Hilfe für ALG II-Empfänger - Ein Leitfaden für Betroffene und Berater
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Hilfe für ALG II-Empfänger - Ein Leitfaden für Betroffene und Berater
Hilfe für ALG II-Empfänger Ein Leitfaden für Betroffene und Berater „Der erste Schritt ist sich zu wehren, der zweite sich zusammenzufinden und der dritte, Veränderungen herbeizuführen!“ von Torsten Koplin, Irina Rimkus und Alexander Schmidt Torsten Koplin Mitglied des Landtages Fraktion DIE LINKE. Wahlkreisbüro Ueckermünde Goethestraße 6, 17373 Ueckermünde Tel. /Fax: 039 771 / 227 26 E-Mail: [email protected] Rechtsanwalt Alexander Schmidt Sozial-, Miet- und Arbeitsrecht Feldstraße 3, 17033 Neubrandenburg Tel. /Fax: 0395 / 5584141 E-Mail: [email protected] 2 Inhalt Vorwort A Umgang mit Hilfesuchenden 1. 2. 3. Aufbauen Problem herausarbeiten Hilfe zur Selbsthilfe B Berechnung der Leistung nach dem SGB II C Die häufigsten Probleme 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht voll übernommen Nachzahlungen auf Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht übernommen Kosten der Unterkunft werden gekürzt Tilgungsraten sind zu übernehmen Antrag nicht abgenommen Unterlagen nicht angekommen Widerspruch nicht bearbeitet Bereinigung des Einkommens ist falsch Angebliche Lebensgemeinschaft Ausbildungskosten bleiben unberücksichtigt Abgrenzung von Einkommen und Vermögen Angeblich zu hohes Vermögen Mehrbedarfe / Einmalige Bedarfe Anrechnung der Krankenhausverpflegung als Einkommen Sanktionen Ein-Euro-Job Ordnungswidrigkeiten Schadensersatz Auszug von unter 25-Jährigen Kindern aus der Elternwohnung Aufrechnung bei Rückforderungen Kinder sind nicht immer Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Kinderzuschlag ist nicht immer sinnvoll Weiterzahlung trotz Arbeitsaufnahme D Zum Umgang mit der ARGE E Prozessuales und Kosten 1. 2. 3. 4. 5. 6. Fristen Keine Anwaltspflicht Kosten Aufschiebende Wirkung Eilrechtsschutz Wirklich fachkundige Hilfe sichern 3 F Weitere Informationen G Nachwort Vorwort Mit unserem Leitfaden möchten wir Betroffene ermutigen, selbstbewusst mit ihrem ALG II-Bescheid und der ARGE und nicht zuletzt auch mit sich und der Gesellschaft umzugehen. Niemand hat es nötig, nur weil er Sozialleistungen bezieht, Minderwertigkeitsgefühle zu haben oder sich erniedrigt zu fühlen. Ganz bestimmt hat es niemand nötig, hinzunehmen, was veränderbar ist. In unseren Beratungsgesprächen versuchen wir, Menschen in Notlagen zu helfen. In vielen Fällen gelingt uns das. Doch es gibt Grenzen, dort, wo politische Mehrheiten ihre Positionen klar zum Ausdruck bringen und dort, wo es keinen öffentlichen Druck gibt. Die ARGEN orientieren sich an ihre oberste geschäftspolitische Zielvorgabe, die ALG II-Kosten zu senken. Wie die ARGEN agieren müssen, regeln die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit. Deswegen sagen wir sehr deutlich, dass nicht die Mitarbeiter der ARGEN, sondern die politischen Mehrheitsverhältnisse verantwortlich sind für die unsozialen Verhältnisse. Diese äußern sich nicht nur in der Ausweglosigkeit vieler Betroffener, sondern auch in Missgunst und Neiddebatten, die zu vielen anonymen Anzeigen bei ARGEN führen; sie äußern sich im Konkurrenzdenken vieler Vereine und Verbände, in der Umgangsweise der ARGE-Mitarbeiter mit den Betroffenen und nicht zuletzt in der Oberflächlichkeit und Ignoranz gegenüber Menschen, die sich am Rand dieser Gesellschaft befinden. Erst wenn dies verinnerlicht ist, gibt es eine wirkliche Chance auf Veränderungen. Unsere Sozialberatung ist darum auch immer politische Arbeit. Wir setzen uns mit unserer Beratung zugunsten der Hilfesuchenden ganz bewusst in den Gegensatz zu politischen Kräften, die nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen bekämpfen. Umso erfolgreicher und dauerhafter die Beratung ist, umso stärker wird diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dieses hat zur Folge, dass interessierte politische Kreise und verantwortliche Mitarbeiter der entsprechenden Behörden versuchen werden, unsere Arbeit öffentlich in Misskredit zu bringen, damit Hilfesuchende von der weiteren Inanspruchnahme der Beratung abgehalten werden. Dies ist Folge der politischen Auseinandersetzung und muss ausgehalten werden – umso intensiver und nachdrücklicher sollte die Beratung sein. Wir beraten über die aktuelle Rechtssprechung, über Auslegungsmöglichkeiten und Spielräume des Gesetzes zugunsten der Hilfesuchenden und falsche Rechtsanwendung durch die Behörden. Wir geben aber keine Ratschläge zur Umgehung eindeutiger gesetzlicher Bestimmungen oder zum Leistungsmissbrauch. Unser Leitfaden soll einen allgemeinen Überblick über die Schwerpunkte der Sozialberatung geben, die leider ganz überwiegend Beratung zum SGB II ist. 4 Wir erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch und keinen Anspruch auf Vollständigkeit, so dass auch zur Verbesserung der Lesbarkeit auf Rechtssprechungs- oder Literaturnachweise verzichtet wurde. A Umgang mit den Hilfesuchenden 1. Aufbauen Viele Hilfesuchende haben aufgrund der in kurzen Abständen eintreffenden widersprüchlichen Bescheide oder der nicht verständlichen Begründungen den Überblick verloren und sind resigniert, weil eigene Schreiben oder Widersprüche an die ARGE keinen Erfolg gebracht haben. Es soll das Wissen vermittelt werden, dass es viele Möglichkeiten zur Gegenwehr gibt. 2. Problem herausarbeiten Gelöst werden können nur konkrete rechtliche Probleme. Manche Hilfesuchende haben natürlich den Wunsch, ihre persönliche Situation umfangreich zu schildern – weil ihnen endlich mal jemand zuhört. Das ist notwendig, doch im eigentlichen Beratungsgespräch muss versucht werden, das Problem herauszuarbeiten und eine Strategie zur Lösung zu finden. Eine Grundsatzdiskussion zum ALG II sollte im Rahmen des Beratungsgespräches deshalb auf das eigentliche Problem zurückgeführt werden. Weitergehende ausführliche Gespräche sollten gesondert vereinbart werden, bei grundsätzlichen Beschwerden aber an den örtlichen Bundestags- oder Landtagsabgeordneten von CDU und SPD verwiesen werden diese haben das Gesetz beschlossen oder gehören den stützenden Parteien an. 3. Hilfe zur Selbsthilfe Es soll nach Möglichkeit immer Hilfe zur Selbsthilfe angeboten werden. Es ist angesichts der großen Fallzahl nur begrenzt leistbar, Widersprüche selbst zu schreiben. Es ist aber leistbar, über die bestehenden Rechte aufzuklären und einen Weg zur Lösung der Probleme aufzuzeigen – gegangen werden muss dieser Weg jedoch alleine. Falls der Hilfesuchende, wie es immer häufiger der Fall ist, diesen Weg nicht selber gehen kann, sollte eine Verweisung an eine kompetente Beratungsstelle oder einen engagierten Anwalt erfolgen. Vermittelt werden kann und sollte bei einem entsprechenden Bedarf (insbesondere bei Ermessensangelegenheiten) auch ein Gespräch der/des Landtagsabgeordneten auf politischer Ebene mit der zuständigen ARGE, um so Druck zu erzeugen. Es sollte außerdem dringend darum gebeten werden, dass die Hilfesuchenden ihre Unterlagen sortiert zur Beratung mitbringen. Die Sortierung von Schriftwechsel und Bescheiden aus mehreren Jahren im zeitlichen Rahmen eines Beratungsgespräches ist kaum möglich. B Berechnung der Leistung nach dem SGB II 5 Die Festlegung der Regelsatzhöhe basiert auf einem statistischen Erhebungsverfahren (EVS: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) zur Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie von Konsumausgaben privater Haushalte, welches 5-jährlich erfolgt. Nur Wenigen ist bekannt, dass die Festlegung der Regelsatzhöhe noch vor der Auswertung der EVS im Jahre 2003 stattgefunden hat. Problematisch war auch, eine nachvollziehbare Statistik zu finden, die den Regelsatz begründet. Die Bundesregierung legte den Regelsatz, ohne eine wirklich brauchbare Studie durchzuführen, somit völlig willkürlich fest und sparte obendrein auch noch zusätzliche Kosten. Die befragten Haushalte stammen auch nicht aus dem gesamten Bundesgebiet, sondern nur aus dem westlichen Teil, also den alten Bundesländern. Die Strom-Ausgaben basieren nicht auf Angaben eines Querschnittes aller Haushalte, sondern ausschließlich auf Angaben von Miterhaushalten. Einzelne Bedarfspositionen des Regelsatzes wurden einfach gekürzt, da sich die Bedürftigen auch angeblich Luxus leisten, aber nicht sollen. Für Telefonkosten wurden lediglich Ausgaben für Festnetzanschlüsse berücksichtigt; usw. Um es konkret zu formulieren: Nicht die tatsächlichen Grundbedarfe wurden herangezogen, sondern die Bedarfe wurden passend gerechnet. Enorme Preissteigerungen der letzten Jahre in allen Bereichen des Lebens sowie die allmähliche Gesamtverelendung durch das Aufsetzen von Sparzwängen bei den Bedürftigsten dieser Gesellschaft bleiben bei der realen Anpassung des Regelsatzes ohne jegliche Berücksichtigung. Die Hilfesuchenden haben grundsätzlich Anspruch auf Deckung ihres Bedarfes, bestehend aus der Regelleistung und den Kosten der Unterkunft, so der Gesetzgeber. Der normale Regelsatz beträgt gegenwärtig 351 € pro Monat. Damit sind nach Ansicht des Gesetzgebers sämtliche Kosten der Lebensführung abgegolten. Für Kinder oder Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften werden verringerte Regelsätze angesetzt. Zuschläge zum Regelsatz werden nur in eng begrenzten Fällen bewilligt, z.B. als ernährungsbedingten Mehrbedarf bei bestimmten Krankheiten, bei Behinderung oder bei der alleinigen Erziehung von Kindern. Leben mehrere Hilfesuchende in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen, werden pro Kopf nur 90 % der Regelleistung bewilligt. Kinder unter 15 Jahren erhalten lediglich 60 %, ab 15 Jahren 80 % der Regelleistung. Der Regelsatz für Kinder ist allerdings Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Dem so ermittelten Bedarf wird dann das eigene Einkommen gegenübergestellt. Dabei gilt grundsätzlich das Zuflussprinzip, es darf also nur das im jeweiligen Monat tatsächlich vorhandene Einkommen angerechnet werden. Dieses Einkommen ist zuvor zu bereinigen (S. auch C 8). Kindergeld und gezahlte Unterhaltsleistungen erhöhen das Einkommen. Die Differenz zwischen Bedarf und Einkommen ergibt den Zuschuss durch die ARGE. Bewilligt wird üblicherweise jeweils für sechs Monate. Oftmals kommt es zur nachträglichen Berücksichtigung von Änderungen mittels Änderungsbescheiden, auch eine vorläufige Bewilligung ist denkbar. Seit Januar 2008 ist bei schwankenden Einkommen auch eine Berücksichtigung eines Einkommensdurchschnittes über 6 6 Monate möglich, um so monatliche Änderungs- und Aufhebungsbescheide zu vermeiden. Nicht zulässig ist es hingegen, wenn die ARGE zur Vermeidung von Rückforderungen von einem nur einmalig erzielten hohen Einkommen ausgeht. Bei einem Zusammenleben mehrerer Menschen in einer Bedarfsgemeinschaft werden sämtliche Bedarfe und sämtliches Einkommen zusammenaddiert bzw. untereinander angerechnet. Die dadurch ermittelten Unterstützungen der bedürftigen Mitglieder durch die nicht bedürftigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind nicht auf die „normalen“ gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abgestimmt, sondern gehen weit darüber hinaus. Die Einkommensbereinigung ist ein kompliziertes und hoch umstrittenes Feld, auf dem sehr viele Fehler seitens der ARGEN geschehen. C Die häufigsten Probleme Die bei der Beratung zum SGB II auftretenden Probleme sind aufgrund ihrer Komplexität im Rahmen eines kurzen Leitfadens nicht darstellbar. Trotzdem ist eine Beratung und Hilfe für die Betroffenen möglich, da in einer Vielzahl von Fällen immer wieder die gleichen bzw. ähnliche Probleme auftreten. Diese Konstellationen werden nachfolgend dargestellt. 1. Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht voll übernommen Es ist ständige Praxis, die Heiz- und Betriebskosten nur auf der Basis der von den Kreisen beschlossenen Richtlinien zu übernehmen. Eine solche Pauschalierung ist rechtswidrig und vom Gesetz nicht gedeckt. Zu übernehmen sind stattdessen die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten, für die nach weitgehend einhelliger Meinung der Sozialgerichte zunächst grundsätzlich eine Vermutung der Angemessenheit spricht. Die Beweislast für ein unwirtschaftliches Verbrauchsverhalten trägt die ARGE. Die Kürzung der Heizkosten um die Warmwasserkosten darf auf Grundlage eines Urteils des Bundessozialgerichtes nur bis zu einer Höhe von maximal 6,51 € (in Abhängigkeit der Regelsatzhöhe) pro Person der Bedarfsgemeinschaft erfolgen, da ein höherer Betrag in der Regelleistung nicht enthalten ist. Darüber hinausgehende Warmwasserkosten hat die ARGE zu übernehmen. Allerdings dürfen diese 6,51 € nicht immer, sondern nur dann abgezogen werden, wenn entsprechende Warmwasserkosten auch angefallen sind. Die Praxis, die Heizkosten immer um 6,51 € fiktive Warmwasserkosten zu kürzen, ist rechtswidrig. Anders ist dies allerdings, wenn die Warmwasserkosten auf der Basis eines angemessenen Verbrauches genau zu beziffern sind, dann kann die Regelleistung um die tatsächlichen Warmwasserkosten gekürzt werden. Zwischen den Sozialgerichten ist umstritten, ob es sich bei der Ermittlung der Warmwasserkosten nach der Heizkostenverordnung um gemessene oder errechnete Kosten handelt – von der Entscheidung hängt die Höhe des jeweiligen Warmwasserabzuges ab. Warmwasserkosten sind ausschließlich nur dann zu berücksichtigen, wenn diese auch Bestandteil der Miete bzw. Teil der Heizkosten sind, nicht, wenn die Warmwasseraufbereitung gesondert erfolgt und in Rechnung gestellt wird. 7 Betriebskosten sind auch bei selbstgenutztem Wohneigentum alle üblichen Nebenkosten. Uneinheitlich ist die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen. Teilweise werden diese als Erhaltungspauschale gewährt, teilweise müssen die Kosten im Detail nachgewiesen werden. Erhaltungsaufwendungen, die nur der Erhaltung des bestehenden Zustandes dienen (z.B. Reparatur eines Sturmschadens) müssen unterschieden werden von Kosten einer Wertverbesserung (z.B. Einbau wärmedämmender Fenster), die nicht berücksichtigt werden können, da eine Vermögensmehrung nicht aus Sozialleistungen erfolgen soll. Die Abgrenzung im Einzelnen ist streitbehaftet. Sofern die Kosten der Reparatur den aus den monatlichen Erhaltungspauschalen möglichen Ansparbetrag übersteigen, hat die ARGE die Differenz zu übernehmen, da nach dem Gesetz die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind. Es ist daher dringend anzuraten, jede noch so kleine Quittung dringend aufzubewahren, um im Ernstfall nachweisen zu können, dass die Pauschale nicht angespart werden konnte. Interessant ist die Ansicht mehrerer Sozialgerichte, dass auch die Kosten für die geforderte Errichtung /den Umbau einer Kleinkläranlage bzw. die Beiträge für den Anschluss an eine zentrale Abwasserentsorgung als Kosten der Unterkunft durch die ARGE zu gewähren sind, weil es sich bei der Errichtung der Anlage um die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes und damit letztlich um Reparaturkosten handelt. In seinem Urteil vom 19.01.09 (L 8 B 60/08) entschied das Landessozialgericht M-V, dass die Kosten für die Errichtung der Anlage mit der anzurechnenden Eigenheimzulage zu verrechnen sind. Ausschlaggebend war hier aber, dass mit der Eigenheimzulage zweckbestimmte Einnahmen vorhanden waren und nicht die direkte Übernahme der Kosten durch die ARGE gefordert war. Das Sozialgericht Chemnitz hat mit seinem Urteil vom 12.03.09 (S 27 AS 4592/08) entschieden, dass die Kosten für die Errichtung einer Kleinkläranlage übernahmefähige Unterkunftskosten im Rahmen einer Reparatur darstellen. Es würde nicht den Klägern obliegen, über die Errichtung der Anlage zu entscheiden, da durch den Zweckverband eine Aufforderung zur Anpassung an den Stand der Technik gemäß den Vorgaben der Kleinkläranlagenverordnung erlassen worden ist und die Eigentümer zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben verpflichtet sind. Das Gericht betont, dass der Anschluss der Reinhaltung der Gewässer dient und der Kläger monatlich geringere Kosten geltend macht als ein Mieter. Die einzelnen Kammern des Sozialgerichtes Neubrandenburg vertreten unterschiedliche Auffassungen. In bisher bekannten Verfahren wurden Vergleiche abgeschlossen, da die ARGE offensichtlich Präzedenzurteile verhindern will. Da die Rechtslage offen ist und ein Erfolg nicht ausgeschlossen scheint, empfehlen wir, Widerspruch einzulegen und Klage zu erheben. 2. Nachzahlungen auf Heiz- und sonstige Betriebskosten werden nicht übernommen Da die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten zu übernehmen sind, gilt dies natürlich auch für Nachzahlungen. Manchmal versucht die ARGE, die Übernahme mit dem Hinweis auf eine angeblich verstrichene Antragsfrist abzulehnen. Es gibt allerdings keine Antragsfrist, die einzuhalten wäre. Belehrungen der ARGE, dass zukünftig keine Nachzahlungen mehr übernommen werden können, ändern nichts an dieser Rechtslage und sind unbeachtlich. 3. Kosten der Unterkunft werden gekürzt 8 Zunehmend wird die von der ARGE übernommene Miete auf das angeblich angemessene Maß gekürzt. Hier sind verschiedene Punkte zu beachten: a. Nur die Kaltmiete kann unangemessen sein Da die Heiz- und Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind, kann überhaupt nur die Kaltmiete unangemessen sein. b. Kein Verweis auf fiktiven Wohnraum Vergleichsmaßstab ist immer der tatsächlich auf dem örtlichen Wohnungsmarkt vorhandene anmietbare Wohnraum, Richtwerte der ARGE sind unerheblich. Wenn es keinen Wohnraum zu dem von der ARGE für angemessen gehaltenen Preis gibt, dann ist der nächstgünstige Wohnraum angemessen, da auf nur fiktiv anmietbaren Wohnraum nicht verwiesen werden kann. c. ARGE muss über angemessene Miethöhe informieren Der Hilfesuchende muss bei einer (angeblich) zu teuren Wohnung durch die ARGE nachweisbar darüber informiert worden sein, dass die Kaltmiete unangemessen ist. Die ARGE muss dabei konkret über die Höhe der für angemessen gehaltenen Miete informieren. d. Übergangsfrist ist zu gewähren Durch die ARGE ist die bisherige Miete innerhalb einer Umzugsfrist weiterhin zu gewähren, eine sofortige Kürzung ist daher nicht zulässig. Diese Umzugsfrist beträgt nach § 22 SGB II bis zu sechs Monate, auf jeden Fall aber mindestens 4 Monate, da dem Hilfesuchenden neben der Kündigungsfrist von üblicherweise 3 Monaten für seinen bisherigen Mietvertrag auch noch eine Such- und Überlegungsfrist zuzubilligen ist. e. ARGE muss Kosten für Umzug übernehmen Sofern die vorherigen Punkte erfüllt sind und die ARGE grundsätzlich auf günstigeren Wohnraum verweisen kann, so hat sie auch die dafür entstehenden Umzugs- sowie Wohnungsbeschaffungskosten (z.B. Transportkosten, die nach dem Mietvertrag geschuldeten Schönheitsreparaturen, Anzeigen, Telefonate, Fahrtkosten, Maklerkosten) zu übernehmen. Lehnt die ARGE dies ab, ist ein Umzug praktisch kaum möglich und nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte dann auch nicht notwendig. Wichtig ! In diesem Zusammenhang werden Hilfebedürftigen durch die ARGE oftmals Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt, in denen sich diese zur Übernahme der Differenz zwischen der für angemessen gehaltenen und der tatsächlichen Miete verpflichten sollen. Von einer Unterzeichnung dieser Erklärungen ist auf jeden Fall abzuraten, da die Mietkürzung dann sofort eintritt und die Übergangsfrist nicht mehr gewährt wird. Stattdessen sollte erklärt werden, dass die Bereitschaft zur Senkung der Mietkosten besteht und Wohnungsangebote eingeholt werden. Teilweise wird versucht, die Hilfebedürftigen mit dem Argument zur Unterschrift zu drängen, sie würden ansonsten eine Sanktion wegen mangelnder Mitwirkung erhalten oder es würden dann überhaupt keine Mietkosten mehr übernommen. Dieses Vorgehen ist rechtswidrig und grenzt an eine strafbare Nötigung. Sofern eine 9 Unterschrift unter solchen Umständen geleistet wurde, ist sie wegen arglistiger Täuschung bzw. Ausnutzung einer Zwangslage anfechtbar. Ist aus Sicht des Hilfebedürftigen ein Umzug notwendig und wird die Notwendigkeit hinreichend begründet, gelten die gleichen Parameter zur Übernahme der Kosten durch die ARGE wie ein von ihr veranlasster Umzug. 4. Tilgungsraten sind zu übernehmen Bisherige Praxis war nur die Übernahme von Schuldzinsen als Kosten der Unterkunft. Das Bundessozialgericht entschied mit seinem Urteil vom 18. Juni 2008, dass nun mehr auch Tilgungsraten für ein selbst genutztes Eigenheim bis zur Höhe der ortsüblichen Miete einer angemessen großen Wohnung übernommen werden müssen. Dabei sind allerdings folgende Einschränkungen zu beachten: Es muss nachgewiesen werden können, dass der Kreditgeber zu keiner Herabsetzung der Tilgungsraten bereit ist, der Kredit muss überwiegend zurückgezahlt worden sein und ohne pünktliche Bedienung des Kredites muss ein Verlust des Eigenheimes drohen (Zwangsversteigerung). Dies gilt rückwirkend bis zum 1. Januar 2005. Es sind somit auch rückwirkende Überprüfungsanträge möglich. 5. Antrag nicht abgenommen Jede Behörde und damit auch die ARGE hat grundsätzlich die Pflicht, einen Antrag anzunehmen oder zu Protokoll zu nehmen, mag er auch unzulässig oder unbegründet sein. Dieses darf nicht an die Benutzung eines bestimmten Antragsformulars gebunden werden. Ein Antrag auf ALG II ist daher auch dann anzunehmen, wenn er formlos auf einem Stück Papier abgegeben wurde. Allerdings kann die ARGE darauf bestehen, dass zur Verwaltungsvereinfachung anschließend ein Formular mit bundesweit einheitlichen Angaben ausgefüllt wird. 6. Unterlagen nicht angekommen Es kommt häufig vor, dass auf dem Postweg verschickte oder persönlich abgegebene Unterlagen bei der ARGE nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht angekommen sind. Wie viele dieser Fälle dadurch zu erklären sind, dass die Unterlagen tatsächlich auf dem Postweg verloren gegangen sind oder in falsche Akten einsortiert wurden, weiß wohl niemand. Problematisch ist daran, dass grundsätzlich der Absender die Beweislast für den Eingang seiner Unterlagen bei der ARGE trägt. Es wird daher empfohlen, Unterlagen grundsätzlich persönlich abzugeben und sich auf einer Kopie den Eingang bestätigen zu lassen, diese per Einschreiben mit Rückschein oder parallel zum Brief per Fax mit Sendeprotokoll zu verschicken. Rein praktisch kann aber, sofern der Beweis des Eingangs nicht geführt werden kann, nur empfohlen werden, die Unterlagen nochmals abzugeben und sich nicht auf einen zeitraubenden Streit über die Abgabe oder Nichtabgabe einzulassen. Umgekehrt trägt die ARGE natürlich genauso die Beweislast, falls ein Bescheid oder ein Schreiben von ihr beim Hilfesuchenden nicht eingegangen ist, und wird diesen Beweis angesichts der Massenverwaltung im Regelfall nicht führen können. 7. Widerspruch nicht bearbeitet 10 Die ARGE hat gemäß § 88 Abs. 2 SGG eine Frist von drei Monaten, innerhalb derer sie den Widerspruch bearbeiten und der Widerspruchsbescheid beim Hilfesuchenden eingehen muss. Es reicht nicht aus, wenn die ARGE innerhalb dieser Frist lediglich mit der Bearbeitung beginnt. Ausnahmsweise darf die ARGE die 3Monatsfrist dann überschreiten, wenn sie auf externe Gutachten oder Stellungnahmen wartet und den Hilfesuchenden auch über die dadurch entstehende Verzögerung informiert. Dies gilt nicht, wenn die Verzögerung durch die fehlende Abstimmung verschiedener Abteilungen innerhalb der ARGE verursacht wurde. Um eine schnelle Bearbeitung des Widerspruches zu erzwingen, sollte nach Ablauf der 3-Monats-Frist eine Untätigkeitsklage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Diese hat als Antrag ausschließlich die ARGE zur Entscheidung über den Widerspruch zu verurteilen, weil die gesetzliche Bearbeitungsfrist nicht eingehalten worden ist. Innerhalb von einem bis zwei Monaten ist dann mit einem Erhalt des Widerspruchsbescheides zu rechnen. 8. Bereinigung des Einkommens ist falsch Die Bereinigung des Einkommens ist ein kompliziertes Verfahren. Sofern es sich nicht um Arbeitseinkommen (z.B. Unfallrenten oder Krankengeld) handelt, sind monatlich eine Versicherungspauschale von 30 €, die Beiträge zur KfzHaftpflichtversicherung und die Beiträge zur Riesterrente abzusetzen. Schwieriger wird dies bei Arbeitseinkommen. Hier gilt der Grundsatz, dass zusätzlich zu den oben genannten Kosten auch sämtliche arbeitsbedingten Kosten vom Einkommen abzusetzen sind, z.B. also auch Fahrtkosten, Berufsbekleidung oder Gewerkschaftsbeiträge. Bei den Fahrtkosten setzt die ARGE auf der Basis der ALG II-Verordnung fast immer lediglich eine Fahrtkostenpauschale von 0,20 € pro Entfernungskilometer (einfache Fahrt) an. Dabei wird übersehen, dass der Nachweis höherer Kosten ausdrücklich möglich ist – die ARGE weist auch nur selten daraufhin. Da bei 0,20 € pro Entfernungskilometer lediglich 0,10 € auf den tatsächlich gefahrenen Kilometer entfallen, wird die Pauschale oftmals bereits durch die Treibstoffkosten erreicht. Zusätzlich können Kfz-Steuer und –Versicherung, Reparaturen, neue Reifen oder ähnliche Kosten abgesetzt werden. Diese Kosten müssen allerdings nachgewiesen werden. Außerdem muss zwischen der privaten und beruflichen Nutzung des Fahrzeuges unterschieden werden, so dass ein Fahrtenbuch geführt werden sollte. Zusätzlich kann man sich mit der ARGE darüber streiten, auf welchen Zeitraum diese Kosten verteilt werden, wie lange also z.B. eine Reparatur reicht. Zur Vermeidung dieser Streitigkeiten sollte hier eine Pauschale von 0,30 € Entfernungskilometer angesetzt werden – dies entspräche dann der steuerlichen Enfernungspauschale. Sofern die monatlichen Kosten 100 € nicht übersteigen, wird pauschal der Grundfreibetrag von 100 € abgezogen. Höhere Absetzbeträge als 100 € können nur dann geltend gemacht werden, wenn das Erwerbseinkommen 400 € überschreitet. Übersehen wird aber oft, dass diese Regelung dann nicht gilt, wenn das Einkommen aus Ausbildung erzielt wird, so dass hier auch bei einem Einkommen von unter 400 € die tatsächlichen Kosten (Fahrtkosten, Internatskosten usw.) zu berücksichtigen sind. 11 Außerdem wird ein gestaffelter Erwerbstätigenfreibetrag von 20 % bei einem Erwerbseinkommen von 100 € bis 800 € und von weiteren 10 % bei 800 € bis 1200 € errechnet und vom Nettoeinkommen in Abzug gebracht. Das Einkommen (Erwerbs- und Nichterwerbseinkommen) mindert sich auch um eventuelle titulierte Unterhaltsverpflichtungen, außerdem evtl. um bei der Berechnung von BAB oder BAföG eines Kindes bereits berücksichtigte Beträge. Auszubildende, die zuhause wohnen und daher nur BAföG in Höhe von 192 € beziehen, können übrigens 20 % als pauschale Ausbildungskosten absetzen lassen. Dies ist bei der ARGE weitgehend unbekannt. Eine Eigenheimzulage oder eine sonstige zweckbestimmte Einnahme ist nicht als Einkommen anzurechnen, sofern die zweckentsprechende Verwendung erfolgt. Die Sozialgerichte gehen zunehmend davon aus, dass es sich auch bei der bei einer auswärtigen Tätigkeit gezahlten Auslöse bzw. dem Verpflegungsmehraufwand um eine zweckbestimmte Einnahme handelt, die nicht als Einnahme angerechnet werden darf. Sofern die ARGE hier lediglich Pauschalen von 6 € bzw. 12 € pro Tag abzieht, ist dies rechtswidrig. Auch die Abwrackprämie ist kein Einkommen. Gezahlte Aufwandsentschädigungen für Ein-Euro-Jobs oder ehrenamtliche Arbeit sind kein anzurechnendes Einkommen. Nur das nach der Bereinigung verbleibende Einkommen kann mit dem Bedarf verrechnet werden. 9. Angebliche Lebensgemeinschaft Sehr viele Streitigkeiten entstehen um angebliche oder tatsächliche (nichteheliche) Lebensgemeinschaften. Die ARGE nimmt gerne vorschnell eine Bedarfsgemeinschaft an, da das Einkommen des (angeblichen) Partners dann zur Bedarfsdeckung herangezogen wird und die von der ARGE zu zahlenden Leistungen entsprechend reduziert werden können. Seit dem 1. August 2006 hat der Gesetzgeber dazu eine Beweislastumkehr im Gesetz geregelt. Danach kann die ARGE eine Bedarfsgemeinschaft annehmen, wenn länger als ein Jahr zusammengewohnt wird, Vermögen gemeinsam genutzt wird, Angehörige gemeinsam gepflegt werden oder gemeinsame Kinder vorhanden sind. Diese Vermutung kann durch den Hilfesuchenden widerlegt werden. Viele Sozialgerichte decken die Praxis der ARGE vorschnell und stellen an diesen Beweis des Gegenteils hohe Anforderungen. Da es naturgemäß auf große Schwierigkeiten stößt, eine negative Tatsache zu beweisen, haben mehrere Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht inzwischen allerdings entschieden, dass diese hohen Anforderungen nicht zu einer praktischen Unmöglichkeit des Gegenbeweises führen dürfen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht bereits zum SGB II entschieden hat, dass eine Bedarfsgemeinschaft tatsächlich nur dann existiert, wenn der dazu nicht verpflichtete Partner freiwillig den anderen Partner finanziell unterstützt. Dies ist auch konsequent, weil das Bürgerliche Gesetzbuch keinerlei Unterhaltspflichten innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kennt, die dann auch zwangsweise durchsetzbar wären. Auch eine sich in gegenseitigen Besuchen äußernde Freundschaft ist noch keine Lebensgemeinschaft. 12 Auf dieser Linie haben dann auch mehrere Landessozialgerichte unlängst entschieden, dass die ARGE zur Verhinderung einer existenziellen Notlage Leistungen zu erbringen hat, wenn in einer angeblichen Bedarfsgemeinschaft keine freiwillige Unterstützung des einen (angeblichen) Partners durch den anderen Partner feststellbar ist. Diese Rechtssprechung scheint sich allerdings zu den ARGEN noch nicht herumgesprochen zu haben oder wird bewusst ignoriert. Die genauen Verhältnisse und Hintergründe einer behaupteten Lebensgemeinschaft sollten genau erfragt werden, da die Bewertung, ob getrennte Wohnungen auch getrennt bewohnt werden, z.B. von Faktoren, wie dem Strom- oder Wasserverbrauch, abhängen kann. 10. Ausbildungskosten bleiben unberücksichtigt Auszubildende, deren Ausbildung grundsätzlich durch BAB oder Bafög förderfähig ist, sind im Regelfall von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Entscheidend ist dabei nicht der tatsächliche Bezug von Ausbildungsförderung, sondern die abstrakte Förderfähigkeit. Es gibt dazu eine Vielzahl von Sonderregelungen z.B. bei Behinderten, bei Auszubildenden kurz vor Beendigung ihres Abschlusses oder bei Auszubildenden, die nur einen Grundbedarf erhalten. Auszubildende (auch Studenten) sind damit nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, müssen allerdings nach überwiegender Praxis als Mitglied der Haushaltsgemeinschaft den nach Kopfteilen auf sie entfallenden Teil der Unterkunftskosten bei den Eltern tragen. Dies gilt auch dann, wenn sie parallel dazu in einem Wohnheim wohnen und dort die Unterkunftskosten selbst tragen müssen. Verschiedentlich gehen die Sozialgerichte allerdings dazu über, als Wohnort eines Auszubildenden tatsächlich den Ausbildungsort anzusehen, sofern dort tatsächlich eine Wohnung oder ein Zimmer bewohnt wird. Um diese (doppelten) Kosten aufbringen zu können, haben die Auszubildenden allerdings einen Anspruch auf Wohngeld sowie auf einen ergänzenden Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft gegenüber der ARGE, auch wenn sie eigentlich vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Dieser Zuschuss wurde zum 1. Januar 2007 eingeführt und ist vielen Mitarbeitern der ARGE unbekannt. Schüler können außerdem die Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt beantragen. Ein Abzug angeblich ersparter Verpflegungskosten (weil sie zuhause nicht essen müssen) ist unzulässig. Auf die Chemnitzer Studie „Man kann auch mit 132 € leben“ haben sich CDU und SPD im September 2008 darauf geeinigt, dass es keine Änderung bei den Regelleistungen geben werde. Durch massive politische Proteste wurde die Bundesregierung gezwungen, für den Sommer diesen Jahres eine einmalige Zahlung von 100 € für Schulkosten anzukündigen – schließlich ist im Jahr 2009 Bundestagswahl. Weitere Zuschüsse, z.B. zu Schulbüchern oder Lernmaterialien, sind eigentlich nicht vorgesehen. Da diese Kosten weder durch den Regelsatz berücksichtigt werden noch durch den Zuschuss ausreichend gedeckt sind, ist dieses Problem weiterhin politisch hoch umstritten. 13 Verschiedene Landessozialgerichte haben inzwischen entschieden, dass Ausbildungskosten, z.B. Fahrtkosten, aus verfassungsrechtlichen Gründen als unabdingbarer Bedarf auf Darlehensbasis durch die ARGE bzw. durch das örtliche Sozialamt zu übernehmen sind, wobei die Rückzahlung des Darlehens zu erlassen ist. Es sollte daher ein ausdrücklicher Darlehensantrag gestellt werden. Hier gilt die Vorrangigkeit des Verfassungsrechtes gegenüber dem SGB II. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtssprechung weiter entwickelt. Ausbildungsvergütungen sind Einkommen. Betriebliche und Außerbetriebliche Ausbildungen werden auf der Grundlage der Regelungen zu den Freibeträgen und den Absetzbeträgen genauso wie Erwerbseinkommen bereinigt. 11. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen Alles, was vor der Beantragung von ALG II vorhanden ist, ist Vermögen. Alles, was während des Bezugs von ALG II hinzukommt, ist Einkommen und zwar auch dann, wenn die Schonvermögensgrenze noch nicht erreicht ist. Einkommen sind auch Erstattungen von Lohnsteuer oder Betriebskosten – unabhängig von dem Zeitraum, aus dem sie stammen. Es ist nach dem Zuflussprinzip ausschließlich der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend und die Möglichkeit, davon gegenwärtig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Erstattung von Strom oder Warmwasserkosten (Bestandteil der Heizkostenabrechnung) ist allerdings kein Einkommen, da diese Kosten aus der Regelleistung bezahlt werden. Dies wird oftmals nicht berücksichtigt, so dass die Anrechnung von Betriebskostenguthaben immer kritisch überprüft werden sollte. Sofern vorhandenes Vermögen von einer Form in eine andere umgewandelt (z.B. ein Betrag vom Sparbuch auf das Girokonto eingezahlt wird), handelt es sich dabei natürlich um keine Einnahme. Dies wird deswegen betont, weil die Mitarbeiter der ARGE beim Filzen der Kontoauszüge der letzten 3 Monate oftmals der Versuchung erliegen, sämtliche Eingänge, die nicht von der ARGE selbst stammen, als Einkommen anzurechnen. 12. Angeblich zu hohes Vermögen Viele Streitigkeiten gibt es auch um die Berücksichtigung angeblich zu hohen Vermögens. Zu unterscheiden ist dabei zwischen zweckgebundenem und freiem Vermögen. Bei freiem Vermögen ist ein Betrag von 150 € pro Lebensjahr geschützt, zusätzlich ein Anschaffungsfreibetrag von 750 €, mindestens aber ein Grundfreibetrag von 3.100 €. Als zweckgebundenes Altersvorsorgevermögen ist ein weiterer Betrag von 250 € pro Lebensjahr geschützt, sofern auf dieses Vermögen nicht vor Rentenbeginn zugegriffen werden kann. Dazu muss üblicherweise ein „Verwertungsausschluss“ mit der Versicherung vereinbart worden sein. Auch über diesen Betrag hinausgehendes Vermögen kann nicht angerechnet werden, sofern ein Verwertungsausschluss vorliegt, da dieser Verwertungsausschluss jeden Zugriff vor Rentenbeginn verhindert. 14 Zusätzlich ist ein Kraftfahrzeug für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht als Vermögen zu berücksichtigen, sofern ein Wert von 7.500 € pro Kraftfahrzeug nicht überschritten wird. Ebenfalls geschützt ist ein angemessenes selbst bewohntes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 130 m² und einer Grundstücksgröße von bis zu 800 m². Ein diesen Betrag überschreitender Vermögenswert unterfällt den normalen Freibeträgen von 150 € pro Lebensjahr. Über die geschützten Beträge hinausgehendes Vermögen ist grundsätzlich zur Deckung des Lebensunterhaltes zu verwenden, Leistungen der ARGE können dann versagt werden. Das überschüssige Vermögen wird auf einen angemessenen Zeitraum verteilt. Achtung: Hierbei sollte darauf Einfluss genommen werden, dass abhängig von der Höhe des zu verteilenden Vermögens ein möglichst großer Zeitraum gewählt werden sollte, um den Leistungsbezug auch weiterhin zu gewährleisten (Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge). Bei größerem Vermögen bzw. Einkommenszufluss kann sich der Verteilungszeitraum auf maximal 12 Monate erstrecken. Während des Nichtleistungsbezuges besteht jedoch keine Pflicht, auf Hartz IVNiveau leben zu müssen! Wenn das überschüssige Vermögen genutzt werden muss, um Grundbedarfe zu decken (Ersatzbeschaffungen im Haushalt, Schuldentilgung, Renovierungen/Reparaturen etc.) kann bereits nach kurzer Zeit eine erneute Antragsstellung bei der ARGE erfolgen, wenn dann der Vermögensfreibetrag unterschritten bzw. das Einkommen aufgebraucht ist. Allerdings darf das Vermögen natürlich nicht mutwillig „verjubelt“ werden. Viele Fehler werden dadurch gemacht, dass tatsächlich nicht vorhandenes oder nicht verwertbares Vermögen angerechnet wird oder von einem zu hohen Vermögen ausgegangen wird. Sofern tatsächlich zu hohes Vermögen vorhanden ist, dieses aber aufgrund von Verfügungsbeschränkungen (z.B. Kündigungsfristen) oder längerer Zeitdauer der Verwertung gegenwärtig nicht als Einkommen zur Verfügung steht, sind Leistungen auf Darlehensbasis zu erbringen. Dieses Darlehen muss dann später aus dem zu Geld gemachten Vermögen zurückgezahlt werden. Ein Darlehen ist aber dann nicht zulässig, wenn der Zeitpunkt der künftigen Verwertbarkeit vollkommen unbestimmt ist und nicht durch den Hilfebedürftigen beeinflussbar ist – in diesem Fall sind Leistungen geregelt als Zuschuss zu erbringen. Es darf auch nur der tatsächlich auf den Markt erzielbare Wert des Vermögens angesetzt und nicht pauschal z.B. von irgendwelchen Bodenrichtwerten ausgegangen werden. Wenn Vermögen endgültig nicht verwertet werden kann, dürfen Leistungen nicht nur auf Darlehensbasis erbracht werden; Beispiel: Das Hausgrundstück im ländlichen Raum übersteigt 800 m². Aufgrund der fehlenden Teilungsgenehmigung der Gemeinde ist es aber nicht teilbar und damit auch nicht verkäuflich, analog bei fehlender Bebaubarkeit mangels Bebauungsplan oder fehlenden Kaufinteressenten. An den Nachweis der fehlenden Verwertbarkeit werden hohe Anforderungen gestellt (Bestätigungen von Maklern etc.). Zu diesem Themenkomplex existiert eine Vielzahl von Spezialregelungen, die hier nicht näher dargestellt werden sollen. 15 13. Mehrbedarfe / Einmalige Bedarfe Die Gewährung von Mehrbedarfen bzw. einmaligen Bedarfen ist zwar gesetzlich geregelt, jedoch keine Garantie, dass diese auch tatsächlich gezahlt werden. Bei der entsprechenden Lebenslage sollte daher der Bewilligungsbescheid immer kritisch überprüft werden. a. Mehrbedarf bei Schwangerschaft/Geburt Schwangere erhalten einen Mehrbedarf von 17 % der Regelleistung. Außerdem gibt es einen Zuschuss zu den Kosten der Schwangerschaftsbekleidung und der Erstausstattung des Kindes bei Geburt. Diese Mehrbedarfe sind vor der Geburt zu zahlen. b. Mehrbedarf bei Alleinerziehung Alleinerziehende Mütter/Väter erhalten für ihre minderjährigen Kinder einen Mehrbedarf, dessen Höhe vom Alter und der Anzahl der Kinder abhängig ist. Dieser Mehrbedarf ist entgegen beobachteter Praxis nicht daran gekoppelt, dass auch Unterhaltsvorschuss gezahlt wird. c. Mehrbedarf bei Behinderung Erwerbsfähige behinderte Hilfesuchende erhalten einen Mehrbedarf von 35 % der Regelleistung, sofern sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Maßnahmen, Umschulungen u.a. nach § 33 SGB IX) erhalten. Nichterwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen das Merkzeichen G zuerkannt wurde, erhalten einen Mehrbedarf von 17 % der Regelleistung. d. Mehrbedarf bei Krankheit Für bestimmte Krankheiten, die eine besondere Ernährungsform erfordern, gibt es einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Dieser Mehrbedarf muss durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen worden sein, die im Regelfall alle zwölf Monate neu einzureichen ist. Der Mehrbedarf wird auch nur dann gezahlt, wenn tatsächlich ein durch eine notwendige andere Ernährung notwendiger finanzieller Mehrbedarf vorhanden ist. Er ist ausdrücklich nicht vorgesehen als Krankheitszulage oder zur Abdeckung mit der Krankheit verbundener weiterer Mehrkosten. Krankheitskosten sollen nämlich bereits im Regelsatz berücksichtigt worden sein, so der Gesetzgeber. Zu beachten ist allerdings, dass die ARGE den Mehrbedarf ab Kenntnis von der Erkrankung zu zahlen hat und sich nicht darauf zurückziehen kann, dass notwendige Formulare nicht eingereicht wurden. Nach Ansicht des Deutschen Vereines für private und öffentliche Fürsorge ist aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse seit Oktober 2008 allerdings für eine Vielzahl von Krankheiten kein ernährungsbedingter Mehrbedarf mehr notwendig, weil die Kosten für die einzig als Therapie sinnvolle gesunde Ernährung im Regelsatz enthalten sind, so die Meinung des Gesetzgebers. Dies betrifft z.B. Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Gicht usw. Die ARGEN stützen sich auf diese Empfehlungen und die Sozialgerichte decken diese Vorgehensweise. Sofern diese Praxis angegriffen werden soll, ist dringend zu fundierten Gutachten zu raten, die jeweils im Einzelfall nachweisen, warum ein ernährungsbedingter Mehrbedarf doch notwendig ist. 16 e. Einmalige Bedarfe Im SGB II sind verschiedene Möglichkeiten zur Übernahme einmaliger Bedarfe vorgesehen. Am wichtigsten ist, dass die ARGE bei Erstbezug einer Wohnung die Kosten für eine übliche Wohnungseinrichtung zu übernehmen hat. Die Deckung des Bedarfes kann durch Geldzahlung oder Sachleistung (Möbelbörse) erfolgen. Es ist außerdem nach sofort zu deckenden Bedarfen (z.B. Bett, Schrank, Kühlschrank, Herd) und nicht so dringenden Bedarfen (z.B. Fernseher, Couch) zu unterscheiden. Sofern bestimmte, zur üblichen Ausstattung einer Wohnung zugehörige Gegenstände, noch nie vorhanden waren, sind sie als einmalige Bedarfe zu übernehmen. In der Regelleistung soll ein gewisser Anteil enthalten sein, der für notwendige Ersatzbeschaffungen (nicht für Erstbeschaffungen!) zurückzulegen ist, z.B. für die Reparatur einer Waschmaschine oder den Neukauf eines Wintermantels. Sofern nichts angespart werden konnte oder der angesparte Betrag durch eine andere dringende Anschaffung verbraucht wurde, hat die ARGE ein Darlehen zu gewähren. Dieses Darlehen kann dann durch monatliche Aufrechnung bis zu 10 % der Regelleistung zurückgefordert werden. Sofern mehrere parallele Darlehen gewährt wurden, kann die ARGE allerdings nicht unbegrenzt aufrechnen, da auch noch ein Betrag zum Leben übrig bleiben muss. Die Gewährung eines Darlehens ist höchst unbeliebt bei der ARGE und bietet viel Streitpotential. Nicht zulässig ist die Gewährung von Umzugs- oder Renovierungskosten als Darlehen bei einem notwendigen Umzug, da es sich dabei um keinen von der Regelleistung erfassten Bedarf handelt, sondern um auf Zuschussbasis zu übernehmende Kosten der Unterkunft. Dies gilt auch für Aufnahmegebühren bei einer Wohnungsgenossenschaft, nicht aber für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile, da diese einen Vermögenswert darstellen. 14. Anrechnung der Krankenhausverpflegung als Einkommen Das Bundessozialgericht entschied am 18. Juni 2008, dass die Anrechnung von Verpflegung als Einkommen bei stationärem Aufenthalt (Krankenhaus, REHA u.a.) rechtswidrig ist. Sämtliche Bewilligungsbescheide sowie Rückforderungsbescheide wegen Überzahlung können rückwirkend bis zum 31. Dezember 2007 einer Überprüfung unterzogen werden (mittels Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X). Die ARGE muss also für den zurückliegenden Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 von der Regelleistung in Abzug gebrachte Kosten für die stationäre Verpflegung in voller Höhe zurückerstatten. Ab dem 1. Januar 2008 gilt die neue ALG II-Verordnung, die eine Anrechnung der Krankenhausverpflegung als Einkommen regelt. Übersehen wurde dabei allerdings, dass in der ALG II-Verordnung nur geregelt werden kann, wie Einkommen berechnet wird, nicht aber, was Einkommen ist. Die entsprechende Anrechnung als Einkommen ist daher auch nach der neuen Rechtslage ab dem 1. Januar 2008 rechtswidrig. 17 Die bisherigen Argumente haben weiterhin Gültigkeit (bei Anrechnung als Einkommen müssten auch Zuzahlungen, Bademäntel etc. als Aufwendungen zur Einkommenserzielung angerechnet werden; es gäbe keine Pflicht, 35 % der Regelleistung aufzuessen; auch bei Nichtrauchern werde die Regelleistung nicht gekürzt, obwohl Zigaretten in der Regelleistung enthalten sind u.a.). Nicht zulässig ist übrigens auch eine Kürzung der Kosten einer Klassenfahrt um Verpflegungskosten. 15. Sanktionen Ein weites Feld ist auch die Überprüfung von Sanktionen, also der Kürzung von Leistungen aufgrund (angeblichen) Fehlverhaltens. Häufiges Problem ist die Verhängung einer Sanktion nach Nichtantritt einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Der Antritt einer solchen Maßnahme kann nur verlangt werden, wenn diese einen konkreten Nutzen bei der Wiedereingliederung des Hilfesuchenden in den Arbeitsmarkt bietet und die ARGE zuvor eine konkrete Prognoseentscheidung getroffen hat. Eine Beschäftigungstherapie zur Bereinigung der Statistik ist daher rechtswidrig. Außerdem müssen Ort und Umfang der Arbeitsgelegenheit konkret beschrieben worden sein. Viele Sanktionsbescheide scheitern an zu unklaren Formulierungen. Die Sozialgerichte verlangen allerdings, dass der Hilfesuchende dem Sanktionsbescheid ganz konkret entnehmen kann, in welcher Höhe für welchen Zeitraum Leistungen gekürzt werden, um sich entsprechend einstellen zu können. 16. Ein-Euro-Job Nach Ansicht des Gesetzgebers stellen Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (besser bekannt als Ein-Euro-Job) nur das letzte Mittel in einer ganzen Palette von Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dar. Sie sollen vorrangig Hilfebedürftigen angeboten werden, für die keine andere Maßnahme in Betracht kommt und die langsam wieder an ein geregeltes Arbeitsleben herangeführt werden müssen. In der Praxis stellt sich dies ganz anders dar: Es werden massenhaft Ein-Euro-Jobs vergeben und alle anderen Maßnahmen sind nachrangig. Sofern man dagegen vorgehen möchte, sind folgende Fragen zu klären: * Gibt es eine konkrete Prognose, wie die Hilfebedürftigkeit dieses Menschen durch den konkreten Ein-Euro-Job verringert werden kann und welche notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse ihm vermittelt werden? Eine reine Beschäftigungstherapie ist unzulässig. * Muss überhaupt an den Arbeitsmarkt herangeführt werden? Wer sich selbst bereits eine Neben- oder Teilzeittätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt gesucht hat, muss an diesen 2. Arbeitsmarkt nicht mehr herangeführt werden. Wir übersehen dabei nicht, dass oftmals ein verständliches finanzielles Interesse besteht, beide Beschäftigungen ausüben zu können, da die gezahlte Mehraufwandsentschädigung nicht als Einkommen angerechnet wird und ein Nebeneinkommen bis 100 € ebenfalls anrechnungsfrei ist. 18 * Sind die zugewiesenen Tätigkeiten zusätzlich und gemeinnützig? Es ist unzulässig, wenn z.B. Kommunen erst Hausmeisterstellen streichen und dann die gleichen Arbeiten durch Ein-Euro-Kräfte erledigen lassen. Um sich der existenziellen Bedrohung durch die sofortige Verhängung einer Sanktion bei Ablehnung eines Ein-Euro-Jobs zu entziehen, empfehlen wir, diesen trotz aller Bedenken anzutreten und anschließend Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuweisung des Ein-Euro-Jobs zu erheben. Natürlich kann die Zuweisung auch abgelehnt werden, allerdings ist man dann mit hoher Wahrscheinlichkeit gezwungen, sich sofort in einem Eilrechtsschutzverfahren mit der Sanktion, also der Kürzung der Leistung, auseinanderzusetzen. 17. Ordnungswidrigkeiten Als Empfänger von ALG II ist man nach dem Gesetz verpflichtet, mitzuwirken, also Veränderungen an der persönlichen oder finanziellen Situation mitzuteilen, Unterlagen vorzulegen, zu Terminen zu erscheinen und noch so einiges mehr. Zunehmend werden Verstöße dagegen nicht nur mit Sanktionen belegt, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet, insbesondere dann, wenn Änderungen am Einkommen nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurden und es zu Überzahlungen gekommen ist. Intern gewährt die ARGE eine 2-Wochen-Frist zur Einreichung von Unterlagen nach eigener Kenntnis von Einkommensveränderungen (über die unserer Kenntnis nach aber nicht informiert wird), z.B. nach Erhalt einer Betriebskostenabrechnung vom Vermieter. Wird diese Frist überschritten, leitet die ARGE ein Verfahren zur Prüfung des Verdachtes einer Ordnungswidrigkeit ein. Sofern in der vorgeschriebenen Anhörung nicht aus Sicht der ARGE schlagende Argumente vorgebracht werden können, wird im Regelfall eine Geldbuße verhängt, die schnell 1/3 der monatlichen Regelleistung erreichen kann. Sofern ein solcher Fall in der Beratung auftaucht, sollten folgende Schritte geprüft werden: Hat der Verstoß, so wie er von der ARGE behauptet wird, stattgefunden? Gibt es Zeugen oder Unterlagen, die das Gegenteil beweisen? Trägt die ARGE eine Mitschuld, kann Vertrauensschutz geltend gemacht werden? Hat die ARGE die Jahresfrist zur Ahndung von Verstößen eingehalten? Ist das Bußgeld tat- und schuldangemessen? Bestehen Zweifel, sollte Einspruch eingelegt werden. Der Einspruch muss zwingend innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Bußgeldbescheides eingelegt werden, wobei der Eingang des Einspruches bei der ARGE entscheidend ist, nicht die Absendung. Da innerhalb dieser kurzen Frist kaum eine vernünftige Sachaufklärung möglich ist, sollte im Regelfall bei jedem Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheides Einspruch eingelegt werden, um so zunächst eine Hemmung der Rechtskraft zu erreichen. Nach dem Einspruch hat die ARGE die Möglichkeit, den Bußgeldbescheid aufzuheben oder das Verfahren über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht abzugeben, wo dann ein Richter über die Rechtmäßigkeit entscheidet. Der Richter kann den Bußgeldbescheid aufheben, das Bußgeld herabsetzen, aber auch erhöhen. Bevor dies geschieht, wird der Richter aber darauf hinweisen und empfehlen, den Einspruch zurückzunehmen. Nach unserer Erfahrung wird aber in sehr vielen Bußgeldverfahren, die nach Einspruch vor dem Amtsgericht entschieden werden, eine Verbesserung erreicht, 19 also entweder das Bußgeld herabgesetzt, der Bußgeldbescheid in eine Verwarnung umgewandelt oder auch ganz aufgehoben. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich um einen Erstverstoß handelt, sich die eigene Aussage und die Aussage der ARGE (z.B. bei verschwundenen Unterlagen) gegenüberstehen oder das Bußgeld für einen unbedeutenden Verstoß verhängt wurde, durch den kein Schaden für die ARGE entstanden ist. Die Amtsrichter folgen hier offenbar dem Grundsatz, dass nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen und unbescholtene Bürger kriminalisiert werden sollen. Abraten möchten wir allerdings vor dem unbegründeten Einlegen eines Einspruches bei tat- und schuldangemessenen Bußgeldbescheiden und einem nicht zu bestreitenden Vorwurf, da nach einem Einspruch das Bußgeld auch höher ausfallen kann und außerdem beträchtliche zusätzliche Verfahrenskosten entstehen können. 18. Schadensersatz Sofern die ARGE einen Fehler macht (z.B. zu späte Überweisung einer bewilligten Leistung, zu späte Erstellung eines Bescheides) und dadurch ein Schaden entsteht, ist dieser Schaden durch die ARGE zu ersetzen. Dies können z.B. Kosten für Bankrücklastschriften, Zinsen oder GEZ-Gebühren sein. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und/oder aus der Amtshaftung. In solchen Fällen sollte spätestens bei Ablehnung der Kostenübernahme durch die ARGE ein spezialisierter Anwalt oder Berater hinzugezogen werden. 19. Auszug von unter 25-Jährigen Kindern aus der Elternwohnung Niemand kann auch einem Hilfesuchenden verbieten, aus der bisher bewohnten Wohnung auszuziehen; es gibt daher keine „Umzugsgenehmigung“ der ARGE. Verständlich ist es auch, wenn ein junger Hilfesuchender – endlich volljährig geworden – in seine eigene Bude ziehen will. Vorsicht - mitzureden hat die ARGE allerdings immer dann, wenn es um die Kosten geht. Erhöhen sich nach einem Umzug daher die Kosten der Unterkunft (weil z.B. statt einem bisherigen Drittel der Miete für eine gemeinsam mit den Eltern bewohnte Wohnung nun die volle Miete für eine allein bewohnte Wohnung zu zahlen ist), so werden nur die bisherigen Kosten (also ein Drittel der bisherigen Miete) übernommen; es sei denn, der Umzug ist von der ARGE veranlasst oder aus schwerwiegenden sozialen Gründen erforderlich. Schwerwiegende soziale Gründe können z.B. ständige ernsthafte Streitereien mit den Eltern oder Geschwistern, eine unzumutbar kleine Wohnung oder Tätlichkeiten sein. Die ARGE prüft dies allerdings sehr genau. Können diese Gründe nicht nachgewiesen werden, wird die ARGE der Übernahme der Kosten nicht zustimmen und ein Auszug kann nicht vorgenommen werden. Von diesen harten Regelungen gibt es zwei Ausnahmen: * Entgegen oft anzutreffender Behauptung der ARGE gibt es keine Pflicht, wieder zu den Eltern zurückziehen, sofern man bereits eine eigene Wohnung bewohnt hat und diese selbst finanziert hat, dies nunmehr jedoch aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht mehr kann. * Es gibt auch keine Pflicht, mit den Eltern mitzuziehen und keine „KindermitnahmePflicht“ der Eltern. Entschließen sich diese, die bisherige Wohnung zu kündigen und in eine kleinere Wohnung umzuziehen oder den Wohnort komplett zu wechseln, gibt 20 es nach dem 18. Geburtstag keine Pflicht, sich an diesem Umzug zu beteiligen und auch keine Pflicht der Eltern, ihr groß gewordenes Kind mitzunehmen. Wenn die Miete und der Lebensunterhalt allerdings selbst bestritten werden können, gibt es keine Pflicht, überhaupt irgendetwas mit der ARGE zu besprechen oder in der elterlichen Wohnung zu bleiben (dazu auch C.21.). 20. Aufrechnung bei Rückforderungen Um bei Rückforderungen den Verwaltungsaufwand mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden und der Überwachung der Rückzahlung zu vermeiden, versuchen die ARGEN zunehmend, Aufrechnungsvereinbarungen abzuschließen, um so den zurückgeforderten Betrag mit der laufenden Leistung verrechnen zu können. Beachtet werden müssen dabei folgende Fehlerquellen: Es gibt keine Pflicht, einer solchen Vereinbarung zuzustimmen, die Drohung mit einer Leistungseinstellung bei verweigerter Unterschrift ist eine rechtswidrige Nötigung. Auch auf diesem Wege darf nur soviel aufgerechnet werden, dass das Leben weiterhin bestritten werden kann, im Regelfall also mit maximal 10 % der Regelleistung. Unzulässig ist es auch, wenn die immer nur an einen Hilfesuchenden gerichtete Rückforderung mit der Regelleistung der ganzen Bedarfsgemeinschaft verrechnet wird, also z.B. bei der Rückforderung gegen den Vater in die Regelleistung der Kinder eingegriffen wird. Ein solche Vereinbarung ist ein Vertrag zu Lasten Dritter und bei fehlender Zustimmung dieser Dritten nichtig. Bei Kindern wäre dafür die Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes notwendig, da diese mit Verbindlichkeiten belastet werden. 21. Kinder sind nicht immer Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Kann ein Kind aus eigenem Einkommen seinen Bedarf selbst decken, ist es nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Das hat zur Folge, dass auch ein angeblich von diesem Kind nicht selbst benötigtes Einkommen nicht den Eltern oder Geschwistern als „Sonstiges Einkommen“ angerechnet werden kann. Dies ist ein häufiger Fehler der ARGEN und er ist daran zu erkennen, dass im ALG II-Bescheid Bedarf und Einkommen des Kindes jeweils ausgenullt ist, bei den Eltern oder Geschwistern aber das sog. „Sonstige Einkommen“ auftaucht. Sofern dieses selbst nicht benötigte Einkommen aus Kindergeld stammt, ist es umstritten, ob es als Einkommen der Eltern angerechnet werden darf. Die ARGE könnte nämlich auch das Kindergeld zunächst vollständig mit dem Bedarf des Kindes verrechnen und anschließend z.B. den Unterhalt dazu heranziehen – überschüssiger Unterhalt wäre kein Einkommen der Eltern, nur bei Kindergeld soll es genau andersherum sein. 22. Kinderzuschlag ist nicht immer sinnvoll Der Geltungsbereich des Kinderzuschlages wurde zuletzt ausgeweitet, um Familien, bei denen die Eltern ihren eigenen Bedarf selbst decken können, nicht alleine wegen der Bedarfe der Kinder zu Empfängern von ALG II zu machen. Der Kinderzuschlag hat allerdings den Nachteil, dass an den Status des ALG IIEmpfängers gekoppelte Vergünstigungen dann wegfallen, so z.B. GEZ-Befreiung, Ermäßigung der Telefongrundgebühr, Sozialpaß, Einkaufsberechtigung bei einer Tafel oder die Möglichkeit, einmalige Leistungen der ARGE in Anspruch nehmen zu können (Kosten für Klassenfahrten, Übernahme von Heizkostennachzahlungen 21 usw.). Nach § 6a Abs. V Bundeskindergeldgesetz entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag dann, wenn der Kinderzuschlag aufgrund damit verbundener Nachteile nicht beantragt wird. 23. Weiterzahlung trotz Arbeitsaufnahme Gelingt es, eine neue Arbeitsstelle zu finden, darf die ARGE trotzdem nicht sofort die Leistungen einstellen. ALG II ist jeweils zu Beginn eines Monats zu zahlen und eine vorläufige Zahlungseinstellung kann daher nur erfolgen, wenn in diesem Monat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bedarfsdeckende Einnahmen zu erwarten sind. Da in den meisten Arbeitsverträgen in der privaten Wirtschaft die Zahlung des Lohnes zum 15. des Folgemonats üblich ist, ist im laufenden Monat gerade nicht mit einem bedarfsdeckenden Einkommen zu rechnen – das ALG II muss daher in voller Höhe gezahlt werden. Stellt die ARGE in solchen Fällen trotzdem die Zahlung ein, sollte sie sofort zur Zahlung aufgefordert werden; bei ausbleibender oder ablehnender Reaktion sollte schnellstmöglich eine einstweilige Anordnung beim Sozialgericht beantragt werden (dazu unten) D Zum Umgang mit ARGE Vielen Schwierigkeiten kann oftmals aus dem Weg gegangen werden, wenn einige wenige Verhaltensweisen beachtet werden. Es ist unbedingt notwendig, von allen schriftlichen Unterlagen (Anträge, Rechnungen, Schreiben, Widersprüche), die der ARGE übergeben werden, Kopien zum Selbstbehalt anzufertigen und diese mit einem Eingangsstempel versehen zu lassen. Diese Bestätigung kann auch ohne längere Wartezeit im Eingangsbereich erfolgen und dient als Nachweis. Immer wieder kommt es vor, dass bei der ARGE wichtige Unterlagen einfach verschwinden. Der Nachweis ist jedoch der Beleg dafür, dass die ARGE die Unterlagen erhalten hat. Von jedem persönlichen und telefonischen Gespräch mit dem ARGE-Mitarbeiter sollte ein Gesprächsprotokoll angelegt werden. Dieses muss den Tag und die Uhrzeit, den Namen des Mitarbeiters und möglichst eine genaue Wiedergabe des Gesprächsinhaltes enthalten. Betroffene haben nach § 13 SGB X die Möglichkeit, Beistände und Bevollmächtigte als Zeugen mitzunehmen. Es sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass bei wichtigen Gesprächen hiervon Gebrauch gemacht wird. Viele Betroffene sind oftmals schockiert über den Umgang einiger ARGE-Mitarbeiter mit ihnen. Nicht selten haben Berater zunächst damit zu tun, beruhigend einzuwirken. Dazu muss gesagt werden, dass die Mitarbeiter einem großen psychischen und moralischen Druck ausgesetzt sind und offensichtlich ein Ventil für ihren eigenen Frust benötigen. Sie müssen Hartz-IV umsetzen und den Grundsätzen des Sparens auf jeden Fall nachkommen. Die Vermittlung von Sozial- und Gesprächskompetenzen scheint bei den Mitarbeiterschulungen jedoch wenig eine Rolle zu spielen ebenso wie die Aufklärung der Betroffenen über ihre Rechte. 22 Dennoch haben sich auch ARGE-Mitarbeiter an normale Umgangsformen und Regeln zu halten. Beschimpfung und Demütigung braucht sich niemand auszusetzen. Es besteht immer die Möglichkeit, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben oder ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den einzelnen ARGEMitarbeiter einzuleiten. Schwerwiegende Beleidigungen oder Nötigungen sollten auch als Straftat verfolgt werden. Dazu sollte eine Berater oder ein Anwalt aufgesucht werden. Zurückhaltung nach Einschüchterungsversuchen und Angst vor eventuellen Nachteilen, die durch Widersprüche und Klagen entstehen könnten, sind unbegründet. Eine fünfstellige Anzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren wird pro Jahr in Mecklenburg-Vorpommern geführt, tausende allein in jedem uns bekannten Landkreis. Erst wenn Betroffene mit Nachdruck ihre Rechte einfordern, werden sie erhört. Sollte es wider Erwartung dennoch zu härteren Auseinandersetzungen mit der ARGE kommen, muss Abhilfe geschaffen werden durch einen Rechtsbeistand oder Druck erzeugt werden durch politische Kräfte und soziale Vereine. Auch die Medien können in solchen Situationen oftmals mit Berichterstattungen (auch anonymen) sehr hilfreich sein. Darüber hinaus können und müssen Eingaben an die zuständigen Land- und Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD oder den Bundespetitionsausschuss (Anschrift S. unter Punkt F) eingereicht werden, in denen die persönliche Situation oder grundsätzliche Probleme geschildert werden. Ein Bürgeranliegen allein wird sicher nicht viel erreichen, aber viele lassen den Druck der Öffentlichkeit erkennen. Deshalb ist jeder einzelne Bürger mit seinem Anliegen wichtig. E Prozessuales & Kosten Zunächst ist bei aufgedeckten Fehlern in der Leistungsberechnung grundsätzlich das folgende Vorgehen zu empfehlen: 1. Sofern die Widerspruchsfrist (ein Monat ab Erhalt des Bescheides) noch nicht abgelaufen ist, Einlegung eines Widerspruches gegen den falschen Bescheid empfehlen. 2. Sofern die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, die Überprüfung des ablehnenden Bescheides gemäß § 44 SGB X beantragen. Dies geht rückwirkend bis zu 4 Jahren, jeweils zum Anfang des Jahres gerechnet, also im Jahr 2009 bis zum 1. Januar 2005. 3. Sofern der Widerspruch abgelehnt wurde, Erhebung einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheides empfehlen und Kontakt zu einem spezialisierten Anwalt vermitteln. 1. Fristen 23 Auch im Sozialrecht müssen Fristen eingehalten werden. So ist z.B. die Einlegung eines Widerspruches oder die Erhebung einer Klage nur innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides möglich (für den Zugang des Bescheides beim Hilfesuchenden ist im Streitfall die Behörde beweispflichtig). Anderenfalls wird auch ein falscher Bescheid bestandskräftig. Allerdings kann auch noch bis zu 4 Jahren rückwirkend die Überprüfung eines falschen Bescheides mit einem begründeten „Überprüfungsantrag“ beantragt werden. Die Behörde muss den genannten Bescheid dann überprüfen und gegen den Überprüfungsbescheid kann „normal“ Widerspruch erhoben werden. Die ARGE hat grundsätzlich nur 3 Monate Zeit zur Bearbeitung eines Widerspruches. Dies ist in § 88 Abs.2 SGG geregelt und auch für ARGE bindend. Eine Überschreitung dieser Frist ist nur möglich, wenn die ARGE auf Zuarbeiten Dritter (z.B. ärztliche Gutachten) angewiesen ist und auf die mögliche Verzögerung vor Ablauf der Frist hingewiesen hat. Für die Entscheidung über einen erstmaligen Antrag (sofern nicht eilig) oder einen Überprüfungsantrag hat die ARGE hingegen 6 Monate Zeit. Da die ARGE selbst auf der Einhaltung von Fristen besteht und deren Überschreitung großzügig mit Sanktionen ahndet, sollte bei der Überschreitung von Fristen durch die ARGE immer an eine Untätigkeitsklage gedacht werden. Einziges Ziel dieser Klage ist die Verurteilung der ARGE zur umgehenden Entscheidung. Im Regelfall erkennt die ARGE nach Erhebung der Klage die Forderung an und entscheidet innerhalb kurzer Zeit. 2. Keine Anwaltspflicht Es besteht im Sozialrecht keine Pflicht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung eines Widerspruches oder der Erhebung einer Klage zu beauftragen. Hilfesuchende können sich gegenüber der ARGE oder vor dem Sozialgericht grundsätzlich selbst vertreten. Allerdings sollte in Abhängigkeit von den eigenen Kenntnissen geprüft werden, ob die Beauftragung eines Rechtsanwaltes möglicherweise sinnvoll ist, da Fristen einzuhalten sind, Schreiben gewissen Anforderungen entsprechen müssen oder es auf die aktuelle Rechtssprechung ankommen kann. 3. Kosten Oftmals herrscht die Fehlvorstellung vor, die Hilfe eines Anwaltes könne nicht bezahlt werden. Dies ist falsch. a. Außergerichtlich Für Hilfesuchende mit keinem oder nur einem geringen Einkommen, gibt es die Möglichkeit, die Hilfe eines Rechtsanwaltes zu einem konkreten rechtlichen Problem in Anspruch zu nehmen. Die Hilfe kann entweder in einer Beratung oder auch in einer Übernahme des Schriftwechsels bestehen. Für diese sog. „Beratungshilfe“ erhält der Rechtsanwalt eine Vergütung durch die Staatskasse, außerdem kann er eine Eigenbeteiligung von 10 € fordern. Zur Inanspruchnahme gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird beim örtlich zuständigen Amtsgericht zunächst ein Beratungshilfegutschein beantragt und danach ein Rechtsanwalt aufgesucht oder es wird ein Rechtsanwalt aufgesucht und dieser dann um die Vermittlung der 24 Beantragung gebeten. Bei der Ablehnung der Beratungshilfe sind die Kosten des Rechtsanwaltes allerdings dann selbst zu zahlen. b. Gerichtlich Bei Streitigkeiten vor einem Gericht kann für Hilfesuchende Prozesskostenhilfe beantragt werden. Neben der Bedürftigkeit prüft das Gericht auch (überschlägig) die Erfolgsaussichten des Verfahrens. Zur Inanspruchnahme gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird beim zuständigen Gericht zunächst Prozesskostenhilfe beantragt und dann nach der Bewilligung ein Rechtsanwalt aufgesucht oder es wird zuerst ein Rechtsanwalt aufgesucht und dieser dann um die Vermittlung der Beantragung gebeten. Die Prozesskostenhilfe übernimmt dann die Kosten des eigenen Anwaltes. Im Sozialrecht erfahrene Anwälte können einschätzen, ob für eine Klage Prozesskostenhilfe gewährt wird und werden bei aussichtslosen Klagen darauf aufmerksam machen. Bei einer selbst erhobenen Klage ist keine Beantragung von Prozesskostenhilfe notwendig, da (außer bei vollkommen unbegründeten Klagen – Missbrauchsgebühr) keine Gerichtskosten anfallen. Sollten sich die Einkommensverhältnisse zukünftig erheblich verbessern, so kann es bei einem Unterliegen sein, dass die gewährte Prozesskostenhilfe an die Staatskasse zurückgezahlt werden muss (dies wird 4 Jahre lang überprüft). Bei einem Obsiegen trägt die ARGE die Kosten des eigenen Anwaltes; eine Inanspruchnahme der Prozesskostenhilfe ist dann nicht notwendig und eine Rückzahlung findet nicht statt. 4. Aufschiebende Wirkung Aufschiebende Wirkung bedeutet: Der bestehende Zustand bleibt bis zur endgültigen Klärung beibehalten. Rückzahlungen sind also erst dann zu leisten, wenn das Verfahren abgeschlossen ist und hier zuungunsten des Betroffenen entschieden wurde. Widerspruch und Klage gegen einen Bewilligungsbescheid haben keine aufschiebende Wirkung, da die ARGE nicht gezwungen werden soll, möglicherweise rechtswidrige Leistungen für die Dauer des Verfahrens zu zahlen, die dann nur schwer oder nicht zurückgefordert werden können. Widerspruch und Klage gegen einen Rückforderungs- und Erstattungsbescheid haben hingegen aufschiebende Wirkung, da hier der Fehler aus Sicht der ARGE bereits geschehen ist und es keinen Grund für eine besondere Eilbedürftigkeit der Rückzahlung gibt. Die ARGE belehrt in den entsprechenden Bescheiden und auch auf Nachfrage hin in der Mehrzahl der Fälle darüber nicht oder falsch und fordert eine sofortige Rückzahlung. Hier hilft es nur, ganz deutlich auf die Rechtslage, die durch die überwiegende Mehrzahl der Sozialgerichte bestätigt wird, hinzuweisen und für den Fall der Nichtbeachtung, die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes anzukündigen. Üblicherweise wird dann eingelenkt. 5. Eilrechtsschutz 25 Die normale Verfahrensdauer von Widersprüchen beträgt mehrere Monate, die Verfahrensdauer von Klagen ca. 2 Jahre. Bei deutlich zu niedrig bewilligten Leistungen stellt sich die Frage, wie der Hilfesuchende diesen Zeitraum überleben soll. In diesem Fall ist dann die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes, also die Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung möglich. Dazu muss zum einen eine überwiegende Erfolgsaussicht in der Sache gegeben sein, zum anderen darf der Hilfesuchende kein sonstiges Einkommen oder Vermögen haben, aus denen er zunächst seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu die Formel entwickelt, dass die Anforderungen an die Erfolgsaussicht umso niedriger sind, umso höher die Gefährdung des Lebensunterhaltes des Hilfesuchenden ist. Als Faustformel hat sich eingebürgert, dass die Differenz zwischen dem Bedarf und den zur Verfügung stehenden Mitteln mehr als 20 % betragen muss. Allerdings ist jeder Einzelfall gesondert zu prüfen. Solche Verfahren sind im Regelfall kompliziert und erfordern die Einhaltung bestimmter formaler Anforderungen. Eine Entscheidung in Verfahren des Eilrechtsschutzes wird innerhalb weniger Stunden bis zu mehreren Wochen gefällt, so dass bei einer Notlage nicht mit der Beantragung gezögert werden sollte. Wichtig ist dabei, dass im Eilrechtsschutz nur Leistungen für die Zukunft, also ab dem Tag der Antragstellung gefordert werden können, da „die vergangene Zeit bereits überlebt wurde“. Bei gebotener Eilbedürftigkeit ist es daher ein schwerer Fehler, sich auf eine lange Diskussion mit der ARGE einzulassen, mit „meinem Anwalt zu drohen“, eine Terminvergabe für ein Gespräch abzuwarten oder „Bettelbriefe“ zu schreiben. Der ARGE sollte stattdessen eine kurze Frist (maximal 3 Arbeitstage) gesetzt werden und für den Fall der ausbleibenden Reaktion bereits die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes angekündigt werden. Wichtig ist dabei, dass man einen Nachweis für diese letzte Frist hat und im Zweifelsfall benennen kann, welcher Mitarbeiter in welchem Zimmer an welchem Tag die Leistungen definitiv und endgültig abgelehnt hat – einfacher ist es bei per Fax und zusätzlich als Brief verschickten Aufforderungen. 6. Wirklich fachkundige Hilfe sichern Das Sozialrecht ist sehr umfangreich und gleichzeitig kaum Thema der juristischen Ausbildung. Hilfesuchende sollten sich immer an eine kompetente Beratungsstelle wenden und nachfragen, welche Kenntnisse dort tatsächlich vorhanden sind. Tatsache ist, dass die meisten Beraterstellen über den 2. Arbeitsmarkt in einer sehr kurzen Zeit auf geringstem Einkommensniveau oder über Mehraufwandsentschädigung beschäftigt sind. Hinzu kommt, dass die CDU/SPD-geführte Landesregierung Mittel und Stellen in diesem Bereich rigoros kürzt. Mitarbeiter, die aber auf der Basis von Mehraufwandsentschädigungen (Ein-EuroJob) o.a. tätig sind, haben kaum die Möglichkeit, die umfangreiche Rechtssprechung, gerade zum ALG II, im Auge zu behalten und die vielfältigen Verfahrensfragen zu überblicken. Auch bei Rechtsanwälten sollte immer nachgefragt werden, ob diese tatsächlich theoretische und praktische Kenntnisse des Sozialrechtes haben – auch ein guter 26 und engagierter Anwalt kann nicht alle Rechtsgebiete gleichzeitig bearbeiten, sollte dies dann aber auch zugeben. Kritisch hinterfragen sollte man, wenn der aufgesuchte Anwalt zwar nicht als ALG IISpezialist bekannt ist, aber trotzdem sofort den Erfolg einer Klage garantiert oder sich zunächst einen Vorschuss zahlen lässt. Im Sozialrecht erfahrene und engagierte Anwälte können einschätzen, ob für eine Klage Prozesskostenhilfe gewährt wird und machen bei aussichtslosen Klagen sofort darauf aufmerksam, um den Hilfesuchenden vor unnötigen Kosten zu bewahren. F Weitere Informationen Im Internet finden sich unter www.tacheles-sozialhilfe.de sehr umfangreiche weiterführende aktuelle Informationen mit Urteilsdatenbank, Diskussionsforum, internen Hinweisen der ARGE und Hinweisen auf weitere Informationsquellen. Von Tacheles e.V. stammt auch der detaillierte „Leitfaden zum SGB II“. Wer es wissenschaftlicher mag, sei auf den „Kommentar zum SGB II“ von Münder, erschienen im Nomos-Verlag, verwiesen. Es gibt außerdem eine Vielzahl von weiteren Büchern vom Taschenbuch bis zum mehrbändigen Kommentar, die hier nicht weiter dargestellt werden sollen. Unter Punkt D erwähnte Eingaben an den Bundespetitionsausschuss können unter folgender Adresse eingereicht werden: Deutscher Bundestag, Petitionsausschuss, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: 030 227 35257, Fax: 030 227 36053. Die zuständigen Adressen der Wahlkreisbüros von CDU und SPD jedes Landkreises oder kreisfreien Stadt sind im Internet oder Telefonbuch zu ersehen oder zu erfragen in jeder Behörde bzw. öffentlichen Einrichtung. G Nachwort Die Bundesagentur hatte per 29. September 2008 den ARGEN neue Anweisungen erteilt. Darin heißt es unter anderem, Stattgaben im Klageverfahren sind ab 2009 auf 30% zu reduzieren und Aktivitäten hinsichtlich der Widersprüche und Klagen sind in Bezug auf kommunale Aufgaben notwendig. Hier eine Passage im Wortlaut: „Im Übrigen ist unter Wirtschaftlichkeitserwägungen darüber zu befinden, ob zu einem als rechtmäßig erkannten Bescheid ein Widerspruch gerechtfertigt oder der Widerspruchsführer eingeladen wird, um ihn unter Darlegung der Sach- und Rechtslage zur Rücknahme des Widerspruchs zu bewegen“. Oder anders: Die Zahl der Widersprüche soll reduziert und die Betroffenen massiv eingeschüchtert werden. Die Kommunen sollen einen größeren finanziellen Anteil der Kosten der Unterkunft übernehmen. Die Bundesregierung aber zieht sich aus ihrer Verantwortung zurück. Diesem Vorgehen muss konsequent entgegengewirkt werden. Es sind Entscheidungen von CDU, SPD und FDP, die Menschen in Notlagen zwingen. 27 Betroffene müssen erkennen, wer die politischen Verantwortlichen sind. Die Zahl derer, die immer mehr entrechtet werden, ist hoch. Sie müssen wissen, ihre Situation wird sich erst dann grundlegend ändern, wenn sie sich engagieren. Widerspruch und Klage von vielen Einzelnen sind ein erster wichtiger Schritt. Doch nur die gemeinsame Kraft gibt letztlich den Anstoß zu Veränderungen. Für Fragen, Bitten und Anregungen stehen wir natürlich gerne zur Verfügung. Torsten Koplin, Irina Rimkus, Alexander Schmidt Mai 2009