VICENTE DEL BOSQUE “CHRISTMAS TRUCE” ATHLETIC BILBAO

Transcription

VICENTE DEL BOSQUE “CHRISTMAS TRUCE” ATHLETIC BILBAO
NR. 9/10, 20. DEZEMBER 2013
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
2013
Magische Momente
Q UE
S
O
B
L
E
D
E
T
N
V IC E
UCE”
R
T
S
A
M
T
S
I
R
“CH
O
A
B
L
I
B
C
I
T
E
L
ATH
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
I N H A LT
5
15
Aufbruch im Sowjet-Stil
Der russische Fussball befindet sich im Aufbruch. Mit
geballter Wirtschaftskraft und sportlichen Ambitionen
wollen die Klubs Europa erobern. Die Finanzierungsmodelle aber erinnern an Sowjet-Zeiten.
18
Weltmeister Del Bosque im Interview
Er ist der erfolgreichste Trainer der Gegenwart. Und
er will Spanien zum ersten europäischen Weltmeister
auf südamerikanischem Boden machen. Vicente del
Bosque über seine Ziele, Wünsche und Sorgen.
21
Der Experte
Professor Jiri Dvorak, medizinischer Leiter der FIFA,
über das Fussballerleben nach einer Kopfverletzung
und warum im Zweifelsfall ein betroffener Spieler
draussen bleiben sollte.
25
Schillernde Torhüter
Lew Jaschin, Gordon Banks, Dino Zoff. Die grössten
Torhüter schrieben Fussballgeschichte. In den Weekly
Top 11 ist aber auch Platz für bunte Vögel.
26
33
45
Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
Fussballjahr 2013 – magische Momente
Der Aussenseiter Tahiti drängte auf die grosse
Fussball-Bühne. Trainerlegende Sir Alex Ferguson
sagt “Goodbye”. Die Frauen erobern die FIFA-Exekutive. Ein Besuch im San Siro wird zur Reise in die
Vergangenheit. Bayern München und Borussia
Dortmund mischen den europäischen Fussball auf.
The FIFA Weekly blickt auf ein bewegendes FussballJahr zurück. Magische Momente aus der persönlichen Sicht unserer Reporter und Kolumnisten.
Eigenständig, einmalig, erfolgreich
Anachronismus im globalisierten Fussball: Athletic
Bilbao setzt nur auf Spieler mit baskischen Wurzeln.
Trotzdem hält sich der Klub hartnäckig in der spanischen Spitzenklasse.
Wagner Ferreira dos Santos
Mit Fluminense nicht abgestiegen
B latter: “Die Klub-WM ein Meilenstein”
Die Klub-WM hat sich im internationalen Spielkalender etabliert. Gleichwohl stösst der Wettbewerb nicht
auf ungeteilte Begeisterung. FIFA-Präsident Blatter
schaltet sich in die Debatte ein.
Turning Point
Hannu Tihinen hat in seiner Karriere viele Schläge
gegen den Kopf hinnehmen müssen. In seinen letzten
Profi-Jahren spielte er nur noch mit Kopfschutz,
trotzdem musste er seine Karriere 2010 vorzeitig
beenden.
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
Premier League
23.12.2013
26.12.2013
Arsenal – Chelsea
Hull City – Manchester United
Aston Villa – Crystal Palace
Cardiff City – Southampton
Chelsea – Swansea City
Everton – FC Sunderland
Newcastle – Stoke City
Norwich City – Fulham
Tottenham – West Bromwich
West Ham – Arsenal
Manchester City – Liverpool
2
T H E F I FA W E E K LY
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa
53 Mitglieder
www.uefa.com
Hannu Tihinen
Von Kopfverletzungen
gebremst
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
Alex Ferguson
Eine Legende tritt zurück
NR. 9/10, 20. DEZEMBER 2013
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
2013
Magische Momente
Marcello Lippi
Mit Guangzhou Evergrande an der Klub-WM
Vicente del Bosque
Im Interview
BOSQUE
VICENTE DEL
TRUCE”
“CHRISTMAS
AO
ATHLETIC BILB
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
Farbtupfer
Der tahitianische
Kapitän Nicolas Vallar
lieferte mit seinem Team
am KonföderationenPokal den Beweis, dass
auch kleine Nationen
ihren Platz auf der
grossen Bühne verdienen. Das Titelbild zeigt
ihn – illustriert im Stile
des Tahiti-erfahrenen
französischen Malers
Paul Gauguin – beim
Trikottausch mit dem
spanischen Spielführer
Cesc Fabregas.
Cover: Jon Berkeley Inhalt: Getty Images
Premier League
28.12.2013
29.12.2013
01.01.2014
West Ham – West Bromwich
Everton – Southampton
Swansea City – Manchester City
Aston Villa – Swansea City
Newcastle – Arsenal
Arsenal – Cardiff City
Hull City – Fulham
Chelsea – Liverpool
Crystal Palace – Norwich City
Manchester City – Crystal Palace
Tottenham – Stoke City
Fulham – West Ham
Norwich City – Manchester United
Liverpool – Hull City
Cardiff City – FC Sunderland
Southampton – Chelsea
Stoke City – Everton
FC Sunderland – Aston Villa
West Bromwich – Newcastle
Manchester United – Tottenham
T H E F I FA W E E K LY
3
EVERY GASP
EVERY SCREAM
EVERY ROAR
EVERY DIVE
EVERY BALL
E V E RY PAS S
EVERY CHANCE
EVERY STRIKE
E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L
SHALL BE SEEN
SHALL BE HEARD
S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
UNCOVERED
Amateure aus der Südsee fordern den Weltmeister.
Der vielleicht grösste Trainer der Gegenwart sagt
“goodbye”. Die Frauen drängen in die FIFAExekutive. Ein Besuch im San Siro wird zur Reise
in die Vergangenheit.
The FIFA Weekly blickt aufs Fussball-Jahr zurück.
Magische Momente aus persönlicher Sicht.
2013
T H E F I FA W E E K LY
5
2 013
→ http://fifa.to/19A95FI
Die Tahitianer Lorenzo Tehau, Ricky Aitamai, Samuel Hnanyine und Vincent Simon (v.l.)
am Konföderationen-Pokal-Spiel gegen Uruguay (23. Juni 2013).
TAHITI MIT WÜRDE UND STOLZ
Sven Goldmann
6
Roche spielt im Alltag für AS Dragon in der
Hauptstadt Papeete und hatte sich so mannhaft in die spanischen Schüsse geworfen, dass
ihn die brasilianischen Zuschauer zum “Man of
the Match” brüllen wollten. Aber diese Ehrung
blieb dann doch Torres vorbehalten. Der spanische Weltstar hatte kurz vor Schluss im Duell
Mann gegen Mann den Ball vom Elfmeterpunkt an die Latte geschlagen, was Roche so
ausgiebig feierte, als hätte er den Ball mit seinen Augen verhext.
Es war die Nacht, als Rio de Janeiro brannte
und der Fussball nur eine Nebenrolle im Schatten der Massendemonstrationen spielte. Und
doch war es eine Sternstunde. 75 000 Zuschauer
im Maracanã sangen, was sie normalerweise
singen, wenn Flamengo oder Fluminense oder
Botafogo spielt. Mit leichten Textänderungen,
die sie den neu entdeckten Helden aus der Südsee widmeten. Zur Aufführung war ein Spiel
gekommen, wie es so schnell bei einem offiziellen FIFA-Turnier nicht mehr zu sehen sein wird.
Mit einem David, der um seinen Platz wusste
und ihn akzeptierte. Und mit einem Goliath, der
nicht auf Abpraller und Eigentore und Eseleien
T H E F I FA W E E K LY
setzte, sondern auf fussballtechnische Präzi­
sion. Alles zum Wohle des Spiels.
Vordergründig wurde der KonföderationenPokal als das Comeback der Weltmacht Brasilien
gefeiert – mit dem 3:0 im Finale gegen die Spanier als Höhepunkt. Aber wird das bleiben?
Vielleicht wird man in ein paar Jahren, in
der Retrospektive dieses Turniers, nur noch
von Spanien und Tahiti erzählen. Von zwei
ungleichen Gegnern, die doch dasselbe im
Sinn hatten. Die Tahitianer kamen als Nummer 139 der Weltrangliste zum Turnier und
wollten mitspielen! Auf Angriff, mit einer
sensationell hochstehenden Verteidigung, wie
sie die Spanier nicht so oft antreffen. Keine
Fouls, keine Spielverzögerungen, keine
Unsportlichkeiten. Mit Würde und Stolz
schickten sie sich in das Unvermeidliche.
“Heute wurde dem Fussball kein Schaden zugefügt”, sagte Spaniens Trainer Vicente del
Bosque. “Heute hat der Fussball gewonnen.”
Å
Alex Livesey
Am Abend des 20. Juni 2013 hat sich Fernando
Torres verliebt. Das kommt schon mal vor, aber
eher selten beim Fussball, wo man sich im
günstigsten Fall respektiert. An diesem Abend
aber war alles anders, und das lag nicht daran,
dass Fernando Torres vier Tore geschossen
hatte im Maracanã, dem berühmtesten Fussballstadion der Welt. Am Ende dieses Abends
sagte der spanische Nationalspieler den schönen
Satz: “Wir alle sind Fans von Tahiti!”
Seine Zuneigung galt der Mannschaft, die
er mit seinen Kollegen gerade nach allen
Regeln der Kunst aus dem Maracanã geschossen hatte. Und doch war dieses 10:0 der Spanier
gegen Tahiti in der Vorrunde des Konföderationen-Pokals eine Sternstunde des Fussballs.
Mit leuchtenden Augen erzählte der Welt- und
Europameister sowie Champions-LeagueSieger Torres von den Erinnerungsfotos, für die
sie mit den Tahitianern posiert hatten. Von
dem “Lächeln in ihren Gesichtern”, von einem
Sportsgeist, der doch längst versunken schien
in der ergebnisorientierten Welt des modernen
Fussballs. Auch deshalb herzte Torres den ta­
hitianischen Torhüter Mikael Roche so intensiv.
2 013
→ http://fifa.to/18ZdGkm
Letzte Ehrerbietung: Stefano Borgonovo wird in Giussano (Lombardei) zu Grabe getragen.
STEFANO BORGONOVO LEBT WEITER
Imago
Luigi Garlando
Was wird vom Jahr 2013 in Erinnerung bleiben?
Vor allem die Augen von Stefano Borgonovo. Der
ehemalige Mittelstürmer der AC Milan, der Fiorentina und der italienischen Nationalmannschaft hat sie am 27. Juni nach einem achtjährigen Kampf gegen eine unheilbare Nervenkrankheit (Amyotrophe Lateralsklerose) für immer
geschlossen. Die Erinnerung hingegen bleibt.
Die Krankheit hat seinen Körper mit jedem
Tag stärker angegriffen, doch Stefano, der es als
guter Stürmer auch verstand, den Ball zu halten,
sammelte die restliche Lebenskraft in seinen
Augen und verteidigte diese erbittert. So sehr
die Krankheit auch an ihm nagte, er konnte seine Augen stets offen halten.
Mit seinen Augen kommunizierte, lachte
und lebte Stefano. Viele Jahre lang waren diese
strahlenden Augen wie ein Leuchtturm, der den
Weg zeigte und Kraft verlieh. Sein guter Freund
Roberto Baggio brachte es auf den Punkt:
“Lieber Stefano, deine grösste Leistung war es,
das Übel deiner Krankheit zu einer Medizin für
andere zu machen.”
Sein unermüdlicher Widerstand gegen das
Böse sollte auch eine Lektion in Sachen Sport
darstellen: Wie etwa ein Mittelstürmer, der bis
zur letzten Spielsekunde alles gibt, auch wenn
sein Team mit drei Toren zurückliegt und die
Partie bereits verloren ist.
Am Höhepunkt seiner Erkrankung erzählte
Stefano: “Ich habe gelernt, das wertzuschätzen,
was mir geblieben ist: Freunde, positive Gefühle,
manch seltene Bewegung. Ich sehe das Gute im
Leben und fühle mich dennoch glücklich, denn
ich weiss, dass es Menschen gibt, die sogar noch
weniger haben als ich. Daher kann ich immer
noch lachen.” Die unbändige Kraft der Hoffnung
und die Fähigkeit, das Leben wertschätzen zu
können, auch wenn dieses nur noch aus wenigen
Atemzügen besteht.
Am 17. März 2014 ist sein 50. Geburtstag.
Dieser wird trotzdem gefeiert, denn für uns
wird er immer weiterleben. In der Erinnerung
und als Vorbild.
Å
W A S I S T “A L S ” ?
Die Amyotrophe Lateralsklerose – auch bekannt
unter dem Lou-Gehrig-Syndrom – ist eine degenerative
Erkrankung des motorischen Nervensystems. Ihre Ursache ist unklar. Durch die Degeneration kommt es zur
zunehmenden Muskelschwäche (Lähmung) und Muskelschwund. Die Lähmungen verursachen Gang-,
Sprech- und Schluckstörungen sowie eingeschränkte
Koordination und Schwäche der Arm- und Handmuskulatur. ALS ist nicht heilbar. Die Überlebenszeit beträgt durchschnittlich etwa drei bis fünf Jahre. Der Tod
tritt häufig durch eine Lungenentzündung ein, die
durch zunehmende Schluckstörungen und die Lähmung der Atemmuskulatur ausgelöst wurde.
www.fondazionestefanoborgonovo.it
T H E F I FA W E E K LY
7
→ http://fifa.to/1bSiHez
2 013
EINE FRAU IM FIFA-EXEKUTIVKOMITEE
Tatjana Haenni
2013 wurde die erste Frau ins FIFA-Exekutivkomitee gewählt. Das stellt einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Frauenfussballs
dar. Der erste wurde bereits 1986 gesetzt, als die
norwegische Delegierte Ellen Wille am FIFAKongress in Mexiko darum bat, sich um den
Frauenfussball kümmern zu dürfen, worauf
1988 ein erster Test-Wettbewerb und 1991 die erste Frauenfussball-WM über die Bühne gingen.
Der zweite grosse Schritt folgte 1990, als
Hannelore Ratzeburg als erste und damals
einzige Frau Mitglied des neugegründeten
FIFA-Frauen­fussball-Komitees wurde. In den
folgenden Jahren nahmen regelmässig Frauen
Einsitz in FIFA-Komitees, so in die Technische
oder in die Fussball-Kommission.
Trotzdem sollte es bis 2012 dauern, bis
FIFA-Präsident Blatter den Anwesenden am
FIFA-Kongress in Zürich vorschlug, das Exekutivkomitee um eine Person zu erweitern, und
auf Einladung und durch Wahl des Kongresses
zum ersten Mal seit Bestehen der FIFA eine
Frau aufzunehmen. Lydia Nsekera, (ehemalige)
Präsidentin des Fussballverbandes aus Burundi
und IOK-Mitglied, wurde als erste Frau ein
co-opted Mitglied des Exekutivkomitees.
Gleichzeitig wurden die Statuten und Regularien so angepasst, dass einer offiziellen Wahl
Nsekeras ins Komitee am Kongress 2013 nichts
mehr im Wege stand.
Drei Frauen stellten sich zur Wahl, wobei
Lydia Nsekera vom Kongress bestätigt und als
erste Frau Mitglied wurde. Ihre beiden Mitstreiterinnen, Sonia Bien-Aime von den Turks
and Caicos und Moya Dodd aus Australien,
wurden vom Kongress als co-opted Mitglieder
aufgenommen. Co-opted, weil die Statuten vorerst nur die Wahl einer einzigen Frau ins
Exekutivkomitee vorsehen. Damit wurden die
beiden anderen ergänzend dazu gewählt.
Auch wurde entschieden, dass Frauen in
möglichst allen Kommissionen vertreten sein
sollen. So etwa in der Schiedsrichterkommission, die bislang ein Männergremium gewesen
war – wie einige andere Kommissionen auch.
Für die Zukunft der Frauen im Fussball,
aber auch für die Zukunft des Frauenfussballs,
ist die Wahl dieser drei Frauen von grosser Bedeutung. Es ist ein Meilenstein und auch ein
Zeichen an alle anderen Fussballverbände und
Organisationen, denn Frauen machen zahlenmässig die Hälfte der Fussballgemeinschaft
aus.
2013 scheint das Jahr des Durchbruchs für
Frauen in Entscheidungsgremien zu sein. Die
FIFA hat diese letzte Hürde übersprungen und
damit ein Zeichen gesetzt, in der Hoffnung,
dass möglichst viele Mitgliedsverbände es ihr
gleichtun werden. Nur wenn Frauen in den
höchsten Fussball-Entscheidungsgremien vertreten sind und der Frauenfussball in jedem
Verband eigene Strukturen hat, ist es möglich,
sich zu emanzipieren und den letzten Durchbruch zu schaffen.
Markus Ulmer
Å
Als erste Frau im FIFA-Exekutivkomitee:
Lydia Nsekera aus Burundi macht den Anfang.
8
T H E F I FA W E E K LY
2 013
Titel über Titel: Der FC Bayern München und sein frührerer Trainer Jupp Heynckes im Jubel.
GLÜCKLICHE TEAMS
Laurence Griffiths/Getty Images
Jordí Punti
Alle glücklichen Teams ähneln sich, aber jedes
unglückliche Team ist auf andere Weise unglücklich. 2013 hat uns einmal mehr gezeigt, dass der
Fussball ein Sport ist, der vom wöchentlichen Sehnen, von Freuden und Entbehrungen gekennzeichnet ist, und bei dem nur die guten Partien
uns lehren, die schlechten zu vergessen. Wenn ich
über ein Bild nachdenke, das stellvertretend für
dieses Jahr steht, dann muss das ein Tor sein, und
dann kommt mir eines von Ibrahimovic in den
Sinn. Er erzielte es im Spiel PSG gegen Bastia: Ibra
befördert einen abgefälschten Ball mit der Hacke
in einer Art Taekwondo-Bewegung über den Kopf
hinweg in die Maschen, mitten in einem Pulk gegnerischer Verteidiger stehend. Er ist ein Spieler
mit einem so einzigartigen Stil, dass seine Tore
nur an Treffer erinnern, die er selbst erzielt hat.
Wir wollen hier nicht die unglücklichen
Teams in Erinnerung rufen, denn oftmals sind sie
nur die Folge fremden Glücks. Das glücklichste
Team muss hingegen Bayern München sein. Die
Auftritte in der Bundesliga und der Champions
League haben gezeigt, dass sie wirklich begnadet
waren, insbesondere zeigte sich dies im Hin- und
Rückspiel gegen Barcelona, das ihnen den Finaleinzug brachte. Jupp Heynckes erreichte mit
seinen Spielern die Virtuosität eines Sinfonieorchesters, was Pep Guardiola in den letzten Monaten offensichtlich beibehalten konnte. Tatsächlich gehört die Verpflichtung Guardiolas ebenfalls
zu den herausragenden Ereignissen des Jahres,
wegen der Wahlfreiheit, die dahinter steht. Bei
den Trainern gebührt nur dem Rücktritt von Alex
Ferguson mehr Aufmerksamkeit, als Hommage
an diese 26 langen Jahre, in denen er ununterbrochen auf der Bank von Manchester United sass.
Wenn wir von glücklichen Teams sprechen,
dann hat mich dieses Jahr auch Borussia Dortmund mit Jürgen Klopp in seinen Bann gezogen,
mit dieser Kombination aus technischer Finesse,
bedingungslosem Einsatz und kollektiver Leidensfähigkeit. Jeder Spieler repräsentiert diese
Vision des Fussballs mit seinem eigenen Stil, aber
am meisten beeindruckt hat mich Gündogan, ein
junger Spieler mit einer Technik und einer Gelassenheit, die mich an Xavi in Bestform erinnern.
Obwohl der Fussball ein Mannschaftssport ist,
sind es doch die Spieler, an die wir denken, wenn
wir uns das Beste des Jahres in Erinnerung rufen.
2013 vollendete Ryan Giggs sein 40. Lebensjahr
als Spieler bei Manchester United, während Ronaldo mit 37 Jahren an einer Reality-Show des
brasilianischen Fernsehens teilnahm, um abzunehmen (mit Erfolg). Es war auch das Jahr zweier
Waliser mit grosser Zukunft: Gareth Bale, der bei
seiner Verpflichtung durch Real Madrid Rekorde
brach, und Aaron Ramsay, der es bei Arsenal an
der Seite von Mesut Özil (Sonderangebot von
Real Madrid!) weit bringen kann. Weitere Namen, die seit 2013 zukunftsweisend sind, wären
Isco (Real Madrid), Insigne (Neapel), Hazard
(Chelsea) und Deulofeu (Everton).
T H E F I FA W E E K LY
Beim Thema “Ungerechtigkeiten” muss man
die Reservistenrolle von Iker Casillas bei Real
Madrid zur Sprache bringen. Aufgrund irgendeines paranormalen Phänomens war der Torwart
unter Mourinho Reservist und ist es unter Ancelotti noch immer. Und wo wir schon bei übermenschlichen Phänomenen sind: 2013 ist auch
das Jahr von Abidal. Nach seiner erfolgreichen
Lebertransplantation lief er erneut für Barcelona
auf, und doch verlängerte der Klub am Ende der
Saison seinen Vertrag nicht, weil man ihn nicht
für fähig hielt, auf hohem Wettbewerbsniveau zu
spielen. Also wechselte Abidal zu Monaco, wo er
jeden Sonntag das Gegenteil beweist. Vermutlich
wird er nun bei der nächsten WM dabei sein –
eine Schmach für die Barça-Funktionäre.
Zum Abschluss möchte ich jedoch ein glückliches Bild anführen und über die Grenzen Europas hinausgehen. Es geschah auf einem Flughafen. Als Mexiko in der Playoff-Runde der
WM-Qualifikation gegen Neuseeland antrat,
wurde das Team von einer Gruppe Maoris empfangen, die als Willkommensgruss den rituellen
Haka tanzten. Die Mexikaner bedankten sich
mit dem traditionellen Lied “Cielito lindo”: “Ay,
ay, ay, ay, singe und weine nicht, denn singend
erfreuen sich, mein Schatz, die Herzen...”
Å
9
2 013
Triumph in letzter Sekunde: Lukasz Piszczek, Mats Hummels und Nuri Sahin (v.l., Borussia Dortmund)
jubeln nach dem Einzug ins Champions-League-Finale.
EIN DOPPELTER IRRTUM
Roland Zorn
10
ähnlich jede Woche an etlichen erstklassigen
Fussballschauplätzen vorkommt.
Doch dies war nur der Auftakt zu einem
Schlusscrescendo, das wie die blanke Anarchie
inmitten einer tobenden Arena anmutete. Der
BVB, schon so gut wie ausgeschieden aus einer
bis dahin fabelhaft verlaufenen ChampionsLeague-Saison, glich in der ersten Minute der
Nachspielzeit durch Reus noch einmal aus.
Ein Trostpreis? Von wegen. Die Zugabe
sollte ja vier Minuten dauern, und so rannten
die Borussen dem Wunder von Dortmund so
lange hinterher, bis sie es geschafft hatten.
Allerdings nur, weil der Ausnahmezustand
galt und längst auch von den Unparteiischen
Besitz ergriffen hatte. Thomson und seine
Assistenten übersahen, dass vor Santanas
Treffer mitten hinein ins Dortmunder Glück
vier Borussen bei Lewandowskis Flanke im
T H E F I FA W E E K LY
Abseits standen, und auch der Torschuss
selbst aus dem Abseits sein Ziel fand.
Ein doppelter Irrtum an einem irrsinnig
aufregenden Fussballabend, an dem die paar
Gesetzmässigkeiten dieses unberechenbaren
Spiels ausser Kraft gesetzt schienen. Wer dabei war, konnte es sogar verstehen. Wer es im
Nachhinein vor Augen geführt bekam, hielt es
für nicht nachvollziehbar. Alles eine Sache der
Wahrnehmung. Wie so vieles im Fussball.
Å
Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
Es war wie ein Naturereignis und wurde doch
nur möglich, weil der Blick aller Beteiligten zu
verschwimmen schien in einem Meer der
Emotionen.
Auch das schottische Schiedsrichtergespann unter der Leitung des erfahrenen
Craig Thomson liess sich an diesem 9. April
von der mal brausenden, mal schreckensstarren Atmosphäre im Signal Iduna Park anstecken – als sich das Viertelfinalrückspiel der
Champions League zwischen Borussia Dortmund und dem FC Malaga zu einem Fussballdrama zuspitzte und keiner mehr die Kraft für
den kühlen Blick hatte.
2:1 führten die Andalusier nach dem 0:0
im Hinspiel nach Eliseus Treffer in der 82.
Minute, erzielt aus einer Abseitsposition, wie
die Fernsehkameras erhellten. Thomson und
sein Team übersahen das, was so oder so
2 013
MANNARIS GENIE LEBT WIEDER AUF
David Winner
Ich mag ein wenig vergangenen Ruhm, selbst
wenn es nicht mein eigener ist. Im Mai besuchte ich erstmals das San-Siro-Stadion und sah
die Partie zwischen der AC Milan und der AS
Roma. Ich weiss von dem legendären Mailänder
Team von Arrigo Sacchi aus den 1980er Jahren
und hoffte daher auf einen fussballerischen
Leckerbissen.
Das riesige, asymmetrische Stadion mit seine Türmen und dem enormen Dach war allerdings sehr beeindruckend, wenn auch nur zur
Hälfte gefüllt. Und die Mailänder Fans, die in
der Curva Sud pausenlos sangen und ihre
rot-schwarzen Fahnen schwenkten, sorgten für
eine lärmende Atmosphäre.
Doch das Spiel selbst war ein Schlag ins
Wasser, mit schlechtem Fussball, zwei Roten
Karten und ohne Treffer. Ausserdem musste
die Partie wegen rassistischer Gesänge der
Roma-Fans unterbrochen werden. Ich bekam
nicht einmal die berühmten rot-schwarzen
Streifen zu sehen, da Milan in einer geschmacklosen anderen Spielkleidung auftrat.
Daher ging ich am folgenden Tag zurück –
und zwar virtuell. Ich sehnte mich nach
einem flüchtigen Eindruck der Vergangenheit,
den ich wohl verpasst hatte, und fand beim
Googeln ein echtes Kleinod.
Jemand hatte auf Youtube ein ganzes Spiel
im San-Siro-Stadion aus dem Jahr 1989 eingestellt, als Sacchis Team mit Stars wie Gullit,
Van Basten, Rijkaard und Baresi auf dem
Höhepunkt war. Vor ausverkauften Rängen
und einem begeisterten Publikum spielte die
Milan gegen Juventus regelrecht göttergleich
und gewann 4:0. Die Kameras zeigten immer
wieder das damals erst halbfertige Dach, das
für die WM 1990 gebaut wurde.
Und vor meinem geistigen Auge sah ich das
alles von meinem Sitzplatz des Vorabends aus.
Das dritte Tor war einfach märchenhaft. An
dem Spielzug über das gesamte Feld schien
jeder Milan-Spieler mit einer Ballberührung
beteiligt zu sein. Am Ende wurde eine Flanke
in den Strafraum geschlagen, und ein 20-jähriger Einwechselspieler namens Graziano
Mit Köpfchen: “Tooooor!
Tooooor von Manari! Ein
Spieler wie Manari kann
nur so treffen!” (Italienischer TV-Kommentator)
Mannari erzielte ein unglaubliches Kopfballtor
– ein Flugkopfball, bei dem er den Ball in einem
hohen Bogen über den Torhüter hinweg ins lange Eck beförderte.
Mannari, der auch noch den vierten Treffer
erzielte, war offensichtlich auf dem Weg zum
Star. Warum habe ich nie etwas von ihm gehört?
Die Antwort, so fand ich bald heraus, ist folgende:
Verletzungen des Kniegelenks. Dieses Spiel gegen
Juve war offenbar der Höhepunkt seiner Karriere. Als Mannschaftsmitglied gewann er 1988 den
Scudetto und 1989 den Europapokal. Doch Mitte
der 90er Jahre versandete seine Karriere bei
Teams wie Pistoiese und Pontedera. Später wurde
er Jugendtrainer bei der Milan in der Toskana.
T H E F I FA W E E K LY
Vielleicht ist die Zeit ja doch nicht so linear wie
wir sie uns vorstellen, sondern eher verwoben
und verworren (“wibbly-wobbly”, wie Doctor
Who aus der gleichnamigen TV-Serie es ausdrückt), wobei sich Vergangenheit und Gegenwart auf ganz eigenartige Weise vermengen.
Für mich jedenfalls war dies das Jahr, in
dem das verhinderte Genie von Mannari erneut
zum Leben erwachte.
Å
11
2 013
Eine Legende zu Lebzeiten: Sir Alex Ferguson.
12
T H E F I FA W E E K LY
2 013
→ http://fifa.to/1cCsP8J
SIR ALEX FERGUSON –
EINE EINMALIGE KARRIERE
Thomas Renggli
“Ich habe einen
Plan, um ihn zu
stoppen – eine
Machete. Plan B
ist ein Maschinengewehr.”
27 Jahre Manager von Manchester United, 2153
Spiele, 49 Titelgewinne, davon 13 in der Premier
League und zwei in der Champions League.
1999 zum Ritter geschlagen. Der Schotte Alex
Ferguson (71) ist eine Ikone des Fussballs. Als
er im vergangenen Mai den Rücktritt bekanntgab, überschattete die Meldung sogar den Auftritt von Queen Elizabeth II. vor dem Parlament in London.
Ferguson führte Manchester United aus der
englischen Durchschnittlichkeit zurück an die
Weltspitze, machte den Klub zu einer der wertvollsten Marken im Sport und stellte dabei sogar seinen legendären Vorgänger Matt Busby in
den Schatten. Selber avancierte er mit einem
geschätzten Vermögen von 34 Millionen Pfund
zum reichsten Trainer des Landes. Trotzdem
blieb der Sohn eines Werftarbeiters in der öffentlichen Wahrnehmung immer ein Vertreter
der Arbeiterklasse. Er warf David Beckham einen Schuh ins Gesicht, er überwachte seine
Spieler aus einer dunklen Limousine, er stoppte
wilde Partys, indem er mit strengem Blick ins
Hotelzimmer trat. Wie ein Lehrer auf Klassenfahrt. Er fluchte in die Mikrofone, beschimpfte
Journalisten – stellte sich in der Öffentlichkeit
aber (fast) immer schützend vor seine Spieler.
In seiner Kindheit in einem Glasgower Arbeiterviertel habe er ein starkes Gemeinschaftsgefühl
entwickelt, sagte er einmal in einem Interview.
Vor allem war er nie um direkte Worte verlegen.
Elf Zitate aus einer einmaligen Karriere.
“Ich mache sicher
keinen auf Bobby
Robson und bin noch
mit 70 Manager.
Es geht darum,
zu wissen, wann
es gut ist.”
Ferguson über Cristiano Ronaldo.
“Wenn mir ein Italiener sagt,
dass das auf dem Teller Pasta
ist, schaue ich unter der
Sosse nach, um sicherzu­
gehen. Die sind die Erfinder
der Vernebelungstaktik.”
Ferguson über italienische Gegner.
“Ich will Liverpool von ihrem verdammten
Ast hauen.”
Ferguson bei seinem Amtsantritt 1986 über den damaligen Rekordmeister.
“Sie sagen, er sei ein
intelligenter Mann, weil
er fünf Sprachen spricht.
Bei mir im Team spielt ein
15-jähriger Jüngling, der
ebenfalls fünf Sprachen
spricht.”
Ferguson über Arsène Wenger.
“Ich kann es nicht
­glauben, ich kann
es nicht glauben!
Fussball, verdammte Hölle!”
Ferguson nach dem Last-Minute-Sieg gegen die Bayern im
Champions-League-Finale 1999.
“Flickt ihn
verdammt
nochmal
­zusammen!”
“Manchmal hast du einen lärmigen Nachbarn und musst mit ihm leben.”
Ferguson über Manchester City.
“Dieser Junge muss
im ­Offside geboren
worden sein.”
“Er hat mich Boss und
grosser Mann genannt,
als wir nach dem
Hinspiel ­unseren Drink
nahmen. Es würde aber
helfen, wenn seine Huldigungen von einem guten
Glas Wein begleitet
werden würden.
Was er mir gab, war
Lack-Entferner.”
“Sie sollten nicht
versuchen, in
das Gehirn eines
Verrückten zu
schauen.”
Ferguson über Filippo Inzaghi.
Ferguson über José Mourinho.
Ferguson über sich selbst.
Ferguson im Oktober 2008
über seine eigene Zukunft.
Ferguson zu einem Physiotherapeuten nachdem er David
Beckham einen Schuh an den
Kopf gekickt hatte.
T H E F I FA W E E K LY
Å
13
BLICK IN DIE LIGEN
I
N
S
I
D
E
Russland: Premjer-Liga
Mit staatlichen
Millionen
Thomas Renggli ist Chefredakteur von “The FIFA Weekly”.
Westwärts oder ostwärts?
Die Frage, die in der Ukraine
derzeit zum Ausnahmezustand führt, wurde im russischen Fussball
schon vor ein paar Jahren beantwortet. Die
Premjer-Liga orientiert sich an den europäischen Topligen – was das Lohnniveau, aber
auch was den Spielmodus anbelangt. Bis 2010
lief die Meisterschaft von März bis November.
Dann wurde das System angepasst. In diesem
Frühling wird der Titel zum zweiten Mal im
Mai vergeben. Der Gedanke hinter dieser
Strategie: Nur so haben die russischen Klubs
in den europäischen Wettbewerben die
gleiche Ausgangslage wie die Konkurrenz aus
England, Spanien und Deutschland. Und nur
so kann der russische Fussball im Hinblick
auf die WM 2018 in Russland auch nach
zentraleuropäischen Massstäben mehrheitsfähig werden.
Vasily Maximov/AFP
Vieles ist neu im Osten. Die sportlichen
Machtverhältnisse erinnern aber an die
Sowjet-Zeiten. Auf den ersten fünf Plätzen
der Premjer-Liga befindet sich quasi das alte
Establishment: Lokomotive Moskau, Zenit
St. Petersburg, Spartak Moskau, Dynamo
Moskau, ZSKA Moskau. Und auch die Finanzierungsmodelle ähneln jenen von früher. Die
Klubs werden von staatlich gesteuerten
Grosskonzernen alimentiert: Lokomotive von
der Eisenbahngesellschaft Rossijskie (RZD),
Zenit von Gazprom, Spartak vom Ölkonzern
Lukoil, Dynamo von der Kreml-nahen Bank
VTB. Nur bei ZSKA, dem ehemaligen Klub der
Roten Armee, sind die Besitzverhältnisse
diffus. Zunächst engagierte sich Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch, dann flossen die
Millionen vom baschkirischen Mineralölunternehmen Bashneft, seit diesem Jahr heisst
es (offiziell), dass sich der Klub selber finanziert. Ob das die Wahrheit ist? Der aktuelle
ZSKA-Präsident Jewegenij Giner ist ein enger
Freund von Abramowitsch.
So oder so: Der Rubel rollt – und die russischen Klubs befinden sich auch auf europäischem Rasen auf der Überholspur. Zwar nicht
in jenem Tempo, das dem eigenen Anspruch
entspricht, aber gleichwohl kontinuierlich. In
der aktuellen Fünfjahreswertung der UEFA
Baustelle Dynamo-Stadion: Der russische Fussball muss bis zur WM 2018 seine Infrastruktur erneuern.
liegt die russischen Liga auf Platz 7 – mit
kleiner werdendem Abstand auf die vor ihr
liegende Konkurrenz aus Frankreich und
Portugal.
Mit Zenit St. Petersburg (Champions League),
Rubin Kasan und Anschi Machatschkala
(beide Europa League) sind noch drei russische Klubs im Europacup vertreten. Das
Beispiel des FK Rubin Kasan, der in der
Champions League mit einem Auswärtssieg
gegen den FC Barcelona vor vier Jahren das
stärkste russische Zeichen setzte, spiegelt die
wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse
im russischen Fussball perfekt. Der Klub aus
der Provinz Tatarstan profitiert einerseits von
riesigen Öl-Vorkommen. Andererseits verhalf
ihm ein Dribbling auf politischem Parkett zu
einer soliden Basis: Der wichtigste Gönner,
Mintimer Schaimijew, fungierte bis zum
Januar als tatarischer Verwaltungschef und
Rubins Vize-Präsident in Personalunion. Als
es um den Klub in den 1990er-Jahren schlecht
stand, setzte Schaimijew den damaligen
Bürgermeister als Präsidenten ein und führte
Ruben in die öffentliche Hand über.
Nun will der Klub im Frühling dort weitermachen, wo ZSKA Moskau (2005) und Zenit
St. Petersburg (2008) aufhörten – mit dem
Gewinn der Europa League. Für den russischen Klubfussball wäre das aber nur ein
Zwischenziel. Denn angesichts der gewaltigen
Wirtschaftskraft und der immensen personellen Ressourcen kann es im flächengrössten
Land der Welt nur ein Ziel geben: den Gewinn
der Champions League. Å
“Die sportlichen Machtverhältnisse
erinnern an die Sowjet-Zeiten.”
T H E F I FA W E E K LY
15
England: Premier League
Bedingungslose
Treue
David Winner ist Autor und
Journalist in London. Zu seinen
Büchern über Fussball gehören
“Brilliant Orange” und “Dennis
Bergkamp: Stillness and Speed”.
Während einer Radiosendung wurde einem per
Telefon zugeschalteten Fan von Hull City
namens Ian ein Angebot gemacht, das für viele
Aussenstehende sicher ziemlich attraktiv
gewesen wäre. In seiner 109-jährigen Geschichte
hat Ians Team noch nie einen grossen Titel
gewonnen und fand sich nur selten in der
höchsten Spielklasse. Jetzt möchte Klubeigner
Dr. Assem Allam, ein örtlicher Industrieller, der
den Klub vor drei Jahren vor dem Untergang
rettete, 70 Millionen Pfund hineinpumpte und
ihn damit in die Premier League brachte, das
Team in “Hull Tigers” umbenennen. Das, so
verspricht er sich, würde den Teamnamen
stärker klingen lassen und mehr Geld einbringen, vorrangig aus Asien.
Die überwältigende Mehrheit der lebenslangen
Fans – zu denen auch Ian gehört – sind strikt
dagegen. Während Allams Gefolgsleute bereits
begonnen haben, den Zwischenbegriff “Hull
City Tigers” zu verwenden, bestehen die Traditionalisten darauf, dass auch weiterhin einzig
“Hull City AFC” in Frage kommt. Weil der Klub
1904 unter diesem Namen gegründet wurde,
stehen sie im Stadion bei jedem Heimspiel nach
genau 19 Minuten und vier Sekunden auf, um
gegen die Namensänderung zu protestieren.
“Selbst ein Sieg in der Champions
League ist kein Anreiz.”
In der vergangenen Woche wurde Ian auf
Talksport-Radio gefragt, ob er anders empfinden würde, wenn die Umbenennung dazu
beitragen würde, dass Hull zu einem der grossen Klubs in Europa aufsteigen würde. Ian
antwortete mit einem klaren Nein. Aber warum
nicht? “Weil das nicht mehr mein Klub wäre. Es
wäre nicht mehr der Klub, den mein Vater
unterstützt hat, den die Leute hier seit Generationen unterstützt haben.” Selbst die Aussicht
auf den Gewinn der Champions League war
kein Anreiz. “Welcher Name soll denn in den
Pokal eingraviert werden?”, fragte Ian zurück.
“Soll es Hull City sein, der Name den wir seit
109 Jahren tragen und auf den wir stolz sind,
oder soll es Hull … (Pause) Tigers sein? (Er
spuckte dieses Wort regelrecht aus). Ich will
keinen Pokal, wenn da Hull Tigers eingraviert
ist!” Man sollte nie die Macht der Ahnenverehrung im englischen Fussball unterschätzen.
Die meisten Fans im Land empfinden genau wie
Ian. Dr. Allams Vorschlag hat in ganz Grossbritannien einen Sturm der Entrüstung entfacht
und viele Fans von anderen Klubs bringen ihre
Unterstützung für die Proteste in Hull zum
Ausdruck.
Dabei waren Umbenennungen in den Anfangsjahren der Profiklubs durchaus üblich und
Farben, Stadien und Namen befanden sich in
stetigem Fluss. So begann Chelsea eigentlich
mit grüner Spielkleidung. Arsenal trug zu
verschiedenen Zeiten Namen wie Dial Square,
Royal Arsenal und Woolwich Arsenal. Das
heutige Manchester United wurde als Newton
Heath gegründet. Und Everton war zu Beginn
ein Kirchenteam namens St. Domingo’s. Doch
mit der Zeit entwickelten sich die Klubs dann
zu den mächtigen Identifikationssymbolen, als
die wir sie heute kennen.
Eigentümer mögen Klubs als Unternehmen
sehen, doch Fans betrachten sie als Objekte
geradezu religiöser Hingabe. Viele Fans empfinden Veränderungen wie beispielsweise die
neuen Farben und das neue Wappen, die der
malaysische Eigentümer Vincent Tan dem Klub
Cardiff City verpasste, als Beleg dafür, dass
ihnen der Fussball an sich genommen wird.
Dr. Allam ist von all diesen Ereignissen offensichtlich frustriert. Allerdings erzielte er ein
echtes Eigentor, als er diejenigen, die gegen die
Namensänderung protestieren, als “Hooligans”
bezeichnete und über die traditionalistische
Fangruppierung “City Till I Die” sagte: “Sie
können sterben, wann immer sie wollen.” Doch
in der Sache ist auch er unerbittlich. Und der
Streit spitzt sich zu. Hulls Manager Steve Bruce
sagte, der Eigentümer habe so viel in den Klub
gesteckt, dass man ihm eine Namensänderung
erlauben müsse, wenn er sie wolle. Allam selbst
droht mit seinem Weggang, falls man ihm
einen Strich durch die Rechnung macht. Zudem
hat er einen formalen Antrag bei der Football
Association in London gestellt, den Namen
Tigers für die nächste Saison zu genehmigen.
Die FA ihrerseits hat angekündigt, vor einer
Entscheidung auch die Fans zu befragen. Å
Liga Argentina
Ein göttliches Team
JordÍ Punti ist Romanautor und
Verfasser zahlreicher Fussball-­
Features in den spanischen
Der Tiger auf der Strafbank: Die Fans von Hull City wehren sich gegen den tierischen Namenszusatz.
16
T H E F I FA W E E K LY
Gott ist Argentinier. Daran
gibt es keinen Zweifel. Würde in den Fussballstadien Argentiniens eine Umfrage durchgeführt werden, würden die Fans dort mit grösserer Überzeugung als anderswo zu diesem
Schluss kommen. Ihre sportlichen Argumente
heissen Maradona und Messi, doch seit Kurzem
haben sie auch ein geistliches Argument: Papst
Matthew Lewis/Getty Images
Medien.
Franziskus I., in gewisser Hinsicht der Manager
Gottes auf Erden. Die Auswirkungen dieses
Einflusses waren an diesem Wochenende zu
spüren, denn der Lieblingsverein des Papstes,
San Lorenzo de Almagro, krönte sich zum
Meister des Torneo Inicial. Dies war der Mannschaft seit 2007 nicht mehr gelungen, und da
der letzte Spieltag so unglaublich eng verlief,
schien es bisweilen, als habe “El Ciclón” von
göttlichem Beistand profitiert.
und zu seiner Konterstärke gefunden. Treffend
fasste dies der Spieler Mercier am Abend des
Sieges zusammen: “Pizzi hat San Lorenzo seine
Spielidentität zurückgegeben.” Diese Identität
stützt sich auf ein taktisch gut geschultes Team
mit mehreren erfahrenen Akteuren wie dem
genannten Mercier, Romagnoli oder dem
Torjäger Piatti, sowie auf einige junge Zukunftshoffnungen wie dem vielversprechenden
Stürmer Correa.
Die Eigenheiten des Spielplans hatten dazu
geführt, dass am letzten Spieltag der argentinischen Liga die vier Erstplatzierten in zwei
direkten Duellen aufeinandertrafen. Vélez
Sarsfield empfing San Lorenzo und Newell’s
spielte gegen Lanús. In den letzten Wochen
hatten alle vier Teams sich eher unbeständig
präsentiert. Es gab zahlreiche Möglichkeiten
und Szenarien für den Saisonausgang, wobei
San Lorenzo mit einem leichten Vorteil in den
letzten Spieltag ging. Im Falle eines Unentschiedens zwischen Lanús und Newell’s hätte Vélez
jedoch durch einen Erfolg gegen die Elf von
Juan Antonio Pizzi noch nach dem Titel greifen
können.
Dank dieses Titels wird San Lorenzo wieder an
der Copa Libertadores teilnehmen können und
ist damit zurück in der südamerikanischen
Elite. So wird auch das wichtigste Ziel, das der
Klubs abseits des Spielfelds verfolgt, stärker in
den Blickpunkt rücken: die Rückkehr nach
Boedo. Unter diesem Namen kennt man in
Buenos Aires das Stadtviertel, in dem Club San
Lorenzo gegründet wurde. Dort stand das alte
Stadion “Viejo Gasometro”, welches 1979 von der
Militärjunta unter General Videla verstaatlicht
und später für den Bau eines Einkaufszentrums
verkauft wurde. San Lorenzo hat seit 1993 zwar
ein eigenes Stadion, das sich in einem anderen
Stadtteil befindet, doch in den letzten Jahren
haben die Fans eine Kampagne gestartet, um
die Grundstücke des alten Stadions wieder
zurückzukaufen. 2012 genehmigte die Regierung von Buenos Aires das Projekt der historischen Restitution, so dass der Klub Teile dieser
Grundstücke sowie das Recht, über den Kauf
des Rests zu verhandeln, zurückerlangen
konnte. Die Rückkehr nach Boedo wird Tag für
Tag wahrscheinlicher. Vor diesem Hintergrund
reiste eine Delegation von Spielern und Verantwortlichen von San Lorenzo in den Vatikan, um
Papst Franziskus I. den Meistertitel darzubringen (und ihm vielleicht für den geistlichen
Beistand zu danken). Er wird in seinen Gebeten
mit Sicherheit auch ein Plätzchen für das
zukünftige alte neue Stadion haben. Å
In beiden Begegnungen stand es fünf Minuten
vor dem Ende unentschieden. 2:2 zwischen
Newell’s und Lanús und 0:0 zwischen Vélez und
San Lorenzo. Plötzlich erschien alles möglich.
Erschrocken zog sich San Lorenzo, den Titel
schon halb in der Tasche, ein wenig zurück. Bei
Vélez begann man, an das Wunder zu glauben.
Beide Mannschaften hatten über weite Strecken
der Partie wenig geboten und das Risiko
gescheut. Die Spielzüge verloren sich in langen
Pässen und Flanken ins Nichts. Es gab so viele
herrenlose Bälle, dass der Kommentator des
argentinischen Fernsehens gelangweilt die
Akteure bat, das Spielgerät doch bitte mehr auf
dem Rasen zu lassen und endlich Fussball zu
spielen. In den letzten Minuten aber legte Vélez
einen Gang zu, und dies war der Moment von
Torhüter Torrico im Gehäuse von San Lorenzo.
Einen Schuss von Allione wehrte der Keeper auf
übermenschliche Weise mit einem grandiosen
Reflex ab. So blieb es bei diesen Ergebnissen,
und San Lorenzo konnte am Ende den AperturaTitel feiern.
Brasilien: Serie A
Fluminense bleibt
Sven Goldmann ist Fussball­
experte beim “Tagesspiegel” in
Die Begegnung spiegelte die Ausgeglichenheit
und das niedrige Niveau wieder, die diese
Spielzeit charakterisierten. San Lorenzo wurde
mit 33 Punkten Meister, das ist der niedrigste
Wert in der Geschichte des Wettbewerbs. Dies
tut der Saisonleistung der Mannschaft jedoch
keinen Abbruch. Unter dem neuen Trainer Juan
Antonio Pizzi hat der Verein aus Buenos Aires
wieder zu seinem Gefühl für das Kurzpassspiel
Berlin.
Urlaubsort Costa do Sauípe die WM-Gruppen
ausgelost wurden.
Zwei Tage später schauten dann doch alle auf
die “wunderbare Stadt”, aber der Anlass war
kein schöner. Gleich zwei Traditionsklubs aus
Rio wurden am letzten Spieltag des Campeonato Brasileiro zum Abstieg verurteilt. Vasco
da Gama verlor 1:5 gegen Atlético Paranaense
und spielte dabei genauso schlecht, wie die
Fans beider traditionell verfeindeten Klubs
sich benahmen. Das Spiel musste wegen
Zuschauerausschreitungen für 70 Minuten
unterbrochen werden. Die Polizei rückte an,
und auf dem Platz landete ein Hubschrauber,
um Verletzte abzutransportieren.
Nur mit viel Glück und richterlicher Hilfe
verhinderte der Fluminense Football Club
einen noch viel dramatischeren Absturz.
Als Meister direkt in die Serie B abzusteigen
– das hat in Brasilien noch keiner geschafft.
Sportlich war der 2:1-Sieg am letzten Spieltag
beim EC Bahia zu wenig für die Tricolores.
Vor einem Jahr noch hatten sie mit einer
rot-weiss-grünen Party im Estadio Engenhao
von Rio den Gewinn der Meisterschaft gefeiert. Seit diesem Sommer spielt die Mannschaft wieder im umgebauten Maracanã, aber
den Erfolg hat der Umzug nicht mitgebracht.
Was auf dem Platz nicht gelang, hat Fluminense nun vor Gericht geschafft. Es ging
dabei um den Abstiegskonkurrenten Portuguesa aus São Paulo und die Frage, ob dessen
Mittelfeldmann Heverton beim 0:0 im letzten
Spiel gegen Gremio Porto Alegre spielberechtigt war. War er nicht, befanden am Montag
die Richter des brasilianischen Sportgerichtshofes STJD. Portuguesa verlor den einen
gegen Gremio gewonnenen Punkt und bekam
drei weitere Strafpunkte abgezogen. Damit
rutschte der Klub hinter Fluminense auf Platz
17 und muss im nächsten Jahr in die Serie B.
Hätte Portuguesa auf einen Einsatz von
Heverton verzichtet und das Spiel gegen
Gremio verloren, wäre Fluminense abgestiegen. Kein Wunder, machten sich Fans und
Karikaturisten in ganz Brasilien lustig über
die Art und Weise, wie der Meister doch noch
den Abstieg verhinderte. Å
Das waren schwere Tage für
Rio de Janeiro. Die Cidade
Maravilhosa ist es gewohnt, im Mittelpunkt
zu stehen. Da schaute nun die ganze Welt auf
Brasilien, aber sie schaute nicht auf den
Zuckerhut oder das Maracanã. Sondern auf
den Norden des Landes, auf Bahia, wo im
T H E F I FA W E E K LY
17
Name:
Vicente del Bosque González
Geburtsdatum, Geburtsort:
23. Dezember 1950, Salamanca
Vereine als Aktiver:
1969–1970 AD Plus Ultra
1970–1984 Real Madrid
1970–1971 CD Castellon (Leihe)
1971–1972 Cordoba CF (Leihe)
1972–1973 CD Castellon (Leihe)
Stationen als Trainer:
JerÓnimo Álvarez
1985–1990 Real Madrid Castilla
1994 Real Madrid
1996 Real Madrid
1999–2003 Real Madrid
2004–2005 Besiktas Istanbul
seit 2008 Nationalmannschaft
Spanien
18
T H E F I FA W E E K LY
DAS INTERVIEW
“Das Champions-League-Finale
bereitet mir Sorgen”
Weltmeister. Europameister. Champions-League-Sieger. Der Spanier Vicente del Bosque (62)
ist der erfolgreichste Trainer der Gegenwart. Jetzt will er mit Spanien als erster Europäer auch
an einer WM in Südamerika triumphieren. Del Bosque über die härtesten Gegner,
das brasilianische Klima und über Messi und Ronaldo.
Spanien ist Weltmeister, Europameister und
die Nummer 1 der Weltrangliste. Ist Spanien
im Moment wirklich die beste Mannschaft
der Welt?
Vicente del Bosque: Diese Ergebnisse und
Klassierungen sind sicher kein Zufall – sie
spiegeln die Leistungen der letzten Jahre und
Monate. Handkehrum ist in der Weltrangliste
beispielsweise Brasilien benachteiligt – weil
die Mannschaft während der Qualifikationsphase keine Ernstkämpfe bestreiten musste.
Spanien ist im Moment die Nummer 1 – aber
wir dürfen deshalb den Respekt und die
Demut nicht verlieren. An der WMEndrunde können wir uns für vergangene
Leistungen nichts kaufen.
Wen stufen Sie derzeit als Ihre härtesten
Konkurrenten ein?
Das ist eine lange Liste – es gibt viele
starke Mannschaften: Deutschland, die
Niederlande, Russland, Frankreich, Italien,
Portugal, England, Uruguay, Argentinien und
natürlich Brasilien. Aber auch dahinter ist die
Leistungsdichte gross. Man darf kleine
Nationen nicht vergessen – Belgien beispielsweise hat eine herausragende Generation.
Es vermochte noch nie eine europäische Mannschaft in Südamerika den Titel zu gewinnen.
Sehen Sie einen konkreten Grund dafür – oder
ist das eher ein Zufall?
Das südamerikanische Klima macht den
Europäern stark zu schaffen – die Temperatur
und vor allem die Luftfeuchtigkeit. Das
könnte dem einen oder anderen Schwierig­
keiten bereiten. Besonders die Engländer
dürften im Tropenklima von Manaus leiden.
Was machen Sie, um im nächsten Sommer
die Geschichte neu zu schreiben?
Wir haben die Qualität und die Erfahrung, die es braucht, um Titel zu gewinnen.
Unsere Spieler sind in Spanien, aber auch in
den anderen europäischen Top-Ligen engagiert. Die Leistungen aus den Meisterschaften
sind die Basis für die Nationalmannschaft.
Was mir ein wenig Sorgen bereitet, ist der
Terminkalender: Das Champions-League-­
Finale in Lissabon findet erst am 24. Mai
statt. Die WM beginnt am 12. Juni. Da bleibt
nicht mehr viel Zeit.
harmoniert perfekt – auf und auch neben
dem Platz. Da erübrigen sich die Diskussion
um die Taktik. So wie wir spielen, funktioniert es am besten. Die Erfolge geben uns
Recht.
Sie hoffen also, dass das Champions-League­Finale wieder zwischen zwei deutschen Teams
stattfindet …
Mitentscheidend für den Erfolg war, dass Sie
es schafften, die Grenzen zwischen Barcelona
und Real Madrid abzubauen und die beiden
Parteien zusammenführten. Wie ist Ihnen das
gelungen?
(lacht) Ich wünsche mir zwei Dinge: Eine
möglichst lange Vorbereitungszeit und ein
rein spanisches Finale. Aber was auch immer
passiert: Wir sind auf alle Szenarien eingestellt und werden die Vorbereitung flexibel
gestalten.
Spanien blickt auf eine vergleichsweise problemlose Qualifikation zurück. Ist das im Hinblick auf die Endrunde ein Bonus? Oder sind
anfänglich eher Mannschaften psychologisch
im Vorteil, wie beispielsweise Frankreich, das
schon in der Qualifikation grosse Schwierigkeiten zu überwinden hatte und einen echten
Härtetest bestehen musste?
Da muss ich Ihnen vehement widersprechen. Wir hatten alles andere als eine leichte
Qualifikation und waren erst nach dem
letzten Spieltag qualifiziert. Hätten wir im
vergangenen März auswärts gegen Frankreich
nicht gewonnen, wären wir vielleicht in die
Playoffs geraten. Der Grat war schmal. Dass
Frankreich eine starke Mannschaft hat,
wissen wir nicht erst seit dem Playoff-Rückspiel gegen die Ukraine.
Der Tiki-Taka-Stil stiess zuletzt nicht mehr auf
ungeteilte Begeisterung. An der Euro 2012
wurde Spanien sogar kritisiert. Dann dominierten sie im Finale Italien in einer Art und Weise,
wie man es zuvor in einem derart wichtigen
Spiel selten gesehen hat. Ist das spanische
Kurzpass-Spiel der Fussball der Zukunft?
Es sind letztlich die Spieler, die den Stil
vorgeben. Wenn Sie Leute wie Xabi Alonso,
Xavi Hernandes, Iniesta, Silva und Villa in
Ihrer Mannschaft haben, ist die Spielweise
vorge­geben. Die spanische Mannschaft
T H E F I FA W E E K LY
Ich habe an die Vernunft der Spieler
appelliert. Wir haben viel darüber gesprochen. Es war meine Aufgabe, den Spielern klar
zu machen, dass die Nationalmannschaft eine
ganz andere Bühne ist als der Klubfussball –
dass sich eine einmalige Chance bietet,
zusammen etwas Grosses zu erreichen.
Sie wären also auch als politischer Diplomat
sehr erfolgreich…
(lacht) Ich bin als Fussballtrainer ganz
glücklich ...
Zurück zu Barca und Real. In diesen Teams
spielen drei der herausragenden (nicht spanischen) Individualisten der Gegenwart. Messi,
Neymar, Ronaldo. Wer ist in Ihren Augen
der beste?
(lacht) Das ist wirklich ein “Mess” mit
Messi und Ronaldo. Ich kann Ihnen nur so
viel sagen: Ich habe meine Wahl für den
Ballon d’Or getroffen und ich mische mich
nicht in diese Diskussion zwischen Barcelona
und Real Madrid ein.
Das heisst, Sie haben Ribéry oder Ibrahimovic
gewählt?
(lacht und schweigt).
Was wünschen Sie sich auf Weihnachten – und
was für 2014?
Ich wünsche mir ein gutes Fussballjahr
und eine gute WM in Brasilien: für die Welt –
und für Spanien. Å
Interview: Thomas Renggli
19
DER EXPERTE
→ http://www.f-marc.com/concussoin2012
Vorsicht: Gehirnerschütterung!
Leben mit den Folgen einer Kopfverletzung: Chelseas Torhüter Petr Cech mit seinem Kopfschutz.
Bei FIFA-Turnieren kommt es durchschnittlich in
jedem 25. Spiel zu einer Gehirnerschütterung. Die Hälfte
davon führt indes nicht zu einer Zwangspause für den
Betroffenen. Doch eine sorgfältige medizinische
Beobachtung ist erforderlich.
Jiri Dvorak
Sergio Perez/Reuters
A
uf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse beschloss das International
Football Association Board (IFAB) im
Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft
2006, dass Ellenbogenstösse gegen den
Kopf mit einer Roten Karte zu ahnden
sind. Dies führte zu einer deutlichen Verringerung von Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen.
Das Thema wurde kürzlich durch den
französischen Nationaltorhüter Hugo Lloris
von Tottenham Hotspur wieder aktuell, der
trotz einer erlittenen Gehirnerschütterung aufs
Spielfeld zurückkehrte. Der Mannschaftsarzt
hatte die Auswechslung von Lloris empfohlen,
doch der Trainer setzte sich über diese Empfehlung hinweg. Und so kehrte Hugo Lloris aufs
Spielfeld zurück. Diese umstrittene Entscheidung entfachte eine intensive Diskussion unter
Medizinern und auch in den Medien.
Das F-MARC (FIFA Medical Assessment
Research Centre) gab eine eindeutige Empfehlung bezüglich der Rückkehr ins Spiel nach
einer vermuteten oder tatsächlichen Gehirnerschütterung heraus. Ein Spieler, der eine solche
Verletzung erlitten hat, darf demnach ohne das
Einverständnis des Mannschaftsarztes nicht
wieder aufs Spielfeld zurückkehren.
In den meisten Fällen ist nach einer Gehirnerschütterung eine Pause von sieben Tagen
angebracht, um den typischen Symptomverlauf
beobachten zu können. Eine medizinische Untersuchung ist in jedem Fall angezeigt. Manager
und Trainer müssen erkennen, begreifen und
akzeptieren, dass die Gesundheit der Spieler
stets das höchste Ziel und das wertvollste Gut
darstellt. Das gilt nicht nur für Profifussballer,
sondern ganz allgemein für alle Beteiligten.
FIFA, IOK und internationale Mannschaftssportverbände haben zu diesem Thema mehrere
Konsenskonferenzen abgehalten. Die Ergebnisse sind in der Welt der Wissenschaft und der
T H E F I FA W E E K LY
Medizin weithin akzeptiert. Sie sollten auch
für Manager und Trainer als Richtschnur
dienen, und zwar nicht nur im Profibereich
sondern auch bei Klubs im Freizeitsport.
Die Nationale Suisse-Versicherung hat mit
einem Sondersymposium am 28. November
2013 im Home of FIFA ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Repräsentanten aus
der Welt des Sports, den Medizinberufen und
dem Versicherungswesen gesetzt. Die Vorträge
stehen auf FIFA.com zum Abruf bereit.
In Bezug auf Gehirnerschütterungen und
den Umgang damit sollte demnach grundsätzlich gelten, dass der betroffene Spieler im Zweifelsfall draussen bleibt. Å
Prof. Jiri Dvorak ist der medizinische
Leiter der FIFA.
21
ZEITSPIEGEL
T
H
E
N
London,
England
1935
22
H. Allen/Topical Press Agency/Getty Images
Lauftraining mit Stiefeln und Halbschuhen. Die Spieler des Fulham
Football Club bringen sich konditionell in Form. John Arnold spult die
Einheit auf dem Sattel eines
Fahrrades ab. Die medizinischen
Berater des Klubs hatten ihm dies
empfohlen, um sein havariertes
Knie zu schonen.
T H E F I FA W E E K LY
ZEITSPIEGEL
N
O
W
Tignes,
Frankreich
Francois Mori/AP Photo
2010
Es ist weder die Alpe d’Huez noch
der Mont Ventoux – trotzdem
scheinen die französischen Nationalspieler beim Höhentraining ob
Tignes am Asphalt festzukleben.
Selbst die Spitzengruppe mit
Thierry Henry, Franck Ribéry und
William Gallas (vorne von links)
kommt nicht richtig in die Gänge.
Es ist ein Vorgeschmack auf die
WM in Südafrika, wo die Bleus den
sportlichen Stillstand kultivieren.
T H E F I FA W E E K LY
23
With Visa
you are always
welcome
in the country
of football.
© 2013 Visa. All Rights Reserved.
© 2013 Getty Images.
W E E K LY T O P 11
FREE KICK
Die schillerndsten
Torhüter
Die Zeit
des Schenkens
Alan Schweingruber
D
a haben sie nun das Geschenk, die Vertreter des nordamerikanischen Fussballs. Vor zwei Wochen noch las man von
ihren wunderbaren Visionen. Qualität,
Be­geisterung und Aufschwung waren
die Lieb­
l ingsbegriffe. Warum denn
nicht? Das Nationalteam spielte eine überragende WM-Qualifikation. Die Major Soccer
League weist ein beachtliches Niveau aus.
Doch nun, kurz vor Weihnachten, verzieht
sich die gute Laune wie Rauch. Zuerst der
“Bahia-­
S chock” mit den zugelosten WMGegnern Deutschland, Ghana und Portugal
(US-Medien: “Willkommen in der Todesgruppe”). Nun der Public-Relations-Hammer der
Konkurrenz aus der NBA: Ein Unbekannter
soll 104 765 US-Dollar für gebrauchte Michael-­
Jordan-Schuhe aus dem Jahr 1997 bezahlt
haben. Soccer? Wer redet da noch von Soccer?
Nun gut, Basketball ist im Grunde genommen ein schöner Sport. Und vielleicht gibt es
ja ein nettes Präsent für einen Fan und die
Turnschuhe stinken in diesen Tagen unter
einem Weihnachtsbaum vor sich her. Macht
es für den Empfänger beim beliebten
Geschenkeraten einfacher. Zudem hinterlassen Raritäten aus der Welt des Sports einen
nachhaltigen Eindruck beim Publikum im
Wohnzimmer. Der berühmteste Spickzettel in
der Geschichte des Fussballs hätte es da auf
jeden Fall schwieriger gehabt. Einerseits
wegen seiner Geruchlosigkeit. Andererseits
gibt so ein flacher Umschlag mit einem Fetzen
Papier drin einfach nicht viel her.
Die Bleistift-Notiz von Jens Lehmann
(WM 2006) musste in die PR-Maschinerie:
Eine Million Euro liess sich ein Deutscher
Firmenchef das Gekritzel kosten. Wenn da die
NBA nicht neidisch wird!
Das Fest der Liebe. Es bringt Geschenke,
Ruhe, Besinnung, einen Blick zurück – und einen besorgten Blick nach vorne. Über eine
Woche kein Fussball, wie soll man sich da ins
neue Jahr retten? Das hat tatsächlich sein
Gutes. Laut dem grössten Europäischen Herzinfarktregister (398 Herzkliniken) ist das
Risiko, einen Herzinfarkt über Weihnachten
zu bekommen um zehn Prozent geringer als
noch zwei Tage vor Heiligabend. Diese Erholungsphase sollten insbesondere rauchende,
passive und dicke Fussballfans nutzen, denn
sie gehören in die Risikokategorie Nummer 1,
was Herzinfarkte angeht. Der Beleg: Muss die
eigene Mannschaft im Pokal oder an einem
Turnier zu einem Elfmeterschiessen antreten,
werden (bei den Männern) im Durchschnitt
dreimal so viele Herzinfarkte registriert.
Kategorie 1, man merke: ein halbes Jahr
fettarmes Essen, tägliches Jogging, kein
Tabak. Am 26. Juni 2014 trifft die USA an der
WM auf Deutschland. Es wird die letzte und
vielleicht entscheidende Runde in der Gruppe
G sein, bevor die Achtelfinals losgehen. Bis
dann werden sich auch die US-Amerikaner
mental erholt haben. Qualität, Begeisterung
und Aufschwung. Å
1
Lew Jaschin (Sowjetunion). Torhüter des
21. Jahrhunderts. Ausstrahlung eines
Filmstars. 150 gehaltene Elfmeter. Als einzigem Fussballer wurde ihm 1969 der
Leninorden der damaligen Sowjetunion
verliehen.
2
Iker Casillas (Spanien). Torwart der Neuzeit. Zuletzt fünfmal in Folge “Welttorhüter des Jahres”. 2008 und 2012 gewann er
die EM, 2010 die WM.
3
Gianluigi Buffon (Italien). Wechselte für
die Ablösesumme von 54,1 Millionen Euro
vom FC Parma zu Juventus Turin (2001).
138 Länderspiele für Italien.
4
Gordon Banks (England). Weltmeister
1966. Fünffacher “Welttorhüter des Jahres”. 628 Erstligaspiele für Chesterfield,
Leicester City und Stoke City. Wer sagt
denn, England hatte nie gute Keepers?
5
Sepp Maier (Deutschland). 95 Länderspiele – so viel wie kein anderer deutscher Torhüter. Eine weitere Bestmarke: 442 Spiele
in Serie. 1974 Weltmeister, fünf Jahre später Karriereende wegen schwerem Autounfall.
6
Petr Cech (Tschechische Republik). Der
1,96 Meter grosse Hüne steht seit 2002
beim FC Chelsea zwischen den Pfosten.
Sein Markenzeichen ist der Helm, den er
seit einem Schädelbasisbruch trägt.
7
Dino Zoff (Italien). 112 Länderspiele. Ein
Volksheld. Gewann im Alter von 40 Jahren noch eine WM (1982) – das hat sonst
noch niemand geschafft.
8
Jorge Campos (Mexiko). Er wurde durch
bunte, selbst entworfene Trikots berühmt.
Bizarr: Im WM-Kader von 1994 ist er nicht
nur als Torhüter, sondern auch als Stürmer aufgeführt.
9
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
T H E F I FA W E E K LY
Peter Schmeichel (Dänemark). 392 Partien
für Manchester United, 177-mal ohne Gegentor. Gewann das verrückte Champions-League-Finale gegen Bayern (2:1).
10
José Luis Félix Chilavert (Paraguay). Der
torgefährlichste Torhüter der Geschichte.
Er erzielte 60 Treffer in seiner Laufbahn.
11
Fabien Barthez (Frankreich). Welt- und
Europameister mit Frankreich (1998 und
2000). Liess sich vor jedem Spiel seine
Glatze von Laurent Blanc küssen.
25
BILBAO
→ http://fifa.to/1hnNB0w
Ein eigener Charakter
Der spanische Primera-División-Klub Athletic de Bilbao setzt nur Spieler ein,
die aus dem Baskenland, aus der Provinz Navarra oder aus der baskischen
Region Frankreichs stammen. Abgestiegen ist man trotzdem noch nie.
A
Jordí Punti, Bilbao (Text) und
Xavier Cervera (Fotos)
ls der Schiedsrichter am 1. Dezember die Partie in Bilbao abpfiff, fielen sich die Spieler des
Athletic Club in die Arme, als
hätten sie gerade einen Titel errungen. Die Zuschauer applaudierten und feierten mit ihnen,
und das nicht ohne Grund.
Schliesslich hatte das Team gerade den FC Barcelona 1:0 besiegt
und den Katalanen die erste Saisonniederlage beigebracht. Ausserdem muss im neuen Estadio de San Mamés
dringend Geschichte geschrieben werden.
In dem eben erst eingeweihten kleinen
Juwel soll möglichst die gleiche Atmosphäre
herrschen wie in der alten Spielstätte – allerdings mit mehr Komfort und mehr Zuschauern.
Nach Abschluss der Bauarbeiten wird es 54 000
Zuschauer fassen; der Klub benötigte das Stadion dringend und sah sich gezwungen, vor der
Fertigstellung zu eröffnen.
Eine der Tribünen fehlt noch, sodass das
Ganze den Eindruck eines Baseballplatzes vermittelt. Gleichzeitig ist die Baulücke aber auch
ein Fenster in die Vergangenheit. Das neue San
Mamés wurde quasi wenige Meter neben dem
alten errichtet, und man blickt direkt auf das
nun brach liegende Gelände, auf dem einst die
alte Arena stand. Das ruft Erinnerungen an
eine “heilige” Stätte wach, die im Lauf der vergangenen genau 100 Jahre in der Fangemeinde
auch den Beinamen “La Catedral” (die Kathedrale) erhielt.
Mit einem Blick in die Geschichte wird
deutlich, dass die Partie zwischen Athletic Bilbao und dem FC Barcelona auch als Klassiker
der spanischen Liga betrachtet werden sollte.
Gemeinsam mit Real Madrid sind die Basken
und die Katalanen die einzigen Klubs, die von
Beginn an immer in der ersten Liga gespielt
haben, also nie abgestiegen sind. Bei Athletic
Bilbao geht diese lange und erfolgreiche Zeit
26
auch mit einer Entscheidung einher, die dem
Klub einen ganz eigenen Charakter verliehen
hat: Es werden nur Spieler eingesetzt, die aus
dem Baskenland, aus der Provinz Navarra oder
aus der baskischen Region Frankreichs stammen.
Teams ohne ausländische Spieler sind in
der Welt des Elitefussballs immer seltener
geworden, vor allem deshalb, weil sie eine eher
geringe Chance haben, hochklassige Spieler zu
verpflichten. Steaua Bukarest hat jahrelang
eine solche Politik praktiziert, ebenso der spanische Klub Real Sociedad San Sebastián. Noch
heute gibt es einige Klubs wie Chivas Guadalajara in Mexiko, Nacional Montevideo in Ecuador oder Saprissa in Costa Rica, die diese Maxime leben. Die Gründe, die für diese Politik
angeführt werden, sind in der Regel ähnlich.
Die Fans von Chivas Guadalajara sprechen beispielsweise von “Nationalstolz” und sagen, sie
fühlten sich als “echte Mexikaner”.
Im Fall von Athletic sind die baskischen
Spieler zu einem unverwechselbaren Kennzeichen des Klubs geworden, einem Identifizierungsmerkmal mit sentimentalem Wert. Als ich
mit Galder Reguera, dem Verantwortlichen für
die Aktivitäten der vereinseigenen Stiftung
Fundación Athletic, über das Thema spreche,
erinnert er mich daran, dass es sich nicht etwa
um eine Frage der Ethik oder der sozialen Ausgrenzung handelt. Das ist wichtig, denn der politische Konflikt zwischen dem baskischen Nationalismus und dem spanischen Staat hat hier
oftmals für Konfusion gesorgt. Es handle sich
vielmehr um eine historische Entscheidung, deren Wurzeln im Amateurfussball liegen.
1911 bestritt Athletic mehrere Partien des
spanischen Pokalwettbewerbs, und der damalige Trainer, Mr. Shepherd, brachte drei englische Profifussballer zum Einsatz. Nachdem
Athletic den Wettbewerb für sich entschieden
hatte, untersagte der spanische Fussballverband fortan den Einsatz von Profis, und der
Klub mit den rot-weissen Trikots reagierte mit
der Entscheidung, in Zukunft keine Ausländer
mehr aufzustellen. So ist es bis heute geblieben.
T H E F I FA W E E K LY
Das grosse Verdienst Athletics ist es also,
sich in der Fussballelite behauptet zu haben,
ohne Zugeständnisse im Hinblick auf millionenschwere Verpflichtungen zu machen.
Gleichzeitig hat der Klub seine Situation nie als
Entschuldigung angebracht, wenn die Ergebnisse nicht stimmten.
Galder Reguera weist mich darauf hin, dass
es bei Bilbao im Grunde Ausländer gibt: “Die
Tausenden von Fans, die dem Team auf der
ganzen Welt folgen und sich in Fanklubs
zusammenschliessen.” Der Klub akzeptiert
gelegentlich auch Trainer, die keine Basken
sind, unter ihnen Jupp Heynckes oder Marcelo
Bielsa. Ausserdem gibt es seit den 1980er-Jahren Schlupflöcher im Hinblick auf die Norm,
nur Basken zu verpflichten. Als Beispiele dafür
seien die Fälle von Biurrún oder in jüngerer Zeit
Amorebieta genannt. Die beiden kamen versehentlich in Brasilien bzw. Venezuela zur Welt,
wuchsen im Baskenland auf und starteten ihre
Fussballkarriere in der Nachwuchsabteilung
von Athletic.
Helden und Freunde
Beim Athletic Club ehrt man seine Helden
gern, wie die Büste von Pichichi zeigt, eines der
wenigen Elemente, die noch vom alten Stadion
geblieben sind.
Die Büste, die sich am Ausgang des Kabinentunnels befindet, erinnert an Rafael Moreno
Aranzadi, besser bekannt als Pichichi, einen
Stürmer, der von 1911 bis 1921 für Athletic aktiv
war und eine hervorragende Torbilanz vorweisen konnte. Vor genau 100 Jahren war er es, der
im alten Estadio San Mamés das erste Tor
erzielte. Traditionell ist es üblich, dass jedes
Team bei seinem ersten Besuch im Stadion
einen Blumenstrauss an der Büste niederlegt.
Ausserdem wurde nach ihm die Trophäe
benannt, die jedes Jahr dem Torschützenkönig
der spanischen Liga verliehen wird.
Pichichi, Zarra, Gaínza und viele andere
sind den Athletic-Fans mit einer Mischung aus
Verehrung und Freundschaft in Erinnerung
geblieben, denn schliesslich waren sie nicht nur
BILBAO
Xavier Cervera/Panos Pictures
Auf dem Trainingsgelände: Athletic verfügt auch über zwei Frauenteams.
Bilbaos neuer Stolz: Die Südkurve vom San-Mamés-Stadion befindet sich noch im Bau.
T H E F I FA W E E K LY
27
BILBAO
Bei den Athletic-Fans. In der Altstadt überbrückt man die Zeit bis zum nächsten Spiel mit einem Kartenspiel.
Die Akademie: 14 Kilometer von Bilbao entfernt, steht das Trainingsgelände der Athletics.
28
T H E F I FA W E E K LY
BILBAO
“Ein Klub
mit einer
romantischen
Philosophie.”
Aufbewahrt im Palast: Bilbao errang den spanischen Meisterpokal 1984
zum achten und bis jetzt letzten Mal.
ihre Helden, sondern sozusagen auch ihre
Nachbarn. Sie schlenderten durch dieselben
Strassen. Ein weiteres Idol ist der Torwart José
Ángel Iribar, “El Txopo”, der 1962 sein Debüt bei
Athletic feierte und 18 Spielzeiten lang für den
Klub aktiv war (von 1964 bis 1976 war er ausserdem spanischer Nationaltorhüter). Später
fungierte er einige Jahre als Trainer der
Rot-Weissen.
Ich treffe mich an einem kalten Dienstagmorgen mit Iribar auf dem Trainingsplatz von
Athletic. Als die Fans ihn sehen, begrüssen sie
ihn wie ein vertrautes Familienmitglied. Iribar
ist mittlerweile 70 Jahre alt und spricht mit der
liebenswürdigen Selbstsicherheit eines Mannes, der fast alles gehalten hat und zudem noch
eine Ikone des Klubs ist. Als ich ihn nach der
Entscheidung frage, nur mit baskischen Spielern zu arbeiten, sagt er: “Das ist in den Fans so
tief verwurzelt, dass sie sich die Frage gar nicht
mehr stellen. Was einige als Handicap sehen,
ist für uns ein Vorteil, weil sich die Zuschauer
ein Bein ausreissen und sich mit den Spielern
identifizieren. Ausserdem haben wir in Spanien
viele Fans, die sich von der ‘romantischen Philosophie’ des Klubs begeistern lassen.” Iribar
macht keinen Hehl daraus, dass er im Lauf seiner Karriere Angebote von Barcelona, Valencia
oder Madrid erhalten hat. Einen Weggang habe
er allerdings nie in Betracht gezogen. “Das waren andere Zeiten”, sagt er rückblickend. “Und
ausserdem: Wo hätte man mich denn besser
behandeln können als hier?”
Wenn man durch das Zentrum Bilbaos
schlendert, trifft man nicht selten ehemalige
Spieler. Gesichter, die einem ganz plötzlich wieder
ein Abziehbild, eine Art zu laufen oder ein Tor in
Erinnerung rufen, obwohl seither schon viel Zeit
vergangen ist. Nach ihrer aktiven Laufbahn bleiben die meisten Spieler von Athletic in der Stadt
oder in der Provinz wohnhaft und halten eine
aktive Beziehung zum Klub aufrecht.
An Spieltagen füllen die Fans in der Regel die
Kneipen und Lokale rund um das Stadion in den
Strassen Licenciado Poza und Sabino Arana.
Nicht selten trifft man dort auch auf den einen
oder anderen ehemaligen Spieler, während man
ein Bierchen trinkt, sich mit Freunden unterhält
und genüsslich ein paar “Pintxos” verspeist –
köstliche, aufwendig zubereitete baskische Tapas.
Die Fussballschule in Lezama
Man könnte sagen, dass Athletic Bilbao für seine Beschäftigten gewissermassen ein nachhaltiges Unternehmen ist. Es handelt sich nämlich
nicht nur um einen Klub, der wirtschaftlich auf
gesunden Beinen steht, sondern es werden hier
zudem viele verantwortungsvolle Posten an
ehemalige Spieler vergeben. Derzeit ist beispielsweise Josu Urrutia Vereinspräsident, ein
ballgewandter ehemaliger Mittelfeldspieler, der
über 350 Partien für seinen Klub bestritt.
Im Trainerstab der ersten Mannschaft geben
sich die Ex-Spieler Ernesto Valverde (Trainer),
Jon Aspiazu, Andoni Imaz und Aitor Iru ein
Stelldichein. Für technische Berichte und ScouT H E F I FA W E E K LY
ting sind Miguel de Andrés und Antonio Karmona zuständig. Die Fussballschule in Lezama
leitet Aitor Larrazábal, und in der Nachwuchsabteilung sind Namen wie Estíbariz, Suances,
Ziganda oder Joseba Etxeberria anzutreffen,
die in der jüngeren Vergangenheit von Athletic
eine wichtige Rolle spielten.
Diese interne Funktionsweise ist der
Garant für ein nahtloses Ineinandergreifen
und grosses Engagement. Sie hat ihren
Ursprung in der Fussballschule in Lezama.
Dabei handelt es sich um einen wesentlichen
Bestandteil der Vereinsphilosophie. Wenn
man keine Ausländer verpflichten kann, ist
man gezwungen, ein grösseres Augenmerk auf
den eigenen Nachwuchs zu legen. Insgesamt
gibt es bei Athletic zwölf Männer- bzw. Jungen- und zwei Frauenteams (eine A-Mannschaft und ein Nachwuchsteam), in denen pro
Saison etwa 250 Spieler aktiv sind. Das Auswahlverfahren beginnt bereits im Alter von elf
Jahren.
Aitor Larrazábal, der Leiter von Lezama,
lässt keinen Zweifel daran, welchen Auftrag
die Schule hat: “Wir fördern hier die Kultur des
Einsatzes und der Opferbereitschaft, aber auch
die Werte der Kameradschaft: Dass sich das
Team dank deiner Arbeit entwickelt.” Diese
Vermittlung von Werten ist laut Larrazábal
fundamental, damit “die Jungs den Verein
nicht als Jugendliche schon verlassen, damit
nicht ein reicher Klub kommt und die besten
wegschnappt.”
29
BILBAO
Training am Abend: Jugendspieler von Athletic in der Fussballschule Lezama.
“Die Jugendlichen sprechen
mit den Profis über Bücher.”
Die einzige Form, die Macht des Geldes im
Kinder- und Jugendfussball zu untergraben,
führt über den Weg des Vertrauens und der
Werte des Klubs. So erklärt es mir jedenfalls
Koldo Asua, verantwortlich für den sozialen
Bereich in Lezama. Die Spieler, und vor allem
ihre Eltern, sollen das Gefühl haben, dass sie
am bestmöglichen Ort sind. Lezama verfügt
über einen Unterrichtsraum sowie über zwei
Lehrer, die den Kindern bei ihren Hausaufgaben helfen, bevor das Training beginnt.
Als ich ihn nach den Werten frage, um die
es hier geht, höre ich von Asua so etwas wie die
zehn Gebote für junge Spieler, unter denen sich
unter anderem auch Zitate von Chesterton oder
García Márquez finden: “Der Wert eines Menschen misst sich an der Treue seines Herzens
und der Bescheidenheit seiner Seele.” Ein prak30
tisches Beispiel für dieses soziokulturelle Profil
des Vereins gibt es einmal im Monat: Die
Kinder lesen eine Geschichte – beispielsweise
“Der kleine Nick” – und nachmittags sprechen
sie dann mit einem der Spieler der ersten
Mannschaft darüber. Die Nähe zu Idolen wie
Iker Muniaín, Andoni Iraola oder Carlos Gurpegui motiviert sie und führt ihnen ihre eigene
Zukunft vor Augen. Und dann wäre da noch ein
wichtiges Detail: Während dieses Gesprächs ist
es verboten, über Fussball zu reden.
Wenn es einen Titel zu feiern gibt, tut man
dies bei Athletic auf besondere Weise: Die Spieler und Trainer besteigen eine Barkasse, mit der
sie die Flussmündung hinauf bis ins Stadtzentrum fahren. Die Fans postieren sich an den
Ufern des Flusses, feiern ihr Team und schwenken Fahnen. Das ist ein einzigartiges und wunT H E F I FA W E E K LY
derschönes Ritual, das die Jüngeren noch nicht
erleben durften. Den letzten Titelgewinn feierte man nämlich 1984, als Athletic die Liga und
den Pokal gewann.
An solche Erfolge konnte man seither nicht
anknüpfen. Im Jahr 2012 war der Klub kurz
davor, unterlag dann aber im Finale der
Copa del Rey und der Europa League. Aber
trotz dieser Titelflaute bleibt ja noch der Stolz,
dass man eben Athletic ist. Larrazábal bringt
es auf den Punkt: “Wir sind eben anders als
andere Klubs.” Å
BILBAO
Profierfahrung aus 14 Saisons: Aitor Larrazabal leitet seit seinem Karriereende die Jugendabteilung Bilbaos.
Die Entwicklung des Vereinslogos
Gründung:
1898
Mitglieder:
35 354
Titel:
Ab 1898
Ab 1911
1970
1980
2013
8 x Spanische Meisterschaft
(zuletzt 1984)
23 x Spanischer Pokal
(zuletzt 1984)
Budget 2013/14:
€ 64 152 000
Saisons in der Primera Division:
Alle
T H E F I FA W E E K LY
31
DEBAT T E
Farben, Fahnen, Gesänge
Die Klub-WM gewinnt an Stellenwert. Vereine, Spieler und Fans lieben
das Turnier. Höchste Zeit, dass die Vergleiche mit anderen Wettbewerben
aufhören.
Alan Schweingruber, Marokko
Siebzigerjahre ab. Seit 2000, als die FIFA die offizielle Klub-WM ins Leben rief, nehmen alle
sechs Konföderationen teil.
Die Begeisterung in Marokko ist gross,
auch weil das Turnier erstmals in Afrika stattfindet. Ein brasilianischer Vater, der seit seiner
Kindheit das Wappen von Atletico Mineiro auf
der Brust trägt und in Afrika lebt, reiste mit
seiner ganzen Familie zu den Finalspielen nach
Marrakesch. “Ich kann nicht loslassen”, erzählt
er. “Atletico ist in meinem Herzen. Was mir
diese Klub-Weltmeisterschaft ermöglicht, ist
einfach fantastisch.” Å
Die Weekly-Debatte.
Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Über welche Themen wollen Sie
diskutieren? Ihre Vorschläge an:
[email protected].
Mohamed Hossam/Anadolu Agency/Getty Images
Vermutlich ist in keinem anderen Land die
Champions-League-Trophäe so wichtig wie in
Spanien, weil in der nationalen Meisterschaft
das ewige Duell zwischen Real Madrid und Barcelona keine grosse Abwechslung bietet. In
Brasilien, Argentinien und Chile nimmt der
Gewinn der Copa Libertadores einen grossen
Platz ein. Und in Italien steht der Scudetto über
allem. Der Römer und ehemalige Nationalteam-Captain Francesco Totti zieht diese Auszeichnung sogar dem WM-Titel vor.
Auch die Klub-WM fährt in ihrer eigenen
Spur. Das Turnier anderen Wettbewerben
gegenüberzustellen, ist, wie wenn man einen
Rioja mit einem Bordeaux vergleichen würde.
Beide schmecken gut, jeder auf seine Art. Das
Spezielle an der Klub-Weltmeisterschaft ist,
dass sie kurz vor den Festtagen Vereine aus
allen Ecken der Welt zusammenbringt. Es ist
ein Kennenlernen, eine Herausforderung, ein
Abenteuer und schlussendlich der Stolz, diese
internationale Trophäe nach Hause holen zu
wollen. “Schau, da vorne gehen die Brasilianer”,
rief ein Bayern-Anhänger am Flughafen von
Marrakesch und zeigte auf die Fans von Atle­
tico Mineiro. Weiter vorne knipsten die mexi­
kanischen Anhänger von CF Monterrey mit
ihren Fotoapparaten. Überall Farben, Fahnen,
Gesänge – Emotionen pur.
Die Faszination für das Gegensätzliche geht
weit ins Jahr 1951 zurück. Damals hiess das interkontinentale Kräftemessen noch “Copa Rio”
und der Vergleich fand einzig zwischen den besten Klubs aus Europa und Südamerika statt.
Den Vorschlag der FIFA, afrikanische Vereine
einzuschliessen, lehnten die Gründer bis in die
32
T H E F I FA W E E K LY
DEBAT T E
Die Idee einer Klub-WM ist sehr gut – aber
nur der erste Schritt in die richtige Richtung.
Das Ziel müsste eine globale Champions
League über die gesamte Saison sein. Nur
dann liesse sich wirklich ermitteln, wer der
beste Klub der Welt ist.
PRESIDENTIAL NOTE
Nächstes Jahr reise ich nach Brasilien an
die WM. Für mich ist das Turnier in Marokko
ein Vorgeschmack und eine tolle Gelegenheit,
meinen Lieblingsklub Atletico Mineiro wieder
mal live zu erleben.
Antonio Apolinario, Moatize (Mosambique)
Markus Flach, Wien (Österreich)
Ein tolles Turnier. Alles läuft so wunderbar,
und unsere Fans von Raja Casablanca machen
unglaublich Stimmung. Wir sind alle sehr
stolz, so viele Gäste aus der ganzen Welt bei
uns zu haben.
Said Maiza, Marrakesch (Marokko)
Mir gefällt die Idee der Klub-Weltmeisterschaft. Das ist fairer, als – wie früher – nur
den europäischen und südamerikanischen
Sieger gegeneinander spielen zu lassen..
Matthias Krobath, Zürich (Schweiz)
Für mich ist die Klub-WM ein Wettbewerb
von zweitrangiger Bedeutung. Allein der
Blick auf die bisherigen Austragungsorte
zeigt, dass er nicht eine der ganz grossen
Bühnen darstellt. Seit 2005 fand er sechsmal
in Japan und zweimal in den Vereinigten
Arabischen Emiraten statt. In diesem und im
nächsten Jahr wird in Marokko gespielt. Erst,
wenn die Klub-WM in einer der europäischen
Top-Nationen – Spanien, Deutschland, England, Italien oder Frankreich – veranstaltet
wird, kann ich sie richtig ernst nehmen.
Paul Cooper, Sheffield (England)
Ich bin ein grosser Fussballfan und verpasse
am Fernsehen kaum ein Spiel meines
Lieblingsklubs Barcelona. Vermutlich würde
ich auch die Klub-WM schauen, wenn Barca
dabei wäre. Grundsätzlich stufe ich diesen
Wettbewerb aber als zweitrangig ein. Für die
grossen europäischen Klubs haben Champions League und nationale Meisterschaften
Priorität – sportlich und wirtschaftlich. Dem
Titel eines Klub-Weltmeisters fehlen (noch)
Prestige und Renommee.
Bernd Siegel, Berlin (Deutschland)
“Globale
Champions
League.”
Es braucht auf jeden Fall eine Klub-WM.
Allerdings muss der Event noch stärker global
vermarktet werden. Dies könnte beispiels­
weise durch eine Kooperation mit einem
weltweiten Partner gelingen. Schliesslich soll
der weltbeste Klub auch tatsächlich erkoren
werden. Die Fans auf der ganzen Welt sollen
stolz auf ihren Weltmeister sein.
Fabio Lenzlinger, St. Gallen (Schweiz)
Die Klub-WM ist immer speziell wegen der
tollen Atmosphäre. Ich war schon öfters an
diesem Turnier. Für uns Bayern ist der Titel
nicht ganz so wichtig wie für die anderen
Klubs. Aber natürlich wollen alle den Pokal
gewinnen.
Rüdiger Müller, München (Deutschland)
Ich frage mich, ob es im überfrachteten
Terminkalender des internationalen Klubfussballs die Klub-WM wirklich braucht.
Im Vergleich zur europäischen Champions
League kann sie sportlich kaum mithalten.
Stefan Ilgner, Stuttgart (Deutschland)
“Für mich ist
die Klub-WM
zweitrangig.”
T H E F I FA W E E K LY
Ein Meilenstein
B
raucht es eine Klub-WM? Die Frage wurde
in den Anfängen des Wettbewerbs häufig
gestellt. Mittlerweile ist sie obsolet. Wenn
man sieht, mit welcher Konsequenz die Teilnehmer das Turnier angehen und wie die
Zuschauer in Marokko in die Stadien strömen,
besteht bezüglich der sportlichen Bedeutung
kein Zweifel mehr. Mit der Klub-WM hat die
FIFA dem interkontinentalen Klubfussball ein
attraktives Schaufenster gegeben.
Bis zur erstmaligen Austragung im Jahr
2000 wurden nur Vergleiche zwischen je zwei
Konföderationen gezogen: im Weltpokal zwischen dem europäischen Meistercup-Sieger
und dem Gewinner der Copa Libertadores
sowie im Afro-Asien-Pokal und in der Copa
Interamericana zwischen Nord- und Südamerika. Dass Manchester United für die Teilnahme
an der ersten Klub-WM auf den FA-Cup
verzichtete, macht deutlich, dass die Vereine
von Beginn weg die Wichtigkeit des Anlasses
erkannten.
In Marokko, anlässlich der Premiere auf
dem afrikanischen Kontinent, erleben wir derzeit Fussball auf höchstem Niveau – und in allen
Facetten. Vor allem die Spiele des Heimteams,
Raja Casablanca, finden in einer grandiosen
Atmosphäre statt. Der Rahmen könnte kaum
besser und begeisternder sein. Und die erstmalige Qualifikation einer chinesischen Mannschaft (Guangzhou Evergrande – mit dem italienischen Weltmeistertrainer Marcello Lippi) ist
ein Meilenstein in der Fussballhistorie.
Kein anderer Klubwettbewerb bietet eine
interkontinentale Vergleichsmöglichkeit auf
diesem Niveau. Die Klub-WM steht auch für die
Basis des Fussballs. Denn es ist der Vereins­
fussball, der die personelle Grundlage für die
Nationalmannschaftsturniere liefert. So gesehen ist das Turnier in Marokko ein würdiger
Prolog für die WM 2014 in Brasilien.
Ihr Sepp Blatter
33
Dominate the distance, jump higher, tackle harder.
Feel the energy behind the engine: adidas nitrocharge.
adidas.com/football
© 2013 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
nitrocharge
your game
DAS FIFA-R ANKING
Frankreich zurück in den Top 5
Während Frankreich seine beste Klassierung erreicht hat, ist es
für Schweden die schlechteste seit Einführung der Rangliste.
Die 71 europäischen Qualifikationsspiele für die Frauen-Welt-
Grösster Gewinner in den Top 10 ist aber Norwegen (8, plus 2),
meisterschaft sowie zahlreiche Freundschaftsspiele, insbeson-
das erstmals seit November 2010 wieder so weit vorne ist.
dere in Asien, haben in der Dezember-Ausgabe der Frauenwelt-
Grösster Aufsteiger ist das Team aus Israel (55, plus 6), das dank
rangliste für Bewegung gesorgt. Hinter dem unveränderten
Qualifikationssiegen gegen Malta (87, plus 1) und Serbien (44,
Spitzenquartett folgt neu Frankreich (5, plus 1) statt Schweden
minus 1) so gut rangiert ist wie nie zuvor. Vier ozeanische Teams
(6, minus 1) – ganz knapp hinter den Brasilianerinnen, die damit
sind wegen fehlender Spiele aus der Rangliste gefallen, während
erstmals seit Juni 2007 aus den Top 5 fallen könnten.
Indonesien (68) und Swasiland (112) wieder klassiert sind.
Rang Team
Rang­veränderung Punkte
1 USA
0 2228
2 Deutschland
0 2156
3 Japan
0 2071
4 Brasilien
0 2031
5 Frankreich
1 2027
6 Schweden
-1 2021
7 Kanada
0 1978
8 Norwegen
2 1973
9 Australien
-1 1957
10 DVR Korea
-2 1956
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
29
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
42
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
England
Italien
Dänemark
Niederlande
Spanien
Neuseeland
Republik Korea
VR China
Island
Schottland
Russland
Schweiz
Finnland
Ukraine
Mexiko
Tschechische Republik
Belgien
Vietnam
Österreich
Kolumbien
Polen
Thailand
Republik Irland
Nigeria
Rumänien
Wales
Ungarn
Belarus
Chinese Taipei
Costa Rica
Portugal
Myanmar
Usbekistan
Serbien
Slowakei
Trinidad und Tobago
Kamerun
Ghana
Indien
Südafrika
Äquatorial-Guinea
Jordanien
Iran
Haiti
Israel
Bulgarien
Nordirland
Slowenien
0
0
-1
0
2
3
0
-2
-4
0
0
3
-1
-1
-1
0
0
0
4
0
-1
-1
1
-2
0
1
-1
0
0
0
1
1
3
-1
-4
0
1
1
1
1
1
1
2
3
6
-1
-3
1
1942
1892
1872
1868
1849
1834
1829
1826
1822
1820
1806
1794
1786
1772
1760
1696
1680
1661
1650
1650
1647
1639
1633
1623
1606
1601
1576
1565
1564
1561
1550
1548
1548
1531
1524
1509
1467
1459
1431
1430
1429
1415
1412
1397
1394
1393
1391
1387
Rang Team
59
60
61
61
63
63
65
66
67
68
68
68
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
94
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
Albanien
Panama
Kroatien
Hongkong
Türkei
Kasachstan
Griechenland
Elfenbeinküste
Färöer
Uruguay
Indonesien
Marokko
Estland
Guatemala
Bahrain
Bosnien-Herzegowina
Philippinen
Guam
Laos
Malaysia
Senegal
Montenegro
Litauen
Simbabwe
Lettland
Palästina
Singapur
El Salvador
Malta
Äthiopien
Luxemburg
Honduras
Kirgisistan
DR Kongo
Nicaragua
Nepal
Armenien
Georgien
Zypern
EJR Mazedonien
Namibia
Bangladesch
Sri Lanka
Libanon
Malediven
Tansania
Sambia
Pakistan
Dominica
Afghanistan
Mosambik
Kuwait
Katar
Swasiland
Lesotho
Belize
Bhutan
Antigua und Barbuda
Botsuana
Argentinien**
Chile**
Ecuador**
Papua-Neuguinea**
Peru**
Paraguay**
Aserbaidschan**
Jamaika**
Venezuela**
T H E F I FA W E E K LY
Rang­veränderung Punkte
1
2
2
3
2
3
-7
2
0
1
1
3
-1
0
4
0
0
0
1
2
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
2
2
2
5
3
2
4
2
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
4
4
1
2
2
2
2
2
1379
1364
1361
1361
1358
1358
1352
1344
1338
1330
1330
1330
1321
1318
1314
1312
1311
1294
1293
1266
1247
1242
1241
1224
1192
1182
1177
1175
1166
1163
1156
1153
1136
1132
1111
1104
1104
1100
1087
1073
1015
979
965
955
942
941
938
937
906
899
873
870
867
860
837
827
785
757
708
1609
1544
1484
1476
1450
1430
1341
1339
1338
Rang Team
Tunesien**
Algerien**
Tonga**
Fidschi**
Ägypten**
Guyana**
Kongo**
Tahiti**
Bolivien**
Dominikanische Republik**
Mali**
Kuba**
Salomon-Inseln**
Neukaledonien**
Benin**
Moldawien**
Barbados**
Cook-Inseln**
Suriname**
Vanuatu**
Angola**
Sierra Leone**
Bahamas**
Samoa**
Puerto Rico**
Amerikanisch-Samoa**
Guinea**
St. Lucia**
Eritrea**
Gabun**
Grenada**
St. Vincent und die Grenadinen**
Burkina Faso**
St. Kitts und Nevis**
Uganda**
Turks- und Caicos-Inseln**
Bermuda**
Guinea-Bissau**
Syrien**
Amerikanische Jungferninseln**
Irak**
Liberia**
Britische Jungferninseln**
Cayman-Inseln**
Malawi**
Curaçao**
Aruba**
Komoren**
Vereinigte Arabische Emirate*
Kenia*
Rang­veränderung Punkte
1325
1320
1316
1306
1289
1256
1238
1238
1236
1226
1204
1201
1195
1188
1187
1177
1173
1170
1159
1139
1134
1132
1111
1110
1108
1075
1063
1061
1060
1031
1029
1008
1003
974
965
963
950
927
927
885
882
877
867
847
840
831
803
534
1665
816
** Teams, die seit über 18 Monaten nicht mehr gespielt
haben und deshalb nicht ranigert sind.
* Provisorisch rangierte Teams, weil sie nicht mehr als fünf
Spiele gegen offiziell rangierte Teams gespielt haben.
Die FIFA-Frauenweltrangliste wurde erstmals im Juli 2003
publiziert. Sie rangiert die ca. 150 aktiven FIFA-Mitgliedsverbände auf der Grundlage einer Reihe von Faktoren wie
Sieg, Heimvorteil, Stärke des Gegners und Bedeutung des
Spiels. Die Rangliste wird vierteljährlich veröffentlicht – die
nächste erscheint am 28. März 2014.
35
FUSSBALLBÜCHER
“Eine kleine Titanic”
Die Genialität von Andrea Pirlo ist wie seine Freistösse: unvor­
hersehbar. Ironisch und mit stets pointierter Sprache erzählt
Pirlo von seiner Karriere.
Man erwartet eine Flugkurve, die an der Mauer
vorbeigeht, doch dann schlenzt er den Ball über
die Mauer, wie er es von Juninho Pernambucano gelernt hat. Oder man rechnet mit einem
Schuss über die Mauer, doch stattdessen geht
der Ball unter den Spielern durch. Bei Pirlos
Persönlichkeit ist es ähnlich. Mit seinen halb
geschlossenen Augen wirkt er stets ernst und
gelangweilt. Doch laut seinen Mitspielern ist er
ein Spassvogel, der bei Streichen immer an vorderster Front dabei ist.
In seiner vom Journalisten Alessandro
Alciato verfassten Biografie, die ein Vorwort des
italienischen Nationaltrainers Cesare Prandelli
beinhaltet, nimmt Andrea Pirlo seine Maske ab.
“Penso quindi gioco” (“Ich denke, also spiele
ich”), erschienen bei Mondadori, ist ein nahezu
komisches Buch, eine echte Überraschung.
Niemand hätte vermutet, dass er im Trainingslager der Nationalmannschaft gemeinsam
mit Daniele De Rossi der Hauptverantwortli36
che für zahlreiche Scherze auf Kosten von Rino
Gattuso war. In seiner Autobiografie gibt er
einen davon zum Besten: “Nach dem Unentschieden gegen Irland hatten wir uns für die
WM 2010 in Südafrika qualifiziert, weshalb das
letzte Qualifikationsspiel in Parma gegen
Zypern zu einem bedeutungslosen Freundschaftsspiel wurde. Lippi gab uns einen freien
Abend in Florenz. Wir gingen alle essen, nur
Gattuso blieb im Camp zurück. Als wir zurückkehrten, waren wir betrunken und kein bisschen müde, weshalb folgende Idee geboren
wurde: ‘Gehen wir Rino auf den Geist!’ Dieser
schlief fest in seinem Zimmer. Während wir die
Treppe hochgingen, bemerkte De Rossi einen
Feuerlöscher und nahm ihn mit – und mir kam
die Idee: Ich werde Gattuso löschen.”
Ironisch und mit stets pointierter Sprache
erzählt Pirlo von seiner Karriere: von seinen
Tränen als Wunderkind, das von seinen Mitspielern beneidet und niemals angespielt wurde, über den WM-Titel 2006 und den Champions-League-Triumph 2007 bis hin zum
T H E F I FA W E E K LY
Andrea Pirlo (mit Andrea Alciato):
“Penso quindi gioco”, Mondadori, Mailand
2013, 137 Seiten, € 16.
traumatischen Abschied von der AC Milan. Das
Buch beginnt ausgerechnet mit der Erzählung
dieses Bruchs. Auch hier wählt er überraschende Worte, in diesem Fall jedoch in puncto Härte. “Vor die Tür gesetzt. In den Müll geworfen.
Verschrottet. Oder gefeuert, zerstört, entschärft. Weggeworfen. Wenn es bei der AC Milan jemand geplant hat, mir ein solches Ende zu
bereiten, hat er mit dieser Strategie Schiffbruch
erlitten. Eine kleine Titanic.”
Pirlo, der daraufhin zu Juventus Turin
wechselte, holte mit der Alten Dame auf
Anhieb zwei Meistertitel sowie zwei italienische Supercoppe. Es war Pirlos Rache an der
AC Milan.
Maki Galimberti/LUZphoto
Luigi Garlando
FUSSBALLBÜCHER
Reisevorbereitungen
Die WM 2014 in Brasilien wird eine Welle von
neuen Fussballbüchern zeitigen. Ein erster,
sehr lesens­werter Band beschreibt den Mythos
des brasilianischen Fussballs in Wort und Bild,
von Maracanã bis Pelé. Brasilien – zu Hause auf
dem Sofa! (mon)
Reinaldo Coddou H.: “O Jogo Bonito. Brasilien –
eine fussballverrückte Nation in Bildern”,
Spielmacher-Verlag, Mannheim 2013,
232 Seiten, € 35.
Amateurfussball: Die Teams von Sheffield FC und Stamford AFC
begegnen sich auf dem “Coach and Horses Ground” in Dronefield.
Geographie des Fussballs
Ein Niederländer
in England
Dennis Bergkamp gilt für viele als Schlüssel­
figur bei der Neuerfindung der Premier League.
Vor dreissig Jahren noch ein Kick-and-RushParadies gilt die höchste englische Liga heute
als Hort spielstarker Teams. Bergkamp und
dem Arsenal F.C. sei dank – sagt sein Biograph
David Winner. (mon)
David Winner: “Dennis Bergkamp. Stillness and
Speed: My Story”, Atria Books, London 2013,
272 Seiten, £ 20.
Xavier Cervera/Panos
Neue Werte?
Die Umwandlung des urwüchsigen englischen
Fussballs zum finanzstarken, globalen Entertainment, am Beispiel des Manchester City F.C.
nacherzählt. Was geschieht mit den alteingesessenen Fans, wenn Investoren die Klubs umwälzen? David Conn über die Werte des modernen Fussballs. (mon)
David Conn: “Richer Than God”, Quercus
Publishing Plc, London 2013, 432 Seiten, £ 17.
Daniel Gray macht sich auf, England zu erfahren. Seine Heimat
offenbare sich dort, wo Fussball gespielt wird, lautet sein Credo.
Ganz unrecht hat er damit nicht.
Perikles Monioudis
Es wird immer schwieriger, etwas Neues über den
Fussball zu schreiben, scheint es. Oder dies zumindest auf eine einigermassen neue oder
inspirierte Weise zu tun. Der Versuche sind
dennoch sehr viele. Denn der Fussball ist als
(literarisches) Thema salonfähig geworden.
Schade nur, dass es literarische Salons kaum
mehr gibt.
Im Unterschied dazu hat sich der Fussball
global ausgebreitet. Die Premier League verkauft
ihre Fernsehrechte weltweit, allein in Burma
erlöst sie dabei 40 Millionen US-Dollar für einen
Dreijahresvertrag. Im Kampf der Medien hat das
Medium TV dem Medium Buch den Rang abgelaufen – und damit die mediale Definition des
Fussballs an sich gerissen. Aber auch das nicht
erst seit gestern.
Bleiben wir beim Buch. Der für viele als Fussballbuch der Fussballbücher gepriesene Roman
Nick Hornbys, “Fever Pitch”, beschreibt zu sehr
die höchstpersönliche Obsession eines jungen
Mannes, als dass er den Fussball als gesellschaftliches Phänomen verstünde. Und David Peace
konzentrierte sich in “The Damned United” und
“Red or Dead” (siehe S. 39) vor allem auf die
Psyche seines Protagonisten (eine Fiktionalisierung des Coaches Brian Clough) beziehungsweise
auf die Sprache und deren Rhythmisierung.
Einen neuen Weg will auch Daniel Gray gehen. Er wählt den Weg der Selbsterfahrung. Vor
seinem 30. Geburtstag reist er durch sein England,
T H E F I FA W E E K LY
meidet dabei Orte, die in der medialen Aufmerksamkeit stehen, hält sich in der Provinz auf.
Dort findet er das vor, was den Fussball für
ihn ausmacht – und Menschen, die umgekehrt
den Fussball im kleinsten nach ihrer Façon
prägen: unterklassige Spieler in Schlappen, Blaskapellen auf holprigen Spielfeldern, Jugendliche, die am Spielfeldrand sitzend Fish and Chips
verschlingen, daneben der Ozean, ein dichter
Wald, Hügel, eine Autobahn oder verfallende
Umkleidebaracken, auf die verwitterte Schilder
hinweisen.
Gray gräbt in den vielen kleinen englischen
Städten das aus, was man gelebten Fussball
nennen könnte – in einer Welt des nachgelebten,
mediatisierten Fussballs. Und er findet damit
sein England.
Daniel Gray: “Hatters, Railwaymen and
Knitters. Travels through England’s Football
Provinces”, Bloomsbur y, London 2013,
320 Seiten, £ 13.
37
The best footballer of 2035
was born today.
But where?
The FIFA Ballon d’Or is the highest accolade any
footballer can hope to receive, a prize to which
players all over the world aspire.
FIFA takes great pride in being able to offer
guidance to thousands of young players around
the world through its grassroots programmes.
FIFA promotes football skills, equality and
fair play and helps to develop the football stars
of tomorrow.
www.FIFA.com
FUSSBALLBÜCHER
David Peace:
“Red or Dead”,
Faber & Faber,
London 2013,
736 Seiten, £ 20.–
Anfield Road, Dezember 1964: Liverpool-Coach Bill Shankly (r.) hilft bei den Vorbereitungen für das Spiel gegen Sunderland.
Die tieferen Rituale des Fussballs
Kein Fussballbuch hat 2013 so stark polarisiert wie
“Red or Dead” von David Peace über die Liverpooler
Coachlegende Bill Shankly.
Bullspress/Mirrorpix
David Winner
Manche Kritiker bejubeln das Buch als Meisterwerk. Andere hingegen schimpfen, das Heldenepos über den Mann, der den Liverpool FC
von einem Zweitliga-Kellerkind zu einem Spitzenklub machte, sei unlesbar. Je nach Sichtweise
sind wohl beide Aussagen legitim. In einer Zeit
der kurzen Aufmerksamkeitsspannen und der
vielen Klischees ist “Red or Dead” ein schwieriges
Buch. Jedenfalls definiert es neue Grenzen dessen, was in der Sportliteratur möglich ist.
Vor einem Jahrzehnt galt Peace als einer der
fesselndsten jungen Romanautoren Grossbritanniens, der sich auf düstere Kriminalgeschichten
spezialisiert hatte. Dann wandte er sich dem
Fussball zu und schrieb “The Damned United”,
eine brillante Schilderung der 44 Tage von Brian
Clough bei Leeds United. Das Buch präsentierte
die Vergangenheit und Gegenwart Cloughs als
zwei ineinander verwobene Handlungsstränge,
wie eine DNA-Doppelhelix. Das war allerdings
die reinste Schlichtheit im Vergleich dazu, wie er
nun versucht, Shankly als eine Art Heiligen des
Fussballs darzustellen. Peace baut ein fast kör-
perlich erfahrbares Gefühl für die Erfolgsversessenheit seiner Hauptperson auf; auf mehr als 730
Seiten dröhnender Wiederholungen und scheinbarer Belanglosigkeiten. Jedes einzelne Spiel, jeder Witz, jede freundliche Geste wird erwähnt.
Hier ein Satz, der den Schreibstil zeigt: “Bill
wartete auf die Dämmerung, Bill wartete auf das
Licht. Und Bill stieg aus dem Bett. Bill rasierte
sich, Bill wusch sich. Bill zog seinen Anzug an,
Bill band seine Krawatte. Und Bill ging nach
unten. Bill frühstückte mit Ness und ihren Töchtern. Bill küsste sie zum Abschied. Bill verliess
das Haus, Bill setzte sich in sein Auto. Und Bill
fuhr durch das Hügelland. Vorbei an Man­
chester – bis nach Liverpool. Nach Anfield.” Dieser Stil sorgte am Anfang dafür, dass ich das
Buch am liebsten quer durchs Zimmer geschleudert hätte. Allmählich jedoch begann sein Zauber
zu wirken. Denn es handelt sich hier nicht um
“normale” Fussball-Literatur, sondern um eine
hypnotische Beschwörungsformel – eher Musik
als Prosa. Das Buch wirkt am besten, wenn es
laut gelesen wird.
Als er Shanklys Entscheidung beschreibt, die
weissen Trikots und Stutzen Liverpools zu
T H E F I FA W E E K LY
er­setzen, verwendet Peace “rot” auf wenigen Seiten 61 Mal, “in rot, ganz in rot” 13 Mal in einem
Absatz. Nach der ersten Partie in der neuen Spielkleidung lässt Peace Shanks zu seinem Team sagen: “Ihr habt sie beiseite gefegt wie ein Feuer.
Wie ein rotes Feuer, Jungs. Rotglühend wart ihr.
Rotglühend, Jungs. Jeder von Euch. Jeder einzelne von Euch, Jungs. Wie die rote Glut der Revolution. Das wart ihr heute Abend, Jungs. Die rote
Glut einer Revolution.” Die Detailversessenheit
bei der Schilderung der täglichen Routine
Shanklys nimmt vorweg, dass der Coach zu früh
in den Ruhestand geht und sich ausgeschlossen
aus dem Klub wiederfindet, den er aufgebaut hat:
Wir sehen, wie er als tragische Figur sein Auto
wäscht.
Während es in der Fussball-Literatur meist
um Fakten, Ereignisse und Meinungen geht,
hat Peace versucht, die zugrunde liegenden
Rhythmen und Rituale auszudrücken. In den
1960er Jahren, als Shankly einen neuartigen
Fussball aufbaute, tat der Filmregisseur Sergio
Leone das Gleiche in einer anderen Kunstform.
Leone reduzierte den Western alter Prägung
auf seine archetypischen Bestandteile und
setzte Bilder und Musik ein, um seinen
“Spaghetti-Western” die Kraft einer grossen
Oper einzuhauchen. Peace hat etwas Ähnliches
allein mit Worten geschafft. Niemand wird
jemals wieder auf die gleiche Weise über Fussball schreiben können.
39
Reuters
First Love
Ort: Shenyang, China
Datum: 20. Dezember 2010
Z e it : 0 9. 4 0 U h r
T H E F I FA W E E K LY
41
HISTORY
Fussball statt Krieg
Im 1. Weltkrieg kam es an der Front zu Unterbrechungen des Stellungskampfs – die deutschen und die englischen Soldaten spielten Fussball.
Ein Wunder, ermöglicht auch durch die Kraft dieses Spiels.
Xavier Breuil
Indem sie in den Schützengräben
Fussball spielten, riefen sie sich die
Die Front in Flandern, am 25.
friedlichen Zeiten vor dem Krieg in
Dezember 1914. In der Nähe des
Erinnerung, wie es der franzöfranzösischen Dorfes Frelinghien an
sische Friedensaktivist und Fussder belgischen Grenze stimmen die
ballspieler Henry Dispan de Floran
deutschen Soldaten des Königlich
in seinen Kriegstagebüchern
Sächsischen Regiments Nr. 133
beschrieb.
Weihnachtslieder an. Anschliessend
Diese Ablehnung des Krieges
treten vier von ihnen unbewaffnet
durch die Fussballwelt ist auch in
England zu beobachten, der einziaus dem Schützengraben heraus, um
ihre britischen Gegner des 2. Batailgen Nation, in der der Fussball
lons der Scots Guards zu treffen.
bereits vor 1914 professionalisiert
Im “Niemandsland” zwischen den
und sehr stark entwickelt war. Die
Schützengräben verbrüdern sich
britische Regierung organisierte
Bei den Dale Barracks in Chester: Deutsche und walisische Füsiliere
die Soldaten der beiden Lager:
in den Halbzeitpausen der Premiergedenken auf ihre Weise dem “Christma Day Truce” (undatierte Aufnahme).
Austausch von Souvenirs, Tabak,
League-Spiele RekrutierungskamSchokolade, Schnaps und auch von
pagnen. Propagandatafeln wurgemacht. Oder auch durch den französischen
Gesängen. Das Symbol für diese weihnachtliche
den auch rund um die Stadien platziert, um die
Waffenruhe: ein Fussballspiel. Ein Schotte
Cineasten Christian Caron in seinem Film
Fussballfans dazu zu ermuntern, sich zu ver“Merry Christmas.”
schafft einen Ball herbei, und es werden Helme
pflichten. In der Umgebung von Stamford
Die Einstellung der Frontsoldaten entsauf den Boden gelegt, um das Spielfeld und die
Bridge, dem Spielort von Chelsea, konnte man
prach damit der pazifistische Haltung der
Tore zu markieren.
zum Beispiel Folgendes lesen: “Willst du ein
hartgesottener Anhänger von Chelsea sein?
FIFA, die diese praktisch seit ihrer Gründung
Die in der britischen Presse veröffentWenn ja, trete dem 17. Bataillon des Middlelichten Berichte, etwa im “Daily Telegraph”
eingenommen hatte. Zwischen 1908 und 1914
oder in den “Evening News”, geben untererinnerten alle Tätigkeitsberichte der Organisex-Regiments bei, (...) und folge der Richtung,
sation daran, dass der Fussball “ein Friedensdie deine Lieblingsspieler vorgeben.”
schiedliche Versionen des Geschehens wieder.
Doch die Propaganda, die sich an die Spiestifter” sei, wie es der damalige niederländische
Für einige Blätter handelte es sich um ein
Generalsekretär Hirschmann formulierte.
richtiges Spiel, das die Deutschen 3:2 für sich
ler und Fussballfans richtete, zeitigte nicht den
Am 28. Juni 1914 und damit exakt am Tag
entschieden. Anderen Angaben zufolge fand
erhofften Erfolg, denn die Mehrheit sträubte
eher ein unverbindlicher Kick ohne Treffer
der Ermordung von Franz Ferdinand in Sarajevo,
sich dagegen, an die Front zu gehen; eine
statt, dessen Zweck allein die Verbrüderung
die den Ersten Weltkrieg auslösen sollte,
Verweigerung des Krieges, die der Fussballwelt
zwischen den beiden Lagern war, um diesen
verabschiedete der 11. FIFA-Kongress in Oslo
in Teilen Englands harsche Kritik einbrachte.
folgende pazifistische Erklärung: “Der
kurzen Moment des Friedens zu feiern.
Die Zeitung “The Times” urteilte besonders
Kongress erklärt seinen Wunsch, jegliches
In jedem Fall erinnert diese Episode an die
scharf und zögerte nicht, Fussballer mit
Fähigkeit des Fussballs, die Menschen zu einen
Vorgehen zu unterstützen, welches darauf zielt,
Feiglingen gleichzusetzen. Letztlich führte die
und den Dialog zwischen Völkern und
die Nationen einander näherzubringen und bei
britische Regierung 1916 die Wehrpflicht ein,
Nationen zu fördern, die sich zuvor feindlich
der Beilegung aller Konflikte, die zwischen
die alle Männer des Landes, einschliesslich der
ihnen entstehen könnten, die Gewalt durch die
gegenüberstanden. Am 25. Dezember fanden
Mitglieder der Fussballfamilie, dazu zwang,
Schiedsgerichtbarkeit zu ersetzen.”
übrigens weitere spontane Spiele an der Front
überall in Europa zu kämpfen.
Ein pazifistischer Wille, der auch nach der
in Flandern statt, dieses Mal auf der belgischen
Die Fussballspiele an Weihnachten 1914 waSeite. Deutsche Soldaten, die in England gearWaffenruhe an Weihnachten 1914 erkennbar ist.
ren letztlich die Bestätigung und Vorboten der
beitet und dort Fussballspiele besucht hatten,
Tendenz in den Kriegsjahren: “Der Fussball ist
In der grossen Fussballfamilie von damals gab
es durchaus einige Personen in Europa, die verschlugen den britischen Soldaten vor, einige
die Fortsetzung des Friedens mit anderen
suchten, die Bedeutung des runden Leders für
Partien zu spielen. Dies geschah etwa in SaintMitteln.” Aus diesem Grund wünschen die
militärische Zwecke zu instrumentalisieren. So
Yvon, in der heute wallonischen Gemeinde
aktuellen Regierungen Belgiens, Frankreichs
wollten sie vom Krieg profitieren, um den FussPloegsteert, oder in der Nähe von Messines,
und des Vereinigten Königreichs, ein Fussballsball und seinen Nutzen für die Staatsgewalt zu
einem Dorf jenseits der Sprachgrenze in Flanpiel in die Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des
fördern. Doch die Mehrheit der Spieler,
dern. All diese Fussballspiele wurden 2002
Ersten Weltkriegs, die 2014 stattfinden, einzudurch den Zeichentrickfilm “War Game” des
binden und damit an die Rolle zu erinnern, die
Verantwortlichen und Fans, die an der Front
waren, nutzten ihren Lieblingssport, um der
Engländers Dave Unwin nach dem gleichnamidas runde Leder bei der Befriedung der
Welt des Krieges und dem Leid zu entfliehen.
gen Roman von Michael Foreman unvergesslich
europäischen Gesellschaften gespielt hat. Å
42
T H E F I FA W E E K LY
HISTORY
Getty Images
Gilbert-Holliday-Gemälde:
Freund und Feind atmen 1915
an der Front kurz auf.
T H E F I FA W E E K LY
43
THE SOUND OF FOOTBALL
DAS OBJEK T
“Eisern Union”
Hanspeter Kuenzler
Nirgends in einem Fussballstadion ist die Weihnachtszeit
schöner als im Stadion An der
alten Försterei des 1. FC Union
Berlin in der zweiten deutschen Bundesliga.
Elf Jahre sind verstrichen
seit dem ersten Weihnachtssingen der Union-Fans. Die
Tradition begann mit einem
Frust. Die Mannschaft hatte
über die ganze Vorweihnachtszeit hinweg unglücklich agiert.
Nach dem letzten Spiel vor
Heiligabend war die Stimmung
der Supporter dermassen geknickt, dass sie alle nach Hause
gingen, ohne noch rechte Festtagswünsche ausgetauscht zu
haben. Einem gewissen Torsten
Eisenbeiser war das zu traurig.
Er rief ein paar Freunde an und
schlug vor, dass man sich nochmals vor den Toren des Stadions
treffen solle, um ein paar festliche Lieder zu singen. 89 Fans
kamen. Im nächsten Jahr waren
es mehr. Und im dritten Jahr
44
erhob der aussergewöhnlich
volksnahe
Verein
die
Gesangsrunde zum offiziellen
Anlass. Inzwischen erscheinen
weit über zehntausend Fans
zum jährlichen Weihnachtssingen. Der Anlass dauert die
vollen neunzig Minuten plus
Nachspielzeit. Jeder Teilnehmer bekommt ein Kerzchen
und eine Broschüre mit den
Liedertexten in die Hand gedrückt. Heuer findet das schöne
Ereignis am 23. Dezember 2013
um 19 Uhr statt – Einlass ist ab
17 Uhr. Die freudvolle Veranstaltung ist typisch für einen
Verein, dessen Fans bekannt
für ihren aufopfernden Zusammenhalt sind. Im Jahr 2004
stand er vor dem finanziellen
Abgrund. Prompt organisierten
die Fans eine Blutspende-Aktion und steckten die Prämien in
die Klubkasse. 2008 war ein
Umbau des Stadions dringlichst
notwendig – 2400 Supporter
taten sich zusammen und vollzogen die Arbeit in 300 Tagen
unbezahlter Liebesfronarbeit.
Die Geschichte des 1.FC Union
geht noch in die Zeit des Eisernen Vorhanges zurück. Gegründet 1966 bildete der Klub die
Alternative zum BFC Dynamo
Berlin, der vom Chef der gefürchteten Geheimpolizei geführt wurde. Bei Freistössen
riefen die Union-Supporter aus
voller Kehle: “Die Mauer muss
runter!” Und heute wird die offizielle Vereins-Hymne von der
grossen, deutschen Punk-Diva
Nina Hagen gesungen: “Eisern
Union”. Æ
T H E F I FA W E E K LY
Der Mensch setzt sich seine Welt so zusammen,
dass sie für ihn einen Sinn ergibt. Aus Tausenden von Teilchen – eigene und fremde Erfahrungen und Vorstellungen – entsteht ein Bild, mit
dem er zufrieden ist oder nicht. Sinnfällig wird
diese konstruktivistische Leistung beim Puzzlen. Wenn alle Teilchen auf dem Tisch sind, beginnen wir, den Rahmen herzustellen, legen von
den Rändern aus Teilchen zur Mitte hin; und wir
erahnen das fertige Bild, noch bevor es durch
die Teilchen zu erahnen wäre, weil die Verpackung vor uns das Bild als Vorbild bereithält –
hier Tommy Lawton in Aktion.
Lawton zählt zu den ganz Grossen im britischen Fussball. Selbst die Legende Stanley Mathews nannte ihn den Besten. Aufgewachsen
im Bolton nach dem Ersten Weltkrieg kam der
Mittelstürmer mit 17 Jahren für den Everton FC
zu seinem Debüt in der höchsten englischen
Liga und ein Jahr später, 1938, in der englischen
Nationalmannschaft – gegen Wales traf er vom
Elfmeterpunkt aus, England verlor aber 2:4.
Dann kam der Krieg. Lawton diente seinem
Land als Fitnesstrainer im Heer und spielte
weiter Fussball, wo immer möglich. Am Weihnachtstag 1940 lief er frühmorgens für Everton
gegen Liverpool in der Anfield Road auf und am
Nachmittag für die Tranmere Rovers beim
Crewe Alexandra FC. Lawton dazu: “Die Leute
vom Tranmere-Team kamen in die Umkleide
und fragten, ob jemand von uns bei ihnen mitspielen wolle. Ich meldete mich.”
Auch für Chelsea und Arsenal spielte Lawton. Bei den Gunners beendete er 1955 seine Karriere, mit 35 Jahren; er kam auf 46 Länderspiele.
Lawton starb im November 1996 im Alter von 77
Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.
Die EM 96 im eigenen Land hat die Legende
noch miterlebt. Die Deutschen gewannen dank
einem Golden Goal von Oliver Bierhoff in London den Titel. Das war eines der letzten Puzzleteilchen im Bild des Tommy Lawton. In der
Sammlung der FIFA befindet sich eine Schachtel dazu. Å
Sion Ap Tomos
Perikles Monioudis
TURNING POINT
“Ich sah schwarze
Punkte und
helle Blitze”
Unzählige Schläge gegen den Kopf musste
Hannu Tihinen während seiner Profikarriere
einstecken. Dennoch bereut er keine Minute,
die er auf dem Fussballplatz verbracht hat.
Melanie Duchene/EQ Images
M
eine erste Hirnerschütterung hatte ich
mit 14 Jahren. Wir spielten in Nordfinnland in einer Indoorhalle. Ich bin
mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen und war sofort bewusstlos.
Es war der Anfang einer langen
Verletzungsreihe. In meiner Profikarriere in
Norwegen, Belgien und in der Schweiz habe ich
mehrere Male schwere Schläge gegen Kopf
eingefangen, sodass ich bewusstlos vom Platz
getragen werden musste. Es ist klar, dass du als
Verteidiger mit meiner Grösse und meiner
Spielweise nicht an solchen Verletzungen vorbeikommst, sie gehören einfach zum Fussball.
Zweimal brach ich mir die Nase und zweimal
das Jochbein. Teils auch durch Ellbogenschläge.
Die FIFA hat zum Glück 2006 die Rote Karte gegen solche Fouls verhängt, was wirklich gut ist.
Auch wenn es schwierig ist, einem Gegenspieler
Absicht zu unterstellen, der Ellbogen gehört
nicht in die Nähe des Kopfes des Gegenspielers.
Letztlich sind es aber nicht einmal diese Schläge,
die die meisten Verletzungen verursachen. Es
sind die ganz normalen Spielsituationen – Spieler
gegen Spieler, Kopf gegen Kopf.
An einen Moment kann ich mich besonders
gut erinnern. Es war 2007 in Bern als ich mit
dem FC Zürich gegen YB spielte. Eine Kopfballsituation im Strafraum, der gegnerische Spieler
traf mich voll am Hinterkopf und sofort klaffte
da eine grosse Wunde. Der Rasen war voller
Blut. Beim Abtransport hatte ich das Gefühl,
dass unser Mannschaftsarzt seinen Finger in
meinem Kopf hatte. Ich sagte immer wieder: “Ich
mach das selber, ich mach das selber. Nimm deine Hand da raus.” Ein Jahr später im Europacup
gegen Sturm Graz wurde ich nach einem Schlag
ein weiteres Mal bewusstlos und ich wusste: So
kann es nicht weitergehen. Ich habe eine Familie und wollte auch nach meiner Karriere Zeit
mit ihr verbringen, mit meinen Söhnen sprechen, mit ihnen Fussball spielen. Ein Arzt aus
Name:
Hannu Tihinen
Geburtsdatum, Geburtsort:
1. Juli 1976, Keminmaa, Finnland
Position:
Innenverteidiger
Stationen:
1993-1996 KePS
1997–2000 HJK Helsinki
2000–2002 Viking Stavanger
2001 West Ham United
2002-2006 Anderlecht
2006-2010 FC Zürich
Nationalteam Finnland:
76 Einsätze, 5 Tore
Zürich hat mir die Möglichkeit aufgezeigt, mit
einem Kopfschutz zu spielen, der speziell auf die
Bedürfnisse von Fussballern ausgerichtet ist.
Ich war begeistert! Der Kopfschutz gab mir mein
Selbstvertrauen zurück. Ich wünschte, ich hätte
ihn früher entdeckt.
2010 musste ich den endgültigen Entscheid
treffen, mit dem Fussball aufzuhören. Es war
ein Spiel gegen Aarau, die 75. Minute, eine ganz
normale Situation, kein Ellbogenschlag, nicht
einmal ein Gegenspieler – ein ganz normaler
Kopfball. Ich sah plötzlich helle Blitze und
schwarze Punkte, konnte meine Mitspieler
nicht mehr von meinen Gegenspielern unterscheiden. Es waren die schwierigsten 15 Minuten meiner Karriere. Mir war klar: Das war’s!
Kopfschutz hin oder her, ich wollte das Risiko
nicht mehr auf mich nehmen.
T H E F I FA W E E K LY
Trotz all dieser Schläge gegen den Kopf: Ich
bereue nichts. Keine einzige Minute. Ich habe
unglaubliche Momente erlebt, wurde Finnischer Meister, Belgischer Meister und Schweizer Meister. Habe zwei wunderbare Tore in der
Champions League geschossen, eines davon
mit dem Absatz im San Siro gegen Mailand. Der
Fussball hat mir so viel gegeben, dafür bin ich
sehr dankbar. Es ist ein Geschenk, dass ich das
alles erfahren durfte. Å
Aufgezeichnet von Sarah Steiner
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
45
emirates.com
Tomorrow
brings us
all closer
To new people, new ideas and new states of mind.
Here’s to reaching all the places we’ve never been.
Fly Emirates to 6 continents.
Impressum
FIFA - R ÄT SEL - CUP
The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
Fédération Internationale de Football
Association (FIFA)
Eine Rose für Zizou oder für Texas? Vorhang auf zum letzten Rätsel des Jahres!
Internet:
www.FIFA.com/TheWeekly
Herausgeberin:
FIFA, FIFA-Strasse 20,
Postfach, CH-8044 Zürich,
Tel. : +41-(0)43-222 7777
Fax : +41-(0)43-222 7878
Welche Nationalmannschaft trägt die Rose auf dem Trikot?
1
D Russland
N Mexiko
H Frankreich
R England
Präsident:
Joseph S. Blatter
Generalsekretär:
Jérôme Valcke
Direktor Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
2
Der Nachname eines Spielers wird in seinem Heimatland üblicherweise
anders geschrieben als im Ausland. Von welchem Spieler?
A
Chefredakteur:
Thomas Renggli
I
O
U
Art Director:
Markus Nowak
Redaktion:
Perikles Monioudis (Stv. Chefred.),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
Ständige Mitarbeiter:
Jordi Punti, Barcelona; David Winner,
London; Hanspeter Kuenzler, London;
Roland Zorn, Frankfurt/M.;
Sven Goldmann, Berlin;
Sérgio Xavier Filho, São Paulo;
Luigi Garlando, Mailand
3
Auf dem Trikot eines Nationalteams steht der Landesname normalerweise nur in Englisch.
Welcher Name?
Bildredaktion:
Peggy Knotz
Produktion:
Hans-Peter Frei (Leitung),
Richie Krönert, Philipp Mahrer,
Marianne Crittin, Mirijam Ziegler,
Peter Utz, Olivier Honauer
D
Cameroon
F
P
Italy
Spain
S
Belgium
Korrektorat:
Nena Morf
Redaktionelle Mitarbeit
in dieser Nummer:
Tatjana Haenni, Xavier Breuil
Redaktionssekretariat:
Loraine Mcdouall
Übersetzung:
Sportstranslations.com
4
Das sogenannte “Spiel der Jahrhunderts” vor rund
135 000 Zuschauern im Stadion. Wer spielte gegen wen?
E Grossbritannien – Rest Europas
K Rio de Janeiro – Nordamerika
P Taiwan – Texas
T CSSR – Real Madrid
6:1
7:2
4:4
8:5
Projektmanagement:
Bernd Fisa, Christian Schaub
Druck:
Zofinger Tagblatt AG
www.ztonline.ch
Kontakt:
[email protected]
Der Nachdruck von Fotos und
Artikeln aus dem The FIFA Weekly –
auch auszugsweise – ist nur mit
Genehmigung der Redaktion
und unter Quellenangabe
(© The FIFA Weekly, 2013) erlaubt.
Die Redaktion ist nicht verpflichtet,
unaufgefordert eingesandte
Manuskripte und Fotos zu
publizieren. Das FIFA-Logo ist ein
eingetragenes Warenzeichen. In der
Schweiz hergestellt und gedruckt.
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: CLUE (ausführliche Erklärungen auf FIFA.com/theweekly).
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 27. Dezember 2013 an
feedback-­[email protected]. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel
bis am 31. Dezember 2013 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für den FIFA Ballon d’Or 2013 am 13. Januar 2014 teil. Vor der
Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen
und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen:
de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf
T H E F I FA W E E K LY
47
FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Ist Weihnachts-Fussball sinnvoll?
Welches ist der Klub mit den
meisten Mitgliedern?
Eric Bolliger, Küsnacht
Als einzige der grossen Ligen Europas unterbricht die Premier League zwischen Weihnachten und Neujahr
den Spielbetrieb nicht. Sollten auch die Ligen in Deutschland, Italien und Spanien ohne Pause weitergehen?
58+42
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE:
Gewinnt der FC
Bayern München
auch die Klub-WM
2013?
NEIN
JA
42%
58%
VIRTUELL
POPULÄR
43,113 35,2
DAS NEUE FUSSBALL-MAGA ZIN
The FIFA Weekly erscheint jede Woche
freitags – sowohl als Printausgabe als auch als
E-Magazin (www.Fifa.com/TheWeekly).
Neben Berichterstattungen über Stars und
Tore steht der Doppelpass mit den Lesern im
Zentrum. Nehmen Sie an der Diskussion teil.
Reaktionen an:
[email protected]
65
FEUDAL
beträgt der Zuschauer-
Millionen Tore hat
schnitt der Glasgow Ran-
Cristiano Ronaldo schon
gers in der dritthöchsten
erzielt – im Videospiel
schottischen Liga. Der vor
“FIFA 14”. Der Portugiese
das deutsche WM-Camp in
anderthalb Jahren aus
profitiert (auch) davon,
Brasilien. Weil keine angemes-
finanziellen Gründen in die
dass er zur meistge-
sene Anlage zur Verfügung
Viertklassigkeit relegierte
spielten virtuellen
stand, baut sich der DFB sein
Traditionsklub steht nach
Mannschaft gehört.
Basislager “Camp Bahia” 30
15 Spielen ohne Verlust-
Rund 720 000
Kilometer nördlich von Porto
punkt an der Tabellenspit-
Spieler kürten Real
Seguro selber. Das Ziel auf dem
ze. (Bild: Topscorer John
Madrid zu ihrem Lieb-
Weg zum vierten Titelgewinn (zum
Daly)
lingsverein. (Bild: Ronal-
Endspielort Rio de Janeiro) ist 1100
do)
Kilometer entfernt.
48
Zimmer in 13 Häusern umfasst
T H E F I FA W E E K LY
Getty Images
Antwort von Thomas Renggli,
Chefredakteur: Nach den
neusten Erhebungen ist das
der portugiesische Rekordmeister Benfica Lissabon – mit
224 000 Mitgliedern. Neben
der Fussball-Sektion umfasst
der polysportive Verein auch
Abteilungen für Basketball,
Rollhockey, Radsport, Volleyball und Handball. Mit 223 985
liegt der FC Bayern München
knapp auf Platz 2. Der FC
Barcelona zählt 177 246 Mitglieder.