein Angebot in
der CMH K2 Lodge bucht. „Sie erhalten kostenlos ein Paar K2-Skier
Ihrer Wahl, die im nächsten Jahr auf den Markt kommen, und zwar im
folgenden Herbst.“
Wie man in der Co-Branding-Branche sagt: Ist das nicht ein Wertangebot?
Das könnten Sie sein. Und um das Ganze abzurunden, bekommt jeder Besucher der CMH K2 Lodge kostenlos ein Paar K2-Skier seiner Wahl, die im
nächsten Jahr auf den Markt kommen,
Normalerweise geben riesige, behaarte Hominiden keine Befehle. Aber bei K2 laufen die Dinge ein wenig anders ab.