Das neue Erbscheinverfahren

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Das neue Erbscheinverfahren
„Das neue Erbscheinverfahren – wann brauche ich es und wie läuft es ab?“
Martina Kern Rechtsanwältin
convocat GbR – Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
München/Unterhaching
Mit der Reform des Familienverfahrensrechts trat am 01.09.2009 das so genannte Gesetz zur Reform des
Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in
Kraft. Auch wenn der Name des Gesetztes dies nicht gleich vermuten lässt, sind im FamFG auch die Vorschriften für Nachlassverfahren enthalten und neue Regelungen zum Erbscheinsverfahren. Im Folgenden
soll ein kurzer Überblick gegeben werden, wann es überhaupt eines Erbscheins bedarf und wie das Verfahren nach den Neuerungen abläuft.
1. Was ist ein Erbschein und wann brauche ich ihn?
Es besteht ein weit verbreitetes Missverständnis, was ein Erbschein eigentlich bezeugt. Denn entgegen
der Meinung vieler, sagt ein Erbschein nicht aus, was jemand erbt oder begründet gar ein Erbrecht, sondern er soll vielmehr Zeugnis über ein Erbrecht geben und den Umfang eines Erbrechts einer Person. Ein
Erbschein gibt also beispielsweise Auskunft, ob eine Person Alleinerbe nach einem Verstorbenen geworden ist. Was an Gegenständen in dieses Erbe fällt, ist aus dem Erbschein nicht ersichtlich. Ein Alleinerbe
kann also auch ein alleiniger Erbe von Schulden des Verstorbenen sein.
Einen Erbschein zu beantragen, kostet auch immer Geld. Denn das Erbscheinsverfahren löst jedenfalls
Gerichtskosten aus, und wenn die Rechtslage nicht ganz einfach ist, wird wohl auch der Gang zu einem
Rechtsanwalt notwendig sein, was weitere Kosten auslöst. Aber braucht wirklich jeder Erbe einen Erbschein?
Diese Frage kann man klar mit Nein beantworten. Der Erbschein ist für manche Erbfälle dringend notwendig, für andere aber nicht unbedingt. Jedenfalls bedarf es eines Erbscheins, wenn in der Erbmasse
ein Grundstück ist und kein notariell beglaubigtes Testament vorliegt, aus dem eindeutig der Erbe, bezeichnet mit Namen, hervorgeht. Denn dann fordert das Grundbuchamt für die Umschreibung des Grundstücks auf den oder die Erben die Vorlage eines Erbscheins. Auch wenn eine unsichere Situation gegeben ist, zum Beispiel weil mehrere sich widersprechende Testamente gefunden wurden, ist ein Erbscheinsverfahren durchaus sachgerecht. Manchmal wird man auch um einen Erbschein nicht herumkommen, weil Banken und Versicherungen einen Nachweis des Erbrechts fordern und kein klares Testament
als Nachweis vorgelegt werden kann oder aber Banken oder Versicherungen ausdrücklich nur einen Erbschein als Nachweis akzeptieren. Jedenfalls nützlich ist ein Erbschein auch, wenn ein Unternehmen Bestandteil des Erbes ist.
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2. Erbscheinsverfahren
a)
Zuständigkeit und Antrag
Wenn man nun um einen Erbschein nicht herumkommt, so stellt sich die Frage, wo man hin muss, um
einen Erbschein zu bekommen. Hier haben die Neuerungen im Verfahrensrecht keine Änderungen gebracht. Grundsätzlich ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsgebiet der Erblasser, also
der Verstorbene, zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten Wohnsitz hatte.
Beim sogenannte Nachlassgericht kann dann der Antrag auf den Erbschein gestellt werden. Bei der Antragstellung ist zwar keine Form zu beachten, man kann beispielsweise auch den Erbschein zu Protokoll
der Geschäftsstelle beantragen. Der Antrag muss aber bestimmte Inhalte haben. So muss er das behauptete Erbrecht genau bezeichnen (also Alleinerbe, Miterbe für sich selbst zu einer bestimmten Quote oder
ein gemeinschaftlicher Erbschein für eine Miterbengemeinschaft). Auch muss der Name und der Todestag
des Erblassers, die Person des Erben, die Erbteile, möglichst Beschränkungen, die vor und nach Erbschaft und natürlich auch der Grund des Erbrechts, also entweder gesetzlich oder durch Testament benannt und möglichst vorgelegt und nachgewiesen werden.
Die Kosten des Verfahrens, sowohl Gerichtskosten als auch Rechtsanwaltskosten, kann man nicht pauschal angeben. Sie richten sich nach dem Wert des Erbrechts und somit nach dem Nachlasswert. Bei
einem komplizierten Sachverhalt sollte aber schon hier, bei der Erbscheinsantragstellung rechtlicher Rat
eingeholt werden. Der Erbscheinsantrag ist die Grundlage für die spätere Entscheidung.
b)
Beteiligte
An so einem Erbscheinsverfahren ist nicht zwangsweise die ganze Verwandtschaft beteiligt, noch geht es
nur den Antragsteller unter Umständen an. Derjenige, der den Erbschein beantragt hat, ist aber jedenfalls
„Beteiligter“ des Verfahrens, wird also alle Entscheidungen des Nachlassgerichts zugestellt bekommen
und auch die Möglichkeit zur Äußerung haben. Darüber hinaus kann das Gericht durch Ermessen
bestimmen, dass weitere Personen beteiligt werden, wenn durch den Erbschein ein Recht von ihnen betroffen sein könnte. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn durch ein Testament von der gesetzlichen
Erbfolge abgewichen wird, also nicht die Personen, die nach der gesetzlichen Erbfolge Erben wären, sondern eine andere Person als Erbe bestimmt wird. Ähnliches ist gegeben, wenn verschiedene Testamente
vorliegen, die sich möglicherweise widersprechen und in dem einen Testament eine andere Person begünstigt ist, als in dem anderen. In diesen Fällen werden die Nachlassgerichte von sich aus in der Regel
die betroffenen Personen beteiligen.
Möchte eine solche betroffene Person sicher gehen, dass das Gericht zumindest die Beteiligung prüft,
kann sie die Beteiligung beantragen und muss dann beigezogen werden. Entschließt sich das Gericht
selbst zur Beteiligung von solchen Personen, dann erfolgt dies in der Regel formlos. Der Erbscheinsantrag wird dann diesen Personen zugestellt und es wird ihnen auch Gelegenheit gegeben dazu Stellung zu
nehmen.
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c)
Unstrittige Verfahren
Das eigentliche Verfahren hat sich zu früher vor allem dahingehend geändert, dass es keine sogenannten
Vorbescheide mehr gibt und der Instanzenzug anders geworden ist. Das Gesetz sieht nun vor, dass in
Fällen, in denen ein Erbscheinsantrag gestellt wird und keine anderen Personen scheinbar in ihren Rechten verletzt sind bzw. keine anderen Personen einen Widerspruch gegen den Antrag erhoben haben, ein
sogenannter Feststellungsbeschluss ergeht. Dieser wird in etwa wie folgt lauten:
„Die Tatsachen, die zur Teilung des beantragten Erbscheins (…) erforderlich sind, werden für festgestellt
erachtet.“
Damit wird deutlich, dass dem Erbschein statt gegeben wird, ohne dass es sich schon um den Erbschein
handelt. In unstrittigen Situationen wird aber gleichzeitig mit diesem Beschluss der Erbschein dann auch
erteilt werden. Der Beschluss ist mit Erlass wirksam.
d)
„Strittige“ Verfahren
Wenn aber schon im Vorfeld, also bei Antragstellung oder danach ein Beteiligter dem Erbscheinsantrag
widersprochen hat, begründet oder auch ohne Angabe von Gründen, so ist nach dem Gesetz das Nachlassgericht gehalten, dem Feststellungsbeschluss noch eine Zusatz anzufügen, und zwar wie folgt:
„Die Tatsachen, die zur Erteilung … werden für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirksamkeit dieses
Beschlusses wird ausgesetzt; die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses
zurückgestellt.“
Dies bedeutet, dass eben gerade nicht zeitgleich mit diesem Beschluss der Erbschein erteilt wird. Es soll
damit vielmehr die Möglichkeit eröffnet werden, dass nun dieser Beschluss angefochten werden kann und
bis eine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob der Beschluss nun rechtskräftig wird, der Erbschein
noch nicht erteilt wird.
Dieser Beschluss muss dann auch den Beteiligten zugestellt werden und ab Zustellung läuft die Beschwerdefrist von einem Monat, in welcher Beschwerde gegen diesen Feststellungsbeschluss und damit
gegen den beantragten und vom Nachlassgericht auch avisierten Erbschein eingelegt werden kann.
Diese Beschwerde wird in Abänderung zur früheren Vorgehensweise dem Oberlandesgericht vorgelegt
werden. Zwar hat das Nachlassgericht zunächst noch die Möglichkeit, seine Entscheidung zu überdenken. Bleibt das Nachlassgericht aber bei seiner Auffassung, wird über die Beschwerde das Oberlandesgericht entscheiden. Als letzte Instanz verbleibt noch der Bundesgerichtshof, der dann aber nur noch über
Rechtsfragen entscheidet, während vor dem Oberlandesgericht auch noch neue Tatsachen berücksichtigt
werden.
e)
Weitere Vorgehensalternativen
Wird der Erbschein erteilt, möglicherweise sind hiergegen auch alle Instanzen ausgeschöpft worden,
bleibt einem darüber hinaus immer noch der Antrag oder die Anregung zum Nachlassgericht, einen bereits erteilten Erbschein einzuziehen oder für kraftlos zu erklären, weil dieser unrichtig ist. Ein solches
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Vorgehen hat natürlich nur dann Aussicht auf Erfolg, insbesondere nachdem schon die Instanzen durchstritten wurden, wenn sich am Sachverhalt etwas geändert hat, wenn also beispielsweise noch ein Testament aufgetaucht ist, das die Rechtslage ändert. Auch bleiben die Möglichkeiten über das Zivilprozessrecht erhalten, also insbesondere die Feststellungsklage, dass jemand (nicht) Erbe ist.
3. Fazit
Ist die Erbfolge streitig oder problematisch, hat man mehrere Möglichkeiten einen Erbschein zu erlangen
oder auch den Erbschein einer anderen Person zu verhindern. Vor allem in solchen Fällen, sollte man
rechtlichen Rat einholen, da die kostengünstigste Variante immer jene ist, die möglichst früh die richtigen
Weichen stellt. Sollten Sie also beispielsweise davon Kenntnis erhalten, dass jemand einen Erbschein
beantragt hat, der nach ihrer Ansicht nicht Erbe ist, sollten Sie frühzeitig versuchen, in diesem Verfahren
beteiligt zu werden und durch rechtlich fundierte Stellungnahmen dem Gericht helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.
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