Ausgrabung eines mittel-jungsteinzeitlichen

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Ausgrabung eines mittel-jungsteinzeitlichen
Urzeitliches Leben in der Lübecker Bucht
Ausgrabung eines mittel-jungsteinzeitlichen Siedlung vor Neustadt
Jeden August seit dem Jahr 2000 werden von Archäologen des Archäologischen
Landesamtes Schleswig, sowie Forschungtaucher und Studenten der Universität Kiel
vor der Küste Neustadts am südwestlichen Rand der Lübecker Bucht Fundstücke
einer ca. 6000 Jahre, genau 4500 v. Chr., alten Kultur – der Erteböllekultur geborgen. Von der bis zu 4m unter dem Wasserspiegel
gelegenen Siedlung sind bis jetzt > 40qm vorsichtig freigelegt worden – mit großen
Staubsaugern, Kellen, Pinseln und Spateln nehmen die Wissenschaftler cm um cm
der über den wertvollen Funden gelegen Schichten von Ostseeschick ab. Schon
Ende des 19ten Jahrunderts wurden erste archäologisch bedeutende Relikte der
Erteböllekultur bei extremen Niedrigwasser an die Küste des damaligen Strandbades
Neustadt - Marienbad gespült.
In den 60er Jahren traten bei
Baggerarbeiten Fundstücke
zutage.Neben diesen kaum
beachteten Anzeichen der
"Wiege der Fischerei" in
Schleswig-Holstein wurde 1999
ein zufällig vom MarineTauchlehrer Hubert Kraus
gefundenens Relikt zum
Startpunkt der Ausgrabung. Eine
durch Menschenhand
bearbeitete Geweihstange war
dieser erste Fund, dem
unzählige weitere Funde, unter
anderem Teile eines Einbaums, diverese Jagdutensilien u.a. folgten. Der eigentliche
Siedlungsplatz wurde dann in Zusammenarbeit mit Dr. Sönke Hartz vom
Archäologischen Landesamtes Schleswig im Februar 2000 erschlossen.
Neben Werk- und Jagdzeug fanden sich unzählige Säugetierknochen und
Fischenrelikte. Allein 2002 wurden 1000 Säugetierknochen und über 10000 Teile von
Fischskeletten gefunden. Anhand dieser Knochen und Skelettteile konnten
mindestens 24 Säugetierarten und verschiedene Fischtypen identifiziert werden.Das
Fundmaterial wird nach der Bergung sortiert und zur Bestimmung, sowie
Konservierung ins Archäologischen Landesamt gebracht.
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Urzeitliches Leben in der Lübecker Bucht
"Wiege der Fischerei" - Älteste Schleswig-Holsteiner Fischer
Mit den in Neustadt gemachten Funde sind die bisher ältesten Menschen, die aktiv
Fischerei mittel Harpunen, Reusen und Netzen betrieben haben an der Ostseeküste
Schleswig-Holsteins entdeckt worden. Der Name der sogenannten Erteböllekultur
stammt aus einem ursprünglichen Fundort in Dänemark am Limfjord. Hier wurden die
ersten Anzeichen von Fischern und Jägern aus dieser Zeit gefunden. Diese Kultur ist
aus Fundstellen im gesamten südlichen Ostseebereich bekannt. Der Hafen von
"Neustadt" hatte zu dieser Zeit ein etwas anderes Erscheinungsbild. Der Meeresspiegel lag um etwa 10m tiefer
als heute und die Siedlung an
der damaligen Küstenlinie.
Obwohl die Archäologen ein
einfaches Bild zeichnen und
auch die Umweltbedingungen
recht genau rekonstruiert
werden können bleiben einige
Fragen noch ungeklärt. Wie
sahen die Behausungen dieser
Kultur aus ? Wie groß ist solch
ein Siedlung ?
Auch sind Fragen nach den
Handelsbeziehungen noch nicht
endgültig geklärt, obwohl durch
den Fund der Donau Axt
Handelsbeziehungen mit Menschen in den Alpen, vielleicht noch weiter südwärts
belegt werden konnten. Jedes weiteres gefundene Stück wird mehr Licht in die
Geschichte Schleswig-Hosteins bringen und unsere Vergangenheit genauer
ausleuchten.
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Urzeitliches Leben in der Lübecker Bucht
Werkzeuge der Urzeit - Die Werkzeuge unserer Vorfahren sind
technisch hoch ausgereift
Unsere Vorfahren der Erteböllekultur bedienten sich verschiedenster Werkzeuge für
die Jagd und das tägliche Leben. Sie bestanden aus einem Volk der Jäger und
Sammler. Besonders die Fischjagd wurde intensiv betrieben, wie durch die große
Anzahl der Fischeskelettreste belegt wird. Als Jagd- und Werkzeuge dienten vor
allem Messer mit Feuersteinklingen, Beile, Pfeil und Bogen, Harpunen aus
Walknochen, sowie ein ausgefeiltes Gerät, welches speziell für den Aalfang
konzipiert ist, den Aalstecher.
Der Fund der so genannten Donau Axt bedeutete für die Forscher eine Sensation, da
sie aus einem Gestein gefertigt wurde, das in unseren breite nicht vorkommt. Man
konnte somit Aussagen über
Handelsbeziehung bis in die
schweizer Alpen, wo dieses
Gestein - ein Serpentinit –
höchstwahrscheinlich herkommt,
annehmen. Neben Fischfang mit
den kräftigen Harpunen wurden
ebenfalls Reusen, Angelhacken
und Netze eingesetzt, um an die
begehrte Nahrung zu gelangen.
Mit Einbäumen wurde aufs
Wasser gefahren und von dort
mit der Harpune oder dem
Aalstecher auf Fischjagd gegangen. Das sich mit diesen bis zu sieben Meterm
langen Einbäumen, die aus einem Baumstamm hergestellt und mit Harz abgedichtet
werden, lange Strecken zurückgelegt werden können, belegte der
Experimentalarchäologe Harm Paulsen beeindruckend indem er weite Strecken auf
der Ostsee rudernd zurücklegte. Auch die Menschen der Erteböllezeit
bewegten sich mit Stechpaddeln fort.
Die damals verwendeten Beile unterschieden sich nicht wesentlich von den heute
verwendeten Beilen, abgesehen von den Materialien. Allerdings wurden im
Gegensatz zu heute die Klingen mit kleinen Keilen am Schaft befestigt.
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Urzeitliches Leben in der Lübecker Bucht
Haie und Delphine in der Ostsee - Fisch- und Säugetiere zur
Ertebölle-Zeit
Während der Zeit der Jungsteinzeit (Neolithikum 5500 - 2300 v. Chr.) herrschten
angenehme, wärmere Temperaturen als heutzutage. Während des letzten
Klimaoptimums vor ca. 6000 Jahren lagen die mittleren Jahrestemperaturen in
Schleswig-Holstein bei 12-13°C, im Gegensatz zu heutigen 10°C
Jahresmitteltemperatur. Die hier auftretenden Fische und Säugetiere unterschieden
sich deswegen ein wenig von der heutigen. So war das Auftreten von Delphinen,
kleinen Tümmlern (Schweinswaale) und Dornhaien keine Besonderheit.
Die gefundenen Fischrelikte deuten fast ausschließlich auf im Meer lebende Arten
hin. Die häufigsten Fischarten waren wie heute Dorsche und Plattfische. In geringem
Ausmaß wurden auch Aal, Lachsartige, Hering und Wolfsbarsch, dazu
Süßwasserfische wie Hecht, Zander und Karpfenfische nachgewiesen. Eine
Besonderheit stellt das häufige Vorkommen des Störs dar, welcher vor ca. 100
Jahren bei uns endgültig ausgestorben ist.
Zahlreiche Knochenfunde von
Säugetieren, vorwiegend von
Robbe, Rothirsch, Wildschwein
und Reh deuten auf diese Tiere
als vorwiegende Jagdbeute an
Land hin. Ebenso lassen die
vielen Hundeknochen den
Rückschluss auf eine mögliche
Haltung von Hunden als
Haustiere zu. Weniger häufig ist
hingegen das Auftreten von
Uren (ausgestorbene Wildrinder,
den Auerochsen ähnlich) und
Elchen.
Weitere Säugetiere in der Erteböllezeit waren Dachse, Baummarder, Füchse und
Biber. Es liegen noch unzählige Tierknochen und Relikte zur Auswertung bereit, die
weitere wichtig Aussagen über die Tierwelt und die Lebensart der Menschen der
Erteböllezeit liefern werden.
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