Veranstaltungsbericht - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED
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Veranstaltungsbericht - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED
Veranstaltungsbericht Macht und Meisterschaft. Fußball in der DDR Am 8. September 2015 luden die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Deutsche Gesellschaft e. V. und der Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR im Rahmen ihrer gemeinsamen achtteiligen Reihe „Erinnerungsort DDR: Alltag, Herrschaft, Gesellschaft“ zur fünften Veranstaltung ein. Diskutiert wurden die Bedeutung des Fußballs in der DDR und der politische Einfluss, den die SED auf den Sport ausübte. Wie und unter welchen politischen Vorgaben waren das Liga-System und die Vereine der DDR strukturiert? Welche Konfliktlinien ergaben sich dabei? Wieviel Einfluss besaß die Stasi? Wie entwickelte sich die Fankultur unter den Bedingungen der sozialistischen Diktatur? Dr. Robert Grünbaum, stellvertretender Geschäftsführer der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, begrüßte die zahlreichen Veranstaltungsteilnehmer im Saal. Er verwies auf die große Bedeutung des Fußballs in der DDR, in der tausende Menschen in die Stadien strömten und montags die Ergebnisse der Oberliga in den Betrieben diskutierten. Noch heute würden sich viele Fußballfans an Siege der DDR-Nationalmannschaft, aber auch an internationale und nationale Erfolge der Vereine erinnern. Der Sporthistoriker Dr. Hanns Leske, leitete mit seinem Impulsvortrag in die Thematik ein. Er veranschaulichte die Wandlungen in der Vereinsstruktur der DDR, die Zerschlagung der bürgerlichen Vereine und die Sowjetisierung des Sports in der Nachkriegszeit, die Gründung von Betriebssportgemeinschaften und die Hierarchie der Fußballclubs. In der Podiumsdiskussion kamen neben dem Sporthistoriker folgende Persönlichkeiten zu Wort: Jürgen Croy, Rekordtorhüter der DDR-Nationalmannschaft und einst Spieler des BSG Motor/Sachsenring Zwickau, Bernd Heynemann, von 1980 bis 2001 Fußballschiedsrichter in der DDR-Oberliga sowie der Bundesliga und heute MdL in Sachsen-Anhalt, sowie Frank Willmann, Journalist und Autor. Oliver Fritsch, Sportredakteur bei „Zeit Online“ moderierte das kurzweilige Gespräch. Jürgen Croy hob eingangs das große Zuschauerinteresse bei den heutigen ostdeutschen Derbys in der dritten Liga hervor, die von den Podiumsteilnehmern als „Klassentreffen der ehemaligen DDR-Vereine“ charakterisiert wurde. In weiteren Beiträgen berichtete der ehemalige Torwart über seine Zeit als aktiver Fußballprofi in der DDR. Mit Blick auf die hohen Transfersummen, die heute in England gezahlt werden, betonte Croy, er habe nie das Bedürfnis gehabt, im Ausland Fußball zu spielen. In Zwickau habe er sich immer wohl gefühlt, früh geheiratet und eine Familie gegründet. „Wenn ich weggegangen wäre, hätte ich meine Familie nie wieder gesehen“, so Croy. Das Geld habe für ihn dabei nie eine Rolle gespielt. Überdies bewertete er die damalige Fankultur in Zwickau als friedlich. Ausschreitungen in den Stadien habe es höchstens infolge zu hohen Alkoholkonsums gegeben. Zudem berichtete Croy über seine Erfahrung mit dem Staatsicherheitsdienst der DDR. Eine Zusammenarbeit mit dem MfS habe er schon als relativ junger Nationalspieler abgelehnt. Dabei profitierte auch von seinem Bekanntheitsgrad: Seine negative Reaktion sei ohne Folgen für ihn oder seine Familie geblieben. Bernd Heynemann, der in der DDR und im vereinten Deutschland als Fußballschiedsrichter arbeitete, lobte die ostdeutschen Vereine, die heute – anders als vielfach in den 1990erJahren - eine gesunde Wirtschaftspolitik führen würden. Er schilderte seine Erfahrungen mit dem SED-Regime und erinnerte an Ereignisse auf und neben dem Fußballplatz. Gewaltsame Ausschreitungen habe er auf dem Platz nicht erlebt, doch sei ihm neben dem Platz schon damals ein sehr großes Polizeiaufkommen aufgefallen. Von der Staatssicherheit der DDR wurde Heynemann im Gegensatz zu Jürgen Croy nicht angesprochen. Es habe aber durchaus einige Schiedsrichter mit engen Verbindungen zur Staatspartei SED gegeben. Er erinnerte auch an die Bevorteilung des BFC Dynamo. Heynemann erklärte zudem, nach der Wiedervereinigung hätten sich die beiden deutschen Schiedsrichterverbände früher zusammengeschlossen als die Fußballverbände. Dank des raschen Schiedsrichteraustauschs pfiffen ostdeutsche Schiedsrichter schon 1990 Fußballspiele im Westen und umgekehrt. Frank Willmann wies sehr deutlich auf die negativen Seiten der beliebten Sportart hin. Es habe viele gewalttätige Fankrawalle mit vielen Verletzen gegeben. Zudem habe eine nicht zu verachtende rechte Szene unter den Fußballfans in der DDR existiert. Ein Grund dafür sei das „hohe Provokationspotential“ gewesen, das von rassistischen Parolen in der DDR ausging. Die Provokateure wollte das „antifaschistische“ SED-Regime bloßstellen. Dr. Hanns Leske sprach in der lebhaften Diskussion den Übergang der DDR-Vereine in die westdeutschen Ligen an. Die Verteilung der ostdeutschen Clubs sei nicht falsch gewesen. Es habe sich als richtig erwiesen, nur zwei Oberligavereine in die Fußball-Bundesliga aufzunehmen. Er bedauerte jedoch deren mangelnde Konkurrenzfähigkeit z. B. gegenüber süddeutschen Vereinen. Mit Blick auf die fremdenfeindlich motivierten Ereignisse in Freital und Heidenau in diesen Wochen kritisierte der Sporthistoriker die Vereinsführungen der Traditionsvereine im Osten, die sich viel zu wenig mit diesem Thema beschäftigen würden und schon zu DDR-Zeiten kaum auf die Fans eingegangen seien „Dass es latente rechtsradikale Menschen gibt, die sich dem Fußball anschließen, ist bekannt, ist aber auch kein ostdeutsches Phänomen“, so Leske weiter. Hinsichtlich der oft thematisierten Bevorteilung des BFC Dynamo, erklärte er, sie habe gegen Ende des SED- Regimes nachgelassen. Im Anschluss nutzte das Publikum ausführlich die Gelegenheit, den Podiumsgästen Fragen zu stellen. Abermals ging es dabei um Themen wie z. B. die Situation der Fußballer in der DDR, die Rolle des BFC Dynamo sowie die oft diskutierte Fanszene. Obgleich nicht alle Fragen und Ereignisse, wie z. B. das Skandalspiel im Jahr 1986, abschließend geklärt und aufgearbeitet werden konnten, gab die lebhafte und unterhaltsame Diskussion viele Einblicke in die Fußballlandschaft in der DDR und ihren Wandel nach 1990. Die Veranstaltung verdeutlichte einmal mehr den politischen Einfluss der SED in allen Lebensbereichen. Madeleine Petschke, Johannes Ludwig