FC United: Our Club, Our Rules
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FC United: Our Club, Our Rules
Fan-News ... und präsentieren die Banner des neuen FC United. Foto: FC United Fans tragen ManU symbolisch zu Grabe... FC United: Our Club, Our Rules Aus Protest gegen die Übernahme von Manchester United durch Malcolm Glazer gründen die Fans den Club unter eigener Führung neu. Vorbild: Wimbledon AFC. A m 16. Juli traten zwei Mannschaften aus Manchester zum ersten Testspiel der Saison 2005/2006 an. Am frühen Nachmittag setzten sich die Pros von Manchester United beim schottischen Zweitligisten Clyde standesgemäß mit 1:5 durch. Mehrere hundert Kilometer weiter südlich feierte der FC United of Manchester, ein von kritischen Manchester United-Fans neu gegründeter Verein, bei Leigh RMI vor 2.500 Zuschauern seine Pichtspiel-Premiere - ein historischer Tag in der Geschichte des britischen Fußballs? Nachdem der amerikanische Milliardär Malcolm Glazer die Übernahme von Manchester United unter Dach und Fach brachte, gingen viele Fans wortwörtlich auf die Barrikaden. Beim ersten Besuch seiner drei Söhne, die in den Vereinsvorstand gehievt worden waren, in Manchester organisierten spontan rund 500 aufgebrachte Anhänger eine Straßenblockade vorm Old Trafford-Stadion. Erst nach zwei Stunden und einem überzogenen Knüppeleinsatz mehrerer Polizeibeamter, die im Gegensatz zu den bestens informierten Fans von der Glazerschen Anwesenheit in Manchester nichts wussten, konnten die drei Amerikaner das Stadion in Sicherheit verlassen. Die Proteste der Fans sind verständlich. Der einst komplett schuldenfreie und reichste Fußballverein der Welt hat als Folge der feindlichen Übernahme nun Schulden in geschätzter Höhe von £650.000.000, allesamt Privatschulden, die Glazer für den Kauf des Vereins aufgenommen und mittlerweile völlig legal auf eben diesen Verein übertragen hat. Da eine PR-Maschinerie bei den Glazers nicht vorhanden ist, weiß niemand, wie es mit dem Verein weitergehen soll. Viele unkritische Fans sind anscheinend trotzdem bereit, abzuwarten, 94 in der vagen Hoffnung, dass es irgendwie gut gehen wird. Shareholders United (SU), die Vereinigung der ehemaligen Kleinaktionäre bei United, ist sicher, dass die Übernahme nur negative Folgen haben kann. Glazer müsste pro Jahr mindestens £55 Millionen aufbringen, alleine um die Zinsen zu decken, sagt SU-Vorsitzender Nick Towle. Preiserhöhungen von bis zu 100%, verteilt über fünf Jahre, seien an der Tagesordnung. Und das sei nur die Spitze des Eisbergs. Offensive an drei Fronten Angesichts der Bedrohung durch eine gnadenlose nanzielle Ausquetschung der Fans bei einem Verein, der ohnehin als Inbegriff der Kommerzialisierung im Fußball galt, wurde eine dreifache Gegenoffensive lanciert. Zum einem riefen SU und die Fan-Initiative IMUSA zum Boykott sämtlicher Vereinsprodukte und -sponsoren auf. Schnell wurde mit einem Mobilfunk-Anbieter ein Vertrag abgeschlossen, gemäß dem SU £60 für jeden Fan, der seinen Vertrag bei Vodafone kündigt und zum Anbieter wechselt, erhält. Über 20.000 Menschen sollen bisher davon Gebrauch gemacht haben. Auch der Trikotlieferant Fan-Emotionen Foto: FC United Nike zeigt sich besorgt über die neusten Entwicklungen und will die Situation im Auge behalten. Zum zweiten ist SU dabei, einen Fonds (den so genannten Phönix-Fonds) ins Leben zu rufen, in dem Gelder, die bei einem späteren Rückzug durch Glazer für den Kauf von Vereinsanteilen im Auftrag der Fans verwendet werden können, eingezahlt werden können. Nachdem SU den Kleinaktionären aus taktischen Gründen empfohlen hatte, ihre Aktien doch an Glazer zu verkaufen und die Erlöse in den Fonds einzuzahlen, sind 98% der 28.000 SU-Mitglieder dem Aufruf gefolgt. Auf dem Sonderkonto, das für die Zeit bis zur Eröffnung des Fonds errichtet wurde, sollen jetzt £15 Millionen liegen. Zum dritten haben sich die radikalsten Fans vom Hauptverein vorübergehend verabschiedet und einen eigenen Club gegründet: den FC United of Manchester, der inzwischen die Spielgenehmigung für die zehntklassige North West Counties Football League Division Two erhalten hat und im Stadion des englischen Viertligisten Bury FC an der Gigg Lane (derzeitiges Fassungsvermögen: 9.000) spielen wird. Hier dient der AFC Wimbledon, der vor drei Jahren von Fans des Wimbledon FC kurz vor dessen Umzug ins 140 Kilometer entfernte Milton Keynes gegründet wurde, als großes Vorbild. Kris Stewart, der 1. Vorsitzende des AFC Wimbledon, stand den Initiatoren des FC United bei der Gründung mit Rat und Tat zur Seite. Nicht umsonst spielten beide Vereine am 23. Juli um den Supporters Direct Trust Cup, an dem nur Vereine, die von ihren Fans geführt werden, teilnehmen dürfen. „Dieses Spiel stellt einen historischen Tag für alle Beteiligten dar. Wir sind alStadionwelt 08/2005 Fan-News len Menschen, die diesen Tag mit ihrem Einsatz möglich gemacht haben, sehr dankbar. Seit Jahren müssen wir als Fans absurde Anstoßzeiten, überteuerte Eintrittspreise und eine Übersättigung durch die Übertragungen im Fernsehen über uns ergehen lassen. All dies führt dazu, dass sich Leute, deren Treue vorher nie in Frage gestellt wurde, gezwungen sehen, dem Profußball den Rücken zu kehren. Dieses Spiel zeigt wieder einmal, dass es eine Alternative gibt und ich freue mich, endlich mal wieder ein Spiel erleben zu können, das an einem Samstag um 15 Uhr angepffen wird! Ich hoffe, dass diese Begegnung der Anfang einer langen und erfolgreichen Partnerschaft zwischen den beiden Vereinen sein wird“, sagte Jules Spencer, Sprecher des FC United. Demokratie im eigenen Verein Von den 4.000 Gründungsmitgliedern, die inzwischen mehr als £100,000 gespendet haben, damit der Verein die ersten Wochen und Monaten überstehen kann, nahmen etwa 700 an der allerersten Generalversammlung des FC United teil. Sie gaben dem neuen Verein eine Satzung, nach der er als Genossenschaft in der Rechtsform einer „Industrial and Provident Society“ errichtet wurde. Jedes Vereinsmit- glied hat eine Stimme, der Vorstand wird direkt gewählt und der Verein wird gemeinwohlorientiert geführt. Ein etwaiger Gewinn wird somit wieder dem Verein zugeführt. Die Mitglieder stimmten außerdem einem Grundsatzprogramm zu, in dem verankert ist, dass der Verein von „desillusionierten und disenfranchised Manchester United-Supporters“ gegründet wurde. „Unser Ziel ist es, einen langfristig überlebensfähigen Verein zu schaffen, der seinen Mitgliedern gehört und von ihnen demokratisch geführt wird, der allen Bevölkerungsteilen zugänglich ist, ein Verein, an dem diese vollumfänglich teilnehmen können“, heißt es im Gründungsdokument weiter. „In den letzten zwei Wochen waren 15 Leute Tag und Nacht im Einsatz, um dieses Projekt möglich zu machen“, sagte Vorstandsmitglied Andy Walsh, der 1998 eine Schlüsselrolle im erfolgreichen Kampf gegen Rupert Murdoch spielte, als der megareiche Medienzar Manchester United kaufen wollte. „Für uns ist der neue Verein ein großer Sprung ins Unbekannte. Es handelt sich aber nicht nur um eine Reaktion gegen Malcolm Glazer. Es geht vielmehr darum, für die vielen, vielen Fans, die es sich nicht mehr leisten können, zum Fußball zu fahren, Stellung zu beziehen.“ Vor dem Hintergrund der unverschämten Spielergehälter, die auf der Insel inzwischen gezahlt werden, sind diese Worte um so prägnanter. Abwehrchef Rio Ferdinand hat sich bisher geweigert, seinen Vertrag beim 15-maligen englischen Meister zu verlängern. Der englische Nationalspieler, der 2004 mit einer achtmonatigen Sperre wegen Nichterscheinens zu einem Dopingtest belegt wurde und United somit womöglich die Meisterschaft kostete, fordert £120.000 die Woche. Der Verein bietet „nur“ £100.000. In Schottland wurde Ferdinand unter anderem deswegen fortlaufend von den mitgereisten United-Fans ausgepffen. Im Gegensatz zu manch einem Pro sind die Spieler des FC United jetzt schon Helden. Viele davon haben höherklassige Vereine verlassen, um für den Fanverein spielen zu können. Mannschaftskäpitän Billy McCartney, im beruichen Leben Gerüstbauer, hat ganz andere Probleme als Rio Ferdinand. Er hat sich beim ersten Spiel in Leigh die Schulter ausgekugelt und fällt jetzt mehrere Wochen aus.� �� Stuart Dykes Weitere Informationen www.fc-utd.co.uk www.fcunitedofmanchester.co.uk www.shareholdersunited.org www.imusa.org