Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut
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Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut
VENRO-Projekt »Perspektive 2015 – Armutsbekämpfung braucht Beteiligung« Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 2015 Die Internationale Finanzfazilität – Neue Zauberformel der Entwicklungsfinanzierung? im Gespräch 2015 im Gespräch 2015-No_8 IFF-Studie.indd 1 8 19.08.2005, 15:53:51 Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Die Internationale Finanzfazilität – Neue Zauberformel der Entwicklungsfinanzierung? 2015 im Gespräch Impressum Herausgeber Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO) Dr. Werner-Schuster-Haus Kaiserstr. 201 D-53113 Bonn Tel.: 02 28/9 46 77-0 Fax: 02 28/9 46 77-99 E-Mail: [email protected] Internet: www.venro.org VENRO Projektbüro Berlin Dietrich-Bonhoeffer-Haus Ziegelstr. 30 D-10117 Berlin Tel.: 030/28 04 66-70 Fax: 030/28 04 66-72 E-Mail: [email protected] Internet: www.2015.venro.org und www.prsp-watch.de Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Redaktion Dr. Gerhard Gad (V.i.S.d.P.) Der Autor der Studie ist Jens Martens. Er ist Leiter des Europa-Büros des Global Policy Forum (GPF) und bearbeitet für das GPF vor allem die Themenbereiche Internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik, UN-Reform und corporate accountability. Fotos Umschlag Jens Frayer und Dr. Gerhard Gad, Inhalt Dr. Gerhard Gad Satz & Layout Just in Print, Bonn Druck Druckerei Leppelt, Bonn Bonn und Berlin, August 2005 Inhaltsverzeichnis Einführung 3 5 1. Die Kosten der Millenniumsziele – ein Soll-Ist-Vergleich 2. Neue Initiativen zur Finanzierung der MDGs 7 9 2.1 Stufenplan zur ODA-Erhöhung 9 2.2 Neue internationale Finanzierungsinstrumente 10 3. Der Vorschlag für eine Internationale Finanzfazilität (IFF) 14 3.1 Das Grundkonzept der IFF 14 3.2 Mögliches Einnahme- und Ausgabeszenario 15 4. Pilotprojekt IFF für Impfungen (IFFIm) 5. Der Teufel steckt im Detail – Die IFF unter der Lupe 20 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 Zusätzlichkeit 20 Refinanzierung 20 Komplementarität 21 Absorptionsfähigkeit 22 Konditionalität 23 Governance 24 Transaktionskosten 24 Verteilungseffekte 25 6. Fazit: Anforderungen an eine entwicklungspolitisch sinnvolle IFF Literatur 28 17 26 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Diagramme und Tabellen Tabelle 1 4 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Diagramm 1 Diagramm 2 Diagramm 3 Diagramm 4 Diagramm 5 Geschätzter Bedarf an öffentlicher Entwicklungshilfe zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele 8 2015-Stufenplan der Europäischen Kommission zur Erhöhung der ODA 10 Möglicher 2015-Stufenplan Deutschlands zur Erhöhung der ODA 10 Innovative Finanzierungsinstrumente 12 Organisationsstruktur der IFF 15 Beispiel eines Einnahme- und Ausgabeplans der IFF 2006–2034 16 Modelltypisches Ablaufschema einer Finanzierung durch IFFIm 18 Szenario der ODA-Entwicklung mit und ohne IFF 2004–2034 21 Szenarien der ODA-Entwicklung 2004 bis 2015 22 Abkürzungsverzeichnis BNE BSP DFID EU FDI GAVI GEF HIPC IFF IFFIm IWF KfW MDG NGO ODA OECD SZR UN UNDP UNEP UNICEF UNU WHO WIDER WTO Bruttonationaleinkommen Bruttosozialprodukt Department for International Development Europäische Union Foreign Direct Investment Global Alliance for Vaccine and Immunisation Global Environment Facility Heavily Indebted Poor Countries Internationale Finanzfazilität International Finance Facility for Immunization Internationaler Währungsfonds Kreditanstalt für Wiederaufbau Millennium Development Goals Non-Governmental Organization Official Development Assistance Organisation for Economic Co-operation and Development Sonderziehungsrechte United Nations United Nations Development Programme United Nations Environment Programme United Nations International Children’s Emergency Fund United Nations University World Health Organization World Institute for Development Economics Research World Trade Organization Einführung Im Vorfeld des »Millennium+5«-Gipfels der Vereinten Nationen im September 2005 ist Bewegung in die festgefahrene Debatte über Entwicklungsfinanzierung gekommen. Aufrüttelnde Berichte des UN-Generalsekretärs Kofi Annan1, des von ihm initiierten Millenniumprojekts unter Leitung von Jeffrey Sachs2 und der Weltbank3 kommen einhellig zu dem Schluss, dass die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) bis zum Jahr 2015 nur noch zu erreichen sind, wenn die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) unverzüglich und drastisch erhöht wird. Diese Einschätzung wird inzwischen nicht nur von NGOs sondern auch von den meisten Regierungen geteilt. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen die Erhöhung der bilateralen ODA im Rahmen verbindlicher Stufenpläne und die Einführung neuer internationaler Finanzierungsinstrumente. Eine prominente Rolle spielt dabei der Vorschlag der britischen Regierung, eine Internationale Finanzfazilität (IFF) einzuführen. Mit der IFF sollen, abgesichert durch langfristige Zahlungszusagen der beteiligten Regierungen, über die Ausgabe von Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten Mittel aufgenommen werden, die unmittelbar zur Armutsbekämpfung verwendet werden können. Auf diese Weise sollen in den kommenden 10–15 Jahren 500 Mrd. Dollar mobilisiert werden. Als der britische Finanzminister Gordon Brown im November 2002 seinen Vorschlag für eine IFF erstmals präsentierte, stieß er bei fast allen Regierungen auf Skepsis oder Ablehnung. Inzwischen hat die Idee breite Unterstützung gefunden, die von NGOs über den UN-Generalsekretär bis zur globalen Investmentbank Goldman Sachs reicht. Auch eine Vielzahl von Regierungen haben sich mittlerweile diesem Vorschlag angeschlossen, darunter die Partner der Lula-Initiative »Action against Hunger and Poverty«, d.h. die Regierungen Brasiliens, Chiles, Frankreichs, Deutschlands und Spaniens. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 11. Februar 2005 stellten sie fest: »We strongly support pursuing the establishment of such a facility, including refinancing mechanisms.«4 1 2 3 4 Vgl. UN Secretary-General, 2005. Vgl. UN Millennium Project, 2005. Vgl. World Bank, 2005. Vgl.: Joint statement adopted in Brasilia on 11 February 2005 by Brazil, Chile, France, Germany and Spain, in: UN Dok. A/ Markt in Phnom Penh (Kambodscha) Noch sind verschiedene Modelle der IFF in der Diskussion. Der ursprüngliche Vorschlag der britischen Regierung zielt darauf ab, jährlich Mittel im Umfang von bis zu 50 Mrd. US-Dollar über die Kapitalmärkte aufzunehmen und über existierende bi- und multilaterale Entwicklungsinstitutionen für MDG-relevante Programme zur Verfügung zu stellen. Als Pilotvorhaben hat Großbritannien vorgeschlagen, eine IFF für Impfungen einzuführen (IFFIm), die der Unterstützung des Vaccine Fund der Global Alliance for Vaccine and Immunisation (GAVI) dienen soll. IFFIm soll noch im Jahr 2005 eingerichtet werden. Während die Zustimmung zur IFF rapide wächst, werden die Details dieser Initiative bislang kaum diskutiert – und das, obwohl die Einführung der IFF allein aufgrund ihres Volumens gravierende Folgen für die internationale Entwicklungszusammenarbeit hätte. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der IFF, ihren Chancen, aber auch ihren Risiken und Nebenwirklungen, müsste unter anderem folgende Fragen erörtern. 59/719 vom 1. März 2005, Annex (http://www.mre.gov.br/ portugues/politica_externa/temas_agenda/acfp/acfp_port/ declaracao_conjunta11_02_05.doc, gelesen 2.5.2005). 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 6 • Zusätzlichkeit: Wie kann sichergestellt werden, dass die neuen Mittel tatsächlich zusätzlich bereitgestellt werden, und es nicht zu einem crowding out der traditionellen ODA kommt? • Refinanzierung: Wie kann vermieden werden, dass es nach 2015 zu einem drastischen Einbruch der ODALeistungen kommt, wenn die Auszahlung der IFFMittel beendet ist und die heiße Phase der Rückzahlungen beginnt? • Konditionalität: Sind mit der IFF zusätzliche Auflagen für die Empfänger verbunden und wie können als erforderlich angesehene Konditionen bei der Mittelvergabe mit der Notwendigkeit dauerhafter und stabiler Finanzflüsse in Einklang gebracht werden? • Governance: Wie sollen die Entscheidungs- und Partizipationsverfahren dieses Finanzierungsinstruments gestaltet werden, damit sichergestellt wird, dass alle Beteiligten (insbesondere die Empfänger) adäquat einbezogen werden? • Komplementarität: In welchem Verhältnis steht der IFF-Vorschlag zu anderen internationalen Finanzierungsinstrumenten, insbesondere globalen Steuern und Nutzungsentgelten? Im vorliegenden Arbeitspapier soll unter anderem auf diese Fragen eingegangen werden. Als Grundlage dazu wird im ersten Kapitel ein Soll-Ist-Vergleich der MDGFinanzierung vorgenommen. Wie viele Mittel müssen zusätzlich aufgebracht werden, um die MDGs zu verwirklichen? Wie groß ist die gegenwärtige ODA-Lücke? Kapitel 2 beschreibt die unterschiedlichen Vorschläge innovativer Finanzierungsinstrumente, die zur Zeit debattiert werden, und verortet damit auch die IFF im gegenwärtigen Diskurs. Das dritte Kapitel widmet sich im Detail dem britischen Vorschlag der IFF, das folgende Kapitel geht auf das Pilotprojekt einer IFF für Impfungen ein. Im Kapitel 5 werden dann die IFF-Vorschläge an Hand der oben skizzierten Fragestellungen genauer unter die Lupe genommen. Als Schlussfolgerung daraus werden im letzten Kapitel Anforderungen an eine entwicklungspolitisch sinnvolle IFF formuliert. 1. Die Kosten der Millenniumsziele – ein Soll-Ist-Vergleich Seit den 1960er Jahren gilt das Bruttosozialprodukt (BSP), heute das Bruttonationaleinkommen (BNE) der »Geberländer« als zentrale Richtgröße für die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA). 0,7 Prozent des BSP sollten in Form öffentlicher Entwicklungshilfe von Nord nach Süd fließen. So hatte es die UN-Generalversammlung 1970 beschlossen – am 25. Jahrestag der Vereinten Nationen.5 Dieser Wert hat sich über die Jahrzehnte als Zielgröße etabliert, obwohl es weder für seine Höhe noch für seine Bemessungsgrundlage eine auch heute noch schlüssige sachliche Rechtfertigung gibt.6 Das Maß hatte (und hat weiterhin) vor allem politisch-symbolische Bedeutung als »Indikator der Hilfsbereitschaft« der reichen Länder – und führt der Weltöffentlichkeit Jahr für Jahr auf’s Neue vor Augen, dass es mit dieser Hilfsbereitschaft offensichtlich nicht weit her ist (im Jahr 2004 lag der ODA/ BNE-Anteil der OECD-Länder bei 0,25 Prozent). Auf die Frage, was die Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) tatsächlich kostet und wie hoch der entsprechende Bedarf an externem Kapital in den Ländern des Südens ist, gibt das 0,7-Prozent-Ziel keine Antwort. Dazu ist ein Perspektivwechsel erforderlich: Weg vom angebots- und hin zu einem bedarfsorientierten Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit. Die Vereinten Nationen haben dazu bereits Ende der 1990er Jahre Vorarbeiten geleistet. In einer gemeinsamen Studie verschiedener UN-Institutionen unter Federführung von UNICEF wurde damals geschätzt, dass zur weltweiten Bereitstellung eines Mindestmaßes an sozialen Grunddiensten (Grundbildung, Basisgesundheit und Ernährung, reproduktive Gesundheit, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung) zwischen 206 und 216 Mrd. US-Dollar pro Jahr erforderlich seien. Ende der 1990er Jahre wurden dafür in den Entwicklungsländern rund 136 Mrd. US-Dollar ausgegeben, so dass die Finanzierungslücke mit 70 bis 80 Mrd. US-Dollar pro Jahr veranschlagt wurde.7 5 6 7 Vgl. UN Dok. A/RES/2626 (XXV). Im Jahr 1969 legte die von der Weltbank berufene »Kommission für internationale Entwicklung« den sog. Pearson Bericht vor. Dieser Bericht spricht sich eine Erhöhung der »official aid« auf 0,7 % des BIP aus und liefert damit die Grundlage für das 0,7-Prozent-Ziel. Seitdem hat es keinen internationalen Überprüfungsprozess zur Anpassung dieser Zielgröße gegeben. Vgl. UNDP et al., 1998, S. 22. Die Weltbank kam 2002 in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen. Nach ihren Kalkulationen wären jährlich zwischen 40 und 60 Mrd. US-Dollar zusätzlich an externen Mitteln nötig, um die Millenniumsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen.8 Oxfam International hielt diese Berechnungen für zu niedrig und schätzt auf Grundlage von Zahlen der Weltbank selbst sowie der Commission on Macroeconomics and Health die jährlichen Zusatzkosten weltweit auf rund 100 Mrd. US-Dollar. In einer Studie, die auf der Monterrey-Konferenz 2002 präsentiert wurde, beziffert Oxfam die Zusatzkosten der Halbierung der extremen Einkommensarmut mit 46 Mrd. US-Dollar, die Kosten für die Verwirklichung der Gesundheitsziele mit 32 Mrd. der Bildungsziele mit 13 Mrd. und des Wasserziels mit 9 Mrd. pro Jahr.9 Die aktuellsten und bislang umfassendsten Untersuchungen über die Kosten der MDGs hat das Millenniumprojekt der Vereinten Nationen unter Leitung von Jeffrey Sachs vorgenommen. Ein wesentlicher Teil seines Abschlussberichts vom Januar 2005 befasst sich mit diesem Thema.10 Das Team des Millenniumprojekts hat für die Bedarfsanalyse auf Länderebene eine umfassende Methodologie entwickelt und in fünf Pilotländern getestet (Bangladesh, Kambodscha, Ghana, Tansania und Uganda). Es hat zunächst den Gesamtbedarf an Investitionskapital ermittelt, das zur Verwirklichung der MDGs im jeweiligen Land benötigt wird. Im Anschluss daran hat es abgeschätzt, wie viel davon im Land selbst mobilisiert werden kann und wie viel an externer Unterstützung in Form von ODA notwendig ist. Auf Grundlage der Zahlen aus den fünf Pilotländern hat das Sachs-Team dann hochgerechnet, wie viel an öffentlicher Entwicklungshilfe zur Finanzierung der MDGs weltweit notwendig ist. Das Ergebnis: Die ODA muss im Jahr 2006 auf 135 Mrd. USDollar steigen. Dies bedeutet etwa eine Verdoppelung der bisherigen Entwicklungsgelder. Bis zum Jahr 2015 müsse sich das ODA-Volumen auf 195 Mrd. US-Dollar verdreifachen. Dies entspricht einer Erhöhung des Anteils der ODA am BNE der Geber von gegenwärtig 0,25 Prozent auf 0,44 Prozent 2006 und 0,54 Prozent 2015. Diese Mit8 Vgl. World Bank 2002. 9 Vgl. Oxfam International, 2002, S. 8. 10 Vgl. UN Millennium Project, 2005, S. 237ff. 7 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut tel sind wohlgemerkt allein zur Verwirklichung der MDGs erforderlich. Zur Finanzierung aller anderen entwicklungspolitischen Aufgaben sind zusätzliche Mittel notwendig. Gegenüber den bis Januar 2005 öffentlich formulierten (aber noch nicht realisierten!) Verpflichtungen der Regierungen errechnet der Sachs-Report für das Jahr 8 2006 eine ODA-Lücke von 48 Mrd. US-Dollar (Tabelle 1). Die Hauptverantwortung für diese Finanzierungslücke tragen die USA mit alleine 32,2 Mrd. gefolgt von Japan mit 10,4 Mrd. und Deutschland mit 3,2 Mrd. USDollar. Bis 2015 wird die globale ODA-Lücke auf 74 Mrd. US-Dollar wachsen, wenn keine zusätzlichen Mittel mobilisiert werden können. Tabelle 1: Geschätzter Bedarf an öffentlicher Entwicklungshilfe zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele ODA-Schätzwert für 2002 Projektion für 2006 Projektion für 2010 Projektion für 2015 28 28 28 28 Zunehmender MZ-Investitionsbedarf n.a. 94 115 161 Anpassung für wegen schlechter Regierungsführung disqualifzierte Länder n.a. –21 –23 –25 Neuprogrammierung laufender ODA n.a. –6 –7 –9 4 4 5 6 Sonstige ODA* 34 36 34 35 Indikativer ODA-Bedarf zur MZ-Erreichung, insgesamt** 65 135 152 195 Anteil am BNE der OECD-DAC-Länder (in Prozent) 0,23 0,44 0,46 0,54 ODA an am wenigsten entwickelte Länder (% BNE der OECD-DAC-Länder) 0,06 0,12 0,15 0,22 Erforderliche absolute Steigerung der ODA (im Vergleich zu 2002) n.a. 70 87 130 Differenz zwischen ODA-Gesamtbedarf und bestehenden Zusagen n.a. 48 50 74 ODA-Ausgangsbasis für die MZ 2002 Katastrophen- und Nothilfe Milliarden US$ (zu Preisen von 2003) n.a. Nicht anwendbar. ODA Öffentliche Entwicklungshilfe. Anmerkung: Durch Rundungsdifferenzen sind Abweichungen der Summe der Einzelwerte vom jeweiligen Gesamtwert möglich. * Umfasst Hilfe, die nicht direkt zu den Zielen beiträgt, und Betriebsausgaben der Geberorganisationen. ** Umfasst nicht den Bedarf an öffentlicher Entwicklungshilfe in mehreren wichtigen Bereichen, wie etwa die Reaktion auf Krisen von geopolitischer Bedeutung (wie Afghanistan oder Irak), Milderung der Auswirkungen der Klimaänderung, Schutz der biologischen Vielfalt und Erhaltung der weltweiten Fischbestände usw. Quelle: UN Millennium Project 2005, Tabelle 8 (deutsche Zusammenfassung) 2. Neue Initiativen zur Finanzierung der MDGs Grundsätzlich haben die Regierungen zwei Möglichkeiten, die Lücke bei der externen Finanzierung der MDGs, die auf rund 50 Mrd. US-Dollar jährlich geschätzt wird, zu schließen: Zum einen können sie ihre öffentliche Entwicklungshilfe entsprechend aufstocken, zum anderen können sie neue, international koordinierte Finanzierungsinstrumente einführen. Zur Erhöhung der ODA liegen mittlerweile konkrete Stufenpläne vor. Und auch in die jahrelang festgefahrene Debatte über neue Finanzierungsinstrumente ist Bewegung gekommen. Dabei geht es hauptsächlich um die Einführung internationaler Steuern und Nutzungsentgelte – und um die IFF. 2.1 Stufenplan zur ODA-Erhöhung 30 Jahre lang bekräftigten die Regierungen der Industrieländer immer wieder auf’s Neue ihre Absicht, das 0,7Prozent-Ziel »sobald wie möglich« verwirklichen zu wollen. Zu verbindlicheren Zusagen waren sie jedoch lange Zeit nicht bereit. Erst kurz vor der Monterrey-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung 2002 legten sich die Staats- und Regierungschefs der EU erstmals auf einen klaren Termin und eine feste Zielgröße zur Erhöhung der ODA fest. Bei ihrem Gipfeltreffen in Barcelona beschlossen sie damals, ihre Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2006 im EU-Durchschnitt auf 0,39 Prozent des BNE zu erhöhen. Für Deutschland bedeutete das ein Anstieg auf 0,33 Prozent. Seitdem hatten immer mehr Regierungen individuelle Stufenpläne zur Erhöhung ihrer ODA beschlossen, darunter Großbritannien, Frankreich, Belgien, Irland, Finnland und Spanien.11 Sie hatten damit diejenigen Regierungen unter zunehmenden Rechtfertigungsdruck gesetzt, die eine derart verbindliche Zusage beharrlich verweigerten. Im April 2005 legte die Europäische Kommission im Rahmen eines »MDG-Paketes« einen Stufenplan zur verbindlichen Erhöhung der ODA aller 25 Mitgliedstaaten vor.12 Er sieht im EU-Durchschnitt einen Anstieg der 11 Die Niederlande, Schweden, Dänemark, Luxemburg und Norwegen (als einziges Nicht-EU-Land) haben das 0,7-Prozent-Ziel bereits erreicht. 12 Vgl. Commission of the European Communities, 2005a. ODA auf 0,56 Prozent des BNE bis zum Jahr 2010 vor. Für die 15 alten EU-Mitglieder, inkl. Deutschland, wird ein Mindestziel von 0,51 Prozent anvisiert. Die geplante Erhöhung der ODA auf 0,7 Prozent bis zum Jahr 2015 bedeutet nach den Hochrechnungen der Kommission faktisch eine Verdoppelung der ODA von geplanten 46 Mrd. Euro 2006 auf rund 92 Mrd. Euro 2015 (s. Tabelle). Beim Treffen des Rats für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (GAERC) am 24. Mai 2005 haben die Entwicklungsminister der EU den Vorschlag der Kommission im Konsens übernommen.13 Damit hat sich auch Deutschland verbindlich auf das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2015 festgelegt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wertet dies als historischen Schritt, da das 0,7 Prozent Ziel erstmalig mit einem Datum versehen ist. Für die deutsche Entwicklungspolitik bedeutet dieser Stufenplan eine Erhöhung der ODA um rund 10 Mrd. Euro bis zum Jahr 2015. Legt man die Schätzwerte der Europäischen Kommission zugrunde, müsste die deutsche ODA, einen linearen Anstieg vorausgesetzt, zwischen 2006 und 2010 um jährlich 1,27 Mrd. Euro steigen. Bis zum Jahr 2015 wäre ein weiterer Anstieg um rund eine Milliarde Euro pro Jahr erforderlich, um das 0,7Prozent-Ziel zu erreichen. Angesichts der Haushaltslage in Deutschland und den meisten anderen EU-Staaten ist eine Erhöhung der ODA alleine über die regulären Etats der Entwicklungsministerien unwahrscheinlich. Beim aktuellen BMZ-Haushalt von rund vier Mrd. Euro bedeutet eine Aufstockung um eine Mrd. eine Wachstumsrate von 25 Prozent. Somit ist zu erwarten, dass z.B. durch die Anrechnung von Schuldenerlassen, insbesondere gegenüber dem Irak, die ODA-Quote in den nächsten Jahren merklich angehoben wird. Aber der Schein der so wachsenden ODA trügt. Denn steigt die Entwicklungshilfe allein durch die Anrechnung der Schuldenerlasse, fließt noch kein zusätzlicher Euro in den Süden. Zudem handelt es sich bei einem Schuldenerlass um eine einmalige Leistung. Die ODA steigt zwar im Jahr des Schuldenerlasses, sie fällt aber unter sonst gleichen Bedingungen im Jahr darauf 13 Vgl. Council of the European Union, 2005. 9 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Tabelle 2: 2015-Stufenplan der Europäischen Kommission zur Erhöhung der ODA (in Mrd. d) 2003 »Alte« Mitgliedsstaaten (EU15) 2006 2010 2015 ODA % ODA % ODA % ODA % 32,871 0,35 45,788 0,43 65,998 0,58 90,052 0,7 0,165 0,04 0,474 0,09 0,993 0,17 2,121 0,33 33,036 0,34 46,262 0,42 % 66,980 0,56 % 92,162 0,7 % Individualziel: 0,51 % bis 2010 10 »Neue« Mitgliedsstaaten (EU 10) Individualziel: 0,17 % bis 2010 EU25 Kollektivziel: 0,56 % bis 2010 Quelle: Commission of the European Communities, 2005a Tabelle 3: Möglicher 2015-Stufenplan Deutschlands zur Erhöhung der ODA (Schätzungen der Europäischen Kommission, in Mrd. d) 2003 2006 2010 2015 ODA % ODA % ODA % ODA % 6,005 0,28 7,565 0,33 12,655 0,51 17,661 0,7 Quelle: Commission of the European Communities, 2005a auf den Stand des Vorjahres zurück. Eine strukturelle Erhöhung der ODA ist damit nicht verbunden. Die Regierungen stecken in einem Dilemma: Sie haben sich die MDGs als politische Ziele gesetzt, die sie bis zum Jahr 2015 verwirklichen wollen. Sie wissen, dass dazu eine radikale Erhöhung der Entwicklungshilfetransfers in den Süden notwendig ist. Auf EU-Ebene haben sie sich zu einer entsprechenden Aufstockung ihrer ODA verpflichtet. Und doch wissen sie auch, dass sie diese Aufstockung nicht im Rahmen ihrer Entwicklungshilfebudgets realisieren können. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte die Einführung neuer internationaler Finanzierungsinstrumente bringen. Und so verwundert es nicht, dass die Diskussion darüber im Vorfeld des Millennium+5-Gipfels auch auf Regierungsebene an Dynamik gewonnen hat. 2.2 Neue internationale Finanzierungsinstrumente Die Debatte über innovative Formen der Entwicklungsfinanzierung ist nicht neu. Bereits vor 25 Jahren hatte der Brandt-Bericht gefordert, internationale Abgaben einzuführen, um Mittel zur Entwicklungsfinanzierung quasi »automatisch« aufzubringen. Als Beispiel nannte er damals Abgaben auf den internationalen Handel, Waffenherstellung und -exporte, den internationalen Tourismus und die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter, insbesondere Rohstoffe auf dem Meeresgrund.14 1992 war im Aktionsprogramm der Rio-Konferenz die Rede von der Notwendigkeit, »neue und zusätzliche« Ressourcen zur Finanzierung der umwelt- und entwicklungspolitischen Beschlüsse des Erdgipfels zu mobilisieren. Drei Jahre später wurde beim Weltsozialgipfel in Kopenhagen erstmals über die Einführung einer Devisenumsatzsteuer (TobinSteuer) diskutiert. Im Aktionsprogramm dieses Gipfels blieb davon die Verpflichtung der Regierungen übrig, nach »innovativen Finanzierungsquellen« zur Durchführung von Sozialprogrammen zu »suchen«. Bei der Sondergeneralversammlung »Kopenhagen+5« im Jahr 2000 beauftragten die Regierungen den UN-Generalsekretär dann, Analysen über »neue und innovative Finanzierungsquellen« für soziale Entwicklung durchzuführen. Nachdem zwei Jahre danach bei der Monterrey-Konfe14 Vgl. Nord-Süd-Kommission, S. 319. renz über Entwicklungsfinanzierung noch kein Ergebnis vorlag, beschränkten sich die Regierungen dort auf die Ankündigung, die beim UN-Generalsekretär in Auftrag gegebene Studie über neue Finanzierungsinstrumente in den »angemessenen Foren« zu studieren. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis die Studie, die der UN-Generalsekretär beim Forschungsinstitut World Institute for Development Economics Research (WIDER) der UN University (UNU) in Auftrag gegeben hatte, veröffentlicht wurde. Im Abstand von nur wenigen Wochen erschienen auf Initiative des französischen und brasilianischen Präsidenten im Herbst 2004 zwei weitere Berichte zu dieser Thematik. Damit liegen nun drei umfassende Untersuchungen vor, die die wichtigste Grundlage für die aktuelle Auseinandersetzung über innovative Finanzierungsinstrumente bilden: • Die UNU-WIDER-Studie »New Sources of Development Finance« vom August 2004, die unter Leitung des Oxford-Ökonomen Anthony Atkinson angefertigt wurde (»Atkinson-Studie«). • Der Report der Technical Group on Innovative Financing Mechanisms »Action Against Hunger and Poverty« vom September 2004, der vom brasilianischen Präsidenten Lula in Auftrag gegeben worden war. • Der Bericht »New International Financial Contributions for Development« vom September 2004, der von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Jean-Pierre Landau auf Initiative des französischen Präsidenten erstellt wurde (»Landau-Report«). Leitmotiv aller drei Untersuchungen war die Frage, wie die zusätzlichen 50 Mrd. US-Dollar pro Jahr aufgebracht werden können, die erforderlich sind, um die Verwirklichung der MDGs zu finanzieren. Die Studien beschränken sich aber nicht auf die Aufbringungseffekte, das heißt die quantitativen Aspekte möglicher Finanzierungsinstrumente, sondern verweisen auch auf ihre Steuerungsund Verteilungseffekte. Das gilt insbesondere für internationale Steuern und Abgaben. Richtig eingesetzt können internationale Finanzierungsinstrumente den Staaten ein Stück der Handlungs- und Steuerungsfähigkeit zurückzugeben, die sie im Zuge der Globalisierung (teils selbstverschuldet) eingebüßt haben. Und sie können als neue Instrumente der Entwicklungsfinanzierung dazu beitragen, die Defizite im gegenwärtigen System der Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren. Der Landau-Report nennt in diesem Zusammenhang vier Hauptdefizite:15 • Unzureichende Ressourcen. Jeder Geber finanziert zunächst seine eigenen Prioritäten und hofft, dass er als Trittbrettfahrer dann davon profitieren kann, dass andere Geber die gemeinsamen Entwicklungsziele finanzieren. 15 Vgl. Landau, S. 5. • Hohe Verhandlungs- und Transaktionskosten für Geber und Empfänger bei der Aushandlung von Kompromissen über bilaterale Entwicklungsprogramme. • Die Hilfe ist ungenügend und in ihrer Form ungeeignet. Nur ein Drittel der gegenwärtigen Entwicklungshilfegelder fließen in den Kampf gegen die Armut und weniger als 50 Prozent kommen überhaupt als Barüberweisung in den Entwicklungsländern an. • Die Hilfe ist volatil und unberechenbar. Die Entwicklungshilfeleistungen schwanken im Schnitt viermal so stark wie das BNE der Empfängerländer. Anstatt den Ländern zu helfen, wirtschaftliche Schocks abzufedern, ist die ausländische Hilfe oft ein zusätzliche Quelle der Instabilität. Weitgehende Einigkeit besteht in den oben genannten Berichten darüber, dass die neuen Mittel nicht als Ersatz zur traditionellen ODA, zu weiteren Entschuldungsmaßnahmen und zu Handelserleichterungen angesehen werden dürfen.16 Damit tragen sie den Befürchtungen vieler Entwicklungsländer Rechnung, dass sich die Industrieländer nach Einführung neuer Finanzierungsinstrumente klammheimlich von ihren bereits eingegangenen ODA-Verpflichtungen (Stichwort: 0,7-Prozent-Ziel) verabschieden. Auch das Spektrum möglicher Finanzierungsinstrumente ist in den drei Untersuchungen relativ deckungsgleich. Im Zentrum stehen folgende drei Bereiche: • Globale Steuern und Abgaben. • Kapitalmarktrelevante Mechanismen. • Freiwillige private Beiträge. Die folgende Übersicht listet, gegliedert nach diesen drei Bereichen, die wichtigsten Finanzierungsinstrumente auf, die derzeit in der Diskussion sind, und nennt das potentielle Mittelaufkommen, wie es u.a. in einer Untersuchung der OECD abgeschätzt wurde. Sie zeigt auch, wo die IFF in dieser Matrix der Vorschläge einzuordnen ist. Keiner der drei Berichte legt sich am Ende auf einen Vorschlag zur Einführung eines oder mehrer konkreter Finanzierungsinstrumente fest. Deutlich wird lediglich eine Präferenz gegenüber Formen internationaler Besteuerung (insb. beim Landau-Report) und der Einführung der IFF (Technical Group), möglicherweise in Kombination mit einer internationalen Steuer. Die politischen Chancen zur Realisierung eines der verschiedenen Vorschläge für innovative Finanzierungsinstrumente haben sich im Jahr 2005 vergrößert. So haben sich beispielsweise Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich und Spanien (»Lula-Gruppe«) in einer gemeinsamen Initiative für die Einführung internationaler Steuern und Abgaben, u.a. auf Flugbenzin und Devisen16 Vgl. z.B. Technical Group on Innovative Financing Mechanisms, 2004, S. 17 und Landau, 2004, S. 7. 11 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Tabelle 4: Innovative Finanzierungsinstrumente Instrument Varianten Potentielles Mittelaufkommen17 1. Globale Steuern und Abgaben CO2-Steuer Globale CO2-Steuer von 1 Cent pro Liter Benzin und Diesel: 180 Mrd. US-$ pro Jahr. Kerosinsteuer bzw. Ticketabgabe Kerosinsteuer auf EU-Ebene (330 d/1000 l): 6–7 Mrd. f pro Jahr.18 Nutzungs- und Verschmutzungsentgelte für Luftraum und Meere Ticketabgabe auf EU-Ebene (10 d für Flüge innerhalb der EU, 30 d bei Zielen außerhalb der EU): 6 Mrd. f pro Jahr.19 Devisentransaktionssteuer (Tobin Tax) Zweitstufige Steuer auf Devisentransaktionen: Grundabgabe 0,01 % und erheblicher Aufschlag in Zeiten instabiler Finanzmärkte (Spahn-Variante). Bei einer Steuer von 0,01 % 17–19 Mrd. US-$ pro Jahr, bei 0,02 % 31–33 Mrd. US-$ pro Jahr Globale Quellensteuer Weltweite Besteuerung von Zinseinkünften von in- und ausländischen Anlegern z. Zt. nicht quantifizierbar Steuer auf Waffenverkäufe Steuer auf Handel bzw. Export von konventionellen Waffen. Bei einer Steuer von 5 % auf Waffenexporte rd. 2,5 Mrd. US-$ pro Jahr (legaler Handel) Globale Nutzungsentgelte für Umweltgüter und -dienstleistungen 12 2. Kapitalmarktrelevante Instrumente Internationale Finanzfazilität (IFF) Aufnahme von Mitteln auf den internationalen Kapitalmärkten über die Ausgabe von Anleihen, die durch langfristige Zahlungszusagen der beteiligten Regierungen abgesichert sind. 500 Mrd. US-$ in 15 Jahren, bis zu 50 Mrd. US-$ pro Jahr Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) Entwicklungsorientierte Zuteilung von Sonderziehungsrechten, die von den OECD-Ländern den Entwicklungsländern zur Erreichung der MDGs zur Verfügung gestellt würden. In Abhängigkeit von der Bereitschaft der Geber zur Übertragung von SZR auf EL bis zu 25 Mrd. US-$ pro Jahr Verkauf der Goldreserven des IWF Verkauf der Goldreserven und einmaliger Einsatz des Erlöses für Entwicklungszusammenarbeit oder Anlage in Finanztitel und Verwendung der Einnahmen für EZ. Einmalig 34 Mrd. US-$ 3. Freiwillige private Beiträge Globale Lotterie Globale Lotterie, deren Einnahmen zur Finanzierung der MDGs herangezogen werden Volumen könnte 6 Mrd. US-$ pro Jahr betragen (Gewinn weniger) Migrantenüberweisungen (Remittances) Remittances sind nach FDI inzwischen zweitgrößte Einnahmequelle an Devisen für Entwicklungsländer (vor ODA). Es könnten Anreize (z.B. spezielle Fonds) geschaffen werden, die Gelder stärker entwicklungswirksam zu kanalisieren. 2003: Volumen von rd. 100 Mrd. US-$ an legalen Überweisungen. Private Spenden Steuererleichterungen für private Spenden, Globale Fonds, Unternehmensspenden, Philanthropie Keine Schätzungen bislang 17 Die Zahlen stammen, wenn nicht anders angegeben, aus der OECD-Studie von Reisen 2004. 18 Vgl. Commission of the European Communities 2005b, S. 25. 19 Ebd., S. 27. transaktionen, stark gemacht.20 Ein Konsens der Regierungen über einen konkreten Vorschlag ist dennoch nicht in Sicht. Die USA und Japan lehnen weiterhin jede Form internationaler Besteuerung vehement ab. Und auch in der EU gibt es darüber keine Einigkeit. Die Einführung einer Devisentransaktionssteuer auf europäischer Ebene wird zwar aktiver diskutiert als in den vergangenen Jahren, eine Mehrheit innerhalb der EU zeichnet sich für diesen Vorschlag kurzfristig aber nicht ab. Und selbst der deutsch-französische Vorschlag für eine Kerosinsteuer fand bei den Finanzministern der EU keine ausreichende Unterstützung. Realisierbar scheint derzeit auf EU-Ebene lediglich die Einführung einer Abgabe auf Flugtickets. Den Verkauf der Goldreserven des IWF hat der britische Schatzkanzler Gordon Brown 2004 in die Diskussion gebracht. Aus den Erlösen sollte der 100-prozentige Erlass der multilateralen Schulden der hochverschuldeten armen Länder (Heavily Indebted Poor Countries – HIPC) beim IWF finanziert werden. Die G-7-Finanzminister haben diesen Vorschlag mehrfach diskutiert, ohne bisher zu einer Einigung zu kommen. Auch hier kommt der größte Widerstand von den USA. Der Verkauf der Goldreserven wäre allerdings eine einmalige Maßnahme und würde damit zur dauerhaften Finanzierung der MDGs nur wenig beitragen. Eine kontinuierlichere Finanzierung wäre über die Zuteilung neuer Sonderziehungsrechte an die Entwicklungsländer möglich. Auf politischer Ebene wird dieser Vorschlag zur Zeit aber kaum diskutiert. Ablehnung kam auch hier vor allem von den USA. Ebenso wie beim verkauf der IWF-Goldreserven ist aber eine Zustimmung der USA aufgrund ihres Veto-Rechts beim IWF zwingend erforderlich. 20 Vgl.: Joint statement adopted in Brasilia on 11 February 2005 by Brazil, Chile, France, Germany and Spain, in: UN Dok. A/ 59/719 vom 1. März 2005, Annex. Private Beiträge zur Entwicklungsfinanzierung werden zwar beharrlich als »innovative Finanzierungsinstrumente« apostrophiert, sind es aber keineswegs. Migrantenüberweisungen in die Heimatländer gibt es, seitdem dies im internationalen Bankensystem technisch möglich ist. Private Spenden sind Teil des Systems der Entwicklungsfinanzierung, seit es den Begriff der Entwicklungshilfe gibt. Allerdings ist ihr Umfang in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Diese Transfers können durchaus einen positiven Entwicklungsbeitrag leisten, dürfen aber nicht als Alternative oder gar als Ersatz öffentlicher Entwicklungsfinanzierung verstanden werden. Denn diese Zahlungsflüsse sind von der wirtschaftlichen Lage der Migranten bzw. dem Goodwill der Spender abhängig, schwanken in der Regel prozyklisch mit der wirtschaftlichen Entwicklung und sind damit für die Politik unberechenbar. Wachsenden Zuspruch fand auf internationaler Ebene in den vergangenen Monaten der britische Vorschlag für eine Internationale Finanzfazilität (IFF). Dieser Trend spiegelte sich auch in den jüngsten Reformberichten der UN und den anschließenden Diskussionen auf Regierungsebene wider. So fordern der Sachs-Report ebenso wie der UN-Generalsekretär in seinem Reformbericht vom März 2005, den IFF-Vorschlag noch im Jahr 2005 zu verwirklichen. Auch die Lula-Gruppe spricht sich für die Einführung der IFF aus. Und selbst auf Ebene der G7Finanzminister und bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im April 2005 wurde über diese Vorschläge ausführlich diskutiert. Die Einführung der IFF scheint damit in greifbare Nähe gerückt zu sein. Grund genug, diesen Vorschlag genauer unter die Lupe zu nehmen. 13 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 3. Der Vorschlag für eine Internationale Finanzfazilität (IFF) 14 3.1 Das Grundkonzept der IFF Die britische Regierung präsentierte ihren Vorschlag für eine Internationale Finanzfazilität im Januar 2003 unter dem Motto: »Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut«.21 Die weltweite ODA von damals rund 50 Mrd. US-Dollar sollte sofort um weitere 50 Mrd. pro Jahr aufgestockt werden, damit die MDGs noch rechtzeitig bis zum Jahr 2015 verwirklicht werden können. Dies soll allerdings nicht über eine Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe geschehen. Die beteiligten Regierungen sollen sich vielmehr zu langfristigen und rechtsverbindlichen Zahlungszusagen an die IFF verpflichten. Mit diesen Zusagen als Sicherheit soll die IFF im eigenen Namen Anleihen (bonds) auf den internationalen Kapitalmärkten platzieren und auf diese Weise Mittel von privaten Kapitalgebern aufnehmen. Der britische Vorschlag sieht ein Gesamtvolumen von 500 Mrd. US-Dollar vor. Diese Mittel können dann unmittelbar für Programme zur Armutsbekämpfung verwendet werden. Die IFF soll diese Programme nicht selbst durchführen, sondern die Mittel an bereits bestehende bilaterale oder multilaterale Entwicklungsinstitutionen weiterleiten. Die IFF ist also keine neue Entwicklungsorganisation, sondern lediglich ein zwischenstaatliches Instrument zur Mobilisierung privaten Kapitals für Entwicklungszwecke. Im Gegensatz zur üblichen Praxis der internationalen Entwicklungsbanken, z.B. der Weltbank, sollen die Mittel der IFF an die Entwicklungsländer als nichtrückzahlbare Zuschüsse (grants) vergeben werden, so dass sich die Verschuldung dieser Länder nicht weiter erhöht. Die Zins- und Tilgungszahlungen werden von den beteiligten Geberregierungen geleistet, die sich dazu im Rahmen von regelmäßigen, z.B. alle drei Jahre stattfindenden Zusagerunden (pledging round) rechtlich verpflichten. Der britische Vorschlag sieht vor, dass die Geber in jeder Runde für einen Zeitraum von 15 Jahren jährliche Zahlungen an die IFF zusagen. Dies soll allerdings nicht unbefristet geschehen. Die Einrichtung der IFF ist eng mit den 2015-Zielen verbun21 Vgl. Department for International Development/HM Treasury, 2004. den. Die Mittel der IFF sollen in einem begrenzten Zeitraum von rund 15 Jahren, überwiegend vor dem Jahr 2015, ausgezahlt werden. Für die vollständige Rückzahlung der Mittel sind dann weitere 15 Jahre vorgesehen, so dass der gesamte Zeithorizont der IFF rund 30 Jahre beträgt. Zusammengefasst bedeutet das IFF-Konzept »Entwicklungshilfe auf Pump«: Die beteiligten Geberregierungen verschulden sich über die IFF langfristig auf den internationalen Kapitalmärkten, um kurzfristig mehr Geld für die Finanzierung der MDGs zur Verfügung zu haben. Die Entwicklungshilfe von morgen wird praktisch über die Kapitalmärkte vorfinanziert und kann so schon heute ausgegeben werden. Die Auszahlungen der IFF sind somit in den ersten 15 Jahren wesentlich höher als die Einzahlungen der Regierungen in die IFF. Im Fachjargon hat sich für dieses Vorziehen der Entwicklungshilfezahlungen der Begriff »frontloading« eingebürgert. Begründet wird das frontloading der ODA moralisch und ökonomisch. Das moralische Argument leuchtet unmittelbar ein: Menschen, die in extremer Armut leben oder denen gar der Tod durch Hunger oder Krankheiten wie AIDS und Malaria droht, können nicht noch jahrzehntelang auf Unterstützung warten. Ihnen muss so rasch wie möglich geholfen werden. Die britische Regierung betont: »There is also a moral imperative to act now to meet the MDGs, or we stand to lose another generation to poverty. At the current rate of progress sub-Saharan Africa will not meet the goal for reducing child mortality by two thirds until 2165. Without the additional resources that the IFF could provide, we will fail to meet the MDGs.«22 Das Vorziehen von Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit macht für die britische Regierung aber auch ökonomisch Sinn. Denn durch den massiven Zufluss von Kapital, das in Armutsbekämpfungsprogramme und den Aufbau der Infrastruktur fließt, würden in den Empfängerländern Wachstumsprozesse angestoßen, die sich dauerhaft selbst tragen und so die Abhängigkeit von ausländischer Entwicklungshilfe langfristig reduzierten. Ganz im Geiste der Modernisierungstheorien der 1950er und 1960er Jahre hätte demnach ein massiver, zeitlich 22 Ebd. S. 23. Diagramm 1: Organisationsstruktur der IFF Internationale Kapitalmärkte Geberländer Geber A B Anleihen C 15 IFF Anerkannter Auszahlungsmechanismus Anerkannter Auszahlungsmechanismus Anerkannter Auszahlungsmechanismus Empfängerländer (Die unterschiedlichen Linienstärken symbolisieren die Höhe der Zahlungsströme.) Quelle: Department for International Development/HM Treasury, 2004 befristeter externer Mittelzufluss (»big push«) eine größere entwicklungspolitische Wirkung als ein unbefristet fließendes ODA-»Rinnsal«, selbst wenn dessen Gesamtvolumen auf die Dauer größer wäre. Oder mit anderen Worten: Die britische Regierung geht davon aus, dass die Rentabilität der von der IFF finanzierten Investitionen höher ist als der Zinssatz, der für die IFF-Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten bezahlt werden muss. Sie nennt eine durchschnittliche Zielrentabilität (target rate of return) öffentlicher Investitionen in Entwicklungsländern von 8 Prozent.23 Für die britische Regierung hat das IFF-Modell aber noch weitere Vorteile: Aufgrund der langfristigen Zahlungsverpflichtungen der Geber könnten den Empfängerländern erstmals auch langfristig vorhersehbare und stabile Zahlungsflüsse garantiert werden – solange sie bestimmte, von den Gebern definierte Konditionen erfüllen (s. unten). Außerdem böte die IFF durch die potentielle Bündelung der Mittel die Möglichkeit für eine bessere Geberkoordination und damit eine effektivere Verwendung der Gelder. 23 Ebd. S. 14. Das Fazit der britischen Regierung lautet daher: »[…] the Facility can achieve both additional finance and greater value for money.«24 3.2 Mögliches Einnahmeund Ausgabeszenario Die britische Regierung hat im Laufe der vergangenen zwei Jahre ihren IFF-Vorschlag mehrfach modifiziert und konkretisiert. Ein mögliches Einnahme- und Ausgabeszenario, das derzeit diskutiert wird, geht von folgenden Grundannahmen aus: • Gründung der IFF und Aufnahme der Tätigkeit im Jahr 2006. Zeithorizont 28 Jahre. Auflösung der IFF im Jahr 2034. • Beginn der rechtsverbindlichen Zahlungszusagen der Geberregierungen im Jahr 2006. Höhe der Zahlungs24 Department for International Development/HM Treasury, 2003a, S. 9. 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Diagramm 2: Beispiel eines Einnahme- und Ausgabeplans der IFF 2006–2034 (in Mrd. US-Dollar) 50 50 Einnahmen der Geber IFF Auszahlungen (Zuschüsse) 16 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030 2032 Quelle: DFID 2004. zusagen im ersten Jahr: 15,5 Mrd. US-Dollar. Jährlicher Anstieg um 4 Prozent bis auf 46,3 Mrd. USDollar im Jahr 2034. • Zeitraum der Auszahlungen der Zuschüsse an die Empfänger (über bi- und multilaterale Entwicklungseinrichtungen) 14 Jahre, von 2006 bis 2019, beginnend im Jahr 2006 mit 10 Mrd. US-Dollar. Jährlicher Anstieg um 10 Mrd. auf 50 Mrd. 2010, 5 Jahre lang gleichbleibendes Niveau, nach 2015 Reduzierung um jährlich 10 Mrd. bis auf 10 Mrd. im Jahr 2019. Gesamtvolumen der Auszahlungen: 500 Mrd. US-Dollar (s. Diagramm 2). • AAA-Rating der IFF-Anleihen aufgrund der Bonität der Geberregierungen und ihrer langfristigen rechtsverbindlichen Zahlungszusagen an die IFF. Dadurch konstanter jährlicher Kalkulationszinsfuß von nur 5 Prozent. Die Zahlungen der Geberländer an die IFF müssen wesentlich höher sein, als die Auszahlungen der IFF an die Empfängerländer, denn sie müssen folgende drei Ausgabeposten abdecken: zahlungszeitraum und dem kalkulierten Zinssatz ab. Bei einem Auszahlungsvolumen von 500 Mrd. US-Dollar liegen die Beträge in verschiedenen Szenarien der britischen Regierung zwischen 672 und 843 Mrd. US-Dollar. In ihrer aktuellen IFF-Broschüre nennt sie eine Summe von 720 Mrd. US-Dollar.25 Im hier skizzierten Fall stehen den Auszahlungen von 500 Mrd. US-Dollar Zahlungen der Geberländer an die IFF von insgesamt 818,3 Mrd. US-Dollar gegenüber. Viele Details der IFF sind derzeit noch unklar. Das betrifft den möglichen organisatorischen und rechtlichen Rahmen der Fazilität, ihre Entscheidungsstrukturen und die konkreten Bedingungen der Mittelvergabe und -verwendung, sowie die tatsächliche Höhe der (Transaktions-) Kosten. Weiterhin wäre die Frage zu klären, ob und auf welche Weise diejenigen, um die es eigentlich geht, nämlich Regierungen und Zivilgesellschaft der Entwicklungsländer, einbezogen werden. Anhaltspunkte dafür, wie die IFF in der Praxis funktionieren könnte, gibt das Pilotprojekt einer IFF für Impfungen (IFFIm), dessen Planungen sich schon in einem fortgeschrittenerem Stadium befinden. • Die Auszahlungen der IFF an die Empfängerländer • Die Zinszahlungen an die privaten Anleihegläubiger • Die Verwaltungskosten der IFF Wie hoch die Zahlungen der Regierungen an die IFF insgesamt sind, hängt von vielen Faktoren, wie dem Rück- 25 Department for International Development/HM Treasury, 2004. S. 18. 4. Pilotprojekt IFF für Impfungen (IFFIm) Die Initiative für eine »Mini-IFF« zur Verbesserung der weltweiten Impfversorgung ging von der Global Alliance for Vaccines and Immunization (GAVI) aus. GAVI wurde 1999 mit dem Ziel ins Leben gerufen, jedem Kind auf der Welt Impfschutz gegenüber den wichtigsten Infektionskrankheiten zu ermöglichen. Die Allianz wird getragen von privaten Stiftungen, allen voran der Bill & Melinda Gates Foundation, internationalen Organisationen (UNICEF, WHO und Weltbank), Regierungen, Forschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen und NGOs. Zur Finanzierung der GAVI-Aktivitäten dient der globale Impffonds (Vaccine Fund). Das Konzept einer IFF für Impfungen (IFFIm) basiert auf der gleichen Idee des »frontloading« wie das der »großen« IFF: IFFIm soll, abgesichert durch langfristige Zahlungsverpflichtungen der beteiligten Regierungen, über die Ausgabe von Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten Mittel aufnehmen, die unmittelbar zur Finanzierung von Impfstoffen und Impfleistungen in den 72 ärmsten Ländern26 verwendet werden können. GAVI schätzt, dass durch Investitionen von insgesamt 4 Mrd. US-Dollar in den nächsten zehn Jahren das Leben von mehr als fünf Millionen Kindern und weiteren fünf Millionen Erwachsenen gerettet werden könnte.27 Das ökonomische Argument für die Vorfinanzierung von Impfschutzmaßnahmen lautet: Eine rasche Steigerung der Investitionen im Impfsektor führt zur Erhöhung der Herstellungskapazitäten für Impfstoffe, daraus resultierenden Preissenkungen und der beschleunigten Entwicklung neuer Produkte, die sich derzeit in der Entwicklungsendphase befinden und die in den armen Ländern dringend benötigt werden.28 Kurzfristige Mehrausgaben für Impfprogramme führen auf diese Weise zur langfristigen Senkung der Gesundheitskosten. Um den Aufbau neuer Entwicklungsbürokratien zu vermeiden, soll IFFIm weitgehend in die existierenden Strukturen von GAVI und Vaccine Fund integriert werden. Dennoch wäre aus formalen Gründen die Schaffung von zwei neuen Institutionen notwendig: Einer rechtlich unabhängigen Zweigstelle des Vaccine Fund, um die finanziellen Transaktionen mit den Geberregierungen 26 Länder mit einem BNE pro Kopf von weniger als 1000 US-Dollar pro Jahr. 27 Vgl. GAVI/The Vaccine Fund, 2004. 28 Ebd. abzuwickeln, und der IFFIm selbst, die im eigenen Namen Schuldverschreibungen ausgeben und die Erlöse an die Zweigstelle des Vaccine Fund weiterleiten würde. Die Einrichtung dieser rechtlich eigenständigen Vermittlungsinstitutionen wäre eine notwendige Voraussetzung, um von den Rating-Agenturen die höchste Kreditwürdigkeit, das heißt AAA, zu erhalten. Weitere IFFIm-Akteure wären UNICEF und die Weltbank. UNICEF soll mit der Verwaltung des Treuhandkontos beauftragt werden, von dem die IFFIm-Mittel an die Empfänger ausgezahlt werden, die Weltbank soll als Dienstleister (gegen Kostenerstattung) die gesamte technische Abwicklung des Anleihengeschäfts übernehmen. Das Verfahren von der Beantragung bis zur Auszahlung der IFFIm-Mittel, beispielsweise für ein nationales Impfprogramm, wäre relativ kompliziert. Nach den derzeitigen Plänen von GAVI würde es idealtypisch folgende Schritte umfassen (vgl. Grafik):29 1. Finanzantrag eines Empfängerlandes beim GAVIVorstand. 2. Inhaltliche Prüfung und Bewilligung des Antrags durch den GAVI-Vorstand und Weiterleitung an den Vaccine Fund. 3. Prüfung und Bewilligung des Antrags durch den Vorstand des Vaccine Fund, Weiterleitung an die Zweigstelle des Vaccine Fund. 4. Die Zweigstelle des Vaccine Fund beantragt bei IFFIm die Genehmigung, bei den Gebern einen Zuschuss abzurufen. 5. IFFIm prüft den Antrag auf Übereinstimmung mit den GAVI-Prinzipien und den vereinbarten Konditionalitäten. 6. Nach Genehmigung durch IFFIm beantragt die Zweigstelle des Vaccine Fund bei den Gebern den Zuschuss. Der Zuschuss hat die Form einer langfristigen (z.B. 15-jährigen) rechtsverbindlichen Zahlungszusage der Geber, die es IFFIm ermöglicht, mit dieser Zusage als Sicherheit Mittel in Höhe des ursprünglichen Finanzantrags auf den Kapitalmärkten aufzunehmen. 7. IFFIm nimmt über die Ausgabe von Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten die benötigten Mittel auf. 29 Vgl. GAVI/The Vaccine Fund, 2005, S. 2f. 17 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Diagramm 3: Modelltypisches Ablaufschema einer Finanzierung durch IFFIm Geber Zuschussanträge Verbindliche Zuwendungszusage 18 Empfehlungen des GAVI-Vorstands GAVI Vorstand Bewerbung um IFFIm Zuschüsse Vaccine Fund Zuteilung der verbindl. Zuwendungszusage Vaccine Fund Zweigstelle IFFIm Erlöse Auszahlungen Erlöse Schuldverschreibungen Anträge für Zuschüsse Treuhandkonto bei UNICEF Kapitalmärkte Länder Quelle: GAVI/The Vaccine Fund 2005. 8. IFFIm leitet die Erlöse an die Zweigstelle des Vaccine Fund weiter. 9. Auszahlung der Mittel über das Treuhandkonto von UNICEF an das Empfängerland. Die gegenwärtigen Pläne von GAVI/Vaccine Fund und der britischen Regierung sehen vor, dass IFFIm ein Auszahlungsvolumen von insgesamt 4 Mrd. US-Dollar verteilt auf den 10-Jahreszeitraum 2006–2015 haben sollte. Dieser Summe stehen geschätzte Zahlungen der Geber in einer Gesamthöhe von 7,345 Mrd. US-Dollar für die Periode 2006–2025 gegenüber.30 Der Differenzbetrag setzt sich zusammen aus den Zinszahlungen an die Gläubiger und einem »Risikopolster«, das sicherstellen soll, dass die Gläubiger auch im Falle von Zahlungsausfällen ihr Geld zurückbekommen. GAVI/Vaccine Fund nennen hierfür eine Größenordnung von 30 Prozent der zuge30 Diese Kalkulation ist in einer Powerpoint Präsentation von GAVI/Vaccine Fund enthalten (Datum: 24.3.2005). Sie bezieht sich auf Berechnungen von DFID. sagten Mittel. Umgekehrt heißt das, dass nur 70 Prozent der Zahlungszusagen der Geberregierungen beliehen werden. Das hohe Risikopolster wird damit begründet, dass nur auf diese Weise ein AAA-Rating und die damit verbundene niedrigen Anleihezinsen möglich sind.31 Da die Empfängerländer die Mittel als nichtrückzahlbare Zuschüsse erhalten sollen, sind Rückzahlungsausfälle nur auf Seite der Geberregierungen denkbar. Nach den gegenwärtigen Plänen können die Geber Teile ihre Zahlungen an IFFIm dann zurückhalten, wenn ein Empfängerland die sogenannte hochrangige Finanzierungsbedingung (»high-level financing condition«) nicht erfüllt. Dies soll der Fall sein, wenn es gegenüber dem IWF mehr als sechs Monate im Zahlungsverzug ist.32 Für diesen Fall können die Geber den Teil ihrer Zahlungszusagen an IFFIm zurückziehen, der dem ursprünglich vorgese31 Vgl. GAVI/Vaccine Fund 2005, S. 5. 32 Im April 2005 waren folgende vier Länder gegenüber dem IWF im Zahlungsverzug: Liberia, Somalia, Sudan und Zimbabwe (vgl. Development Committee 2005, S. 4). henen Finanzierungsanteil des betreffenden Empfängerlandes entspricht. Da kein Empfängerland mehr als fünf Prozent der Gesamtmittel aus dem IFFIm-Topf erhalten soll, wäre das Ausfallrisiko entsprechend begrenzt. Würde der »Schadensfall« nicht eintreten, könnte IFFIm das finanzielle Risikopolster auf verschiedene Weise verwenden: Es könnten zum Beispiel zusätzliche Impfprogramme unterstützt werden. Das Auszahlungsvolumen der IFFIm könnte auf diese Weise im optimalen Fall von 4 auf rund 5,7 Mrd. US-Dollar steigen. Oder ein Teil der Rückzahlungen könnte aus den eingesparten Mitteln finanziert werden. Dies würde die Zahlungsverpflichtungen der Geber entsprechend reduzieren. Im Januar 2005 hat die britische Regierung angekündigt, dass sie bereit wäre, eine Pilot-IFF für Impfungen im Umfang von 4 Mrd. US-Dollar und einem Auszahlungszeitraum von 10 Jahren mit 960 Mio. Pfund (1,8 Mrd. US-Dollar) zu unterstützen. Ihre Zahlungszusagen sollten dabei auf die nächsten 15 Jahre verteilt werden.33 Die Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Spaniens, Brasiliens und Chiles haben im Februar 2005 ihre Unterstützung für den britischen Vorschlag einer Pilot-IFF angekündigt, allerdings ohne zu diesem Zeitpunkt konkrete Zahlungszusagen zu machen.34 Wider Erwarten wurde eine endgültige Entscheidung über die Einrichtung der IFFIm auf dem G7/8-Gipfel im Juli 2005 im schottischen Gleneagles nicht getroffen. 33 Vgl. DFID Press Release vom 26.1.2005, http://www.vaccine alliance.org/Media_Center/Press_Releases/pr_DFID_26Jan05. php (gelesen: 20.5.2005). 34 Vgl.: Joint statement adopted in Brasilia on 11 February 2005 by Brazil, Chile, France, Germany and Spain, in: UN Dok. A/59/719 vom 1. März 2005, Annex (http://www.mre.gov.br/ portugues/politica_externa/temas_agenda/acfp/acfp_port/ declaracao_conjunta11_02_05.doc, gelesen 2.5.2005). 19 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 5. Der Teufel steckt im Detail – Die IFF unter der Lupe 20 Mit der zunehmenden Debatte über die Finanzierung der Millenniumsziele wuchs auch die politische Unterstützung für das Konzept der IFF. So hat zum Beispiel UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Reformbericht zur Vorbereitung auf den »Millennium+5«-Gipfel die Regierungen aufgefordert, die IFF noch im Jahr 2005 einzuführen.35 Viele sehen in ihr die einzige Möglichkeit, kurzfristig zusätzliche Entwicklungshilfemittel in einer Größenordnung von bis zu 50 Mrd. US-Dollar im Jahr zu mobilisieren. Während die Zustimmung für die IFF wächst, findet eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung über den britischen Vorschlag bislang kaum statt. Und dabei wirft das Konzept der IFF zahlreiche Fragen auf, die beantwortet werden müssen, bevor der entwicklungspolitische Nutzen der IFF differenziert beurteilt werden kann. also im Jahr 2019) zu einem Einbruch der so kalkulierten ODA-Quoten käme. Der vorgezogenen Anrechnung der IFF-Mittel als ODA würde spiegelbildlich auch eine entsprechende Erhöhung der Verschuldung der einzelnen Geberländer gegenüberstehen. Ob diese Form der Verschuldung zu Entwicklungshilfezwecken relevant in Hinblick auf das Maastricht-Kriterium zur Begrenzung der Neuverschuldung der nationalen Haushalte ist, wird von der Europäischen Kommission derzeit noch geprüft. Statt der Auszahlungen der IFF könnten alternativ auch die Zahlungszusagen bzw. die tatsächlichen Zahlungen der Geber an die IFF als ODA angerechnet werden. Sofern diese Zahlungen aus den laufenden Entwicklungshilfebudgets erfolgten, hätte dies ceteris paribus keinen Einfluss auf ODA und ODA-Quote. Auch das MaastrichtKriterium bliebe davon unberührt. Die Zahlungen dienen allerdings auch dazu, Zinsen, Gebühren und sonstige Verwaltungskosten der IFF zu begleichen. 5.1 Zusätzlichkeit Werden die IFF Mittel zusätzlich zur aktuellen ODA bereitgestellt und welchen Einfluss haben sie auf die ODA-Quote? Die IFF basiert auf der grundsätzlichen Idee, Entwicklungshilfe über die Kapitalmärkte vorzufinanzieren und die geliehenen Mittel aus den laufenden Entwicklungshilfebudgets der Zukunft zurückzuzahlen. Das bedeutet, dass in der Gesamtbilanz von 30 Jahren durch die IFF allein keine zusätzlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit mobilisiert werden. Der britischen Regierung zufolge könnte aber dennoch durch die IFF das 0,7-Prozentziel rascher verwirklicht werden. Nach ihren Berechnungen würde Großbritannien das Ziel ohne die IFF im Jahr 2013 erreichen, mit der IFF aber schon 2008–2009.36 Möglich wäre das, wenn die Auszahlungen der IFF in vollem Umfang bei den Gebern (entsprechend ihrem Einzahlungsanteil) als ODA angerechnet werden würden. Dies bedeutete aber auch, dass es nach dem Ende der Auszahlungsperiode (nach den gegenwärtigen Plänen 35 UN Secretary-General, 2005, Pkt. 51. 36 Department for International Development/HM Treasury, 2004, S. 23. 5.2 Refinanzierung Wie kann vermieden werden, dass es nach 2015 zu einem drastischen Einbruch der ODA-Leistungen kommt, wenn die Auszahlung der IFF-Mittel beendet ist und die heiße Phase der Rückzahlungen beginnt? Das Grundkonzept der IFF hat zwangsläufig zur Folge, dass – bei Berücksichtigung der entsprechenden Mittel zur Bestimmung der ODA-Quote – nach dem Ende der Auszahlungsphase die ODA sinkt, zumindest wenn die Rückzahlung der Kapitalmarktmittel aus den Entwicklungshilfebudgets der Geber erfolgt. Wie tief der Einbruch wäre, hängt vor allem vom Gesamtvolumen der IFF, der Laufzeit und der Höhe der Zinsen ab. Das folgende Diagramm zeigt zur Illustration zwei mögliche Verläufe der ODA – mit und ohne IFF. Grundlage des Modells sind die Berechnungen des Sachs-Reports, die die ODAZusagen berücksichtigen, die von den Geberländern bis Anfang 2005 öffentlich verkündet wurden.37 Diese werden um einen möglichen Einnahme- und Ausgabenver37 Vgl. UN Millennium Project, 2005, S. 255, Tabelle 17.5. Diagramm 4: Szenario der ODA-Entwicklung mit und ohne IFF 2004-2034 (in Mrd. US-Dollar) 250,0 225,0 Ohne IFF 200,0 Mit IFF 175,0 150,0 21 125,0 100,0 75,0 lauf der IFF (s. Diagramm 2) ergänzt und linear bis zum Jahr 2034 fortgeschrieben. Das Ergebnis dieser groben Projektion: Ohne IFF würde die ODA im Jahr 2015 rund 121 Mrd. US-Dollar betragen, mit IFF dagegen 149 Mrd. US-Dollar. Sie würde aber bis 2020 wieder auf 113 Mrd. US-Dollar fallen, während ohne IFF die ODA kontinuierlich auf 140 Mrd. US-Dollar ansteigen könnte. Um die zu erwartende ODA-Lücke zu füllen, müssten die Geber für die Rückzahlungsperiode der IFF zusätzliche Mittel bereitstellen. Dazu müssten die öffentlichen Haushalte entsprechend aufgestockt werden. Damit dies nicht über zusätzliche Kreditaufnahmen oder die Erhöhung der bestehenden Steuern geschieht, fordern einige Regierungen und NGOs, neue internationale Steuern oder Abgaben einzuführen und diese zweckgebunden zur Refinanzierung der IFF zu verwenden. Deutschland und Frankreich haben im Februar 2005 vorgeschlagen, eine Kerosinsteuer oder Flugticketabgabe einzuführen, um aus den Erlösen die geplante IFFIm zu refinanzieren. In Folge dieser Initiative haben die EU-Finanzminister im Mai 2005 die Einführung einer freiwilligen Abgabe auf Flugtickets diskutiert. Die potentiellen Steuereinnahmen lägen daher vermutlich weit unter der von der Europäischen Kommission bei Einführung einer verbindlichen Abgabe (vgl. Tab. 4) geschätzten Höhe von maximal 6 Mrd. Euro pro Jahr. Sie würden zwar zur Refinanzierung der IFFIm, nicht aber zur Refinanzierung einer vollständigen IFF ausreichen. Dazu wäre ein zusätzliches Finanzierungsinstrument notwendig, das bis zu 30 Mrd. US-Dollar pro Jahr aufbringen müsste. Möglich wäre dies zum Beispiel durch eine Devisentransaktionssteuer. 20 34 20 32 20 30 20 28 20 26 20 24 20 22 20 20 20 18 20 16 20 14 20 12 20 10 20 08 20 04 20 06 50,0 5.3 Komplementarität In welchem Verhältnis steht der IFF-Vorschlag zu anderen internationalen Finanzierungsinstrumenten, insbesondere globalen Steuern und Nutzungsentgelten? Die britische Regierung betont ausdrücklich, dass die IFF kein Gegenmodell zu anderen Finanzierungsinstrumenten wie internationalen Steuern oder Sonderziehungsrechten darstellt.38 Während die IFF aber kurzfristig realisiert werden könnte, benötigten alle anderen Instrumente mehr Zeit bis zu ihrer Einführung. Ähnlich argumentiert auch der UN-Generalsekretär in seinem Reformbericht. Durch die Verknüpfung des IFF-Konzepts mit der Einführung einer internationalen Steuer oder Abgabe zur Refinanzierung wird dieser Argumentation Rechnung getragen. Kurzfristig wird IFFIm oder später die IFF geschaffen, längerfristig folgen dann eine Flugticketabgabe und ggf. weitere Steuern, um mit den Erlösen die geliehenen IFF-Mittel zurückzuzahlen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass mit der Schaffung der IFF zunächst der unmittelbare Druck auf die Politik sinkt, weiterer Finanzierungsinstrumente einzuführen – mit dem Argument, dass diese ja erst notwendig würden, wenn die Rückzahlung der IFF-Mittel anstünde. 38 Vgl. Department for International Development/HM Treasury, 2004, S. 24. 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Diagramm 5: Szenarien der ODA-Entwicklung 2004 bis 2015 (in Mrd. US-Dollar) 300,0 275,0 Steigerung nach Zusagen (ohne EU Stufenplan) Steigerung nach Sachs-Report (0,44% bis 2006, 0,54% bis 2015) Steigerung auf 0,7% bis 2015 250,0 225,0 200,0 22 Steigerung nach Zusagen ohne EU Stufenplan mit IFF 175,0 150,0 125,0 100,0 75,0 50,0 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 20 Die Einführung internationaler Steuern oder Abgaben ist aber in erster Linie kein technisches Problem sondern eine Frage des politischen Willens. So ließe sich beispielsweise eine Abgabe auf Flugtickets innerhalb der EU technisch sehr kurzfristig realisieren. Auch das Konzept einer Devisentransaktionssteuer benötigte angesichts der bereits geleisteten Vorarbeiten keine Jahrzehnte bis zur Verwirklichung. Wenn aber immer mehr Regierungen grundsätzlich bereit sind, internationale Steuern im Huckepack der IFF einzuführen, und dies auch kurzfristig möglich wäre, spricht nichts dagegen, sie auch unabhängig von den Rückzahlungsverpflichtungen der IFF zu erheben. Im Gegenteil: Die IFF würde selbst bei einem anvisierten Auszahlungsvolumen von bis zu 50 Mrd. US-Dollar pro Jahr allein nicht ausreichen, um die Verwirklichung der MDGs zu finanzieren. Der Sachs-Report schätzt, dass dazu bis 2015 eine Aufstockung der ODA auf 195 Mrd. US-Dollar erforderlich wäre. Die Realisierung des 0,7Prozentziels bedeutete demnach sogar eine Erhöhung der ODA auf rund 250 Mrd. US-Dollar. Das folgende Diagramm 5 illustriert die ODA-Lücke, die trotz IFF bestünde, wenn keine zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Entwicklungshilfemittel ergriffen würden. Die anvisierten ODA-Ziele ließen sich bis 2015 daher nur durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen erreichen: • Ein drastische Erhöhung der nationalen Entwicklungshilfebudgets • Die vollständige Realisierung der IFF 10 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 20 • Die frühzeitige Einführung verschiedener neuer Finanzierungsinstrumente, insbesondere Steuern auf Flugbenzin und Devisentransaktionen. 5.4 Absorptionsfähigkeit Können die Ökonomien der Empfängerländer kurzfristig überhaupt Entwicklungshilfezuflüsse in dem geplanten Umfang von zusätzlichen 50 Mrd. US-Dollar pro Jahr sinnvoll aufnehmen? Die Frage, ob die Ökonomien der Entwicklungsländer kurzfristig Finanzzuflüsse in großem Umfang absorbieren könnten, ist unabhängig vom jeweiligen Finanzierungsinstrument zu beantworten und betrifft nicht ausschließlich die IFF. Die britische Regierung verweist in diesem Zusammenhang auf Weltbank-Untersuchungen, die zu dem Schluss kommen, dass die Länder Asiens und Afrikas südlich der Sahara eine kurzfristige Erhöhung der aktuellen Mittelzuflüsse für Entwicklungszusammenarbeit um 60–100 Prozent problemlos bewältigen könnten.39 Sie erinnert außerdem daran, dass der Pro-KopfAnteil der ODA in den Empfängerländern in den 1990er Jahren gesunken ist und allein 23 Mrd. US-Dollar an zusätzlichen Mitteln pro Jahr nötig wären, um den Stand von 1990 wieder zu erreichen. 39 Ebd. S. 8. Schließlich sollen die Mittel der IFF sich nicht auf wenige Länder konzentrieren sondern breit gestreut werden. Kein Land soll mehr als maximal 5 Prozent der Gesamtmittel erhalten. Beim Pilotprojekt der IFF für Impfungen ist vorgesehen, dass von den 72 potentiellen Empfängerländern die weit überwiegende Mehrzahl lediglich jeweils nur 1 Prozent der Mittel erhält. Die Gefahr, dass einzelne Länder infolge der IFF von Entwicklungshilfeströmen überflutet werden, scheint daher gering. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Erhöhung der Nettokapitalzuflüsse in einzelnen Ländern zu einer Aufwertung der heimischen Währung führte (»dutch disease«) und damit auch die Terms of Trade für das entsprechende Land beeinflusste. Dieser Effekt würde von der Höhe der Zuflüsse und der Größe der Volkswirtschaft abhängen und lässt sich im Voraus nur schwer quantifizieren.40 5.5 Konditionalität Sind mit der IFF zusätzliche Auflagen für die Empfänger verbunden? Die britische Regierung hat von Anfang an klar gemacht, dass die Bereitstellung der zusätzlichen IFF-Mittel keineswegs bedingungslos erfolgen solle, sondern den Entwicklungsvorstellungen der Geberländer entsprechen müsse (»… in line with donor wishes«)41 In ihrem ursprünglichen Konzept vom Januar 2003 war die IFF noch eingebettet in einen umfassenderen Plan zur Reform der Nord-Süd-Beziehungen: »To achieve the Millennium Development Goals we need something as bold as a twenty-first century equivalent of the Marshall Plan: a new compact or deal not just for aid but for development between the richest and the poorest countries. […] today’s development compact should be that, in return for reform in developing countries’ economies, finance for development is on offer.«42 Der neue Entwicklungspakt zwischen Nord und Süd, den die britische Regierung damals vorschlug, sollte aus vier Bausteinen bestehen, von denen die IFF lediglich einer gewesen wäre. Als weitere Bausteine nannte der Vorschlag:43 • die vollständige Handelsliberalisierung in Industrieund Entwicklungsländern in Weiterführung der Beschlüsse der WTO-Ministerkonferenz von Doha; • die Öffnung der Märkte der Entwicklungsländer und die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für private Investoren. Im Klartext hieße dies, dass Zugeständnisse der Industrieländer in Form von zusätzlicher Entwicklungshilfe geknüpft würden an die bedingungslose Öffnung der Entwicklungsländermärkte für Waren und Investitionen aus den Industrieländern. Diese expliziten Bedingungen tauchten in der überarbeiteten Auflage der britischen IFF-Broschüre im Jahr 2004 nicht mehr auf. Dennoch sieht das IFF-Konzept weiterhin umfassende Konditionalitäten auf drei Ebenen vor: 1. Die hochrangige Finanzierungsbedingung (»highlevel financing condition«), nach der ein Land nur solange IFF-Mittel erhält, solange es nicht gegenüber dem IWF in Zahlungsverzug gerät.44 2. Die grundsätzlichen Prinzipien, die von der IFF an die Mittelvergabe verknüpft werden. Sie sollen bei der Gründung der IFF vereinbart werden und zielen primär auf die Programme der Geber. Als Grundprinzipien nennt die britische Regierung u.a., die Verwendung der IFF-Mittel für Programme zur Armutsreduzierung, keine Lieferbindungen, Finanzierung von längerfristigen Programmen mit mindestens dreijähriger Laufzeit, Auszahlung der Mittel überwiegend als Zuschüsse, und Durchführung der Programme ausschließlich in Ländern mit niedrigem Einkommen.45 3. Die individuellen Vergabekonditionalitäten der nationalen oder internationalen Institutionen, die die von der IFF finanzierten Programme durchführen. Die britische Regierung stellt ausdrücklich fest: »Funds relating to each donor’s commitment would be allocated by each donor to its choice of country and delivery channel. […] each donor would be able disburse the finance they have raised through the IFF at their discretion according to their conditionalities and terms.«46 Zusammengefasst bedeutet dies, dass durch die IFF die Liste der Konditionalitäten gegenüber den Empfängerländern eher erweitert als reduziert wird. • ein neues regelgestütztes System für globales Wirtschaftswachstum und Stabilität, das auf Kodizes und Standards beruht, die für alle Länder gleichermaßen gelten; 40 Vgl. dazu z.B. Mavrotas, 2003, S. 17. 41 Department for International Development/HM Treasury, 2003b, S. 14. 42 Ebd., S. 7. 43 Ebd., S. 7f. 44 Department for International Development/HM Treasury, 2004, S. 18. 45 Department for International Development/HM Treasury, 2003a, S. 6. 46 Ebd., S. 5. 23 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 5.6 Governance Wie sollen die Entscheidungs- und Partizipationsverfahren der IFF gestaltet werden, damit sichergestellt wird, dass alle Beteiligten (insbesondere die Empfänger) adäquat einbezogen werden? 24 Die Gründung der IFF soll durch die Geberländer erfolgen, die quasi die Anteilseigner der Fazilität wären. Nach den Vorstellungen der britischen Regierung würden die Grundprinzipien der Mittelvergabe durch die IFF ebenso von den Gebern bestimmt wie die Aufteilung der Mittel auf die Empfängerländer und die konkreten Auszahlungsmechanismen. Ein bislang nur intern diskutiertes Modell des britischen Finanzministeriums sieht vor, im Rahmen der IFF zwei Entscheidungsgremien zu schaffen: Einen Ausschuss der Anteilseigener (Shareholders’ Committee), der jährlich zusammentritt und eher die Funktionen eines Aufsichtsrates hat, und einen Verwaltungsausschuss (Management Committee), der sich aus je einem Vertreter jedes Geberlandes zusammensetzt und der für die eigentliche Steuerung der IFF verantwortlich wäre.47 Die Regierungen der Empfängerländer oder andere gesellschaftliche Akteure kommen in den bisher veröffentlichten Planungen für die IFF nicht vor. Damit würde die IFF in ihren Entscheidungsstrukturen sogar noch hinter IWF und Weltbank zurückfallen. Die Länder des Südens würden in die Gremien der IFF nicht als gleichberechtigte Partner integriert, sondern auf die Rolle von passiven Mittelempfängern reduziert. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Globalen Umweltfazilität (Global Environment Facility, GEF). Die GEF wurde 1991 im Vorfeld der Rio-Konferenz auf Initiative der französischen und deutschen Regierung gegründet, um vor allem Projekte zum Schutz des Klimas, der biologischen Vielfalt, der Ozonschicht und der Gewässer zu finanzieren. Die Verwaltung der GEF erfolgt durch die Weltbank, die Projektdurchführung durch Weltbank, UNDP und UNEP. Bislang einzigartig ist die paritätische Stimmrechtsverteilung zwischen Geber- und Empfängerländern im Verwaltungsrat der GEF. Sie stellt einen Kompromiss zwischen dem »ein Land – eine Stimme«-System der UNO und dem »ein Dollar – eine Stimme«-System von IWF und Weltbank dar. Dies könnte auch für die IFF als Vorbild dienen. Alternativ dazu könnte die IFF einer schon bestehenden Organisation und ihren Entscheidungsverfahren angegliedert werden, um dadurch die Gründung neuer Institutionen weitgehend zu vermeiden. Dies ist beim IFF-Pilotprojekt für Impfungen vorgesehen, das auf den Entscheidungs- und Partizipationsverfahren von GAVI und Vaccine Fund basieren soll. Die Zusammensetzung des GAVI-Verwaltungsrates ist allerdings nicht unum47 Vgl. Mavratos, 2003, S. 10f. Finanz- und Handelszentrum Hongkong stritten. Denn dort hat neben UNICEF, der Weltbank und der WHO auch die Bill und Melinda Gates-Foundation einen der ständigen Sitze inne. Die Regierungen der Industrie- und Entwicklungsländer teilen sich dagegen im Rotationsverfahren ebenso wie die Vertreter von NGOs, Wissenschaft und Pharmaunternehmen die nichtständigen Sitze – eine Konstruktion, die an den UN-Sicherheitsrat erinnert. Diese Struktur hat zur Folge, dass auch private Geldgeber, NGOs und Wirtschaftsvertreter Mitentscheidungsgewalt über die Gesundheitspolitik der Entwicklungsländer und die Verwendung (zumindest teilweise) öffentlicher Gelder haben. 5.7 Transaktionskosten Wie hoch sind die Kosten des kapitalmarktfinanzierten Vorziehens zukünftiger ODA und gäbe es keine kostengünstigeren Alternativen? Von entscheidender Bedeutung für die Bewertung des IFF-Konzepts ist die Frage, wie hoch die Kosten dieses Instruments im Vergleich zur herkömmlichen öffentlichen Entwicklungsfinanzierung und zu alternativen Modellen sind. Exakte Berechnungen liegen dazu bislang nicht vor. Fest steht jedoch, dass die IFF mit einer Reihe von Zusatzkosten verbunden wäre, die in der konventionellen Entwicklungsfinanzierung nicht auftreten, insbesondere: • • • • • Kosten der Kapitalmarktmittel (Zinsen) Kosten der Wertpapierverwaltung Kosten der Anleihenemission Kosten des Treuhandkontos Kosten der IFF-Verwaltung Der größte Kostenfaktor wären die Zinsen, die für die Kapitalmarktmittel bezahlt werden müssten. Die britische Regierung geht davon aus, dass die Rating-Agenturen der IFF die höchste Kreditwürdigkeit (AAA) einräumen und damit ein relativ niedriger Zinssatz von etwa 5 Prozent möglich wäre. Würde das AAA-Rating verfehlt, stiegen automatisch die Zinskosten. Aber schon bei einem Zinssatz von 5 Prozent schätzt die britische Regierung, dass den 500 Mrd. US-Dollar IFF-Auszahlungen rund 720 Mrd. US-Dollar Zins- und Tilgungszahlungen an die Gläubiger gegenüberstünden. Das bedeutet, 220 Mrd. US-Dollar könnten im Laufe der kommenden 30 Jahre nicht zur Armutsbekämpfung verwendet werden sondern flössen auf die Konten der Gläubiger. Hinzu kämen die diversen Verwaltungskosten der IFF. Im Zusammenhang mit dem IFF-Pilotprojekt für Impfungen schätzen GAVI/Vaccine Fund, dass der Gegenwartswert aller Zahlungszusagen der Geber 7–10 Prozent höher wäre als der Gegenwartswert aller Auszahlungen an die Empfänger. Mit anderen Worten: Die Finanzierung durch IFFIm wäre 7–10 Prozent teurer als die herkömmliche Finanzierung über die öffentlichen Entwicklungshilfebudgets. Gegenzurechnen wären allerdings die (nur schwer kalkulierbaren) Wohlfahrtsgewinne, die durch die Vorverlegung von Impfprogrammen erzielt werden könnten. Eine preiswertere Alternative zur IFF bestünde möglicherweise in der Finanzierung von Armutsbekämpfungsprogrammen über Entwicklungsbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder ein internationales Konsortium von Entwicklungsbanken. Sie hätten den gleichen Zugang zu den Kapitalmärkten, wie dies von der IFF erwartet wird, verfügen über die höchste Kreditwürdigkeit (AAA), könnten die Anleihengeschäfte im Rahmen des laufenden Betriebs erledigen und würden damit zusätzliche Verwaltungskosten vermeiden. Schließlich ist in diesem Kontext auch die Frage zu diskutieren, ob die erhöhte Nachfrage nach Anleihekapital auf den internationalen Finanzmärkten Auswirkungen auf die internationale Zinsentwicklung hätte. Denn würden durch die erhöhte Nachfrage die Zinsen steigen, hätte dies negative Folgen für Investitionen und Wachstum. Die britische Regierung argumentiert, dass der internationale Markt für Anleihen ähnlich der IFF-Anleihe »sehr tief« sei, und daher keine Erhöhung der Kosten der Kapitalaufnahme zu erwarten seien.48 Dies gilt allerdings unter der Annahme des AAA-Ratings der Anleihen. 48 Vgl. Department for International Development/HM Treasury, 2003a, S. 6. Würden die IFF-Anleihen ein schlechteres Rating erhalten, wären nach Ansicht der Europäischen Kommission weitere Untersuchungen über die potentiellen Folgen für die Finanzmärkte erforderlich.49 5.8 Verteilungseffekte Welche potentiellen Auswirkungen hat die IFF auf die Einkommensverteilung zwischen Generationen und gesellschaftliche Gruppen? Für die IFF trifft zu, was für alle Formen kreditfinanzierter Staatsausgaben gilt. Die Aktivitäten der Gegenwart erfolgen auf Kosten der zukünftigen Generationen. Der ehemalige Entwicklungskommissar der Europäischen Kommission Poul Nielsen hat die IFF aus diesem Grund kritisiert indem er feststellte: »I don’t like it [the IFF] […] it’s problematic to base additional official development assistance on more borrowing from future generations […] morally I find it wrong not to discuss it with present citizens and taxpayers but to leave this burden to our children and grandchildren.«50 Die IFF hätte aber auch Auswirkungen auf die Verteilung des Einkommens zwischen den eigentlich Betroffenen, d.h. zwischen den Armen heute und den Armen morgen. Das Vorziehen der ODA könnte sicherlich Millionen von Menschen darin unterstützen, ihr Einkommen zu erhöhen und damit die extreme Armut zu überwinden. Aber selbst wenn die MDGs bis 2015 verwirklicht wären, würden immer noch mehrere hundert Millionen Menschen nach 2015 in extremer Armut leben. Für sie stünden dann – ceteris paribus – weniger ODA-Mittel zur Verfügung, als es ohne die IFF der Fall wäre. Schließlich hätte die IFF einen weiteren Umverteilungseffekt: Mit der Rückzahlung der IFF-Gelder flössen öffentliche Haushaltsmittel, die unter anderen Umständen für Entwicklungshilfezwecke verwendet werden könnten, in Form von Zinszahlungen an die Anleger auf den internationalen Kapitalmärkten, seien es reiche Privatpersonen, Unternehmen, Banken, Investmentoder Pensionsfonds. 49 Vgl. Commission of the European Communities, 2005b, S. 12. 50 Poul Nielsen zitiert nach: World Development Movement, 2005, S. 13. 25 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 6. Fazit: Anforderungen an eine entwicklungspolitisch sinnvolle IFF 26 Der Anspruch der IFF-Initiative ist hoch: »Verdoppelung der Hilfe zur Halbierung der Armut« lautet das Motto, mit dem die britische Regierung für die IFF wirbt. Das Modell scheint derzeit alternativlos, denn weder für die breitflächige Einführung internationaler Steuern noch für die radikale Erhöhung der nationalen Entwicklungshilfebudgets ist eine ausreichende politische Unterstützung der Regierungen kurzfristig in Sicht. Die Bewertung des IFF-Konzepts sollte sich aber weniger an der realpolitischen Machbarkeit sondern vielmehr an der entwicklungspolitischen Sinnhaftigkeit des Modells orientieren. Die zentrale Frage bei der Bewertung der IFF lautet: Kann die IFF dazu beitragen, die gegenwärtigen Defizite im internationalen System der Entwicklungsfinanzierung, wie sie zum Beispiel im Landau-Report angeprangert werden (siehe oben), zu überwinden? In Anlehnung an den Landau-Report stellen sich vier konkrete Fragen: dass alle IFF-Mittel zur Armutsbekämpfung verwendet und ohne Lieferbindung vergeben werden. • Kann durch die IFF die Volatilität der ODA reduziert und ihre Berechenbarkeit für die Empfängerländer erhöht werden? Wenngleich dies von der britischen Regierung als ein Hauptargument für die IFF angeführt wird, trifft es nur bedingt zu. Denn den langfristigen, mindestens 15-jährigen Zahlungsverpflichtungen der Geber an die IFF stehen keine ähnlich langen Auszahlungszusagen an die Empfänger gegenüber. Die IFF-Mittel sollen lediglich im Rahmen von mindestens dreijährigen Entwicklungsprogrammen ausgezahlt werden. Sie sind zudem geknüpft an die sogenannte »hochrangige Konditionalität« der IFF und die unterschiedlichsten Auflagen der individuellen Geber. Werden diese nicht erfüllt, können die Auszahlungen gestoppt werden. Größere Planungssicherheit ist für die einzelnen Empfängerländer durch die IFF daher kaum gegeben. • Werden durch die IFF zusätzliche Mittel für Entwicklungszusammenarbeit mobilisiert? Kurzfristig ja, aber langfristig nein. Der Preis der Vorverlagerung der Entwicklungshilfemittel ist hoch, denn über die gesamte Laufzeit der IFF von rund 30 Jahren würden wesentlich weniger Mittel in den Süden fließen, als dies ohne IFF der Fall wäre – es sein denn, die Mehrkosten der Refinanzierung der IFF würden durch zusätzliche Mittel kompensiert. • Werden die hohen Transaktionskosten der Entwicklungszusammenarbeit durch die IFF reduziert? Nein, im Gegenteil. Da die Auszahlung der IFF-Mittel über existierende bi- und multilaterale Kanäle erfolgen soll, ändert sich an den damit verbundenen Transaktionskosten (z.B. im Zusammenhang mit der Aushandlung bilateraler Programme zwischen Geber- und Empfängerregierung) nichts. Zusätzlich fallen aber die Transaktionskosten an, die durch die Struktur der IFF verursacht werden. Entwicklungshilfe mit IFF ist also teuerer als ohne IFF. • Kann die IFF dazu beitragen, dass mehr Entwicklungshilfegelder in den Kampf gegen die Armut fließen und in den Entwicklungsländern selbst ankommen? Ja, durch die vorgesehenen Auflagen für die Geber (die »Overarching Principles«) soll sichergestellt werden, Eine differenzierte Analyse des IFF-Vorschlags muss zu dem Schluss kommen, dass die Einführung der IFF nur dann entwicklungspolitisch sinnvoll wäre, wenn einer Reihe konkreter Bedingungen erfüllt würden. Folgende vier Bedingungen sind besonders relevant: 1. Einbeziehung der Betroffenen. Bislang kommen Regierungen und Zivilgesellschaft des Südens in den IFFPlänen nur als passive Empfänger vor. Um nicht sogar hinter die Entscheidungs- und Beteiligungsverfahren von IWF und Weltbank zurückzufallen, müssen sie umfassend in die Arbeit der IFF einbezogen werden. Vorbild für ein mögliches (Mit-) Entscheidungsverfahren könnte die Globale Umweltfazilität (GEF) sein. 2. Keine zusätzlichen Konditionalitäten. Statt die ODAEmpfänger durch zusätzliche Konditionalitäten zu belasten, sollte die IFF darauf hinwirken, dass die Auflagen, die mit der Vorgabe der IFF-Mittel verbunden werden, auf das entwicklungspolitisch notwendige Minimum reduziert werden. 3. Keine negativen Finanzmarkteffekte. Vor Einführung der IFF muss sichergestellt werden, dass es durch die erhöhte Nachfrage nach Kapitalmarktmitteln nicht zu einem Anstieg der Zinsen kommt. 4. Bereitstellung zusätzlicher Mittel jenseits der IFF. Würde die Refinanzierung der IFF aus den laufenden Haushalten erfolgen, käme es nach 2015 zu einem Einbruch der ODA mit vermutlich gravierenden Folgen für die zukünftige Armutsbekämpfung. Aus diesem Grund müsste bereits bei Einführung der IFF sichergestellt sein, dass die Refinanzierung über zusätzliche Mittel erfolgt. Diese sollten durch die Einführung internationaler Steuern, insbesondere auf Flugbenzin und Devisentransaktionen, aufgebracht werden. Die Einführung von IFF und internationalen Steuern müsste daher Hand in Hand gehen. Dies wäre auch deswegen notwendig, weil durch die IFF allein – selbst wenn sie in vollem Umfang realisiert würde – nicht die notwendigen Mittel zur Verwirklichung der MDGs mobilisiert würden. Erforderlich ist eine Parallelstrategie, die drei Elemente umfasst: • Die drastische Erhöhung der nationalen Entwicklungshilfebudgets • Die vollständige Realisierung der IFF • Die frühzeitige Einführung internationaler Steuern, insbesondere auf Flugbenzin und Devisentransaktionen. Nur wenn diese Bedingungen ex ante erfüllt würden, könnten einige der negativen Aspekte der IFF kompensiert werden. Anderenfalls würde die IFF mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Aber auch unter diesen Bedingungen wäre die Einführung der IFF bestenfalls die zweitbeste Lösung. Denn in jedem Fall bedeutete sie »Entwicklungshilfe auf Pump«. Die Regierungen erkennen zwar die Notwendigkeit an, den Ressourcentransfer von Nord nach Süd zu erhöhen. Sie scheinen aber nicht bereit, in der Gegenwart die dazu erforderlichen Schritte zu unternehmen. Stattdessen verlagern sie die zusätzliche finanzielle Belastung, die mit der Erhöhung der ODA zweifellos verbunden ist, auf die Steuerzahler der nächsten Generation. Ehrlicher wäre es, die zusätzlichen Kosten der Armutsbekämpfung bereits heute zu tragen. Dies setzt den politischen Mut voraus, 27 Informeller Sektor in Delhi (Indien) den Entwicklungshaushalt radikal zu erhöhen – finanziert durch Umverteilungen im Gesamthaushalt, zweckgebundene Steuererhöhungen oder die Einführung neuer, international koordinierter Steuern. Die Staats- und Regierungschefs hatten in ihrer Millenniumserklärung im Jahr 2000 noch die »Solidarität« als fundamentalen Wert bezeichnet, der für die internationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts von essentieller Bedeutung sei. Sie erklärten damals: »Die globalen Probleme müssen so bewältigt werden, dass die damit verbundenen Kosten und Belastungen im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien der Billigkeit und sozialen Gerechtigkeit aufgeteilt werden. Diejenigen, die leiden oder denen die geringsten Vorteile entstehen, haben ein Anrecht darauf, Hilfe von den größten Nutznießern zu erhalten.«51 Die Konsequenz aus diesem »Anrecht auf Hilfe« wäre die entsprechende Erhöhung der ODA. Denn internationale Solidarität gibt es nicht zum Nulltarif – weder heute noch morgen. 51 UN Doc. A/RES/55/2, Pkt. 6. 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Literatur 28 Albin, Alexandra/Helmut Gauges, 2005: Darlehen oder Zuschüsse zur Finanzierung der ärmsten Länder? In: Weltwirtschaftliche Lage und Perspektiven, Januar Ausgabe. Frankfurt am Main: KfW. Atkinson, Anthony B. (Hrsg.), 2004: New Sources of Development Finance. New York: Oxford University Press. 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World Development Movement, 2005: The International Finance Facility. Boon or Burden for the Poor? London. 29 2015 im Gespräch Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut Das VENRO-Projekt »Perspektive 2015« 30 Um zur Umsetzung der auf dem Millenniums-Gipfel der UN im Herbst 2000 vereinbarten und durch das »Aktionsprogramm« der Bundesregierung vom April 2001 unterstützen 2015-Ziele beizutragen, hat VENRO, der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen mit über hundert Mitgliedern, im Herbst 2001 das Projekt »Perspektive 2015 – Armutsbekämpfung braucht Beteiligung« gestartet. Hauptsächlich zielt das Projekt darauf ab, die Informationslage der deutschen Öffentlichkeit über die mit dem Jahr 2015 verbundenen Zielsetzungen zur Halbierung der Armut und zu einer sozialen und ökologisch nachhaltigen Entwicklung zu verbessern. Das Projekt besteht aus vier Komponenten: 1) Der Projektwebsite »www.2015.venro.org«, auf der neben Grundinformationen zu den 2015-Zielen laufend neue Texte und aktuelle Informationen eingestellt werden. 2) Der in Zusammenarbeit mit dem Duisburger Institut Entwicklung und Frieden (INEF) erstellten Website »www.prsp-watch.de«, auf der grundlegende Informationen über die Erarbeitung und Umsetzung der Armutsbekämpfungsstrategien (Poverty Reduction Strategy Papers/PRSP) zu finden sind. Die jeweiligen Länderprofile beleuchten vor allem die zivilgesellschaftliche Beteiligung am PRS-Prozess. 3) Dem per E-Mail verschickten Newsletter »2015 aktuell«, der monatlich erscheint und auf jeweils drei bis vier Seiten Neues aus der internationalen Debatte rund um die MDGs und über NRO-Aktivitäten zu den 2015Zielen vorstellt. Der Newsletter kann »online« über die beiden Projekt-Websites abonniert werden. 4) Die Publikationsreihe »2015 im Gespräch«, die Grundsatz- und Lobbypapiere zu den verschiedenen Bereichen der Armutsbekämpfung versammelt. Die bisherigen Titel lauten: • Nr. 1: »Armut bekämpfen – Gerechtigkeit schaffen« • Nr. 2: »Entwicklung braucht Finanzierung« • Nr. 3: »Globale Armut – Europas Verantwortung« • Nr. 4: »PRSP – Chancen und Grenzen zivilgesellschaftlicher Beteiligung« • Nr. 5: »Handel – Ein Motor für die Armutsbekämpfung?« • Nr. 6: »Armutsbekämpfung und Krisenprävention« • Nr. 7: »Wie kommen die Armen zu ihren Rechten? Armutsbekämpfung und Menschenrechte« • Nr. 8: »Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut. Die Internationale Finanzfazilität – Neue Zauberformel der Entwicklungsfinanzierung?« Die Papiere befinden sich auch auf der Website »www.2015.venro.org« (unter Dokumente/Publikationen) und können in gedruckter Form über die Website oder direkt beim VENRO-Büro in Berlin bestellt werden. Die 2015-Papiere Nr. 2–7 sind auch in einer englischen Übersetzung erhältlich. Das Projekt wird aus Mitteln des BMZ finanziert und läuft voraussichtlich bis Ende 2006. Das VENRO-Projekt ist in Berlin angesiedelt und durch Dr. Gerhard Gad (Koordinator) und Jens Ramlow (Projektreferent) besetzt. Adresse: VENRO Büro-Berlin Projekt »Perspektive 2015« Ziegelstr. 30 10117 Berlin Tel.: 030/28 04 66-70/-71 Fax: 030/28 04 66-72 E-Mail: [email protected] Internet: www.2015.venro.org und www.prsp-watch.de VENRO-Mitglieder (Stand: Juni 2005) action medeor – Deutsches Medikamenten Hilfswerk ADRA – Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe Ärzte der Welt Ärzte für die Dritte Welt Ärzte ohne Grenzen* AeJ – Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend AGEH – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe agl – Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt Landesnetzwerke Akademie Klausenhof Aktion Canchanabury Andheri-Hilfe Bonn Arbeiter Samariter Bund Deutschland Arbeiterwohlfahrt Bundesverband AT-Verband* BDKJ – Bund der Deutschen Katholischen Jugend Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit* BEI – Bündnis Entwicklungspolitischer Initiativen Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Brot für die Welt CARE Deutschland Casa Alianza Kinderhilfe Guatemala CCF Kinderhilfswerk Christliche Initiative Romero Christoffel-Blindenmission* DEAB – Dachverband entwicklungspolitischer Aktionsgruppen in Baden-Württemberg DESWOS – Deutsche Entwicklungshilfe für soziales Wohnungsund Siedlungswesen Deutsche Kommission Justitia et Pax Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe Deutsche Stiftung Weltbevölkerung Deutsche Welthungerhilfe Deutscher Caritasverband – Caritas International Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband AK »Parität International« Deutsches Blindenhilfswerk Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge* Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat* DGB-Bildungswerk – Nord-Süd-Netz Die Lichtbrücke Dritte Welt JournalistInnen Netz EED – Evangelischer Entwicklungsdienst Eine Welt Netz NRW Eine Welt Netzwerk Hamburg EIRENE – Internationaler Christlicher Friedensdienst Evangelische Akademien in Deutschland FIAN Deutschland Germanwatch Nord-Süd-Initiative GSE – Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit Handicap International Hilfswerk der deutschen Lions ILD – Internationaler Landvolkdienst der KLB Indienhilfe INKOTA – Ökumenisches Netzwerk Internationaler Hilfsfonds Internationaler Verband Westfälischer Kinderdörfer Johanniter-Unfall-Hilfe – Johanniter International Jugend Dritte Welt Kairos Europa – Unterwegs zu einem Europa für Gerechtigkeit Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie KATE – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung – Berlin KATE – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung – Stuttgart Kindernothilfe Lateinamerika-Zentrum Malteser Hilfsdienst Generalsekretariat – Abteilung Auslandsdienst Marie-Schlei-Verein materra – Stiftung Frau und Gesundheit Medica mondiale medico international Misereor Bischöfliches Hilfswerk Missionszentrale der Franziskaner* Nationaler Geistiger Rat der Bahà’i in Deutschland NETZ – Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit ÖEIW – Ökumenische Initiative Eine Welt OIKOS Eine Welt ORT Deutschland Oxfam Deutschland Peter-Hesse-Stiftung – Solidarität in Partnerschaft für eine Welt Plan international Deutschland Rotary Deutschland Gemeindienst Senegalhilfe-Verein SES – Senior Experten Service SID – Society for International Development SODI – Solidaritätsdienst International Sozial- und Entwicklungshilfe des Kolpingwerkes Stiftung Entwicklung und Frieden Stiftung Nord-Süd-Brücken Susila Dharma – Soziale Dienste Terra Tech – Förderprojekte Dritte Welt terre des hommes Bundesrepublik Deutschland Tierärzte ohne Grenzen* TransFair – Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der »Dritten Welt« VEN – Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen VENROB – Verbund entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs Weltfriedensdienst Welthaus Bielefeld Weltladen-Dachverband. Weltnotwerk der KAB Westdeutschlands Werkhof Darmstadt Werkstatt Ökonomie World Vision Deutschland W. P. Schmitz Stiftung WUS – World University Service – Deutsches Komitee Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe der Gemeinnützigen Treuhandstelle *) Gastmitglied 31 VENRO-Projekt »Perspektive 2015 – Armutsbekämpfung braucht Beteiligung« Verdoppelung der Hilfe – Halbierung der Armut 2015 Die Internationale Finanzfazilität – Neue Zauberformel der Entwicklungsfinanzierung? im Gespräch 2015 im Gespräch 2015-No_8 IFF-Studie.indd 1 8 19.08.2005, 15:53:51