FamPra.​ch 2001, 338 ff.

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FamPra.​ch 2001, 338 ff.
Nr. 28 Kantonsgericht SG
FamPra.ch 2/2001
che egli non ha quindi fatto tutto quanto si poteva ragionevolmente pretendere
da lui per salvaguardare i propri diritti e non può pertanto chiedere una restituzione
del termine per appellare;
che per quanto concerne il termine di un anno cui egli si riferisce nel gravame,
esso non riguarda la procedura di appello contro un’autorizzazione di cambiamento
del cognome, bensì l’azione in contestazione del cambiamento di cognome prevista
dall’art. 30 cpv. 3 CC, che è tutt’altra cosa;
che tale azione, del resto, è esperibile davanti al Pretore del domicilio dell’attore
o del convenuto solo da chi porta il nuovo nome dell’interessato (Deschenaux/
Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 3 a ed., Berna 1995, n. 444 pag. 131), ciò
che non avviene manifestamente nella fattispecie;
che pertanto l’appello, tardivo, va dichiarato inammissibile e può essere deciso
secondo la procedura dell’art. 313bis CPC, senza invitare la controparte a presentare
osservazioni;
che, tenuto conto delle particolarità della fattispecie, si può rinunciare – eccezionalmente – alla riscossione di tasse e spese;
che non si giustifica di accordare ripetibili alla controparte, cui il gravame non è
nemmeno stato notificato.
(Inoltrata da lic. iur. Emanuela Epiney-Colombo, giudice di apello)
2. Eherecht – Droit du mariage
2.2 Eheschliessung – Conclusion du mariage
Nr. 28 Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer
Entscheid vom 6. September 2000 i. S. KE c. GE-E – BF.2000.39
Art. 2 Abs. 2 ZGB: Rechtsmissbräuchliche Eheschliessung. Eine Ehe, die von einem Ehegatten nur
geschlossen wurde, um vom Tod des anderen, schwer kranken Ehepartners zu profitieren, kann im
Sinne einer eng verstandenen und auf den Einzelfall bezogenen Ausnahme als rechtsmissbräuchlich betrachtet und für ungültig erklärt werden.
Art. 2 al. 2 CC: Mariage abusif. Un mariage conclu par un conjoint uniquement pour profiter de la
mort de l’autre conjoint gravement malade peut, au titre d’une exception interprétée restrictivement et
appliquée au cas individuel, être considéré comme abusif et déclaré nul.
Art. 2 cpv. 2 CC: Matrimonio con manifesto abuso di diritto. Un matrimonio contratto da parte di un
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2.2 Eheschliessung – Conclusion du mariage
coniuge unicamente con lo scopo di trarre profitto dal decesso dell’altro coniuge ammalato gravemente, può essere considerato un abuso di diritto e dichiarato nullo di pieno diritto ai sensi di un’eccezione afferente al caso specifico interpretata restrittivamente.
Aus den Erwägungen:
1. Der Kläger verlangte vor Vermittler, die Ehe sei für ungültig zu erklären. Vor
Bezirksgericht ergänzte er seine Klage und beantragte im Hauptstandpunkt die Ungültigerklärung, im Eventualstandpunkt die Scheidung der Ehe. Das war ohne weiteres zulässig. Die Klagen beruhen auf dem gleichen Lebensvorgang; Zuständigkeit
und Verfahrensart stimmen überein. Damit sind alle Voraussetzungen für eine Klageänderung gegeben (Art. 72 ZPO).
Die Ungültigerklärung einer Ehe hat im Wesentlichen dieselben Wirkungen wie
die Scheidung. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass die Erben eine bereits
erhobene Ungültigkeitsklage fortführen könnten, eine Scheidungsklage jedoch
nicht. Wird die Ehe nach dem Tod eines Ehegatten für ungültig erklärt, so entfallen
die güter- und erbrechtlichen Ansprüche des überlebenden Ehegatten rückwirkend
(Art. 109 Abs. 1 Satz 1 ZGB; Hegnauer/Breitschmid, Grundriss des Eherechts, 4.
A., Rz. 7.30).
Werden beide Klagen erhoben, so ist zunächst über die Ungültigkeitsklage zu
entscheiden, weil die Scheidungsklage mit deren Gutheissung gegenstandslos würde
(BGE 84 II 502; Lüchinger/Geiser, Basler Kommentar, N 2 der Vorbemerkungen
zu alt Art. 120 ff. ZGB). Dabei bleibt zu beachten, dass die Ehe nach dem In-KraftTreten des neuen Rechts nur noch nach dessen Bestimmungen für ungültig erklärt
werden könnte (Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB).
2. Das Bezirksgericht hat die Ehe als ungültig erklärt, weil die Beklagte aus rein
pekuniären Motiven geheiratet und die Absicht, eine Lebensgemeinschaft aufzunehmen, nur vorgetäuscht habe. Es hat angenommen, der Ehemann sei über wesentliche
persönliche Eigenschaften der Ehefrau getäuscht und dadurch zur Heirat bestimmt
worden (Art. 107 Ziff. 3 ZGB). Zu den persönlichen Eigenschaften zählen beispielhaft Missbildungen, schwere Krankheiten oder allenfalls Sterilität (Lüchinger/
Geiser, N 5 zu alt Art. 123–126 ZGB; Botschaft Scheidungsrecht, 80).
Das Heiratsmotiv stellt aber keine persönliche Eigenschaft dar und ist überhaupt unerheblich. Das Gesetz definiert eben die Ehe nicht und deshalb kann eine
eheliche Gemeinschaft, die bestimmte Merkmale nicht aufweist, auch nicht angefochten werden (Götz, Berner Kommentar, N 21 und 25 zu alt Art. 120 ZGB). Der
Hinweis in BGE 121 II 151, eine Ehe, die von Anfang an nicht als Lebensgemeinschaft geplant, sondern für zweckfremde Ziele benützt werde, könne im Allgemeinen zwar nicht geschieden, aber unter Umständen für ungültig erklärt werden, trifft
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deshalb kaum zu (AGVE 1997, 21). Es fehlt an einem gesetzlich umschriebenen Ungültigkeitsgrund: «En l’absence d’une base légale expresse, on ne peut pas annuler un
mariage fictif» (Deschenaux/Tercier/Werro, Le mariage et le divorce, 4. A.,
Rz. 319; vgl. auch Hegnauer/Breitschmid, Rz. 7.10; Hausheer/Geiser/Kobel,
Das Eherecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rz. 05.15). Das Bundesgericht
erklärte allerdings in seiner früheren Praxis zur sogenannten Bürgerrechtsehe, man
könne bei einer Ehe, die nie als Lebensgemeinschaft gedacht gewesen sei, wohl von
Simulation sprechen und jedenfalls feststellen, dass ein Missbrauch des Rechts zur
Ehe vorliege, der keinen Schutz verdiene. Eine solche zum Schein geschlossene Ehe
könne gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB für ungültig erklärt werden (BGE 65 II 133; 66
II 125; 67 II 63; 68 II 273). Weil aber der Rechtsmissbrauch keine «einwandfreie Basis
für normale Zeiten» darstellte (Götz, N 20 zu alt Art. 120 ZGB), wurde der Tatbestand der Bürgerrechtsehe gesetzlich normiert, solange dafür ein Bedürfnis bestand
(aArt. 120 Abs. 4 ZGB). Man kann sich nun auf den Standpunkt stellen, der Grundsatz, dass ohne gesetzliche Grundlage keine Eheungültigkeit angenommen werden
dürfe, gelte ausnahmslos, weshalb auch eine Scheinehe aus anderen Motiven nicht
mehr als ungültig erklärt werden dürfe (SJZ 1991, 286 Nr. 42; R. Meroni, Dogmatik
und praktische Bedeutung des schweizerischen Eheungültigkeitsrechts, Zürich 1984,
15; C. Suter Kasel, Le mariage fictif, Zürich 1990, 183). Das Interesse an einer festen Ordnung ist in Statussachen so ausgeprägt, dass ein Zurückgehen auf individuelle
Beweggründe und besondere Zwecke verpönt, eine Berufung auf Simulation ausgeschlossen ist (Merz, Berner Kommentar, N 293 zu Art. 2 ZGB). Immerhin liegt darin
nur eine Mahnung zur Zurückhaltung (ebenda). Man kann sich nun zwar keine typischen Fallkonstellationen, aber immerhin noch besonders krasse Einzelfälle denken,
die über Art. 2 Abs. 2 ZGB zur Ungültigkeit der Ehe führen mögen: «Tout au plus
pourrait-on réserver pour des cas exceptionels la possibilité d’invoquer l’interdiction
de l’abus de droit» (Deschenaux/Tercier/Werro, Rz. 321; ebenso Deschenaux,
in SPR II/1, 164; Schnyder, in ZBJV 1997, 38; Tuor/Schnyder/Schmid, Das
Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. A., 170; Zeller, Treu und Glauben und Rechtsmissbrauchsverbot, 342, und wenigstens im Sinne einer «theoretischen Möglichkeit»
Baumann, Zürcher Kommentar, N 333 zu Art. 2 ZGB). Unzulässig mag ein Ehezweck sein, wenn er sich derart weit von jeder rechtlichen und ethischen Vorstellung
entfernt, dass man geradezu von einer abartigen Verwendung sprechen muss (Riemer, Die Einleitungsartikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs, § 50 Rz. 30).
Die Beklagte betreute den aidskranken Kläger während ihres Praktikums im
«Lighthouse». Sie besuchte ihn danach regelmässig, nahm den intimen Verkehr auf
und verbrachte Ferien mit ihm. Vieles spricht dafür, dass sie sich dabei stets von finanziellen Motiven leiten liess und eine innere Bindung nur vorspiegelte. Es scheint
durchaus nachvollziehbar, dass die Beklagte mit der Bancomat-Karte des Klägers
wöchentlich grössere Geldsummen bezog und teilweise für sich verbrauchte, in seinem Namen Zuwendungen erschlich oder ihn dazu drängte, sie in seinem Testament
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als Erbin einzusetzen und den Sohn auf den Pflichtteil zu setzen, die Begünstigtenordnung in der beruflichen Vorsorge zu ihren Gunsten zu ändern und ihr eine Generalvollmacht für die gesamte Vermögensverwaltung zu geben. Auch wenn es für einzelne Begebenheiten (etwa das Abheben von Bargeld, das «zufällig» immer am
Besuchstag geschah) und die inneren Vorgänge (die Willensbildung des Klägers) nur
Indizien gibt, so fügen sich die Vorfälle doch zu einem geschlossenen Bild zusammen,
welches sich nur noch so erklären lässt, dass die Beklagte den Schwächezustand und
die gefühlsmässige Abhängigkeit des Klägers von Anfang an ausnützte und darauf
ausging, ihn finanziell auszuplündern. Freilich teilte ihr die Vorsorgeeinrichtung mit,
dass es nicht möglich sei, sie als «Lebenspartnerin» zu begünstigen, womit der bedeutsamste Vermögenswert, ein Vorsorgekapital von rund 350 000 Franken, unantastbar blieb. Danach führt eine zusammenhängende Kette von Ereignissen – unverzügliche Anhebung der Scheidungsklage gegenüber dem ersten Ehemann, Anfragen
über die beim Tod des Klägers zu erwartenden Versicherungsleistungen, vollständige
Geheimhaltung der Heiratsabsichten, Nottrauung, alsbaldiges Abschieben des Ehemanns und Abbruch aller persönlichen Kontakte – zum klaren Schluss, dass es der
Beklagten bei der Heirat einzig und allein darum ging, sich eine Teilhabe an der beträchtlichen Vorsorge des Mannes zu sichern. Glaubhaft wird damit schliesslich auch
das Vorbringen des Klägers, sie habe sich von ihm noch am Hochzeitstag förmlich
losgesagt und später erklärt, sie stimme einer Auflösung der Ehe nur gegen eine hohe
Entschädigung zu. Ein niedrigeres und verwerflicheres Heiratsmotiv als das, aus reiner Gewinnsucht die Notlage eines Todkranken auszubeuten und ihn damit in tiefe
Verzweiflung zu stürzen, eine noch stärkere Pervertierung der Ehe ist kaum mehr
vorstellbar. Wenn überhaupt in einem besonders stossenden Einzelfall eine Eheschliessung als einseitig rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden kann, dann muss
das in diesem Fall möglich sein. Der Gedanke, dass die Beklagte mit ihrem Vorgehen
bei einem möglichen Tod des Klägers während des Verfahrens doch noch Erfolg haben könnte, scheint unerträglich. Die Ehe ist von der Beklagten in evidentem
Rechtsmissbrauch geschlossen worden und darf im Sinne einer eng umschriebenen,
auf den Einzelfall bezogenen Ausnahme der früheren Praxis (BGE 65 II 133 ff.) folgend für ungültig erklärt werden.
3. Im Übrigen hätte auch die Scheidungsklage geschützt werden müssen. Anwendbar wäre wiederum das neue Recht (Art. 7b Abs. 1 SchlT ZGB). Danach kann
eine Ehe auf Klage eines Ehegatten vor Ablauf der vierjährigen Trennungsfrist geschieden werden, wenn für ihn eine Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen und ohne sein Dazutun unzumutbar ist (Art. 115 ZGB). In dieser Bestimmung
schlägt sich auch der Grundgedanke des Rechtsmissbrauchs nieder (Perrin, Les
causes du divorce, in Pfister-Liechti (Hrsg.), De l’ancien au nouveau droit du divorce,
26 f.; Micheli/Nordmann/Jaccottet Tissot, Le nouveau droit du divorce,
Rz. 194). Eine Scheidung wegen Unzumutbarkeit muss insbesondere dem Ehegatten
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zustehen, der eine Lebensgemeinschaft begründen wollte und nach der Eheschliessung feststellt, dass der andere nie einen echten Ehewillen hatte und nur heiratete,
um sich irgendwelche sachfremden Vorteile zu verschaffen (Steck, Scheidungsklagen, in Stiftung für juristische Weiterbildung (Hrsg.), Das neue Scheidungsrecht, 37).
Der Scheidungsgrund der Unzumutbarkeit ist also erfüllt bei einer von der beklagten
Partei arrangierten und nicht wirklich gewollten Ehe (Fankhauser, in Schwenzer
(Hrsg.), Praxiskommentar Scheidungsrecht, N 4 zu Art. 114 ZGB). Dem unheilbar
kranken Kläger wäre es keinesfalls zuzumuten, auf seine mutmassliche Lebenszeit an
einer Ehe festhalten zu müssen, die er gutgläubig einging, die aber die Beklagte nur
deshalb schloss, um von seinem Tod zu profitieren.
(Eingereicht von lic. iur. Rolf Vetterli, Gerichtspräsident)
Bemerkungen:
Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass im vorliegenden Fall das Gericht mit allen
Mitteln verhindern wollte, dass die Ehefrau zu ihrem Ziel kommt. Der vom Gericht gewählte Weg erweist sich aber als untauglich und mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar.
Im vorliegenden Fall lag dem Kantonsgericht sowohl eine Begehren um Ungültigerklärung der Ehe wie auch eine Klage auf Scheidung nach Art. 115 ZGB vor. Zu
Recht hielt es fest, dass beide Rechtsbegehren nach dem neuen Recht zu entscheiden
sind. Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB hält ausdrücklich fest, dass nach dem Inkrafttreten des
neuen Rechts sich auch die Ungültigkeitsklagen bei Ehen, welche noch unter altem
Recht geschlossen worden sind, nach dem neuen Recht richten.
Das Kantonsgericht hat in seinem Hauptstandpunkt die Ehe als ungültig erklärt.
Es wollte damit erreichen, dass die Frau die Pensionskassengelder nicht erhält, auch
wenn der Mann vor Rechtskraft des Urteils sterben sollte. Das Kantonsgericht befürchtete, dass mit einer blossen Scheidung die Ehefrau dennoch zu ihrem Ziel
kommt, wenn der Ehemann vor Rechtskraft des Scheidungsurteils stirbt. Die Überlegung, dass nur eine Ungültigkeitsklage nicht aber eine Scheidungsklage von den Erben weitergeführt werden kann, ist zutreffend. Das Gericht übersieht aber, dass keine
Bestimmung die Pensionskassenansprüche erlöschen lässt, wenn die Ehe ungültig erklärt wird. Art. 109 ZGB verweist für die Wirkungen der Ungültigerklärung der Ehe
auf die Scheidung. Sie hat somit zur Folge, dass die scheidungsrechtlichen Bestimmungen über die berufliche Vorsorge (Art. 122 bis 124 ZGB) auch bei der Ungültigerklärung zur Anwendung gelangen (Thomas Geiser, Berufliche Vorsorge im neuen
Scheidungsrecht, in: Hausheer (Hrsg.), Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern
1999, Rz. 2.24.). Sozialversicherungsrechtlich wird die Ungültigkeit wie die Scheidung
behandelt. Eine ungültige Ehe lässt den aus einer früheren Ehe stammenden Anspruch auf Hinterbliebenenrente untergehen (Thomas Geiser, Das EVG als heim342
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liches Familiengericht?, in: Sozialversicherung im Wandel, Bern 1992, S. 379 f.).
Andererseits kann aber die nach dem Tod eines Ehegatten ausgesprochene Ungültigerklärung der Ehe den mit dem Tod entstandenen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nicht aufheben. Die für das Erbrecht in Art. 109 Abs. 1 ZGB vorgesehene
Regelung lässt sich nicht analog auf das Sozialversicherungsrecht übertragen.
Schliesslich kennt sowohl die AHV wie auch das BVG unter gewissen Umständen einen Anspruch auf Witwenrente der geschiedenen Frau (Art. 24a AHVG und Art. 19
Abs. 3 BVG). Der Eheauflösung kommt im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche
Bedeutung zu, wie im Erbrecht.
Mit der Ungültigerklärung der Ehe wird somit genau das nicht erreicht, was das
Gericht erreichen wollte. Wenn der Ehemann stirbt, bevor die Ehe rechtskräftig aufgelöst worden ist, lässt sich der Pensionskassenanspruch – unabhängig davon ob nachher
die Ehe noch als ungültig erklärt wird oder nicht – nur mit dem Argument verweigern,
dieser Anspruch werde rechtsmissbräuchlich erhoben. Ob die Pensionskasse mit dieser Argumentation Erfolg hat, scheint zweifelhaft. Die Frage kann jedoch nur durch
das Versicherungsgericht im Prozess zwischen der Pensionskasse und der Anspruchsstellerin geklärt werden, nicht vom Zivilgericht im Prozess zwischen den Ehegatten.
Die Gutheissung der Ungültigkeitsklage nützt aber nicht nur nichts, sie ist überdies
auch mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Das Heiratsmotiv ist kein im Gesetz
vorgesehener Grund für die Ungültigerklärung einer Ehe. Selbst die absichtliche Täuschung über ein Heiratsmotiv genügt nicht. Art. 107 Ziff. 3 ZGB lässt nur die absichtliche Täuschung über persönliche Eigenschaften der anderen Partei als Ungültigkeitsgrund zu. Wie das Kantonsgericht selber feststellt, fällt aber das Heiratsmotiv nicht
unter die persönlichen Eigenschaften.
Das Gericht ging dann auch davon aus, dass keiner der in Art. 105 und Art. 107
ZGB aufgeführten Gründe vorliege. Es stützte seinen Entscheid vielmehr ausschliesslich auf Art. 2 Abs. 2 ZGB. Das Gericht übersieht damit aber, dass der Gesetzgeber aus
Gründen der Rechtssicherheit bewusst eine abschliessende Regelung treffen wollte. Im
Gegensatz zum alten Recht hält das geltende Gesetz dies nunmehr auch ausdrücklich
in Art. 104 ZGB fest. Bezeichnenderweise geht das Kantonsgericht mit keinem Wort
auf diese Bestimmung ein. Es scheint sie schlicht übersehen zu haben.
Demgegenüber hat das Kantonsgericht in seiner Eventualbegründung zu Recht
das Vorliegen eines Scheidungsgrundes nach Art. 115 ZGB angenommen. Selbst wenn
der engen Auslegung dieser Norm zu folgen wäre, welche das Bundesgericht in den ersten von ihm beurteilten Entscheiden verfolgte (BGE 126 III 405 ff.), nun aber relativiert hat (Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Februar 2001, 5C.160/2000), ist ein Abwarten der vierjährigen Trennungsfrist nicht zuzumuten. Ausschlaggebend sind dabei
allerdings nicht die Heiratsmotive. Viele Ehen werden aus wirtschaftlichen Gründen
geschlossen und dieses Motiv entsprach während langer Zeit einer Tradition. Es ist
nicht zu verkennen, dass die Scheidungsraten erst angestiegen sind, seit die Ehen nicht
mehr in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen sondern aus Liebe geschlossen wer343
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Nr. 29 Obergericht ZH
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den. Eine schnelle Scheidung wird vorliegend aber durch das Verhalten der Ehefrau
gerechtfertigt, welche nach der Heirat den Ehemann sofort fallen liess und ihm mit aller
Deutlichkeit zeigte, dass sie ihn nur als Mittel zum Zweck verwenden wollte.
Prof. Dr. iur. Thomas Geiser, St. Gallen
Zu den Bemerkungen von Prof. Thomas Geiser zum Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 6. September 2000:
Art. 104 ZGB gibt den schon bisher anerkannten Satz «keine Eheungültigkeit
ohne gesetzliche Grundlage» nun ausdrücklich wieder. Dieser zielt vor allem darauf
ab, die obligationenrechtlichen Regeln über die Willensmängel auszuschalten (Hausheer/Geiser/Kobel, Das Eherecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rz. 05.15,
notabene auch ohne Gesetzeszitat). Eine abschliessende Aufzählung der Ungültigkeitsgründe im Gesetz kann das Prinzip des Verhaltens nach Treu und Glauben, welches die gesamte Privatrechtsordnung überdacht (J. P. Müller, Grundrechte in der
Schweiz, 3. Aufl., 485), aber nicht einfach aufheben. Das Verbot des offenbaren
Rechtsmissbrauchs verliert damit seine normberichtigende Funktion (BGE 120 III
134; Berner Kommentar/Meier-Hayoz, Art. 1 ZGB, N 295 ff. und Merz, Art. 2 ZGB,
N 23 ff.) wohl nicht ganz. Begründet ist immerhin die Mahnung zu äusserster Zurückhaltung. Man kann sich deshalb durchaus fragen, ob es wirklich geboten war, die Ehe
für ungültig zu erklären, oder ob es allenfalls genügt hätte, einzelne aus dieser Ehe abgeleitete Rechte mit dem Hinweis auf einen Missbrauch zu verweigern.
Lic. iur. Rolf Vetterli, Gerichtspräsident, St. Gallen
Nr. 29 Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer
Entscheid vom 13. November 2000 i. S. T c. T – LC000 048
Art. 104 ff. und 115 ZGB: Scheinehe; Abweisung sowohl der Ungültigkeits- als auch der Scheidungsklage. Eine Vereinbarung über die Bezahlung eines Heiratspreises ist nichtig. Die Eheschliessung als
solche ist von einer derartigen Vereinbarung jedoch nicht betroffen und es liegt kein gesetzlicher Ungültigkeitstatbestand vor. Das Gleiche gilt für die Scheinehe, die zur Umgehung des Ausländerrechts
eingegangen wurde. Der Ehegatte, der in Kenntnis der Umstände bewusst einer Scheinehe zustimmt,
um einen Heiratspreis zu erlangen, hat keinen Anspruch auf Scheidung der Ehe vor Ablauf der vier-
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