Die moderne Therapie der Aortendissektion

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Die moderne Therapie der Aortendissektion
Die moderne Therapie der Aortendissektion
Aktuelle Kardiologie und Angiologie - AKA 2012
17.03.2012
Prof. Dr. Dr. h.c. M. Beyer
Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Klinikum Augsburg
Aortendissektion – wann ist der
Herzchirurg gefordert?
Perikardiale
Umschlagsfalte
Klassifikationen der Aortendissektion
De Bakey - Klassifikation
Kriterien: Lage des Entrys und Ausdehnung der
Dissektion
Typ I
:
Typ II :
Typ III :
Entry in der Aorta ascendens,
bis in den descendierenden Teil reichend
Beschränkung auf die Aorta ascendens
Entry distal der Bogengefäße
Stanford - Klassifikation
Kriterien: Befall der Aorta ascendens ja/nein
Typ A :
Typ B :
Aorta ascendens ist betroffen
ausschließlich Befall der Aorta descendens
Entstehungsmechanismus
- Zerreißung der Tunica media der Aortenwand – entry
- Bildung eines zweiten, „falschen“ Lumens – intimal flap
- Fluß des Blutes durch beide Lumina
- Optional erneuter, distal lokalisierter Einriss der
Tunica media (re-entry)
Sonderfall:
Intramurales Hämatom
11 mm
23 mm
5 Tage
Spontane, lokalisierte Einblutung in
die Gefäßwand durch Ruptur eines
Vasa vasorum oder eines
arteriosklerotischen Plaques
meist ebenfalls akut einsetzender
Thoraxschmerz
Ätiologie
langjährig bestehender arterieller Hypertonus
fortgeschrittene Arteriosklerose (Plaqueruptur)
kongenitale oder erworbene Strukturschwäche durch
Kollagenfehlsynthese (Marfan, Ehlers-Danlos,
Medianekrose Erdheim-Gsell,
Mutation des TGFBR2-Gens)
entzündliche Gefäßwandveränderungen
z.B. bei Lues (Spätstadium), Takayashu-Arteriitis
„Aufweichung“ der Aortenwand durch hormonelle
Umstellung in der Schwangerschaft
Dissektion infolge eines schweren Thoraxtraumas (Rarität)
Klinische Symptome
thorakaler Schmerz: intensiv und vernichtend
(CAVE: Abgrenzung zu Angina pectoris/Myokardinfarkt)
Ischämie durch Abscherung aortaler Äste
•myocardial – Herzinfarkt
•cerebral – Apoplex
•Rückenmark - akute Paraplegie
•intestinal – Darmnekrosen
•A. renalis – akute Anurie
•Extremitäten – Pulsdefizit
Symptome durch Verdrängung anderer Organe
Stridor – Trachea
Heiserkeit – N. laryngeus reccurens
Dysphagie – Ösophagus
hämorrhagischer Perikarderguss / Perikardtamponade mit
konsekutiver Kreislaufinsuffizienz
Bei Perforation ins Perikard : Tod durch fulminante
Perikardtamponade innerhalb weniger Minuten
Diagnostik
Transösophageale
Echokardiographie
Computertomographie
(multi-slice
Angio-CT)
Linksherz katheter ???
Verlauf und Prognose
Letalität von 1-2% pro Stunde – in den ersten 48h
Überlebensrate nach 48 Stunden < 50 %
geringer Anteil verläuft chronisch
1 Monatsüberlebensrate 16 % ohne Operation
1 Jahresüberlebensrate < 10% ohne Operation
nach operativer Versorgung Frühletalität 10 – 15 %,
meist infolge einer Organischämie
Wie haben sich die Erkennung, die
Therapie und die Ergebnisse in der
vergangenen Dekade verändert?
Erkennung des Krankheitsbildes
Frühzeitigere Diagnose
durch Förderung des
Bewusstseins für
Aortenerkrankungen
40
Verbesserte
diagnostische „tools“
erleichtern die rasche
korrekte Diagnose
25
Chirurgisch versorgte
disseziierte Aortenaneurysmen Typ
Stanford A in Augsburg
1985 - 2010
35
30
20
15
10
Etablierte klinische
Algorithmen
minimieren den
Zeitverlust
5
0
1985
1990
1995
2000
2005
Bei der Typ A Dissektion ist die Zeitspanne bis zur
korrekten Diagnose überlebensentscheidend
2010
Operative Therapie
- die Notwendigkeit der intraoperativen Inspektion des Aortenbogens zum
Ausschluss eines entrys / re-entrys ist zwingend gegeben
- Kreislaufstillstand und Hypothermie erforderlich
- Früher : Kühlung des Patienten auf 18°
18 C Körperkerntemperatur zur Erreichung
einer entsprechenden cerebralen Ischämietoleranzzeit
Die tiefe Hypothermie ist mit einem
erheblichen Komplikationsprofil behaftet !
Operative Therapie
Komplikationen der tiefen Hypothermie:
• Peri-/ postoperative Kreislaufinsuffizienz durch
- Hypovolämie infolge von Kapillarschädigung (lange EKZ-Zeit)
- verstärkte Komplementaktivierung
• Gerinnungsstörungen, u.a. erhebliche Verlängerung der Gerinnungszeit durch
Auftreten großer Mengen körpereigenen Heparins (Antithrombokinase,
Antithrombin II) in der Wiedererwärmung
• Unberechenbare Verlängerung der Wirkdauer von Medikamenten infolge
verminderten Stoffwechsels und Abbaus
• Kompromittierung der zelluläre Immunabwehr, erhöhtes Risiko
postoperativer Infektionen
• Gehäuftes Auftreten hirnorganischer Psychosyndrome
Operative Therapie heute
•
•
•
•
Eine moderatere Hypothermie des Patienten hat die
früher angewandte Kühlung auf unter 20°C abgelöst.
Die selektive Hirnperfusion (A. brachialis, Truncus
brachiocephalicus) während des Kreislaufstillstandes
gestattet das weniger aggressive Vorgehen, 26 °C
Körperkerntemperatur sind unter dieser cerebralen
Protektion ausreichend um bis zu 45 Minuten
Kreislaufstillstand zu tolerieren.
Neuromonitoring der Oxygenierung der Hemisphären
erlaubt eine Abschätzung der Effizienz der
Hirnperfusion und kann ggf. zur Umplatzierung der
Perfusionskanüle bei unbekannten anatomischen
Varianten oder Gefäßstenosen Anlass geben.
Geringere Absenkung der Körperkerntemperatur führt
zu verkürzter extrakorporaler Zirkulation und reduziert
hämodynamische Insuffizienz, Gerinnungsstörungen
und Immunkomprimittierung.
Operative Therapie heute
Cerebraloximeter wird als Trendmonitor für
die Hämodynamik des Gehirns eingesetzt
Nah-Infrarot-Spektroskopie misst
Gleichgewichtsänderungen zwischen
Sauerstoffverbrauch und –bedarf in der
Großhirnrinde
Überwachung der ischämieanfälligen
Grenzzonen arterieller Versorgung im
Frontalbereich
Sowohl ein starker Anstieg wie auch ein
starkes Abfallen des Wertes über/unter die
Basislinie können auf eine pathologische
Entwicklung hinweisen
Ergebnisse – Augsburg
2002 (n=23)
2007 (n=26)
2010 (n=34)
Alter (Ø)
59,9
59,9
56,4
Geschlecht männl. (%)
52
53,8
61,7
Isol. Hirnperfusion (%)
0
88
82,4
OP-Zeit (Min.)
288
277
272
Perfusionszeit (Min.)
168
152
137
Stillstand (Min.)
34,5
28,2
20,7
Temperatur min. (°C)
19,4
24,7
25,3
Neurologie postop (%)
43
19,2
14,7
Beatmung (Std.)
118
36,5
48,2
Intensiv (Tage)
11,1
5,6
7,1
VWD (Tage)
24
15
17
GERAADA
-Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Aortenchirurgie und interventionelle
Gefäßchirurgie“ durch die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie im Februar 2005 (Leitung Prof. Dr. M. Karck)
-Etablierung des deutschen Registers für akute Aortendissektion Typ A (GERAADA)
im Juli 2006 (Leitung Prof. Dr. E. Weigang)
-Bis Ende 2010 wurden 3250 Dissektionen erfasst, davon 122 in Augsburg (3,75 %)
- Erste Erkenntnisse veröffentlicht im September 2009 (Auswertungszeitraum
07/2006 – 06/2008)
Erste Ergebnisse (GERAADA)
- 33 Zentren,
676 Patienten (davon 497 vollständig abgeschlossen)
- Durchschnittsalter 59,8 Jahre, 62,8 % männlich
- Arterieller Hypertonus in 58 %, vorbekanntes Aneurysma in 28 %
der Fälle
- Perikarderguss präoperativ 53,1 % (hämodynamisch relevant bei
21,1 %)
- Präoperative Aortenklappeninsuffizienz in 55,9 % (Grad I 9,7 %,
Grad II 18,1 %, Grad III 19,1 %, Grad IV 8,6 %)
- Neurologische Symptomatik 25 %, Organmalperfusion 35 %
- Mediane Zeitspanne Symptombeginn bis Operationsbeginn: 10
Stunden
Conzelmann et al, Deutsches Register für akute Aortendissektion Typ A
(GERAADA), Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2009, 23:298-304
Vision
Über die optimale Form der Akutversorgung (Diagnostik,
perioperatives Management, chirurgische Technik,
postoperative Weiterbetreuung) wird heute noch
kontrovers diskutiert. Konsens besteht lediglich in Bezug
auf die sofortige chirurgische Behandlung.
Nach aktueller Studienlage (wenige retrospektive Analysen
einzelner Zentren) lässt sich selbst die Frage nach der
bestmöglichen chirurgischen Technik nicht abschließend
beantworten.
Es besteht daher der Wunsch nach einer großen
europäischen Datenbank für alle Aortenerkrankungen zur
Erzielung entsprechend aussagekräftiger Fallzahlen nach
dem Vorbild des GERAADA. Eine entsprechende
gemeinsame Absichtserklärung wurde zuletzt durch
leitende Mitglieder der Fachgesellschaften abgegeben.
Zusammenfassung
• Die Aortendissektion Typ Stanford A ist ein akutes und
dramatisches Krankheitsbild, das der unverzüglichen operativen
Therapie bedarf
• Eine schnellstmögliche korrekte Diagnosestellung ist dabei
lebensentscheidend
• Die Sensibilisierung für das Krankheitsbild hat zu erheblichen
Verbesserungen in der Früherkennung geführt, so dass eine
Vielzahl der Betroffenen heute erfolgreich behandelt werden
kann
• Mildere Hypothermie sowie selektive Hirnperfusion und
Neuromonitoring als Weiterentwicklung der etablierten
Operationsverfahren führen zu verbessertem outcome der
Patienten (und begleitend zur Einsparung von Ressourcen)
• Ein internationales Register mit entsprechenden Fallzahlen
sollte zeitnah etabliert werden um Antworten auf offene Fragen
in Therapie und outcome zu erhalten