alg ii ihr recht von az

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alg ii ihr recht von az
strassen|feger
Ratgeber-Ausgabe
2009
1,50 Euro
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IH
Z
A
VON
Kein Geld für einen Anwalt – kostenlose Rechtsberatung für Arme
hre
15 Ja
Gespräch mit dem Berliner Sozialrichter Michael Kanert
Interview mit Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit
Ein Verein stellt
sich vor
2
strassen|feger
Edito
Ratgeberausgabe 2009
Quelle: wikimedia
Edito
Es ist immer eine politische Entscheidung,
wieviel Lebensunterhalt dem Erwerbslosen
zugestanden wird. Der Druck der vermeintlich leeren Kassen, unter dem 2004 die
Hartzgesetze durchgepeischt wurden, die
zu einem signifikanten Anstieg der Armut in
Deutschland geführt haben, wurde von den
riesigen Rettungspaketen für das systemrelevante Bankgeschäft Lügen gestraft
bzw. hat gezeigt, dass uns Menschen keine
Systemrelevanz zugestanden wird. Besonders in Berlin ist die Armut in den letzten
Jahren augenfällig geworden, Pfandflaschensammler und Arbeitslose oder Rentner,
die in Mülleimern nach Verwertbarem stöbern, gehören in manchen Bezirken schon
zur alltäglichen Normalität. (Und dienen
in der touristschen Hochsaison dem Berlinbesucher als Lokalkolorit, denn endlich
kann Herr X und Frau Y aus Hintertupfing am
Stammtisch erläutern, was mit „arm aber
sexy“ gemeint ist.)
Von der Verwaltung wird die Praxis der
Statistikretouche weiter verfeinert, um zu
verschleiern, wie groß der Anteil der Abgehängten in unserer Gesellschaft tatsächlich
ist. Seit der Finanzkrise ist zwar vielen klar
geworden, dass die ALG-II-Gesetzgebung
einen anderen Hintergrund als den proklamierten hat, doch die dringend notwendige
Solidarisierung aller (Lohn-)Abhängigen
lässt auf sich warten. 2009 haben wir ein
Superwahljahr, doch eine Umkehr in der
Politik ist angesichts der Geiselfunktion, die
die AlG-II-Bezieher (auf Rentner und Kinder
will ich hier gar nicht eingehen) übernommen haben und die im Hinblick auf Lohnforderungen Erfolge für die „gebeutelte“
Wirtschaft zeitigt, nicht abzusehen.
Diese Tatsache wirft natürlich die Frage
auf, wem denn nun von Armut Betroffene in
unserem Land am Wahltag ihr Vertrauen in
Form eines Kreuzchens aussprechen sollten,
nur ist an dieser Stelle nicht der Platz für
derartige Erörterungen.
Uns bleibt hier nur, die minimalen Rechte, die
Erwerbslosen noch zugestanden werden, zu
erläutern und zu deren Einforderung zu ermutigen. Bei kleinen Kindern, die etwas wollen,
was sie gerade nicht bekommen sollen, sagt
man schnell, dass sie Grenzen lernen müssen
– die in diesem Heft zusammengestellten
Texte wollen jedem Einzelnen den Rücken
stärken, um dem Verwaltungsapparat die
Grenzen zu zeigen, die der Gesetzgeber bzw.
häufig die Gerichte (und dann nachträglich)
gezogen haben. Den dazu nötigen Mut möchten wir allen Betroffenen geben.
Und dann: Wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis Menschen mit Arbeit haben, geben
Sie diesen Ratgeber leihweise an jene
weiter. Die Unkenntnis über das Ausmaß
der Beschneidung der Persönlichkeitsrechte
durch „HIV“ ist immer noch erschreckend
weit verbreitet. Eine regelmäßige Lektüre
unseres strassenfeger kann hier übrigens
auch Abhilfe schaffen!
Lou
strassen|feger
Inhalt
Ratgeberausgabe 2009
3
Inhalt
Ihr Recht von A-Z
Vorwort
Antragstellung
Antragsformular
aufstockendes ALG II
Beistand
Bescheid
Datenschutz
eheähnliche Gemeinschaft
Erlaß von Ansprüchen
Ermessen
Folgeantrag
GEZ-Gebühren
Haushaltsenergie
Haushaltsgemeinschaft
Jugendliche unter 25
Klassenfahrten
Mehrbedarf
Miete
Mitwirkungspflichten
Nebenkosten
Ortsabwesenheit
Rechtsschutz
Beratungs- und Prozesskostenhilfe
Widerspruch
aufschiebende Wirkung
einstweilige Anordnung
Klage
Untätigkeitsklage
Überprüfungsantrag
Sofortangebote
Umzug
Verpflegung
Vorschuss
Vorsorge für das Alter
Literaturhinweise
Anlaufstellen
Klare Worte
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5
6
6
7
7
8
10
11
12
12
12
13
13
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21
22
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23
23
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24
25
25
26
26
29
29
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31
31
Kochbuch zum Sparen
Ungeklärte Mietobergrenzen
Kinderarmut per Gesetz
Menschenwürde ist antastbar
Kein Geld für einen Anwalt?
Umgang mit Arbeitslosen
Hartz IV und Tier
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Nachgefragt
Beim Berliner Sozialgericht
Interview mit dem Berliner Sozialrichter
Michael Kanert
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Bei der Bundesagentur für Arbeit
Interview mit Vorstandsmitglied Heinrich Alt,
verantwortlich für Grundsicherung
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Aus der Arbeit unseres Vereins
Ziele und Angebote
Notübernachtung
strassenfeger
Kaffee Bankrott
Selbstbauhaus
EDV-Abteilung
TrödelPoint
Mitarbeit und Praktikum
Spenden und Unterstützung
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42
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44
44
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45
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Schnittstelle
von Wolfgang Mocker
Impressum
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4
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
Quelle: Mammon-Akademie
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Eine Frau heizt ihren Ofen mit
Inflationsgeld (um 1924).
Geld als Energieressource der Zukunft?
Niemand kann sagen, wie viele Gerichtsprozesse allein wegen der Verpflegung geführt
gabe des straßenfeger in der Hand. Die erste
wurden. Die Verantwortlichen beklagen sich
Ausgabe erschien im Mai 2007. Der Ratgeber
jedenfalls, dass zu viele (angeblich nicht zu
enthält zum Teil andere Schwerpunktthemen.
gewinnende) Prozesse geführt werden. Dabei
Hier spiegeln sich besonders viele Konflikte
werden gerade im SGB II mehr als 50 Prozent
mit der Arbeitslosenbehörde wider. Wie beim
der Verfahren positiv entschieden. Das ist weit
Thema Umzug. Es gibt Fälle, da mussten
mehr als bei allen anderen Sozialgesetzen. Das
Betroffene Privatkredite aufnehmen, obwohl
heißt jedoch nicht, dass die anderen 50 Proder Umzug von der Behörde veranlasst wurde!
zent negativ entschieden wurden. Weitere 20
Das Gesetz zwingt das Amt in diesen Fällen,
bis 30 Prozent wurden
eigentlich die mit
positiv erledigt. Z.B.
dem Umzug in der
NICHT DIE NOT IST DAS SCHLIMMSTE,
wurden durch UntäRegel anfallenden
SONDERN DASS SIE ERTRAGEN WIRD!
tigkeitsklagen
die
Kosten zu übernehDENN DAS HINNEHMEN VON ARMUT,
Behörden
tätig.
men.
WÄHREND ES REICHTUM GIBT,
 heute halten Sie die zweite Hartz-IV-Aus-
für diese Zwecke erlauben, erst in diesem
Maße möglich. Übrigens wurde der Einfall der
„Heuschrecken“ – insbesondere im Immobilienmarkt – auch erst durch exorbitante Steuerermäßigungen für die Fonds attraktiv.
Es gab auch keinen Grund für die Banken,
anders zu handeln. Schließlich haben wir ein
voll funktionierendes kapitalistisches Gesellschaftssystem; Gewinne werden privatisiert,
Verluste sozialisiert, also von der Sozialgemeinschaft, den Steuerzahlern bezahlt. Deshalb nennt man das auch „soziale Marktwirtschaft“ und so funktioniert sie auch!
Rechte und ihre Durchsetzung
IST GEISTIGES VERSAGEN,
Oder
das
Gericht
In der Zwischenzeit
Die Zeche werden die normalen Steuerzahler
IST UNEMPFINDLICHKEIT DER SEELE
stellte
die
aufschiehaben sich viele
und die Armen zahlen. Wer von den Armen
GEGEN DIE BELEIDIGUNG
bende Wirkung fest,
Gesetze und auch die
jetzt auf das Grundgesetz Artikel 1 „Die Würde
Erich Mühsam
wozu man früher
DH (Durchführungsdes Menschen ist unantastbar.“ hofft, dem sei
keine
Gerichte
gesagt, dass diese Menschenwürde ein unbehinweise der BA =
brauchte. Jedoch sind die steigenden FallBundesagentur für Arbeit) geändert. Leider
stimmter Rechtsbegriff ist. Der wird erst durch
zahlen der Gerichte ein willkommener Anlass,
gingen die Änderungen mehrheitlich zu Lasten
Gesetze wie z.B. das SGB II bestimmt. Ob es
die Schuld bei den Armen abzuladen. Man will
der Betroffenen. Das SGB II (Sozialgesetzbuch
die Kürzungen mit Einführung des SGB II und
wieder einmal Gerichtsgebühren einführen.
II) wird deshalb von Kritikern immer wieder
XII waren oder die im SGB II verankerte VerWir können nur hoffen, dass dieses Vorhaben
mit „Strafgesetzbuch II“ übersetzt.
weigerung jeglicher Zahlung ist; alles das ist
auch dieses Mal u.a. an den Richtern scheitert,
mit dem Grundgesetz anscheinend vereinbar.
die immer wieder auf erhebliche verfassungsKlagen und Urteile
Auch weitere direkte oder indirekte Kürzunrechtliche Bedenken hinweisen.
Das Bundessozialgericht hat in verschiedenen
gen werden es sein!
Fällen ein wenig Klarheit gebracht. Positiv zu
Gewinne und Verluste
bewerten waren die Urteile gegen die AnrechAlso nutzen wir trotz dieser
Angesichts der Finanzkrise WER GLAUBT,
Aussichten die wenigen Rechte,
nung von Verpflegung in Krankenhäusern u.ä.,
spielt Geld nur eine Rolle, wenn DASS LOHNVERZICHT
die die Armen noch haben! Der
sowie bei über 25-Jährigen im Elternhaus.
es von unten nach oben ver- ARBEITSPLÄTZE
Hartz-IV-Ratgeber soll eine
schoben werden kann. Oben SCHAFFT,
Die Zulassung von Verfassungsklagen gegen
Hilfe dazu sein. Er kann jedoch
angekommen, ist es dann kein DER GLAUBT AUCH,
die Höhe der Regelleistungen der 6- bis 14nur einen kleinen Einblick in
Problem. eine halbe Billion Euro DASS ZITRONENFALTER
Jährigen bewirkte zumindest erst mal die
ein paar Themen geben und soll
innerhalb von ein paar Tagen ZITRONEN FALTEN!
Erhöhung auf 251 Euro und zum 1.8.2009
ein Einstieg in diese Gesetze
bereitzustellen: für die „noterstmals 100 Euro für den Schulbedarf.
sein. Hier möchten wir den
leidenden Banken“, die sich mit
Lesern als weitere Hilfen unbefremdem und arbeitslosem Geld einfach mal
Erschreckend sind die Urteile zur völligen,
dingt den neuen „Leitfaden Alg II/Sozialhilfe“
verzockt haben. Sie haben sich mit ihren
zeitlich unbegrenzten, Anrechnung von
(siehe Literaturhinweise) und die Adresse
hochriskanten Geldanlagen nicht strafbar
Steuererstattungen als Einkommen und die
www.tacheles-sozialhilfe.de ans Herz legen.
gemacht! Im Gegenteil, denn dies wurde
Verpflichtung, bei ausreichendem EinkomJette Stockfisch
durch Gesetzesänderungen, die die Gründung
men, für die Kinder der Partnerin in der
von ausländischen Tochterfirmen der Banken
Bedarfsgemeinschaft aufkommen zu müssen.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
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Abkürzungsverzeichnis
Merkzeichen G – Ein Vermerk auf einem Behindertenausweis. Es bedeutet gehbehindert und berechtigt wahlweise zur unentgeltlichen Beförderung im
öffentlichen Personennahverkehr oder zur Kraftfahrzeugsteuerermäßigung von 50 Prozent.
Merkzeichen aG – bedeutet außergewöhnlich
gehbehindert.
Foto: K.B.
ABM – Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Az – Aktenzeichen
BA - Bundesanstalt für Arbeit
BGB – Bürgerliches Gesetzbuch
BGH – Bundesgerichtshof
BSG – Bundessozialgericht
BSHG - Bundessozialhilfegesetz
BvR – Bundesverfassung
BVerfG – Bundesverfassungsgericht
BVerwG – Bundesverwaltungsgericht
EA – Einstweilige Anordnung
EAO – Erreichbarkeitsanordnung
EWG – Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FEG – Fortentwicklungsgesetz
LSG – Landessozialgericht
MAE – Mehraufwandsentschädigung
OVG – Oberverwaltungsgericht
PKH – Prozesskostenhilfe
Rz. – Randziffer
SGB – Sozialgesetzbuch
WG – Wohngemeinschaft
WSI - Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut
ANTRAGSTELLUNG
 Der Antrag auf Arbeitslosengeld II sollte so
früh wie möglich gestellt werden. Viele Menschen scheuen sich vor der Antragstellung, was
menschlich verständlich ist, werden die Bezieher von Alg II doch immer wieder als Sozialschmarotzer und ähnliches bezeichnet. Wer
möchte sich da schon freiwillig einreihen!
In der Hoffnung, in der Zwischenzeit doch noch
einen Job zu ergattern und somit dem Alg II
zu entrinnen, verbrauchen viele Betroffene
ihre Ersparnisse, um dann – ohne einen Cent in
der Tasche – doch beim JobCenter zu landen.
Häufig werden auch noch Schulden gemacht,
und auch die Miete wird nicht bezahlt. Das
ist blanker finanzieller Selbstmord. Denn dem
JobCenter sind die Schulden egal. Im Kampf
um die Mietschuldenübernahme hat schon so
mancher seine Wohnung verloren!
Pro Person dürfen 150 Euro pro Lebensjahr
als Vermögen mit in die Arbeitslosigkeit
gebracht werden. Zusätzlich noch 250 Euro
pro Lebensjahr VORSORGE .
Wer beim JobCenter erscheint, um einen Antrag
zu stellen, wird oft mit dem ANTRAGSFORMULAR  und der Auflage, mit dem ausgefüllten
Antrag und den nötigen Unterlagen zu einem
späteren Termin wiederzukommen, nach Hause
geschickt. Das ist auch in Ordnung, wenn der
Antrag den Datumsstempel des Antragstages
trägt. Die häufige Praxis, den Antrag erst mit
dem zweiten Termin zu datieren, ist rechtswidrig. Der Antrag gilt als gestellt, wenn man
zum ersten Mal dort erscheint und den Antrag
stellt. Niemand sollte sich mit einer mündlichen Ablehnung abfinden. Die ist schnell ausgesprochen. Es sollte immer auf einem schrift-
lichen BESCHEID  bestanden werden. Nicht
selten hat sich dann plötzlich die Ablehnung
erledigt. Auch kann man gegen einen schriftlichen BESCHEID  besser WIDERSPRUCH 
einlegen. Gegen einen mündlichen Bescheid
kann man zwar auch Widerspruch einlegen,
doch besteht bei der mündlichen Erstbeantragung das Problem nachzuweisen, dass man
überhaupt einen Antrag gestellt hat, und dass
dieser mündlich abgelehnt wurde. Wenn beim
Job Center keine Aktennotiz darüber existiert,
hat man eigentlich nur Zeit verloren!
Häufig warten Betroffene mit der Antragstellung, bis sie völlig pleite sind und nicht wissen,
wie und wovon sie die nächsten Tage leben
sollen. Dann ist ein VORSCHUSS  fällig.
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Ratgeberausgabe 2009
ANTRAGSFORMULAR
 Im Antragsformular gibt es ein paar Unklar-
heiten und Fallen, die man vermeiden kann.
Auf Seite 1 wird nach der Telefonnummer und
E-Mail-Adresse gefragt. Diese Angaben sind
freiwillig. Insbesondere die Angabe der Telefonnummer sollte man sich gut überlegen.
In der Hoffnung auf eine bessere Vermittelbarkeit geben viele ihre Telefonnummer
an. Man sollte jedoch auch bedenken, dass
man sich mit dieser Art der Erreichbarkeit
den Telefonterror eines übereifrigen Mitarbeiters einhandeln kann. Nicht zu übersehen
sind die Kontrollanrufe von Call-Centern.
Beides kann zu erheblichen Problemen bis
hin zu Leistungskürzungen führen. Deshalb
ist Betroffenen, auch wenn sie ein noch so
reines Gewissen haben, von diesen Angaben
abzuraten. Hier sind auch wichtige Hinweise
zum DATENSCHUTZ  zu beachten.
den Freund einzutragen, ohne sich der möglichen auch finanziellen Folgen bewusst zu
sein und ohne zu wissen, was der Unterschied zwischen verliebtem Zusammenleben
und EHEÄHNLICHER GEMEINSCHAFT  ist. Ein
Paar ist eben nicht zwangsläufig eine eheähnliche Gemeinschaft.
Bei der Spalte „Unterbringung in einer stationären Einrichtung“ sind Angaben zu
machen, z. B., ob der Aufenthalt länger als
sechs Monate dauern wird. Das ist für Antragsteller jedoch nur möglich, wenn sie genau
wissen, wie lange sie im Krankenhaus o.ä.
sein werden. Wissen sie das nicht, sollten
sie die Aufenthaltsdauer auch nicht einfach
schätzen. Dann muss von der Arbeitslosenbehörde eine Prognose erstellt werden. Diese
Prognose entscheidet darüber, ob sie Alg-IIberechtigt sind oder in die Sozialhilfe abgeschoben werden können. Allerdings muss das
JobCenter bis zum Einsetzen der Sozialhilfe
Alg II zahlen.
Unter „III. Persönliche Verhältnisse der mit
dem Antragsteller in einem Haushalt lebenden weiteren Personen“ sind zu Personen, die
nicht nur vorübergehend im Haushalt leben,
Angaben zu machen. Bloße Mitglieder einer
Wohngemeinschaft gehören hier nicht hin.
Über sie brauchen überhaupt keine persönlichen Angaben gemacht zu werden. Lediglich
über die Höhe der Mietzahlungen an anderer
Stelle, wenn der Antragsteller sie an den Mitbewohner zahlt, oder als Angaben zum Einkommen, wenn der Antragsteller Mietzahlungen vom Mitbewohner erhält. An dieser Stelle
sind Paare oft verunsichert, wo und wie sie
denn ihren Freund eintragen müssen, wenn sie
wissen, dass sie keine EHEÄHNLICHE GEMEINSCHAFT  sind.
Von Betroffenen, die kein Konto haben, wird
der Nachweis verlangt, dass sie kein Konto
eröffnen können. Dafür gibt es keine Verpflichtung. Wer die entstehenden Kosten einer Geldübermittlung ohne eigenes Konto nicht tragen
will, kann die Barauszahlung verlangen.
Unter „II. Persönliche Verhältnisse“ wird
auch nach dem Partner in eheähnlicher
Gemeinschaft gefragt. Hier machen viele
Antragsteller den Fehler, ihre Freundin oder
AUFSTOCKENDES ALG II
 Auch Erwerbstätige haben das
Recht, einen Antrag auf Alg II zu
stellen. Unter den üblichen Voraussetzungen (Vermögens- und Einkommensfreibeträge usw.) haben
sie einen Rechtsanspruch auf aufstockendes Alg II. Insbesondere
die steigende Zahl von Hungerlöhnen lässt die Zahl der Antragsteller
stetig steigen. Hier geht es nicht
nur um Minijobber, sondern mehr
und mehr um Vollbeschäftigte,
deren Lohn nicht zum Leben reicht.
Es ist schwer, an dieser Stelle eine
Aussage über die Bedürftigkeit zu
machen. Als Grundlage einer Berechnung sollte der Bedarf dienen.
Nebenstehend eine Übersicht der
Berechnung in Kurzform und einem
Beispiel.
359 Euro Regelleistung für Alleinstehende plus
360 Euro Miete sind
719 Euro Gesamtbedarf;
dazu können noch verschiedene Formen von MEHRBEDARF  kommen,
die dann zum Bedarf addiert werden müssen.
Zur Einkommensberechnung hier eine grobe Kurzform:
Die ersten 100 Euro sind als Werbungskostenpauschale
anrechnungsfrei,
von 100 bis 800 Euro brutto sind 20 Prozent, also je 20 Euro von
je 100 Euro anrechnungsfrei,
von 800 bis 1.200 Euro brutto sind 10 Prozent, also 10 Euro von
je 100 Euro anrechnungsfrei,
von 1.200 bis 1.500 Euro brutto sind nur bei Erwerbstätigen mit
Kindern noch 10 Prozent anrechnungsfrei.
Bei einem Bruttoeinkommen von 1.000 Euro sind das also
100 Euro + 140 Euro (7 mal 20 Euro) + 20 Euro (2 mal 10 Euro)
sind 260 Euro, die der Erwerbstätige zusätzlich zu seinem Bedarf vom
Beispiel oben von 719 Euro behalten darf. Insgesamt 979 Euro.
Zu beachten ist, dass bei Neuanträgen die tatsächliche MIETE 
übernommen werden muss. Ist
die Miete 560 Euro hoch, so
muss die Arbeitslosenbehörde die
Miete erst einmal in voller Höhe
zahlen. Damit verschiebt sich die
Bedürftigkeitsgrenze zu unserem
Beispiel um 200 Euro nach oben.
Allerdings kann das JobCenter den
Alg-II-Bezieher auffordern, seine
Mietkosten zu senken. Dann muss
es die volle Miete bis zu sechs
Monaten und die Kosten für einen
UMZUG  zahlen. Ohne Umzug ist
dann in der Regel nur noch die
„angemessene“ Miete (in Berlin
bei Alleinstehenden 378 Euro) zu
übernehmen.
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Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
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BEISTAND
 Jeder hat das Recht, einen Beistand mit
zur Behörde zu nehmen (§ 13 SGB X). Was
der Beistand sagt, muss von der Behörde so
behandelt werden, als hätte es der Betroffene
selbst gesagt. Es sei denn, der Betroffene widerspricht dem sofort (§ 13 Abs.4 SGB X). Alg-IIBezieher machen von dieser Möglichkeit des
Selbstschutzes gegenüber Behörden viel zu
wenig Gebrauch. Dabei muss der Beistand nicht
zwangsläufig bessere Rechtskenntnisse als der
Betroffene haben. Es reicht oft schon, wenn der
Beistand nur als Zeuge dem Gespräch beiwohnt.
Der Sachbearbeiter, der bisher vielleicht herablassend oder sogar beleidigend war, verwandelt
sich in Gegenwart eines Beistands zwar nicht in
ein Schmusekätzchen, jedoch reicht es schon,
wenn er einfach nur höflich ist und auf Fragen
eine korrekte Antwort gibt. Das ist in den JobCentern leider nicht die Regel.
Es passiert immer noch, dass die Sachbearbeiter
einen Beistand nicht akzeptieren und mit der
Begründung des „Datenschutzes“ des Raumes
verweisen. Das sollte sich niemand gefallen
lassen! Über seine Daten entscheidet in diesem
Fall noch immer der Betroffene selbst. Leider sind
die Sachbearbeiter nicht um den Datenschutz
besorgt, wenn im selben Zimmer zwei Sachbearbeiter zur selben Zeit zwei Alg-II- Bezieher
abfertigen. Dass die Alg-II-Bezieher zwangsläufig die Gespräche des Anderen mithören - das ist
eine Verletzung des Datenschutzes.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist zu
erreichen in 53117 Bonn, Husarenstr. 30,
Tel. (01888) 77 99-0 oder (0228) 8 19 95-0,
E-Mai:l [email protected],
Webseite: http://www.bfdi.bund.de
 Kaum ein Bescheid ist so abgefasst, dass
ein Bezieher von Alg II ihn nachvollziehen
kann. In der Regel ist es sinnvoller, man lässt
die Rechnung der JobCenter links liegen und
macht seine eigene Aufstellung. Eine Aufstellung der verschiedenen Regelsätze ist in
jedem Bescheid zu finden. Dazu wird die tatsächliche Miete mit Heizkosten gerechnet.
Siehe Bedarfsberechnung unter AUFSTOCKENDES ALG II  Dabei ist es unerheblich, ob die
Heizung mit zur Miete gehört oder Abschläge
dafür an Strom- oder Gasversorger gezahlt
werden. Es kann hier zu Abzügen für Warmwasser oder Kochen kommen.
Wer in seinem Bescheid irgendwelche Abzüge
unter „Einkommen“ findet und kein Einkommen hat, sollte auf jeden Fall Widerspruch
einlegen. Jedoch rechnen Kindergeld, Unterhalt und Unterhaltsvorschuss auch zum Einkommen. Die Widerspruchsfrist ist ein Monat.
Danach ist der Bescheid rechtskräftig.
Quelle: Archiv
BESCHEID
Oft ist es jedoch so, dass Betroffene erst
Monate später durch Zufall von anderen
Hartz-IV-Beziehern erfahren, dass sie zu
wenig Geld erhalten. Z.B. wird gern der MEHRBEDARF  für Alleinerziehende „vergessen“.
Hier besteht nicht nur ein Anspruch darauf,
den Mehrbedarf für die Zukunft zu erhalten,
sondern auch darauf, den Mehrbedarf rück-
wirkend zu erhalten. Anders als bei z.B. beim
Mehrbedarf für Ernährung, der beantragt
werden muss, da das JobCenter in der Regel
davon keine Kenntnis hat, ist der Mehrbedarf
für Alleinerziehende der Arbeitslosenbehörde
bekannt, weil da Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehören.
In diesen Fällen kann ein ÜBERPRÜFUNGSANTRAG  gestellt werden. Solche grundlegenden Fehler treten nicht selten auf. Manchmal
werden die Kinder der Antragsteller einfach
vergessen, häufiger die Heizkosten, die an
Gas- oder Stromversorger gezahlt werden
müssen.
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
Quelle: flickr.com
DATENSCHUTZ
 Die Berliner und Brandenburger Datenschutzbeauftragten haben den überarbeiteten
„Ratgeber zu Hartz IV“ herausgegeben. Damit
gibt es zumindest eine gewisse Rechtssicherheit, was die Behörden an Daten verlangen
und einholen dürfen und was nicht. (Ratgeber
als pdf unter www.datenschutz-berlin.de (>Ver
öffentlichungen>Ratgeber))
Hausdurchsuchungen
(verharmlosend Hausbesuche genannt)
Immer wieder glauben die Arbeitslosenbehörden, das Recht zu haben, Hausdurchsuchungen
nach Lust und Laune machen zu dürfen (z.B.
bei Neuanträgen). Routinemäßige Hausdurchsuchungen ohne vorherige Indizien sind unzulässig! Nach Meinung der Datenschutzbeauftragten sind Hausdurchsuchungen nach § 20
SGB X in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 4 SGB
X zulässig. Sie sind jedoch nur zulässig, um
BEREITS BEKANNTE INDIZIEN zu klären.
Insbesondere finden Hausdurchsuchungen
statt, um eine EHEÄHNLICHE GEMEINSCHAFT 
festzustellen. Dies ist jedoch nur bedingt
möglich. In erster Linie lässt sich eine eheähnliche Gemeinschaft durch andere Informationen beurteilen; Abstammung der Kinder,
gemeinsame Konten oder Versicherungen oder
nachweisliche Zahlungen von anteiliger Miete,
Strom- oder Telefonkosten. Die Formulierung
der Datenschutzbeauftragten („Der Hausbesuch ist allenfalls geeignet, noch bestehende
„Restzweifel“ auszuräumen.“) ist unbefriedigend. Die Behörden haben scheinbar immer
„Restzweifel“!
Stehen (meist zwei) Mitarbeiter vor der Tür,
haben diese sich UNAUFGEFORDERT auszuweisen. Sie haben dem Betroffenen vor dem
Betreten der Wohnung den GRUND zu nennen.
Sie haben dem Betroffenen zu erklären, dass
er den Zutritt verweigern kann, jedoch auch,
dass es dann zur Kürzung oder Streichung der
Leistung kommen kann. Die Zustimmung zum
Betreten der Wohnung beinhaltet nicht die
Durchsicht der Schränke. Hierfür bedarf es einer
gesonderten Einwilligung, da niemand gezwungen werden kann, den Inhalt seiner Schränke
zu zeigen. Wird die Zustimmung erteilt, ist
lediglich ein kurzer Blick in die Schränke, nicht
jedoch ein „Wühlen“ in dessen Inhalt erlaubt.
Betroffene sollten eine Ab- oder Durchschrift
des Prüfungsprotokolls verlangen. Darauf haben
Betroffene ein Recht.
Kontoauszüge
Die Rechtsprechung zur Kontrolle der Armen
hat sich im Laufe der Jahre erheblich verschärft. Früher war ein pauschales Verlangen
nach den Kontoauszügen für Zeiten vor der
Antragstellung in der Regel nicht erlaubt
ler werden als potenzielle Betrüger angesehen,
denen man generell erst einmal Sozialhilfemissbrauch unterstellt. Mit der erzwungenen
Vorlage der Kontoauszüge können sie dann
diesen Generalverdacht widerlegen.
Kontoauszüge dürfen von der Arbeitslosenbehörde EINGESEHEN werden. Der Betroffene
macht Kopien von seinen Kontoauszügen,
schwärzt die Kopien entsprechend und legt
sie dann dem Mitarbeiter vor. Bitte nie die
Originale schwärzen! Die Neubeschaffung
von Kontoauszügen lassen sich die Banken
teuer bezahlen. Die Mitarbeiter haben in der
Regel kein Recht, die Kontoauszüge bzw.
deren Kopien zu den Akten zu nehmen! Die
dürfen nur eingesehen werden! Die Mitarbeiter können sich dann Notizen machen,
dass die Kontoauszüge für einen bestimmten
Zeitraum vorlagen und keine Auffälligkeiten
vorlagen. Mehr nicht.
Übrigens, wenn Arbeitgeber sich von der
Arbeitslosenbehörde Arbeitnehmer finanzieren
lassen, müssen sie nur schriftliche Versicherungen abgeben, z.B. dass es sich um einen neuen
Arbeitsplatz handelt. Nachweisen müssen sie
das nicht! Überprüft wird dies in der Regel
auch nicht. Wenn da gelogen wird, dass sich
die Balken biegen, wird das jedoch nicht als
Sozialhilfemissbrauch bezeichnet, hier nennt
sich das „Mitnahmeeffekt“. Es gibt auch keinen
Generalverdacht. Aber vor dem Gesetz sind ja
alle gleich! Doch zurück zum BSG.
Am 19.09.08 hat das Bundessozialgericht
(BSG) unter dem Az. B 14 AS 45/07 R über die
Vorlage von Kontoauszügen sein Urteil gefällt.
Die Vorlage der Kontoauszüge für die letzten
drei Monate vor Antragstellung und Folgeantragstellung gehört nach Ansicht des Gerichts
zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I.
Es bedarf keines konkreten Verdachts. Man kann
dies auch so interpretieren: Alg-II-Antragstel-
12 SGB X „besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und
ethnische Herkunft, politische Meinungen,
religiöse oder philosophische Überzeugungen,
Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und
Sexualleben.“ Diese Daten dürfen auch nach
Meinung des BSG geschwärzt werden. Klar
ist, dass darunter Mitgliedsbeiträge für Parteien und Gewerkschaften gehören. Auch die
von mir immer wieder angeführten Abos von
Pornoheften dürften wohl, als zum Sexualleben gehörend, geschwärzt werden. Ebenso das
Abo für die linke Zeitschrift „Konkret“ als zur
politischen Meinung gehörend.
Wer nach der Aufforderung zur Vorlage der
Kontoauszüge und einer Fristsetzung samt
Belehrung über die Folgen der fehlenden Mitwirkung dieser nicht nachkommt, dem kann
nach § 66 SGB I die Leistung ganz oder teilweise versagt werden.
Streiten kann man sich schon darüber, ob ein
Abo des „Neuen Deutschland“ nur Zeitungsabo ist oder noch zur politischen Meinung
gehört. Die sogenannten Frauenzeitschriften
dürften zu den nicht zu schwärzenden Objekten zählen. Wenngleich zu überlegen ist,
ob der Fanatismus, mit dem der Inhalt von
manchen Frauen gelesen wird, nicht doch
schon wieder religiöse Züge hat und somit
geschwärzt werden dürfte.
Das Gericht vertritt die Meinung, dass ALLE
Daten zu Einnahmen ungeschwärzt sein
müssen! Ohne Ausnahme! Ferner müssen auch
alle Soll-Beträge ungeschwärzt bleiben. Einzige Ausnahmen von Schwärzung: § 67 Abs.
Der politischen Entwicklung entsprechend
wäre es folgerichtig, wenn das BSG in ein paar
Jahren die dann flächendeckenden Hausdurchsuchungen der Arbeitslosenbehörden für rechtens erachtet.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
9
In der Regel ist es unzulässig (§ 60 Abs. 1 Nr.
3), Kopien von Bank- und Sparkassenkarten,
Sparbüchern, vollständigen Vaterschaftsanerkennungen, Unterhaltstiteln und Scheidungsurteilen anzufertigen. Hier reicht es aus, die
benötigten Einzelangaben zu vermerken.
Der Personalausweis enthält Informationen,
die nicht leistungsrelevant sind z.B. Größe,
Augenfarbe, PA-Nummer. Diese nicht relevanten Angaben dürfen geschwärzt werden.
Es ist auch unzulässig (§ 31 Abs. 5), den
gesamten Mietvertrag zu kopieren. Untermieter sind in der Regel nicht verpflichtet, den
Hauptmietvertrag des Wohnungsmieters vorzulegen. Nur in besonders begründeten Einzelfällen, wenn die Behörde Anhaltspunkte
für einen Leistungsmissbrauch hat, kann dies
verlangt werden.
Montage: cs
Weitere Unterlagen
Die Voraussetzung für den Mehrbedarf wegen
Schwangerschaft ab der zwölften Woche kann
durch ein Attest, das auch den voraussichtlichen Geburtstermin beinhaltet, nachgewiesen
werden. Ist dieses Attest nicht vorhanden,
kann der Mutterpass VORGELEGT werden. Es
ist unzulässig, den Ausweis als Kopie zur Akte
zu nehmen, weil es umfangreiche, nicht leistungsrelevante Angaben enthält.
Familienversicherung
Antragsteller, die über eine Familienversicherung versichert sind, müssen nur Angaben zu
demjenigen machen, über den sie versichert
sind.
Entbindung von der Schweigepflicht
Zu den MITWIRKUNGSPFLICHTEN  nach den
Paragrafen 60-64 gehört NICHT die Pflicht,
Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.
Eine Verpflichtung, Dritte von der Schweigepflicht zu entbinden, besteht nicht! Sie darf
auch nicht durch die Drohung der Leistungskürzung oder -streichung, wie bei Hausdurchsuchungen, erzwungen werden. Weigert sich
der Betroffene, diese Erklärung abzugeben,
so hat der ärztliche Dienst die Leistungsvoraussetzungen durch eigene Untersuchungen
zu ermitteln. Die Weigerung, solche Schweigepflichtsentbindungen abzugeben, ist jedoch
nur sinnvoll, wenn die Behörden etwas erfahren wollen, das der Betroffene nicht wünscht,
z.B. Feststellung psychischer Erkrankungen
oder bei der „Zwangsverrentung“.
Wird z. B. ein MEHRBEDARF  wegen kostenaufwendiger Ernährung beantragt oder ist der
Betroffene der Meinung, er sei nicht mehr
uneingeschränkt erwerbsfähig, ist es sinnvoll,
Dritte von der Schweigepflicht zu entbinden.
Doch auch hier ist es in der Regel nicht nötig,
alle möglichen Ärzte oder Krankenhäuser, in
denen man zur Behandlung war oder ist, von
der Schweigepflicht zu entbinden. Z.B. reicht
bei Beantragung eines Mehrbedarfs in der
Regel die Schweigepflichtentbindung des die
Krankheit behandelnden Arztes oder Facharztes. Auch bei Wirbelsäulenerkrankungen benötigt die Behörde, bspw., keine Unterlagen des
Psychiaters.
Quelle: Filmszene „Brazil“
Allgemeines
Noch immer sind die Betroffenen
mit der Offenlegung ihrer Daten
zu unvorsichtig! Der berechtigte
Gedanke vieler, dass sie nichts
zu verbergen hätten, ist ja sehr
redlich, sollte jedoch nicht dazu
beitragen, den Behörden die
Anforderung und Speicherung
unzulässiger Daten zu ermöglichen. Hätten die Betroffenen
in den vergangenen Jahren der
unbegründeten Datenerhebung
bei Kontoauszügen oder Hausdurchsuchungen mehr Widerstand entgegengesetzt, wären
diese wohl nicht so zur „Normalität“ geworden. Es ist nicht
nur das Bedürfnis des Staates,
seine Bürger, insbesondere seine
Armen, zu kontrollieren, was zu
erheblicher Ausweitung der Datenerhebung
beigetragen hat. Hätten die Armen dies nicht
so klaglos hingenommen, wäre es zumindest
nicht in diesem Umfang dazu gekommen. Deshalb sollten Daten ÜBERALL UND GEGENÜBER
JEDER BEHÖRDE nur nach der Devise herausgegeben werden: „So viel Daten wie nötig und
so wenig Daten wie möglich.“
Der Zugriff auf persönlichste Daten ist von
den Betroffenen praktisch in keiner Weise
kontrollierbar! Auch, wenn es rein theoretisch (also per Gesetz) anders sein sollte.
Niemand ist davor sicher, dass die Daten
nicht an Unbefugte weitergegeben werden.
Wie in den letzten Monaten mehrfach passiert, dass die Daten von Bankkunden, von
Meldestellen oder Krankenkassen, plötzlich
im Internet für jeden lesbar oder ohne Einwilligung an Dritte weitergegeben wurden.
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
EHEÄHNLICHE GEMEINSCHAFT
 Dieser Begriff hat schon zu Zeiten des
BSHG zu massivem Streit zwischen Betroffenen und Behörden geführt. So versuchen die
Gesetzgeber mit immer neuen Gesetzen, den
Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft (eäG)
zu erweitern. So auch mit den Änderungen
des Fortentwicklungsgesetzes (FEG), also
den Änderungen zu den Änderungen des seit
01.01.05 geltenden SGB II.
„Zur Bedarfsgemeinschaft gehören...der...
Partner...oder...eine Person..., die mit dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem
gemeinsamem Haushalt so zusammenlebt,
dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander
einzustehen.“ (§ 7 SGB II)
eine eäG nicht. Ohne Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft kein eheähnliches Verhältnis (LSG Hessen 24.07.2006, L7 86/06 ER).
Ein reines Untermietverhältnis schließt eine
Haushaltsgemeinschaft und damit eine eäG aus
(LSG Ba-Wü 05.12.2005, L 8AS 3441/05 ER-B).
„Ein „Wirtschaften aus einem Topf“, wie dies
für eine Haushaltsgemeinschaft kennzeichnend ist, (kann) nicht angenommen werden...,
wenn einer dem anderen Mietzins zahlen muss.
Stellt ein Leistungsträger nach dem SGB II die
Wirksamkeit eines (Unter-) Mietvertrages nicht
in Frage, sondern gewährt er den Mietzins als
Kosten der Unterkunft, kann er das Zusammenleben zweier Personen auch nicht als Haushaltsgemeinschaft werten.“
Vierte Voraussetzung ist die freiwillige Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts vorrangig vor den eigenen Bedürfnissen. „Nur
wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so
sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass
sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches
Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen
nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im
Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar.“ So das Bundesverfassungsgericht. (BVerfG 17.11.1992 Az 1 BvL 8/87)
Für eine Wirtschaftsgemeinschaft spricht
u.a. die gemeinsame Verfügung über ein Auto
oder ein gemeinsames Konto, eine gegenseitige Kontovollmacht oder die Befugnis, über
Einkommen und Vermögen des Partners tatsächlich verfügen zu können.
Ries immer: mehrere Jahre! Der Bundesgerichtshof urteilt, dass man frühestens nach
zwei bis drei Jahren von einer eäG ausgehen
könne (BGH 12.03.1997, NJW 1997,1851).
Das Bundessozialgericht (BSG) hält eine dreijährige Dauer der Beziehung als Voraussetzung
für eine eäG als gerechtfertigt. (29.04.1998,B
7 AL 56/97 R) Entgegen aller Rechtsprechung
gibt es im SGB II die Zwangsvereheähnlichung
nach einem Jahr! Auch wenn dies jetzt Gesetzestext ist: Es wird nicht rechtens – wenn die
Betroffenen sich wehren!
Ebenso muss ein langjähriges Zusammenleben
vorliegen. Langjährig bedeutet nach Adam
Mit dieser gesetzlichen Regelung wird die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie einer Vielzahl von Sozialgerichten bewusst angegriffen. Einer WG wird häufig
spätestens nach einem Jahr eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt, da sich die Formulierung nicht nur auf „Partner“, sondern auch
auf „Personen“ bezieht. Es wird versucht,
eine Beweislastumkehr vorzunehmen, nicht
die Behörde soll die eäG beweisen, sondern
die Betroffenen sollen beweisen, dass eine
solche nicht besteht. Hier hat das SG Freiburg in Bezug deutlich gemacht: „Das Zusammenleben in einer reinen Wohngemeinschaft
über mehr als ein Jahr begründet die Vermutung der eheähnlichen Gemeinschaft nicht,
es muss sich um eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft handeln. Ist diese nicht
bewiesen, bleibt die objektive Beweislast bei
der Behörde.“ (21.07.06, S 9 AS 3120/06 ER)
Erste Voraussetzung für eine eäG ist eine
Wohngemeinschaft. Im Gegensatz zur Ehe
setzt eine eäG „grundsätzlich“ eine WG voraus.
(LSG Berlin- Brandenburg 21.06.2006- L 29 B
314/06 AS ER) Getrennte Wohnungen sprechen trotz einer Liebesbeziehung gegen eine
eäG. (OVG Sachsen 29.06.2000)
Zweite Voraussetzung für eine eäG ist eine
Haushaltsgemeinschaft. Eine Ehe kann bestehen, ohne dass gemeinsam gewirtschaftet wird,
Quelle: flickr.com
„Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung
füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen
des anderen zu verfügen“ (§ 7 Abs. 3a SGB II)
Dritte Voraussetzung für eine eäG ist eine
Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Eine eäG liegt nur vor, wenn zwischen
den Partnern so enge Bindungen bestehen,
dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen
in den Not- und Wechselfällen des Lebens
erwartet werden kann. Eine solche Lebensgemeinschaft kann nur zwischen einem Mann
und einer Frau bestehen. Sie muss auf Dauer
angelegt sein, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen und sich
durch innere Bindungen auszeichnen, die ein
gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen
in einer reinen Haushalt- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. (siehe BVerfG
02.09.2004 – 1 BvR 1962/04)
In Bezug auf das damals anstehende SGB II
entschied das BVerfG am 9.11. 2004, Az 1 BvR
684/98: „Der Begriff der Ehe kann nicht in
dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass
er auch nichteheliche Lebensgemeinschaften
erfasst. Dies gilt auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern.“
Durch Hausdurchsuchungen ist in der Regel
keine eheähnliche Gemeinschaft feststellbar. Weder ein Doppelbett noch ein benutz-
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
tes Doppelbett und auch keine überzählige
Zahnbürste sind Beweise dafür. Die in der
Regel zwangsläufigen Hausdurchsuchungen
der Ämter, wenn Betroffene die Wohnung mit
einem anderen Bewohner teilen, entsprechen
nicht dem DATENSCHUTZ !
Besonders schwerwiegend sind die Folgen,
wenn ein Partner Kinder mit in die Beziehung
bringt und der andere Partner über ein höheres
Einkommen verfügt. Das BSG hat es für diese
Fälle als rechtens angesehen (B 14 AS 2/08 R
vom 13.11.2008), dass der Partner mit Einkommen nicht nur für seine (in diesem Fall) Partnerin finanziell aufzukommen hat, was auch
nicht strittig war, er muss auch die Kinder in
vollem Umfang mitversorgen! Das Gericht hat
den Partner nicht einmal die höheren Grenzen
des Unterhaltsrechts zugebilligt.
Solange der Partner freiwillig für die Kinder
der Partnerin aufkommt, ist das alles kein
Problem. Ist er jedoch nur bereit, finanziell
für die Partnerin, jedoch nicht für ihre Kinder
aufzukommen, hat die Mutter ein riesiges
Problem. Da die Mutter von der Arbeitslosenbehörde kein Geld erhält, ist sie auf die
Zahlungen des Partners angewiesen. Zahlt
er nicht, kann sie ihn nicht auf Unterhalt
verklagen! Im Unterhaltsrecht gibt es keine
Unterhaltspflicht für Stiefkinder, schon gar
nicht, wenn die Mutter nicht mit dem neuen
Partner verheiratet ist.
Das Gericht verlangt, dass die Mutter die Zuwendungen, die sie vom Partner erhält zuerst für
die Kinder verwendet. Wie unmöglich das ist,
soll ein Beispiel zeigen. Die Mutter erhält 164
Euro Kindergeld, sowie vom Partner für sich die
anteilige Miete von 200 Euro und 350 Euro,
insgesamt 714 Euro. Sie hat z.B. einen Sohn
von 15 Jahren. Sie müsste für den Sohn, nach
Ansicht des Gerichts, somit 387 Euro Unterhalt plus 200 Euro anteilige Miete, also 587
Euro, aufbringen. Von den restlichen 127 Euro
kann sie nicht leben, geschweige denn ihren
Mietanteil beisteuern. Bei zwei Kindern würde
das Geld nicht einmal für die Kinder reichen,
selbst wenn sie verhungern würde! Sie ist
somit gezwungen, den Unterhalt an den Sohn
zu kürzen, um selbst zu überleben. Tut sie das
jedoch, ist das eine Sorgerechtsverletzung und
ruft, wenn es bekannt wird, das Jugendamt auf
den Plan! Das kann dann dazu führen, dass ihr
das Kind weggenommen wird!
Es ist zwar fraglich, ob es zu solch einer
Situation kommen wird, denn diese Situation
11
wird unzweifelhaft zur Trennung führen. Das
BSG hat in seinem Urteil die Zahlungspflicht
des „Stiefvaters“ damit begründet, dass bei
ausreichendem Einkommen Kosten nicht auf
die Allgemeinheit abgewälzt werden könnten.
Die Folge, wenn der „Stiefvater“ nicht zahlt,
ist bei der Trennung, dass in deren Folge dieselbe Allgemeinheit nicht nur für die Kinder
aufkommen muss, sondern auch noch für die
Mutter, die vorher durch den Partner versorgt
wurde! Eine Milchmädchenrechnung!
Doch das ist nicht das Problem der Betroffenen.
Das Problem ist, dass es Alleinerziehenden, die
Alg II erhalten, unmöglich ist eine eäG einzugehen, wenn der Partner mehr verdient und
nicht mit jedem Cent für die Kinder eines Fremden aufkommen will. Das BSG sieht in dieser
Benachteiligung keine Verletzung des Grundgesetzes durch Art 2 Abs.1 „Jeder hat das Recht
auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und
nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung
oder das Sittengesetz verstößt.“ Da können
Alleinerziehende dann frei entfaltet verhungern oder ihre Kinder im Heim besuchen!
Jedoch wird wohl das Bundesverfassungsgericht diese Frage klären müssen.
ERLASS VON ANSPRÜCHEN
 Es gibt im SGB II einen Paragrafen, der den
Arbeitslosenbehörden das Recht einräumt,
auf Forderungen zu verzichten. Dass die
Betroffenen diesen Paragrafen nicht kennen,
verwundert nicht. Doch dass es scheinbar
keine Mitarbeiter gibt, die je davon gehört
haben, ist einfach nicht glaubwürdig.
Es handelt sich um den § 44, der nur aus
einem kurzen Satz besteht: „Veränderung
von Ansprüchen. Die Träger von Leistungen
nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des
Einzelfalles unbillig wäre.“
Eigentlich ist jede Kürzung der Regelsätze
unbillig, weil schon die Höhe der Regelsätze
menschenunwürdig ist, auch wenn das Bundessozialgericht anderes sagt. Das steht
jedoch auf einem anderen Blatt.
Es stellt sich die Frage, wann die Einziehung
von Ansprüchen unbillig sein kann. Das kann
auf Darlehen nach § 23 zutreffen. Deren Tilgung ist durch eine Aufrechnung in Höhe von
bis zu 10 Prozent des Regelsatzes vorgesehen.
Doch kann es sich ergeben, dass ein Darlehen
für Leistungen bewilligt wurde, die regelmäßig oder fortwährend auftreten. Z.B. mussten
Betroffene ihre Rechte auf Finanzierung des
Umgangsrechts (hohe Fahrtkosten) mit ihren
weit entfernt lebenden Kindern gerichtlich
durchsetzen. Ebenso bei schwerer Neurodermitis befürworteten Gerichte die Finanzierung
dieser ungewöhnlich hohen Kosten nach § 23,
also auf Darlehensbasis. Da die genannten Darlehen jedoch so regelmäßig auftreten und der
finanzielle Bedarf so hoch ist, dass es zu einer
Dauertilgung von der Regelleistung käme,
haben die Gerichte den Arbeitslosenbehörden
nahegelegt, auf die Einziehung der Ansprüche
nach § 44 SGB II zu verzichten.
Es kann auch sein, dass Betroffene ihren
defekten Kühlschrank auf Kredit durch
einen energiesparenden Kühlschrank ersetzt
haben. Danach gibt die Waschmaschine ihren
Geist auf und es wird ein Darlehen nach
§23 beantragt. Zusätzlich zur Kredittilgung
kann kaum noch das Darlehen zurückgezahlt
werden. Das wäre eine finanzielle Überforderung. Das können auch die Tilgung von Miet-
schulden beim Vermieter oder Stromschulden,
die Zahlung der Differenz von tatsächlicher
zu angemessener Miete aus dem Regelsatz
u.ä. sein. Kommt dann noch zusätzlich ein
Darlehen über § 23 zur Tilgung, kann die
Behörde die Ansprüche auf Rückzahlung des
Darlehens erlassen. Ebenso kann das auf
Kranke zutreffen, die zwar nicht so hohe
Kosten haben, wie bei dem Neurodermitisbeispiel, wo jedoch schon ein Betrag von 20
bis 30 Euro monatlich zusätzlich aufgebracht
werden muss. Alle diese Beispiele sollten in
besonderem Maße gelten, wenn Kinder mit in
der Bedarfsgemeinschaft leben.
Doch könnten die Behörden auch auf Ansprüche verzichten, wenn z.B. durch Arbeitsaufnahme, die der Betroffene umgehend gemeldet
hat, eine Überzahlung stattgefunden hat. Das
sind alles Möglichkeiten. Die Arbeitslosenbehörde wird wohl freiwillig nicht auf Leistungen verzichten. Jedoch haben sie die Pflicht,
ERMESSEN  auszuüben. Für diese Entscheidungsausübung müssen die Mitarbeiter jedoch
erst einmal einen Antrag auf den Erlass von
Ansprüchen auf den Tisch bekommen!
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
ERMESSEN
 Es gibt Paragraphen, die zwingen Sach-
bearbeiter genau so zu handeln, wie es im
Gesetzestext z.B: im § 31 SGB II steht: „Das
Arbeitslosengeld II wird... abgesenkt...“ Das
Wort „wird“ ebenso wie, bspw., das Wort
„soll“ geben den Mitarbeitern keinen Ermessensspielraum. Jedoch steht in vielen Paragraphen „kann“. Das bedeutet, der Mitarbeiter kann etwas bewilligen oder versagen.
§ 39 SGB I „Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben
sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck
der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens
besteht ein Anspruch.“
Der Sachbearbeiter hat kein Recht, entsprechende Anträge einfach abzulehnen. Es
entscheidet nicht die Tageslaune oder der
Sparzwang. Die Ausübung des Ermessens ist
gerichtlich überprüfbar – wenn die Betroffenen vor Gericht ziehen!
FOLGEANTRAG
gen neu eingereicht werden. Wenn sich nichts
verändert hat, müssen in der Regel auch keine
Nachweise dafür, dass sich nichts verändert
hat, vorgelegt werden. Lediglich beim Einkommen sind immer aktuelle Bescheinigungen mit
dem Folgeantrag abzugeben.
Wer zeitgleich mit dem Folgeantrag der
Arbeitslosenbehörde irgendwelche Änderungen melden muss, dem sei der Rat gegeben,
diese Änderungen nicht auf dem Folgeantrag
anzugeben! Dieser Rat hat nichts mit Betrug
zu tun. Es ist eine der leidigen Erfahrungen
seit Bestehen von Hartz IV, dass Änderungsmeldungen auf dem Folgeantrag oft die Bearbeitungszeit unverhältnismäßig verlängern.
Deshalb Änderungen entweder vor oder nach
der Antragstellung melden. Wer Änderungen
vor Antragstellung meldet (und wenn es nur
einen Tag vorher ist), braucht sie nicht noch
einmal im Folgeantrag zu melden. Auch wenn
die Mitarbeiter der JobCenter über diesen Rat
stocksauer sein dürften, so ist nicht dieser
Tipp zu beanstanden, sondern die Erfahrungen, die zu diesem Tipp geführt haben!
Leider hat die BA ihre Dienstanweisung geändert. Nun gibt es bei einem zu spät eingereichten Folgeantrag in der Regel kein Geld
rückwirkend. Diese Möglichkeit, dass der Erstantrag nachwirkt, war zu kundenfreundlich. Ob
die Gerichte diese neue Anweisung der BA als
rechtskonform ansehen werden, ist zweifelhaft. Man sollte jedoch möglichst vier Wochen
vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts den
Folgeantrag stellen, um Verzögerungen bei der
Weiterbewilligung zu vermeiden.
GEZ-GEBÜHREN
 Wer Alg II bezieht, hat in der Regel einen
Abb: ARCHIV
 Im Folgeantrag müssen nicht alle Unterla-
Anspruch auf die Befreiung von den GEZGebühren. Besonderheit: Im Gegensatz zu allen
anderen Anträgen gilt die Gebührenbefreiung
erst ab dem Folgemonat nach der Antragstellung! Man muss jetzt nicht mehr unbedingt
den beglaubigten Bescheid mit vielen darin
enthaltenen Daten, die die GEZ nichts angehen, einreichen. Zum Antragsformular gibt
es jetzt ein Formblatt, das die Arbeitslosenbehörde ausfüllen muss und in dem nur die
wenigen Daten enthalten sind, die die GEZ zur
Gebührenbefreiung benötigt.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
13
HAUSHALTSENERGIE
 Jede Regelleistung zur Sicherung des
In Berlin musste der rot-rote Senat erst mit
mehreren Gerichtsverfahren darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Energiepauschale im Regelsatz von über 27 Euro abgesenkt wurde und dass daraus resultierend auch
die einzelnen Pauschalen für Warmwasser und
zum Kochen gesunken sind. Jahrelang haben
die Arbeitslosenbehörden auf Weisung des
Senats noch immer 9 Euro für Warmwasser
abgezogen. Im Bild die Abzugspauschalen
nach der Regelsatzerhöhung zum 01.07.09.
Abzugspauschalen
Personengruppe
Energiepauschale Anteil für Warmwasser Anteil für Kochenergie
Bei Alleinstehenden,
Alleinerziehenden und
Haushaltvorständen
22,62 Euro
6,79 Euro
5,04 Euro
Partner in der BG
20,35 Euro
6,11 Euro
4,54 Euro
Kinder
von 0 bis 6 Jahren
13,55 Euro
4,07 Euro
3,02 Euro
Kinder
von 6 bis 14 Jahren
15,81 Euro
4,75 Euro
3,53 Euro
Jugendliche
von 14 bis 25 Jahren
18,08 Euro
5,43 Euro
4,03 Euro
Diese Abzüge dürfen nur vorgenommen werden,
wenn tatsächlich in den Mietkosten (dazu
zählen auch die Heizkosten) auch Kosten für
Kochen oder Warmwasser enthalten sind. Beispiel: Erna und Paul zahlen Miete. Ihre Wohnung wird durch Gasetagenheizung beheizt.
HAUSHALTSGEMEINSCHAFT
 § 9 Abs.5: „Leben Hilfebedürftige in Haushalts-
gemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen
und Vermögen erwartet werden kann.“
Diese Vermutung kann durch einfache schriftliche Erklärung, dass der Hartz-IV-Berechtigte
keine Leistungen von den Verwandten erhält,
widerlegt werden.
Zum Thema Haushaltsgemeinschaft hat sich
das Bundesverfassungsgericht schon mit
Beschluss vom 2.9.004 (1BvR 1962/04) wie
folgt geäußert:
„Bloße Mitglieder einer Wohngemeinschaft
gehören auch nicht zu der `Haushaltsgemeinschaft´ nach § 9 Abs.5 SGB II, denn diese Regelung erfasst nur Verwandte oder Verschwägerte
im Sinne der §§ 1589 f. BGB (vgl. BTDrucks
15/1516, S. 53). Aus diesen Gründen enthalten
die angegriffenen Regelungen keine Auskunfts-
pflichten über die persönlichen Verhältnisse
eines bloßen Mitbewohners. Insbesondere muss
der Hilfebedürftige keine derartigen Angaben zu
Mit- oder Untermietern machen. Für die Zwecke
der Grundsicherung für Arbeit reicht es aus,
wenn er den von ihm getragenen Mietanteil
benennt oder die Untermietzahlung als Einkommen angibt. Allerdings trägt er das rechtliche
Risiko, das sich ergeben kann, wenn entgegen
seinen Angaben doch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt.“
Quelle: flickr.com
Lebensunterhalts enthält auch eine Pauschale
für Haushaltsenergie. Bei der Regelleistung für
einen Alleinstehenden von 359 Euro beträgt
die Pauschale jetzt 22,62 Euro. Diese Summe
beinhaltet Energie für die Warmwasserbereitung, das Kochen und für elektrische Geräte
und Licht. Relevant wird dies, wenn irgendwelche Abzüge von Miete oder Heizkosten
vorgenommen werden. Beispiel: Bei Wohnungen mit Fern- oder Zentralheizung wird häufig
auch Warmwasser geliefert. Die Kosten für
Warmwasser sind somit in der Gesamtmiete
enthalten, welche die JobCenter übernehmen.
Damit der Teil für die Bereitung von Warmwasser nicht zweimal gezahlt wird (einmal in der
Regeleistung und einmal in der Miete), muss
die Warmwasserpauschale einmal abgezogen
werden. Das wird in der Regel bei der Miete
getan.
Mit Gas wird auch das Warmwasser bereitet
und gekocht. Bei ihnen sind zweimal 6,11 Euro
(12,22 Euro) für Warmwasser und zweimal 4,54
Euro (9,08 Euro) zum Kochen, gesamt also
21,30 Euro monatlich von den Abschlägen an
den Gasversorger abzuziehen.
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
JUGENDLICHE unter 25 (oder U 25)
 Mit der Begründung, dass zu viele Jugend-
Ziehen sie einfach aus der elterlichen Wohnung aus, wird ihnen keine Erstausstattung für
die Wohnung gewährt, sie erhalten keine Mietkosten ersetzt (und das bis zum 25. Geburtstag), und sie erhalten immer den seit 01.07.06
um damals 69 Euro gekürzten Regelsatz eines
Minderjährigen (seit 01.07.09 287 Euro). Im
äußersten Fall erhält ein 18-Jähriger, der ohne
Erlaubnis auszieht, volle sieben Jahre keinen
Cent Miete. Auch nicht die Miete oder den
Mietanteil, der bisher in der Elternwohnung
übernommen wurde! Ob nicht zumindest der
Mietanteil, der in der elterlichen Wohnung
übernommen wurde, gezahlt werden muss, hat
anscheinend noch kein Gericht entscheiden
müssen, weil die jungen Erwachsenen dies
wohl noch nicht eingeklagt haben.
Jedoch gibt es auch Möglichkeiten, legal
auszuziehen.
§ 22 Abs. 2a „... Der kommunale Träger ist zur
Zusicherung verpflichtet, wenn
1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern
oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung
in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3. ein sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund
vorliegt.“
Schwerwiegende soziale Gründe können sein:
unüberbrückbare Differenzen mit den Eltern,
Suchterkrankungen der Eltern (SG Nürnberg vom
2.11.06 – S 19 AS 811/06 ER) wie auch der
Jugendlichen selbst,
wenn Eltern die Jugendlichen vor die Tür
setzen,
unzumutbare räumliche Unterbringung (SG
Berlin vom 9.11.2007 – S 37 AS 8402/06)
fortgesetzte Gängelei und Herabsetzung (VG
Meiningen vom 27.4.2006 – 8 K 807/05 ME, SG
Dortmund vom 5.10.2006 – S 48 AS 34/06 ER)
Kein eigenes Zimmer zu haben, kann auch ein
Grund zum Auszug sein.
Foto: uk
liche wegen des Bezugs von Hartz IV aus der
elterlichen Wohnung ausgezogen seien und
dies Missbrauch von Sozialleistungen wäre,
wurden die Gesetze gegen die U 25 verschärft.
Zahlen für diesen angeblichen Missbrauch
wurden nie vorgelegt. Außerdem hatten sie bis
2006 das Recht auszuziehen. Sein Recht wahrzunehmen, ist kein Missbrauch. Jeder Steuerzahlende darf so viel steuerlich mindernd geltend machen, wie das Steuerrecht hergibt. Das
ist kein Missbrauch. Nur bei den Armen wird
es als Missbrauch bezeichnet, wenn sie ihre
Rechte wahrnehmen. Deshalb dürfen die U 25
seit März 2006 nicht mehr ohne ausdrückliche
Erlaubnis des JobCenters umziehen.
An die schwerwiegenden sozialen Gründe nach
§ 22 Abs. 2a SGB II dürfen jedoch keine überzogenen Ansprüche gestellt werden. Denn diese
Gründe knüpfen an den gleich lautenden § 64
Abs.1 SGB III an. Zu diesem Paragrafen hat das
BSG schon am 02.06.2004 – B 7 AL 38/03 R
festgestellt, dass die Vorschrift über Kürzungen
existenzsichernder Leistungen massiv in die
Lebensführung junger Volljähriger eingreift,
weil die von hilfebedürftigen Eltern geforderte
Einstandspflicht in drastischem Gegensatz zur
Situation nicht hilfebedürftiger Eltern steht.
Zur Vermeidung einer überzogenen Haftung
armer Eltern sind daher die Ausführungen des
BSG auch für die Auslegung nach § 22 Abs.2a
Satz 2 Nr.1 SGB II heranzuziehen (LSG Hamburg
vom 2.5.2006 – L 5 B 160/06 AS ER) Danach
gelten folgende Maßstäbe:
Schwerwiegende soziale Gründe können
sowohl aus Sicht des jungen Volljährigen als
auch aus Sicht der Eltern vorliegen. Auf ein
Verschulden des jungen Volljährigen kommt
es nicht an. Störungen im Eltern-Kind-Verhältnis sind schwerwiegend, wenn eine Besserung nicht zu erwarten ist.
Liegen keine Anhaltspunkte für einen Auszug
zur Erlangung höherer Alg-II-Ansprüche vor,
ist die auf der Basis erheblicher persönlicher
Differenzen in der Vergangenheit begründete
übereinstimmende Erkenntnis von Eltern und
jungem Volljährigen, dass ein weiteres Zusammenleben nicht möglich sei, zu respektieren.
Dies trägt dem verfassungsrechtlichen Vorrecht
der elterlichen Erziehung (Art. 6 Abs.2 GG) und
dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen (Art.
2 Abs. 1 GG) Rechnung, so das BSG.
Die Einschaltung des Jugendamts ist keine Voraussetzung für die Anerkennung schwerer sozialer Gründe. Solche Hilfeangebote können nicht
einmal vom JobCenter erzwungen werden.
Es kann sogar von einer Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Jugendlichen
„aus wichtigem Grund nicht zumutbar war,
die Zusicherung einzuholen.“ (§ 22 Abs. 2a
Nr. 3 SGB II)
Wer genau liest, wird bemerkt haben, dass
immer vom Umzug geschrieben wird, nicht
vom Auszug aus der elterlichen Wohnung.
Vom Gesetzestext her soll jeder junge Erwachsene, der noch nicht 25 Jahre ist, vor jedem
UMZUG  die Erlaubnis des JobCenters einholen.
Doch so war das im Gesetzgebungsverfahren
nicht vorgesehen. In der Gesetzesbegründung steht, dass die Ursache angeblicher
hoher Kosten von Hartz IV unter anderem
der Erstbezug einer eigenen Wohnung junger
Erwachsener sei. Doch der „Erstbezug“ aus
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
der Gesetzesbegründung verwandelt sich
einfach in einen Paragrafen, der alle Umzüge
der U 25 ohne Genehmigung verbieten will.
Aufgrund der Gesetzesbegründung ist dieses
Umzugsverbot für junge Erwachsene, die eine
Wohnung haben, nicht durchzusetzen. Ebenso
nicht genehmigungspflichtig ist:
1. der Umzug von einem Elternteil zum anderen,
2. der Auszug der Eltern unter „Zurücklassung“
des Jugendlichen,
3. der Auszug junger Verheirateter,
4. der Auszug der U 25, die schwanger sind oder
ein Kind bis zu sechs Jahren betreuen.
Wie zu sehen ist, gibt es viele Gründe, einen
Auszug zu genehmigen. Ich kenne jedoch nicht
einen Umzugsantrag der U 25, den die Arbeitslosenbehörden von sich aus genehmigt haben!
Wenn, dann musste die Erlaubnis erst über ein
Gerichtsverfahren erzwungen werden.
Selbstverständlich darf z.B. ein junger
Erwachsener, der im elterlichen Haushalt lebt
und seinen Lebensunterhalt selbst verdient,
ohne Erlaubnis ausziehen! Ebenso bedarf es
keiner Genehmigung, wenn die Eltern den
Jugendlichen vor die Tür setzen.
Doch selbst Obdachlosigkeit der jungen
Erwachsenen ist für die Behörde scheinbar
kein Grund, die Kosten für eine Wohnung
zu übernehmen. Auch diese Jugendlichen
wurden auf das Elternhaus verwiesen. Eigentlich sollen die JobCenter Obdachlosigkeit
verhindern bzw. beenden! Eigentlich!
Wenn Kosten mit dem Umzug verbunden sind,
muss deren Übernahme vor dem Umzug beantragt werden. Auch in den Fällen, in denen
eine Umzugserlaubnis nicht eingeholt werden
muss. Mit einer Wohnung sind in der Regel
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eine Kaution, die Mietkostenübernahmebescheinigung und die Erstausstattung verbunden. Die müssen wie bei jedem anderen AlgII-Bezieher vorher beantragt werden.
Wer gern im „Hotel Mama“ bleiben möchte,
soll das tun, sich von Mama bekochen, seine
Wäsche waschen, sein Zimmer aufräumen
lassen, kurz, immer schön am Rockzipfel
von Mama hängen. So haben die JobCenter
Euch gern: abhängig und billig! Toll! Wer
gute Gründe hat, von zu Hause auszuziehen,
der sollte auch bereit sein, für sein Recht zu
kämpfen. Da die JobCenter wohl kaum einen
Antrag auf Auszug genehmigen, ehe sie von
den Gerichten dazu gezwungen werden, stellt
Euch darauf ein, und lasst Euch nicht mit
einem gekürzten Regelsatz und der Weigerung,
die Miete zu zahlen, von den JobCentern in
die Schuldenfalle treiben.
KLASSENFAHRTEN
 Eine der wenigen einmaligen Beihilfen; die
den Betroffenen mit Einführung von Hartz IV
geblieben sind, sind die mehrtägigen Klassenfahrten (§ 23 Abs.3 Satz 1 Nr. 3) im Rahmen
der schulrechtlichen Bestimmungen. Schulfonds oder andere Zuschüsse der Schulbehörde
sind vorrangig zu beantragen. Bisher sind zwei
Möglichkeiten bekannt, wie Sozialbehörden
rechtswidrig gegen diese Anträge vorgehen:
1. Sie bezweifeln, dass die beantragte Klassenfahrt den schulrechtlichen Bestimmungen entspricht und lehnen den Antrag ab.
2. Sie pauschalieren die beantragte Summe
und zahlen nur einen Teil der Kosten.
Zu 1. Festzulegen, was den schulrechtlichen
Bestimmungen entspricht, obliegt der Schule
bzw. der Schulbehörde, jedoch nicht den
Arbeitslosenbehörden. Wenn also die Schule
bekannt gibt, dass sie eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen
Bestimmungen macht, dann hat die Arbeitslosenbehörde das so zu akzeptieren.
Zu 2. Einige JobCenter fühlen sich berufen, die Kosten als willkürlich begrenzten
Zuschuss zu übernehmen, teilweise übernehmen sie dann ganz großzügig die restliche
Summe, auf der sie die Betroffenen sitzen
lassen, als rückzahlbares Darlehen. Beides
ist rechtswidrig! Mehrtägige Klassenfahrten
sind von Kürzungen durch Pauschalen ausgenommen, im Gegensatz zu den anderen einmaligen Beihilfen.
Die Übernahme darf auch nicht abgelehnt
werden, weil nur ein Teil der Klasse (z.B. bei
Projektfahrten) fährt oder die Fahrt ins Ausland geht oder zum Ende der Schulzeit stattfindet. Zu den Fahrtkosten gehören auch
während der Reise entstehende Kosten wie
Eintrittsgelder, Leihgebühren usw. Den Klassenfahrten gleichgestellt können auch mehrtägige Fahrten eines Kindergartens sein.
Lediglich das Taschengeld ist von den Eltern
aus der Regelleistung zu übernehmen.
Das Bundessozialgericht hat Ende 2008 zu
diesem Thema unter dem Aktenzeichen B 14
AS 36/07 R die ALG-II-Behörde verpflichtet,
die vollen Kosten der Klassenfahrt zu übernehmen. Damit hat sich hoffentlich auch die
rechtswidrige Praxis der Berliner Arbeitslosenbehörden erledigt.
Wurde schon für eine Klassenfahrt bezahlt,
weil das JobCenter den Antrag abgelehnt
oder gekürzt hat, kann ein ÜBERPRÜFUNGSANTRAG  gestellt und das Geld zurückgefordert werden.
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
MEHRBEDARF
 Mehrbedarfszuschläge gibt es für bestimm-
te Behinderte, für Schwangere, für Alleinerziehende und Kranke mit besonderen Diäten.
Mehrbedarf in Höhe von 35 Prozent (Tabelle
unten) für Behinderte (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 SGB
II): Den gibt es leider nur, wenn Sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX, sowie sonstige Hilfen zur Erlangung
eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben
oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1
Satz 1 Nrn. 1-3 SGB XII von einem öffentlich-rechtlichen Träger nach § 6 Abs. 1 SGB
IX tatsächlich erhalten. – Die BA verweigert
Behinderten diesen Mehrbedarf neuerdings,
wenn Erhalt oder Erlangen eines Arbeitsplatzes nur über Mobilitätshilfen, Beratung oder
Vermittlung gefördert wird.
Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent für behinderte Sozialgeldbezieher (& 28 Abs. 1 Nr. 4
SGB II), die einen entsprechenden Ausweis mit
dem Merkzeichen G haben. Kindern unter 15
Jahren wird dieser Zuschlag jetzt ganz verweigert, da er angeblich volle Erwerbsminderung
voraussetzt und Schulkinder dem Arbeitsmarkt
sowieso nicht zur Verfügung stünden.
Beide neuen Anweisungen widersprechen den
bestehenden Gesetzen, die sich nicht geändert
haben und bis heute keine solche Einschränkungen vorsehen. Den Betroffenen bleibt auch
hier nur die Möglichkeit, gegen die Verweigerung des Mehrbedarfs mit WIDERSPRUCH 
und KLAGE  vorzugehen.
Mehrbedarf bei Alleinstehenden
Prozent vom Regelsatz 351 Euro
Regelsatz
bis 30.06.2009
12 %
42 Euro
60 Euro
17 %
35 %
123 Euro
36 %
126 Euro
Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent für
Schwangere ab der 13. Schwangerschaftswoche (§ 21 Abs. 1 Nr.2 SGBII): Mehrbedarfszuschläge richten sich prozentual nach der Höhe
der Regelleistung nach § 20 SGB II. Da diese
verschieden hoch sein können, ergeben sich
auch prozentual verschieden hohe Zuschläge.
Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von
12-60 Prozent (§ 21 Abs.1 Nr.3 SGB II)
1. in Höhe von 36 Prozent, wenn sie mit einem
Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder
drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben (129,24 Euro)
2. in Höhe von 43,08 Euro für
jedes Kind, wenn sich dadurch
Regelsatz 359 Euro
ein höherer Prozentsatz als nach
ab 01.07.2009
Nr.1 ergibt. Höchstens jedoch 60
43 Euro
Prozent (215,40 Euro) der Regel61 Euro
leistung.
126 Euro
129 Euro
Ernährungsbedingter Mehrbedarf
Seit Jahrzehnten richteten sich die Ämter bei
diesem Mehrbedarf mehr oder weniger nach den
Empfehlungen des Deutschen Vereins (DV). In
den letzten Jahren unterliefen die Ämter diese
Vorgaben und beriefen sich teilweise auf den
„Begutachtungsleitfaden“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, der, man ahnt es,
eine „Schmalspurdiät“ verteidigt. Nun ist der
Deutsche Verein „eingeknickt“. Nach seinen
Empfehlungen ist nun in der Regel für Vollkost
und deren spezielle Formen kein Mehrbedarf
mehr erforderlich.
Es reicht nicht mehr, verzehrende (konsumierende) Erkrankungen wie z.B. Krebs, HIV/AIDS,
Multiple Sklerose, Morbus Chrohn oder Colitis
ulcerosa zu haben; sozusagen „ein bisschen
Krebs“ reicht nicht. Jetzt wird nur bei erheblichen körperlichen Auswirkungen, schweren
Verläufen oder gestörter Nährstoffausnahme
zugebilligt, dass eventuell im Einzelfall ein
erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen kann! Das
heißt, dass jemand mit „fortschreitendem/fortgeschrittenen Krebsleiden“ mit den Ämtern um
die Anerkennung als Einzelfall kämpfen muss,
wenn er einen Mehrbedarf haben will. Das dürfte
mit ziemlicher Sicherheit fast ausschließlich
vor Gericht landen, sollten diese Schwerkranken
nebenbei noch dafür überflüssige Kräfte haben.
Jetzt wissen wir wieder einmal, weshalb sich
das Ganze „Fürsorgesystem“ nennt!
Für solch „einfache“ Krankheiten wie z.B.
Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfettwerte),
Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im
Blut), Gicht, Hypertonie (Bluthochdruck),
kardiale und renale Ödeme, Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit Typ I und II), Zwölffingerdarmgeschwür, Magengeschwür, Neurodermitis,
Leberinsuffizienz, denen bisher ein Mehrbedarf
zwischen 25 und 35 Euro zugebilligt wurde, „...
ist in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter
Ernährungsaufwand zu verneinen.“ (O-Ton DV)
abschließend. Wenn für andere, nicht aufgeführte Erkrankungen (z.B. Rheuma, Allergien)
ein erhöhter Ernährungsbedarf besteht, ist ein
Antrag an die Behörde zu jeder Zeit möglich.
Die kann sich nicht darauf berufen, dass die
Krankheit nicht in den Empfehlungen des DV
enthalten ist.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil
vom 27.02.2008 (B 14 7b AS 64/06) den Amtsermittlungsgrundsatz betont, der die Behörde
im Einzelfall verpflichtet, selbst
den Sachverhalt zu ermitteln
Art der
Krankenkost
KrankenErkrankung
kostzulage (§ 20 SGB X) und auch die für
Betroffene günstigen Umstände
Nierenversagen
Eiweißdefinierte Kost 36 Euro
zu berücksichtigen, sowie die EinNierenversagen mit
holung medizinischer und/oder
Hämodialysebehandlung Dialysekost
72 Euro
ernährungswissenschaftlicher
Stellungnahmen und Gutachten.
Zöliakie/Sprue
Glutenfreie Kost
72 Euro
(§ 21 SGBX)
In den Durchführungshinweisen zu § 21 ist
für folgende Krankheiten ein Mehrbedarf vorgesehen:
Der Höhe nach sind Abweichungen in besonders gelagerten
Einzelfällen möglich.
Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf für
kostenaufwendige Ernährung ist bei folgenden verzehrenden Krankheiten in der Regel
nur bei schweren Verläufen oder dem Vorliegen besonderer Umstände zu bejahen:
36 Euro monatlich bei Colitis ulcerosa, HIV/
AIDS, Krebs (bösartiger Tumor), Leberversagen, Morbus Crohn, Multipler Sklerose.
Es ist den Kranken jedoch zu
empfehlen, möglichst selbst die erhöhten
Kosten für die Ernährung nachzuweisen. Vielleicht helfen hier die Ernährungsberater von
Krankenkassen, entsprechenden Vereinen oder
Selbsthilfegruppen. Denn es ist zu befürchten,
dass „unabhängige“ Gutachter, wenn sie denn
eingeschaltet werden, gern die Meinung der
Auftraggeber vertreten.
Im Text wird immer wieder von beispielhaften
Aufzählungen (z.B.) der Krankheiten ausgegangen. Das heißt, nur für diese Krankheiten
gibt es diese Empfehlungen. Sie sind nicht
Auf jeden Fall haben die neuen Empfehlungen
zwei Dinge erreicht: Einsparungen in Millionenhöhe und eine weitere Beschäftigung der
Sozialgerichte!
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
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MIETE – KOSTEN DER UNTERKUNFT
 „Laufende Leistungen für die Unterkunft
und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht...“ (§ 22 Abs. 1. Satz
1 SGB II). Dieser Satz gilt für alle, die Hartz
IV erstmals beantragen. Egal, wie hoch die
Miete ist, die Arbeitslosenbehörde muss sie
in voller Höhe übernehmen, wenn der Antragsteller „bedürftig“ ist. Ausnahmen gibt es für
die Kosten von Garagen, Kabelgebühren u.ä.,
wenn sie aus dem Mietvertrag herausgenommen werden können. Sind sie Bestandteil des
Mietvertrags, ohne dass man auf diese Leistungen verzichten kann, müssen sie in der Regel
auch übernommen werden. Da in diesem Paragraphen nicht von Miete, sondern von Kosten
der Unterkunft geschrieben wird, zählen dazu
u.a. auch Kosten für Untermiete, Eigenheime,
Stellplatzkosten für einen Wohnwagen (LSG
Berlin-Brandenburg vom 12.10.2007), reale
Unterbringungskosten bei Dritten, Kosten
einer Obdachlosenunterkunft, einer Pension,
eines Hotels, einer Gartenlaube (LSG BerlinBrandenburg vom 8.3.2006 – L 19 B 42/06 AS
ER), auch die Wohnkosten in einem besetzten
Haus. Also alle Kosten, die nachweislich für
eine Unterkunft erbracht werden.
heit anders festlegen. Von dieser Möglichkeit
haben die Verantwortlichen auch sehr willkürlich Gebrauch gemacht, unter der Prämisse
„Hauptsache billig“ wurden Mietobergrenzen
festgelegt, die keiner gerichtlichen Überprüfung standhielten.
Die Angemessenheit richtet sich nach dem
Wohnstandard, insbesondere der Wohnfläche,
bare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage
die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist.“ (BVerwG 28.04.05
– 5 C 15/04) Der örtliche Mietspiegel kann in
diesem Sinne eine gute Vorlage sein. Berlin
z.B. hat einen detaillierten Mietspiegel. Und
was macht der Berliner Senat?
Übrigens gelten bei Gartenlauben und Wohnwagen, die nicht gemietet, sondern Eigentum
sind, die gleichen Bestimmungen wie bei
Eigenheimen. Kosten für Wasser, Müllabfuhr,
Reparaturen, Pacht des Grundstücks usw.
müssen als Kosten der Unterkunft in der Regel
übernommen werden.
Foto: Dario
Voraussetzung für die Übernahme der Kosten
der Unterkunft ist in der Regel die tatsächliche Zahlung, nicht die Vorlage irgendeines
Vertrages. Wer z.B. keinen Vertrag hat, jedoch
durch Kontoauszüge nachweisen kann, dass
Überweisungen für eine Unterkunft getätigt
werden, hat in der Regel auch Anspruch auf
Übernahme der Kosten.
Der oben erwähnte Satz des §22 wird jedoch
mit der Hinzufügung „...soweit diese angemessen sind“ beendet. Das heißt, dass es da
Beschränkungen gibt. Diese Beschränkungen treten jedoch nicht sofort in Kraft. Die
Arbeitslosenbehörde, die verpflichtet ist, die
Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe
zu übernehmen, kann einem Alg-II-Bezieher
mitteilen, dass sie seine Miete für unangemessen hoch hält und ihn zur Senkung der
Mietkosten mit einer Fristsetzung auffordern.
Die Kosten können durch Untervermietung,
UMZUG  oder durch eigene Zahlung von
Teilen der Miete gesenkt werden.
Doch was ist angemessen? Für diesen Begriff
gibt es keine feste Summe. Jedes Bundesland, jede Kommune kann die Angemessen-
die den Betroffenen zugestanden wird, den
Mietpreisen des Wohnungsmarktes und der
persönlichen Situation des Erwerbsfähigen und
seiner Bedarfs-oder Haushaltsgemeinschaft.
Der Wohnstandard für Alg II-Bezieher richtet
sich immer nach dem Wohnstandard am Ort.
Wer in Dörfern oder Kleinstädten wohnt, in
denen viele Wohnungen noch mit Ofenheizung
und ohne Bad sind, kann auch nicht mehr
verlangen. Wer jedoch in Gegenden wohnt,
wo ein hoher Prozentsatz der Wohnungen mit
Zentralheizung und Bad ausgestattet ist, wird
schwerlich auf den kleinen Teil der Wohnungen ohne Bad verwiesen werden können.
Die zugebilligte Wohnungsgröße soll sich an
den Richtwerten der Wohngeldtabelle orientieren (z.B. 45-50 Quadratmeter für eine Person).
Die Tabelle erhält man bei jedem Wohnungsamt.
„Bei der Beurteilung der Angemessenheit der
Mietaufwendungen... sind die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als
auf die im unteren Bereich der für vergleich-
Er legt eine Einheitsmietobergrenze pro Person
fest, ohne den Mietspiegel, ohne auch nur die
geringste Aussage treffen zu können, wie viele
Wohnungen für Bezieher nach SGB II und XII
in diesen Preislagen tatsächlich zur Verfügung
stehen. Genau diese Vorgehensweise hat das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
nicht gemeint. Für diese Praxis haben wir ja
auch einen „rot-roten“ Senat.
Maßgeblich soll im Prinzip der Quadratmeterpreis mal den zulässigen Quadratmetern sein.
Innerhalb dieser Grenzen ist es einem Alg-IIBezieher möglich zu variieren. Z.B. ist Grundlage ein Quadratmeterpreis von sechs Euro und
eine Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern,
so entspricht dies einer Miethöchstgrenze von
300 Euro. Es kann eine knapp 43 qm große
Wohnung, jedoch mit Balkon und/oder Fahrstuhl, für sieben Euro pro Quadratmeter gemietet werden. Es kann aber auch, weil ein größeres Platzbedürfnis besteht, eine Wohnung mit
60 Quadratmetern und einem Quadratmeterpreis von fünf Euro gemietet werden. Wichtig
ist, dass die 300 Euro Miethöchstgrenze nicht
überschritten werden.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
Der persönlichen Situation entsprechend
können Betroffenen auch größere Wohnungen
zugebilligt werden, insbesondere bei:
Pflegebedürftigkeit,
Behinderten (z.B. Rollstuhlfahrer),
Schwangeren,
Alleinerziehenden,
Selbstständigen (Büro, Werkstatt, Arbeitszimmer),
häufigen und regelmäßigen Besuchen der leiblichen Kinder mit längerem Aufenthalt (SG
Magdeburg, Urteil vom 28.10.2005 – S 28 AS
383/05),
Haushalt mit Angehörigen der BG mit bedarfsdeckendem Einkommen (SG Oldenburg, Beschluss
vom 31.10.2005 – S 47 AS 256/05 ER).
Bei Alleinerziehenden zeichnet sich ab, dass
ihnen mehr Wohnraum zugestanden werden
kann als Paarhaushalten. Das BSG hat in seinem
Urteil (18.06.2008 B 14/7b AS 44/06 R) nochmals einer Alleinerziehenden mehr Wohnraum
zugebilligt. Ebenso hat das LSG Berlin-Brandenburg (29.07.2008 L 14 B 248/08 AS ER)
einer Mutter mit Kind einen um 10 Prozent
höheren Richtwert eines Zwei-Personen-Haushaltes zugesprochen.
Zusätzlich zur angemessenen Miete geht es
jedoch auch um angemessene Heizkosten. Hier
sind die Versuche der Arbeitslosenbehörden,
Heizkosten pauschal bei einer meist willkürli-
feuchter Wände, zu kalten Hausfluren, Erdgeschoss- oder Dachwohnungen, ungedämmte
Wohnungen, teure Heizungsarten (Strom),
aber auch zusätzlicher Wärmebedarf von
Kleinkindern, alten oder kranken Menschen,
müssen berücksichtigt werden. Auch wenn
sich die Heizkosten wegen eines besonders
kalten Winter erhöht haben.
Bei Kohleheizung gibt es z.B. in Berlin eine
Begrenzung der Bewilligung nach Zentnern
und Personenzahl und nicht nach Quadratmetern. Betroffene können, wenn der Kohlenvorrat zur Neige geht, zusätzliches „Kohlengeld“ beantragen. Hier hat auch wieder
eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Es muss,
insbesondere bei den oben genannten besonderen Umständen, nachbewilligt werden.
Kein Betroffener darf auf eine ungeheizte
Wohnung verwiesen werden.
chen Summe zu begrenzen, dank der Gerichte
kläglich gescheitert. Durchschnittswerte
berechtigen die Arbeitslosenbehörden nicht,
die tatsächlichen Heizkosten zu verweigern
oder zukünftige Heizkostennachzahlungen
abzulehnen. Tenor vieler Gerichte ist: Höhere
Kosten sind zu übernehmen, bis das Amt die
Ursache der Kostenerhöhung ermittelt hat (SG
Kassel vom 9.3.2005 – S 21 AS 11/05 ER).
Dabei ist immer der Einzelfall zu prüfen. Hohe
Heizkosten wegen zusätzlicher Außenwände,
In Berlin wurden die Mietobergrenze für EinPersonen-Haushalte von 360 Euro auf 378
Euro zum 01.03.2009 erhöht. Wenn der neue
Mietspiegel (ca. Sommer 2009) erstellt ist,
wollte der Senat die Mietobergrenzen für ALGII- und Sozialhilfebezieher überprüfen. Das ist
bis heute nicht geschehen.
Foto: cs
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
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MITWIRKUNGSPFLICHTEN
 Fast jeder Alg-II-Bezieher wurde wohl schon
auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen.
In der Regel werden Forderungen nach irgendwelchen Unterlagen mit dem Hinweis auf die
Mitwirkungspflichten versehen. Immer wieder
überschreiten die Behörden ihre Kompetenzen und fordern Unterlagen, die sie nichts
angehen oder deren Erbringung unmöglich
ist. Ob es die Einkommensbescheinigungen
irgendwelcher WG-Mitglieder sind oder die
Bescheinigung, dass kein Einkommen erzielt
wird, es sind dies alles Blüten hyperaktiver
Datensammler bei den Arbeitslosenbehörden.
Nur die Sterbeurkunde der Urgroßmutter samt
Totenschein haben die Behörden wohl noch
nicht verlangt.
Doch ehe wir uns hier mit den Pflichten der
Betroffenen befassen, sehen wir uns die
Pflichten der Behörde an:
Quelle: Archiv
§20 SGB X Untersuchungsgrundsatz
SGB I § 60 Angaben von Tatsachen
„(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und
Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen
und an die Beweisanträge der Beteiligten ist
sie nicht gebunden.
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält,
hat
1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des
zuständigen Leistungsträgers der Erteilung
der erforderlichen Auskünfte durch Dritte
zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für
die Leistung erheblich sind oder über die im
Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen
abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers
Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.“
erwarten ist, dass sie seine Erwerbs- und
Vermittlungsfähigkeit auf Dauer fördern oder
erhalten werden.
§ 61 verpflichtet zum persönlichen Erscheinen, wenn die Behörde dies fordert.
Diese Paragrafen sind den Mitarbeitern weitgehend geläufig. Was von den Arbeitslosenbehörden scheinbar völlig ignoriert wird, sind
die gesetzlichen Grenzen der Mitwirkungspflichten. Die stehen gleich unter den Pflichten, im § 65 SGB I.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall
bedeutsamen, auch die für die Beteiligten
günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme
von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren
Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb
verweigern, weil sie die Erklärung oder den
Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.“
Wenn der Betroffene angibt, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, dann haben die Mitarbeiter den Sachverhalt selbst zu ermitteln,
wenn sie daran Zweifel haben, anstatt von
dem Betroffenen unsinnige und unmögliche
Nachweise der „Nichterwerbstätigkeit“ zu
verlangen. Davon, dass die Mitarbeiter auch
die für Betroffene günstigen Umstände zu
berücksichtigen haben, dürften oder wollen
diese oft nichts wissen.
Doch kommen wir zu dem, was die Behörden
von den Betroffenen verlangen dürfen.
§ 62 verpflichtet zu ärztlichen und psychologischen Untersuchungen, soweit diese für die
Entscheidung über Leistungen erforderlich
sind.
§63 verpflichtet, sich einer Heilbehandlung
zu unterziehen, wenn dadurch eine Besserung
herbeigeführt oder eine Verschlechterung
verhindert wird.
§ 64 verpflichtet zur Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn zu
Der Inhalt der §§ 60 bis 64 ist verkürzt wiedergegeben.
§ 60 Abs. 1 schreibt vor, dass die Angaben
für die Leistung ERHEBLICH sein müssen. Die
Adresse des Vermieters ist unerheblich. Seine
Bankverbindung auch. DATENSCHUTZ  Ausnahme; die Miete wird direkt an den Vermieter überwiesen. Daten der Eltern sind unerheblich, wenn kein Unterhalt gezahlt wird
usw. Damit besteht auch keine Pflicht, diese
Angaben zu machen.
(1) „Die Mitwirkungspflichten nach § 60 bis
64 bestehen nicht, soweit
1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht
oder
2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem
wichtigen Grund nicht zugemutet werden
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
kann oder
3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
sind im Rahmen der Amtshilfe (§§ 3-7 SGB X)
zur Auskunft verpflichtet.
2) Behandlungen und Untersuchungen
1. bei denen im Einzelfall ein Schaden für
Leben oder Gesundheit nicht nur mit hoher
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
kann,
2. die mit erheblichen Schmerzen verbunden
sind oder
3. die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten, können
abgelehnt werden.
§ 67a Aufwendungsersatz
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem
Leistungsberechtigten oder ihnen nahe stehende Personen die Gefahr zuziehen würde,
wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert
werden.“
Mit einem geringeren Aufwand kann sich der
Mitarbeiter die Kenntnis z.B. des Bezugs von
Kindergeld oder von Unterhaltsvorschuss
per Telefon (mit Erlaubnis des Betroffenen)
beschaffen. Auch die Bescheinigung bei
Einkommensbeziehern, dass kein Wohngeld
gezahlt wird, kann auf diese Weise zur Kenntnis gelangen, anstatt die Betroffenen durch
sämtliche Behörden zu hetzen. Die Mitarbeiter sollten bei solchen und ähnlichen Anliegen
aufgefordert werden, sich ihre Erkenntnisse
selbst zu beschaffen. Die anderen Behörden
„(1) Wer einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach den §§ 61 oder 62 nachkommt, kann auf Antrag Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls in
angemessenem Umfang erhalten....“ Das heißt:
Werden Unterlagen verlangt, deren Beschaffung Geld kostet z.B. eine Bescheinigung, ein
ärztliches Attest, Kostenvoranschläge usw.,
muss die Behörde die Kosten übernehmen,
wenn dies VORHER beantragt wird.
§ 66 Folgen fehlender Mitwirkung
Kommt jemand seinen Mitwirkungspflichten
nicht nach und erschwert er damit die Aufklärung eines Sachverhalts ERHEBLICH und
können dadurch die Voraussetzungen für
eine Leistung nicht ermittelt werden, kann
die Behörde die Leistung ganz oder teilweise
versagen. Hat jemand z.B. den Nachweis für
den Unterhaltsvorschuss nicht erbracht, kann
die Leistung auch nur bis zur Höhe dieser
Summe gekürzt werden, nicht die komplette
Zahlung. Das wäre unverhältnismäßig.
„(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender
Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden,
nachdem der Leistungsberechtigte auf diese
Folgen schriftlich hingewiesen worden ist
und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb
einer ihm gesetzten Frist nachgekommen ist.“
Immer muss vorher eine angemessene Frist
gesetzt werden und SCHRIFTLICH auf die Kürzung hingewiesen werden. Liegt eine Fristversäumnis nicht im Verschulden des Betroffenen
z.B. weil der Arbeitgeber den Gehaltsnachweis nicht ausstellt, darf die Leistung nicht
gekürzt oder versagt werden. Natürlich muss
die Behörde vom Betroffenen darüber unterrichtet werden.
§ 67 „Wird die Mitwirkungspflicht nachgeholt
und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor,
kann der Leistungsträger Sozialleistungen,
die er nach § 66 versagt oder entzogen hat,
nachträglich ganz oder teilweise erbringen.“
Das Wort „kann“ sagt aus, dass die Mitarbeiter
nach eigenem ERMESSEN  handeln dürfen.
Bei Beziehern nach dem SGB II und SGB XII
handelt es sich in der Regel um die Beseitigung von Notlagen. Damit gibt es keinen
Ermessensspielraum. Die Leistung muss daher
bei nachgeholter Mitwirkung nachgezahlt
werden!
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Ratgeberausgabe 2009
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NEBENKOSTENABRECHNUNG
 Aus der Nebenkostenabrechnung entste-
hende Nachzahlungen gehören zu den Kosten
der Unterkunft nach § 22 SGB II und müssen
von der Arbeitslosenbehörde übernommen
werden. (SG Hannover 03.03.2005 – S 51 SO
75/05 ER; SG Lüneburg 15.03.05 S 23 S 75/05
ER) Sie sind kein in der Regelleistung enthaltener Bedarf, der als Darlehen nach § 23 Abs. 1
vergeben wird! Die berechtigte Nachforderung
an Nebenkosten muss die Arbeitslosenbehörde
übernehmen. Dabei ist es unwichtig, ob der
Abrechnungszeitraum vor oder im Bezug von
Alg II liegt. Wichtig ist, dass die Forderung
während des Bezugs von Alg II entsteht. Liegt
die Forderung nach dem Bezug von Alg II, ist
nicht mehr das JobCenter zuständig.
Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen
mindern die Unterkunftskosten im Folgemonat um diese Summe.
Foto: flickr.com
ACHTUNG! FÜR ALLE MIETER WICHTIG! Eine
Betriebskostenabrechnung muss nur beglichen werden, wenn sie innerhalb von zwölf
Monaten nach dem Abrechnungszeitraum eingegangen ist. Danach sind Nachforderungen
unwirksam. Wer eine eigentlich unwirksame
Nachforderung bezahlt hat, kann sie nach
einem Urteil des BGH vom 18.01.2006 – VIII
ZR 94/05 bis zu drei Jahre zurückfordern.
ORTSABWESENHEIT
 Ortsabwesenheit besteht, wenn ein Bezie-
her von Regelleistungen nach dem SGB II
werktags ohne Erlaubnis der Arbeitslosenbehörde länger als 24 Stunden seinen Briefkasten im Stich lässt. Ausnahmen davon
gelten für die Wochenenden und Feiertage.
Ebenfalls darf man sich per Antrag für 21
Kalendertage (!) Urlaub genehmigen lassen
(möglichst schriftlich).
Schon allein die Erreichbarkeit daran festzumachen, dass der Betroffene persönlich
„an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm
benannten Anschrift durch Briefpost vom
Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende
erreicht werden kann“ macht den Zwangscharakter der EAO klar. Als gäbe es kein Telefon,
Fax, Handy und kein Internet. Das Bestehen
darauf, dass die Betroffenen täglich persönlich ihren Briefkasten besuchen müssen (BSG
09.02.06), könnte man als weltfremd sehen,
wenn es nicht einen so schönen Sanktionstatbestand liefern würde!
Was würde es schaden, wenn ein Nachbar täglich den Briefkasten leert und bei Bedarf den
Betroffenen anruft? Vielleicht sogar per Handy.
Schlachtentscheidend wäre doch eigentlich,
dass der Betroffene unverzüglich handelt. Es
würde ausreichen, wenn
Sanktionen bei selbst
verschuldeten Verzögerungen einsetzen. Doch
dann hätte hat man
die Leute nicht mehr so
schön am Gängelband.
ACHTUNG! Wer ortsabwesend „erwischt“ wird, verliert rückwirkend für diese
Zeit seinen Anspruch
auf Alg II. Für auf dem
ersten Arbeitsmarkt sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte gilt dies
nicht.
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strassen|feger
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RECHTSSCHUTZ
 Jeder Betroffene hat
das Recht, sich gegen
falsche Bescheide, egal, ob
es sich um den laufenden Bezug, einmalige
Beihilfen oder Aufhebungs- oder Erstattungsbescheide handelt, zu wehren. Nur wenige
Betroffene jedoch wehren sich. Dazu sind verschiedene Voraussetzungen nötig: ein abgeschlossenes Jurastudium – na gut, war ein
Scherz. Doch Fakt ist, dass sich nur wenige
Betroffene in den unübersichtlichen, teilweise
widersprüchlichen und sich ständig ändernden
komplexen Gesetzestexten des SGB II auch nur
ansatzweise auskennen. Hinzu kommen die
Durchführungshinweise der BA, aber auch die
Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Betroffene
dürften eigentlich nie auf die Richtigkeit der
Bescheide vertrauen! Dazu müssen die Betroffenen noch den Mut und die Kraft haben, sich
mit Widersprüchen und Klagen auseinander zu
setzen.
Wege zum zum Recht
Nur wenige Betroffene bemerken
Fehler im Bescheid. Von ihnen
legt nur ein kleiner Teil Widerspruch ein. Die Hürde zur Klage
schaffen dann noch einmal weniger Betroffene, weil sie Angst
haben, sich mit den Arbeitslosenbehörden anzulegen, weil sie
nicht an einen Sieg glauben oder
weil ihnen einfach die Kraft dafür
fehlt. Hinzu kommen von den
Gerichten abgelehnte Beratungsoder Prozesskostenhilfe und die
Suche nach einem Anwalt, der
vom SGB II mehr als nur eine
Ahnung hat.
Frage der Zeit, dass dieses Argument keinen
Gesetzgeber mehr von solchen Ungerechtigkeiten abhält. Nutzen wir also die Rechte,
solange wir sie noch haben!
Wer sich wehren will, der sollte nicht sofort an
Klage und Gericht denken. Nicht immer ist es
sinnvoll, gleich mit Widersprüchen und Klagen
zu arbeiten. Manchmal schafft der „kurze Weg“
auch in kurzer Zeit ein akzeptables Ergebnis.
Der Instanzenweg ist der aufwendigere, längere
und belastendere Weg. Es ist nicht selten, dass
es verschiedene Beanstandungen zu beseitigen
gilt. Dazu mehrere Gerichtsverfahren anzufangen, während es zumindest den Versuch wert
ist, die Dinge mit einem Gespräch oder einem
kurzen Schreiben zu klären, wäre unsinnig.
Auch besteht die Gefahr, wenn man nur verbissen über die Gerichte verhandelt, irgendwann eine Frist zu versäumen, den Überblick
zu verlieren oder unter der hohen Belastung
zusammenzubrechen. Damit ist niemandem
geholfen außer den Arbeitslosenbehörden,
denn ihre teils willkürlichen Bescheide werden
dann rechtskräftig.
Gespräch und/oder Widerspruch
Wurde bei einem Bescheid eindeutig etwas vergessen, z.B. die Heizkosten, sollte auf jeden
Fall versucht werden, die Sache persönlich zu
klären. Manchmal hilft allein schon der Vorgesetzte gegen das „Vergessen“ oder auch, weil
der ein paar Stunden Schulung mehr hatte als
der Sachbearbeiter. Leider gibt es JobCenter,
die sich gegen den Besuch der Betroffenen
wie Banken gegen Räuber absichern. Mit jeder
Menge Sicherheitspersonal, das den direkten
Kontakt möglichst verhindern soll. Wenn außer
in Notfällen nur noch langfristige Termine vergeben werden, können Betroffene nur noch mit
einem kurzen Schreiben auf Fehler hinweisen.
Keinesfalls sollte die Monatsfrist für den Widerspruch aus den Augen verloren werden.
Zum Rechtsschutz gehören u.a. der Widerspruch, der Überprüfungsantrag nach § 44
SGB X, die einstweilige Anordnung, die Klage und u.U. die
Berufung.
ACHTUNG!!
Wer ohne Anwalt vor Gericht
zieht, sollte beachten, dass
bei Klagen u.ä. Änderungen
eingetreten sind. Es wird nicht
mehr davon ausgegangen, dass
der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft (an den auch die
Bescheide gerichtet sind) automatisch bei Gericht auch die
anderen Mitglieder vertritt.
Wird bei Klagen, Einstweiligem
Rechtsschutz o.ä. für mehrere
Personen vor Gericht gezogen,
muss jede betroffene Person
namentlich aufgeführt werden.
Weitere Sanktionen und Einschränkungen werden folgen.
Seit Jahren arbeiten die Regierungen daran, für Sozialgerichte
Gebühren einzuführen. Bisher
haben in erster Linie die Richter mit dem Verweis auf die Verfassung Gebühren verhindern
können. Jedoch ist es nur eine
Standbild eines Ritters mit gezücktem Richtschwert. Rolandsfiguren wurden im Mittelalter als
Zeichen bürgerlicher Unabhängigkeit, der Eigenständigkeit der Stadt und damit der Freiheit
errichtet. Die hier abgebildete über fünf Meter hohe Statue, eine Kopie des Roland von Brandenburg aus dem 15. Jahrhundert, steht vor dem Berliner Märkischen Museum.
Quelle: wikipedia
Dennoch brechen die Sozialgerichte trotz zahlreicher neuer
Richterstellen unter der Klageflut
fast zusammen. Jährlich steigen
die Zahlen der Akten. Um vorauszusehen, dass die Zahlen noch
weiter steigen, muss man kein
Prophet sein. Allein die Änderungen der Durchführungshinweise
zum MEHRBEDARF  für Ernährung und für Behinderte führen
zu weiteren Prozessen.
Klagt eine BG mit zwei Kindern (z.B. wegen Mietkosten),
kann in der Klage zum Beispiel
geschrieben werden: „... klagen
wir, Fritz und Erna Müller, auch
als gesetzliche Vertreter unserer
Kinder Laura und Egon Müller...“
Alle Volljährigen, die die Klage
betrifft, müssen sie auch unterschreiben.
Für Alleinstehende ändert sich
deshalb nichts. Ebenso verhält
es sich, wenn es sich um Leistungen für nur ein Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft
handelt
– z.B. bei Sanktionen nach § 31
oder Mehrbedarf.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
23
Beratungs- und Prozesskostenhilfe (PKH)
 Alg-II-Bezieher, die Zweifel haben, ob ihr
Bescheid richtig ist, können ihn bei einer
Sozialberatungsstelle überprüfen lassen. Sie
können auch beim zuständigen Gericht einen
Beratungsschein beantragen. Voraussetzungen
dazu sind, dass sie keine Rechtsschutzversicherung oder andere Mitgliedschaften haben,
die solche Kosten übernehmen, und dass sie
Vermögen nur innerhalb der Sozialhilfegrenzen
besitzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden
(I BvR 1517/08), dass die Praxis der Ablehnung
von Beratungshilfekosten durch die Sozialgerichte mit dem Verweis auf behördliche Beratung des SGB II-Leistungsträgers verfassungs-
widrig ist. Es ist zumindest zu hoffen, dass
sich die verfassungswidrige Praxis der Gerichte
damit erledigt hat. Wo das nicht der Fall ist,
sollte auf das Urteil verwiesen werden.
Mit dem Beratungsschein kann ein Anwalt
(möglichst ein Fachanwalt für Sozialrecht mit
SGB-II-Kenntnissen) den Bescheid prüfen und
ggf. Widerspruch einlegen. Der Anwalt kann
10 Euro Selbstbeteiligung von seinem Klienten
verlangen, muss es aber nicht.
Für die Klageerhebung durch einen Anwalt
benötigen Betroffene Prozesskostenhilfe. Die
kann der Anwalt, der schon den Beratungsschein erhielt, beantragen oder der Betroffene
beim Gericht. Die Voraussetzungen sind auch
hier wie oben beschrieben und betreffen auch
die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Liegen die
Voraussetzungen vor, ist der Anwalt kostenlos.
Wird Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil angeblich keine Aussicht auf Erfolg besteht, kann
gegen diese Entscheidung geklagt werden.
Also wird praktisch ein Prozess um die Prozesskostenhilfe geführt. Das „vereinfacht“ die
Sache für Betroffene natürlich ungemein.
Widerspruch
 In der Regel richtet sich ein Widerspruch
gegen einen Bescheid. Dieser Bescheid muss
nicht zwingend schriftlich sein. Auch eine
mündliche Ablehnung kann ein Verwaltungsakt, also ein Bescheid sein. Bei schriftlichen
Bescheiden, die im Briefkasten landen, beginnt
die Widerspruchsfrist von einem Monat erst mit
dem Tag, an dem die Post eingegangen ist. Sie
kann in Extremfällen mehrere Wochen nach
der Datierung des Bescheids erfolgen. Deshalb
sollte der Erhalt immer notiert werden (Briefumschlag aufheben). „...im Zweifel hat die
Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und
den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.“
§ 37 Abs.2 SGB X.
Nicht selten erfahren Betroffene durch Zufall,
dass ihr Bescheid falsch sein könnte. Ist die
Widerspruchsfrist fast um, sollte nicht erst
nach einer Beratungsstelle oder einem Anwalt
gesucht werden. Wer in Zeitnot ist, kann an
Stelle der Begründung schreiben: „Die Begründung des Widerspruchs wird nachgereicht.“
Dann sollte die Begründung jedoch auch nachgeholt werden, spätestens, wenn man sich
schlau gemacht hat.
ist zur Protokollierung
verpflichtet. (§ 84 Abs.
1 Satz 1 SGG, Sozialgerichtsgesetz) Auf jeden
Fall sollte das Geschriebene dann sorgfältig
überprüft werden, ehe
es unterschrieben wird.
Die Kopie für sich selbst
nicht vergessen! Jedoch
ist dieses Vorgehen nur
für Betroffene, die sich
gut auskennen, geeignet.
Enthält der Bescheid eine
Widerspruchsbelehrung,
muss der Widerspruch
innerhalb eines Monats
bei der Behörde eingegangen sein. Ohne Widerspruchsbelehrung beträgt
die Frist ein Jahr. Jedoch
ist es in der Regel wenig
sinnvoll, solche Fristen
auszuschöpfen.
Der Widerspruch kann jedoch auch mündlich
beim SGB-II-Träger vorgebracht werden. Der
Aufschiebende Wirkung
 In der heutigen Sozialhilfe haben Wider-
sprüche noch immer aufschiebende Wirkung.
In der früheren Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe galt das auch. „Aufschiebende
Wirkung“ bedeutet, dass die Behörde, die
mit einem Bescheid etwas durchsetzen will
(z.B. eine Kürzung der Regelleistung), durch
Widerspruch und Klage daran gehindert wird.
Das Amt muss sein Anliegen aufschieben, bis
der Rechtsstreit beendet ist.
Bei Hartz-IV-Beziehern entfällt die aufschiebende Wirkung bei Widersprüchen und Klagen
gegen einen Bescheid, der eine bereits bewilligte Leistung entzieht oder kürzt (§ 39 SGB
II). Natürlich nur aus reiner Fürsorgepflicht
werden den Betroffenen immer mehr Rechte
genommen: Sie müssen erst einmal wissen,
dass es die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gibt, um sie dann zusammen
mit dem Widerspruch beantragen zu können.
Wer nicht warten kann, sollte sofort beim
Sozialgericht einen einstweiligen Rechtsschutz auf Anordnung bzw. zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Ist doch klar, weiß doch jeder – oder
etwa doch nicht? Auch hierfür ist wieder ein
Anwalt anzuraten.
24
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
Einstweilige Anordnung
 Neben dem Widerspruch und der Klage gibt
es bei dringenden Notlagen den einstweiligen
Rechtsschutz (ER), auch einstweilige Anordnung (EA) genannt , die man nur beantragen
kann, „...wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint...“ Zuerst muss
in der Regel der Widerspruch eingereicht sein,
dann kann eine EA beantragt werden. Der ER
ist ein Eilverfahren. Es kann z.B. beantragt
werden, wenn
• trotz Mittellosigkeit kein Alg II gezahlt
wird,
• ohne Krankenversicherung dringend ein Arzt
aufgesucht werden muss,
• dringend benötigte Dinge (z.B. ein Bett) bei
Erstausstattung verweigert werden,
• wegen Mietrückständen die fristlose Kündigung drohen könnte,
• Stromsperre droht.
Leider lassen auch die massenhaften Eilverfahren noch keine klare Richtung erkennen,
wo die Bagatellgrenze liegt. Das Hessische
LSG (Beschluss vom 7.11.2005 – L 9 AS 66/05
ER) hält 1,38 Euro Monatsbetrag für zu gering
für die Eilbedürftigkeit; das LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 10.2.2006 – L 9
AS 1/06 ER) hält selbst 8,14 Euro je Monat
noch für zu gering. Kann jedoch im Eilverfahren abschließend entschieden werden, so kann
der Betrag auch geringer sein.
Wie beim Widerspruch kann man auch bei den
Sozialgerichten seine Anträge in der Rechtsantragsstelle zur Niederschrift geben. Voraussetzung für den Antrag auf eine EA ist in der Regel
der Widerspruch. Erst Widerspruch einlegen,
dann EA beantragen! Zu beachten ist auch,
dass eine EA nicht das Hauptsacheverfahren
ersetzt; deshalb muss in der Regel, unabhängig
von der beantragten EA, auf den Widerspruchsbescheid reagiert werden. Ist der ablehnend,
muss neben der EA innerhalb eines Monats
Klage beim Gericht erhoben werden! Die EA
versucht im Prinzip, das zu erwartende Ergebnis der Klage vorwegzunehmen. Das Hauptverfahren ist in der Regel aber die Klage.
Klage
 Es gibt verschiedene Arten von Klagen. Die
Anfechtungsklage, die Feststellungsklage, die
Leistungsklage und die Verpflichtungsklage.
Für den Kläger ist es nicht wichtig, diese
einordnen und benennen zu können. Das ist
Sache der Gerichte, zumal eine Klage oftmals
verschiedene dieser Klagearten enthält.
In der Regel kommt es nach einem halben
bis zwei Jahren zu einer Verhandlung. Jedoch
können Richter auch ohne Verhandlung entscheiden. Man kann eine mündliche Verhandlung beantragen. Hat man dann noch wichtige
Tatsachen oder Ansichten vorzutragen, sollte
man darauf achten, dass sie auch ins Protokoll
der Verhandlung aufgenommen werden.
Oft enden Prozesse mit einem Vergleich. Richter streben diese Form der Erledigung eines
Prozesses gern an, weil er ihnen weniger Arbeit
macht als die ausführliche Begründung eines
Urteils. Ohne Anwalt ist es oft schwierig zu
beurteilen, ob es richtiger ist, sich auf einen
Vergleich einzulassen
oder auf ein Urteil,
in der Hoffnung, dass
es positiv ausfällt, zu
bestehen. Man sollte
sich auf einen Vergleich nur einlassen,
wenn man während
der Verhandlung den
Eindruck
gewinnt,
dass man nicht mehr
erreichen kann. Wer
jedoch ein positives
Urteil erreicht hat,
sollte es bitte an
[email protected] schicken.
Wer eine EA ohne Hilfe eines Anwalts beantragen will, sollte mit möglichst vielen Unterlagen seine Angaben belegen können. Es
ist wenig sinnvoll, eine EA anzustreben und
dann die Richter zu zwingen, wegen wichtiger
Unterlagen mit zusätzlichem Schriftverkehr
die Zeit unnötig zu vertrödeln. Personalausweis, Alg-II-Bescheid (falls vorhanden), der
letzte Kontoauszug (falls es ein Konto gibt)
und eine Kopie des Widerspruchs sind die Mindestausstattung, mit der man bei Gericht auftauchen sollte – bei einfachen Fällen. Eidesstattliche Versicherungen von Personen, die
etwas bezeugen können, was man selbst nicht
mit Unterlagen beweisen kann, sind sinnvoll.
Auch wenn die Sozialgerichte gehalten sind,
keine überspannten Anforderungen an die
Glaubhaftmachung der EA zu stellen, sollte
dies Betroffene nicht verleiten, vorhandene
erforderliche Unterlagen nicht vorzulegen.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
25
Untätigkeitsklage
 Während Alg-II-Bezieher sofort zu sprin-
gen haben, wenn die Arbeitslosenbehörde
pfeift, darf diese sich per Gesetz erst einmal
sechs Monate Zeit lassen, um einen Antrag zu
bearbeiten, ehe ein Betroffener das Gericht
mit einer Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 1 SGG)
bemühen darf.
Monate zur Bearbeitung
ausnutzen.
Erfolgt danach keine
Reaktion, dann sollte die
Untätigkeitsklage aber auch
tatsächlich eingereicht werden. Diese Zeit zu
warten, haben jedoch die wenigsten Betroffenen.
nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit
Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.“
nehmen und einen neuen, richtigen Bescheid
auszustellen. Sozialleistungen werden dann
rückwirkend bis zu einem Zeitraum von vier
Jahren erbracht (Abs. 4). Dabei ist es unerheblich, ob die Behörde den Fehler selbst
entdeckt hat (leider absolute Ausnahmefälle),
oder ob sie von einem Betroffenen dazu aufgefordert wird, den Bescheid zu überprüfen.
Foto: Peter Woelck
Bei Widersprüchen muss die Behörde „ganz
fix“ sein. Sie hat dann nur drei Monate für die
Bearbeitung Zeit, um Untätigkeitsklagen zu
verhindern. In der Regel sollte man sich schon
vorher um seine Angelegenheiten kümmern.
Es ist auch wenig sinnvoll, auf diesen Klageweg zu vertrauen. Solche Klagen, wenn sie
sich nicht während des Klageverfahrens durch
„Tätigkeit“ der Behörde erledigen, dauern
schon mal ein bis zwei Jahre. Behörden sollte
unter Fristsetzung mit einer Untätigkeitsklage
gedroht werden, wenn sie die drei bzw. sechs
Überprüfungsantrag
 Wer einen Bescheid erhalten hat und auf
dessen Richtigkeit vertraut und deshalb keinen
WIDERSPRUCH  eingelegt hat, für den gibt
es noch die Möglichkeit, einen Überprüfungsantrag zu stellen. Oft stellt sich in Gesprächen
unter Betroffenen heraus, dass es verschiedene
Bescheide bei gleichen Voraussetzungen gibt.
Z.B. wird einer Alleinerziehenden ein MEHRBEDARF  zuerkannt, und die andere alleinerziehende Mutter geht leer aus.
Ist ein Bescheid älter als ein Monat, kann
dagegen kein Widerspruch eingelegt werden.
Das SGB X sieht jedoch die Möglichkeit vor,
einen Überprüfungsantrag zu stellen: „§ 44
Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes. Soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt
oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und
soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht
nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch
Das heißt: Hat eine Behörde einen Fehler
gemacht und dadurch einen Betroffenen in
einem Bescheid (Verwaltungsakt) benachteiligt, hat sie den falschen Bescheid zurückzu-
Allgemeine Rechtsberatung
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Bei Bedürftigkeit wird von der Rechtsanwältin ein Beratungsschein beantragt.
Bitte entsprechende Nachweise mitbringen (z. B. ALG-II-Bescheid)!
26
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
SOFORTANGEBOTE
 Auch wenn die Bezeichnung „Sofortange-
bote“ die Vorstellung erweckt, sie würden
„sofort“ erfolgen, ist dem nicht so. Zumindest, wenn wir von den Paragrafen des SGB II
ausgehen. Und eben darum geht es; um das,
was die Paragrafen aussagen.
Der Begriff „Sofortangebote“ wurde nicht als
Spitzname von den Betroffenen erfunden,
sondern von den politisch Verantwortlichen
bewusst gewählt und als besonders schnelle
„Hilfsangebote“
gepriesen.
Praktische
Anwendung erfahren sie im Wortsinn immer
wieder von den Mitarbeitern der Arbeitslosenbehörden. Will ein Antragsteller seinen
Erstantrag auf ALG II stellen, wird teilweise
versucht, die Antragstellung damit zu verhindern, dass erst bestimmte „Angebote“
abgearbeitet werden sollen. In der Regel
sind es irgendwelche Ein-Euro-Jobs, die
die Betroffenen antreten sollen. Manchmal
wird die Antragsannahme völlig verweigert,
manchmal wird die Bearbeitung des Antrags
erst in Aussicht gestellt, wenn der Betroffene die Bedingungen der „Sofortangebote“
erfüllt hat. Beides ist gesetzwidrig.
Sehen wir uns die Gesetze an: „Sofortangebote“ sind in § 3 Abs. 2 und § 15a im SGB
II vorgesehen. § 3 bezieht sich auf Jugendliche unter 25 Jahre (U 25). „Erwerbsfähige
Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, sind unverzüglich nach
Antragstellung auf Leistungen nach diesem
Buch in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine
Arbeitsgelegenheit zu vermitteln...“
„§ 15a Sofortangebot. Erwerbsfähige Personen, die innerhalb der letzten zwei Jahre
laufende Geldleistungen, die zur Sicherung
des Lebensunterhalts dienen, weder nach
diesem Buch noch nach dem Dritten Buch
bezogen haben, sollen bei der Beantragung
von Leistungen nach diesem Buch unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
angeboten werden.“ Dieser Paragraf gilt für
Erwachsene über 25.
In § 3 heißt es „nach Antragstellung“ und in
§ 15a „bei Antragstellung“. Erst ist der Antrag
zu stellen und dann sind „unverzüglich“ die
betreffenden Angebote zu unterbreiten. Die
BA hat im August 2008 eine neue Weisung
herausgegeben, in der angeordnet wird, dass
den U 25 VOR oder innerhalb einer Woche nach
Antragstellung eine Erstberatung mit Profiling
und Feststellung der Betreuungsstufe überverholfen werden soll. Die U 25 sollen dann
innerhalb von drei Wochen eine EGV abschließen, und danach soll ihnen innerhalb von vier
Wochen eine Arbeit, Ausbildung, Ausbildungsvorbereitung, Weiterbildung oder Arbeitsgelegenheit „angeboten“ werden. Das sind in der
Regel Ein-Euro-Jobs oder Trainingsmaßnahmen. Solche Leistungen zur Eingliederung sind
in der Regel völlig sinnlose Maßnahmen und
dienen lediglich dem Zweck, „die Bereitschaft
des Hilfesuchenden zur Arbeitsaufnahme zu
prüfen“ (Begründung des Gesetzentwurfs).
ten kann eine Konzentration der Mittel auf
die wirklich Bedürftigen erreicht werden.“
Mit anderen Worten: Hochschulabsolventen, arbeitslos gewordene Minijobber oder
aus anderen prekären Arbeitsverhältnissen
Gekündigte, gescheiterte Selbstständige,
Frauen nach Erziehungsphasen oder in Frauenhäusern sind nicht bedürftig, wenn sie von
der Arbeitslosenbehörde Hilfen erwarten, die
ihrer individuellen Lebenslage entsprechen
und sie wirklich weiterbringen!
Ihnen auch nur eine Minute Zeit zu lassen,
selbst Arbeit zu suchen, bevor ihnen „irgendwas“ aufgezwungen wird, ist bei solchen
Ansichten nicht vorgesehen! Um es noch
einmal deutlich zu machen: Mit diesen meist
unsinnigen Zwangsmaßnahmen verfällt der
Antrag auf Alg II nicht! Die Verweigerung
der Antragsannahme ist gesetzwidrig! Auch
wenn die BA andere Anweisungen gibt. Noch
gelten die Gesetze. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Entgegennahme und Bearbeitung des Antrags trotz „Sofortangeboten“!
Bearbeitung heißt jedoch auch Zahlung
von Alg II, wenn die Vermögensfreigrenzen
nicht überschritten werden, oder wenn keine
zumutbare Arbeit vermittelt werden kann,
die bedarfsdeckend ist. Bei Ablehnung von
zumutbaren (!!!) „Sofortangeboten“ kann
höchstens die Leistung nach § 31 gekürzt
werden. Eine sofortige Streichung der Leistungen ist im Gesetz nicht vorgesehen!!!
Man kann das auch „Hilfe durch Abschrekkung“ nennen. Oder wie der SPD-Experte
Brandner formulierte: „Mit solchen Schrit-
UMZUG
 Jeder Alg-II-Bezieher hat das Recht umzu-
ziehen. Auch ohne die vorherige Erlaubnis
des JobCenters einzuholen. Im § 22 Abs. 2
SGB II steht zwar: „Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll der
erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung... für die neue Unterkunft einholen.“
Jedoch ist die Folge dieser „Sollvorschrift“
nicht, dass die Miete für die neue Wohnung
vom Amt einfach verweigert werden kann,
sondern dass das Amt eventuell Teile der
neuen Miete nicht übernehmen muss!
Auch darf in der Regel die neue Miete nicht
höher sein als die alte und vom Amt keine
Kosten, die mit dem Umzug zusammenhängen, beantragt werden. Wenn z.B. die erste
Nebenkostenabrechnung in der neuen Woh-
nung sehr hoch ist und sich herausstellt,
dass der Vermieter die Nebenkosten unverhältnismäßig niedrig angesetzt hat, um
eine geringere Miete vorzutäuschen, können
erhebliche Probleme mit der Übernahme der
Nebenkostennachzahlung und der daraus
entstehenden höheren Miete entstehen.
Problematisch kann auch der Umzug von
einem Bundesland ins andere sein. Die Miete
der alten Wohnung kann z.B. in Frankfurt im
angemessenen Rahmen liegen, die gleiche
Miete kann jedoch schon über den Grenzen der
für Berlin gültigen Angemessenheit liegen.
Deshalb ist anzuraten, die Zusicherung zur
Übernahme der Mietkosten beim JobCenter
einzuholen. Damit werden einfach diese Risi-
ken ausgeschlossen. Erteilt das Amt die Zusicherung, kann es auch Wohnungsbeschaffungskosten übernehmen.
Diese Einschränkungen gelten nicht für WGBewohner, Untermieter oder Bewohner von
Wohnwagen, Gartenlauben o.ä. Wollen diese
Menschen eine eigene Wohnung beziehen,
ist das ein vom JobCenter zu genehmigender
Umzug.
Ist ein Umzug erforderlich, sollte immer die
Einwilligung der Behörde eingeholt werden.
Dann gilt nicht die Höhe der alten Miete,
sondern die angemessene Miete als zu übernehmen. Auch werden dann mit dem Umzug
verbundene Kosten übernommen.
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
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Foto: Andreas Düllick
Ratgeberausgabe 2009
Erforderlich ist ein Umzug, wenn
• das JobCenter ihn durch eine Mietsenkungsaufforderung veranlasst hat,
• berufliche Gründe vorliegen; weiter
Anfahrtsweg, neuer Arbeitsplatz an einem
anderen Ort, wenn an einem anderen Ort eher
Arbeit gefunden werden kann,
• ein rechtskräftiges Räumungsurteil vorliegt,
• die Wohnung zu klein ist; unter 35 qm für
eine Person, (HessLSG vom 12.3.2007 – L 9
AS 260/06), 1,5 Zimmer (52qm) für Eltern
mit Kleinkind (LSG Berlin-Bandenburg vom
25.6.2007 – 10 B 854/07 AS ER),
• das Wohnumfeld unzumutbar ist, z.B. drohende Gewalt Dritter, erhebliche Verwahrlosung, Lärmbelästigung (LSG Berlin-Brandenburg 6.6.2007 – L 28 B 676/07 AS ER und
31.3.2008 – L 29 B 296/08 AS ER),
• Baumängel bestehen (z.B. Feuchtigkeit),
die der Vermieter nicht oder nicht in vertretbarer Zeit beseitigt,
• die Wohnung von Schimmel befallen ist,
der gesundheitsgefährdende Ausmaße hat.
Im Streitfall muss das Amt den Sachverhalt
klären (§ 20 SGB X Untersuchungsgrundsatz).
Es kann z.B. einen Mieterverein beauftragen
oder ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen und bezahlen (§21 SGB
X Beweismittel),
• bei Kohleöfen das Kohlenschleppen schwer
fällt,
• sanitäre Verhältnisse unzumutbar schlecht
sind (SG Berlin vom 4.11.2005 – S 37 AS
10013/05 ER),
• sich Eheleute oder Paare trennen
• oder zusammenziehen wollen...
Die Aufzählung ist nicht abschließend; es
können auch andere Gründe vorliegen.
Zu den notwendigen Umzugskosten gehören
z.B. Kosten für Umzugskartons, Transport,
Versicherungen, Benzin, LKW-Miete, Verpflegung der Umzugshelfer bei Selbsthilfeumzug. Wer zu alt oder zu krank ist oder keine
Umzugshelfer hat, bei dem können die Kosten
einer Spedition übernommen werden.
Weitere Wohnungsbeschaffungskosten:
• Zeitungsannoncen,
• Fahrtkosten,
• Maklergebühren,
• Übernahme von Doppelmieten, jedoch nur,
wenn sie nicht vermeidbar sind (z.B. bei
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strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
langer, intensiver Wohnungssuche oder notwendigen Renovierungsarbeiten),
• Renovierungen (sind nicht in der Regelleistung enthalten),
• Abstandszahlungen,
• Kosten für die Ummeldung Post/Telefon,
• Genossenschaftsanteile,
• Kautionen.
Einige Wohnungsbeschaffungskosten können
schon beim Antrag der Umzugsgenehmigung
bzw. nach der Mietkostensenkungsaufforderung durch das Amt beantragt werden, z.B.
Annoncen, Fahrtkosten, Abschlussrenovierungen, für die Ummeldung von Post und
Telefon, Genossenschaftsanteile und Kautionen, die Klärung, ob Umzugskosten nur in
Selbsthilfe oder durch eine Spedition übernommen werden.
Das Problem dabei ist, dass diese Anträge
sehr oft entweder nicht bearbeitet oder einfach abgelehnt werden. Ohne zu wissen, ob
die Kosten übernommen werden bzw. bei
Ablehnung der Kosten können sich Betroffene keine Wohnung suchen. Wobei die
Kosten für die Ummeldung von Post und
Telefon noch die geringsten Probleme sind.
Auch hier bleibt in der Regel nur der Gang
zum Gericht – wegen des Antrags auf EINSTWEILIGE ANORDNUNG .
Schon mit der Prüfung der Angemessenheit
der neuen Wohnung scheinen sich manche
Arbeitslosenbehörden so schwer zu tun, dass
es Wochen in Anspruch nimmt und die Woh-
Ratgeberausgabe 2009
nungen dann meist schon längst vergeben
sind. Wenn die Ämter dann gleichzeitig den
Umzugsgrund und die Wohnungsbeschaffungskosten prüfen, sind sie in der Regel
völlig überfordert. Nicht selten werden nur
die Mietkosten übernommen. Auf allen anderen Kosten bleiben die Betroffenen sitzen.
Entweder stürzen die sich dann in Schulden
oder sie können die neue Wohnung nicht
anmieten. Auch hier ist wieder EINSTWEILIGE
ANORDNUNG  möglich.
Eigentlich ist die Behörde zur Zusicherung
der Wohnungsbeschaffungskosten spätestens
dann verpflichtet, wenn sie die Übernahme
der Mietkosten zusichert und es ein erforderlicher Umzug ist oder der Umzug von ihr veranlasst wurde (LSG Berlin-Brandenburg vom
05.02.08 L 10 B 2193/07 AS ER).
Die Kaution ist bei Umzügen immer wieder ein
Problem. Sie soll übernommen werden, „wenn
der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig
ist und ohne die Zusicherung eine Unterkunft
in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.“ (§ 22 Abs. 3 Satz 2) Die
pauschale Verweigerung der Kaution durch die
Mitarbeiter ist rechtswidrig, wird aber gern
praktiziert, weil sie so erfolgreich und billig
ist. Auch der pauschale Hinweis, es gäbe genug
Wohnraum ohne Kaution, ist rechtswidrig. Die
Behörden haben zu prüfen, ob es genug Wohnungen zu Hartz-IV-Mieten gibt, ob genug
Wohnungen frei sind, ob diese überhaupt an
Alg-II-Bezieher vermietet werden und ob von
diesen genug Wohnungen ohne Kaution vermietet werden. Erst wenn alle diese Punkte positiv
sind, dürfte die Kaution verweigert werden. Für
verschuldete Wohnungssuchende verschärft
sich die Wohnungssuche durch die negative
Schufa-Auskunft nochmals, da sie deshalb oft
keine Wohnung bekommen. Für Berlin dürften
alle vier Punkte negativ zu beantworten sein.
Wird die Kaution übernommen, wird sie als
Darlehen nach § 22 Abs.3 gewährt. Darlehen
heißt in diesem Fall, dass sich die Arbeitslosenbehörde dem Vermieter gegenüber die
Kaution sichert. Ziehen die Alg-II-Bezieher
aus der Wohnung aus, geht die Kaution somit
direkt an das JobCenter zurück.
Darlehen heißt ausnahmsweise nicht, dass
Betroffene sie aus ihrer Regelleistung zurückzahlen müssen! Die Anwendung des § 23
Abs.1 ist rechtswidrig. Wer zu einem solchen
Darlehensvertrag veranlasst wurde, sollte ihn
sofort kündigen und die gezahlten Beträge
zurückfordern. Wird oder wurde das Darlehen
einfach von der Regelleistung einbehalten,
sollte gegen die Einbehaltung vorgegangen
werden. Wenn das nicht klappt, sollten die
Gerichte bemüht werden.
strassen|feger
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Ratgeberausgabe 2009
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VERPFLEGUNG
 Bereitgestellte Verpflegung in Kranken-
häusern, Schulen, Kitas usw., sowie der
Naturalunterhalt, den Eltern für über 25-jährige „Kinder“ zu Hause bereitstellen, dürfen
rückwirkend zum 1.1.2008 nicht mehr auf die
Regelleistung angerechnet werden. Wem seit
diesem Zeitpunkt doch Verpflegung angerechnet wurde, sollte sein Geld zurückfordern, entweder schriftlich formlos oder als
ÜBERPRÜFUNGSANTRAG :
Ab 01.01.09 gilt eine neue Berechnung von
bereitgestellter Verpflegung vom Arbeitgeber. Die Arbeitslosenverordnung wurde wie
folgt geändert: § 2 Abs. 5 „Bei der Berechnung des Einkommens ist der Wert der vom
Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung
mit täglich 1 Prozent der nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch maßgebenden
monatlichen Regelleistung anzusetzen. Wird
Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen auf
das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent und
auf das Mittag- und Abendessen Anteile von
je 40 Prozent des sich aus Satz 1 ergebenen
Betrages.“
Foto: Klaus Linke
Da es verschieden hohe Regelsätze gibt, sind
auch verschieden hohe Beträge anrechenbar.
Da kann es passieren, dass bei zwei Kollegen,
die dieselbe Vollverpflegung erhalten, völlig
verschiedene Summen täglich angerechnet
werden.
VORSCHUSS
 Oft werden die Betroffenen bei der ANTRAG-
STELLUNG  mit ihrem Antrag einfach wieder
nach Hause geschickt. Es geht hier um die, die
bei der Arbeitslosenbehörde ohne Geld aufschlagen, und wenn sie noch ein Konto haben,
da nichts drauf ist. Absolut nichts mehr zum
Leben zu haben, nennt man Mittellosigkeit.
– Gern werden auch diese Antragsteller ohne
weiteres wieder nach Hause geschickt.
Unbelastet von solchen Nebensächlichkeiten
wie dem § 17 SGB I, der vorschreibt: Die „Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise,
umfassend und zügig erhält...“ gammeln die
Arbeitslosenbehörden so vor sich hin. In der
Regel stehen Betroffene den völlig gleichgültigen Mitarbeitern hilflos gegenüber, ohne Geld
und ohne Rechtskenntnisse. Hier ist der Hin-
weis auf § 42 SGB I Abs.1 wichtig. „Besteht
ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde
nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der
zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen,
deren Höhe er nach pflichtgemäßem ERMESSEN* bestimmt. Er hat Vorschüsse nach Satz 1
zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt;
die Vorschusszahlung beginnt spätestens nach
Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang
des Antrags.“ Das heißt: Jeder Sachbearbeiter
ist verpflichtet, Berechtigten einen Vorschuss
zu zahlen, wenn diese ihn beantragen, insbesondere wenn sie vortragen, dass sie mittellos
sind und sofort Geld zum Überleben benötigen. Dies ist ein Antrag im Sinne des § 17 SGB
I. Das pflichtgemäße Ermessen erstreckt sich
hier auch nicht darauf, ob der Bearbeiter Lust
hat zu zahlen, sondern das Ermessen reduziert
sich hier auf Null, weil es bei Mittellosigkeit
keine Alternative zum sofortigen Vorschuss
gibt!
Weigert sich der Bearbeiter bei Mittellosigkeit, einen Vorschuss zu zahlen, sollte gleich
dessen Vorgesetzter angesprochen werden:
mit Verweis auf § 17 SGB I. Hat auch der
keine Lust, dem Gesetz zu folgen, ist es hilfreich, mit der Beantragung einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht zu drohen.
Geht der Vorgesetzte selbstherrlich nicht
darauf ein, bleibt nur der Gang zu Gericht.
Es ist rechtswidrig, doch wird es immer wieder
praktiziert, Betroffene auf Suppenküchen,
Tafeln o.ä. zu verweisen. Bei Bedürftigkeit der
Betroffenen gibt es noch einen Rechtsanspruch
auf Alg II und nicht den Verweis auf Suppenküchen und Tafeln. Ebenso ist ein Verweis auf
einen Bankkredit nicht zumutbar.
30
strassen|feger
Ihr Recht von A-Z
Ratgeberausgabe 2009
VORSORGE für das Alter
 Die sogenannte Riesterrente ist bis zum
jährlichen Höchstbetrag staatlicher Förderung (ab 2008 in Höhe von 2.100 Euro)
geschützt. Anderes zur Altersvorsorge angespartes Vermögen darf bestimmte Höchstgrenzen nicht überschreiten. Es muss so
angelegt werden, dass es nicht vor Erreichung des Rentenalters angegriffen werden
kann. Im August 2006 wurden diese Beträge
von 200 Euro auf 250 Euro pro Lebensjahr
erhöht. Der Höchstbetrag liegt jetzt bei
16.750 Euro für nach dem 31.12.1963 Geborene. Die Gesetzgeber feierten die Erhöhung
als weiteren „Fortschritt“ zur Absicherung
des Alters. Doch war dies kein Geschenk aus
irgendwelchen Sozialkassen! Die Zeche durften die Alg-II-Bezieher selbst zahlen. Ihnen
wurden im gleichen Zuge die Vermögensfreibeträge zur freien Verfügung von 200 Euro
auf 150 Euro gekürzt!
standards haben! Von welchem Lebensstandard ist denn hier eigentlich die Rede? Wenn
Minijobber keinen Ehe- oder Lebensgefährten
haben, dann ist ihr Lebensstandard Hartz IV!
Mit sinkenden Reallöhnen ist für immer mehr
Erwerbstätige der Lebensstandard Hartz IV!
kein zusätzliches Einkommen für sie, sondern
genau dieses Geld steckt sich Vater Staat in
die Tasche, indem es angerechnet wird. Die
private Altersvorsorge mindert die Sozialleistungen! Pech gehabt! Bist du arm, bleibst
du arm. Dafür sorgen schon die Gesetze.
Was passiert denn mit der Altersvorsorge,
wenn Hungerlöhner, Minijobber, Alg-IIBezieher und andere Arme in Rente gehen?
In der Regel wird ihre Rente weit unter dem
Existenzminimum liegen. Also fallen sie mit
Rentenbeginn entweder in die Sozialhilfe
oder die Grundsicherung im Alter. Dann ist
ihre sauer angesparte Altersvorsorge jedoch
Jeder, der nicht zu den Besserverdienenden
zählt, sollte es sich ernsthaft überlegen, ob es
für ihn wirklich sinnvoll ist, sein Einkommen
mit irgendwelcher Altersvorsorge zu mindern.
Abgesehen von der Gefahr, sein Geld an windige Betrüger zu verlieren, wird das Risiko, mit
sinkenden Renten allein für den Staat gespart
zu haben, immer größer.
Immer wieder wird den Leuten gebetsmühlenartig vorgekaut, dass sie für ihr Alter
vorsorgen müssen, um ihre Rente damit aufbessern zu können. Sogar Minijobber werden
dazu ermutigt, von ihren Minilöhnen für das
Alter vorzusorgen. Schließlich sollen sie ja
keine allzu großen Einbußen ihres Lebens-
Foto: Peter Woelck
strassen|feger
SERVICE
Ratgeberausgabe 2009
31
LITERATURHINWEISE
Leitfaden Alg II/Sozialhilfe von A-Z
Stand 01.10.2008, 10 Euro inklusive Versandkosten, Bestellung unter 1)
Kommentar: DER betroffenenorientierte
Ratgeber für den Alltag mit der Arbeitslosenbehörde. Verständlich und so einfach wie
möglich geschrieben und für jeden Laien und
Neuling empfehlenswert.
Leitfaden zum Arbeitslosengeld II
Stand 01.04.2009, 15 Euro plus Versandkosten, Bestellung unter 2)
Kommentar: Hervorragender Leitfaden
für Betroffene und Berater, die sich schon
möglichst mit Paragrafen und Verordnungen
befasst haben.
Leitfaden für Arbeitslose
Rechtsratgeber zum SGB III
Stand 13.02.2009, 15 Euro plus Versandkosten, Bestellung unter 2)
Kommentar: Ein Klassiker für Arbeitslosengeld-I-Bezieher
Sozialhilfe für Behinderte und
Pflegebedürftige von A-Z
Stand März 2005, 5 Euro inklusive Versandkosten, Bestellung unter 1)
Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die
Anwendung des SGB II
Erläuterungen und Informationen für
Betroffene, Berater und Behörden
Stand 1/2009, 23 Euro plus Porto, erscheint
im Juni 2009 neu, Bestellung unter 2)
Kommentar: Als Alleinliteratur ungeeignet.
Nur zusammen mit Ratgebern zu benutzen, da
Teile der Gesetzestexte und somit der Durchführungshinweise mit anderen Gesetzen oder
mit Urteilen oberster Gerichte kollidieren. Um
Mitarbeitern der JobCenter geeignete Passagen
unter die Nase zu halten, jedoch sehr geeignet.
Zeitschrift „info also“
Die einzige juristische Fachzeitschrift für
Arbeitslosen- und Sozialhilferecht. Sie verbindet Fachwissen mit praktischer Hilfe.
Erscheint zweimonatlich, Jahresabo 42 Euro,
Probeexemplar kostenlos und unverbindlich:
Frau Hohmann, Tel. 07221/2104-39 oder
Bestellung: Nomos Verlagsgesellschaft mbh
& Co.KG, Waldseestraße 3-5, Postfach: 10 03
10, 76530 Baden-Baden, Telefon: 07221 /
2104 – 0, Fax: 07221 / 2104 – 27, Email:
[email protected]
Arbeitslosenzeitung quer
„Pflichtzeitung“ für Alg-I- und -II-Bezieher,
erscheint zweimonatlich, Jahresabo 12,50
Euro, Bestellung: PF 1363 Oldenburg, 26003
Oldenburg, Tel. 0441-955 84 49,
Fax 0441/955 84 43;
Email: [email protected]
weitere Informationen:
Nebensache Mensch, Arbeitslosigkeit in Deutschland
Rainer Roth, 15 Euro, Bestellung unter 1)
Weshalb Menschen zur Ware Arbeit verkommen sind und immer mehr überflüssig
werden.
Sozialhilfemissbrauch, Wer missbraucht hier wen?
Rainer Roth, Band 9, 2004, 5,80 Euro plus
Versandkosten, Bestellung unter 1)
Über den Lohn am Ende des Monats
Eine Umfrage unter Erwerbstätigen
Rainer Roth, 5 Euro Bestellung unter 1)
Über den Monat am Ende des Geldes
Umfrage unter Sozialhilfebeziehern
Rainer Roth, 3,50 Euro, Bestellung unter 1)
Bestelladressen:
1) DVS, Schuhmannstraße 51, 60325 Frankfurt/Main;
Fax: 069/74 01 69; Email: [email protected]
2) Fachhochschulverlag, Kleiststraße 10, Gebäude 1,
60318 Frankfurt/Main, www.fhverlag.de, Tel.:
069/1533-2820, 069/1533-2840;
Email: [email protected]
Anlaufstellen bei Meinungsverschiedenheiten mit den
JobCentern in Berlin-Brandenburg
Regionale Anlaufstelle:
Bundesagentur für Arbeit
Regionaldirektion Berlin-Brandenburg
(Früher: Landesarbeitsamt)
Friedrichstraße 34
10969 Berlin
Email: [email protected]
Fax: 030–5555 99 49 99
Die Regionaldirektion ist die direkte vorgesetzte Dienststelle für alle Geschäftstellen der
Arbeitsagenturen und JobCenter.
Die überegionale Anlaufstelle
in Nürnberg:
Bundesagentur für Arbeit
BA Service-Haus
Kundenreaktionsmanagement
Regensburger Straße 104
90478 Nürnberg
Telefax: 0911–1798 21 23
Und nicht zu vergessen das betreffende
Ministerium:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin
Petitionen
Jeder Bürger hat das Recht, Eingaben (Petitionen) an den Gesetzgeber zu richten.
Sie sind an keine besondere Form gebunden.
Es empfiehlt sich jedoch, möglichst sachlich
und detailliert (Aktenzeichen, Kopien des
Schriftverkehrs) sein Anliegen zu schildern.
Dies können Streitigkeiten mit Behörden,
Änderung bei Gesetzen und ähnliches sein.
Ausnahme bilden hier lediglich anhängige
Gerichtsverfahren.
Abgeordnetenhaus von Berlin
Petitionsausschuss
Niederkirchnerstraße 5
10111 Berlin
oder
Deutscher Bundestag
Petitionsausschuss
Platz der Republik
10111 Berlin
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strassen|feger
Klare Worte
Ratgeberausgabe 2009
Uwe Glinka, Kurt Meier: Das Sparkochbuch. Günstig und
ausgewogen ernähren nach dem Regelsatz HARZ IV
Ein zweifelhaftes Buch für den kleinen Geldbeutel.
Von Günther Jauch bei stern-TV als „eine Superidee“ gepriesen, die
Rezepte über eine Million Mal heruntergeladen, von einem deutschen
Hollywoodproduzenten für eine Kochshow ins Auge gefasst: Uwe Glinka
und Kurt Meier, die beiden Hartz-IV-Empfänger aus dem Norden, haben
mit ihrem Kochbuch eine Erfolgslawine losgetreten, die dafür sorgen
dürfte, dass wenigstens sie sich in Kürze keine Sorgen mehr machen
müssen, ob man von 4,33 Euro pro Person ausreichen essen kann.
Was medial gefeiert als Rezeptbuch für kleine Geldbeutel daherkommt, sind alte Rezepte, die Glinka und Meier auf ihre Anfrage hin
von Landfrauenvereinen geschickt bekamen und auswerteten. Mit
Einkaufslisten bewaffnet, zogen sie dann los zu den Discountern und
kauften ein. So billig, dass viele der für zwei Personen entworfenen
Tagespläne sogar unter dem Regelsatz bleiben.
So gut, so katastrophal.
Zunächst: Ja, man kann 425 g Obstsalat zum Frühstück für 0,55 Euro
bekommen – der ist dann bis zum Erbrechen gezuckert. Ja, es gibt vier
Brötchen für insgesamt 0,68 Euro beim Discounter – die abgepackten Knautschbrötchen, von denen man nicht wissen möchte, was sie
alles außer Mehl noch enthalten. Denn dass Hersteller auch bei teureren Produkten bereits kräftig an den hochwertigen Zutaten sparen
und diese – von uns unbemerkt – durch Ersatzstoffe, Aromen und
Chemie ersetzen, ist mittlerweile bekannt. (Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0711/tagesthema/0083/index.html)
Bei 200 g Schweinegulasch für 1,20 Euro hört der Spaß dann völlig auf.
Wir erinnern uns an Nikolaus Geyrhalters Film „Unser täglich Brot“:
Den Schweinen, von denen dieses billige Fleisch kommt, wird als
kleinen Ferkeln zunächst einmal bei vollem Bewusstsein der Ringelschwanz abgeschnitten und sie werden, wenn männlich, ohne Betäubung kastriert. Gefüttert mit verschiedenen Hormoncocktails, setzen
sie möglichst schnell Fett an, versorgt von weiteren Medikamenten,
damit sie nicht am Stress vorzeitig sterben. Das dürfen sie dann in
Panik auf den Laufbändern der Schlachthöfe. Lecker! Und so gesund!
Zumindest bestätigte das die Ernährungsberaterin von stern-TV.
Menschen arbeiten in diesen Fleischproduktionsstätten ohne Tarifvertrag und für oft weniger als fünf Euro die Stunde. Deutschland gilt
mittlerweile als Billiglohnland der Nahrungsmittelindustrie (Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/81/481551/text/). Und damit
sauer k / g
Konzept & Gestaltung
schließt sich der Kreis: Billiglöhne=Billigfleisch – kein Grund also,
den Regelsatz zu erhöhen.
Das Rezeptbuch für den kleinen Geldbeutel verschließt auch vor anderen Problemen die Augen: Was ist mit Kindern, für die weniger als 4,33
Euro veranschlagt werden, die aber Schulbrote, ein warmes Mittagessen, Obst nach sportlichen Betätigung usw. benötigen? Was ist mit all
den Leuten, die nicht mehr die Kraft zum Kochen, Spülen, Aufräumen
haben, weil sie durch HARTZ IV bereits krank geworden sind – psychisch
oder physisch? Was ist mit denen, die nicht so gut zu Fuß sind, dass sie
stundenlang von einem Discounter zum anderen laufen können? Oder
mit jenen, die gar keinen Discounter in Lauf- und Schleppweite haben?
Was ist mit den gestiegenen Energie-, Wasser-, Spülmittelkosten, die in
der Rezeptberechnung nicht berücksichtigt sind? Was ist mit den vielen
Allergikern, die nicht als solche
anerkannt sind, die aber trotzdem
z.B. Süßstoffe, Aromen, Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Sojazusätze nicht vertragen und die daher
nicht einfach alles kaufen können?
Was ist mit all jenen, die durchaus
arbeiten, deren Arbeit aber weniger
bringt als der Hartz-IV-Satz? Wann
gehen die Preise vergleichen?
Egal, das Buch hat Erfolg. Wahrscheinlich aus zwei Gründen:
Zum einen wurde es mit Günther
Jauch von einem Mann gepusht,
den viele seit seiner IQ-Show für
besonders intelligent halten. Zum
anderen hat das Buch etwas, was auch viele Menschen an Diätbüchern anzieht: Die Möglichkeit der scheinbaren Kontrolle. Denn was
ist beruhigender, als sich von einem Buch sagen zu lassen, dass das
Frühstück nur 90 Cent gekostet hat?!
Man kauft sich mit dieser Broschüre nicht nur ein Rezeptbuch. Man
kauft sich die Absolution, auch als Hartz-IV-Empfänger kein ganzer
Versager zu sein. Denn immerhin kann man sich dann stolz mit den
Autoren in eine Reihe stellen und denken: „Wie heisst es so schön:
Aus der Not eine Tugend machen.“ (S. 6)
Guten Appetit!
Ghattas
Plakate
Anzeigen
Flyer
Zeitung
Brochuren/Kataloge
carsten sauer
telefon: 030/44 16 507
email: [email protected]
strassen|feger
Bonus-Material
Ratgeberausgabe 2009
Klare Worte
33
Ganz schön mutig
Der rot-rote Senat verkündet stolz die
„Anpassung“ der Mietobergrenzen an die
Entwicklung der Mietpreise. Doch für viele
betroffene Hartz-IV-Bezieher bringt diese
Erhöhung überhaupt nichts.
Am 1. März 2009 ist sie in Kraft getreten: die neue Ausführungsvorschrift Wohnen des Senats von Berlin. Für diesen phänomenalen Wurf
hat sich die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knaake-Werner (Linke) so
richtig ins Zeug gelegt, um die Hartz-IV- oder Sozialhilfe-Betroffenen
aus dem Tal der Misere herauszuholen. Doch was da herausgekommen
ist und seit 1. März mit der AV Wohnen in Kraft getreten ist, entbehrt
wirklich jedweder Verbesserung in Sachen menschenwürdiger Mietobergrenzen für Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher, die sich doch die Sozialsenatorin so gerne auf die Fahnen geschrieben hat. Erst waren es
die großen Versprechungen und Ankündigungen, dann wurde sie immer
kleinlauter, bis letztendlich nur eine Erhöhung der Mietobergrenze für
Ein-Personen-Haushalte von 360 auf 378 Euro herauskam. „Es wird eine
völlig neue Ausführungsverordnung Wohnen geben“ verkündete sie noch großspurig am
11. Juli 2007 während einer
Tagung der „Beratergruppe zur
Fortschreibung des Obdachlosenrahmenplans und Wohnungslosenpolitik in Berlin“. Grund für
diese hoffnungsvoll stimmenden
Worte von Heidi Knaake- Werner:
An diesem Tag wurde der derzeit
gültige Mietspiegel veröffentlicht. Und da sich seit Einführung von Hartz IV im Jahre 2005
Veränderungen auf dem Arbeitsund Wohnungsmarkt in einem
solchen Umfang ergeben hätten,
kann eine „kleinteilige Anpassung“, wie die Sozialsenatorin
erklärte, nicht angemessen sein.
Ab 1. März 2009 sind nach der
AV Wohnen die Mietobergrenzen
um sage und schreibe 18 Euro
gestiegen – von 360 auf jetzt 378 bruttowarm. Mehr war mit dem
Koalitionspartner SPD leider nicht zu machen, erklärt Frau KnaakeWerner. Aber dennoch: „der Senat reagiert mit der Erhöhung auf
die Mietpreisentwicklung, wonach insbesondere die Mieten für die
kleinen Wohnungen angestiegen sind“, wie es in einer Erklärung der
linken Sozialsenatorin heißt. Dass bei den anderen Haushalten die
Mieten in den letzten Jahren ebenso angestiegen sind, haben SPD
und Linke schlichtweg vergessen. Und so bleiben die Mietobergrenzen
für Zwei-Personen-Haushalte bei 444 Euro, für Drei-Personen-Haushalte bei 542 Euro, für Vier-Personen-Haushalte bei 619 Euro und
Fünf-Personen-Haushalte bei 705 Euro unverändert.
Dabei wäre eine deutliche Anhebung auch der anderen Personenhaushalte, bei denen die Mietsteigerungen weit mehr als diese lächerlichen 18 Euro bei den Ein-Personen-Haushalten betragen, dringend
notwendig, um den tatsächlichen Bedarf der explodierenden Mietpreissteigerung zu decken. Schon bei Einführung der Angemessen-
heitskriterien im Juli 2005 waren die Mietobergrenzen für Alg-II- und
Sozialhilfebezieher längst überholt. Denn Grundlage waren die Zahlen
der Wohnungsmarktdaten von 2004. Und 2007, als die Preise auf dem
Wohnungsmarkt enorm stiegen, gerade bei den Hartz IV-tauglichen
Wohnungen (10,2 Prozent), sah der Senat keine Veranlassung, die
Mietobergrenzen zu erhöhen.
Die jetzige „Anpassung“ der Mietobergrenzen, auch nur für die EinPersonen-Haushalte muss man weiterhin als Ignorieren der Mietpreissteigerung seitens des Senats betrachten. So werden sich auch
weiterhin die Alg-II- und Sozialhilfeempfänger die für sie zu teuren
Mieten vom ihrem Regelsatz absparen müssen. Dass das von diesem
defizitären Regelsatz utopisch ist, wissen die Hilfeleistungsbezieher. Sie machen dann halt Mietschulden – auf die Gefahr hin, in die
Obdachlosigkeit zu rutschen.
Dass die neue AV-Wohnen völlig unzureichend ist, hat unter anderen
die Berliner Mietergemeinschaft erklärt. Und die rechnet schon mal
vor, dass bereits heute auf jede Wohnung für einen Ein-PersonenHaushalt nach der Mietobergrenze mindestens schon zwei Nachfrager
kommen. Und der im Sommer 2009 erscheinende Mietspiegel wird
Foto: uk
diesen Trend mit ziemlicher Sicherheit bestätigen. Für diesen Trend
gesorgt hat zum einen der jetzige Stillstand des Sozialwohnungsbaus
und zum anderen die Aufwertung und Sanierung vorhandener Wohnungen, die zu einer Abnahme des Angebots gerade in den unteren
Preisklassen gesorgt hat. So ist wohl trotz dieser grandiosen Anhebung mit einer drastischen Zunahme von Zwangsumzügen zu rechnen,
kritisiert nicht nur der DGB die neue AV Wohnen, sondern auch die
Berliner Kampagne gegen Zwangsumzüge. Denn Berlin ist der Forderung des Bundesrechnungshofes nachgekommen, die Einjahresfrist
der vollen Mietübernahme auf ein halbes Jahr zu kürzen. Und jetzt
könnten sogar Quadratmetergrößen einer Wohnung durch den neu
eingeführten Punkt „unzumutbar beengter Wohnverhältnisse“ der AV
Wohnen ein Hintertürchen für die Entscheidung der JobCenter, ob
jemanden umziehen muss oder nicht, sein.
Martyn R.
(www.gegen-zwangsumzuege.de, Notruftelefon 0800-27 27 27 8)
34
strassen|feger
Klare Worte
Ratgeberausgabe 2009
Hartz-IV-Gesetze nehmen Kinderarmut in Kauf
Über die strukturelle Ausgrenzung von Kindern
Was haben Kinder und Jugendliche, die per Gesetz nicht arbeitslos oder arbeitssuchend
sein können, in den Karteien der JobCenter zu suchen?
Die SGB-II-Gesetze, die die Regelsätze auch für Kinder festlegen, orientieren sich am Bedarf eines Singlehaushalts der unteren Einkommensschicht. Sie gestehen dem Nachwuchs in Hartz-IV-Familien, der, wie alle
Kinder vor allem eines unweigerlich tut, nämlich wachsen, noch nicht
mal die nötige Bekleidungspauschalen zu: alle halben Jahre das größere
und der Witterung angepaßte Paar Schuhe usw.
Foto: Lou
Aber die Ungerichtigkeit ist weitreichender: Nach einem Rechtsgutachten von Frau Prof. Dr. jur. Anne Lenze, die an der Hochschule Darmstadt Sozialrecht lehrt, steht Kindern armer Eltern nur der Bedarf des
sächlichen Existenzminimums zu. Würde man für sie auch einen Betrag
förderung präsentiert werden, enthalten nicht unerhebliche Summen,
die von der Sache her in andere Kategorien fallen, z.B. Ausgaben für
Schulen (45,3 Milliarden), die durch die Schulpflicht jedem unausweichlich aufgezwungen werden und die man keinesfalls als familienpolitische Maßnahmen deklarieren kann, ja nicht einmal der große
Posten des Kindergeldes von 30,9 Mrd. Euro kann hier voll geltend
gemacht werden, besteht er doch zu zwei Dritteln aus der Rückerstattung der verfassungsrechtlich verbotenen Besteuerung* des kindlichen Existenzminimums (und ist daher ebenfalls keine Sozialleistung,
erst recht nicht eine, die Politiker nach Gutdünken in andere, angeblich Familien zugute kommende Töpfe investieren können wie den
Ausbau von Krippenplätzen). Die Mehrwertsteuererhöhung
und die Energieabgabe trifft zudem
Familien in größerem Ausmaß als
Singles, die weniger Verbrauchsgüter benötigen und
sich Anschaffungen
besser
einteilen
können.
für Betreuung und Erziehung – wie er besserverdienenden Familien durch
den Steuerfreibetrag (aktuell 6024 Euro im Jahr) zusteht – dazurechnen,
stünde den Kindern ein Satz von 502 Euro im Monat zu. Der Gesetzgeber
nimmt also die Kinderarmut, die mittlerweile schon jedes zweite Kind in
Deutschland (einem der reichsten Länder der Welt) betrifft, in Kauf, um
die Eltern zur Annahme jeglicher Arbeit zu zwingen.
Kinder als Geiseln
Gerade die Familien, die nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln
die Kosten für soziales Miteinander wie Vereinsbeiträge, Sprachförderung, Internetkurse, den Internetzugang zu Hause, den Schulen ab
der siebenten Klasse als Lernwerkzeug voraussetzen, oder den Nachhilfeunterricht zu tragen, werden so von der persönlichen Entwicklungsförderung ihres Nachwuches strukturell ausgeschlossen.
Frau Lenze hat in einem Rechtsgutachten, das sie 2008 für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung verfaßte, die Frage untersucht, ob
es dem Grundsatz der Gleichbehandlung verfassungsgemäß ist, dass
die auf Grundsicherung angewiesenen Kinder von diesen Möglichkeiten der Bildung abgekoppelt werden, und kommt zu dem Schluß, dass
auch die Besonderheit der Sozialgesetzgebung keine Rechtfertigung
dieser Mißstände erlaubt.
An anderer Stelle weist Frau Lenze daraufhin, dass es in unserem Land
mit der Familienförderung, trotz anderslautender Erklärungen von den
Parteien, nicht weit her ist. Die Milliardenbeträge, die als Familien-
Kein Wunder, dass
Menschen und gemeinnützige Organisationen den Markt
der Not sehen; zunehmend warten sie mit Betreuungsangeboten für
Hartz-IV-Kids auf. Die Berichte, die die dort beschäftigten SozialpädagogInnen der Öffentlichkeit über den teilweise erschreckenden
Zustand der Kinder zukommen lassen, nutzen die Medien, um die
verzweifelten und deprimierten Eltern, die keinen Ausweg aus ihrer
Lage sehen und zum Teil deshalb unter psychischen Problemen leiden,
zu diffamieren. Der Druck, unter dem diese Erwachsenen gerade zu
Weihnachten – der Hochzeit des Konsums – stehen, ist extrem belastend! Aber auch den Rest des Jahres wird die familiäre Kultur nicht
gestärkt, wenn die Kinder außer Haus beköstigt und betreut werden
müssen, weil daheim das Geld fehlt.
Aus der Politik kommen zudem zynische Vorschläge zur Einführung
von Bezugsscheinen, anstatt der längst fälligen Diskussion über die
Ausgliederung der Kinder aus der Zuständigkeit des SGB II – Frau
Lenze hält das Kinder- und Jugendhilfegesetz für den passenderen Ort
– und die Erhöhung der kindlichen Regelsätze auf den tatsächlichen
Bedarf des inklusiven Existenzminimums.
Tatsächlich könnte eine Verfassungsklage in Karlsruhe die ungerechten Gesetze und ihre fatalen Folgen schneller beenden, denn das politische Brimborium um Familie ist hohles Gewäsch, wie man an der
gesetzlich sanktionierten Benachteiligung erkennt!
Lou
(* Hier ist die Mehrwertsteuer auf Kinderkleider, -schuhe, -nahrung usw.gemeint.)
strassen|feger
Klare Worte
Ratgeberausgabe 2009
35
Die Würde des Menschen ist antastbar – durch Hartz IV
Illustration: Jürgen H.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So bestimmt es der
erste Artikel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.
Und auf diesen Sachverhalt zielen letztlich alle im Grundgesetz verankerten Grundrechte ab. Die gesellschaftliche Realität aber ist eine
andere. Die Würde mehrerer Millionen Menschen in Deutschland ist
angetastet und die Grundrechte sind zumindest teilweise aufgehoben
durch das ‚Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt’, besser bekannt als Hartz IV.
Zwar räumt das deutsche Grundgesetz durchaus die Möglichkeit ein,
dass „ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ eingeschränkt werden kann. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber aber festgelegt, dass in einem solchen Falle „das Gesetz das Grundrecht unter
Angabe des Artikels nennen“ muss, und hinzugefügt, dass „in keinem
Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden“ darf.
Hartz IV verstößt gegen beide Grundsätze. Es schränkt Grundrechte
nicht nur ein, ohne dies im Gesetzestext zu vermerken, es berührt
diese Rechte auch in ihrem Kern.
Aufschlussreich ist dabei die Tatsache, dass mit der Missachtung
eigentlich unveräußerlicher Grundrechte das selbstformulierte Hauptziel von Hartz IV, nämlich „die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen“ stärken zu wollen, als bloße Phrase entlarvt
wird. Dies hehre Anliegen wird solange in sein Gegenteil verkehrt
bleiben, solange Beziehern von Arbeitslosengeld II jeglicher Freiraum für eigenverantwortliches Handeln verwehrt ist. Wie können
ALG-II-Empfänger in Eigenverantwortung handeln, wenn sie in völliger Abhängigkeit von den Entscheidungen der zuständigen Behörde
gehalten werden? Wenn sie um die Erlaubnis für die selbstverständlichsten Dinge des alltäglichen Lebens bitten und betteln müssen?
Wenn sie etwa für Reisen die vorherige Zustimmung eines Sachbearbeiters einholen müssen, auch bei Wohnungswechsel eine solche
Zustimmung voraussetzt wird und ihnen jede Art der Arbeit zugemutet werden kann?
Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie Hartz IV die Würde
erwachsener Menschen verletzt und sie auf das Selbstbestimmungsni-
veau kleiner Kinder hinabzwingt. Sie zeigen aber auch, dass Hartz IV
genau diejenigen Grundgesetzartikel aushöhlt, die die Freiheit eines
jeden Einzelnen ins Zentrum einer gerechten Sozialordnung stellen und
diese Freiheit als unveräußerliches Gut schützen wollen. „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet“ und „haben
das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen“,
heißt es in unserem Grundgesetz. Aber Freiheit, so scheint es, ist das,
was Hartz IV den Menschen gerade nicht zugestehen will.
Ist das nun zynisch oder bloß dumm? Wo doch Freiheit die entscheidende Voraussetzung ist für eigenverantwortliches Handeln, das zu
befördern sich die Reformer ehemals auf die Fahnen geschrieben
hatten. Ruft man sich drei der größten Köpfe hinter den HartzReformen in Erinnerung – Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und
Peter Hartz – fällt die Antwort einigermaßen leicht. Ist Zynismus
doch mehr als nur bornierte Ignoranz gegenüber gesellschaftlichen
Problemlagen. Und da die Väter von Hartz IV ihre eigene Verantwortung schon immer mit Eigennutz verwechselt haben, ist es nicht nur
für einige von ihnen persönlich dumm gelaufen. Auch ihre Reformen
haben – wie eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung feststellt – bislang zu keiner positiven Entwicklung
am Arbeitsmarkt geführt.
Wir dürfen uns nicht wundern, wenn sich ganz im Gegenteil die gesellschaftlichen Schieflagen seither noch verstärkt haben. Denn nur wer
die Idee eines freien und selbstbestimmten Menschen ins Zentrum
politischen Handelns stellt, kann Rahmenbedingungen schaffen, die
die drängenden Probleme einer Gesellschaft lösen helfen. Hartz IV
kann dies nicht. Deshalb: Weg damit!
Jürgen Haunss
Quellen:
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (im Text zitiert aus den Artikeln 1,
11, 12, 19 GG)
Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Artikel 1, Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II), Grundsicherung für Arbeitssuchende (im
Text insbesondere Bezug genommen auf die Paragrafen 1, 7, 10, 22 SGB II)
36
strassen|feger
Klare Worte
Ratgeberausgabe 2009
Kein Geld für einen Anwalt
Kostenlose Rechtsberatung bei mob e.V.*
„Vor einer Woche bekam ich einen Bescheid vom JobCenter. Die
ziehen mir neun Euro für die Warmwasserpauschale ab. Das sind
im Jahr 108 Euro, die ich weniger bekomme.“
„Bei mir wurde der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung
gestrichen.“
„Mir wird Einkommen angerechnet, was ich gar nicht verdiene.“
„Das JobCenter bearbeitet meinen Antrag nicht. Ich habe kein
Geld, um die Miete zu zahlen.“
„Ich soll umziehen, weil die Wohnung zu teuer ist.“
„Obwohl wir bloß in einer Wohngemeinschaft leben, werden wir
als Bedarfsgemeinschaft berechnet.“
Die Liste der Äußerungen lässt sich beliebig und variantenreich
fortsetzen.
Eines haben die Aussagen gemeinsam: Sie stammen alle von Alg-IIEmpfängern, die kein Geld haben, um einen Anwalt zu bezahlen, der
ihnen hilft, ihre Rechte durchzusetzen.
Betroffene es noch nicht selbst getan hat, Widerspruch ein. Gleichzeitig wird Akteneinsicht beantragt. Das JobCenter stellt dem Anwalt die
Akte zur Verfügung. Häufig ergeben sich aus der Akte konkrete Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit eines Bescheides und der Widerspruch
kann detailliert begründet werden.
Der Widerspruch wird vom JobCenter bearbeitet und dann irgendwann
auch beschieden. Manche Widerspruchsbescheide lassen monatelang
auf sich warten. Kommt es für den Betroffenen zu einer existenziell
untragbaren Situation, weil das Geld für die Miete fehlt und keine
Lebensmittel mehr gekauft werden können, muss der Anwalt beim
Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragen.
Wird diesem Antrag durch das Sozialgericht entsprochen, ist das JobCenter bis zur Entscheidung über den Widerspruch erst einmal dazu
verpflichtet, die Leistungen zu zahlen.
Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt nur noch die Klageerhebung
vor dem Sozialgericht. Auch hier kann der Betroffene seine Klage selbst
einreichen. Das Sozialgericht verfügt über eine Rechtsantragsstelle. Die
Foto: Guido Fahrendholz
Wenn nämlich gegen die Bescheide der JobCenter nicht vorgegangen wird, erlangen sie
rechtliche Bestandskraft, sind in der Regel
unanfechtbar und man kann, so falsch sie
auch sein mögen, kaum noch etwas unternehmen.
Gegen einen Bescheid vom JobCenter muss
innerhalb von vier Wochen nach Zugang des
Bescheides Widerspruch eingelegt werden.
Diesen Widerspruch kann jeder selbst einlegen.
Der Widerspruch muss begründet werden. Ist
der Sachverhalt kompliziert, muss die Begründung diesem Umstand Rechnung tragen. In
solchen Fällen geht es eigentlich nicht ohne
anwaltliche Hilfe. Jeder Betroffene kann sich
einen Anwalt suchen – auch wenn er weiß,
dass kein Geld da ist, die anwaltliche Dienstleistung zu bezahlen.
Hier kommt die Beratungshilfe zum Tragen.
Simone in ihrem Anwaltsbüro
Beratungshilfe wird auf Antrag gewährt, wenn
der Antragsteller monatlich nicht mehr als 380 Euro nach Abzug der
Miete zur Verfügung hat. Jeder Alg-II-Empfänger fällt mit seinem Regelsatz unter diese Grenze. Die Beratungshilfescheine stellt das zuständige Amtsgericht des Wohnortes aus. Die Möglichkeit, über den Anwalt
nachträglich Beratungshilfe zu beantragen, gibt es auch. Um aber auf
der sicheren Seite zu sein, sollte der Ratsuchende bereits mit einem
bewilligten Beratungshilfeschein beim Anwalt seiner Wahl aufkreuzen.
Der Anwalt erhält für die Bearbeitung eines Beratungshilfemandats sein
Geld von der Staatskasse. Dieser Betrag liegt weit unter dem, was der
Anwalt dem Klienten nach der üblichen anwaltlichen Vergütung in Rechnung stellen könnte. Aus diesem Grunde werden Beratungshilfemandate
von einigen Anwälten gar nicht angenommen. Der Ratsuchende zahlt
lediglich einen Anteil von zehn Euro. Selbst diese zehn Euro darf der
Anwalt bei Bedürftigkeit erlassen.
Der Ratsuchende muss sich also auf die Suche nach einem Anwalt
machen, der seinen Widerspruch vor dem JobCenter auf der Basis der
Beratungshilfe vertritt. Ist der Anwalt gefunden, legt dieser, wenn der
Aufgabe der Mitarbeiter ist es, nicht anwaltlich vertretenen Klägern bei
der Klageformulierung und Klageerhebung behilflich zu sein.
Für viele Betroffene ist aber die Hemmschwelle, selbst gegen die
Behörde JobCenter vorzugehen beziehungsweise gar Klage beim Sozialgericht zu erheben, sehr hoch. Die Hemmschwelle, anwaltlichen Rat
zu suchen, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Die Betroffenen sollten aber in jedem Fall den Versuch unternehmen,
einen Anwalt zu finden. Es gibt Anwälte, die bereit sind, auf Beratungshilfebasis Mandate zu übernehmen. Über die Internetplattform
von „Tacheles“ wird man fündig. Und zehn Euro für eine anwaltliche
Vertretung dürften auch für einen Alg-II-Bezieher erschwinglich sein.
Simone Krauskopf, Rechtsanwältin
* kostenlos nur für Bezieher von Alg II, Sozialhilfe, Grundsicherung (GSi) und
andere Arme
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strassen|feger
Klare Worte
Ratgeberausgabe 2009
37
Über den Umgang mit arbeitslosen Menschen
Drei Beispiele für das Verhalten des JobCenters gegenüber Arbeitslosen
Die Abhängigkeit von einem JobCenter kann
jungen, unsicheren oder labilen Menschen
zum Verhängnis werden. Nicht wenige gehen
traumatisiert aus einer Behandlung durch
das JobCenter hervor.
Drei Beispiele möchte ich schildern. Das erste
betraf mich selbst und steht für das Auflaufenlassen als Taktik: Da mein Sohn die Grundschule wechseln musste, suchte ich eine Wohnung in der Nähe des zukünftigen Lernortes in
Berlin-Pankow. Wegen der vereinbarten SchulProbezeit von sechs Monaten, meldete ich
mich bei einem jungen Paar, das seine Wohnung für ein halbes Jahr untervermietete, um
Australien zu bereisen. Für diese Wohnung auf
Zeit stellte mir das JobCenter Berlin-Kreuzberg
eine Mietübernahmebescheinigung aus und
übernahm die erste Miete. Dann war Pankow
zuständig. Dort verschwand ein Teil meiner
Unterlagen. Hernach wurden mir Mietzahlungen verweigert, da keine Untermieterlaubnis
vorläge. Die Hauptmieter waren unerreichbar,
die Hausverwaltung zwar informiert, konnte
mir aber keine offizielle Bescheinigung ausstellen. Sie telefonisch zu befragen, lag nicht
im Interesse des JobCenters. Ich saß in der
Falle: Fände ich eine neue Bleibe, verlören
die Hauptmieter meinetwegen ihre Wohnung
– wenn nicht noch mehr! Bliebe ich, bestand
immerhin eine Chance, das drohende Unheil
abzuwenden. Im JobCenter begegnete mir
eisige Kälte. Der Sachbearbeiter redete nicht
mit mir, ließ mich sitzen. Was ich noch wolle? Ich ging zum Jugendamt,
Sozialamt, zur SPD und Sozialberatung und von dort mit einem Antrag
auf Einstweilige Verfügung zum Sozialgericht. Ich verbrachte unruhige
Nächte, brach ungewollt in Tränen aus, schämte mich und konnte kaum
an etwas anderes denken, als ich – Gott sei Dank! – im vierten Monat
ohne Mietzahlungen Recht bekam.
Der zweite Fall schildert eine Hetz-Taktik am Beispiel einer schüchternen Bekannten mit akademischem Abschluss. Sie hatte während
ihrer Arbeitssuche vom JobCenter Berlin-Neukölln in den ersten neun
Monaten keinerlei Vermittlungsvorschläge erhalten, aber sollte stattdessen eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben, in der sie
sich verpflichtete, „an allen Maßnahmen teilzunehmen“. Während
sie sich ohnehin um Arbeit bemühte, schickte sie ihrer Fallmanagerin schriftlich ihre Einwände - und dass noch keine Versuche erfolgt
wären, sie auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Statt einer
Antwort wurden ihr drei Ein-Euro-Jobs gleichzeitig zugewiesen, die
weder ihre angegebenen Fähig- und Fertigkeiten berücksichtigten,
noch ihr beruflich nützlich wären. Das bat sie schriftlich zu bedenken.
Nach einem ersten Vorstellungstermin teilte der Träger dem JobCenter
mit, sie sei für die Tätigkeit ungeeignet. Des ungeachtet, landeten in
den darauffolgenden Wochen drei Kürzungsbescheide um je 30 Prozent im Briefkasten meiner Bekannten. Drei Kürzungen um 30 Prozent
bedeuteten 90 Prozent Minderung – also nur noch zehn Prozent der
Leistung. Ohne Rückhalt durch andere wäre sie verzweifelt. Ihr Widerspruch wurde vom JobCenter abgelehnt. Erst das Sozialgericht gab ihr
Recht. Alle Sanktionsbescheide wurden aufgehoben.
Das dritte Beispiel schildert Demütigungen, die das Selbstverständnis
eines arbeitslosen Bauzeichners verwundeten. Nachdem die Fallmanagerin im JobCenter Berlin-Mitte seine Unsicherheit entdeckt hatte,
erlag sie der Versuchung, die finanzielle Abhängigkeit des Junggesellen auszunutzen. Durch hämische Unterstellungen drängte sie den
40-Jährigen in die Defensive und scheute nicht davor zurück, seine
frühere Tätigkeit sowie seine derzeitigen Eigenbemühungen um Arbeit
lächerlich erscheinen zu lassen. Seine Berichte über frühere Tätigkeiten oder zu jüngsten Bewerbungsterminen tat sie als unglaubwürdig ab. Je mehr sich der Bauzeichner bemühte, ihr die Richtigkeit
seiner Angaben auch zu beweisen, desto hilfloser verstrickte er sich
in Rechtfertigungen und Erklärungen. Die anmaßende Haltung der
Sachbearbeiterin hatte zur Folge, dass er sich nicht mehr allein zu
einem Termin mit ihr traute und um Hilfe bat. Als ich ihn deshalb
zum nächsten Termin begleitete, nahm das Gespräch eine überraschende Wendung: Die Fallmanagerin hielt es für überflüssig, seine
mitgebrachten Belege über die Art der bisherigen Berufsausübung zu
prüfen, tat frühere Anschuldigungen als belanglos ab und stellte ihre
Mithilfe bei der Vermittlung in Arbeit in Aussicht.
Unter „Fördern und Fordern“ werden die finanziell Abhängigen bevormundet, missachtet, entmutigt, erpresst und in die Enge getrieben – und
es trifft gerade den am härtesten, dem der nötige Rückhalt fehlt.
Constanze
strassen|feger
Nachgefragt
Ratgeberausgabe 2009
Foto: K.B.
38
Das Berliner Sozialgericht in der Invalidenstraße
Wo ein Kläger ist, gibt es immer auch einen Richter
Interview mit dem Berliner Sozialrichter Michael Kanert
Obwohl sie berechtigte Zweifel an der Richtigkeit ihres Bescheides
hegen, scheuen immer noch viele Menschen, die ALG II beziehen, den
Klageweg, um zu ihrem Recht zu gelangen. Sie fürchten versteckte
Sanktionen der zuständigen Mitarbeiter_innen ihres JobCenters.
Deshalb waren wir zu Besuch im Berliner Sozialgericht und erfuhren:
Etwa die Hälfte aller Klagenden bekommt Recht. Zwar spricht sich
diese Tatsache nur langsam herum, doch die Zahl der Klagen steigt.
Allein in Berlin werden jährlich Zehntausende eingereicht. Für den
strassenfeger sprach Dinah Persch mit dem Berliner Sozialrichter
Michael Kanert (Jahrgang 1963).
strassenfeger: Wie arbeitet das Sozialgericht?
Michael Kanert: Das Sozialgericht kontrolliert die meisten Behörden
des Sozialstaates. Die JobCenter, die gesetzliche Rentenversicherung,
die gesetzliche Krankenversicherung, die Berufsgenossenschaft und
die Pflegeversicherung. All dies sind Behörden, die dazu da sind, dass
soziale Ansprüche gehört und verwirklicht werden. Diese Behörden
sind an Regeln, Gesetze und Verordnungen gebunden und der Bürger
kann, wenn er der Meinung ist, dass diese Behörden die Gesetze
verletzt haben, das Sozialgericht anrufen und dann überprüfen wir
diesen Fall.
sf: Gab es einen persönlichen Auslöser, dass Sie Richter am Sozialgericht
geworden sind?
M.K.: Eigentlich wollte ich gar kein Richter am Sozialgericht werden,
ich wollte ans Verwaltungsgericht, weil ich die Idee hatte, dass dort
die spannenderen Entscheidungen getroffen werden. Dort war keine
Stelle frei und ein Kollege riet mir: „Versuchen Sie es doch am Sozialgericht, da gibt es auch sehr spannende Fälle.“ Jetzt bin ich seit
14 Jahren hier.
Früher wussten sehr wenige Leute, was wir hier machen. Das hat
sich geändert, seit es Hartz IV gibt.
sf: Wie hoch ist der prozentuale Anteil an Anträgen bezüglich des HartzIV-Gesetzes?
M.K.: Zwei Drittel betreffen Hartz IV. Das ist das große Thema bei
uns am Sozialgericht. Damit hatte ursprünglich niemand gerechnet.
Als im Januar 2005 Hartz IV in Kraft trat, hatten wir 5,5 Richterstellen dafür eingeplant, inzwischen sind es zehn Mal so viele. Das war
ein neues Rechtsgebiet; die Fälle hatten damals eine neue Farbe von
Aktendeckeln bekommen: sie waren hellgrün. Nach ein paar Monaten
sind uns diese Aktendeckel ausgegangen. Wenn man heute ins Archiv
geht, sieht man unter den erledigten Fällen immer wieder Aktenstapel mit weißen Deckblättern. Da fehlten uns die grünen Deckel. Das
zeigt, dass weder die Politik, noch die Justiz damit gerechnet hatten,
was das für ein Ausmaß annehmen wird.
sf: Was macht die anderen Anträge an das Sozialgericht aus?
M.K.: Ganz viele Themen betreffen die Rentenversicherung. Wir hatten
tausende Anfragen aus den USA, Israel aber beispielsweise auch aus
Ungarn von Rentnern, die ihre Rentenansprüche einklagten. Dann
hatten wir nach der Wiedervereinigung sehr viele Klagen von Rentnern
aus der ehemaligen DDR, was nun mit ihren Ansprüchen passiert, die
sie im Sozialsystem der DDR erworben hatten. Das hat uns auch jah-
strassen|feger
Nachgefragt
Ratgeberausgabe 2009
relang beschäftigt. Doch das ist alles kein Vergleich zu dem, was jetzt
vorherrschend ist. Das große Thema: Hartz IV. – Ein weiteres Thema
ist die Pflegeversicherung. Wenn jemand zum Beispiel ein bestimmtes
Medikament benötigt und die Krankenkasse nicht zahlen will, weil es
ihrer Meinung nach zu teuer ist, kann der Patient hier klagen.
Wir haben hier auch kuriose Fälle:
Wenn jemand auf dem Weg zur Arbeit
einen Unfall hat, aber er war noch
schnell beim Bäcker, um ein Brot zu
kaufen, und hatte dort einen Unfall,
betrifft das dann auch die Berufsgenossenschaft?
ein Jahr und bei komplizierten Rentenfällen kann es auch schon mal bis
zu drei Jahren dauern, bis das Verfahren abgeschlossen werden kann.
Das ist natürlich deutlich zu lang.
sf: Inwiefern liegt die Überlastung bei den JobCentern?
M.K.: Hartz IV hat einen enormen
Verwaltungsaufwand hervorgebracht.
Allein in Berlin sind es zwei Millionen Bescheide, die jährlich verschickt
werden; bundesweit sind es über siebzehn Millionen Bescheide. Diese stellen jährlich einen ungeheuren Verwaltungsakt dar. Ursprüngliches Ziel der
Reform war ja eine Vereinfachung des
Verwaltungsaufwandes und die schnelle
Rückführung des Arbeitslosen auf den
ersten Arbeitsmarkt. Noch komplizierter ist die Berechnung von Leistungsbeziehern, die Leistung zusätzlich zu
ihrem Gehalt auf dem ersten Arbeitsmarkt beziehen.
sf: Wie hoch etwa ist die Anzahl der Klagen?
M.K.: Im Vergleich zu den ersten Jahren hat sich die Anzahl der Klagen
verdreifacht und die Tendenz geht nicht nach unten, sondern weiterhin
nach oben. Die Menschen kommen mit einer konkreten Entscheidung
der Behörde zu uns und sagen: „Diese Entscheidung ist falsch.“ Darunter sind teilweise schwierige Berechnungsfragen; in den JobCentern
arbeiten zum Teil Menschen, die erst vor kurzem durch einen Zeitarbeitsvertrag an diese komplizierte Materie geraten sind. Sie sind oft
auch vom Computerprogramm überfordert, das bei schwierigen Berechnungen durch Umgehungslösungen ausgetrickst werden muss. So kommt
es häufig vor, dass die Richter während der Verhandlung die eigentliche
Sachbearbeitung und Berechnung machen müssen.
sf: Wie viele der 2008 eingereichten Klagen konnten abschließend verhandelt werden?
M.K.: Es wurden in Berlin im vergangenen Jahr etwa 30.000 Klagen
eingereicht, davon waren etwa 20.000 Hartz-IV-Fälle. Über etwa 16.000
Fälle im Bereich Hartz IV konnten wir noch nicht entscheiden, obwohl
die Anzahl der Hartz-IV-Richter verzehnfacht worden ist. Es werden
auch noch vierzig neue Stellen geschaffen, aber bis dahin werden Richter aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Rentenversicherung,
abgezogen. Das bedeutet, dass jetzt auch Kläger aus anderen Bereichen
länger auf ihr Gerichtsverfahren warten müssen. Allerdings schaffen wir
es in existenziellen Notfällen innerhalb von wenigen Tagen zu entscheiden. In den übrigen Fällen dauert es auch bei Hartz IV inzwischen über
Foto: Dinah
sf: Welche Erfahrungen machen Sie als
Richter mit der Hartz-IV-Sozialreform?
M.K.: Hartz IV war eine sehr große
Sozialreform, weil zwei Systeme
zusammengelegt wurden und praktisch
die Verwaltung im Zusammenhang mit
Massenarbeitslosigkeit ganz neu aufgebaut wurde. Damit sollte auch ein
System der Leistung aufgebaut werden.
Deshalb ist es auch eine Reform mit
erheblichen Auswirkungen, immerhin
Sozialrichter Michael Kanert
sind in Deutschland sieben Millionen
Menschen Bezieher von Hartz-IV-Leistungen, allein in Berlin ist es jeder vierte oder fünfte Erwachsene.
Hier bei uns geht es ja nicht um die politische Bewertung von
Hartz IV. Die steht nicht zur Überprüfung im Gerichtssaal. Auch wenn
anfangs einige Leistungsbezieher der Meinung waren, das Gericht
müsse jetzt alle Entscheidungen der Sozialreform aufheben, so ist die
politische Bewertung in einer Demokratie Sache des Parlaments. Die
Regeln zu machen, ist Aufgabe des Parlaments und die Regeln einzuhalten, ist eine Sache der Gerichte. Bei genau dieser gesetzlichen
Umsetzung passieren enorm viele Fehler. Fast jede zweite Entscheidung der JobCenter müssen wir beanstanden. Diese enorm hohe Zahl
an Gerichtsverhandlungen hatten wir einfach nicht erwartet.
39
sf: Aber Hartz IV hat ja genau das
Gegenteil hervorgebracht...
M.K.: Erst einmal muss man sich fragen:
Gibt es überhaupt genug Stellen für alle Leistungsbezieher? Die andere
Frage ist: Ist denn eine praktischen Umsetzung dieses Ziels möglich?
Das ist natürlich ein Ziel, das der Staat erreichen will, doch die bisherigen Behörden konnten das nicht. Sie waren falsch strukturiert. Ziel
war, dass alle Leistungen aus einer Hand kommen. Doch jetzt sind es
mehr Hände geworden als vorher und in der derzeitigen Struktur ist es
sogar verfassungswidrig. Niemand – weder Bund, noch die Kommunen
– können eine klare Verantwortung übernehmen. Das Verfassungsgericht hat aus diesem Grund entschieden, dass bis 2010 diese Situation
geklärt werden muss.
sf: Sehr viele Bescheide sind falsch, aber die Leistungsempfänger klagen
nicht, sondern winken bei Minimalbeträgen ab.
M.K.: Das können wir hier nicht sagen, aber die Behörde sagt uns, dass
es etwa ein Prozent sind, die klagen. Natürlich können wir nicht sagen,
Die Zeitung auf’s Ohr!
strassen|feger radio
Jeden Mittwoch um 20:00 Uhr.
im Offenen Kanal Berlin auf 92,6 MHz im Berliner Kabelnetz
und 97,2 MHz über Antenne
oder www.okb.de (livestream)
strassen|feger
Nachgefragt
Ratgeberausgabe 2009
Foto: Dinah
40
dass die übrigen 99 Prozent richtig sind; wir können aber auch nicht
sagen, dass von den restlichen Bescheiden jeder zweite falsch ist.
sf: Warum gibt es bundesweit keine einheitliche Mietobergrenze für Leistungsbezieher?
sf: Wie oft endet ein Verfahren positiv für den Kläger?
M.K.: Im Gesetz steht dazu gar nichts. Da heißt es, die Kosten für die
Unterkunft werden gezahlt, soweit diese Kosten angemessen sind.
Das ist eine nichtssagende Formulierung. Wir Richter fordern hier
eine klarere Regel, die die Politik machen muss. Dennoch wird man
bundesweit keinen einheitlichen Mietpreis machen können, da die
Mietpreise zu unterschiedlich sind. Da es keine übergreifende politische Entscheidung gibt, hat die Senatsverwaltung für Soziales von
Berlin gesagt: „Wir lösen das Problem intern.“ So steht hier in der AV
Wohnen, dass die Miete für einen Alleinstehenden bis zu 360 Euro
übernommen wird; das wurde aber nun angehoben auf 378 Euro. Doch
das ist eine verwaltungsinterne Entscheidung, die für die Gerichte
nicht bindend ist.
M.K.: Jedes zweite Verfahren geht zu Gunsten des Klägers aus, wobei
man sagen muss, dass 85 Prozent aller Verfahren ohne Urteil verhandelt werden. Zum einen passiert es durchaus, dass der Kläger sagt:
„Das hätte man mir nur richtig erklären müssen.“ Jetzt weiß der
Kläger, dass er keinen Anspruch vor Gericht hatte, den er durchsetzen
wollte. Dann nimmt er die Klage zurück. Zum anderen passiert es
auch, dass die Behörde sagt: Ja, wir haben hier einen Fehler gemacht“
und ihre Entscheidung korrigiert. So kommt das Endergebnis von etwa
Halb und Halb zustande.
sf: Stimmt es, dass in Zukunft bei einer Klageeinreichung ein Pauschalbetrag von 10 Euro gezahlt werden soll?
M.K.: Das ist eine der Ideen, die in der politischen Welt kursieren.
Aber das ist im Moment kein Gesetz, auch wenn es Politiker gibt,
die es für richtig hielten. Doch diese haben so ein bestimmtes Bild
von den potenziellen Klägern im Kopf – nämlich dass das Recht auf
kostenlose Rechtsentscheide missbraucht würde. Wir können das aber
nicht bestätigen. Denn wenn jeder Zweite, der hier klagt, Erfolg hat,
ist es auf jeden Fall so, dass die Kläger einen berechtigten Anlass
haben. Die Kläger können, wenn sie einen Anwalt nutzen, auch Prozesskostenhilfe beantragen. Denn auch für bedürftige Menschen soll
vor Gericht Chancengleichheit bestehen.
sf: Würde jetzt aber eine bundeseinheitliche Entscheidung getroffen,
führte das doch automatisch zur Ghettoisierung?
M.K.: Genau diese Frage bleibt eine politische Frage, denn es ist eine
grundlegende Regel des Sozialstaats, dass politische Fragen im Parlament entschieden werden müssen. Dieser Entscheid liegt nicht bei
den Gerichten. Massenarbeitslosigkeit und Leben am Existenzminimum sind keine Verwaltungsprobleme, sondern ganz grundsätzliche
und bringen Probleme mit sich, die auch nicht durch die Verwaltungsreform gelöst werden.
sf: Dankeschön, dass Sie sich die Zeit genommen haben!
strassen|feger
Ratgeberausgabe 2009
Klare Worte
41
Hartz IV und Tier
Eine Bestandsaufnahme für Berlin
Nicht nur in der Hauptstadt gibt es immer mehr Menschen, die von Leistungen wie Hartz IV oder Sozialhilfe ihren Alltag bestreiten müssen.
Auch Menschen, die trotz Rente oder Job unter dem Armutsniveau
in Deutschland leben, haben mitunter Schwierigkeiten, sich adäquat
selbst zu versorgen. Nicht wenige Menschen leben außerdem gänzlich
ohne regelmäßiges Einkommen auf der Straße.
Ein geringes Einkommen reicht häufig nicht aus, um den monatlichen
Bedarf an Nahrungsmitteln, laufenden Kosten wie die Telefonrechnung oder Sonderausgaben, die mitunter überraschend anfallen, zu
decken. Besonders schwierig wird’s, wenn neben Mensch noch Hund,
Katze oder Meerschweinchen versorgt werden wollen. Wer arm ist, der
ist nicht selten einsam. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der
fast alles seinen Preis hat, und auch wenn es Sozialtickets oder Ermäßigungsprogramme gibt – das Geld bleibt knapp und das macht eine
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben nicht leichter. Ein Haustier kann helfen, aus der unfreiwilligen Einsamkeit auszubrechen.
In Berlin ist das ähnlich: Ärzte, die sich um die Tiere von Menschen mit
geringem Einkommen kümmern, ohne dafür die anfallenden Kosten zu
verlangen, gibt es so gut wie gar nicht. Klik (Kontaktladen für Straßenkinder in Krisen), eine Berliner Hilfseinrichtung, arbeitet mit einer Tierärztin zusammen, die in die Einrichtung kommt und die Hunde von Straßenkindern grundversorgt. Das Projekt HundeDoc kümmert sich leider
ausschließlich um die Tiere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
in sozialpädagogischer Betreuung und steht demnach nicht allen offen.
Nur: Hohe Arbeitslosenzahlen, die Einführung von Hartz IV und der
unaufhaltsame Anstieg der Lebenshaltungskosten bringen immer
mehr Haustierbesitzer in ein Dilemma: Das geliebte Haustier behalten und noch mehr Entbehrungen auf sich nehmen oder das Tier in
ein Heim oder zu einem neuen Besitzer geben und selbst unglücklich sein? Tatsache ist, dass Hartz IV keine Zusatzleistungen für Tiere
beinhaltet. Futtergeld oder die Kosten für den Tierarzt müssen von
der Regelleistung bestritten werden. Das Sozialgericht Gießen hat
dazu entschieden, dass „die Haltung von Haustieren ein reines Privatvergnügen“ – ein Hobby, nicht mehr – ist.
Für Mensch gibt es Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und Essensausgaben, die es ihm gestatten, seine laufenden Kosten niedrig zu halten.
Und was ist mit Tier? Das Problem wurde erkannt – in Berlin existieren inzwischen einige Initiativen, die Tierbesitzern unterstützend zu
Seite stehen. Allen voran ist die Tiertafel zu nennen, die Ausgabestellen
betreut, an denen Nahrungsmittel für Tiere ausgegeben werden, die in
der Regel für drei bis vier Tage ausreichen. Darüber hinaus geben die
Mitarbeiter der Tiertafel Tipps zur artgerechten und günstigen Fütterung und Haltung von Kanarienvogel und Konsorten. Eine tierärztliche
Betreuung kann die Tiertafel nur in Ausnahmefällen organisieren.
Wer Futter von der Tiertafel beziehen möchte, muss seine Bedürftigkeit nachweisen können - ein Bescheid über die Gewährung von Hartz
IV oder Sozialhilfe oder der Rentenbescheid reicht aus. Die Ausgabestelle befindet sich in der Mörikestraße 15 in 12437 Berlin; Ausgabetag ist immer samstags zwischen 11 und 16 Uhr.
Mit der tierärztlichen Versorgung von Hund und Katze ist es schwieriger: Jeder, der schon einmal mit seinem Tier zu einem Tierarzt gehen
musste, weiß, dass die Kosten für Diagnose und Behandlung schnell
in Bereiche gehen, die trotz aller Liebe wehtun. Tierärzte für Bedürftige sind deutschlandweit bisher Ausnahmen.
Foto: K.B.
Konsequenz: Die bundesdeutschen Tierheime sind seit der Einführung des SGB II geradezu mit Tieren von Hartz-IV-Empfängern überschwemmt worden. Nicht desto trotz bleibt der Gesetzgeber hart und
sieht sich nicht dazu veranlasst, Tierbesitzern eine Möglichkeit zu
eröffnen, die es ihnen erlaubt, ihr Tier zu behalten. Immerhin: Wer
einen Hund besitzt, kann über einen Antrag beim Finanzamt eine
Ermäßigung der anfallenden Hundesteuer erwirken.
Dennoch: Ratenzahlungen sind möglich. Einige Tierärzte bieten diesen
Weg der Tilgung der Behandlungskosten an.
Hartz IV und Tier – keine einfache Kombination. Doch die Chancen,
dass sich in Zukunft Selbsthilfeinitiativen gründen, die Menschen
mit Haustieren in Notsituationen helfen, sind da. Trotzdem gilt: Sich
ein Haustier anzuschaffen, sollte nicht ad hoc entschieden werden,
besonders nicht, wenn man es sich eigentlich nicht leisten kann.
Weder Mensch noch Tier wird damit ein Gefallen getan.
Mandy
Weitere Infos:
www.tiertafel.de – Alle Informationen rund um die Tiertafel, ihre Leistungen
und die deutschlandweiten Ausgabestellen.
www.arbeitslosenselbsthilfe.org – Umfangreiches Forum zu vielen Problemen
rund um Hartz IV, unter anderem auch zu Hundesteuer bei Hartz IV.
http://www.klik-berlin.de/hundedoc.html – Überblick über die Arbeit des HundeDocs und die Bedingungen, die für eine kostenlose Behandlung erfüllt sein
müssen.
strassen|feger
mob – obdachlose machen mobil e. V.
Ausgangspunkte unserer Arbeit
Der Anlass zur Gründung unseres Vereins
besteht nach wie vor: Die anhaltende Armut
signifikanter Teile der Bevölkerung, die sich
in ihrer krassesten Form in der Wohnungslosigkeit zeigt. Trotz anderslautender Beteuerungen der Wohnungswirtschaft und von
Teilen der Politik ist das Problem der akuten Wohnungsnot weiterhin gravierend. So
sind in Berlin derzeit circa 7.000 bis 10.000
Personen ohne festen Wohnsitz. Sie leben in
Heimen und Notunterkünften, ungesicherten
Wohnverhältnissen oder halten sich auf der
Straße auf. Seit 2004 steigt die Zahl der wohnungslosen Menschen in Berlin wieder an.
Um diesen Personenkreis bei der Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins
und bei der Entwicklung eigener Perspek-
tiven zu unterstützen,
unterhält mob – obdachlose machen mobil e. V.
in Berlin-Prenzlauer Berg
verschiedene spezifische
Projekte. Sie verfolgen in
Organisation und Ausführung den Gedanken der
Selbsthilfe, was bedeutet,
dass die eigene Aktivität
der Menschen besonders
betont wird. Unter dem
Dach des Vereins können
sich die mitwirkenden
Nutzer mit eigenen Projekten ansiedeln – bis hin
zum Ausbau einer eigenen
Wohnung.
Ziele und Angebote
„Ziel des Vereins ist die Verbesserung der
Lebensumstände von gesellschaftlich Benachteiligten und Ausgegrenzten, insbesondere
Obdachlose bzw. von Obdachlosigkeit bedrohte
Menschen. Ihnen soll ermöglicht werden, sich
für ihre eigenen Belange und Interessen einzusetzen, eigenverantwortlich Initiativen und
Projekte aufzubauen und durchzuführen und
so selbst eine Veränderung und Verbesserung
ihrer Lebenslage herbeizuführen.“ (aus § 2 der
Satzung von mob e. V.)
Im Laufe der Jahre entwickelten wir folgende,
für die Selbsthilfe von wohnungslosen und
armen Menschen typische Arbeitsformen und
Angebote:
• die Straßenzeitung strassenfeger
• der Selbsthilfetreffpunkt Kaffee Bankrott
• die Notübernachtung
• das Selbsthilfehaus in der Oderberger Straße 12
• das Projekt TrödelPoint
Die Internetseite www.strassenfeger.org dient
der Kommunikation mit der interessierten
Öffentlichkeit und macht Vereinsarbeit für ein
breites Publikum transparent. In regelmäßigen
Abständen wird ein Newsletter herausgegeben.
Notübernachtung
Unsere ganzjährige Notübernachtung
in der Prenzlauer Allee 87 ist entstanden, weil wir den Verkäuferinnen
und Verkäufern der Straßenzeitung,
die akut wohnungslos sind, einen
Übernachtungsplatz anbieten wollen.
Dieses Angebot ist aber grundsätzlich
offen für alle, die einen Schlafplatz
benötigen. Der Aufenthalt ist auf acht
Wochen begrenzt, in Ausnahmefällen
ist eine Verlängerung möglich.
Die Notübernachtung bietet zehn
Männern und sieben Frauen in
getrennten Räumen Schlafplätze an.
Hunde können nach Absprache mitgebracht werden. Im Winter können
zur Not bis zu vier zusätzliche Betten
für eine Nacht aufgebaut werden; wir möchten niemanden wegschicken. Weil der Verein
mob e. V. sein Notübernachtungsangebot ohne
staatliche Förderung und allein aufgrund eigener Initiative betreibt, erheben wir von allen
Schläfern einen Unkostenbeitrag in Höhe von
1,50 Euro pro Nacht.
Dafür bieten wir Folgendes an:
• Wasch-/Duschmöglichkeiten (gratis Duschgel, Shampoo, Rasierzeug, Cremes, usw.)
• Wäschewaschen / Trocknen
• Nutzung der Kleiderkammer
• Kostenloses Internet
• Tagesangebote des Treffpunktes
„Kaffee Bankrott“
• Beratung und Unterstützung bei Behörden
• Hilfe bei der Wohnraumsuche
strassenfeger – die Straßenzeitung (ISSN 1437 – 1928)
Was tun, wenn das Geld knapp ist? Vielleicht
den strassenfeger verkaufen?
Der strassenfeger ist von Anfang an eine Zeitung gewesen, die allen offen stand, die mitmachen wollten. Deswegen ist die Verkäuferschaft auch bunt gemischt und international.
Es sind Menschen dabei, die auf der Straße
leben, süchtig sind und sonst kein anderes
Einkommen haben. Andere leben in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, wieder andere
waren einmal wohnungslos und leben jetzt
mit Alg II in einer eigenen Wohnung. Wieder
andere sind einfach nur arm und lange arbeitslos und wollen die Zeit bis zum nächsten Geld
vom JobCenter überbrücken.
Warum also nicht? Die Stadt ist groß und wer
sich nicht gleich der eigenen Nachbarschaft als
armer Mensch zu erkennen geben will, kann
in einen anderen Stadtteil fahren. Natürlich
braucht es ein wenig Übung, einen guten Verkaufsstandort zu finden, und auch Geduld, bis
ein Stammplatz daraus geworden ist.
Was also ist zu tun, um Verkäufer oder Verkäuferin zu werden?
Die Anmeldung erfolgt im Treffpunkt Kaffee
Bankrott in der Prenzlauer Allee 87 in 10405
Berlin (nähe S-Bahnhof Prenzlauer Allee) an
der Theke. Das Kaffee ist täglich, auch am
Wochenende, zwischen 8 und 20 Uhr geöffnet.
Ein Ausweis ist hilfreich, aber nicht zwingend
erforderlich. Wichtig ist, die Verkäuferselbstverpflichtung zu lesen, zu verstehen und zu
akzeptieren. Dann stellen wir einen Verkäuferausweis aus und geben die ersten fünf Zeitungen gratis aus – sozusagen als Starthilfe.
Von dann an sind die weiteren Zeitungen für
den Betrag von 60 Cent bei den Ausgabestellen zu erwerben und können für 1,50 Euro
in Berlin / Brandenburg verkauft werden. Pro
verkaufte Zeitung bleiben 90 Cent für den/die
Verkäufer/in.
Der Treffpunkt Kaffee Bankrott ist nicht die
einzige Zeitungsausgabestelle. Weitere Zeitungsausgabestellen sind ein Wohnanhänger
am Bahnhof Zoo in der Jebensstraße und ein
Wohnanhänger am Ostbahnhof. Er steht direkt
am Herman-Stöhr-Platz in der Koppenstraße,
zwischen dem Kaufhof und dem Ostbahnhof.
Auflage von 21.000 Exemplaren. Insgesamt
sind es gegenwärtig rund 250 Personen, die
den strassenfeger allein in Berlin und Umgebung ständig verkaufen.
Redaktion
Die Redaktionssitzung des strassenfeger ist
immer dienstags zwischen 17.00 und 19.00
Uhr in der Prenzlauer Allee 87 in 10405
Berlin. Bei den öffentlichen Sitzungen, zu
Fotos: Andreas Düllick (3), cs (2)
Es gibt Verkäufer, die täglich mehrere Stunden verkaufen, dann wieder andere, die es
sporadisch und bei Bedarf tun. Es gibt hier
keine Festlegungen und keine Mindestverkaufsmengen. Jeder Verkäufer, jede Verkäuferin kann selbst entscheiden, wo und wann
er oder sie den strassenfeger anbietet.
Der strassenfeger erscheint vierzehntäglich montags mit 26 Ausgaben pro Jahr und
erreicht eine durchschnittliche verkaufte
Die Notübernachtung ist täglich geöffnet. Einlasszeiten sind von 17 bis 23 Uhr. Bis 10 Uhr
des darauffolgenden Tages muss die Notübernachtung wieder verlassen werden. Für Anmeldungen oder Beratung stehen die Mitarbeiter
der Notübernachtung gerne zur Verfügung.
In unserer Notübernachtung gilt eine Hausordnung, die von den Schläfern zu beachten
ist. Zu den Regeln gehören:
• keine Gewaltanwendung und keine Gewaltandrohung
• keine sexuelle Belästigung
• kein Drogen- & Alkoholkonsum oder -besitz
in unseren Räumen
• das Rauchen in den Betten ist strengstens
verboten
• ab 24 Uhr ist Nachtruhe
denen jeder kommen kann, werden die Texte
für die nächste Ausgabe besprochen und die
Themen und Beiträge für die folgenden Ausgaben festgelegt. Aber auch außerhalb der
wöchentlichen Redaktionssitzungen können
Artikel und Beiträge eingereicht werden. Bei
der Auswahl der Texte werden Artikel von VerkäuferInnen bevorzugt berücksichtigt. Wer
keine Erfahrung im Verfassen von Texten hat,
kann von der Redaktion Unterstützung und
Beratung beim Schreiben erfahren. Auch hilft
die Redaktion im Umgang mit Computern.
Der strassenfeger nimmt entschieden Partei
für Arme, Arbeitslose, Ausgegrenzte, Süchtige und Wohnungslose. Die Zeitung kann das
tun, weil sie und der Verein mob e. V., der den
strassenfeger herausgibt, unabhängig sind
von staatlicher Förderung und Finanzierung.
Der Verein trägt sich selbst aus den Einnahmen der Zeitung und der anderen Projekte,
aus Sach- und Geldspenden und öffentlich
geförderten Arbeitsprojekten.
Treffpunkt Kaffee Bankrott
In der Prenzlauer Allee 87 betreibt der Verein
mob e. V. einen offenen Treffpunkt für VerkäuferInnen, Vereinsmitglieder, MitarbeiterInnen
und AnwohnerInnen. Auch Hunde können mitgebracht werden. Der Treffpunkt ist barrierefrei erreichbar und bietet eine behindertengerechte Toilette. Der Treffpunkt ist ganzjährig
täglich zwischen 8 und 20 Uhr geöffnet. Zu
den Angeboten des Treffpunktes gehören:
• Soziale Kontakte und Selbsthilfe
• kostenloses Surfen im Internet
• Gelegenheit zum Aufenthalt und zum Aufwärmen
• Preiswertes Frühstück und Mittagsessen
sowie Kaffee, Tee und weitere Getränke
• Veranstaltungen und Ausstellungen
• Allgemeine Sozialberatung immer dienstags zwischen 14 und 17 Uhr
• Allgemeine Rechtsberatung durch eine
Anwältin immer montags zwischen 11 und
15 Uhr (außer in den Schulferien und an
Feiertagen)
mob e. V. betreibt den Treffpunkt Kaffee Bankrott ohne
staatliche Unterstützung nur
durch ehrenamtliche Mitarbeit und Spenden durch
die Bevölkerung. Weil wir
alle Angebote unseres Treffpunkts aus eigenen Mitteln
bestreiten müssen, erwarten
wir für einige unserer Leistungen in der Regel eine
Kostenbeteiligung in Form
einer Spende. Im Rahmen
unserer Möglichkeiten als
Selbsthilfeprojekt
verstehen wir unseren Treffpunkt
Kaffee Bankrott auch als
Anlaufstelle bei akuten Krisen und Problemfällen. Soweit es unsere Möglichkeiten zulassen, wollen wir Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.
Damit ist grundsätzlich unser Treffpunkt offen
für alle, die zu uns kommen.
Um dies zu gewährleisten, gelten folgende
Regeln:
• keine Gewaltandrohung und -anwendung
• keine sexuelle Belästigung
• kein Drogenkonsum in unseren Räumen
Selbsthilfehaus
Oderberger Straße 12
sen ein sehr ehrgeiziges
Sanier ungs vor haben
fach- und zeitgerecht
abzuschließen. Auf dieser Grundlage kann
nun der zweite Schritt
erfolgen, sich innovativ in die bestehende
Nachbarschaft einzubringen.
Eine Wohnung ist nicht alles – aber ohne Wohnung ist alles nichts. Aus diesem Grund ist das
Selbsthilfehaus in der Oderberger Straße 12
ein wesentlicher Bestandteil zur Bekämpfung
der aktuellen Wohnungsnot in der Stadt. Da
die aktuelle Wohnungsnot ursächlich auf den
strukturellen Mangel an preiswertem Wohnraum zurückzuführen ist und sich die öffentliche Hand aus der Wohnungsbauförderung
zurückgezogen hat, ist Selbsthilfe an dieser
Stelle dringend erforderlich.
Im Zeitraum 1999 bis 2003 hat mob e. V. im
Rahmen des Landesprogramms Wohnungspolitische Selbsthilfe ein Wohnhaus aus der Gründerzeit (Vorderhaus und Quergebäude) unter
Mitarbeit von ehemals Wohnungslosen unter
fachlicher Anleitung in Eigeninitiative instandgesetzt und modernisiert. Es entstanden dort
18 Wohneinheiten und zwei Gewerbeeinheiten.
Damit ist erstmalig in Berlin ein Projekt der
Selbsthilfe von wohnungslosen und armen
Menschen in der Lage, in eigenen Häusern
dauerhaft preisgünstigen Wohnraum anzubieten. Das Beispiel Oderberger Str. 12 zeigt:
Es ist möglich, zusammen mit Wohnungslo-
Der Verein hat einen
engen Kontakt zu allen
Mieterinnen und Mietern. In den seltenen
Fällen, in denen eine Wohnung frei wird, wird
diese bevorzugt an Wohnungslose oder Personen in schwierigen Wohnverhältnissen oder an
Menschen mit Wohnungsberechtigungsschein
(WBS) vergeben.
EDV – Abteilung
Computer- und Internetzugang sind inzwischen zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel geworden. In allen Projekten sind mehrere
Rechner im Einsatz. Dazu kommen die öffentlich zugänglichen Computer im Treffpunkt
Kaffee Bankrott. Die Aufgabe der EDV-Abteilung besteht darin, die Arbeitsfähigkeit (Wartung und Instandsetzung) der Computertechnik zu gewährleisten (einschließlich Drucker,
Server, Datensicherheit usw.).
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten bietet die EDVAbteilung auch an, gebrauchte Computer mit
Zubehör an bedürftige Menschen abzugeben
und bei technischen Problemen zu helfen.
Fotos: Andreas Düllick (1), cs (3), David Vogel (1), Borja Bretzke (1)
TrödelPoint: Gebrauchtwaren und Wohnungseinrichtungen
Der TrödelPoint hilft wohnungslosen Menschen, die wieder eine Wohnung erhalten,
bei der Einrichtung der Wohnung mit Möbeln,
Haushalts- und Gebrausgegenständen. Dabei
nehmen wir auch Kostenübernahmescheine
vom Sozialamt entgegen. Der TrödelPoint
unterstützt Bürgerinnen und Bürger im Raum
Berlin und Brandenburg, die Möbel oder Hausrat nicht mehr brauchen, im Keller lagern und
für eine sinnvolle Weiterverwendung an uns
abgeben wollen. Wir holen die Angebote ab
und vereinbaren dazu gerne einen Termin.
Dieses Konzept entlastet die Umwelt. Gebrauchsgegenstände, für die es noch Verwendung gibt, werden von uns abgeholt,
gegebenenfalls gereinigt, repariert und an
Bedürftige weitergegeben. Damit ist unser
Projekt umwelt- und ressourcenschonend.
Das Projekt schafft Beschäftigung. Menschen, öffentlich geförderte Beschäftigungen
mit Mehraufwandsentschädigungen (MAE),
also sogenannte 1-Euro-Jobs oder freie Tätigkeit (Arbeit statt Strafe) leisten, können ihre
Fähigkeiten und Fertigkeiten im TrödelPoint
einbringen. Auch andere Möglichkeiten der
Förderung ind möglich.
Praktikum
Mitarbeit
Berufsvorbereitendes Praktikum, Schülerpraktikum
Mitarbeiten bei mob e. V. kann grundsätzlich
jede und jeder. Dennoch sind Vollzeitarbeitsplätze bei uns die Ausnahme. Wir bieten folgende Möglichkeiten der Mitarbeit an:
• ehrenamtliche Tätigkeit
• „Arbeit statt Strafe“/Freie Tätigkeit (AsS)
• Mehraufwandentschädigungs-Jobs (MAE,
sogenannte 1-Euro-Jobs)
• weitere geförderte Arbeitsmöglichkeiten
in Kooperation mit dem Arbeitslosenamt,
dem JobCenter oder dem Sozialamt nach
individueller Absprache.
Praktika sind grundsätzlich in allen Projekten des Vereins möglich. Beispielsweise in
den Bereichen
• Redaktion & Layout
• Notübernachtung
• Treffpunkt Kaffee Bankrott
• Projekt TrödelPoint
• Verwaltung, Buchhaltung
• EDV-Abteilung
Kontakt und Adressen
Unsere Telefonnummern und Adressen
finden Sie auf Seite 51 (Impressum).
Spenden / Unterstützung
mob – obdachlose machen mobil e. V. „will allgemein auf das Problem der Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot aufmerksam machen,
in sozialer, kultureller und politischer Hinsicht aufklärend auf die Bevölkerung einwirken und eine konstruktive Zusammenarbeit
zwischen Wohnungslosen und Nicht-Wohnungslosen ermöglichen, unterstützen und
kritisch begleiten.“ (aus § 2 der Satzung)
mob – obdachlose machen mobil e. V. „verfolgt
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige
bzw. mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts
‚Steuerbegünstigte Zwecke’ der Abgabenordnung. Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche
Zwecke.“ (aus § 3 der Satzung)
Geldspenden für die Notübernachtung („Ein
Dach über dem Kopf“) oder für laufende
Ausbauvorhaben. Möglich sind aber auch
Benefiz-Events und andere denkbare Formen
der Zusammenarbeit zum gegenseitigen
Vorteil.
Um die Ziele umzusetzen und die entsprechenden Projekte entwickeln und
unterhalten zu können, ist der Verein auf
vielfältige Unterstützung angewiesen: die
ehrenamtliche Mitarbeit, Sachspenden für
den TrödelPoint oder für die laufende Arbeit,
Spendenbescheinigungen stellen wir auf
Wunsch gerne aus.
Bankverbindung:
Kto.-Nr.: 328 38 00
BLZ 100 205 00
Bank für Sozialwirtschaft
46
strassen|feger
Nachgefragt
Ratgeberausgabe 2009
Fragen des strassenfeger an den Vorstand Grundsicherung
der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt
dies fast eine Million Menschen. Unser Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (IAB) weist regelmäßig Daten zur tatsächlichen Unterbeschäftigung in Deutschland aus. Darin enthalten sind neben den
Personen in Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik auch Menschen, die
sich aus den verschiedensten Gründen vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Das IAB schätzt diese Zahl auf rund eine halbe Million
Menschen. Wir gehen also davon aus, dass in Deutschland aktuell
etwa 5 Millionen Personen auf Arbeitssuche sind.
sf: 2008 gab es in Deutschland im Schnitt 3,268 Mio. Arbeitslose, 1,6
Mio. weniger als 2005. Davon 2,257 Mio. im Bereich SGB II und 1,011
Mio. im Bereich SGB III. Warum gibt es gerade im Bereich ALG II so viele
Menschen?
Heinrich Alt, Mitglied
des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit
(Quelle/Foto: bundesagentur.de)
Mit dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit sprachen Andreas
Düllick und Torsten Scharmann.
strassenfeger: Wie will die BA die neuen Herausforderungen bewältigen,
die sich aus der Weltwirtschaftskrise und der damit verbundenen steigenden Zahl der Arbeitslosen im Bereich ALG I bzw. ALG II bewältigen?
Heinrich Alt: Wir konzentrieren uns mit ganzer Kraft auf unsere Arbeit.
Wir sind in der Verantwortung, unseren Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass wir ihnen in dieser Zeit zur Seite stehen und Unterstützung
geben können. Natürlich bedeutet dies für die Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsagenturen und den Trägern der Grundsicherung vor
Ort eine hohe Arbeitsbelastung, aber ich persönlich erlebe die Kollegen
sehr engagiert und motiviert. Außerdem wurden der Bundesagentur im
Rahmen des Konjunkturpaketes II zusätzlich 5.000 Vermittlerstellen zur
Verfügung gestellt. Wir werden die Zeit der Krise unter anderem dazu
nutzen, um Arbeitsuchende zu qualifizieren. Nach der Krise sollten wir
wettbewerbsfähiger sein als vor der Krise.
sf: Statistiken zur Arbeitslosigkeit beruhen auf Parametern, denen Ihre
Institution Folge zu leisten hat. Offiziell gelten heute nur dreieinhalb
Millionen Menschen als arbeitslos. Nach konkurrierenden Untersuchungen werden zurzeit für Deutschland zwischen sieben und achteinhalb
Millionen Personen angenommen, die sich selbst als arbeitslos bezeichnen. Werden von der Bundesagentur Untersuchungen in dieser Richtung
erhoben? Wenn ja: Zu welchem Ergebnis gelangen sie?
H. A.: Deutschland hat immer noch die ehrlichste und transparenteste
Arbeitslosenstatistik in Europa, wenn nicht gar weltweit. Gemessen
an den international üblichen Definitionen der EU und der ILO [Anmerkung: ILO = International Labour Organization] sind die Arbeitslosenzahlen der BA rund 10 Prozent überzeichnet. Arbeitsuchende, die
sich in Qualifizierungsmaßnahmen befinden oder im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt sind, gelten nach der offiziellen Statistik nicht als
arbeitslos, werden von uns aber gesondert ausgewiesen. Derzeit sind
H. A.: Zum einen hatten wir natürlich eine Art „Starteffekt“. Mit Einführung des SGB II im Januar 2005 haben wir unsere Arbeit in der
Grundsicherung mit über 2,2 Millionen Arbeitslosen begonnen. Dies
waren ehemalige Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfeempfänger. Außerdem
ist durch die Verkürzung des Arbeitslosengeld-I-Bezuges der Übergang vom Rechtskreis SGB III in den Bereich des SGB II zeitlich verlagert geworden.
Zum anderen müssen wir uns die Struktur der Arbeitslosen in den
beiden Rechtskreisen genau ansehen. Im SGB III sind größtenteils
Menschen, die erst vor kurzer Zeit ihre Arbeit verloren haben oder
nach der Ausbildung nicht übernommen werden konnten. Gerade während der Kündigungsphase und in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit
sind die Vermittlungschancen besonders gut. Im SGB II haben wir
zum Beispiel Langzeitarbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund, Jugendliche ohne Ausbildung oder auch Menschen mit vielschichtigen Lebensumständen, die eine Vermittlung erschweren. Hier
wirkt gute Vermittlungsarbeit nur dann, wenn sie ganz individuell auf
den Einzelnen zugeschnitten ist, angefangen von der Beratung zur
persönlichen Stabilisierung, über Qualifizierung oder auch Arbeitsgelegenheiten als Brücke in den Arbeitsmarkt. Hier ist der Weg in Arbeit
mit vielen kleinen Integrationsfortschritten verbunden. Wir haben
aber auch im SGB II Fachkräfte, die wir zeitnah Arbeit bringen.
sf: Was ist mit Menschen, die eine Maßnahme der Jobförderung (in der
Regel sechs Monate bei MAE) bekommen haben bzw. mit Menschen, die
eine Weiterbildung im Rahmen des SGB II/ALG II machen müssen? Fallen
die aus der Arbeitslosenstatistik raus, wenn ja warum und verfälscht
diese Praxis die Statistik nicht unzulässig?
H. A.: Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind
nach dem Gesetz nicht arbeitslos. Dazu gehören unter anderem Weiterbildungs- oder Trainingsmaßnahmen oder eben auch die Arbeitsgelegenheiten. Unsere Statistiken weisen dies aber gesondert aus. Weiterbildungsangebote sollten immer als Chance und nicht als „Muss“
verstanden werden.
sf: Warum hat die BA in 2008 Mittel in Höhe von 843 Millionen Euro
– das sind 9,7 Prozent von 7,852 Milliarden insgesamt – nicht wie vorgesehen für die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung eingesetzt?
H. A.: Die von Ihnen genannten Haushaltsmittel standen 2008 nicht für
die aktive Arbeitsförderung, sondern für sogenannte Pflichtleistungen zur
Verfügung. Hierunter fallen zum Beispiel die Berufsausbildungsbeihilfe,
der Ausbildungsbonus, Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen oder die Förderung der beruflichen Selbständigkeit.
strassen|feger
Ratgeberausgabe 2009
Nachgefragt
47
Foto: uk
sf: Gibt es Erhebungen, wie viele Personen seit Einführung des SGB II
bisher Leistungen nach der Hartz-IV-Gesetzgebung in Anspruch genommen haben? Wie hoch ist also der „Durchlauf“?
sf: Wenn keine Vollbeschäftigung absehbar ist: Halten Sie das Postulat
von „Fördern und Fordern“ für vertretbar, sobald der zugrunde liegende
Anspruch ins Leere läuft?
H. A.: Für den Zeitraum 2005 bis zum Ende des Jahres 2007 haben
wir eine sehr detaillierte Analyse unseres Institutes für Arbeitsmarkt
und Berufsforschung (IAB) vorliegen. Demnach sind wir mit Einführung von Hartz IV mit 6,1 Millionen Menschen in der neuen Grundsicherung gestartet. Innerhalb der 3 Jahre kamen weitere 5,5 Millionen Menschen hinzu, sodass bis Dezember 2007 rund 11,6 Millionen
Menschen zumindest zeitweise oder auch wiederholt Unterstützung
aus der Grundsicherung erhielten. Demgegenüber stehen aber auch
Menschen, die in diesem Zeitraum ihre Hilfebedürftigkeit beenden
konnten, zum Beispiel durch die Aufnahme einer Arbeit. Was wir dem
Bericht leider entnehmen können, ist, dass es noch nicht in ausreichendem Maße gelingt, Hilfebedürftigkeit dauerhaft zu beenden. 40
Prozent derjenigen, die Hartz IV bezogen haben, sind spätestens nach
einem Jahr erneut auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die Zahl
bedeutet aber auch, dass es eben zu 60 Prozent gelang, Hilfebedürftigkeit längerfristig oder dauerhaft zu beenden.
H. A.: Ich bin und bleibe ein Verfechter des Prinzips Fördern und
Fordern, wenn es konsequent und mit Augenmaß angewandt wird.
Die richtige Idee liegt ja darin, dass wir in Deutschland den traditionellen Ansatz der „Umverteilung“ durch die Betonung der „Aktivierung“ abgelöst haben. Es heißt nichts anderes, als dass jene, die
keine Erwerbsarbeit haben, aber staatliche Unterstützung erhalten,
verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Gegenleistung
für die gewährte Hilfe zu erbringen. Dazu gehört unter anderem die
Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, wie zum Beispiel durch die
Teilnahme an Weiterbildungs- oder Trainingsmaßnahmen oder auch
an Arbeitsgelegenheiten. Mit einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik möchten wir die individuelle Eigenverantwortung und Eigenkompetenz stärken. Dies kann und darf nicht falsch sein. Aktivierender
Staat bedeutet letztendlich Teilhabe zu organisieren, statt Menschen
außerhalb der Gesellschaft zu „versorgen“.
sf: Vertreten Sie die Auffassung, dass Vollbeschäftigung in Deutschland
möglich ist? Wenn ja: Welche Bedingungen der Möglichkeit sind dafür
erforderlich?
H. A.: Vollbeschäftigung würde ja in der Theorie bedeuten, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ausgeglichen sind. Dies würde
zunächst voraussetzen, dass alle Arbeitnehmer bedingungslos flexibel
und mobil sind. Wir haben derzeit rund 300.000 offene Stellen und
dies sind nur die Arbeitsplätze, die der Bundesagentur gemeldet sind.
Nach unseren Hochrechnungen liegt das gesamtwirtschaftliche Stellenangebot bei 1,1 Millionen. Dies zeigt, wie schwierig es ist, sowohl
einen qualitativen als auch quantitativen Ausgleich am Arbeitsmarkt
zu realisieren. Wir müssen uns aber auch ehrlich die Frage stellen,
wie viele Personen in Deutschland zum Beispiel durch gesundheitliche
Einschränkungen, durch jahrelange Arbeitslosigkeit oder durch persönliche Lebensumstände, realistisch gesehen, nicht mehr in den ersten
Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Wenn es uns gelingt, diese
Menschen zu erreichen und zum Beispiel durch organisierte öffentliche
Arbeit langfristig am Erwerbsleben teilhaben zu lassen, dann könnten
wir einen Schritt in Richtung Vollbeschäftigung in Deutschland gehen.
Die Arbeit geht uns zumindest auch in Zukunft nicht aus ...
sf: Welche Auffassung vertreten Sie selbst zum Thema „bedingungsloses
Grundeinkommen“? Halten Sie in diesem Zusammenhang das Argument
für bedenkenswert, dass auch in Ihrer Behörde enorme Potenziale frei
werden würden, die für unsere Gesellschaft an anderer Stelle dringend vonnöten sind – zum Beispiel in Bildung, Pflege und aktivem Umweltschutz?
H. A.: Die Idee des „bedingungslosen Grundeinkommens“ ist bisher
nicht praxistauglich.
sf: Gab es und/oder gibt es Untersuchungen Ihrer Agentur, die die Auswirkungen der Alg-I- und Alg-II-Regelungen hinsichtlich der Verarmung,
aber insbesondere der Altersarmut betrachten? Zu welchen Ergebnissen
sind diese Untersuchungen gekommen? Halten Sie selbst es für angemessen, dass eine lebenslang angesparte Rücklage aufgrund unverschuldeter Arbeitslosigkeit weggenommen wird und damit die Altersarmut erst
erzeugt – und machen diese Enteignungen volkswirtschaftlich betrachtet
überhaupt Sinn?
H. A.: Als Bundesagentur für Arbeit ist es unser gesetzlicher Auftrag,
bei Arbeitslosigkeit Entgeltersatzleistungen zu zahlen oder im Sinne
von Hartz IV gemeinsam mit den Kommunen dafür zu sorgen, dass
Menschen in unserer Gesellschaft existenzsichernd leben können. Die
48
Nachgefragt
Bundesregierung gibt jährlich einen Armuts- und Reichtumsbericht
heraus, der natürlich auch die Gründe dafür beleuchtet, warum Armut
im Allgemeinen und Kinder- und Altersarmut im Speziellen zunehmen.
Es ist aber Aufgabe der Politik zu bewerten, ob die aktuelle Gesetzgebung diesen Zustand eher begünstigt oder nicht.
Die Arbeitslosengeld-II-Regelungen zur Anrechnung von Vermögen sind
nicht neu. Diese wurden weitestgehend aus der alten Arbeitslosen- und
Sozialhilfe übernommen. Grundlage hierfür ist das Prinzip, dass der
Staat dann einspringt, wenn man sich aus eigenen Mitteln nicht selbst
helfen kann. Dies bedeutet, dass Einkommen und Vermögen zunächst zu
verbrauchen sind. Angesparte Rücklagen werden im Falle eingetretener
Arbeitslosigkeit aber nicht willkürlich weggenommen. Es gibt Regelungen, wonach insbesondere Ersparnisse für die Altersvorsorge unangetastet bleiben. Außerdem gibt es einen Freibetrag in Höhe von 150
Euro je Lebensalter. Am Beispiel eines Ehepaares, beide 50 Jahre alt,
entspricht dies einem Vermögen von 15.000 Euro.
Der beste Weg, Altersarmut zu bekämpfen, ist, für stabile und lange
Erwerbsbiografien zu sorgen.
sf: Die Bundesregierung und die BA setzen auf das Instrument Kurzarbeit. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit erzeugen einen immensen Verlust
an Produktivität. Wer seine regelmäßige Arbeit zehn Monate oder länger
verloren hat, gilt nach verschiedenen Untersuchungen bereits als arbeitsunfähig. Ihre Partei hätte mit einem Bruchteil der heutigen großzügigen
Ausgaben an das Finanzmarktkapital hier Abhilfe leisten können. – Wie
denken Sie heute darüber?
H. A.: Ich bin ein großer Befürworter des Instruments Kurzarbeit,
denn Kurzarbeit sichert Arbeitsplätze. Kurzarbeit bedeutet für mich
nicht gleichzeitig Verlust von Produktivität. Unsere derzeitigen
Erfahrungen zeigen, dass Kurzarbeit lediglich zu einem durchschnittlichen Arbeitsausfall von 30 Prozent führt. Gegenüber den Unternehmen werben wir dafür, dass diese 30 Prozent für die Weiterbildung der
Beschäftigten genutzt werden. Dies entlastet zum einen das Unternehmen finanziell und zum anderen erhöht dies die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach der Krise gehen
sie mit neu erworbenem Wissen an den Start und verbessern damit
natürlich auch ihren eigenen Marktwert.
sf: Sie bewerben Kurzarbeit in einer breit angelegten Kampagne. Im
Rahmen des Konjunkturpakets II wurde die mögliche Bezugsdauer von
sechs auf 18 Monate erhöht. Der entscheidende Vorteil aus dem Konjunkturpaket II wird den Arbeitnehmern aber vorenthalten. Die zugunsten der
Arbeitnehmer rückwirkend vorgenommenen Änderungen des Einkommensteuertarifes werden in den Nettoentgelttabellen, die der Berechnung
des Kurzarbeitergeldes zugrunde liegen, nicht berücksichtigt. Folge: Das
Kurzarbeitergeld fällt geringer aus. Warum ändern Sie das nicht sofort?
H. A.: Diese Frage müssen Sie der Politik stellen. Als BA wenden wir
das Gesetz an. In der Rolle als Berater der Politik haben wir auf diese
Situation hingewiesen.
sf: Stichwort „Rente ab 67“: Haben die verschiedenen Maßnahmen Ihrer
Einrichtung zu einer erkennbaren Steigerung der Beschäftigungsrate in
der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen geführt? Wie würden Sie selbst
eine erkennbare Steigerungsrate, die die Heraufsetzung des Rentenalters
sinnvoll erscheinen lässt, definieren? Oder findet hier de facto eine Rentenkürzung ihren Anfang?
H. A.: Zunächst einmal ist die Erhöhung der Beschäftigung von
Älteren erklärtes Ziel der europäischen Länder und in den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU verankert. Darin steht, dass die
Gesamtbeschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer mindestens 50 Prozent betragen soll, verbunden mit einer Verringerung der Arbeitslo-
strassen|feger
Ratgeberausgabe 2009
sigkeit. Damit hat Deutschland einen eindeutigen Auftrag
erhalten, den wir als BA natürlich in der Umsetzung unterstützen, zusammen mit dem BMAS zum Beispiel mit dem
Beschäftigungsprogramm „50plus“. Und dies tun wir recht
erfolgreich. Im letzten Jahr ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Älterer über 55 Jahre gegenüber
2007 um 7,5 Prozent gestiegen.
Für mich persönlich ist es vor dem Hintergrund der
demografischen Entwicklung wichtig, dass alle Gruppen der
Gesellschaft am Arbeitsleben teilhaben können. Dazu zählen
Menschen mit Migrationshintergrund, Geringqualifizierte,
Frauen und hier insbesondere Alleinerziehende, Jugendliche und eben auch Ältere. Dies stärkt letztendlich auch den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.
sf: Eine eher persönliche Frage: Wenn Ihre eigenen Kinder
oder Enkelkinder oder die Ihrer Freunde oder Nachbarn auf
die finanzielle Unterstützung nach SGB II angewiesen wären
– welche berufliche Neuorientierung würden Sie sich für diese
Personen wünschen? Meinen Sie, dass die JobCenter dazu in
der Lage sind, die nötigen Perspektiven zu bieten?
H. A.: In den JobCentern sind alle entsprechenden Kompetenzen gebündelt, sowohl von der Arbeitsagentur als auch
von den Kommunen. Von daher hier ein eindeutiges Ja.
Unsere Vermittlungsfachkräfte sind Experten und können
die Arbeitsmarktchancen jedes Einzelnen einschätzen.
Eine berufliche Neuorientierung ist natürlich ein wichtiger Schritt, der in die richtige Richtung gehen muss. Die
Kolleginnen und Kollegen in den JobCentern leisten hier
sehr gute Arbeit, auch wenn ich weiß, dass wir hier noch
Verbesserungspotenziale haben.
sf: Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie und Ihre Familie
wenigstens sechs Monate von den gegenwärtigen Regelsätzen leben? Welche Regelsätze wären Ihrer Meinung nach zum
Überleben notwendig?
H. A.: Ich denke, die Politik hat einen Regelsatz ermittelt,
der das Existenzminimum absichert. Natürlich muss man sich
in dieser Zeit einschränken, aber der Sinn einer Grundsicherung kann ja auch nicht darin bestehen, dauerhafte Erwerbslosigkeit zu finanzieren. Als Student habe ich mehrere Jahre
auf dem Niveau der heutigen Grundsicherung gelebt.
sf: Wie denken Sie über den Mindestlohn? Wie hoch muss Ihrer Meinung nach das Einkommen einer vierköpfigen Familie sein, dass es ihr zu
einem normalen, angemessenen und kulturvollen Leben genügt?
H. A.: Mindestlöhne können einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Das Existenzminimum ist gesetzlich definiert.
sf: Der Charakter der Arbeit wird sich grundlegend wandeln – von der
bisherigen lebenslangen Arbeitsplatzbindung hin zur projektbezogenen
Tätigkeit. Wie stellt sich Ihre Behörde darauf ein und welche Sicherungssysteme im Falle der Erwerbslosigkeit können Sie dann bieten?
H. A.: In unserer Arbeitsweise haben wir uns bereits auf den Wandel
der Arbeitswelt eingestellt. Wir denken nicht mehr in klassischen
Berufsbildern, sondern in Kompetenzen, sowohl in beruflicher als
auch persönlicher Hinsicht. Dies ermöglicht uns, den Vermittlungsprozess viel flexibler zu gestalten. Ein Tischler zum Beispiel kann
nicht nur gut mit Holz umgehen, sondern ist kreativ, hat ein gutes
Vorstellungsvermögen und arbeitet projektorientiert. Diese Kompetenzen eröffnen deutlich mehr Einsatzgebiete.
strassen|feger
Nachgefragt
Quelle: wikipedia
Ratgeberausgabe 2009
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sf: Welche Folgen hat es für Sachbearbeiter und Fallmanager, wenn
sie eindeutig gegen bestehendes Recht verstoßen, z. B. rechtswidrige
Bescheide erlassen oder Eingliederungsvereinbarungen per Post verschikken? Wenn dieses Verhalten Folgen hat, welche und in wie vielen Fällen
war das jährlich der Fall?
H. A.: Wer grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt, wird sanktioniert.
Gott sei Dank sind dies nur wenige Einzelfälle.
sf: Im April 2007 ist in Speyer ein junger Mann, der an Depressionen
litt, nach Sanktionen durch das JobCenter verhungert. Bekanntlich sind
Menschen mit derartigen Erkrankungen z. T. oft wochenlang nicht in der
Lage, auf Post o. ä. zu reagieren oder die Wohnung zu verlassen. Was
hat die BA unternommen, um mit solchen Menschen angemessen umzugehen und weitere Todesfälle zu vermeiden, indem man auf Sanktionen
verzichtet oder diese aussetzt?
H. A.: Der Fall ist natürlich dramatisch und erschütternd. Präventiv
kann man durch einen engen Kontakt im Netzwerk mit Sozialämtern,
medizinischen Diensten und dem Kunden Vorsorge treffen.
sf: Es gibt keine wirklich professionelle und passgenaue Bildungs- und
Berufsberatung sowie Betreuung durch Fallmanager. Insbesondere gibt es
keine freiwillige Zielvereinbarung, sondern eine angeordnete Eingliederungsvereinbarung (dies wird auch als „Beratung im Sanktionskontext“
bezeichnet). Wie wollen Sie das in Zukunft verändern, verbessern?
H. A.: Ihren ersten Satz möchte ich vehement bestreiten. Ich lade
Sie gerne mal zu einem Besuch in ein JobCenter ein. Dort werden
Sie sehen, wie professionell Bildungsberatung und Fallmanagement
umgesetzt werden. Die Eingliederungsvereinbarung ist der individuelle Fahrplan zurück auf den Arbeitsmarkt und Ergebnis des Prinzips Fördern und Fordern. Der Gesetzgeber hat uns aufgefordert, mit
jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine solche Vereinbarung
abzuschließen. Damit weiß jeder, wo er steht und was er von der BA
oder der Kommune zu erwarten hat.
sf: Wir bekommen häufig Berichte über fragwürdige Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich des ALG II/MAE: Hochschulabsolventen müssen
Bewerbungstraining machen, incl. Lebenslauf schreiben etc. Was soll das
den Menschen bringen?
Form und Funktion: Verwaltungszentrum der BA in Nürnberg
sf: Viel Kritik gibt es an den MAE-Maßnahmen. Der Bundesrechnungshof
hat mehrmals festgestellt, dass die Maßnahmen häufig nicht zusätzlich
und von öffentlichem Interesse sind. Was hat die BA unternommen, um
diese gesetzeswidrigen Maßnahmen durch die Träger zu unterbinden?
H. A.: Zusammen mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen
Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie der
Freien Wohlfahrtspflege haben wir uns darüber unterhalten, wie wir
öffentlich geförderte Beschäftigung im Rahmen der Grundsicherung
gestalten können. Unisono haben wir uns darauf verständigt, dass
Zusatzjobs keine regulären Beschäftigungsverhältnisse verdrängen
dürfen. Entstanden ist eine gemeinsame Erklärung, die beschreibt, in
welchen Bereichen Zusatzjobs sinnvoll sind, immer unter dem Aspekt
der Zusätzlichkeit und dem öffentlichen Interesse. Außerdem gibt es
in fast allen JobCentern Beiräte, die als beratendes Organ die Umsetzung der regionalen Arbeitsmarktpolitik begleiten. In den Beiräten
sind alle Partner am Arbeitsmarkt vertreten. Damit ist gewährleistet,
dass die Interessen aller Parteien Berücksichtigung finden. Ich denke
also schon, dass wir als BA alles unternommen haben, um die Arbeitsgelegenheiten gesetzeskonform in der Praxis umzusetzen.
H. A.: Weiterbildung kann nie schaden. Viele Hochschulabsolventen
sind keine Bewerbungsprofis. Oder nehmen Sie einen Arbeitsuchenden, der 20 Jahre lang in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet hat.
Er musste sich noch nie um eine andere Arbeitsstelle bemühen. Die
Bewerbung ist der erste Eindruck und somit die ganz persönliche Eintrittskarte in den Job. Umso professioneller sollte sie auch gestaltet
sein und dies zu unterstützen ist richtig.
sf: Die Bundesrepublik hat über Jahrzehnte „Sockelarbeitslosigkeit“ (laut
DIW) aufgebaut, d. h., die Erwerbslosigkeit hat im Aufschwung nicht
stärker abgenommen, als sie im darauf folgenden Abschwung wuchs.
Damit einher ging wachsende Ungleichheit bei Einkommen. Was kann die
BA diesbezüglich tun?
H. A.: Die BA verbessert durch Aus- und Weiterbildung indirekt die
Einkommensmöglichkeiten. Was wir auch tun können, ist die aktive
Einbindung der Langzeitarbeitslosen in den Vermittlungsprozess.
Und dies gelingt uns ganz gut. Immerhin haben wir heute 20 Prozent
weniger Langzeitarbeitslose als noch vor einem Jahr.
sf: Wir bedanken uns, dass Sie uns Gelegenheit gegeben haben, Ihnen
Fragen zu stellen, die für viele Menschen sehr wichtig sind.
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strassen|feger
Schnittstelle
Ratgeberausgabe 2009
Schnittstelle von Wolfgang Mocker
Jetzt sind die Rettungsmaßnahmen der Regierung gegen
die Finanzkrise endlich auch bei den Hartz-IV-Empfängern angekommen. Der Regelsatz wird ab Juli 2009 auf
stolze 359 Euro erhöht.
Gleichzeitig wurde Hartz IV gigantisch ausgeweitet. Bis
tief in den systemisch wichtigen Finanzsektor hinein!
Mittlerweile leben bereits ganze Großbanken von Staatsknete. Dadurch beschäftigt Hartz IV die Gerichte noch
stärker als früher. Nicht nur, daß viele Langzeitarbeitslose gegen staatlich verordnete zwangseheähnliche Verhältnisse und Zahnbürsten-Razzien klagen, selbst Bankmanager versuchen sich auf ihren Arbeitsplatz zurückzuklagen. Oder wenigstens ordentliche Abfindungen und
Ruhestandsbezüge vor Gericht rauszuholen. Schließlich
haben gerade sie viele, viele Milliarden erwirtschaftet.
Verluste zwar, aber dafür eigenhändig!
Flankierend zu den
Sozialmaßnahmen für
notleidende
Banken
hat die Regierung zeitgleich die Geldstrafen
drastisch erhöht. Steuerhinterzieher sollen
nun ebenfalls stärker
gefördert und gefordert werden. Immerhin
können künftig saftige
Geldstrafen zwischen
10,8 Millionen für einfache und 21,6 Millionen Euro für mehrere
Straftatbestände verhängt werden. Dies
dürfte jedoch nur echte Spitzenverdiener unter den Wirtschaftskriminellen treffen. Also eher die Ausnahmen. Die
Kassiererin aus dem Supermarkt kommt bei Untreue bis 1,30
Euro auch weiterhin mit einer einfachen Kündigung davon.
Müssen Reiche jetzt etwa richtig bluten? Sieht ganz so
aus. Denn gerade für die Ärmsten der Reichen dürfte
eine Geldstrafe von mehreren Millionen praktisch einer
Enteignung gleichkommen. Manche sprechen in diesem
Zusammenhang sogar von einer Todesstrafe light für Vermögende.
Der erhöhte Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro gilt unter
den Betroffenen – gerade wegen seiner Höhe – ebenfalls
als eine Art Geldstrafe. Wofür? Na, für Arbeitslosigkeit
natürlich. Und das mit Recht. Denn Arbeitslosigkeit ist
schließlich auch ein schweres Wirtschaftsverbrechen. Sie
würgt die Konjunktur ab und führt zu äußerst unbeliebten Mindereinnahmen beim Fiskus.
Eine sächsische CDU-Abgeordnete forderte von Bundessozialminister Olaf Scholz nun auch noch eine Abwrackprämie für Hartzis. Nein, nicht was Sie denken – daß
man für einen seit mindestens neun Jahren arbeitslosen
Bürger nicht einfach einen niegelnagelneuen Hartz-IV-
Empfänger bekommt, der sich von lediglich 2.500 Euro
selbst finanzieren könnte, ist sogar der CDU klar. Es geht
vielmehr darum, ob auch Hartzis für den Kauf eines Neuwagens die umweltzweckgebundene Prämie abzugsfrei
erhalten sollen, oder ob die Mäuse ein einmaliges Sondereinkommen für Arbeitslose darstellen, das man von
ihren Hartz-IV-Bezügen abziehen könnte. Mit anderen
Worten: Dürfen auch Langzeitarbeitslose die Konjunktur
ankurbeln? Oder müssen sie stur auf unbezahlte Arbeit in
Form eines 1-Euro-Jobs warten?
Der Hinweis auf die Gleichheit aller Bürger vor dem
Gesetz greift hierbei nicht. Oder doch nur ins Leere. Denn
andernfalls müßten etliche Manager und Landesbankdirektoren ja längst Hartz-IV-Empfänger sein. Allen voran
der Namenspatron aller Hartzis – Peter von und zu Hartz.
Das heißt, der müßte eigentlich wegen Untreue in 44
Fällen sogar 15 Jahre
lang Tüten kleben.
Wenn alles mit rechten
Dingen
zugegangen
wäre. Statt mit gelinkten Absprachen.
Aber wir leben natürlich in einem freien
Land. Nicht nur auf
Chefetagen, auch im
Kellergeschoß. Betteln
zum Beispiel ist Langzeitarbeitlosen nicht
verboten. Betteln ist
keine Arbeit im Sinne
des
Sozialgesetzbuchs. Die Einnahmen
aus dieser Tätigkeit gelten demnach nicht als Einkommen und dürfen nicht zur Senkung von Sozialleistungen
mißbraucht werden. Das wäre glatter Sozialmißbrauch!
Wie in Göttingen geschehen, wo ein staatlich bestallter
Sozialamtsschimmel einen Hartz-IV-Empfänger tagelang
und flächendeckend beim Betteln bespitzelt hatte. Auf
die Kulanz des Göttinger Oberbürgermeisters sollten sich
andere Arbeitslose aber nicht zu sehr verlassen. Sie war
im Grunde nur wegen der Proteste der Öffentlichkeit
gewährt worden.
Ähnliche Symphatiekundgebungen aus der deutschen
Bevölkerung sind bei den Seeräubern, die unsere
Marine gerade im Golf von Aden geschnappt hat, nicht
zu befürchten. Da die Freibeuter sich an einem deutschen Tanker vergriffen haben, gehören sie streng nach
dem Gesetz eigentlich vor ein deutsches Gericht. Doch
in diesem Fall will unser Rechtsstaat Milde walten und
Gnade vor Recht ergehen lassen. Aus der CDU heißt es:
Gnade den Seeräubern Gott! Wir werden diese Burschen
nicht auch noch zum Asylverfahren einladen, sondern
nach Kenia abschieben.
Afrikanische Piraten sind so arm – die kann man nicht
mal mit Hartz IV bestrafen.
strassen|feger
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Ratgeberausgabe 2009
strassen|feger
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Vorsitzende: Dr. Dan-Christian Ghattas,
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Redaktionelle Mitarbeit für die Ausgabe
Lou Brass, Andreas Düllick, Dan-Christian Ghattas,
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Ringk, Scharmann
Titelbild Andreas Prüstel
Rücktitel-Konzept „Dach über dem Kopf“
Anne Wenkel und Sebastian Quellmann
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Foto: r.Werner Franke
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