Nebenan vom Ballermann

Nebenan vom Ballermann
Los Indignados, die Empörten auf Mallorca
Autor: U. Gellermann
Datum: 11. Juli 2011
Sprech-Chöre und Trommeln auf des Deutschen Lieblingsinsel Mallorca: Die
"Indignados", die Empörten, treffen sich in der Hauptstadt Palma. Freundlich
grüßt Jaime der Erste von seinem bronzenen Pferd herab die Menge, er hatte
am Anfang des 13. Jahrhundert die Insel von maurischer Herrschaft befreit.
"Wir", sagt José, der länger in Hamburg gearbeitet hat als er auf Mallorca lebt,
"wir wollen uns von den Politicos befreien, von denen, die uns den letzten Cent
wegnehmen wollen. Und wenn Du die Merkel triffst, die soll bloß nicht
herkommen, die Blutsaugerin." Der Name Merkel löst bei den Demonstranten
allgemeine Abscheu aus, man macht sie für die europäischen
Daumenschrauben verantwortlich.
José ist einer der wenigen Älteren auf dem Platz, die meisten sind jung und
trotz guter Bildung und Ausbildung arbeitslos. Auf ihren Schildern steht: "Last
uns in Ruhe nachdenken", das könnte einen drohenden Unterton haben, so wie
"Wenn wir nachgedacht haben, aber dann. . . !" Aber sie alle versichern, dass sie
keine Gewalt wollen. "Die da wollen Gewalt." Die da, das sind die baumlangen
Kerle von der Nationalpolizei, die vor ein paar Tagen die Empörten mit
Schlagstöcken angegriffen hatten. Es gab Verletzte und Verhaftete. Von
Protesten der westlichen Staatengemeinschaft ist bisher nichts bekannt.
Im Hafen von Palma liegt der Flugzeugträger USS Bataan. Das amerikanische
Kriegsschiff kommt gerade von der Küste Libyens. Seine 1.900 Soldaten sollen
in Palma mal ausspannen. Die mallorquinischen Bars und Nachtclubs freuen
sich über zahlende Gäste. Aber der schwache Dollar setzt dem Vergnügen eine
Grenze. Auch der Anblick des fast dreihundert Meter langen Stahlkolosses ist
kein Vergnügen: Dicht an dicht stehen die Kampfflugzeuge an Deck, bedrohlich
schwebt ein Hubschauber über dem Schiff. "Wenn es hart auf hart kommt," sagt
der arbeitslose Lehrer am Kai, "dann greifen die auch bei uns ein." Nur wenige
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Häuser-Blocks weiter hat Udo Walz, der Friseur der Kanzlerin und anderer
bedeutender Damen, seine Niederlassung auf Mallorca. Wo Udo Walz frisiert, da
lass dich ruhig nieder, glaubt der deutsche Tourist, der dem Dialog über den
Flugzeugträger mürrisch gefolgt ist.
Drei braun gegerbte Bettler sitzen vor dem Supermarkt im Nobelvorort Son Veri
Nou. Sie kommen aus Deutschland und bezeichnen sich selbst als
"Hartz-IV-Treibgut". Irgendwie sind sie hier hängen geblieben, sie holen den
Einkaufswagen ab, wenn ein Käufer seine Ware im Kofferraum verstaut hat und
behalten dann den Euro, wenn sie den Wagen zum Supermarkt zurück bringen.
Es muss sich um das neue, völlig vereinigte Europa handeln: An der Küstenlinie
von Son Veri Nou steht keine Villa unter zehn Zimmern und unter fünf
Millionen Euro, nur ein paar Schritte weiter, die Männer deren Sonnenbräune
von einem Leben unter freien Himmel erzählt, und deren Zahnlosigkeit von
ihrer Armut. Der legendäre Ballermann ist kaum zwei Kilometer entfernt.
Manchmal hilft Saufen. Aber immer?
Seit dem 15. Mai campierten in vielen spanischen Städten die Empörten. Die
Camps sind fast alle geräumt. Doch immer wieder flackert die Empörung auf:
Die neue mallorquinische Regierung setzt zwar streng das Sparprogramm der
EU um, hat sich aber erstmal selbst die Gehälter erhöht. Das hat der
Demonstration in Palma neue Gründe zum Protest gegeben. Die Versammelten
wirken ernst, konzentriert wie bei einer komplizierten Arbeit. Eine junge Frau
stillt, mitten in der Kundgebung, unbekümmert ihr Kleinkind. Man kann gar
nicht früh genug den Widerstand lernen, sagt sie. Und auch, als man
auseinander geht: Wir kommen wieder.
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