BELSHAZZAR - Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Transcription

BELSHAZZAR - Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
Georg Friedrich Händel
Belshazzar
(London 1745)
Unsere Subventionsgeber:
Inhalt
Programmübersicht
Psalm 137
Buch Daniel
Belsasar (Heinrich Heine)
Interview mit René Jacobs
Nitocris (Herodot)
Die Entstehung und Bedeutung von Belshazzar
Gobryas (Xenophon)
Belshazzar, die geistliche Oper
Händels Opern und Oratorien
Zeittafel - Belshazzar
Biografien
Zitat aus der Bibel
Biblische Vorgeschichte
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40
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Inhaltsangabe
Libretto 93
95
Belshazzar ƒ Programmübersicht
Belshazzar ƒ Programmübersicht
Belshazzar (1745)
Tiroler Landestheater
08./10./12. August, jeweils 19.00 Uhr
Christina Sampson, Lucy Taylor,
Andrew Radley, Richard Wilberforce,
Vernon Kirk, Andew Davies
Chorsolisten
Xavier Ramel, Florian Hotz,
Alrik Kreemke, Steven Lehmann
Artisten
Einführungsgespräch jeweils um 18.00 Uhr, Pausenfoyer
Christian Wünscher,
Gustavo Potenciano
Statisten
Koproduktion mit der Deutschen Staatsoper Unter den Linden Berlin,
Festival d’Aix-en-Provence und Théâtre du Capitole de Toulouse
RIAS Kammerchor Berlin
Sopran
Kristin Foss, Katharina Hohlfeld, Christina Kaiser,
Sabine Nürmberger-Gembaczka,
Stephanie Petitlaurent, Christina Wieland,
Viola Wiemker, Dagmar Wietschorke
Belshazzar (1745)
Oratorium in drei Akten von
Georg Friedrich Händel | 1685–1759
Alt
Andrea Effmert, Waltraud Heinrich, Susanne Langner, Franziska Markowitsch,
Hildegard Wiedemann, Marie-Luise Wilke
Libretto von Charles Jennens
in englischer Sprache (mit deutschen Übertiteln)
Dauer: bis ca. 22.30 Uhr, eine Pause nach dem ersten Akt
René Jacobs
Christof Nel
Martina Jochem
Roland Aeschlimann
Bettina Walter
Roland Aeschlimann, Olaf Frèese
Musikalische Leitung
Regie
Szenische Analyse
Bühne
Kostüme
Licht
Kenneth Tarver
Rosemary Joshua
Bejun Mehta
Kristina Hammarström
Neal Davies
Belshazzar
Nitocris
Cyrus
Daniel
Gobryas
Volker Arndt, Joachim Buhrmann, Wolfgang Ebling, Friedemann Körner,
Christian Mücke, Tobias Schäfer
Tenor
Janusz Gregorowicz, Werner Matusch, Andrew Redmond, Johannes Schendel,
Klaus Thiem, Jonathan de la Paz Zaens
Bass
Timothy Brown Assistent der musikalischen Leitung,
Choreinstudierung und Sprachcoach
Belshazzar ƒ Programmübersicht
Belshazzar ƒ Programmübersicht
Herbert Kuen
Gerhard Spöttl, Wolfgang Elsenhans Philipp Haller, Andreas Achammer,
Arnold Westreicher, Walter Ronacher,
Karl-Heinz Zankl, Andreas Kössler,
Bernhard Steiner, Peter Lepp,
Benno Morawek, Thomas Niedermair,
Mario Quitadamo, Martin Gross,
Harald Mairhofer, Michael Baumgartner
Technischer Direktor
Bühnenmeister
Bühnentechnik
Kontrabaß
Oboe
Fagott
Trompete
Pauke
Orgel, Cembalo
Otto Faulhammer, Philipp Baumgartner
Johann Kleinheinz
Johannes Grimm, Simon Stenzel,
Bernhard Salcher, Florian Weisleitner,
Reinhard Jäkel, Christoph Klein,
Michael Reinisch, Franz Fedrizzi,
Armin Praster, Herbert Schrettl
Requisite
Beleuchtungsobermeister
Beleuchtung
Continuo:
Wiebke Weidanz
Shizuko Noiri,
Dolores Costoyas
Orgel, Cembalo
Laute
Andreas Lamprecht
Tontechnik
Dieter Lena
Marisa Di Spalatro, Angelika Habicher,
Manita Mayr, Elke Spöttl, Claudia Neuwirth
Chefmaskenbildner
Maskenbildner
Christoph von Bernuth
Produktionsleitung
Leitung Ankleide
Ankleide
Wiebke Weidanz, Raphael Alpermann
Christoph von Bernuth
Ilka Weiss
Lea Uhlmann
Mikael Tjordmann Sabine Konz, Ellen Piendl
Cameron Arens
Musikalische
Einstudierung
Anneliese Aschbacher
Renate Lindner, Dietmar Kometer,
Barbara Huter, Christine Wick,
Gabriele Mairhofer
Alois Schlatter
Julia Aufhammer, Judith Dierigl,
Waltraud Hanel, Brigitte Hassl,
Jürgen Mayer, Thomas Mladek,
Manuela Niklas, Sonja Noggler,
Clemens Schachenhofer,
Anna Sporrer, Juditha Waibl,
Tamara Stocker-Niklas
Leitung Einlassdienst
Einlassdienst
Christine Birkle/ Hut up Berlin
Herstellung
Filzkostüme
Akademie für Alte Musik Berlin
Bernhard Forck, Daniel Deuter, Erik Dorset,
Edburg Forck. Thomas Graewe,
Barbara Halfter, Henriette Scheytt,
Gabriele Steinfeld, Julita Tabiscz,
Erika Takano, Tokio Takeutchi, Dörte Wetzel
Anja-Regine Graewel, Anette Geiger, Stephan Sieben, Donate Schack
Jan Freiheit, Werner Matzke,
Barbara Kernig, Antje Geusen
Walter Rumer, Miriam Wittulski
Xenia Löffler, Michael Bosch
Christian Beuse
Ute Hartwich, Sebastian Kuhn
Heiner Herzog
Raphael Alpermann
Violine
Viola
Violoncello
Regieassistenz und
Abendspielleitung
Bühnenbildassistenz
Kostümassistenz
Lichteinrichtung
Inspizienz
Übertitel
Anfertigung der Dekorationen und Kostüme in den Werkstätten
des Bühnenservice der Stiftung Oper in Berlin.
Belshazzar ƒ Psalm 137
an den stroemen babels
sassen wir und weinten
wenn wir Zions gedachten. An den Weiden, die dort sind, hängten wir
unsre Harfen auf. Denn die uns daselbst gefangen hielten, forderten
Lieder von uns, und unsre Peiniger, daß wir fröhlich seien: „Singet uns
eines von den Zionsliedern!“ Wie sollten wir des Herrn Lied singen auf
fremdem Boden?
Vergesse ich deiner, Jerusalem, so verdorre meine Rechte! Meine Zunge
müsse an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn
ich Jerusalem nicht über meine höchste Freude setze! Gedenke, Herr,
den Kindern Edoms den Tag Jerusalems, wie sie sprachen: „Zerstöret,
zerstöret sie bis auf den Grund!“ Tochter Babel, du Verwüsterin! Wohl
dem, der dir vergilt, was du uns angetan! Wohl dem, der deine Kindlein
nimmt und sie zerschmettert am Felsgestein! f
Psalm 137
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Belshazzar ƒ Buch Daniel
belsazars fest
König Belsazer machte ein herrliches Mahl seinen tausend Gewaltigen
und soff sich voll mit ihnen. Und da er trunken war, hieß er die goldenen
und silbernen Gefäße herbringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem
Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte, daß der König mit seinen
Gewaltigen, mit seinen Weibern und mit seinen Kebsweibern daraus
tränken. Also wurden hergebracht die goldenen Gefäße, die aus dem
Tempel, aus dem Hause Gottes zu Jerusalem, genommen waren; und
der König, seine Gewaltigen, seine Weiber und Kebsweiber tranken daraus. Und da sie so soffen, lobten sie die goldenen, silbernen, ehernen,
eisernen, hölzernen und steinernen Götter. Eben zu derselben Stunde
gingen hervor Finger wie einer Menschenhand, die schrieben, gegenüber dem Leuchter, auf die getünchte Wand in dem königlichen Saal; und
der König ward gewahr der Hand, die da schrieb.
Da entfärbte sich der König, und seine Gedanken erschreckten ihn, daß
ihm die Lenden schütterten und die Beine zitterten. Und der König rief
überlaut, daß man die Weisen, Chaldäer und Wahrsager hereinbringen
sollte. Und er ließ den Weisen zu Babel sagen: Welcher Mensch diese
Schrift liest und sagen kann, was sie bedeute, der soll in Purpur gekleidet werden und eine goldene Kette am Halse tragen und der dritte Herr
sein in meinem Königreiche. Da wurden alle Weisen des Königs hereingebracht; aber sie konnten weder die Schrift lesen noch die Deutung
dem König anzeigen. Darüber erschrak der König Belsazer noch härter
und verlor ganz seine Farbe; und seinen Gewaltigen ward bange. Da
ging die Königin um solcher Sache des Königs und seiner Gewaltigen
willen hinein in den Saal und sprach: Der König lebe ewiglich! Laß dich
deine Gedanken nicht so erschrecken und entfärbe dich nicht also! Es
ist ein Mann in deinem Königreich, der den Geist der heiligen Götter
hat. Denn zu deines Vaters Zeit ward bei ihm Erleuchtung gefunden,
Klugheit und Weisheit, wie der Götter Weisheit ist; und dein Vater, König
Nebukadnezar, setzte ihn über die Sternseher, Weisen, Chaldäer und
Wahrsager, darum daß ein hoher Geist bei ihm gefunden ward, dazu
Verstand und Klugheit, Träume zu deuten, dunkle Sprüche zu erraten
und verborgene Sachen zu offenbaren: nämlich Daniel, den der König
ließ Beltsazar nennen. So rufe man nun Daniel; der wird sagen, was
es bedeutet. Da ward Daniel hinein vor den König gebracht. Und der
König sprach zu Daniel: Bist du der Daniel, der Gefangenen einer aus
Juda, die der König, mein Vater aus Juda hergebracht hat? Ich habe
von dir hören sagen, daß du den Geist der Götter hast und Erleuchtung,
Verstand und hohe Weisheit bei dir gefunden sei. Nun habe ich vor
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Belshazzar ƒ Buch Daniel
mich fordern lassen die Klugen und Weisen, daß sie mir diese Schrift
lesen und anzeigen sollen, was sie bedeutet: und sie können mir nicht
sagen, was solches bedeutet. Von dir aber höre ich, daß du könnest
Deutungen geben und das Verborgene offenbaren. Kannst du nun die
Schrift lesen und mir anzeigen, was sie bedeutet, so sollst du mit Purpur
gekleidet werden und eine golden Kette an deinem Halse tragen und der
dritte Herr sein in meinem Königreiche. Da fing Daniel an und redete
vor dem König: Behalte deine Gaben selbst und gib dein Geschenk
einem andern; ich will dennoch die Schrift dem König lesen und anzeigen, was sie bedeutet. Herr König, Gott der Höchste hat deinem Vater,
Nebukadnezar, Königreich, Macht, Ehre und Herrlichkeit gegeben. Und
vor solcher Macht, die ihm gegeben war, fürchteten sich vor ihm alle
Völker, Leute und Zungen. Er tötete wen er wollte; er ließ leben, wen
er wollte; er erhöhte, wen er wollte; er demütigt, wen er wollte. Da sich
aber sein Herz erhob und er stolz und hochmütig ward, ward er vom
königlichen Stuhl gestoßen und verlor seine Ehre und ward verstoßen
von den Leuten hinweg, und sein Herz ward gleich den Tieren, und er
mußte bei dem Wild laufen und fraß Gras wie Ochsen, und sein Leib lag
unterm Tau des Himmels, und er ward naß, bis daß er lernte, daß Gott
der Höchste Gewalt hat über der Menschen Königreiche und gibt sie,
wem er will. Und du, Belsazer, sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, ob du wohl solches alles weißt, sondern hast dich wider den
Herrn des Himmels erhoben, und die Gefäße seines Hauses hat man
vor dich bringen müssen, und du, deine Gewaltigen, deine Weiber und
deine Kebsweiber habt daraus getrunken, dazu die silbernen, goldenen,
ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter gelobt, die weder
sehen noch hören noch fühlen; den Gott aber, der deinen Odem und
alle deine Wege in seiner Hand hat, hast du nicht geehrt. Darum ist von
ihm gesandt diese Hand und diese Schrift, die da verzeichnet steht. Das
aber ist die Schrift, allda verzeichnet: Mene, mene, Tekel, U-pharsin.
Und sie bedeutet dies: Mene, das ist Gott hat dein Königreich gezählt
und vollendet. Tekel, das ist: man hat dich in einer Waage gewogen und
zu leicht gefunden. Peres, das ist: dein Königreich ist zerteilt und den
Medern und Persern gegeben. Da befahl Belsazer, daß man Daniel mit
Purpur kleiden sollte und ihm eine goldene Kette an den Hals geben,
und ließ ihm verkündigen, daß er der dritte Herr sei im Königreich. Aber
in derselben Nacht ward der Chaldäer König Belsazer getötet. f
Buch Daniel, Kapitel 5
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Belshazzar ƒ Belsasar von Heinrich Heine
Belshazzar ƒ Belsasar von Heinrich Heine
Belsazar
Heinrich Heine
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
und rufet laut mit schäumendem Mund:
Nur oben in des Königs Schloß,
Da flackerts, da lärmt des Königs Troß.
Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!
Dort oben in dem Königssaal
Belsatzar hielt sein Königsmahl.
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König wards heimlich im Busen bang.
Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kams hervor wie Menschenhand;
Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut,
Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.
Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblaß.
Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.
Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.
Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.
Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
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Belshazzar ƒ Interview mit René Jacobs
Händels Belshazzar
in der Sicht von René Jacobs
Was hat Sie bewogen, sich mit BELSHAZZAR zu befassen?
Ich habe dieses Oratorium vor allem wegen seines Librettos gewählt,
eines der besten, das Händel bis zu dieser Schaffensperiode zur
Vertonung vorlag. Schon bei der ersten Lektüre des einleitenden
Monologs der Nitocris war ich, noch bevor ich überhaupt die Musik
gesehen hatte, überzeugt davon, dass man in diesem Werk eine
profunde politische Betrachtung über Aufstieg und Niedergang von
Imperien finden würde, und das interessierte mich sehr. Ich dirigiere die
erste Fassung des BELSHAZZAR, die übrigens, anno 1745 uraufgeführt,
auch die vollständigste ist, und zwar ohne
jede Aussparung, denn Händels Oratorien
sind immer viel kürzer als seine Opern,
insbesondere im dritten Akt, was erlaubt,
nur eine Pause zu machen. Andererseits
habe ich in diese erste Fassung am
Anfang des zweiten Aktes eine sehr schöne Arie aus dem ersten Akt der zweiten Fassung des Werkes integriert: die
Strophenarie des Cyrus.
Belshazzar ƒ Interview mit René Jacobs
Worauf erstreckt sich diese von Händel praktizierte Opernreform?
Händel beklagte die formale Armut der opera seria, wo die da capoArien, getrennt durch Rezitative (semplice, die man später secco
nannte), aufeinander folgten und das Genre der Eitelkeit von Sängern
auslieferten. Händel suchte nach größerer Freiheit im Ausdruck: in den
Arien, für die er übrigens auskomponierte da capi schrieb, statt ihre
Gestaltung den Interpreten zu überlassen; und in der zunehmenden
Zahl von accompagnati, an denen BELSHAZZAR besonders reich ist.
Die opera seria verzichtete im übrigen auf den Chor, weil die Solisten
schon sehr kostspielige Stars waren. Nun kam aber Händel aus
Deutschland, wo die protestantische Chortradition das musikalische
Leben und Gestalten beherrschte. Und wie später Gluck, wusste auch
Handelt es sich um ein geistliches Werk?
Es handelt sich um ein dramatisches
Oratorium, das nicht für eine Kirche, sondern für Covent Garden
entstand, um dort Händels letzte Opern zu ersetzen. Das Werk heißt
Oratorium, weil sein Stoff dem Alten Testament entnommen ist. Neben
anderen hieran orientierten Werken ließ sich Händel für die gleiche
Gattung auch von der Geschichte christlicher Märtyrer inspirieren.
Sicher, die Kirche untersagte jedwede Inszenierung eines Werkes
solcher Art. Doch zur gleichen Zeit fand Händel in dieser Gattung
Oratorium eine schöpferische Freiheit, derer er sich in der opera seria
nicht erfreute. Durch das Fehlen einer Inszenierung gewann er die
Möglichkeit, die Oper, so wie Gluck einige Dezennien später, nach seinem Geschmack zu reformieren, wennschon nur in der Praxis und ohne
es laut zu verkünden.
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er um die dramatische Bedeutung des Chors in den Tragödien der griechischen Antike.
Das Werk ist sehr dramatisch …
In der Tat, weil das Publikum wegen der fehlenden Inszenierung ja
nichts zu sehen hatte. Händel hat dieses Fehlen des visuellen Elements
dadurch kompensiert, dass er eine viel deskriptivere Musik als in seinen opere serie komponierte. Das Publikum folgte der konzertanten
Aufführung anhand eines gedruckten Librettos, das viele Erläuterungen
narrativer wie deskriptiver Art enthielt. Deshalb ergeht sich auch die
Inszenierung von Christof Nel nicht im Spektakulären, sondern lässt
mehr vermuten als sehen.
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Belshazzar ƒ Interview mit René Jacobs
Belshazzar ƒ Interview mit René Jacobs
beibehalten wollte und dem Kontratenor Bejun Mehta anvertraute.
Wie sind die Rollen sängerisch charakterisiert?
Und Belshazzar, der dem Werk den Namen gibt?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass seinerzeit das Geschlecht der
Sänger keinen Einfluss auf die Zuweisung einer Rolle hatte. Vielmehr
entschied der Charakter der Stimme über die
Besetzung. In der höheren Tonlage hatte man die Wahl zwischen
einem Kastraten, einem Falsettisten oder einem contralto musico,
d.h. einer Altistin, die vorbedacht in einer männlichen Rolle eingesetzt
wurde. Wenn man nun die großen Rollen des Werkes untersucht,
stellt man fest, dass die der Nitocris, der Mutter des Belshazzar, auf
einer sehr ausdrucksstarken Textdeklamation aufbaut. Eben das ist
ein Hauptcharakteristikum des Oratoriums, während die opera seria
den verzierten Gesang bevorzugte, den
sogenannten bel canto. Erinnern wir
uns, dass zu Händels Zeit der große
Schauspieler David Garrick in London mit
Shakespeare-Rollen eindrucksvoll debütierte. Er revolutionierte das dramatische
Spiel, um eine europäische Bezugsgröße
zu werden, wird in Diderots Texten über die
Kunst des Schauspielers gar als Beispiel
angeführt. Selbst der Chor ist von dieser Deklamationsproblematik betroffen,
zumal im Grunde er die Hauptperson des
Werkes ist. Tim Brown, der Chorleiter,
und ich selbst, wir haben daher nachdrücklich auf angemessenem sprachlichem Ausdruck bestanden.
Zwei Rollen fallen einem contralto zu: Cyrus und Daniel. Aber sie
sind zwei sehr verschiedenen Interpreten zugedacht. Der Prophet
Daniel, der tiefgründig klingt, war für Susanne Cibber bestimmt, die
mehr Schauspielerin als Sängerin war, damals hochberühmt für ihre
Deklamationskunst, was sich denn auch in der Charakterisierung der
Rolle spiegelt. Die hoch klingende Partie des Fürsten Cyrus war für eine
Frauenstimme geschrieben, ehe sie dann ab der Wiederaufnahme von
1751 der Stimme des Kastraten Gaetano Guadagni angepasst wurde.
Die Kastraten verkörperten vornehmlich die großen Heroen der opera
seria. Guadagni war ein junger und ausgezeichneter Schauspieler,
zumal er bei Garrick studiert hatte. Er spielte später sogar den Orfeo
der Gluck-Oper. Es ist diese zweite Fassung der Cyrus-Rolle, die ich
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Die Rolle des Belshazzar ist weder die längste noch die komplexeste.
Belshazzar symbolisiert die Dekadenz eines Imperiums, und die ihm
zukommende Musik – Arien im Dreierrhythmus – zeigt einen jugendlichen
Tyrannen, der Lust und dem Rausch verfallen. Das ist die am wenigsten
bewegende Rolle der Partitur. Sein Antipode: Cyrus. Diese beiden jungen
Männer unterscheiden sich moralisch so voneinander wie Don Giovanni
und Don Ottavio. Wenn Cyrus den nach der Notenzahl am üppigsten
entwickelten Part hat, dann deswegen, weil er den guten König an der
Spitze eines neuen Reiches verkörpert. Ein weiterer Grund liegt darin,
dass das
Libret to
sowohl
auf dem
B u c h
Daniel
d e s
A l t e n
Testaments wie auch auf der Kyrupädie des Xenophon beruht – wo die
Erziehung des Cyrus detailliert dargestellt ist –, auf einem antiken Text
also über das Ideal eines Herrschers, wiederentdeckt in der Zeit der
Aufklärung. Nichtsdestoweniger ist Händels Werk noch von einer dritten
Figur bestimmt, nämlich Nitocris. Diese Mutter und Regentin, gequält
von den Torheiten ihres Sohnes Belshazzar, ist der bei weitem komplexeste und am meisten bewegende dieser Charaktere.
Viel Emotion findet man auch in der Sekundärrolle des Gobryas, aus
der Händel mehr zu machen weiß als nur einen Helfershelfer des Cyrus.
Dieser Babylonier, der in das feindliche Lager der Perser wechselte, weil
Belshazzar seinen Sohn grausam hatte ermorden lassen, singt ein sehr
kurzes Lamento, eine Art einteiliger cavatina, die einer der am stärksten
berührenden Momente der Partitur ist.
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Belshazzar ƒ Nitocris
nitocris
Die andere Königin aber, die spätere, ihr Name war Nitocris, war nicht
so töricht wie die frühere gewesen. Dies hinterließ nicht nur Denkmäler,
die ich nachher beschreiben will, sondern weil sie sah, wie mächtig
das Reich der Meder geworden ist und daß sie keinen Frieden halten
konnten, sondern andere Städte eroberten, darunter auch Ninos, traf
sie Vorsichtmaßregeln gegen sie, soviel sie konnte. Zunächst ließ sie
den Euphratstrom, der Mitten durch die Stadt der Babylonier fließt und
vordem einen geraden Lauf hatte, oberhalb der Stadt durch Gräben,
die sie ziehen ließ, so mannigfach hin und her wenden, daß er eines der
assyrischen Dörfer, Arderikka ist sein Name, dreimal auf deinem Lauf
berühren mußte. Und wenn einer jetzt vom diesseitigen Meere her nach
Babylon reist und den Euphrat hinabfährt, so kommt er in dreitägiger
Fahrt dreimal an demselben Dorf vorbei. Und außer diesem Werk ließ
sie ferner entlang den beiden Seiten des Stromes je einen Damm aufschütten, der hinsichtlich seiner Größe und Höhe staunenswert ist, und
weit oberhalb Babylons ein Becken graben für einen See, ganz nahe
am Fluß hin, bis auf das Grundwasser tief vierundzwanzig Stadien im
Umfang. Und als der See gegraben war, ließ sie Steine herbeischaffen
und eine Mauer rund um die Ränder des Sees ziehen. Beides aber, daß
sie den Strom so stark krümmte und daß sie das Becken überall bis auf
Grundwassertiefe aushob, tat sie deshalb, damit der Fluß, sich in vielen
Krümmungen brechend, langsamer fließe und die Schiffswege nach
Babylon gewunden seien und man noch den großen Umweg um den
See machen müsse. Auch tat sie dies in jener Gegend des Landes, wo
die Zugänge zu ihm lagen und der kürzeste Weg aus dem Mederlande
herführte, damit die Meder auf dem Strom keinen Handelsverkehr trieben und so ihre Unternehmen erführen.
So schützte sie Babylon durch Wasseranlagen, benützte diese zugleich
aber noch für einen anderen Zweck. Da nämlich die Stadt aus zwei
Teilen besteht, die der Fluß voneinander trennt, mußte unter den
früheren Königen jeder, der aus dem einen Teil hinüber wollte in den
anderen Teil, auf einem Schiff übersetzen und das war, wie ich glaube, ziemlich beschwerlich. Auch hierfür schaffte jene Königin Rat und
schuf sich, als sie das Becken für den See graben ließ, mit demselben
Werk zugleich noch ein anders Denkmal. Sie ließ mächtige Steinblöcke
zurichten, und als diese fertig standen und das Becken gegraben war,
leitete sie dort alles Wasser des Stromes hinein, und während sich das
20
Belshazzar ƒ Nitocris
Becken damit füllte und das alte Strombett ausgetrocknet war, ließ sie
zunächst die Uferränder am Fluß in der Stadt und die Treppen, die von
den Pforten zum Fluß hinabführten, mit gebrannten Ziegeln aufmauern,
und zwar auf dieselbe Weise wie die Stadtmauern; dann ließ sie aus
den Steinen, die sie hatte brechen lassen, etwa in der Mitte der Stadt
eine Brücke bauen, und die Steine mit Eisen und Blei verbinden. Über
diese Brücke legte man bei Anbruch des Tages viereckige Bohlen, auf
denen die Babylonier hinübergingen, nachts aber wurden die Bohlen
weggenommen, damit sie nicht zur Nachtzeit hinüberziehen und einander bestehlen konnten. Als nun das ausgegrabene Becken durch das
Wasser des Flusses zu einem vollen See geworden und der Bau der
Brücke beendet war, leitete sie den Euphrat wieder aus dem See zurück
in sein altes Bett. Nun sah das Volk, daß das Becken, indem es zu einem
Sumpf wurde, mit gutem Bedacht gegraben war, und für die Einwohner
der Stadt war eine Brücke hergerichtet. […]
Solche Geschichten erzählte man von dieser Königin. Der Sohn dieser
Frau war es, gegen den Kyros jetzt zu Felde zog. f
aus: Herodot, Neun Bücher der Geschichte
Nitocris
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Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Die Entstehung und
Bedeutung des Belshazzar
von Ruth Smith
Auch wenn das Werk ursprünglich nicht für eine Bühneninszenierung
vorgesehen war, ist Belshazzar eines der dramatischen Meisterwerke
Händels.
In Händels größter Errungenschaft, dem Englischen Oratorium, – dem
Drama ohne Handlung – wird auf die Arienvarianten der Barockoper
zurückgegriffen, doch war es die zusätzliche Verwendung eines vollkommen involvierten Chores, die das dramatische Potential des Genres
um ein Vielfaches steigerte. Nirgendwo sonst wird dieses dramatische
Element vollständiger realisiert als in Belshazzar, wo der Chor drei
unterschiedliche Nationen darstellt, die wiederum durch ihre individuelle Musik gekennzeichnet sind. Darüber hinaus sind die vielfältigen
Gegenüberstellungen des einfachen Rezitativs, des AccompagnatoRezitativs oder Ariosos, der Arie und des Chors, die Händel in seinen
Oratorien verwendete, in Belshazzar besonders bemerkenswert, und
dies liegt mit Sicherheit an der einzigartigen Kompositionsgeschichte
dieses Oratoriums.
Die Entstehung des Belshazzar
Händel hat seine Libretti nicht selbst geschrieben, auch war er normalerweise nicht an ihrer Themenfindung beteiligt. So wurde der Messiah
beispielsweise vom Librettisten geschrieben, der Händel das Libretto
1739 überreichte, zwei Jahre bevor der Komponist beschloss, es musikalisch zu vertonen. Händel wandte sich an Charles Jennens, eben
jenen Librettisten, als er 1744 kurzfristig einen Oratorientext wünschte.
Jennens, der auch die Libretti zu Saul, Il Moderato in L’Allegro, und vermutlich auch zu Israel in Ägypten geschrieben hatte, war begeistert von
Händels Musik; er war ebenfalls hochkultiviert, belesen und finanziell
durch ein Privatvermögen abgesichert. Jennens war jedoch auch ein
Perfektionist, der sehr langsam arbeitete und das neue Libretto einen
Akt nach dem anderen über einen Zeitraum von zehn Wochen lieferte.
Es ist schon frustrierend, wie wenig von Händels Korrespondenz erhalten geblieben ist. Im Fall von Belshazzar können wir uns allerdings
glücklich schätzen; dass wir fünf Briefe von ihm an Jennens haben, die
seinen Wunsch nach einem Text und seine Reaktionen nach Erhalt der
Textpassagen dokumentieren.
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Händel gefiel der Inhalt der ersten beiden Akte derart, dass er, ohne auf
den dritten Akt zu warten, an ihnen zu komponieren begann, obwohl er
das meisterhafte Oratorium Hercules erst wenige Tage zuvor beendet
hatte. Doch als er den dritten Akt erhielt, musste er feststellen, dass
er sich verkalkuliert hatte. Jennens hatte ein weit längeres Libretto als
erwartet abgeliefert, und Händel hatte die ersten beiden Akte viel zu
ausufernd komponiert. Würde er in diesem Stil fortfahren, schrieb er an
Jennens, so könne das Werk eine Aufführungsdauer von vier Stunden
überschreiten. Wagnerianische Proportionen hätte die Londoner
Gesellschaft niemals toleriert, und so strich, komprimierte und komponierte Händel Passagen mit außerordentlicher Exaktheit. Er arbeitete
sehr intensiv an Belshazzar, und dieser Umstand allein disqualifiziert die
Ansicht moderner Kritiker, dass er als Künstler leicht zufriedenzustellen
war. Es gab vier deutlich gekennzeichnete Überarbeitungsphasen zwischen dem Kompositionsbeginn und der ersten Aufführung. Neunzehn
Stücke wurden überarbeitet oder neu geschrieben, fast ein Drittel des
Gesamtwerks, und an einigen Stücken wurde wiederholt gearbeitet.
Dennoch war das Oratorium innerhalb von drei Wochen nach Erhalt
des dritten Akts vollendet. Jennens 797 Zeilen wurden um 266 Zeilen
gekürzt, doch erscheinen sie noch in dem veröffentlichten Libretto.
Zugleich zeugen diese Streichungen von Händels Respekt vor dem
Konzept seines Mitstreiters: Der Text wurde proportional zu jedem Akt
gekürzt, wodurch Stimmigkeit und Balance des Gesamtwerks gewahrt
bleiben.
Als Ergebnis finden wir ein Drama vor, in dem es keine Langatmigkeiten,
Wiederholungen oder überflüssige Handlungen gibt. Unter den 15
Arien, die bei der Premiere 1745 aufgeführt wurden, findet sich nur eine
als vollständige Da-Capo-Arie. Schwung und Tempo der Handlung
sind oftmals spannungsgeladen. Nehmen wir zum Beispiel die Szene
mit den Schriftzeichen an der Wand, eine kontinuierliche Sequenz
von Interaktionen zwischen drei Soloparts (es sind eigentlich vier,
wenn man die Hand Gottes mit berücksichtigt), und zwei Ensembles,
den Höflingen und den Weisen, insgesamt zwölf Nummern mit einfachen und Accompagnato-Rezitativen, Rezitativen mit Chören, Arien
drei unterschiedlicher Charaktere, vier Chören, und einer beschreibenden Sinfonia: Kurz gesagt, es ist eine Vielfalt, die in keiner anderen
Theatermusik ihrer Zeit ihresgleichen findet. Außerdem schuf Händel
eine Großdisposition des Dramas, wie die Gegenüberstellung kompletter
Szenen (Nitocris, die mit zwei Selbstgesprächen den ersten und den
dritten Akt einleitet), sowie die Gegenüberstellung von Begegnungen
individueller Charaktere (Nitocris mit ihren beiden Duetten, dem Konflikt
23
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
mit ihrem eigentlichen Sohn Belshazzar, und der Versöhnung mit ihrem
„besseren Sohn“, Cyrus).
Händel teilte Jennnens mit, dass das Libretto „in der Tat ein
Edles Werk darstelle, sehr großartig und ungewöhnlich, es hat mir
Ausdrucksmöglichkeiten verschafft und mir die Gelegenheit für einige
außerordentliche Ideen vermittelt“. Als Dramatiker mit einer fünfunddreißigjährigen Erfahrung, Operncharaktere menschlich überzeugend zu
gestalten, war er offensichtlich angetan von der Herausforderung, drei
unterschiedliche Völkergruppen zu individualisieren, und er entsprach
ihr trotz der oft sehr anspruchsvoll ideologisierten Texte Jennens´. Die
homophonen, unisono mit lebhaften Rhythmen gesungenen Lieder der
Babylonier kennzeichnen heitere, unsubtile Heiden, die ihres bevorstehenden Untergangs nicht gewahr sind, – bis die „weisen Männer“ ihre
angstvollen, hilflosen, sparsamen Takte anstimmen. Die gefangenen
Juden sind sich jedoch des bevorstehenden Einschreitens Gottes bewußt
und singen im „Kirchenstil“, a cappella („Recall, O King“, „Erinnere dich,
O König“) in einer gemächlichen Blockharmonie („By slow degrees“, „In
langsamen Schritten“), oder sie lobpreisen in Fugen mit Hymnen, die
sich der Formeln kirchlicher Hymnen bedienen („hallelujah, amen“). Zum
Schluss zitieren sie Hymnen: zwei Chandos – Hymnen Händels (einem
Vorschlag von Jennens folgend), wo die übliche Parallele zwischen den
auserwählten Menschen des Alten Testaments und dem Publikum des
Oratoriums gezogen wird. Doch verlieh Händel ebenfalls dem Sänger
des Daniel die Freiheit, seine Musik hebräisch einzufärben, indem er
augenscheinlich eine improvisierte Kantillation in der Interpretation der
Schrift an der Wand zuließ. Die Tatsache, dass die Perser den schwierigen Kontrapunkt und lange Fugen meistern, läßt darauf schließen, daß
es sich um eine gut ausgebildete, disziplinierte Armee mit Intelligenz
und Stehvermögen handelt, und sie demonstrieren ebenfalls ein tieferes
Verständnis göttlicher Macht, wie zum Beispiel in der ernsthaften g-moll
Eröffnung von („All empires upon God depend“, „Alle Imperien sind
abhängig von Gott“), einer Ratifizierung ihrer Einnahme Babylons. Die
choralen Äußerungen variieren zwischen drei und sechs Anteilen und
zwischen fünf und 190 Takten, alle unterschiedlich konzipiert.
24
Belshazzar (Kenneth Tarver), Gobryas (Neal Davies) und Chor
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Für uns spielen
Sie die Hauptrolle.
Wie in allen Oratorien Händels konnte sich das Publikum auch während
des Verlaufs von Belshazzar vorstellen, was als Vorstellung angedacht
war, da man das Libretto, das im Theater erhältlich war, lesen konnte,
zusammen mit den Szenenbeschreibungen und „Bühnenanweisungen“.
Jennens Anweisungen waren ausführlich und genau. Nehmen wir die
Vorgänge während des Fests von Belshazzar: „Als er im Begriffe ist zu
trinken, erscheint eine Hand an der Wand auf der gegenüberliegenden
Seite, er sieht sie, erblaßt vor Schreck, läßt die Weinschale fallen, fällt
in seinen Sessel zurück, während er von Kopf bis Fuß zittert und seine
Knie aneinander schlagen.“ Händel schrieb dies in seine Partitur über
die Eröffnungsphrase des Soloviolinenstaccatos, mit dem er „das
Schreiben“ an der Wand „verkörperte“.
Unglücklicherweise wurde der äußerst lebendige Realismus in Händels
dramatischer Fassung durch die Ereignisse in Belshazzars erster Spielzeit
zunichte gemacht. Er hatte den Part des Daniel für Susanna Cibber konzipiert. Diese erkrankte vor der Premiere und da sich kein Ersatz fand,
verteilte Händel die Rolle um. Drei Sänger sangen jeweils zwei Rollen,
vier Rollen wurden unter drei Sängern geteilt, und eine Rolle fiel in den
Bereich sowohl einer männlichen, als auch einer weiblichen Stimme. Es
ist nicht verwunderlich, dass die Reaktionen frostig ausfielen. Belshazzar
wurde zweimal wiederaufgenommen, 1751 und 1758, doch sollte das
Werk zu seinen Lebzeiten keinen öffentlichen Anklang finden.
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Die Bedeutungsvielfalt in Belshazzar
Jennens stellte sein Libretto aus einer reichhaltigen Auswahl an altertümlichen und neuen, sakralen wie auch säkularen Quellen zusammen.
Kein anderes Händel-Oratorium bezieht sich auf so viele oder derart weit
gefasste Texte: die Bibel (Jesaja, Jeremia, Ezra, die Psalmen, Daniel),
die Historiker des Altertums (Josephus, Herodot, Xenophon, Polybius),
sowie zeitgenössische politische Ideologie (Charles Rollins Ancient
History, Andrew Ramsays The Travels of Cyrus, Lord Bolingbrokes The
Idea of a Patriot King). Indem er diese Quellen nutzte, flickte Jennens
nicht einfach das vorhandene Material zum Untergang Babylons zusammen, und es ging ihm sicher nicht lediglich darum, seinem Libretto die
Glaubwürdigkeit der beiden großen Kapazitäten des Gedankenguts des
18. Jahrhunderts, der Bibel und der klassischen Geschichtsschreibung
zu verleihen. Seine Briefe an seinen Freund Edward Holdsworth, der
seine politischen Ansichten teilte, lassen darauf schließen, daß er eine
Agenda hatte. Als er begann, das Libretto zu schreiben, sagte er über
Händel, „Ich muss ihn so zu nehmen wissen, wie ich ihn vorfinde, und
daraus den besten Nutzen ziehen“, und, als das Libretto fertiggestellt
27
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
war, merkte er über die Zusammenarbeit an, „tatsächlich ging mein
Blick weiter“ – was einen höheren Zweck andeutet, als den, einen Text
vorzulegen.
Eine von Jennens Absichten finden wir auch im Messiah wieder: Es
geht um die Verteidigung des Christentums. In dieser Hinsicht wird
Händels ursprüngliches Publikum Belshazzar für eine sehr aktuelle
Aufführung gehalten haben, da sich das Christentum wie noch nie
zuvor in Großbritannien in der Defensive befand. Zum ersten Mal wurde
die Wahrheit der Bibel von seriösen Gelehrten hinterfragt; dies war der
Anlass zu tiefer Besorgnis in Großbritannien, da die Bibel die Basis der
Staatsreligion, des Protestantismus, darstellte. Neue wissenschaftliche Recherchen zeigten auf, dass es sich bei der Bibel nicht um ein
zusammenhängendes Ganzes handelte, dass darin Texte einander
widersprachen, und die Prophezeiungen erst nach den vorausgesagten
Ereignissen geschrieben worden sein könnten. Dadurch wurde die
Autorität, welche die Heilige Schrift als direkte Inspiration aus der Hand
Gottes bezogen hatte, deutlich unterminiert. Die resultierende Debatte
über die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift stand in der öffentlichen
Wahrnehmung an vorderster Stelle. Die moderne Entsprechung, wenn
man die Vertrautheit und die Brisanz der Thematik vergleicht, wäre etwa
die globale Erwärmung. Das Thema Religion, mit großer Freizügigkeit
in Großbritannien diskutiert, trug zu einem Großteil der Produktion des
Verlagswesens bei, und die Interpretation der Heiligen Schrift war das
größte Thema überhaupt, während zahllose Predigten die Debatte sogar
den Analphabeten in der Gesellschaft vor Augen führten. Diese Debatte,
die Teil einer größeren europäischen Bewegung war, welche heute als
die Aufklärung bekannt ist, bezog sich in Großbritannien insbesondere
auf die alttestamentarischen messianischen Prophezeiungen. Die messianischen Prophezeiungen des Alten Testaments in Frage zu stellen,
hieß, auf den Kern des Christentums zu zielen, auf die Offenbarung;
in der Wahrnehmung Vieler waren damit die Lebensgrundlage und die
Verheißung zukünftigen ewigen Glücks bedroht.
Während zahllose Traktate und Predigten verfasst wurden, in denen die
christlichen Doktrin beglaubigt werden sollten, hatte nur Jennens die
Eingebung, die Verteidigung des Christentums an sich als Oratorium zur
Theateraufführung zu konzipieren, mit einem Libretto, das hauptsächlich aus Prophezeiungen des Alten Testaments bestand: dem Messiah.
29
28
Belshazzar (Kenneth Tarver), Daniel (Kristina Hammarström) und Chor
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Er nahm leidenschaftlich Anteil an der Botschaft des Oratoriums, und
er war enttäuscht, als er zum ersten Mal Händels Vertonung hörte.
Seiner Ansicht nach war Händel dem Thema nicht gerecht geworden.
Seinem Freund Holdsworth schrieb er: „Ich werde keine Heiligen Worte
mehr in seine Hände geben, auf daß sie in solchen Maße gedemütigt
werden.“ Doch bezieht sich Jennens zwei Jahre später in Belshazzar auf
21 Kapitel aus der Bibel, zitiert diese wiederholt, und zweimal wird die
Heilige Schrift sogar auf die Bühne gebracht: Im ersten Akt hat Daniel
die Texte der Propheten geöffnet vor sich und lehrt seinen Anhängern
daraus, und es sind eben jene Prophezeiungen, die Daniel während des
Höhepunkts Cyrus zeigt, welche das glanzvolle Ende herbeiführen.
Jennens war derart bestrebt, die Wahrheit des Christentums zu beglaubigen, dass er sich darauf einließ, die für ihn so großen Mühen der
Zusammenarbeit mit Händel auf sich zu nehmen. Er riskierte dabei,
dass Händel wieder einmal dem sakralen Text nicht gerecht werden
würde, sein Libretto komprimiert und rabiat gekürzt werden könnte, um
zu erleben, dass Händels Musik die Botschaft der Offenbarung an die
Zweifler seiner Zeit, und die gesamte Nachwelt überliefern würde.
Belshazzar enthält eine noch entschiedenere Verteidigung der
Prophezeiungen des Alten Testaments als Messiah. Die von Jennens
zitierten Prophezeiungen in Belshazzar kündigen nicht explizit das
Erscheinen des Messias an. Es handelt sich stattdessen um die
Prophezeiungen in Jesaja, die Cyrus und seine Eroberung Babylons
erwähnen, seine Befreiung der dort gefangengehaltenen Juden, seine
Ermöglichung ihrer Rückkehr nach Jerusalem und sein Edikt zum
Wiederaufbau ihres dortigen Tempels – all dies ist tatsächlich passiert. Mit dieser bescheideneren aber zugleich auch schlüssigeren
Beweisführung zur Zuverlässigkeit der Prophezeiungen der Schriften,
die einen menschlichen und nicht einen göttlichen Erretter benennen, deutet Jennens subtil an, dass einer Prophezeiung, die in dem
einen Fall auf derart triumphale Weise ihre Erfüllung fand, auch in
allen anderen Fällen vertraut werden kann. Überdies ereignen sich die
Prophezeiungen des Cyrus durch Jesaja in denselben Kapiteln, wie
jene Prophezeiungen, die traditionellerweise als Voraussagung des
Erscheinens des Messias interpretiert wurden. Cyrus wurde in der
Tradition als Typus, als Wahrzeichen des Messias gesehen. Jennens
schlussfolgert, dass, wenn Jesaja in Bezug auf Cyrus geglaubt werden
konnte, man doch wohl kaum dann die Richtigkeit seiner Aussagen
bezüglich des Messias anzweifeln kann.
30
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Durch das gesamte Drama hindurch stimmt Jennens die biblische
Darstellung des Untergangs Babylons mit den Beschreibungen der antiken griechischen Historiker ab, er zeigt auf, wie viele Entsprechungen
existieren, und er beweist dies in seinem Libretto mit Fußnotenreferenzen
an die klassischen Historiker. Seine Botschaft an Händels Publikum
ist die, dass es heidnische, nichtchristliche Autoren ohne religiöse
Agenda sind, deren Hauptanliegen historische Genauigkeit war, die
dennoch eine Erzählung überliefern, welche die Darstellung der Bibel
mit erstaunlicher Detailübereinstimmung repliziert; daher ist es auch für
jene, die schwachen Glaubens sind, naheliegend, der Bibel Glauben zu
schenken.
Jennens Hauptquelle ist das Buch Daniel, die Szene der Schrift an
der Wand ist buchstäblich eine Transkription des fünften Kapitels. Es
war christlichen Apologeten wichtig, das Buch Daniel als vollkommen
glaubwürdiges Dokument zu etablieren, da es den ersten expliziten
biblischen Hinweis auf die Auferstehung und das Jüngste Gericht
beinhaltet (12,2). Diese Passage ist für christlich-fundamentalistische
Überzeugungen noch immer von essentieller Bedeutung. Jennens
verwendete sie nicht, doch war sie derart geläufig, dass sie seinem
Publikum bekannt gewesen sein muss. Daniel zu ratifizieren – und dies
tut Jennens Text unablässig – bedeutet soviel wie, die Verheißung der
Auferstehung zu ratifizieren.
Für diejenigen im Publikum des 21. Jahrhunderts, die nicht fundamentalistischen Glaubens sind, sind die Empfindungen des Trostes, der
Zuversicht und der Freude, die von Jennens und Händel transportiert
werden, noch bewegender und zutreffender, da sie keinen Anlass haben.
Die Gelehrten der Aufklärung waren im Recht: Die Prophezeiungen in
den Büchern Jesaja und Daniel waren nicht so alt, wie die Gläubigen
annahmen, da sie während und nach, und nicht vor der Gefangenschaft
geschrieben worden waren. Wenn wir hören, wie Jennens, Händel und
ihre Zeitgenossen sich mit Daniel an einer Erlösung erfreuen, die sie
mit Gewissheit erwarten (und die auch in unserer Zeit noch bevorsteht),
dann erkennen wir die Zerbrechlichkeit von Hoffnung und Zuversicht,
aber auch den vertrauensvollen Glauben, den die Gläubigen in der
Geschichte und auch diejenigen, die das Oratorium schrieben, aufweisen; er leuchtet dann vielleicht noch heller für all jene, die diesen
Glauben nicht teilen können.
31
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Aber auch für jenes Publikum, das eine vollkommen weltliche Haltung
an den Tag legt, gibt es viel zu entdecken in diesem Werk. In Belshazzar
wird über das Königtum, Imperien, Freiheit, sowie den Krieg reflektiert.
Händels Publikum war es gewohnt, die alttestamentarischen Israeliten
in seinen Oratorien symbolisch für ihre Nation zu sehen, mit dem Gefühl
(oder wenigstens der Hoffnung), man sei das auserwählte Volk Gottes
in der Gegenwart. Ein Londoner Zeitungsartikel über eine der ersten
Aufführungen von Israel in Egypt stellt eine Verbindung her zwischen der
Darstellung der Unterwerfung der Armee des Pharao im Roten Meer im
Oratorium und dem Seekrieg mit Spanien, den das britische Publikum
lautstark favorisierte. Das ist nicht nur charakteristisch für das englische
Oratorium. Im italienischen Oratorium finden wir eine entsprechende
nationalistische Verbindung, zum Beispiel in Vivaldis Juditha triumphans. Noch war es ungewöhnlich für britische Theateraufführungen,
politische Allegorien zu beinhalten. Der Stage Licensing Act von 1737,
der immerhin bis 1968 in Kraft war, wurde eingeführt, weil die Londoner
Bühne politisch so subversiv geworden war.
Die politische Situation in England Mitte des 18. Jahrhunderts generierte
eine Masse an Veröffentlichungen zum Wesen des Idealen Herrschers,
dem „Vaterländischen König“. Diese Bezeichnung war bedeutungsgeladen, da die britischen Hannoveraner-Monarchen unterschiedliche
Loyalitäten in sich trugen, gegenüber Hannover, und damit, wie viele
glaubten, anstelle von Großbritannien, und George I (Georg Ludwig)
war erwiesenermaßen nur an 58. Stelle in der direkten Rangfolge der
Anwärterschaft auf den britischen Thron.
Der Prinz Cyrus, der von Xenophon in seiner Cyropaedia beschrieben
wird, war ein bevorzugtes Beispiel im 18. Jahrhundert für eine gute
Regentschaft. Xenophon und in seiner Nachfolge Historiker des 18.
Jahrhunderts beschreiben Cyrus als großmütig, bescheiden, unprätentiös, Gesetze verabschiedend und gesetzestreu, als einen religiösen Anführer, der eroberte, um den Frieden herbeizuführen und die
Unterdrückten zu befreien, einen loyalen persönlichen Freund und
weitblickenden Erbauer eines Imperiums, der mit seinem großzügigen
persönlichen Ansatz die Herzen für sich einnahm und ein Beispiel
für die gläubige Unterwerfung unter den göttlichen Willen abgab. So
lautet die Beschreibung eines guten Herrschers in den britischen politischen Traktaten des 18. Jahrhunderts, und es ist ebenfalls eine exakte
Beschreibung des Cyrus in Belshazzar. Zum Beispiel erklärt Cyrus, der
im Begriff ist, Babylon einzunehmen, seiner Armee:
32
Cyrus (Bejun Mehta), Gobryas (Neal Davies) und Chor
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
I seek no Enemy except the Tyrant;
When he is slain our Task is at an end.
My worthy Friends, let us not stain our Swords
With needless Slaughter: I begin already
To count this People mine, myself their Shepherd,
Whose Office is to feed and protect them,
Not to destroy.
Ich suche keinen Feind außer dem Tyrannen;
Mit seinem Tode endet unsere Aufgabe.
Meine verdienstvollen Freunde, laßt uns nicht unsere Schwerter beflecken
Mit unnützem Gemetzel. Ich beginne bereits damit,
dieses Volk als meines, mich als ihren Hirten anzusehen,
Dessen Pflicht es ist, sie zu ernähren und sie zu beschützen,
Nicht, sie zu zerstören.
Kultur fördern.
Einfach mehr Bank.
Jennens verbessert hier sogar die tugendhafte Nachsicht des historischen Cyrus: bei Xenophon befiehlt Cyrus, dass jedermann, der im
Freien gefunden wird, hinzurichten ist, auch nach dem Tod Belshazzars.
Jennens zeigt Cyrus und Belshazzar in vielen Charaktereigenschaften
als gegensätzlich auf: Belshazzar ist nicht fromm, sondern blasphemisch, er begeht Sakrilege, während Cyrus fromm und gottesfürchtig
ist, Belshazzar ist ein Tyrann, während Cyrus unterdrückten Völkern die
Freiheit bringt.
Die Briten des 18. Jahrhunderts betrachteten Freiheit als die große
Errungenschaft des politischen Lebens. Sie waren unendlich stolz
auf ihre Verfassung, die auf der Überlegenheit bekannter Gesetze
fußte, da diese ihre Freiheit garantierte, und sie verglichen sie mit
den autokratischen Monarchien Spaniens und Frankreichs, die sie
als Tyrannenregimes wahrnahmen. Für Händels Publikum wäre das
Babylon Belshazzars ein Abbild eben jener götzenverherrlichenden (da
ja katholischen), repressiven und versklavenden Königreiche gewesen.
Cyrus bringt nicht nur die Freiheit, was unzweifelhaft thematisch gut ist,
er bringt auch noch den Frieden, da er einen Krieg führt, um dem Krieg
zu beenden. Auch das war hochaktuell, und ein heißes Eisen, da sich
Großbritannien im Krieg befand, als Belshazzar verfasst und zum ersten
Mal aufgeführt wurde.
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35
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Der österreichische Sezessionskrieg, der auf der britischen Seite bis
1749 andauern sollte, bezog fast alle europäischen Nationen ein; es
war im Grunde ein Aneinandergeraten von katholischen und protestantischen Mächten, die das Gleichgewicht der Macht in Europa für sich
zu behaupten suchten. Zum Zeitpunkt der Entstehung Belshazzars sah
der Krieg für die britische Seite nicht gut aus. Der universelle Friede,
die Aussöhnung und Bruderschaft der Nationen, die das Oratorium
als seinen Höhepunkt bietet – das wäre sicherlich im Publikum nicht
auf uneingeschränkte Zustimmung gestoßen. Einige hätten sich über
den persischen Chor geärgert, der Cyrus lobpreist, indem er erklärt,
dass, wenn alle Herrscher so wären wie er, es keinen Krieg und keine
Sklaverei mehr geben würde; und dies zum Zeitpunkt kriegerischer
Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Spanien in der
Karibik um die Handelsrechte. Ein wesentlicher Bestandteil eben jenes
Handels waren Sklaven.
Für alle Hauptakteure im Krieg bezog sich der Kampf um Handel auf den
Wettstreit um Imperien. Die Natur des Empires, das Erstrebenswerte
daran und die Art und Weise der Führung waren Gegenstand erhitzter
Debatten in Großbritannien. Dort war man dabei, zum Empire zu
expandieren, und das Imperium ist ein Hauptanliegen von Belshazzar.
Der politische Überbau des Oratoriums besagt, dass Geschichte von
zyklischer Natur ist: Alle Nationen, alle Imperien befinden sich in einem
stetigen Fluss und streben ihrer Auslöschung entgegen. Jennens
könnte dieses Thema direkt Polybius und Machiavelli (deren Werke
sich in seiner Bibliothek befanden) entnommen haben, möglicherweise
las er darüber jedoch auch in den zahlreichen Werken seiner Zeit. Das
zyklische Werden und Vergehen des Imperiums war ein Thema, das
Autoren und Leser des 18. Jahrhunderts besonders berührte.
Die Zerbrechlichkeit eines Imperiums war wiederum keine angenehme
Botschaft für alle Zuhörer. Dies hätte der Opposition eher behagt, als
den Anhängern der Regierung, Händels normalem Publikum. Und diese
Botschaft gefiel auch einer späteren Oppositionspartei: kommunistischen Pazifisten der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Belshazzar
wurde im Mai 1938 von der Workers Music Association und im April
1939 während des Festival of Music for the People, dirigiert von Alan
Bush, aufgeführt, mit einem Libretto, das Randall Swingler bearbeitet hatte. Die Aufführung war ein Protest gegen die „grassierenden
Ungerechtigkeiten des Imperialismus“, die Juden wurden als die
Arbeiterklassen dargestellt, und die Botschaft lautete, dass Imperien
versklaven und herabwürdigen.
36
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
Das Oratorium enthält eine weitere politische Botschaft. Vieles in
Belshazzar harmoniert eher mit der Opposition statt mit der der
Regierungspolitik, da Jennens mit der Opposition sympathisierte, mehr
noch, er war ein Anhänger der im Exil befindlichen königlichen Familie
der Stuarts. Hier können wir einen zusätzlichen Aspekt seines „weiteren
Blicks“ ausmachen, der seine Arbeit an Belshazzar prägte.
Für Jennens und all jene, die seine politischen Neigungen teilten, zeigte
Cyrus Unterwerfung Babylons, dass ein grausames Imperium nicht
von Dauer sein kann, dass rechtschaffene Exilierte zurückkehren dürfen und ihren Glauben frei werden leben können, dass man sie beim
Wiederaufbau unterstützen wird, und dass sie wieder in ihrer Heimat
aufblühen werden. Das Sinnbild der exilierten und wieder zurückgebrachten Juden in Belshazzar wäre von denen, die Ohren hatten zu
hören, bereitwillig verstanden worden, als Entsprechung der exilierten
britischen Stuartkönige und ihrer Anhänger, und all jene hätten sich
darin wiedererkannt, die zuhause eine Art von innerem Exil durchleben
mussten, darunter auch Jennens, mit Repressalien, die sie vom öffentlichen Leben ausschlossen, weil sie den Hannoveranerkönigen nicht
ihre Treue schworen. Jennens zeigt eine friedvolle Wiederherstellung der
Exilierten auf, in deren Verlauf alle gegnerischen Parteien miteinander
versöhnt werden. Wie in so vielen oppositionellen Veröffentlichungen
zu allen Zeiten ist dies idealistisch, ideologisch und verordnend, weniger programmatisch oder auch nur kennzeichnend für die wahren
Umstände. Tatsächlich sollte es weniger als ein Jahr nach der Premiere
von Belshazzar zu einem Versuch kommen, die Stuartmonarchie wiederherzustellen, dem Jakobitenaufstand von 1745, einem Versuch, der
scheitern und mit verheerenden und blutigen Repressalien geahndet
werden würde.
Im Ganzen gesehen weist Belshazzar eine politische Reife auf, die für
Händels biblische Dramen einzigartig ist. Es gibt keine aufgesetzte
Triumphstimmung, keinen Nationalismus, keinen Rachegedanken; das
Bestreben des Helden ist ein unblutiger Sieg, der Frieden, die Freiheit
und eine gute Regentschaft. Die Tugendhaftigkeit ist nicht auf eine einzelne Nation oder Rasse beschränkt, es finden sich großzügige, mutige
und weise Menschen in allen drei Nationen. Die Bemerkenswerteste
unter ihnen ist eine Frau; man arbeitet zusammen zugunsten anderer,
und am Ende sind alle Beteiligten, mit Ausnahme eines grausamen
Tyrannen, am Leben, frei und anständig behandelt, die Gefangenen sind
frei, die Exilierten repatriiert. Belshazzar verdient die Beschreibung des
großen Händelforschers Winton Dean: es ist das Werk „eines überra37
Belshazzar ƒ Entstehung und Bedeutung
genden Talents, dessen Bedeutung in unserer Zeit mit jedem Jahrzehnt
zu wachsen scheint“.
Obwohl wir einen üppigen Reichtum an Bedeutungen und Andeutungen
in Belshazzar finden können, wird uns das niemals überfordern, da
dieses Oratorium aufgrund von Händels melodischer Gabe und seinem
dramatischen Vermögen immer zugänglich sein wird. Doch scheint
Händel in Belshazzar besonders sorgfältig darauf zu achten, dass
die Worte deutlich zu hören sind. Belshazzar ist bekannt für die vielen, zutiefst anrührenden Accompagnato-Rezitative. An vielen signifikanten Stellen über das Werk verteilt, setzt Händel die Vokallinie den
Orchesterstimmen gegenüber, anstatt die Stimmen zusammenzuführen. Dies erhöht die dramatische Wirkung, während der Text gleichzeitig
optimal zu verstehen ist. Händel war bereit, den Rat von Jennens anzunehmen. Möglicherweise hat Jennens, dem so sehr daran gelegen war,
seine Botschaften zu transportieren, seinen Teil zu diesem auffälligen
Merkmal in Belshazzar beigetragen. Es hätte ihm sicherlich gefallen,
und ihm das Gefühl gegeben, dass er in der Tat den bestmöglichen
Nutzen aus der Zusammenarbeit mit Händel davongetragen hätte. f
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Musik mit Perspektiven.
Innsbrucker Festwochen
der Alten Musik
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Belshazzar ƒ Gobryas
gobryas
Während sie damit beschäftigt waren, kam Gobryas, ein alter assyrischer
Herr, angeritten mit einem Gefolge zu Pferde, alle zum Reiterdienste
bewaffnet. Die mit der Empfangnahme der Waffen Beauftragten forderten (ihnen) die Stoßlanzen ab, um sie, wie die anderen, zu verbrennen.
Gobryas verlangte jedoch vorher den Cyrus zu sprechen. Die Weibel
ließen sein Gefolge auf dem Platze halten; ihn selbst führten sie zu
Cyrus. Sobald er diesen erblickte, redete er ihn also an: „Herr, ich bin
von Geburt ein Assyrier, besitze eine starke Festung und beherrsche ein
großes Gebiet. Ich habe eine 2300 Mann zählende Reiterei, die ich dem
Könige von Assyrien zu stellen pflegte, und war diesem aufs innigste
befreundet. Da er nun nach tapferer Gegenwehr von eurer Hand gefallen ist, und sein Sohn, mein größter Feind, die Regierung angetreten
hat, so komme ich zu dir und werfe mich schutzflehend vor dir nieder.
Ich übergebe mich selbst dir zum Knechte und Bundesgenossen; dich
aber bitte ich, mein Rächer zu werden, und mache dich, soweit es sein
kann, zu meinem Sohne. Ich bin ohne männliche Nachkommenschaft.
Den einzigen Sohn, den ich hatte, einen trefflichen Jüngling, o Herr,
der mich liebte und ehrte, wie nur immer ein Sohn seinen Vater durch
Ehrerbietung beglücken kann, hat der jetzige König (mir getötet). Diesen
meinen Sohn berief der vorige König, der Vater des jetzigen, (zu sich),
um ihm seine Tochter zu geben, und ich, ach! stolz darauf, meinen Sohn
mit einer Königstochter vermählt zu sehen, schickte ihn hin. Der jetzige
König lud ihn ein zu einer Jagd; und weil er sich für einen weit besseren
Reiter hielt, als ihn , so gestattete er ihm, nach Leibeskräften zu jagen.
Mein Sohn dachte nicht anders, als mit einem Freunde auf der Jagd
zu sein. Wie nun ein Bär sich zeigte, setzten beide ihm nach. Dieser
jetzige Herrscher schleuderte den Wurfspieß und – ach! daß es nicht
geschehen wäre! – fehlte. Leider warf nun mein Sohn und streckte den
Bären nieder. Darüber war er denn ärgerlich, wußte jedoch seinen Groll
verborgen zu halten. Als später ein Löwe aufstieß, fehlte er wieder: ein
Schicksal, denk' ich, das nichts Auffallendes hat; und unglückseligerweise war es wieder mein Sohn, der den Löwen erlegte, und ausrief:
>Zwei Würfe nach einander und mit jedem das Tier niedergeworfen!<
Da konnte der Ruchlose seinen eifersüchtigen Grimm nicht mehr
zurückhalten, sondern riß einem aus dem Gefolge die Lanze aus der
Hand und streckte meinen einzigen geliebten Sohn durch einen Stoß
in die Brust tot nieder. Und ich Unglücklicher brachte einen Toten statt
eines Bräutigams nach Hause und mußte in diesen meinen (alten) Tagen
den besten, heißgeliebten Sohn, als er gerade in das Mannesalter trat,
begraben. Der Mörder aber, als hätte er einen Feind beseitigt, hat weder
je eine Spur von Reue gezeigt, noch den, der jetzt unter der Erde ruht,
40
Belshazzar ƒ Gobryas
und für seine schwarze That irgend einer Ehre gewürdigt. Sein Vater
bemitleidete mich und bezeigte mir offen seine herzliche Teilnahme
an meinem Unglück. Wenn er noch lebte, würde ich nimmermehr mit
schlimmen Gedanken gegen ihn zu dir gekommen sein: denn ich habe
viel Freundliches von ihm genossen und bin ihm stets ein treuer Diener
gewesen. Nachdem jedoch die Herrschaft an den Mörder meines
Sohnes übergegangen ist, so wäre es mir nimmer möglich, ihm zugetan
zu sein; und ich weiß es nur zu gut, daß auch er mich nimmermehr für
seinen Freund halten würde: denn er weiß, wie ich gegen ihn gesinnt
bin, und wie ich früher des Lebens mich freuend, nun dastehe, einsam
und meine alten Tage in Trauer hinschleppend. Wenn du nun mich aufnehmen wolltest und ich einige Hoffnung fassen könnte, meinen Sohn
mit deiner Hilfe zu rächen so würde ich wieder aufzuleben glauben, und
würde weder des Lebens länger mich schämen, noch dem Tode, wenn
er kommt, mit Unlust entgegensehen.“
So sprach er. Cyrus aber erwiderte: Wenn sich das, was du sagst,
auch als deine wirkliche Gesinnung gegen uns erweist, so nehme ich
dich in meinen Schutz und verspreche dir, mit der Götter Hilfe an dem
Mörder deines Sohnes dich zu rächen. Sage mir aber, wenn wir das
thun und dich im Besitze deiner festen Plätze, sowie deines Gebietes
und deiner bisherigen Macht lassen, welche Gegendienste wirst du uns
leisten?“ – Gobryas antwortete: „Die festen Plätze werde ich dir, wenn
du kommst, zur Wohnung geben; die Abgaben aus meinem Gebiete, die
ich seither entrichtet habe, dir entrichten und, wohin es auch sei, auf
deinen Feldzügen dich mit der Streitmacht meines Landes begleiten.
Ich habe auch eine Tochter, eine liebenswürdige Jungfrau, reif zur Ehe.
Früher glaubte ich sie dem jetzigen Könige zur Gemahlin zu erziehen.
Nun aber hat sie mich unter Thränen flehentlich gebeten, sie doch nicht
dem Mörder ihres Bruders zu geben, und ich denke ebenso. Jetzt übergebe ich (sie) dir (mit der Bitte), auch gegen sie dieselbe Gesinnung zu
hegen, welche ich gleichfalls gegen dich an den Tag lege.“ – Da sprach
Cyrus: „Ist dem so, so gebe ich dir darauf meine Rechte und nehme die
deine. Mögen die Götter uns Zeugen sein!“
Zum Schlusse der Verhandlung entließ er den Gobryas, ohne ihm die
Waffen abzunehmen, und, weil entschlossen, nachzukommen, fragte er,
wieweit er nach Hause habe. Die Antwort war: „Wenn du morgen in der
Frühe dich aufmachst, so kannst du übermorgen bei uns übernachten.“
[…]
Was ihnen [den Persern in der Stadt Babylon] in den Weg kam, wurde
zum Teil niedergestoßen; einige flüchteten sich in die Häuser, andere
machten Lärm, und die Leute des Gobryas lärmten mit, als gehörten
41
Belshazzar ƒ Gobryas
Strom
Wasser
Abwasser
Abfall
Telekommunikation
Krematorium
Bäder
Wärme-Contracting
auch sie zu den Nachtschwärmern. So gelangten Sie aufs rascheste
vordringend, an den Palast. Die dem Gobryas und Gadatas zugeteilte
Mannschaft fand die Thore des Palastes verschlossen; die gegen die
Wache bestimmte Abteilung aber fiel über dieselbe her, wie sie eben
bei heller Beleuchtung tranken, und zeigte ihnen sogleich den Feind.
Bei dem Geschrei und Getöse, das entstand, wurde der Lärm drinnen
vernommen, und auf den Befehl des Königs, nachzusehen, was an der
Sache sei, öffneten sich die Thore und einige rannten heraus. Kaum
aber sahen die Leute des Gadatas die Thore sich auftun, so stürzten sie
hinein, folgten den Zurückfliehenden im Rücken und machten sich unter
Säbelhieben Bahn bis zum Könige. Sie trafen ihn, bereits aufgestanden
und den Dolch, den er trug, in der Hand gezückt, die Übermacht unter
Gadatas und Gobryas erdrückte ihn. Auch die um ihn waren, fielen, der
eine sich irgendwie zu decken suchend, der andere auf der Flucht, wieder ein anderer sich so gut er konnte zur Wehr setzend. f
aus: Xenophon, Kyropaedie,Stuttgart 1854
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43
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
Belshazzar,
eine geistliche Oper
von Jan Assmann
Händels Belshazzar ist bekanntlich keine Oper, sondern ein Oratorium,
gehört also eigentlich nicht auf die Opernbühne, sondern in den
Konzertsaal oder die Kirche. So könnte man denken, aber genau das
stimmt nicht. Belshazzar ist eigentlich, von der inneren Form her, eine
Oper, und nur äußere Umstände sind daran schuld, dass sie nicht als
solche aufgeführt werden konnte. Der Blasphemy Act von 1605 verbot
die szenische Aufführung biblischer Stoffe und ließ in Kirchen keine
weltliche Musik zu. So ergab sich das Oratorium als Kompromiss, das
zwar im Theater (und nicht in der Kirche), aber nur konzertant (und
nicht szenisch) aufgeführt wurde. Was Händel daraus macht, ist eine
vollgültige Oper, die in konzertanter Aufführung gar nicht verständlich
ist, so dass das Textbuch lange Bühnenanweisungen enthält, damit
das Publikum sich die Handlung zumindest vorstellen kann. Heute sind
diese äußeren Umstände weggefallen und nichts hindert mehr daran,
Belshazzar in der Weise aufzuführen, die seiner inneren Form entspricht.
Belshazzar ist eine Oper, genauso gut wie Nabucco.
Das dramatische Oratorium als geistliche und nationalsprachliche Oper
ist Händels ureigenste Schöpfung. Nach 35 Jahren einer überaus fruchtbaren und erfolgreichen Wirksamkeit als italienischer Opernkomponist
stand Händel zwar auf der Höhe seines europäischen Ruhmes, aber vor
leeren Häusern. Fast müsste man dem Londoner Publikum dankbar sein
für sein nachlassendes Interesse an italienischen Opern, denn dadurch
wurde Händel zu dieser Neuorientierung seines Schaffens gezwungen. Aber man muss vor allem Händel bewundern, dass er sich vom
Desinteresse des Publikums nicht entmutigen, sondern im Gegenteil
anregen ließ zu dieser genialen Neuschöpfung. Mit dem Umstieg von der
italienischen Oper zum englischen Oratorium wandelte sich Händel auch
musikalisch vom Italiener zum Engländer. Die Zeitgenossen empfanden
Händels neuen Stil als „sublime“ und „nervous“, also erhaben und kraftvoll. Dieser neue Stil verdankt sich aber nicht nur der musikalischen,
sondern auch der religiösen Tradition. Anders als in anderen Ländern
herrschte in England eine Staatsreligion: die anglikanische Kirche. Das
bedeutet, dass kirchliche und nationale Semantik und Symbolik hier
zu einer Einheit verschmolzen. Kirchenfeste waren Staatsaktionen und
Staatsaktionen wurden kirchlich gerahmt und begangen. Dieser nationalpolitische Charakter der Religion wirkt sich auch auf das Oratorium
aus. In den Bach’schen Passionen und Kantaten ist es ganz eindeutig,
in pietistischer Tradition, die fromme Seele, die mit ihrem inneren
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Nachvollzug und ihrer spirituellen Meditation und Reflexion der religiösen Ereignisse und Themen den Mittelpunkt bildet. Bei Händel geht
es um die Protagonisten der biblischen Geschichte und das Volk in
Gestalt des Chores. Die Oratorien boten dem Publikum daher ein doppeltes Identifikationsziel: individuell mit den Protagonisten und kollektiv
mit dem jüdischen Volk. So etwas war weder in der Oper noch in den
Oratorien deutscher und italienischer Tradition möglich und erklärt die
überwältigende Wirkung der Händelschen Oratorien. In England speiste
sich das Nationalbewusstsein aus dem Alten Testament, im Gegensatz
zu Frankreich und Spanien, auf dessen Thronen allerchristlichste und
allerkatholischste Majestäten saßen. Mit seinen alttestamentlichen
Stoffen und seinen englischsprachigen Texten war Händels dramatisches Oratorium eine viel politischere Gattung als die italienische Oper
und das traditionelle Oratorium.
Belshazzar ist 1744 entstanden und steht ungefähr in der Mitte von
Händels Oratorienschaffen. Der Text stammt von Charles Jennens,
der auch die Libretti zu Israel in Ägypten, Messias und Saul geschrieben hatte. Den Stoff bezog er aus dem 5. Kapitel des Buches Daniel,
das er um Material aus den Propheten Jesaja und Jeremia sowie aus
Herodot und Xenophons Kyrupaideia ergänzte. Daniel gehört zu den
Prophetenbüchern, ist aber wie die Josephsgeschichte und Esther
ein „Diaspora-Roman“. Darin geht es um den märchenhaften Aufstieg
und die heroische Bewährung eines Juden im heidnischen Ausland.
Joseph bringt es in Ägypten zur rechten Hand des Pharao, Esther
wird die Gemahlin des persischen Großkönigs Ahasveros und Daniel
bewährt sich als Traumdeuter, Ratgeber, und wird schließlich sogar
zum Reichsfürsten eingesetzt. Daniel gehört aber auch zur Gattung
der Apokalyptik. Das griechische Wort apokalypsis heißt wörtlich
„Entschleierung“. Von der Zukunft wird der Schleier abgezogen und
einem Propheten der Blick auf eine alles wendende Heilszeit oder das
Weltende freigegeben.
Daniel besteht vorwiegend aus Visionen, von denen vor allem zwei
einen ausgeprägt apokalyptischen Charakter zeigen. Die eine steht
im zweiten, die andere im siebten Kapitel. Sie kommen im Text des
Oratoriums nicht vor, grundieren aber seine Stimmung. Die erste
Vision ist ein Traumgesicht König Nebukadnezars, das nur Daniel
erraten und deuten kann. Es handelt sich um die berühmte Vision der
Kolossalstatue, die aus vier Metallen, Gold, Silber, Kupfer und Eisen
zusammengesetzt ist und auf Füßen aus Eisen und Ton steht; sie wird
von einem Stein zermalmt, der lawinenartig zu einem die ganze Welt
erfüllenden Berg anwächst. Daniel deutet das Gesicht als Abfolge von
vier Weltreichen. Nebukadnezars Reich stellt das erste, das Goldene,
dar. Danach kommen drei andere Reiche von abnehmender Qualität,
45
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
B A r O C K E F E S T TA g E ’ 0 8
Von 14. bis 23. Oktober
ReN é JacoBs
Orfeo ed
Euridice
dirigiert
ch. W. Gluck
Premiere: 14. 10. 2008, 19.30 Uhr
Konzerte
Aufführungen: 16. / 19. / 21. / 23. 10. 2008
regie: Stephen Lawless | Bühne: Benoît Dugardyn
Bejun Mehta, Miah Persson, Sunhae Im | Freiburger Barockorchester
Farinelli & Friends | 15. 10., 19.30 Uhr
Stefano Molardi | I Virtuosi delle Muse | Max Emanuel Cencič
Bachs „Hohe Messe“ | 18. 10., 19.30 Uhr
Ton Koopman | Amsterdam Baroque Orchestra & Choir
Barocker Norden | 20. 10., 19.30 Uhr
Akademie für Alte Musik Berlin | Sandrine Piau
Bach & Händel | 22. 10., 19.30 Uhr
Harry Bicket | The English Concert | David Daniels
von denen das letzte gemischt und zerteilt ist. Das bezieht sich eindeutig auf das unter den Diadochen aufgeteilte Alexanderreich, so dass
mit den drei vorhergehenden Reichen das babylonische, medische und
persische gemeint sein müssen. Der die Welt ausfüllende Berg, der alle
vorhergehenden Reiche zerstört, wird als das Reich Gottes gedeutet:
„aber zuletzt wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird.“
Im 7. Kapitel schaut Daniel in einem Traumgesicht vier Tiere, die aus
dem Meer aufsteigen: ein Löwe mit Adlersflügeln, ein Bär, ein Panther
und ein Tier mit 10 Hörnern, aus denen dann ein elftes ganz besonders
schreckliches und gewalttätiges Horn hervorgeht. Wieder sind die vier
Reiche gemeint. Die zehn Hörner sind zehn Könige des Seleukidenreichs,
das elfte aber kann sich nur auf Antiochus IV. Epiphanes beziehen, der
es wie in den Makkabäerbüchern nachzulesen ganz besonders schlimm
getrieben hat: er soll den Tempel entweiht, den Tempelschatz mit den
heiligen Gefäßen geraubt und die Ausübung der jüdischen Religion
bei Todesstrafe verboten haben. Die Weissagungen der Zukunft im
Danielbuch sind so präzise, dass man seine Entstehung auf das Jahr
165 v. Chr. festlegen kann. In der Legende vom gotteslästerlichen
Festmahl des Belsazar mit den heiligen Gefäßen der Juden hat man ein
Porträt des Tempelschänders und Plünderers Antiochus zu erblicken.
In der christlichen Tradition hat man das vierte Tier auf das römische
Reich und das 11. Horn auf den Antichrist bezogen, dessen Auftreten
dem Weltende und der Aufrichtung des Gottesreichs unmittelbar vorausgehen soll. Da man zwar das Gottesreich, aber nicht unbedingt
den Antichristen und den Weltuntergang herbeisehnen konnte oder
wollte, hat man versucht, das römische Reich in Form der Konstruktion
des „heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ so weit wie
irgend möglich auszudehnen. Das Abendland bezog daher seinen
wichtigsten Deutungsrahmen aus der apokalyptischen Weltsicht des
Danielbuches, indem es versuchte, sich im letzten der vier Reiche auf
möglichst lange Sicht einzurichten. Aber gerade für die Legende vom
Festmahl des Balsazar und der Schrift an der Wand ist der Bezug auf
die Entstehungszeit des Textes, die historische Situation des Jahres
165 v. Chr. bedeutungsvoll. Das 5. Kapitel des Danielbuchs bildet eine
selbständige Novelle für sich. Die Legende ist vor allem durch Heines
Ballade bekannt, die sie in wunderbarer Prägnanz nacherzählt. Das
einzige Motiv des biblischen Textes, das Heine weglässt, das aber in der
biblischen Erzählung zentral ist, ist der Auftritt Daniels, der als einziger
die Schrift lesen kann. Wie Heines Ballade schließt auch die biblische
Belsazar-Legende: „Aber in derselben Nacht wurde Belsazar, König der
Chaldäer, getötet.“ Der ganze politische Rahmen dieses Ereignisses, die
Eroberung Babylons durch Kyros und die Befreiung der Juden aus der
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Belshazzar ƒ Geistliche Oper
babylonischen Gefangenschaft, fehlt bei Daniel. Kein Wort von Krieg,
Belagerung, Eroberung. Die Belsazar-Legende ist eine Novelle, die ebenso wie Heines Ballade mit den historischen Ereignissen des Jahres 539
kaum in Beziehung steht.
Diese Lücke schließt Jennens in seiner Dramatisierung der Legende.
Er ergänzt das Personarium – Belsazar, die Festgesellschaft, die
Wahrsager und Daniel – um drei entscheidende Protagonisten: Kyros,
den Eroberer, Nitocris, die Mutter des Belsazar und Gobryas, nach
Herodot ein persischer General, der von den Babyloniern zu den
Persern übergelaufen ist. Den Handlungsrahmen bildet nun in der Tat
der Übergang der Weltherrschaft von den Babyloniern zu den Persern.
Die Nacht des Festmahls ist die Nacht, in der Babylon von Kyros erobert
wird. Diese Eroberung ist zugleich eine Befreiung. Die Juden werden
aus der fünfzigjährigen babylonischen Gefangenschaft und das babylonische Volk von einem Tyrannen befreit. So mag sich wohl auch George
W. Bush seine Rolle im Irak gedacht haben.
Das Oratorium gliedert sich in drei Akte und zehn Szenen. Die erste
Szene spielt im Königspalast in Babylon. Wie eine Opera seria beginnt
das Oratorium mit einem Recitativo accompagnato. Wir sehen und
hören Nitocris über Aufstieg und Fall der Reiche meditieren. Damit wird
gleich zu Anfang das Hauptthema des Danielbuches, der Übergang der
Weltherrschaft von einem auf das andere Reich, angeschlagen. Aus
der apokalyptischen Vision des Weltendes ist hier aber eine melancholische Reflexion über die Wandelbarkeit der Welt im Auf und Ab
der Geschichte geworden. Nitocris hat den Lauf der Geschichte durchschaut und weiß, dass die Stunde des babylonischen Reiches geschlagen hat. Ihr Accompagnato geht über in ein Gebet an den höchsten
Gott, den einzig ruhenden Pol in einer instabilen Welt. Jennens hat die
Gestalt der Nitocris aus Herodot gewonnen, der sie als eine überaus
aktive, klug planende Königin schildert. Den babylonischen Quellen ist
sie unbekannt. Es spricht aber nichts dagegen, dass sie die Gemahlin
des Nabonid und damit Belsazars Mutter war. Nach ihrem Namen zu
schließen muss es sich um eine gebürtige Ägypterin handeln. Belsazar
war Kronprinz und vertrat den König während dessen Abwesenheit in
Arabien. So wird tatsächlich er, und nicht Nabonid der Gegenspieler
des Kyros bei der Eroberung Babylons gewesen sein.
Die zweite Szene spielt vor den Mauern Babylons, von denen herab die
Babylonier ein Spottlied auf Kyros singen. Sie fürchten die Belagerung
nicht, denn sie haben sich auf viele Jahre mit Vorräten eingedeckt.
Das steht so bei Herodot. Die Stadt kann nur mit List genommen werden, und Kyros entdeckt Gobryas ein Traumgesicht, in dem ihm eine
göttliche Stimme selbst den Weg gewiesen habe. Er soll den Euphrat
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Belshazzar (Kenneth Tarver), Nitocris (Rosemary Joshua)
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
zum versiegen bringen, das Gottesvolk befreien und die Gottesstadt
– Jerusalem – wieder aufbauen.
Gobryas (bab. Ugbaru, altpersisch Gaubaruva) ist eine historische
Figur, die auch aus babylonischen Quellen bekannt ist. In seiner ersten
Arie beklagt er den Tod seines Sohnes, den Belsazar aus Neid ermordet habe (dies Motiv entnimmt Jennens Xenophon), in seiner zweiten
vergleicht er die Betrunkenen beim Fest des Sesach mit monströsen
Tieren. Dieses Fest steht für die kommende Nacht an: Trunkenheit ist
dann religiöse Pflicht. So wird der Plan gefasst, den Euphrat umzulenken (wie es bei Herodot steht) und auf dem trockenen Flussbett in die
Stadt einzudringen, deren eiserne Tore in der Festnacht nicht bewacht
sein werden. Kyros beschließt das Gespräch mit einem Gebet an den
Grossen Gott, der ihm diesen Plan eingegeben hat, ganz im Stil der Arie
der Nitocris, die ja auch ein Gebet an denselben Gott darstellt. Beide
sind im den Zuhörer auf einen Zusammenhang aufmerksam machen:
Nitocris und Kyros sind zwei gleichen Takt und Tempo – ¾, Largo – und
beginnen auftaktig mit einer sehr ähnlichen aufsteigenden und wieder
abfallenden Figur. Dieser Anklang soll auf einen Zusammenhang aufmerksam machen: beides sind heidnische Figuren, die von der Größe
des jüdischen Gottes erfasst sind: Kyros, den sich Gott zum Werkzeug
erwählt hat, um sein Volk aus der babylonischen Gefangenschaft zu
befreien, und Nitocris, die sich von Daniel zum wahren Gott hat bekehren lassen. Beide antworten auf diesen Anruf in der gleichen Weise.
Die dritte Szene spielt in Daniels Haus. Daniel liest im Beisein einer
Gruppe jüdischer Landsleute in den Propheten Jeremia und Jesaja und
preist die Wahrheit der Bibel. Dann liest er ihnen den Anfang des 45.
Kap. des Jesaja vor. Jennens übernimmt diesen Text ziemlich wörtlich
und hängt dann noch die Verse an, die bei Jesaja das Ende des 44.
Kap. bilden: „Der zu Kyrus sagt: Mein Hirt – alles, was ich will, wird
er vollenden!, der zu Jerusalem sagt: Du wirst wieder aufgebaut werden!, und zum Tempel: Du wirst wieder dastehen.“ Händel komponiert
dieses Zitat im Stile Purcells: über einem sich ständig wiederholenden
„ground“ bewegen sich in freier Variation die anderen Instrumente und
die Singstimme. Jesaja lässt Gott Kyros als den „Gesalbten“, also
Messias verkünden und sagen: „Ich bin der Herr, und sonst niemand;
außer mir gibt es keinen Gott.“ Monotheismus und Weltgeschichte
gehören zusammen: es gibt nur einen Gott, und er ist der Gott des
Kyros wie des Jesaja, der Gott Daniels, der Belsazar stürzen wird. Die
vierte Szene dieses überlangen ersten Akts spielt in Belsazars Palast.
Belsazar und Nitocris verhandeln über das anstehende Fest. Belsazar
fasst den Gedanken, die jüdischen Kultgefäße zu verwenden. Nitocris
und der Chor der Juden versuchen vergeblich, ihn von diesem Plan
abzubringen.
50
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
Die erste Szene des II. Akts versetzt uns wieder in das Lager des
Kyros vor der Stadt. Inzwischen ist der Euphrat gesunken und die Perser
machen sich auf, in die Stadt einzudringen. Die zweite Szene führt
dann die Handlung auf den dramatischen Höhepunkt und umfasst nicht
weniger als 11 Nummern. Die Babylonier singen ein Trinklied, Belsazar
stimmt ein und lässt sich dann im folgenden Rezitativ zur Lästerung des
jüdischen Gottes hinreißen. Darauf erscheint die Schrift an der Wand, zu
seinem und zu des Chores Entsetzen. Den Akt des Schreibens gestaltet
Händel durch staccato und pianissimo gespielte Figuren der unisono
geführten Violinen. In der ersten dieser Figuren tastet sich die Phrase
in repetierten Achteln chromatisch nach oben. Es ist eine Figur ohne
erkennbaren melodischen Sinn, was die Rätselhaftigkeit des Vorgangs
und die Unverständlichkeit der Schrift ausdrücken soll. Auch die pianissimo gesungene Reaktion des Chores malt das Entsetzen, das allen in
die Glieder gefahren ist. Noch zweimal meldet sich die geheimnisvolle
Geigenschrift, tastend, staccato, pianissimo. Belsazar lässt die Weisen
herbeirufen, deren Ankunft Händel mit dem von Telemann übernommenen Postillion-Allegro darstellt. Aber auch sie können die Schrift
nicht deuten. Schließlich wird Daniel gerufen. Der kann die Schrift nicht
nur lesen, sondern auch deuten: mene mene teqel u-pharsin ist eine
Aneinanderreihung von Gewichtmaßen für Gold und Silber. Mene kennen
wir als „Mine“, teqel ist in der Form „schekel“ bekannt und pharsin ist
Plural von ph’res, was wohl eine halbe Mine bezeichnet. Händel lässt
Daniel die Rätselworte Adagio und mit stark gelängter erster Silbe
lesen. Die Deutung erfolgt dann Allegro moderato in einem pathetischen
Accompagnato: Gezählt, die Tage des Reichs, gewogen und zu leicht
befunden: Belsazar, aufgeteilt: das Reich unter die Meder und Perser.
Nitocris beschwört den Sohn in einem wunderschönen Siciliano, zu
bereuen und den Gott, den er gelästert hat, um Vergebung zu bitten.
Szenenwechsel: Kyros, Gobryas, die Perser. Kyros singt ein feierliches
Dankgebet, die Perser beglückwünschen ihn militärisch mit Pauken und
Trompeten.
Der dritte Akt beginnt wie der erste mit einem großen Monolog, einem
Arioso der Nitocris, die von Schmerz und Hoffnung zerrissen ist. Ein
Bote bringt die Nachricht, dass die Perser in den Palast eingedrungen
sind. Der Chor der Juden kommentiert die Nachricht mit einem Vers aus
Jesaja 46,1 „Bel bricht zusammen, Nebo ist gefallen“, ähnlich Jeremia
50.2: „Babel ist genommen, Bel ist zuschanden, Merodach ist zerschmettert.“ In der 2. Szene sehen wir Belsazar sich Mut antrinken zum
hoffnungslosen Widerstand. Der Kampf wird instrumental dargestellt
als „martial symphony“ und ist bald vorüber. Die Schlussszene beginnt
mit einem wundervollen Dankgebet des Gobryas und endet mit dem
allgemeinen Dankgebet von Chor und Solisten, in einem himmlischen
51
Belshazzar ƒ Geistliche Oper
Frieden ausstrahlenden A-Dur, wofür Händel den ersten Satz seiner
Trio-Sonate op. 5 Nr.1 verwendet hat.
Belshazzar ist die dramatischste aller Händelschen Oratorien. Die
Handlung ist auf einen Tag konzentriert, der Schauplatz auf Babylon im
spannenden Wechsel von drinnen und draußen, und das Ereignis, um
das es geht, die Einnahme Babylons durch Kyros im Jahre 539 v.Chr.
ist von welthistorischer Bedeutung. Es ist das einzige geschichtliche
Ereignis, von dem wir durch biblische, griechische, babylonische und
persische Quellen unterrichtet sind, das einzige, das gleichermaßen
bedeutend war für die heilige und die profane Geschichte. Dass Kyros
im Jesaja-Buch, und zwar bei Deuterojesaja, eine so bedeutende
Rolle spielt, ja sogar als der „Gesalbte des Herrn“, also als Messias,
bezeichnet wird, ist höchst erstaunlich. Kyros ist der eine Punkt, in dem
Heilsgeschichte und Weltgeschichte zusammenfallen. Jennens hat das
großartig erkannt, indem er die Belsazar-Legende des Danielbuchs
nicht nur um die Kyros-Prophezeiungen bei Jesaja und Jeremia sondern auch um die Darstellung derselben Ereignisse in den griechischen
Quellen erweiterte. Er hatte recht, diesen Stoff zu dramatisieren,
Händel hatte recht, von Jennens Libretto begeistert zu sein und jedes
Opernhaus hat recht, diesem Oratorium endlich die Szene zu geben, auf
die es in jeder Weise angelegt ist. f
Jan Assmann
wuchs in Lübeck und Heidelberg auf und studierte Ägyptologie, Klassische
Archäologie und Gräzistik in München, Heidelberg, Paris und Göttingen. 1966/1967 erhielt er
ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts und war von 1967 bis 1971 als
freier Mitarbeiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo als Stipendiat der Deutschen
Forschungsgemeinschaft beschäftigt. 1971 habilitierte er sich und war von 1976 bis zu seiner
Nitocris (Rosemary Joshua), Chorsolisten (Andrew Radley,
Emeritierung 2003 Professor für Ägyptologie in Heidelberg, seither ist er Honorarprofessor für
Richard Wilberforce, Andew Davies) und Chor
allgemeine Kulturwissenschaft an der Universität Konstanz.
Als Kulturwissenschaftler entwickelte Jan Assmann mit seiner Frau Aleida Assmann zusammen die Theorie des „kulturellen Gedächtnisses“ und wurde international bekannt. Über den
engeren ägyptologischen Kreis hinaus bekannt wurde er durch seine Deutung der Entstehung
des Monotheismus. Er veröffentlichte u.a. die Bücher Das kulturelle Gedächtnis, Religion und
kulturelles Gedächtnis, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa,
Die Mosaische Unterscheidung oder Der Preis des Monotheismus und Monotheismus und die
Sprache der Gewalt.
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Belshazzar ƒ Händel - Favoriten der Festwochen
Belshazzar ƒ Händel - Favoriten der Festwochen
Händels Opern und Oratorien:
Favoriten in den Festwochenprogrammen
von Jutta Höpfel
Seit Gründung der Innsbrucker Festwochen vor 31 Jahren spielt der
große Barockvollender Georg Friedrich Händel mit seinen Opern und
Oratorien in den Programmen eine Favoritenrolle. Die eindrucksvollen
Händel-Aufführungen von 1977 bis heute ergeben eine imponierende
Werkschau, 2008 noch bereichert um den Belshazzar und konzertante
Kostbarkeiten. Hier sei an frühere markante Händel-Erlebnisse erinnert.
Schon in der ersten „Festwoche der Alten Musik 1977“ erlebte man die
arkadische Schäfer- und Nymphen-Serenade Acis and Galatea von 1708
des damals erst 23jährigen Händel. Aus dem kammermusikalischen
Rahmen des Spanischen Saales war man erstmals ausgezogen, um in der
historischen Dogana größere Werkformen aufführen zu können. Über das
Oratorium sollte später der Weg zur Oper führen. Die junge Festwoche
war damals freilich von szenischen Aufführungen noch weit entfernt. Prof.
Otto Ulf hatte keinen Geringeren als John Eliot Gardiner gewonnen, der
die ersten Festwochenjahre prägte und diese konzertante Aufführung in
Spitzenbesetzung überaus temperamentvoll leitete. Gardiners Londoner
Monteverdi Orchestra (später Baroque Soloists genannt) musizierte
auf Anraten Prof. Ulfs hier erstmals auf historischen Instrumenten, was
Gardiner selbst begeisterte und seine Karriere als Barock-Maestro nicht
unwesentlich förderte. Nicht minder fasziniert war das Publikum vom perfekten Monteverdi Choir und den stilkundigen Solisten Norma Burrowes,
Nigel Rogers, Martyn Hill und Williard White, dem dunkelhäutigen Bass in
der Rolle des Polyphem. Genau 30 Jahre später, im Jubiläumsjahr 2007,
kehrten Acis and Galatea als szenische Oper wieder, diesmal im Tiroler
Landestheater geleitet von Lars Ulrik Mortensen.
Drei Jahre dauerte die glückhafte Verbindung der Innsbrucker Festwoche
mit John Eliot Gardiner (damals noch nicht „Sir“) und seinen lebendigen Händel-Interpretationen. 1978 galten sie dem Oratorium Israel in
Ägypten und der frühen Kantate Dixit Dominus; 1979 machte uns der
Dirigent mit dem interessanten „philosophischen“ Oratorium L’Allegro,
il Pensieroso, ed il Moderato bekannt.
Mit der 1980 im Tiroler Landestheater zum Leben erweckten szenischen
Barockoper begann eine neue Ära der Innsbrucker Festwochen, die damit
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auch an Innsbrucks historische Operntradition anknüpften. Hatte man
1980 und 1981 mit Monteverdis L’Incoronazione di Poppea und Landis Il
Sant’Alessio zunächst Beispiele der früh-venezianischen und römischen
Oper kennen gelernt, so bildete 1982 die erste szenische Händeloper
Ariodante mit ihrem üppig besetzten Orchester (Il Complesso barocco)
dazu einen markanten Gegensatz. Der Dirigent war in diesen ersten
Opernjahren der Amerikaner Alan Curtis; Shirley Wynnes choreographisch inspirierte Regie, die auch ein barockes Tanzensemble einbezog und aus alten Handschriften überlieferte „getanzte Arien“ auf die
Bühne brachte, setzte die szenischen Akzente. Im Ensemble stach der
Amerikaner Jeffrey Gall als Countertenor mit brillanten Koloraturen und
ungemein eleganter, „barocker“ Bewegungskunst hervor.
In Italien hatte der junge Händel, der damals auf Einladung des Fürsten
Ferdinando de’Medici in Florenz weilte 1707 seine erste italienische
Oper Rodrigo geschrieben und im dortigen Teatro Cocomero herausgebracht; sie trug den Untertitel Vincer se stesso è la maggior Vittoria
(Sich selbst besiegen ist der größte Sieg). Das Werk galt als verschollen,
bis Alan Curtis, nach John Eliot Gardiner der zweite wichtige Maestro
der Innsbrucker Händelpflege, fehlende Teile der Oper in US-Archiven
aufstöbern und sie damit aufführungsreif ergänzen konnte. 1984, quasi
am Vorabend des Händeljahres, als man in aller Welt den 200.Geburtstag
des Komponisten feierte, konnte Innsbruck den Trumpf ausspielen,
dank Curtis’ Forschungsarbeit eine verschollene Händeloper erstmals
in neuer Zeit wieder auf die Bühne zu bringen: eine musikgeschichtliche
Sensation! Mit Gloria Banditelli in der Titelrolle war dem Rodrigo denn
auch ein prächtiger Erfolg beschieden. Man erkannte sogleich, dass
schon beim jungen Opernkomponisten Händel der dramatische Instinkt,
das Formgefühl und der musikalische Geistesblitz fertig ausgebildet war,
wie man dann später andererseits darüber staunte, dass in den Oratorien
der Reifejahre das dramatische Feuer der Jugend immer noch loderte.
Nach John Eliot Gardiner und Alan Curtis trat 1989 René Jacobs als
dritter berufener Händel-Operndirigent auf den Plan und setzte mit
dem prächtigen Flavio, Re de’Langobardi von 1723 neue Maßstäbe,
die auch durch die kluge Regie von Christian Gangneron und die vom
Renaissancebaumeister Giulio Romano inspirierte Bühne von Thierry
Leproust mitbestimmt wurden. Das Genfer Ensemble 415 als Orchester
und ein exzellentes Sängerteam mit Jeffrey Gall in der Titelrolle, Lena
Lootens, Gloria Banditelli und Countertenor Derek Lee Ragin verhalfen
der Barockoper mit bravourösen Koloraturarien zu neuem Triumph.
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Belshazzar ƒ Händel - Favoriten der Festwochen
www.innsbruck.info
Naturerlebnis und Kulturgenuss
Innsbruck und seine Feriendörfer
Als Engländer mit Nahverhältnis zum Wahlengländer Händel wählte
Howard Arman 1991 im Team mit Regisseur Dominique Mentha und
Bühnenbildner Werner Hutterli Händels späte Oper Serse von 1738
und folgte dabei auch dem Trend zu neuen szenischen Konzepten.
Einprägsam die nahezu abstrakte blaue Bühne, durchschnitten von
einem blutroten Teppich, auf dem der junge Countertenor Timothy
Wilson in seinen Arien die entfesselte Emotionalität des Perserkönigs
Xerxes in höchsten Lagen zum Ausdruck brachte. Im gleichen Jahr leitete Christian Kluttig aus Händels Heimatstadt Halle in der Hofburg das
dramatische Oratorium Theodora. 1992 ließ Arman in der Dogana die
konzertante Oper Alcina von 1736 mit Akiko Nakajima in der Titelpartie
folgen und führte 1995 das Oratorium Israel in Egypt mit dem Salzburger
Bachchor, Concerto Köln und der famosen Sopranistin Soile Isokoski
auf. Die Akademie für Alte Musik Berlin und der RIAS-Kammerchor
huldigten unter der Leitung von Marcus Creed 1999 unserem Londoner
Meister im modernen Konzertsaal Tirol des Congress Innsbruck mit
einer engagierten Wiedergabe des Oratoriums Das Alexanderfest oder
Die Macht der Musik in Mozarts Bearbeitung.
Es war vor allem René Jacobs, der für die Öffnung des großen
Konzertsaales plädierte und dessen Eignung mit fulminanten
Aufführungen von Mozart, Haydn und Gluck bewies. Auch hinsichtlich
der Barockoper im Landestheater hat Jacobs immer wieder neue und
zeitgemäße Lösungen angestrebt. 1998 holte er das für seine fortschrittlichen Inszenierungen bei den Salzburger Festspielen bekannt
gewordene Ehepaar Ursel und Karl Ernst Herrmann für die HändelOper Semele, eine Coproduktion mit der Berliner Staatsoper Unter
den Linden. Die Arbeit der Herrmanns wurde ein Musterbeispiel für
Schönheit, Witz und Originalität einer modernen Operninszenierung.
Diese „Opera in the manner of an oratorio“ mit dem englischen Libretto
von William Congrave, uraufgeführt 1738 im Londoner King’s Theatre
am Haymarket, unterschied sich schon sprachlich von den italienischen
Opern Händels. In der Titelrolle lernte man die liebreizende Rosemary
Joshua kennen, der wir inzwischen mehrfach begegnet sind. Mit dem
bestechenden jungen Sängerensemble musizierte die Akademie für Alte
Musik Berlin und der erfahrene RIAS-Kammerchor unter den souverän
gestaltenden Händen des Festwochenchefs. Da gerieten die lyrische
Kantilene zu berückender Zärtlichkeit und Jupiters Blitze zur dramatischen Attacke.
Innsbruck Tourismus, Tel. +43-512-59 850, [email protected]
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Belshazzar ƒ Händel - Favorit der Festwochen
Im Jubiläumsjahr 2001, als die wehenden Fahnen in der Stadt den
25.Geburtstag der Innsbrucker Festwochen verkündeten, durfte Händel
im Programm nicht fehlen. Nach 16 erlebnisreichen Tagen sorgte
ein Spektakel besonderer Art für das Finale: Händels Music for the
Royal Fireworks, wie sie einst 1749 zum Vergnügen für King George II.
im Londoner Green Park anlässlich des Friedensvertrages von Aachen
erklungen war, beschloss mit einem prächtigen Feuerwerk im Hofgarten
zur Freude von 5000 begeisterten Besuchern die jubilierenden
Festwochen. Im Jahr darauf kam die Water Music zu Ehren. Vor allem
präsentierte René Jacobs 2002 wieder eine neue Händel-Oper im
Tiroler Landestheater: Rinaldo, eines der vielen Beispiele von Tassos
vertonter Dichtung „Gerusalemme liberata“, durch die aktuellen politischen und religiösen Konflikte im Nahen Osten ein durchaus zeitnaher
Stoff. Glanzvoll die Sängerschar mit Vivica Genaux in der Titelrolle,
Miah Persson, Inga Kalna und Lawence Zazzo als Protagonisten und
dem herrlichen Freiburger Barockorchester. Nigel Lowery und Amir
Hosseinpour gingen mit Regie, Ausstattung und Choreographie sehr
neue und ungewöhnliche Wege. Aus dem Sommer 2002 datiert zudem
eine unvergessene Aufführung von Händels letztem Oratorium Jephta,
das René Jacobs im Saal Tirol des Congress zu einem dramatisch
bewegenden Ereignis machte: mit dem exzellenten Tenor Kobie van
Rensburg in der Titelrolle, dem Orchestra of the Age of Enlightenment
und dem fabelhaften Clare College Choir Cambridge, den in einem
stupenden Sonderkonzert zu hören wir gerade kürzlich in der Hofkirche
wieder das Glück hatten.
Belshazzar ƒ Händel - Favorit der Festwochen
für King George II., Zadok The Priest und The King Shall Rejoice, die das
Programm in Stams anreichern. Dass es zudem in Ambras beim Konzert
mit dem poetischen Titel „Römisches Picknick“ noch Arkadische Duette
und andere Händel-Kantaten sowie Arrangements von Rinaldo-Arien
zu hören gibt und unser Favorit wohl auch beim Symposium über „Das
Oratorium im 17. und 18. Jahrhundert“ im Mittelpunkt stehen wird,
beweist auch im diesjährigen Programm die Bedeutung des vielbewunderten Georg Friedrich Händel für die Innsbrucker Festwochen. f
Nach sechsjähriger Pause setzt Jacobs nun 2008 mit Belshazzar wieder
einen Händel-Meilenstein: Dieses bedeutende Oratorium von 1744/45
wird zugleich durch die szenische Realisierung im Landestheater zum
Opernereignis, dessen alttestamentarischer Stoff – nachzulesen beim
Propheten Daniel – immense Dramatik für die Bühne besitzt. Händel
hatte zu dieser Zeit keine Opern mehr geschrieben, vielmehr seine
ganze Ausdruckskraft ab den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts in
die großartigen Oratorien seiner späten und reifsten Schaffensperiode
einfließen lassen. Keineswegs im Schatten des Bühnengeschehens,
sondern vielmehr diesem vorausgehend, steht im Eröffnungskonzert
der Festwochen in der Stiftskirche Stams Händels Dettinger Te Deum
für Solisten, Chor und Orchester auf dem Programm, ein Werk, das
auch in der Aufführungsgeschichte dem Belshazzar voranging, war es
doch 1743 in London zur Feier des englischen Sieges in der Schlacht bei
Dettingen zum erstenmal erklungen. Dazu passen die Krönungsanthems
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Belshazzar ƒ Zeittafel
Belshazzar ƒ Zeittafel
Zeittafel - Belshazzar (HWV 61)
552 bis 542 v. Chr. Nach biblischer Überlieferung (v. a. im Buch Daniel)
die Regierungszeit von Belsazar, König von Babylon. Nach seinem Tod
erbt der Meder Darius (nicht der Perserfürst Cyrus, wie beim Librettisten
Charles Jennens) das chaldäische Königreich.
550 v. Chr. Cyrus nimmt Ekbatana, die Hauptstadt des Mederreiches
ein. Cyrus verschmilzt Medien mit dem Perserreich. Gegen den Sieger
bilden Babylonien, Lydien in Kleinasien und Sparta eine Allianz. Der
lydische König Krösos greift den Perser an. Cyrus nimmt die Hauptstadt
Sardis ein und besiegt ihn, so dass der Weg nach Babylon frei ist.
539 v. Chr. Cyrus greift das babylonische Heer unter Nabonîd an und
ist siegreich. So beginnt der Untergang des letzten großen Reiches in
Mesopotamien.
538 v. Chr. Zeitpunkt der Handlung, die in und um Babylon, der
Hauptstadt der Assyrer, stattfindet.
Cyrus zieht mit einem friedlichen Triumphzug in Babylon ein. Unter seiner Herrschaft werden die verschiedenen Religionen wieder toleriert.
Davon profitieren auch die Anhänger des jüdischen Glaubens: ihnen ist
die Rückkehr nach Jerusalem nach fast 50 Jahren wieder gestattet.
1685 Am 23. Februar kommt Georg Friedrich Händel als Sohn des
Barbiers und Chirurgen Georg Händel am Hof des Herzogs von
Weißenfels und der Pastorstochter Dorothea Taust in Halle zur Welt.
Tod des englischen Königs Charles II. aus dem Hause Stuart und
Thronfolge durch seinen Bruder Jakob II. als römisch-katholischer
König von England, Schottland und Irland.
1688 Während der Glorious Revolution wird Jakob II. von Gegnern
abgesetzt und flieht zu Ludwig XIV. nach Frankreich.
1689 Maria II. aus dem Hause Stuart, die protestantische Tochter
von Jakob II., soll zusammen mit ihrem protestantischen Cousin und
Ehemann William III. über England, Schottland und Irland regieren.
Beide verpflichten sich in der Bill of Rights die in England üblichen
Rechte und Freiheiten zu respektieren.
1692 Händel beginnt seinen Musikunterricht bei Friedrich Wilhelm
Zachow.
1694 Königin Maria II. erkrankt tödlich an Pocken.
1700 Charles Jennens wird in Leicestershire geboren.
Von 490/80 bis etwa 425 lebt der Geschichtsschreiber Herodot, der
u.a. die Histories apodexis geschrieben hat, in dessen ersten Buch die
Nitocris in Erscheinung tritt.
Um 430 bis nach 355 v. Chr. Lebenszeit des Geschichtsschreibers und
Philosophen Xenophon, der mit seinem Werk Kyru paedeia das Vorbild
zu der Figur des Gobryas liefert.
1632 Der spanische Schriftsteller Pedro Calderón de la Barca
schreibt La cena del Rey Baltasar, eines seiner Auto sacramentales
(Fronleichnamsspiele).
1669 König Ludwig XIV. gründet in Paris die Académie Royale de
Musique, Händels späteres Vorbild für seine Royal Academy of Musick.
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1701 Im Act of Settlement wird bestimmt, dass nur noch Protestanten
für die englische Thronfolge in Frage kommen.
1702 Händel reist nach Berlin, wo er die Bekanntschaft mit Karoline von
Ansbach macht, der späteren Königin von England.
Tod von König William III. aufgrund eines Reitunfalls und Thronfolge
durch Anne, die letzte Königin von England, Schottland und Irland
aus dem Hause Stuart. Eintritt des deutschen Reiches an der Seite
Englands in den Spanischen Erbfolgekrieg.
1705 Am Londoner Haymarket wird das Queen’s Theatre eröffnet,
das knapp tausend Personen fasst und an zwei Abenden der Woche
Vorstellungen gibt.
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Belshazzar ƒ Zeittafel
1707 Händel befindet sich in Rom, wo er das geistliche Konzert Dixit
Dominus komponiert.
England und Schottland vereinigen sich unter Königin Anne zum
„Königreich Großbritannien“.
1708 Für Rom entsteht La Resurrezione sowie Aci, Galatea e Polifemo
für Neapel.
Der Eroberungszug von James III in Schottland scheitert.
1710 Händel besucht zum ersten Mal London. Nach der erfolgreichen
Aufführung seiner Oper Rinaldo kehrt er 1711 nach Hannover zurück, wo
er am Hof des Kurfürsten Georg Ludwig Kapellmeister ist.
1712 Im Oktober kommt Händel zum zweiten Mal nach London und
beschließt in England zu bleiben.
1714 Königin Anne stirbt und der evangelisch-lutherische Kurfürst
Georg Ludwig aus dem Hause Hannover folgt ihr als George I. von
Großbritannien und Irland auf den Thron. Bei der Krönung des neuen
englischen Königs wird Händels Utrecht Te Deum aufgeführt.
Christoph Willibald Gluck wird geboren.
1719 Es wird die Royal Academy of Musick gegründet, eine vom König
und Adel getragene Operngesellschaft, in dessen Diensten Händel
Opern komponieren und im King’s Theatre aufführen soll. Die Direktion
bilden Attilio Ariosti, Giovanni Bononcini und Händel. Händel reist auf
das Festland, um italienische Sänger anzuwerben.
1723 Georg Philipp Telemann komponiert die dreiaktige Oper Belsazar
– Das Ende der babylonischen Gefangenschaft.
1727 wird Händel englischer Staatsbürger.
Im selben Jahr stirbt König George I. und Kronprinz Georg August aus
dem Hause Hannover folgt ihm als König George II. von Großbritannien
und Irland auf den Thron. Am 11. Oktober werden Georg II. und Caroline
in der Westminster Abbey gekrönt.
1729 Nach dem Niedergang der Royal Academy of Musick gründet
Händel zusammen mit dem Leiter des King’s Theatre, Johann Jakob
Heidegger, ein neues Opernunternehmen und reist wiederum auf das
Festland, um italienische Sänger zu verpflichten.
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Belshazzar ƒ Zeittafel
Belshazzar ƒ Zeittafel
1733 Mitglieder des hohen Adels gründen die Adelsoper (Opera of
the Nobility) in Konkurrenz zu Händel, dessen Hauptstütze Kronprinz
Frederick ist, ältester Sohn von König George II. und Königin Caroline,
die hingegen beide Händel unterstützen. Die Sänger von Händels
Ensemble wechseln zu diesem neuen Unternehmen.
1746 Händel begegnet Christoph Willibald Gluck in London. Das patriotische Oratorium Judas Maccabaeus wird vom Publikum sehr gut
aufgenommen.
Die Jakobiten unter „Bonnie Prince Charlie“ werden bei Culloden in
Schottland niedergeschlagen.
1737 Ein weiteres Mal geht seine Adelsoper bankrott. Händel erkrankt
und macht eine Kur in Aachen. Nach seiner Rückkehr gründet er erneut
mit Heidegger in London eine Operngesellschaft. Am 20. November
stirbt Königin Caroline.
In Hamburg wird die erste Freimaurerloge Absalom zu den drei Nesseln
gegründet.
1749 komponiert Händel The Music for the Royal Fireworks und das
christliche Oratorium Theodora. Erneut fährt Händel zu einer Kur nach
Bath.
1738 Mit dem Oratorium Saul beginnt Händels Zusammenarbeit mit
Charles Jennens.
1751 Für die Aufführungen von Belshazzar am 22. und 27. Februar am
Covent Garden Theatre setzt Händel die Partie des Cyrus für den AltKastraten Guadagni tiefer und ändert verschiedene Sätze.
Händel beginnt auf dem linken Auge an zu erblinden und muss die
Niederschrift seines Oratoriums Jephta unterbrechen.
1740 Händel schreibt in London seine letzte Oper Deidamia und wendet
sich nun völlig den Oratorien zu, die zum einen günstiger aufzuführen
sind, ihm aber auch eine größere künstlerische Freiheit lassen als die
Oper.
1741 komponiert Händel den Messias und reist nach Dublin.
Beginn des Österreichischen Erbfolgekriegs.
1742 wird der Messias mit großem Erfolg in Dublin erstaufgeführt.
Händel reist wieder nach London und beendet dort das Oratorium
Samson.
1743 In London wird der Messias nur mäßig aufgenommen. Trotz
erneuter Erkrankung komponiert Händel das Dettinger Te Deum.
Unter dem Befehl von König George II. besiegt das englisch-französische
Heer die Franzosen bei Dettingen im Österreichischen Erbfolgekrieg.
1745 Die Premiere von Belshazzar am 27. März am nach Queen Annes
Tod umbenannten King’s Theatre in London unter Händels Leitung ist
kein Erfolg. Nur wenige Zuschauer sind anwesend und Susanna Cibber,
die die Partie des Daniels singt, ist indisponiert, so dass die Sänger
noch im letzten Moment die Rollen wechseln müssen. Die Spielzeit wird
nach der dritten Aufführung von Belshazzar am 23. April von Händel
aufgrund der unsicheren finanziellen Lage frühzeitig beendet.
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1750 Händel macht am 1. Juni sein Testament, das er noch bis in seine
letzte Lebenswoche ergänzt und ändert.
1757 komponiert Händel das Oratorium The Triumph of Time and Truth.
1758 Am 22. Februar wird Belshazzar mit weiteren Änderungen unter
Händels Adlatus John Christopher Smith jun., wiederum am Covent
Garden Theatre, zum letzten Mal gegeben.
Nachdem schon zwei Operationen erfolglos verlaufen sind, konsultiert
Händel den Chevalier John Taylor in Tunbridge Wells, jedoch ohne
Ergebnis.
1759 Der Messias wird unter Händel am 6. April zum letzten Mal aufgeführt. Am 14. April um ca. 8 Uhr morgens stirbt Händel in der Brook
Street in London. Auf seinen Wunsch hin findet das Begräbnis am 20.
April in der Westminster Abbey statt, jedoch nicht im kleinen Kreis,
sondern im Beisein von bis zu 3000 Personen.
1760 Am 25. Oktober stirbt Georg II. an einer Dissektion der Aorta und
wird in der Westminster Abbey beigesetzt. Sein Enkel George Wilhelm
Friedrich tritt als George III. die Nachfolge an.
Von 1765 bis 1768 lebt Johann Wolfgang von Goethe in Leipzig und verfasst dort u.a. das nur noch fragmentarisch erhaltene Drama Belsazar.
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Belshazzar ƒ Zeittafel
1812 Gioacchino Rossini schreibt die Oper Ciro in Babilonia, Libretto
von Fancesco Aventi.
1827 Heinrich Heine verfasst seinen Lyrikband Buch der Lieder, in dem
auch die Ballade Belsazar enthalten ist.
1927 In Breslau wird am 22. Mai die erste szenische Aufführung von
Belshazzar in der Inszenierung von Herbert Graf und unter der musikalischen Leitung von Fritz Cortolezis gegeben.
1931 Beim Leeds Festival wird die Kantate Belshazzar’s Feast für
Bariton, Chor und Orchester von William Walton aufgeführt.
1938 In England wird am 16. Mai die erste szenische Aufführung von
Belshazzar in englischer Fassung am Scala Theatre London gegeben.
2008Am 1. Juni wird Belshazzar unter der musikalischen Leitung von
René Jacobs an der Staatsoper Unter den Linden in der Inszenierung
von Christof Nel aufgeführt. Am 8. August ist im Rahmen der Innsbrucker
Festwochen Premiere des Belshazzar im Tiroler Landestheater. f
Festwochenbesucher vor dem Tiroler Landestheater
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Belshazzar ƒ Biografien
René Jacobs sang als Chorknabe in seiner
Heimatstadt Gent und setzte später seine
Gesangsstudien in Brüssel und Den Haag fort.
An der Universität Gent studierte er klassische
Philologie. Die künstlerischen Begegnungen
mit dem Sänger Alfred Deller, dem Cembalisten
und Organisten Gustav Leonhardt und mit
den Brüdern Kuijken führten zur intensiven
Beschäftigung mit Alter Musik und mit historischer Aufführungspraxis.
René Jacobs spezialisierte sich als Countertenor und schlug in diesem
Stimmfach eine internationale Laufbahn als Opern- und Konzertsänger
ein, die ihn durch ganz Europa, in die USA und in den Fernen Osten
führte. Seine Interpretationen von Barockopernrollen und von geistlicher
und weltlicher Musik des 17. und 18. Jahrhunderts setzten Maßstäbe.
Schallplatten- und CD-Aufnahmen von Werken Monteverdis über
Schütz und Bach bis zu Pergolesi dokumentieren seine Gesangskunst.
Bei den ersten Innsbrucker Festwochen 1976 war Jacobs mit Kantaten
und Arien von Caldara und Händel zu hören. Ab 1977 unterrichtete René
Jacobs lange Jahre barocken Gesangsstil an der Schola Cantorum
Basiliensis. 1979 brachte der Sänger in Innsbruck erstmals Vokalmusik
des einstigen Innsbrucker Hofkapellmeisters Pietro Antonio Cesti zu
Gehör, 1980 sang er hier Arien aus Cesti-Opern. Die hervorragende
Wirkung von Jacobs’ Musizierstil und Cestis Musik bewog den damaligen Leiter der Innsbrucker Festwochen, Prof. Otto Ulf, dem belgischen
Musiker 1982 die Leitung einer konzertanten Opernaufführung von
Cestis Orontea anzuvertrauen.
Von nun an widmete sich René Jacobs verstärkt der musikalischen
Leitung und Bearbeitung von Barockopern mit dem Schwerpunkt auf
der frühen venezianischen Oper Monteverdis, Cavallis und Cestis. In
Innsbruck und an bedeutenden Opernhäusern in ganz Europa dirigierte
Jacobs denkwürdige szenische Aufführungen u.a. von Monteverdis
L’incoronazione di Poppea und Il ritorno d’Ulisse in patria, Cavallis
Giasone, Contis Don Chisciotte, Cestis Orontea und L’Argia und wandte sich auch Händel (Flavio) und Purcell (Dido and Aeneas) zu. Bei
den Salzburger Festspielen brachte er Monteverdis Orfeo und an der
Brüsseler Oper Cavallis La Calisto heraus. In Innsbruck überraschte er
die Musikwelt mit der Wiederentdeckung von Telemanns Orpheus und
dem fulminanten Solimano Hasses. Darüber hinaus leitete Jacobs auch
viele Oratorienaufführungen, u.a. von Bachs Weihnachtsoratorium im
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Belshazzar ƒ Biografien
Wiener Musikverein und von Händels Saul in mehreren europäischen
Musikzentren.
Von 1991 an ist René Jacobs Opernchef der Innsbrucker Festwochen,
deren künstlerische Leitung er inzwischen ebenfalls übernommen hat.
An der Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Berlin ist er Principal
Guest Conductor und betreut das vorklassische und klassische
Repertoire. Dort brachte er u.a. Grauns Cleopatra e Cesare und Mozarts
Così fan tutte heraus, sowie in Koproduktion mit den Innsbrucker
Festwochen Werke wie Gaßmanns L’Opera seria und Händels Rinaldo.
Die letztgenannte Produktion erhielt von der Zeitschrift „Opernwelt“
2004 die Auszeichnung „Inszenierung des Jahres“; die in Innsbruck
entstandene CD-Aufnahme des Rinaldo wurde zur „Opernaufnahme
des Jahres 2004“ gekürt. Monteverdis L’Orfeo, der im Januar an der
Berliner Staatsoper Premiere hat, ist ebenfalls eine Koproduktion mit
den Innsbrucker Festwochen.
Auch als Konzertdirigent von u.a. symphonischem Repertoire bis hin
zu Schubert feiert Jacobs mittlerweile große Erfolge in Musikzentren
wie London, Paris, Köln und Salzburg. Er leitet die bedeutendsten
Klangkörper der historisch informierten Aufführungspraxis wie das
Orchestra of the Age of Enlightenment, die Akademie für Alte Musik
Berlin, Concerto Köln und das Freiburger Barockorchester.
René Jacobs hat mehr als 250 Einspielungen vorgenommen, davon
sind viele mit hohen Preisen ausgezeichnet worden. Die letzten waren
die Madrigali guerrieri ed amorosi von Monteverdi („ffff“/Télérama,
Choc des Jahres 2002/Monde de la Musique, Timbre de platine/Opéra
International, Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2002), Händels
Rinaldo, Griselda von Alessandro Scarlatti (Timbre de platine/Opéra
International, Diapason d’Or, 10 Punkte/Répertoire), Mozarts Le nozze
di Figaro im April 2004 (Gramophone Award) und Haydns Symphonien
Nr. 91 und Nr. 92 (alle bei Harmonia Mundi France). Für Mozarts Le nozze
di Figaro wurde Jacobs außerdem Ende 2004 in Los Angeles mit dem
begehrten Grammy, dem so genannten „Oscar der klassischen Musik“
ausgezeichnet. Im Januar 2006 erhielt die CD-Produktion von Händels
Saul auf der MIDEM in Cannes die Auszeichnung als beste Aufnahme
2005 der Sparte „Barock“. Für seine Aufnahme der Mozartoper La
Clemenza di Tito erhielt Jacobs zum sechsten Mal den Jahrespreis
der Deutschen Schallplattenkritik; sie wurde von der Opernwelt zur
„Opernaufnahme 2006“ gekürt und von führenden Fachjournalisten (wie
Jürgen Kesting, FAZ, und Reinhard Brembeck, Süddeutsche Zeitung)
69
Belshazzar ƒ Biografien
als der „kühnste Wurf des Mozartjahres“ und als die Befreiung eines
unterschätzten Werkes gefeiert.
René Jacobs begann im Januar 2004 einen Monteverdi-Zyklus an der
Staatsoper Unter den Linden Berlin (L’Orfeo 2004, Il ritorno d’Ulisse
in patria 2005 in Koproduktion mit dem Théâtre des Champs-Elysées;
L’Incoronazione di Poppea Februar 2006 in Koproduktion mit dem
Théâtre Royal de La Monnaie, Brüssel), der Anfang 2007 mit der
Wiederaufnahme des Innsbrucker Orfeo und einer szenischen Version
der Marienvesper einen gefeierten Abschluss fand. Im Bereich der
geistlichen Musik und des Oratoriums waren die letzten Projekte
Händels Saul (November 2004) und die Brockes-Passion von Telemann
(März 2005), Händels Messiah (Dezember 2005). Die Wiederaufnahme
von Mozarts Le nozze di Figaro am Théâtre des Champs-Elysées,
Paris, unter seiner Leitung wurde im Juni 2004 live auf arte ausgestrahlt
und parallel auf große Leinwände in Straßburg, Brüssel und Leipzig
übertragen. Jacobs’ Neuentdeckung des Jahres 2004, Francesco
Cavallis Eliogabalo, hatte im April Premiere am Théâtre Royal de
La Monnaie, Brüssel, und wurde im August ein umjubelter Erfolg in
Innsbruck. René Jacobs’ Beschäftigung mit den Da-Ponte-Opern
Mozarts fand im August 2006 bei den Innsbrucker Festwochen mit der
Produktionspremiere von Don Giovanni (weitere Stationen in BadenBaden, Köln, Brüssel und Paris) ihren krönenden Abschluss. 2007
dirigierte René Jacobs Georg Philipp Telemanns Hamburger Oper Der
geduldige Sokrates (Koproduktion mit der Berliner Staatsoper Unter
den Linden) sowie seine Brockes-Passion. Anfang 2008 erhielt er darauf
hin für seine jahrzehntelange, unermüdliche Repertoireerweiterung den
Telemann-Preis der Landeshauptstadt Magdeburg verliehen.
In den Mittelpunkt der Innsbrucker Festwochen 2008 rückte René
Jacobs das Oratorium. Unter seiner Leitung werden die Festwochen
mit Georg Friedrich Händels Belshazzar eröffnet (Koproduktion mit der
Staatsoper Unter den Linden Berlin, dem Festival d’Aix-en-Provence
und der Opéra de Toulouse, Premiere: 01. Juni in Berlin); mit dem
Innsbruck Festival Chorus erarbeitet er ein Konzert mit frühen Oratorien
von Domenico Mazzocchi und Giacomo Carissimi. f
70
Belshazzar ƒ Biografien
Christof Nel begann seine Theaterlaufbahn
als Schauspieler.
Nach ersten Regiearbeiten in Köln folgten Inszenierungen bei Peter Palitzsch in Frankfurt
(u.a. Antigone von Hölderlin nach Sophokles), bei Claus Peymann in Stuttgart und am
Deutschen Schauspielhaus Hamburg (u.a. Der
Hofmeister von Lenz und Shakespeares Titus
Andronicus). Weitere Stationen sind u.a. Bochum, Berlin, Basel, Hannover und Hamburg.
Darüber hinaus finden auch Nels interdisziplinäre und experimentelle Arbeiten große Beachtung, darunter das choreographierte Theater Tränen des Vaterlandes (1986, gemeinsam mit Heiner Goebbels und der Company von William Forsythe), das Kleist-Projekt
Wortpest sowie das Freud-Projekt Wunderblock II mit Studenten der Theaterwissenschaft und geistig behinderten Laien am TAT Frankfurt.
Seit den 1980er Jahren inszeniert Christof Nel auch Musiktheater: u.a.
Der Freischütz (1983), Falstaff und Die verkaufte Braut (1985) und Wagners Die Meistersinger von Nürnberg (1993) an der Oper Frankfurt, sowie
Nonos Intolleranza und die Uraufführung von Rolf Riehms Schweigen
der Sirenen an der Staatsoper Stuttgart und Azio Corghis Divara an der
Nationaloper Lissabon. Es folgten Thomas Bernhards „Alte Meister“ sowie Elfriede Jelineks Sportstück am Hamburger Schauspielhaus (1998),
Die Walküre an der Staatsoper in Stuttgart (1999), Strauss’ Salome
(1999) an der Oper Frankfurt, Der Freischütz (2000) an der Komischen
Oper Berlin, Strauss’ Die Frau ohne Schatten an der Oper Frankfurt und
Karl Amadeus Hartmanns Simplicius Simplicissimus in Stuttgart.
Mehrere seiner Schauspiel-Inszenierungen wurden zum Berliner Theatertreffen und zu verschiedenen Festivals eingeladen.
Zuletzt gelangten La clemenza di Tito von Wolfgang Amadeus Mozart
an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf, Das Wundertheater, Ein
Landarzt, Das Ende einer Welt von Hans Werner Henze am Prinzregententheater München, Parsifal an der Oper Frankfurt in der Regie von
Christof Nel sowie Don Carlo an der Staatsoper Hannover zur Premiere.
Belshazzar ist Christof Nels erste Regiearbeit bei den Innsbrucker Festwochen. f
71
Belshazzar ƒ Biografien
Der Bühnenbildner Roland Aeschlimann wurde in der Schweiz geboren. Nach seinem Studium in Bern und Basel nützte er seine visuellen
Fähigkeiten zuerst als Designer der chemischen Industrie, Plakat- und
Buchgestalter; ebenso als Art Director in Japan und später als Ausstattungsleiter am Grand Théâtre de Genève. Wichtige Impulse für seine Theaterarbeit erhielt er durch den Bühnenbildner Josef Svoboda, als Assistent bei den Bayreuther Festspielen und bei Caspar Neher in Salzburg.
Ein nachhaltiges Erlebnis war die Salzburger Festspielaufführung des
Freischütz mit Elisabeth Grümmer, die Wilhelm Fürtwängler im Juli 1954
dirigierte. In Salzburg verband ihn später eine enge Zusammenarbeit mit
Herbert von Karajan, den Aeschlimann durch seine künstlerische Akribie
und Ernsthaftigkeit beeindruckt hat.
Als Bühnenbildner hat Roland Aeschlimann in London, New York, Warschau, Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Essen und vielen anderen Orten gearbeitet. Wichtige Stationen seiner künstlerischen Arbeit: die Festspiele
in Aix-en-Provence, Wiener Festwochen, Pariser Herbst, Maggio musicale Firenze und Herbstfestspiele Baden-Baden. In den letzten Jahren
hat er in den USA Bühnenräume für Verdis Forza del destino an der San
Francisco Opera und in New York für dir Choreographin Trisha Brown
erschaffen. Hinzu kommen Bühnenbilder für Tanzstücke mit Lucinda
Childs und Heinz Spörli. Opernarbeiten, die seinen unverwechselbaren
Stil in den letzten Jahren profilierten, waren Claudio Monteverdis L’Orfeo
(ausgezeichnet mit dem französischen Kritikerpreis), Salvatore Sciarrinos Luci mie traditrici, für das Théâtre de la Monnaie in Brüssel, Guiseppe Verdis Luisa Miller am Royal Opera House Covent Garden in London
und Don Carlo für das Staatstheater Hannover.
Da ihn die theatralischen Aspekte des barocken und modernen Gesamtkunstwerks besonders interessieren, gehören Wiederaufführungen
selten gespielter Opern und Uraufführungen zu seinen bevorzugten Objekten der Begierde: Il figlio delle selve vom Mannheimer Hofkomponisten Ignaz Holzbauer und – als Uraufführung – TheaterKonzert von
Mauricio Kagel bei der Ruhrtriennale, Der Alte vom Berge von Bernhard
Lang und Zaubern von Fredrik Zeller bei den Schwetzinger Festspielen.
Aeschlimann schuf das Bühnenbild zu Tristan und Isolde in Glyndenbourne, der ersten Wagner-Inszenierung überhaupt bei diesem englischen Festival (ausgezeichnet als beste Operninszenierung in England im Jahre 2003) und für Wagners Meistersinger von Nürnberg am
Opernhaus Zürich. Bei Stücken, die ihn auf Grund ihrer theatralischen
Möglichkeiten besonders reizen, übernimmt er neben dem Bühnenbild
auch Regie. Für das Théâtre de la Monnaie in Brüssel inszenierte er La
damnation de Faust von Hector Berlioz, für das Grand Théâtre de Genève interpretierte er 2004 Wagners Parsifal, der von der Oper Leipzig
72
Belshazzar ƒ Biografien
übernommen wurde. Außerdem entwarf er in letzter Zeit Bühnenbilder
zu Mozarts La clemenza di Tito (Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf),
zu Tschaikovskys Mazeppa (Badisches Staatstheater Karlsruhe), zu
Händels Admeto bei den Festspielen in Halle und Francesco Cavallis
Giasone an der Oper Frankfurt. f
Bettina Walter wurde in Ulm geboren. Sie
studierte Bildhauerei an der Freien Kunstschule Nürtingen, später im Fachbereich Bühnenkostüm an der Hochschule der Künste in
West-Berlin. 1992 schloss sie ihr Studium mit
Diplom ab.
Ihr erstes Engagement als feste Kostümbildnerin erhielt sie am Stadttheater Basel. Seit 1990
lebt Bettina Walter als freischaffende Kostümbildnerin in Frankreich und ist an zahlreichen
Theatern und Opernhäusern tätig: Düsseldorf,
Essen, Residenztheater München, Mannheim, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Teatro La Fenice, Covent Garden London, Oper Köln,
Glyndebourne Festival Opera, Grand Théâtre de Genève, etc. Am Théâtre du Châtelet in Paris schuf sie die Kostüme für Lulu, Der Rosenkavalier, Peter Grimes (jeweils Produktionen in der Regie von Adolf Dresen)
sowie Herzog Blaubarts Burg (Regie Stephane Braunschweig). Am Aalto-Theater in Essen kreierte sie die Kostüme für Arabella (Regie Adolf
Dresen).
Es folgten weitere Produktionen wie Amphytrion beim Festival d’Avignon,
Fidelio and der Berliner Staatsoper (Dirigent Daniel Barenboim), die Uraufführung von La rosa de Ariadna von Gualtiero Dazzi beim Festival
Musica in Straßburg sowie Lucia di Lammermoor an der Opéra du Rhin
in Straßburg.
Seit 1996 arbeitet sie bei diversen Schauspielproduktionen, u.a. Das
Kätchen von Heilbronn am Residenztheater in München (Regie Anselm
Weber), Bérenice am Theater Neumarkt in Zürich und Phädra am Théâtre
de Gennevilliers (beide Mal Regie F.M. Pesenti), und mit Anselm Weber
in Essen bei den Opernproduktionen Rigoletto, Lohengrin und Die Meistersinger von Nürnberg.
Seit 1999 arbeitet Bettina Walter mit Christof Loy zusammen (Carmen/
Oper Köln, Eugen Onegin/Théâtre de la Monnaie Brüssel, Iphigenie in Aulis/Glyndebourne Festival Opera, Don Carlo/Opéra du Rhin Strasbourg).
Weitere Arbeiten sind Lady Macbeth von Menszk am Grand Théâtre
Genève (Regie Nicolas Brieger), Hamlet bei den Salzburger Festspielen
73
Belshazzar ƒ Biografien
und La clemenza di Tito (beides in der Regie von Martin Kusej), Eugen
Onegin an der Opéra du Rhin, Strasbourg (Regie: M.A. Marelli), Katja Kabanowa (Regie Anselm Weber), Faust von Gounod (Regie Christof Loy)
und Tiefland an der Oper Frankfurt, Rosenkavalier am Aalto-Theater in
Essen, Macbeth an der Semperoper in Dresden (Regie Philipp Himmelmann), Lohengrin im Festspielhaus Baden-Baden, Lohengrin an der Mailänder Scala (Koproduktion mit Baden-Baden), Simon Boccanegra an
der Oper Frankfurt, Armida bei den Salzburger Festspielen, Tiefland an
der Wiener Volksoper, Jenufa an der Bayerischen Staatsoper München
(Regie Barbara Frey), sowie verschiedene Schauspiel-Produktionen in
Deutschland und der Schweiz und bei den Salzburger Festspielen.
Bettina Walter hat seit März 2004 einen Lehrauftrag für Kostüm in der Bühnenbildklasse der «ècole superieure des arts décoratifs“ in Straßburg. f
Martina Jochem arbeitet seit 1995 mit Regisseuren und Darstellern im
Bereich Oper und Schauspiel zusammen. Hieraus entwickelte sie die
so genannte Szenische Analyse. Durch die Untersuchung verschiedener
szenischer Ebenen und ihrer Verknüpfung – literarischer und musikalischer Text, Autor, Werkgeschichte, Produktionsprozess – entstehen
Hypothesen für Konzeption und Inszenierungsarbeit. In ihrer Praxis als
selbstständige Supervisorin bzw. im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für Supervision leitet sie Einzelcoachings und berät Gruppen und
Organisationen.
Zusammen mit dem Regisseur Christof Nel erarbeitete sie u.a. Webers
Freischütz, Mozarts Idomeneo und La clemenza di Tito, Kagels TheaterKonzert (Ruhrtriennale 2004) und Euripides’ Backchen (schauspielfrankfurt), außerdem an der Oper Frankfurt Strauss’ Salome und Frau
ohne Schatten sowie Wagners Tristan und Isolde, Parsifal und Don
Carlo. f
Olaf Frèese, geboren 1968 in Berlin, ist seit 1998 an verschiedensten
Theatern tätig.
Nach einer technischen Ausbildung am Berliner Ensemble und Lichtassistenzen bei Markus Bönzli und Reinhard Traub arbeitet er seit 1992 als
Lichtgestalter unter anderem am Hamburger Schauspielhaus, am Residenztheater München, am Burgtheater Wien, an der Staatsoper und
Schauspiel Hannover, an der Hamburgischen Staatsoper und bei den
Salzburger Festspielen. Seit August 2007 ist er an der Staatsoper Unter den Linden fest engagiert. Zu seinen Arbeiten gehören Krieg (Regie:
Anselm Weber) am Hamburger Schauspielhaus, Schlachten! (Regie: Luc
Perceval) und Macbeth (Regie: Calixto Bieito) bei den Salzburger Fest74
Belshazzar ƒ Biografien
spielen, Dialogues des Carmélites (Regie: Anselm Weber) am Aalto Theater Essen, Cosi fan tutte (Regie: Joachim Schloemer) an der Staatsoper
Hannover und Faust in der Regie von Michael Thalheimer am Deutschen
Theater. f
Kenneth Tarver tritt auf allen bedeutenden internationalen Opernbühnen und Festivals auf.
Sein Repertoire umfasst Opernrollen Mozarts,
Rossinis, Donizettis, Glucks, Verdis und Berlioz’
sowie das Konzertrepertoire von Bach und Beethoven bis zu Debussy und Strawinsky.
Besonders erwähnenswert sind seine Auftritte
in Don Giovanni mit Claudio Abbado und Daniel Harding in Aix-en-Provence, Cosi fan tutte
unter Mario Martone am Teatro San Carlo in
Neapel und am Covent Garden unter Colin Davis, Die Entführung aus dem Serail mit Colin Davis und dem New York
Philharmonic Orchestra, Orphée et Eurydice mit Mark Minkowski und
den Musiciens du Louvre, Rossinis Otello unter Gianluigi Gelmetti am
Covent Garden, Il barbiere di Siviglia unter Maurizio Benini an der New
York Metropolitan Opera, Schostakowitschs Nos mit Mstislav Rostropovich und dem London Symphony Orchestra und Falstaff unter Zubin
Mehta an der Bayerischen Staatsoper in München.
Er sang Giacomo in Rossinis La Donna del Lago unter Maurizio Benini
beim Edinburgh Festival, Don Ottavio (Don Giovanni) unter René Jacobs
in Brüssel, Köln und Paris, Lindoro (L’italiana in Algeri) an der Palm Beach
Opera, Narciso (Il turco in Italia) unter Paolo Arrivabeni in Lausanne und
Rossinis Otello mit dem Opera Orchestra New York. In der Saison 2007
war er in La Coruna mit Il Rè pastore und Adelaide di Borgogna zu sehen.
In Triest sang er abermals den Narciso, am Teatro Filarmonico in Verona Pulcinella. Weitere Engagements erhielt er für Händels „Belshazzar“
mit René Jacobs, Il barbiere di Siviglia an der Dresdner Semperoper, der
Opera Pacific in Santa Ana und dem Teatro Municipal in Santiago.
Tarver genießt darüber hinaus auch auf den internationalen Konzertpodien hohes Ansehen, das er unter anderem mit Strawinskys Pulcinella
unter Riccardo Chailly, mit Berlioz’ Les Nuits d’été unter Pierre Boulez
und Händels Messiah mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Beweis stellte.
Er arbeitete in Vorstellungen und bei Aufnahmen mit Kent Nagano,
Bernard Haitink, Sir Colin Davis, Ion Martin und Yves Abel und mit so
berühmten Orchestern wie dem Royal Concertgebouw Orchestra, dem
Gewandhaus Orchester Leipzig, dem London Symphony Orchestra,
75
Belshazzar ƒ Biografien
Belshazzar ƒ Biografien
dem Cleveland Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Baltimore Symphony Orchestra, dem Orchestra Sinfonica Giuseppe Verdi
Milano und dem Orchestra Nazionale della RAI di Torino zusammen.
Tarver darf sich der erfolgreichen Zusammenarbeit mit unterschied-
Titelrolle in Semele unter großem Beifall in Aix-en-Provence und bei den
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, der Flandrischen Oper, der
Kölner Oper, den BBC Proms und der evangelischen National Oper (in
der sie für den Laurence Olivier Award in der Kategorie für große Leis-
lichen Labels wie der Deutschen Grammophon und Decca erfreuen. Er
nahm verschiedene Berlioz-Opern mit Sir Colin Davis und dem London
Symphony Orchestra auf, sowie Il viaggio a Rheims unter Jesús Lopez
Cobos und Falstaff unter Bernard Haitink. Sehr bekannt wurde die mit
zwei Grammys ausgezeichnete Aufnahme von Berlioz’ Les Troyens.
Kenneth Tarver ist Absolvent der Interlochen Arts Academy, des Oberlin
College Conservatory of Music und der Yale University School of Music.
Er ist Gewinner der Metropolitan Opera National Council Auditions und
früheres Mitglied des Metropolitan Opera Young Artist Programms.
tungen in der Opernwelt nominiert wurde).
Zukünftige Pläne umfassen u.a. Titania in A Midsummer Night’s Dream
an der Mailänder Scala, die Titelpartie in Händels Partenope am ENO,
Anne Trulove am Brüsseler La Monnaie. Konzerte sind geplant mit dem
Orchestra of the Age of Enlightenment mit Sir Charles Mackerras, Sir
Simon Rattle, Sir Roger Norrington und René Jacobs. Außerdem Konzerte mit dem Schottischen Chamber Orchestra unter Mackerras, der
Londoner Philharmonie unter Mark Elder, Concentus Musicus in Wien
unter Nikolaus Harnoncourt, Deutsche Kammerphilharmonie in Bremen
unter Daniel Harding, Niederländische Philharmoniker und Amsterdam
Concertgebouw. Sie ist zu hören mit beiden Sinfonieorchestern von
Birmingham und dem von Radio Frankfurt mit Emmanuelle Haim und
ihr Debüt mit den New York Philharmonikern unter Nicholas McGegan.
Ihre Aufnahmen beinhalten die Titelpartien in Händels Partenope und
Semele mit Christian Curnyn für Chandos Records, die Hauptpartie in
Händels Esther für Somm, Angelica mit Les Arts Florissants und William
Christie für Erato, Saul, Venus und Adonis und Dido und Aeneas alle mit
René Jacobs für harmonia mundi, Sophie in Der Rosenkavalier für Chandos und Hänsel und Gretel (als Sandmann) für Teldec.
Kenneth Tarver feiert heuer sein Debüt bei den Innsbrucker Festwochen. f
Die Sopranistin Rosemary Joshua ist in Cardiff geboren. Nach ihrem Studienabschluss am
Royal College of Music sind ihre ersten Opernrollen Zerlina in Mozarts Don Giovanni an der
Schottischen Oper, Susanna in Le nozze di
Figaro sowie Sophie in Strauss’ Rosenkavalier
an der Englischen National Oper.
In der Saison 2002/2003 gab sie ihr Debüt an
der New Yorker Metropolitan Opera als Adele in
Die Fledermaus, sang an der Mailänder Scala
die Titelpartie in Janáceks The Cunning Little
Vixen und an der Bayerischen Staatsoper München die Susanna. Sie
sang bereits die Zerlina am Royal Opera House, Covent Garden, Anne
Trulove in Strawinskys The Rake’s Progress beim Glyndebourne Festival, Susanna in Glyndebourne und in Köln, Ilia in Mozarts Idomeneo in
Lissabon, Pamina in Die Zauberflöte in Brüssel, Sophie im Rosenkavalier
an der Deutschen Oper in Berlin, Oscar in Un ballo in maschera an der
Niederländischen Oper, die Hauptpartie von La Calista in Brüssel und an
der Berliner Staatsoper, Juliette in Roméo et Juliette in San Diego und
Vixen an der Flandrischen Oper, dem Théâtre de Champs-Élysées und
der Niederländischen Oper.
Seit ihrem Debüt beim Festival d’Aix-en-Provence als Angelica in Orlando erhält sie für ihre Händel-Partien internationale Anerkennung. Sie
sang bereits Ginevra in Ariodante in San Diego, Angelica in München
und in Covent Garden, Poppea in Agrippina in Köln, Brüssel und Paris, Cleopatra Giulio Cesare in Paris, Amsterdam und Florida, und die
76
Rosemary Joshua war zuletzt 2006 mit Händel- und Mozartliedern bei
den Innsbrucker Festwochen zu hören. f
Bejun Mehta wurde in North Carolina geboren. Er feierte seine ersten Erfolge bereits als
Knabensopran. Eine Solo-CD, 1983 unter dem
Delos-Label freigegeben, wurde als beste Debüt-Aufnahme des Jahres ausgezeichnet. Er
ist heute einer der meistgefragten CounterTenöre seiner Generation. Sein Opern-Debüt
hatte er 1998 an der New York City Opera in
der Rolle des Armindo (Partenope). Im gleichen Jahr ersetzte Mehta einen kranken Kollegen kurzfristig auf einer Konzert-Tournee und
wird seitdem von den bedeutenden musikalischen Metropolen der Vereinigten Staaten und Europas engagiert.
Er sang den Orlando am Royal Opera House Covent Garden, der Bayerischen Staatsoper und der New York City Opera; die Titelpartie im
77
Belshazzar ƒ Biografien
Tamerlano an der Niederländischen Oper und dem Hoftheater Drottingholm, Oberon (A Midsummer Night’s Dream) an der Metropolitan Opera
und dem Glyndebourne Festival, Farnace (Mitridate) bei den Salzburger
Festspielen, dem Théâtre du Châtelet und der Santa Fe Opera, die Titelrolle in Giulio Cesare an der Pittsburgh Opera, Masha (Peter Eötvös’
Drei Schwestern) am Châtelet, Tolomeo (Giulio Cesare) an der Opéra
National de Paris, der San Francisco Opera und Los Angeles Opera,
Unulfo (Rodelinda) an der Metropolitan Opera, Armindo (Partenope) an
der Lyric Opera of Chicago und Polinesso (Ariodante) und Guildo (Flavio)
an der New York City Opera.
Seine Konzertdarbietungen werden von namhaften Orchestern und Ensembles begleitet, wie dem Israel Philharmonic Orchestra, dem Chicago
Symphony Orchestra, dem San Francisco Symphony Orchestra, dem
Minnesota Orchestra, dem Scottish Chamber Orchestra, dem Tonhalle-Orchester in Zürich, den Musiciens du Louvre, den Talens Lyriques
und dem Concert d’Astrée unter Dirigenten wie Sir Charles Mackerras,
Mark Minkowski, Emmanuelle Haim, Christophe Rousset, René Jacobs
und Zubin Mehta. Er trat in New Yorks Carnegie Hall, im Isaac Stern
Auditorium, in Zankel Hall, Brussels Palais de Beaux Arts, dem Teatro
de la Zarzuela Ciclo de Lied in Madrid, dem Liceu in Barcelona und dem
Théâtre du Châtelet in Paris auf.
Neuere Operneinspielungen gibt es von Mozarts Mitridate, Ré di Ponto
(Decca-DVD) mit den Musiciens du Louvre und Mark Minkowski als Dirigent, produziert bei den Salzburger Festspielen und Giulio Cesare unter
Minkowski für die Deutsche Grammophon (Tolomeo). Bejun Mehta wurde
vom CBS-TV portraitiert. Seine Darstellung des Orlando am Royal Opera
House Covent Garden erhielt die Nominierung für den Olivier-Award.
In der Spielzeit 2007/2008 ist Mehta als Ottone („Poppea“) mit der Niederländischen Oper, und als Farnace (Mitridate) in einer Neuproduktion
in Brüssel zu sehen. Neben der Titelrolle in Glucks Orfeo mit René Jacobs wird Bejun Mehta in nächster Zeit eine Bühnenversion von Händels
Messiah und Mitridate in Salzburg singen und Liederabende mit Julius
Drake in Europa geben. Bejun Mehta feiert mit Händels Belshazzar sein Debüt bei den Innsbrucker Festwochen. f
Belshazzar ƒ Biografien
Die Schwedin Kristina Hammarström studierte in Stockholm Violine, Viola und anschließend Gesang. Engagements führten
sie an die Opéra Bastille in Paris, die Wiener
Kammeroper sowie an die Opernhäuser von
Lausanne, Dublin, Düsseldorf, Straßburg, Göteborg, Stockholm und Lübeck. 2004 gab sie
ihr Debüt als Penelope in Monteverdis Il ritorno d’Ulissa in patria am Théâtre de la Monnaie
sowie in Caen, Luxemburg und New York. Am
Drottningholmer Hoftheater sang sie u.a. Irene
in Händels Tamerlano unter Christophe Rousset. Weitere Rollen in vergangenen Spielzeiten waren u.a. Charlotte in Massenets Werther an der
Royal Swedish Opera in Stockholm, Minerva in Il ritorno d’Ulissa in patria
unter René Jacobs an der Berliner Staatsoper, Cleofe in Händels La Resurrezione unter Andrew Manze in Berlin, Teseo in Händels Arianna in
Creta unter Christophe Rousset, Rosina in Rossinis Il barbiere di Siviglia
in Stockholm, die Titelrolle in Mozarts Asciano in Alba unter Adam Fischer in Mannheim sowie Cornelia in Händels Giulio Cesare unter René
Jacobs im Theater an der Wien.
Im Konzert war Kristina Hammarström in den meisten Oratorien von
Bach und Mozart unter Dirigenten wie Manfred Honeck, Herbert Blomstedt, Philippe Herreweghe, Christophe Rousset, Alan Curtis, Lorin Maazel und John Nelson zu erleben. Außerdem sang sie Marguerite in Berlioz’ La damnation de Faust und in Elgars The Dream of Gerontius in
Düsseldorf sowie Berlioz’ Les Nuits d’été und Elgars Sea Pictures.
Jüngste und aktuelle Projekte umfassen u.a. die Titelrolle in Händels
Orest an der Komischen Oper Berlin, Cherubino in Mozarts Le nozze
di Figaro in Japan, Daniel in Händels Belshazzar unter René Jacobs in
Berlin, Aix-en-Provence und Innsbruck, und Bradamante in Händels Alcina in der Regie von Robert Carsen am Teatro alla Scala di Milano. Auf
CD ist Kristina Hammarström u.a. als Idamente in Idomeneo, Cecilio in
Lucia Silla und Farnace in Mitridate, Ré di Ponto unter Adam Fischer
sowie Bachs Weihnachtsoratorium mit dem Combattimento Consort
Amsterdam zu hören.
Kristina Hammarström ist zum ersten Mal bei den Innsbrucker Festwochen zu Gast. f
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79
Belshazzar ƒ Biografien
Neil Davies wurde in Newport geboren und
zog später nach London, um dort am King’s
College und der Royal Academy of Music zu
studieren. Danach studierte er am internationalen Opernstudio Zürich unter der Schirmherrschaft von Dame Gwyneth Jones. 1991
gewann er den Lied-Preis beim Cardiff Singer
of the World Wettbewerb. Sein offizielles Debüt gab er an der Coburger Oper. Seit 1992
gastiert er regelmäßig beim Edinburgh Festival
und bei den BBC Proms.
Seine Opernpartien umfassen u.a. Rameaus Platée (London, Edinburgh
Festival), Händels Giulio Cesare und Figaro in Mozarts Le nozze di Figaro
an der Royal Opera, Covent Garden, Händels L’Allegro, Publio in Mozarts
La clemenza di Tito, Zebul in Jephta, Ariodantes in Xerxes und Kolenaty
in Die Sache Makropoulos für die English National Opera, sowie Händels
Radamisto für die Opéra de Marseille, Händels Theodora mit Les Arts
Florisants und William Christie (Paris und Salzburg), Händels Orlando mit
dem Gabrieli Consort, Leporello für die schottische Oper, Brittens Curlew River beim Edinburgh Festival und Guglielmo in Cosi fan tutte, Leporello in Don Giovanni, Dulcamara in L’elisir d’amore, Zebul und Sharpless
in Madame Butterfly für die schottische Nationaloper. Er gab sein Debüt
an der Chicago Lyric Opera als Major General Stanley, unter Sir Andrew
Davis, in deren Neuproduktion der Pirates of Penzance.
Einspielungen liegen vor von Brittens A Midsummer Night’s Dream (geleitet von Sir Colin Davis für Philips), Messiah, Theodora und Saul unter
Paul McCreesh für die Deutsche Grammophon, Vivaldi-Kantaten und
Händels L’Allegro unter Robert King für Hyperion, Dutilleux-Lieder unter
Yan-Pascal Tortelier für Chandos und er ist auf der Schubert-Edition von
Hyperion zu hören.
Zu seinen Konzertengagements zählen u.a. Auftritte mit den Orchestern
von Cleveland und Philharmonia unter Dohnany, dem Gabrieli Consort
unter McCreesh, mit dem er 2007 bei den Meisterkonzerten in Innsbruck
zu Gast war, die Oslo und die Niederländische Philharmonie unter Jansons, die BBC Symphonie unter Boulez, die Royal Liverpool Philharmonie unter Altrichter und Schwarz, die Akademie von St. Martin-in-theFields und Marriner, das BBC Orchestra of the Age of Enlightenment
und Brüggen, das Chamber Orchestra of Europe mit Harnoncourt, die
Detroiter Symphoniker mit McGegan, das Minnesota Orchestra unter
Vämskä, Les Violons du Roy unter Labadie, die Akademie für Alte Musik
Berlin unter Creed, das Halle Orchester unter Mark Elder, das SinfonieOrchester von Birmingham unter Oramo und die Wiener Philharmoniker
unter Daniel Harding.
80
Belshazzar ƒ Biografien
Zukünftige Engagements umfassen Papageno und Dulcamara an der
Waliser Nationaloper, Gobryas in Händels Belshazzar unter René Jacobs in Aix-en-Provence, Berlin und Innsbruck und Ko-Ko in Mikado an
der Chicago Lyric Opera.
Neil Davies war als Solist des Konzerts „Pracht der Jesuiten“ erstmals
2005 zu Gast bei den Innsbrucker Festwochen. f
Christina Sampson begann ihre musikalische Ausbildung als Geigerin am Emmanuel College in Cambridge, bevor sie ein Gesangsstudium
aufnahm. Es folgte Unterricht am Opernstudio der English National Opera. Zur Zeit studiert sie bei John Evans und Susanna Stranders an der
Guildhall School of Music and Drama. Ihre jüngsten Konzerttätigkeiten
mit zeitgenössischen Liedprogrammen führten sie an die Wigmore Hall
und das Arcola Theatre in London. Mit ihrem breiten Barockrepertoire
war sie in der St. Giles Church, Cropplegate, mit Händels Messiah und
Bach-Kantaten beim London BachFest mit den Steinitz Baroque Players zu hören. Ihr derzeitiges Oratorienrepertoire umfasst das Requiem
und das Salve Regina von Mozart und Requiemvertonungen von Bruneau und Fauré. Im Opernstudio der Guildhall School sang sie Romilde
(Serse), Cleopatra (Giulio Cesare), Helena (Britten: A Midsummer Night’s
Dream), Marzelline (Fidelio) und jüngst sang sie Gretel in Humperndicks
Hänsel und Gretel in einer Produktion der Runaway Opera. Christina
Sampson singt in Chören wie den BBC Singers, Exaudi und den English
Voices. Mit letzteren war sie in Monteverdis «Orfeo“ in der Produktion
von René Jacobs und Trisha Brown beim Festival in Aix-en-Provence zu
sehen. Zukünftige Projekte beinhalten Vorstellungen für den Royal Anniversary Trust und Guildhall School of Music and Drama.
Christina Sampson feiert heuer ihr Debüt bei den Innsbrucker Festwochen. f
Die Sopranistin Lucy Taylor besuchte Vorlesungen für Moderne und
Mittelalterliche Sprachen, und sang im Chor des Clare College in Cambridge, bevor sie zu ihren schottischen Wurzeln als Caird-Stipendiatin
an die Royal Scottish Academy of Music and Drama zurückkehrte, wo
sie ihren Master of Music (Aufbaustudium Oper) bei Patricia MacMahon
machte. Sie gewann dort das Governor’s Recital und den John Ireland
Prize und trat in zahlreichen Partien auf, u.a. als Diana in La Calisto und
Maurya in Vaughan Williams Riders To The Sea und sang Dorabella in
Cosi fan tutte als Cover an der Scottish Opera.
81
Belshazzar ƒ Biografien
Momentan ist Lucy Taylor in Cambridge. Sie studiert bei Enid Hartle und
Neil Semer, und unterrichtet neben ihrer intensiven Bühnen- und Konzerttätigkeit am Clare College, Pembroke College und der King’s School
in Ely Gesang. Seit Beginn ihrer Gesangskarriere im Jahr 2007, trat sie
u.a. mit Händels Messiah auf (mit dem International Festival Chorus of
Beijing) und sang Liederabende mit Bergs Sieben frühe Liedern und Debussys Ariettes Oubliées.
Als Mezzosopranistin sang sie Arsamene in Serse und Andronico in
Tamerlano bei der Cambridge Handel Opera Group und Cherubino in
einer Galaproduktion der Cambridge University Opera Society’s von Le
nozze di Figaro. Sei erfreut sich großer Nachfrage als Oratorien- und
Liedsängerin, u.a. bei Auftritten als Mezzosopranistin in Mozarts cmoll Messe für das Cambridge Music Festival in King’s Chapel, der 2.
Sinfonie von Mahler im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth und der
Thomaskirche in Leipzig, in Bachs Magnificat mit dem Royal Scottish
National Orechstra, und sang ein Programm mit Bach-Kantaten unter
Andreas Scholl.
Lucy Taylor ist zum ersten Mal bei einer Produktion der Innsbrucker
Festwochen dabei. f
Der britische Countertenor Andrew Radley ist spezialisiert auf die großen Opernrollen, die ursprünglich für Kastratenstimmen von Händel und
anderen bekannten Komponisten des 18. Jahrhunderts und der Renaissance geschrieben wurden. Er singt meist Oratorien, besonders Werke
von J.S. Bach, und hat ein großes Repertoire an europäischen und amerikanischen Liedern.
Andrew Radley besuchte das Clare College Cambridge, wo er ein Chorschüler war und im Jahre 2000 abgeschlossen hat. Im September 2001
begann er sein Studium an der London Royal Academy for Music und
erhielt ein Stipendium für ein Postgraduierten-Studium. 2003 folgte ein
Stipendium von der Royal Academy für Opernkurse, wo er sein Studium
im Jahre 2004 fortsetzte. Zwischen Januar und April 2004 nahm Andrew
Radley an einem Austauschstudium am Pariser Konservatorium teil, wo er
bei Pierre Mervant studierte. Er setzte sein Studium bei Noelle Barker fort.
Sein Repertoire umfasst Gandarte in Händels Poro beim Göttinger Händel Festival (mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dirigiert von Konrad
Junghänel), die Titelpartien in Händels Flavio mit der Early Opera Company dirigiert von Christian Curnyn (Queen Elizabeth Hall, London, und
bei den Lichfield und Iford Festivals), in Glucks Orfeo ed Euridice beim
Spitalfields Festival, in Händels Orlando an der Dartington International
82
Belshazzar ƒ Biografien
Summer School und die Partie des Joachim in Händels Susanna bei der
Early Opera Company. Außerdem sang er in der Academy auch ausgewählte Szenen aus Händels Serse und Scipione, Rimsky-Korsakows Le
Coq d’or und Rossinis La Gazza Ladra.
Andrew Radleys jüngste Konzerte umfassen unter anderem Händels
Saul mit den Chester Bach Singers, Bernsteins Chichester Psalms am
St.John’s, Smith Square, ein Rezital beim Winchester Festival, Bachs
h-moll Messe in St.-Martin-in-the-Fields, Kantaten von Händel und
Scarlatti beim Londoner Händel Festival mit dem Royal Academy Music
Period Orchestra, dirigiert von Laurence Cummings, Händels Messiah
mit der Hereford Choral Society, Händels Dixit Dominus am Snape Maltings mit Richard Edgarr (Übertragung auf BBC Radio 3), Bachs Matthäus-Passion mit den Britten Sinfonia an der Ely Cathedral, und die Rolle
von Daniel in Händels Belshazzar an der Dartington International Summer School unter Graeme Jenkins.
In dieser Saison nimmt er an Produktionen teil wie Händels Belshazzar
unter René Jacobs an der Berliner Staatsoper, in Aix-en-Provence und
bei den Innsbrucker Festwochen; er singt die Rolle First Wise Man und
beherrscht außerdem die Partien von Daniel und Cyrus. Er übernimmt
die Titelpartie in Orlando für die Opera Theatre Company Ireland, er gestaltet ein Programm mit Musik von Purcell mit dem Concerto Copenhagen beim Bruges Festival und die Rolle des Nireno Giulio Cesare mit
dem Freiburger Barockorchester unter René Jacobs für Paris, Madrid,
Valladolid und Castellón, und studiert zusätzlich die Rolle des Halimacus in Reinhard Keisers Croesus für die Opera Nord.
Andrew Radley ist zum ersten Mal bei den Innsbrucker Festwochen zu
Gast. f
Richard Wilberforce studierte Musik an der Cambridge University und
Chorgesang am dortigen St.John’s College. Zur Zeit studiert er bei Ashley Stafford am Royal College of Music und hat das Charles-Branchini-Stipendium und Förderungen des Josephine-Baker-Trusts und des
Williams-Gibbs-Trusts inne. Zuletzt war Wilberforce bei einem Konzert
mit Purcells Verse-Anthems mit Florilegium und mit dem Wiener Sinfonieorchester bei den Bregenzer Festspielen zu hören. Außerdem sang er
Gibbons Verse Anthems mit Fretwork, sowie Charpentiers Quatre Antiennes, George Lloyds Requiem, Bachs Johannes-Passion und Mozarts
Requiem. Seine Opernpartien umfassen die des Pharaos in James Hewitts Oper Moses and Pharao, Spirit in Dido and Aeneas und Kuy Fawkes
in John Rutters Kurzoper Bang, die auf dem Label Herald erschienen ist.
83
Belshazzar ƒ Biografien
Der Passat CC.
Wer ihn sieht, sieht nichts anderes.
ellbar.
Ab sofort best
s.
un
Ab Juli bei
Während seines Studiums am Royal College war er in Szenen von Doves
Flight und Brittens A Midsummer Night’s Dream zu sehen. Er gab zahlreiche Rezitals in der Canterbury Cathedral und Bühnen Cambridges
mit Purcell-Programmen, Bachs Kantate Nr. 170 Vergnügte Ruh’, Elgars
Sea Pictures, Brittens Abraham and Isaac und Journey of the Magi und
Thomas Adès A Lover in Winter.
Richard Wilberforce ist ein Produktiver Komponist: unter anderem hatte
er Aufführungen bei einer Weihnachtsliedersendung auf BBC-Radio 3.
Im Februar 2007 hatte Wilberforces Komposition He hath shewed thee O
man what is good Premiere und wurde online ausgestrahlt: ein Anthem,
das zum Gedenken an die Aufhebung des Sklavenhandelgesetzes in
Auftrag gegeben wurde.
Richard Wilberforce ist bei den heurigen Innsbrucker Festwochen zum
ersten Mal zu hören. f
Der VW Passat CC vereint auf unnachahmliche Weise Coupé-Design,
vier Türen, souveränen Komfort, Dynamik, sportliches Interieur
sowie Raum ohne Kompromisse und präsentiert sich damit als
Auto abseits des Mainstreams.
Perfektion trifft Faszination.
„Motorklänge für die Festwochen“
PORSCHE
INNSBRUCK-MITTERWEG
www.porscheinnsbruck.at
VOWA
INNSBRUCK
www.vowainnsbruck.at
Verbrauch: 5,8 – 10,1 l/100 km. CO2-Emission: 153–242g/km. Symbolfoto.
Vernon Kirk studierte Musik am King’s College und Gesang an der Royal Academy of Music in London. Im Jahr 2006 sang er am Theater Aachen den Rektor Adams in Peter Grimes, 2004 Brighella in Ariadne auf
Naxos an der Opéra de Nice und 2003 Flamand als Cover in Richard
Strauss’ Capriccio für das Teatro Lirico di Cagliari. Am Volkstheater Rostock war er in Donizettis Viva La Mamma als Guglielmo zu sehen, sowie
als Mollfels in Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung von Detlef
Glanert, als Herodes in Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar
und als Chantal of Avignon in Hermans La Cage aux Folles. Für seine
Darstellung des Ferrando in Mozarts Cosi fan tutte im Rahmen der Bad
Hersfelder Sommerspiele 2000 wurde er mit dem Orpheus-Preis des
Festivals ausgezeichnet.
Als Konzertsänger ist er mit vielen der führenden Dirigenten und Ensembles aufgetreten. So übernahm er die Solopartie in Bachs Magnificat
/ Händels Dixit Dominus mit Emmanuelle Haim und Le Concert d’Astrée
am Théâtre de Caen (2007) und war Solist der Bach-Kantataen mit Sir
John Eliot Gardiner und den English Baroque Soloists beim Zürcher
Festival 2000. BBC Proms Auftritte beinhalteten die Premiere von Carl
Rüttis Alpha et Omega mit dem BBC Symphony Orchestra unter Stephen Jackson und Hector Berlioz’ L’Enfant du Christ mit dem BBC Symphony Orchestra unter David Atheron. Er sang Haydns Creation unter
der Leitung Sir David Willcocks an der Royal Albert Hall in London und
ist erfahrener Sänger des Evangelisten in Bachs Matthäus-Passion und
der Johannes-Passion. Für das BBC Radio entstanden die Aufnahmen
von Brittens Serenade für Tenor, Horn und Streicher und seiner Kantate
The Company of Heaven sowie von Carl Rüttis Alpha et Omega.
85
Belshazzar ƒ Biografien
2008 ist er u.a. in Händels Belshazzar und an der Opéra de Toulouse in
Strauss’ Salome zu erleben.
Vernon Kirk ist erstmals zu Gast bei den Innsbrucker Festwochen. f
Andrew Davies studierte Musik an der Cambridge University und setzte
seine Ausbildung an der Royal Academy of Music fort. Der ehemalige
Chorschüler des Clare College und St.John’s College Cambridge ist
ausgebildeter Sänger und tourte durch Europa, die USA und den Fernen Osten. Dabei arbeitete er mit Dirigenten wie Daniel Harding, Gustav
Leonhardt, William Christie, Laurence Cummings, Nicholas Kraemer,
Ivor Bolton und Sir John Eliot Gardiner zusammen. Auf der Opernbühne
sang er Ned Keene in Brittens Peter Grimes und Aeneas in Purcells Dido
and Aeneas, sowie Szenen aus Le nozze di Figaro, Die Zauberflöte, Don
Giovanni, Fedora, The Consul, Flight und A Dinner Engagement an der
Royal Academy of Music. Auf dem Aix-en-Provence Festival 2007 war
er in Monteverdis Orfeo zu sehen, einer Produktion von Trisha Brown
unter der musikalischen Leitung von René Jacobs. Engagements führten den erfahrenen Konzertsänger weitgehend nach London, quer durch
das United Kingdom und Europa. Kürzlich trat er mit dem Jerusalem
Symphony Orchestra unter der Leitung von Laurence Cummings auf.
Weiters sang er Händels Messiah, Israel in Egypt, Dixit Dominus, Joshua
and Jephtha, Bachs Matthäus-Passion, Johannes-Passion, das Weihnachtsoratorium, die h-moll Messe und mehrere Kantaten, darunter Ich
habe genug, Beethovens Neunte Sinfonie, Haydns Jahreszeiten, die Requiems Mozarts, Duruflés und Faurés, Haydns Nelson-Messe, Purcells
Come, Ye Sons of Art und The Fairy Queen, Vaughan Williams Five Mystical Songs und Fantasia on Christmas Carols Finzis In Terra Pax und
die auf Radio 3 live ausgestrahlte Premiere von Michael Finisseys Canticles. f
Der RIAS Kammerchor gilt weltweit als eines der führenden Ensembles
seiner Art. Kernbereich des Repertoires – das von der Gregorianik bis
zur Gegenwart reicht – ist die Musik des Barock, der Romantik sowie der
klassischen und aktuellen Moderne. Im Zuge der Internationalisierung
der Kontakte und der interkontinentalen Vernetzung von Kulturen wurden zudem in den letzten Jahren mit innovativen Projekten die Grenzen
abendländischer Musik immer wieder überschritten und damit brisante
Zeitthemen aufgegriffen.
86
Belshazzar ƒ Biografien
Die Geschichte des RIAS Kammerchores ist verknüpft mit der Gründung
der Bundesrepublik Deutschland. 1948 unter Regie des Rundfunks im
amerikanischen Sektor gegründet, hat er sich mit seinen ersten künstlerischen Leitern – Karl Ristenpart, Herbert Froitzheim und Günther Arndt
– gerade auch als Uraufführungsensemble internationales Ansehen erarbeitet. Nachfolgend legte Uwe Gronostay (1972–1986) den Grundstein
für einen modernen Vokalklang und ließ zugleich die Erkenntnisse der
Historischen Aufführungspraxis in die interpretatorische Diskussion
einfließen. Markus Creed (1987–2001) verfolgte diesen Weg weiter und
sicherte dem Chor in enger Zusammenarbeit mit Orchestern wie Concerto Köln, Freiburger Barockorchester, Akademie für Alte Musik Berlin,
Orchestre des Champs-Élysées und Dirigenten wie Norrington, Harnoncourt, Brüggen, Herreweghe und Jacobs den Rang eines international geachteten Spezialensembles für die Musik vom Barock bis zur Klassik.
Mit Uraufführungen von Werken Pendereckis, Reimanns, Kagels,
Schnebels, Gundermanns oder Tan Duns setzte der RIAS Kammerchor
zudem weitere Akzente im Bereich der Gegenwartsmusik. Unter Daniel
Reuss (2003–2006) rückte die klassische Moderne als ein Schwerpunkt
in das Zentrum der Arbeit. Es entstanden Referenzaufnahmen von Werken Martins, Strawinskys und Poulencs. Er stärkte die Bindungen zu
Kooperationspartnern im In-und Ausland und ist einer der Mitbegründer
des TENSO-Netzwerks professioneller europäischer Kammerchöre, das
sich vor allem der Weiterentwicklung zeitgenössischer Vokalmusik verschrieben hat.
Seit 2007 führt Hans-Christoph Rademann den eingeschlagenen, erfolgreichen Weg fort und setzt eigene Akzente bei der behutsamen
Entwicklung des Chorklanges sowie des Repertoires. Er ist einer der
Initiatoren des Chordirigentenforums, mit dem der Deutsche Musikrat
ab 2008 sein erfolgreich praktiziertes Nachwuchsprogramm auf das
Chorrepertoire erweitert.
Seit 1995 ist das Ensemble dem CD-Label harmonia mundi france eng
verbunden, wobei den vielfach mit internationalen Preisen ausgezeichneten Einspielungen durchweg Referenzstatus zuerkannt wurde. Der RIAS
Kammerchor ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH
Berlin, getragen von den Gesellschaftern Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin und Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Der RIAS Kammerchor war das letzte Mal 2003 zusammen mit René
Jacobs und dem Freiburger Barockorchester mit Haydns Jahreszeiten
bei den Innsbrucker Festwochen vertreten. f
87
Belshazzar ƒ Biografien
Die Akademie für Alte
Musik Berlin, die 2007
ihr 25-jähriges Jubiläum feierte, kann auf eine
beispielslose Erfolgsgeschichte verweisen. Abseits des herrschenden
Kulturbetriebs 1982 in
Ost-Berlin gegründet, gehört die Akademie für Alte Musik Berlin inzwischen zur Weltspitze der
Kammerorchester. Das Ensemble gastiert regelmäßig in den musikalischen Zentren Europas wie Wien, Paris, Amsterdam, Zürich, London
und Brüssel. Tourneen führten bislang in fast alle europäischen Länder
sowie Asien, Nord- und Südamerika, zuletzt im April dieses Jahres in
die USA und Kanada. Bereits seit der Wiedereröffnung des Hauses 1984
gestaltet das Ensemble eine eigene Konzertreihe im Konzerthaus am
Gendarmenmarkt. Schon seit 1994 ist die Akademie für Alte Musik Berlin regelmäßiger Gast an der Berliner Staatsoper Unter den Linden sowie
bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.
Eine intensive künstlerische Zusammenarbeit verbindet das Ensemble
vor allem mit den Dirigenten René Jacobs, Marcus Creed und Daniel
Reuss, dem RIAS Kammerchor, dem Vocalconsort Berlin, dem Countertenor Andreas Scholl, der Sopranistin Cecilia Bartoli sowie der Choreografin Sasha Waltz.
Mit der Purcell-Oper Dido and Aeneas feierte die Akademie für Alte Mu-
dem Grammy, dem Diapason d’Or, dem Cannes Classical Award, dem
Grammophone Award oder dem Edison-Award. Im März 2006 erhielt die
Akademie den Telemann-Preis der Stadt Magdeburg. f
sik Berlin einen weiteren internationalen Erfolg. Die Koproduktion mit
dem Tanzensemble Sasha Waltz & Guests wurde inzwischen u.a. nach
Amsterdam, London und Brüssel eingeladen und wird regelmäßig an der
Berliner Staatsoper aufgeführt. Im September 2006 eröffnete furios das
Radialsystem V, ein neues Haus für das Zusammenspiel aller Künste, in
dem die Kooperation der beiden Ensembles ihre fruchtbare Fortsetzung
findet. Davon zeugt auch die Produktion Medea, eine Choregrafie von
Sasha Waltz zur Oper Medeamaterial von Pascal Dusapin, die 2007 ihre
Premiere hatte und von Presse und Publikum gleichermaßen umjubelt
wurde. Neue Wege beschreitet das Orchester auch mit dem choreografischen Konzert 4 Elemente – 4 Jahreszeiten, mit dem die Akademie für
Alte Musik Berlin auf internationalen Bühnen seinen Ruf als kreatives
und innovatives Ensemble weiter festigt. Weit über eine Million verkaufte
Tonträger bürgen für den Weltruhm des Ausnahmeensembles. Die seit
1994 exklusiv für harmonia mundi france produzierten Aufnahmen wurden mit allen internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet, u.a.
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89
Belshazzar ƒ Zitat aus der Bibel
Belshazzar ƒ Biblische Vorgeschichte
das ende des koenigreiches juda
die zerstoerung des tempels
und das exil in babylon
„Als Zidkija die Herrschaft antrat, war er 21 Jahre alt. Er regierte elf
Jahre in Jerusalem und tat, was Jahwe, seinem Gott, missfiel. Er beugte
sich nicht vor dem Propheten Jeremia, der im Auftrag Jahwes zu ihm
sprach. Auch gegen König Nebukadnezzar, der ihn vor Gott einen
Treueid hatte schwören lassen, lehnte er sich auf. Hartnäckig und stur
weigerte er sich, zu Jahwe, dem Gott Israels, umzukehren. Auch die führenden Priester und das Volk trieben es mit ihrer Untreue immer schlimmer. Sie folgten den abscheulichen Bräuchen der anderen Völker und
entweihten das Haus Jahwes, das er in Jerusalem zu seinem Heiligtum
gemacht hatte. Immer wieder hatte Jahwe, der Gott ihrer Väter, seine
Boten zu ihnen geschickt, denn sein Volk und seine Wohnung taten ihm
leid. Aber sie verhöhnten die Boten Gottes, verachteten seine Worte und
verspotteten seine Propheten, bis der Zorn Jahwes über sein Volk so
groß wurde, dass es keine Rettung mehr gab.
Jahwe ließ den König der Chaldäer gegen sie heranrücken und auch im
Haus des Heiligtums ihre jungen Männer mit dem Schwert umbringen.
Er verschonte keinen jungen Mann und keine junge Frau, keinen Alten
und keinen Greis. Alle gab er in seine Gewalt. Sämtliche großen und
kleinen Gegenstände des Gotteshauses ließ er nach Babylon bringen,
dazu die Schätze aus dem Haus Jahwes und die Schätze des Königs
und der anderen führenden Männer. Dann ließ er das Haus Gottes in
Brand stecken und die Stadtmauer Jerusalems niederreißen. Auch
alle Paläste in der Stadt ließ er niederbrennen und auf diese Weise
alles Wertvolle vernichten. Alle, die dem Schwert entgangen waren,
verschleppte er nach Babylonien. Dort mussten sie dem König und
seinen Nachkommen als Sklaven dienen, bis die Perser die Herrschaft
übernahmen. So bekam das Land seine Sabbatruhe ersetzt, solange
die Verwüstung dauerte, bis die 70 Jahre voll waren. Und so erfüllte sich
das Wort, das Jahwe durch Jeremia hatte sagen lassen.“ f
Was bisher geschah
Die biblische Vorgeschichte
zu Händels Belshazzar
Nebukadnezar II., seit 604 v. Chr. neubabylonischer König, unternahm
ausgedehnte Eroberungsfeldzüge, die zum Teil als Strafaktion gegen
aufbegehrende Provinzen, zum Teil der rigorosen Expansionspolitik des
babylonischen Reiches dienten. In den Königsinschriften spricht er:
„Ferne Länder, entlegene Gebirge vom oberen Meer bis zum unteren
Meer, schwierige Wege, verschlossene Pfade, wo der Schritt schwer
wird und der Tritt verwehrt ist, durstreiche Strecken wurden durchzogen
und die Unbotmäßigen getötet, Feinde gefangen, das Land habe ich
recht geleitet und das Volk üppig gedeihen lassen.“ 612 v. Chr. wurde
die Stadt Ninive von seinem Vater Nabopolassar eingenommen, und der
junge König hatte mit gewaltigen logistischen Problemen zu kämpfen,
da die Teile seines Reichs weit auseinander lagen und Babylon nicht
mehr deren geographischen Mittelpunkt stellte.
Keilschriftfunde erwähnen im Jahr 598 v. Chr einen Feldzug des Königs
gegen eine Provinz namens Jechuda. Im Anschluss daran finden sich hebräische Namen aus der Oberschicht in den babylonischen Urkunden.
In der Bibel hat Nebukadnezar im Buch Jeremia die Rolle eines
Werkzeugs Gottes, der die Stadt für ihre Sündhaftigkeit bestraft. Die
Babylonier nehmen auf ihrem Feldzug Jerusalem ein, zerstören den
Tempel Salomons, dessen heiliges Tempelgerät Nebukadnezar nach
Babylon in seine Schatzkammer bringen lässt, und die Stadt wird bis
auf die Grundmauern niedergebrannt. Im Tross des Heeres wird das
Volk Israel in babylonische Gefangenschaft verschleppt, die symbolische 70 Jahre andauert. Die Zerstörung Jerusalems und das Exil,
verbunden mit erzwungener Assimilation an babylonische Kultur, sind
die Ur-Katastrophen der hebräischen Theologie (auf die noch Christus
anspielt in seiner Prophezeiung, er könne den Tempel niederreißen und
in drei Tagen wieder aufbauen).
Bei den Exilanten befinden sich auch vier junge Israeliten, die als Pagen
des Königs ausgewählt am Hof Nebukadnezars aufwachsen. Unter
ihnen ist der Prophet Daniel, der es aufgrund seiner gottgefälligen
Lebensweise und seiner Gabe zur Vorhersage und Traumdeutung zu
Ansehen bei Nebukadnezar bringt.
2. Chronik, Kap. 36, 11-23
90
91
Belshazzar ƒ Biblische Vorgeschichte
Belshazzar ƒ Inhaltsangabe
Um das Jahr 543 v. Chr. regiert in Babylon der Kronprinz Belsazar,
Sohn Nebukadnezars (tatsächlich: Nabonaid) und der Nitocris mit
Grausamkeit und Verschwendungssucht sein Volk, dass aufgrund seiner alten Kultur von seiner Überlegenheit und Unbesiegbarkeit prahle-
BELSHAZZAR
risch überzeugt ist. Von der Strenge und Gottgefälligkeit seines Vaters
hat Belsazar nichts geerbt. Im Lager der in Babylon lebenden Juden
herrscht nach siebzig Jahren Gefangenschaft tiefe Hoffnungslosigkeit.
Da erreicht die Kunde, dass sich Kyros, König des jungen Perserreichs,
zu einem Feldzug aufgemacht hat. Bald schon liegt das gewaltige Heer
vor den Toren Babylons… f
Nitocris regiert zusammen mit ihrem Sohn Belshazzar über das
Babylonische Reich. Sie fürchtet, dass das Reich dem Untergang
geweiht ist. Die Babylonier verspotten den Perserkönig Cyrus, der ihre
Stadt belagert. Cyrus hatte einen Traum in dem Gott ihn auserwählte,
den Fluss Euphrat umzuleiten, Babylon zu erobern und das jüdische
Volk aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Er erzählt Gobryas von
diesem Traum. Dessen Sohn war von Belshazzar erschlagen worden.
Beim Sesachfest, das bevorsteht, soll die Stadt eingenommen wer-
ERSTER AKT
den. Der jüdische Prophet Daniel liest aus seinen Büchern die baldige Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft durch Cyrus.
Belshazzar bereitet das Fest vor. Nitocris ist empört über das Verhalten
ihres Sohnes. Um die Juden und ihren Gott zu provozieren lässt er sich
ihre geweihten Gefäße bringen, eine Kriegsbeute aus dem jüdischen
Tempel. Die will er öffentlich entweihen. Dabei beruft er sich auf den
Glauben seiner Vorfahren.
ZWEITER AKT
Cyrus dringt in die Stadt ein. Während das Sesachfest provozierend
gefeiert wird, erscheinen Zeichen an der Wand, die weder der zu Tode
erschrockene Belshazzar noch seine herbeigerufenen Weisen entziffern
können. Der Prophet Daniel deutet die Zeichen. Er sagt das Ende von
Belshazzars Herrschaft und seinen Fall durch die Perser und Meder
voraus. Währenddessen sind Cyrus und Gobryas auf dem Weg zum
Palast.
DRITTER AKT
Nitocris hofft, ihr Sohn würde bereuen und umkehren. Ein babylonischer Adliger, Arioch, berichtet, dass Belshazzar seine Provokationen
unbeeindruckt fortgesetzt habe. Daniel macht ihr klar, dass es für
ihren Sohn keine Hoffnung mehr gibt. Ein Bote meldet die Eroberung
Babylons durch Cyrus. Belshazzar wird getötet. Nitrocis unterwirft
sich dem Perserkönig. Der möchte an Stelle Belshazzars als Sohn von
ihr angenommen werden. Daniel erkennt in Cyrus den prophezeiten
Retter seines Volkes, der dazu auserkoren ist, den zerstörten Tempel in
Jerusalem wiederaufbauen zu lassen. 92
93
Belshazzar
Oratorium in drei Akten
PERSONEN
BELSHAZZAR, König von Babylon (Tenor)
NITOCRIS, Mutter Belshazzars (Sopran)
CYRUS, Prinz der Perser (Countertenor)
DANIEL, ein jüdischer Prophet (Mezzosopran)
GOBRYAS, ein assyrischer Adliger, der von Belshazzars
auf Cyrus’ Seite gewechselt ist (Bass)
ARIOCH, ein babylonischer Adliger (Tenor)
BOTE (Bass)
CHOR
Babylonier, Juden, Meder und Perser
Die Handlung findet in und um das Babylon, die Hauptstadt
Assyriens, im Jahre 538 v. Chr. statt.
95
Belshazzar (Kenneth Tarver) und Chor
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 1
Belshazzar ƒ 1. akt, 1. Szene
Act One
Erster Akt
No. 1 Overture
Nr. 1 Ouvertüre
Scene 1
Erste Szene
No. 2 Accompagnato
The Palace in Babylon
Nr. 2 Accompagnato
Der Palast in Babylon
Nitocris
Vain, fluctuating state of human empire!
First, small and weak, it scarcely rears its head,
Scarce stretching out its helpless infant arms,
Implores protection of its neighbour states,
Who nurse it to their hurt.
Anon, it strives for pow’r and wealth, and spurns at opposition.
Arriv’d to full maturity, it grasps
At all within its reach, o’erleaps all bounds,
Robs, ravages and wastes the frighted world.
At length, grown old and swell’d to bulk enormous,
The monster in its proper bowels feeds
Pride, luxury, corruption, perfidy,
Contention, fell diseases of a state,
That prey upon her vitals. Of her weakness
Some other rising pow’r advantage takes,
(Unequal match!) plies with repeated strokes
Her infirm aged trunk: she nods, she totters,
She falls, alas, never to rise again!
The victor state, upon her ruins rais’d,
Runs the same shadowy round of fancied greatness,
Meets the same certain end.
No. 3 Air
Nitocris
Thou, God most high, and Thou alone,
Unchang’d for ever dost remain:
Through boundless space extends thy throne,
Through all eternity thy reign.
As nothing in thy sight
96
Nitocris
Eiteler, schwankender Zustand des menschlichen Staates!
Klein und schwach, kaum dass er den Kopf erhebt,
und die hilflosen Säuglingsarme ausstreckt,
fleht er schon Nachbarstaaten um Schutz an,
die sich nur schaden, wenn sie ihn stillen. Bald darauf strebt er
nach Macht und Reichtum und verachtet [jeden] Widerstand.
Zur vollen Reife gelangt, greift er
nach allem in Reichweite, sprengt alle Grenzen,
raubt, verwüstet, und zerstört die beängstigte Welt.
Zuletzt, alt und zu Riesengröße angeschwollen,
ernährt das Ungeheuer in seinen Eingeweiden
Stolz, Üppigkeit, Korruption, Untreue,
und Streitigkeit – gefährliche Seuchen eines Staates –
die seine lebenswichtigen Organe befallen. Dann nutzt eine
andere wachsende Macht seine Schwäche aus
(ungleicher Wettkampf!) und drängt seinem alten schwachen
Stamm wiederholte Schläge auf: er wankt, er schwankt,
er fällt nieder, ach, und richtet sich nie wieder auf!
Der siegende Staat, auf seinen Ruinen gebaut,
durchläuft den gleichen Schattenkreis erträumter Größe
und findet das gleiche unausweichliche Ende.
Nr. 3 Arie
Nitocris
Du, höchster Gott, der Du allein auf immer unverändert bleibst:
durch endlosen Raum erstrecken sich deine Throne,
und durch alle Ewigkeit dein Reich.
Vor dir erscheint der Mensch,
einem Wurm gleich, wie nichts,
Wir bitten Sie leise umzublättern. 97
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 2
Belshazzar ƒ 1. akt, 2. Szene
The reptile man appears,
Howe’er imagin’d great;
Who can impair thy might?
In Heav’n or earth, who dares
Dispute thy pow’r? – Thy will is fate.
egal wie groß er sich wähnt.
Wer kann schon deine Kraft beeinträchtigen?
Wer wagt im Himmel und auf Erden
deine Macht zu bestreiten? –
Dein Wille ist Schicksal.
Thou, God most high… da capo
Du, höchster Gott… da capo
Scene 2
The camp of Cyrus before Babylon. A view of the city, with the River
Euphrates running through it. Cyrus, Gobryas, Medes and Persians
Zweite Szene
Das Lager von Cyrus vor Babylon. Eine Ansicht der Stadt, durch die
der Euphrat fließt. Cyrus, Gobryas, Meder und Perser.
No. 4 Chorus of Babylonians
Upon the walls, deriding Cyrus, as engaged in an impractible
undertaking.
Nr. 4 Chor
Chor der Babylonier auf der Mauer, Cyrus verspottend, da er sich
etwas Unmögliches vorgenommen hat.
Behold, by Persia’s hero made
In ample form, the strong blockade!
How broad the ditch, how deep it falls!
What lofty tow’rs o’erlook the walls!
Hark, Cyrus! Twenty times the sun
Round the great year his course shall run:
If there so long thy army stay,
Not yet to dogs and birds a prey,
No succour from without arrive,
Within remain no means to live,
We then may think it time to treat,
And Babylon capitulate.
A tedious time! To make it short,
Thy wise attempt will find us sport.
No. 5 Recitative
Gobryas
Well may they laugh, from meagre famine safe,
In plenteous stores for more than twenty years;
From all assault secure in gates of brass,
And walls stupendous; in Euphrates’ depth
Yet more secure.
98
Seht wie die starke Blockade eifrig
vom Helden der Perser umstellt wird!
Wie breit der Graben ist, wie tief er hinuntergeht!
Welch’ hohe Türme überragen die Mauer!
Horch, Cyrus! Zwanzigmal wird die Sonne
ihre Laufbahn um das große Jahr durchstreifen:
Wenn dein Heer so lange dort bleibt,
ohne Beute von Hunden und Vögeln zu werden,
und wenn keine Hilfe von Außen kommt,
und es allmählich drinnen kein Mittel zum Überleben mehr gibt,
dann meinen wir vielleicht, die Zeit zu Handeln sei gekommen,
und dass Babylon sich ergebe.
Welch lange Zeit! Um sie zu verkürzen,
wird uns dein kluger Versuch belustigen.
Nr. 5 Rezitativ
Gobryas
Sie haben leicht lachen, da sie vor dürftiger Hungersnot sicher sind,
und reichlich Vorräte für über zwanzig Jahre haben;
vor jedem Angriff sind sie sicher hinter den Eisentoren
und den gewaltigen Mauern; durch die Tiefe des Euphrat
sind sie noch mehr geschützt.
99
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 2
Belshazzar ƒ 1. akt, 2. Szene
Cyrus
‘Tis that security
Shall aid me to their ruin. I tell thee, Gobryas,
I will revenge thy wrongs upon the head
Of this inhuman king.
No. 6 Accompagnato
Gobryas
Oh, memory!
Still bitter to my soul! Methinks I see
My son, the best, the loveliest of mankind,
Whose filial love and duty above all sons
Made me above all other fathers happy,
I see him breathless at the tyrant’s feet,
The victim of his envy.
No. 7 Air
Gobryas
Oppress’d with never-ceasing grief,
I drag a painful, weary life;
Of all that made life sweet bereft,
No hope, but in revenge, is left.
No. 8 Air
Cyrus
Dry those unavailing tears,
Haste your just revenge to speed;
I’ll disperse your gloomy fears,
Dawning hope shall soon succeed.
100
Cyrus
Genau diese Sicherheit wird mir dabei helfen,
ihren Untergang herbeizuführen. Ich sage dir, Gobryas,
ich werde dich für das Unrecht, das du erleiden musstest,
an dem Haupt dieses unmenschlichen Königs rächen.
Nr. 6 Accompagnato
Gobryas
O Erinnerung!
Noch ist bitter meine Seele! Mir scheint’s, ich sehe
meinen Sohn, den besten, den schönsten der Menschen,
dessen Kindesliebe und -pflicht mehr als alle Söhne
mich mehr als alle Väter glücklich machte,
ich sehe ihn leblos zu den Füßen des Tyrannen,
das Opfer seines Neids.
Nr. 7 Arie
Gobryas
Bedrückt von unaufhörlicher Trauer
schleppe ich mich durch ein schmerzlich müdes Leben,
von allem beraubt, das das Leben süß macht;
es bleibt keine Hoffnung außer der Rache.
Nr. 8 Arie
Cyrus
Trockne die unnützen Tränen;
eile dich, die gerechte Rache zu beginnen:
ich werde deine düsteren Ängste zerstreuen,
aufdämmernde Hoffnung wird bald Wirklichkeit werden.
101
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 2
Belshazzar ƒ 1. akt, 2. Szene
No. 9 Recitative
Cyrus
Be comforted: safe though the tyrant seem
Within those walls,
I have a stratagem, inspir’d by Heav’n
(dreams oft descend from Heav’n)
Shall baffle all his strength;
So strong my mind th’impression bears,
I cannot think it less.
Nr. 9 Rezitativ
Cyrus
Sei getrost: egal wie sicher der Tyrann
hinter diesen Mauern erscheinen mag,
mir hat der Himmel eine Kriegslist eingegeben
(Träume kommen oft vom Himmel),
die seine ganze Macht vereiteln wird;
mein Geist ist so tief davon beeindruckt,
dass ich nicht wenig davon erwarte.
No. 10 Accompagnato
Cyrus
Methought, as on the bank of deep Euphrates
I stood, revolving in my anxious mind
Our arduous enterprise, a voice divine,
In thunder utter’d, to the bottom seem’d
To pierce the river’s depth. The lofty tow’rs
Of yon proud city trembling bow’d their heads,
As they would kiss the ground. “Thou deep,” it said,
“Be dry”. No more; but instant at the word,
The stream forsook its bank, and in a moment
Left bare his oozy bed. Amaz’d I stood:
Horror, till then unknown, uprais’d my hair,
And froze my falt’ring tongue. The voice renew’d:
“Cyrus, go on, and conquer: ‘tis I that rais’d thee,
I will direct thy way. Build thou my city,
And without ransom set my captives free.”
Nr. 10 Accompagnato
Cyrus
Mir schien, als ich am Ufer des tiefen Euphrats
stand, und unser beschwerliches Vorhaben
mit besorgtem Geist erwog, dass eine göttliche Stimme
im Donner sprach, und des Flusses Tiefe
ganz zu durchdringen schien. Die hohen Türme
der stolzen Stadt dort zitterten und beugten ihre Haupte,
als küssten sie den Boden. „Du Tiefe,“ sprach sie,
„Sei trocken.“ Nichts weiter; aber sobald dies Wort erscholl,
verließ der Strom sein Ufer, und auf einmal war
das schlammige Flussbett leer. Ich stand erstaunt:
Grauen, bisher mir fremd, ließ mir die Haare zu Berge stehen
und die schwere Zunge erstarren. Die Stimme rief erneut:
„Cyrus, geh fort und erobere: ich bin’s, der dich erhob,
ich werde dir deinen Weg zeigen. Bau meine Stadt auf,
und befreie meine Gefangenen ohne Lösegeld.“
No. 11 Recitative
Nr. 11 Rezitativ
Cyrus
Now tell me, Gobryas, does not this Euphrates
Flow through the midst of Babylon?
Cyrus
Nun sag mir, Gobryas, fließt dieser Euphrat
nicht mitten hin durch Babylon?
Gobryas
It does.
Gobryas
Ja, so ist’s.
102
103
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 2
Belshazzar ƒ 1. akt, 2. Szene
Cyrus
And I have heard you say, that on the west
A monstrous lake, on ev’ry side extended,
Four hundred furlongs, while the banks were made,
Receiv’d th’exhausted river?
Cyrus
Und hast du nicht gesagt, dass im Westen
ein ungeheuerer See sei, der sich allseitig
vier hundert Achtelmeilen ausdehnt,
und der einst beim Uferbau den erschöpften Fluss aufnahm?
Gobryas
‘Tis most true.
Gobryas
Das stimmt allerdings.
Cyrus
Might we not then
By the same means now drain Euphrates dry,
And through its channel march into the city?
Cyrus
Könnten wir denn nicht jetzt
auf die gleiche Weise den Euphrat trocken legen,
und durch dessen Flussbett in die Stadt marschieren?
Gobryas
Suppose this done: yet still the brazen gates,
Which from the city to the river lead,
Will bar our passage, always shut by night,
When we must make th’attempt. Could we suppose
Those gates unshut, we might indeed ascend
With ease into the city.
Gobryas
Vorausgesetzt, wir täten das und wir den Versuch machten,
so versperren uns immer noch
die Messingtore, die von der Stadt zum Fluss führen,
den Durchgang, da sie immer nachts geschlossen sind.
Könnten wir davon ausgehen, dass diese Tore unversperrt sind, so gelänge es uns mit Leichtigkeit, in die Stadt hinauf zu gelangen.
Cyrus
Said you not
This is the feast to Sesach consecrate?
And that the Babylonians spend the night
In drunken revels, and in loose disorder?
Cyrus
Hast du nicht gesagt,
heute sei der dem Sesach geweihte Festtag?
Und dass die Babylonier diese Nacht
bei besoffenen Feiern und lärmender Unordnung verbringen?
Gobryas
They do; and ‘tis religion to be drunk
On this occasion.
Gobryas
Das machen sie; und Trunkenheit gilt als Frömmigkeit
zu diesem Anlass.
104
105
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 2
Belshazzar ƒ 1. akt, 2. Szene
No. 12 Air
Nr. 12 Arie
Gobryas
Behold the monstrous human beast
Wallowing in excessive feast!
No more his Maker’s image found:
But, self-degraded to a swine,
He fixes grov’ling on the ground
His portion of the breath Divine.
Gobryas
Schau das maßlose menschliche Tier an,
wie es sich in übermäßigen Gelagen suhlt!
Es findet seines Schöpfers Ebenbild nicht mehr,
doch, zum Schwein entartet
und auf dem Boden kriechend, verneint
es seinen göttlichen Anteil.
Behold the monstrous… da capo
No. 13 Recitative
Schau das maßlose… da capo
Nr. 13 Rezitativ
Cyrus
Can you then think it strange, if drown’d in wine,
And from above infatuate, they neglect
The means of their own safety?
Cyrus
Kommt es dir etwa seltsam vor, wenn sie
– trunken von Wein und von oben betört –
die Mittel ihrer eigenen Sicherheit vergessen?
My friends, be confident, and boldly enter
Upon this high exploit. No little cause
We have to hope success; since not unjustly
We have attack’d, but being first attack’d,
We have pursu’d th’aggressor. Add to this,
That I proceed in nothing with neglect
Of pow’r divine: whate’er I undertake,
I still begin with God, and gain his favour
With sacrifice and prayer.
No. 14 Chorus
Chorus of the Persians
All empires upon God depend;
Begun by his command, at his command they end.
Look up to him in all your ways,
Begin with pray’r and end with praise.
106
Meine Freunde, seid zuversichtlich,
und beginnt mutig diese große Heldentat.
Unsre Hoffnung auf Erfolg ist nicht gering;
da wir nicht ungerecht angegriffen haben,
sondern zuerst angegriffen wurden,
haben wir nun den Angreifer verfolgt. Dazu kommt,
dass ich nichts unternehme ohne die göttliche Macht zu beachten:
Was immer ich unternehme, beginne ich stets mit Gott,
und erhalte seine Gunst durch Opfer und Gebet.
Nr. 14 Chor
Chor der perser
Alle Reiche hängen von Gott ab;
durch sein Gebot begonnen, enden sie auf sein Gebot auch.
Schaut auf zu ihm auf allen euren Wegen:
Beginnt mit Gebet, beschließt mit Lob.
107
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 3
Belshazzar ƒ 1. akt, 3. Szene
Scene 3
Daniel’s house. Daniel, with the Prophecies of Isaiah and Jeremiah
open before him. Other Jews.
Dritte Szene
Daniels Haus. Daniel hat die Prophezeiungen Jesajas und Jeremias
geöffnet vor sich liegen. Daniel und andere Juden.
No. 15 Air
Nr. 15 Arie
Daniel
O sacred oracles of truth,
O living spring of purest joy!
By day be ever in my mouth,
And all my nightly thoughts employ.
Whoe’er withhold attention due,
Neglect themselves, despising you.
Daniel
O heilige Weissagungen der Wahrheit,
o lebende Quelle reinster Freude!
Bei Tag seid stets in meinem Mund,
und beschäftigt alle meine nächtlichen Gedanken.
Wer auch immer die gebührende Achtung verweigert,
verachtet sich selbst, indem er dich verachtet.
O sacred oracles… da capo
No. 16 Accompagnato
Daniel
Rejoice, my countrymen! The time draws near,
The long-expected time herein foretold:
“Seek now the Lord your God with all your heart,
And you shall surely find him. He shall turn
Your long captivity: he shall gather you
From all the nations whither you are driven,
And to your native land in peace restore you.”
No. 17 Recitative
Daniel
For long ago,
Whole ages ere this Cyrus yet was born
Or thought of, great Jehovah, by His Prophet,
In words of comfort to his captive people
Foretold, and call’d by name the wond’rous man.
108
O heilige Weissagungen… da capo
Nr. 16 Accompagnato
Daniel
Jubelt, meine Landsleute! Die Zeit rückt näher,
die lang erwartete Zeit, hier vorausgesagt:
„Suchet nun den Herrn euren Gott mit ganzem Herzen,
und ihr werdet ihn sicherlich finden. Er wird eure
lange Gefangenschaft wenden: er wird euch aus allen Ländern
sammeln, wo immer ihr hin getrieben worden seid,
und euch in Frieden eurem Heimatland zurückgeben.“
Nr. 17 Rezitativ
Daniel
Denn vor langer Zeit – viele Generationen ehe Cyrus
noch geboren war oder an ihn gedacht wurde –
hat der große Jehova durch seinen Propheten
den wundersamen Mann mit Worten des Trosts
seinem gefangenen Volk vorausgesagt und mit Namen benannt.
109
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 3
No. 18 Accompagnato
Daniel
“Thus saith the Lord to Cyrus, his anointed,
Whose right hand I have holden, to subdue
Nations before him: I will go before thee,
To loose the strong-knit loins of mighty kings,
Make straight the crooked places, break in pieces
The gates of solid brass, and cut in sunder
The bars of iron, for my servant’s sake,
Israel my chosen, though thou hast not known me,
I have surnam’d thee: I have girded thee:
That from the rising to the setting sun
The nations may confess, I am the Lord,
There is none else, there is no God besides me.
Thou shalt perform my pleasure, to Jerusalem
Saying, Thou shalt be built; and to the Temple,
Thy raz’d foundation shall again be laid.”
after Isaiah 45: 1–6; 44: 28
No. 19 Chorus
Chorus of the Jews
Sing, O ye Heav’ns, for the Lord hath done it!
Earth, from thy centre shout!
Break forth, ye mountains, into songs of joy,
O forest, and each tree therein,
For the Lord hath done it!
Jehovah hath redeemed Jacob,
And glorified himself in Israel.
Hallelujah! Amen, Hallelujah!
110
Belshazzar ƒ 1. akt, 3. Szene
Nr. 18 Accompagnato
Daniel
„Also spricht der Herr zu Cyrus seinem Gesalbten,
dessen rechte Hand ich auserkoren habe, alle Nationen
ihm zu unterwerfen: Ich werde vor dir gehen,
um die stark gebundenen Lenden mächtiger Könige zu lösen,
die krummen Orte zu ebnen, die Tore aus festem Messing
zu zertrümmern, und die Eisenriegel zu zerhauen –
um meinesDieners willen: für Israel, mein auserwähltes Volk.
Obwohl du mich nicht kanntest, habe ich dich benannt:
ich habe dich gegürtet:
damit von der aufgehenden bis zur untergehenden Sonne
die Völker es kundtun: ich bin der Herr,
es gibt keinen anderen, es gibt keinen Gott außer mir.
Du wirst meinen Willen durchführen, zu Jerusalem sagen:
Du sollst gebaut werden; und zu dem Tempel:
Dein niedergerissenes Fundament soll wieder errichtet werden.“
Nr. 19 Chor
Chor der Juden
Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat’s getan:
Rufe, du Erde, jubele,
ihr Berge, frohlocket mit Jauchzen;
der Wald und alle Bäume drinnen,
denn der Herr hat’s getan.
Jehova hat Jakob erlöst,
und sich in Israel verherrlicht.
Hallelujah, Amen, Hallelujah!
111
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 4
Belshazzar ƒ 1. akt, 4. Szene
Scene 4
The Palace. Belshazzar, Nitocris, Babylonians and Jews.
VIERTE SZENE
Der Palast. Belshazzar, Nitocris, Babylonier und Juden.
No. 20 Air
Nr. 20 Arie
Belshazzar
Let festal joy triumphant reign,
Glad ev’ry heart, in ev’ry face appear!
Free flow the wine, nor flow in vain;
Far fly corroding care.
Each hand the chime melodious raise,
Each voice exult in Sesach’s praise;
Let order vanish! Liberty alone,
Unbounded liberty the night shall crown.
Belshazzar
Lasst festliche Freude triumphierend herrschen,
froh erscheine jedes Herz auf jedem Gesicht!
Frei ströme der Wein, und nicht ohne Wirkung;
weit entfliehe ätzender Kummer.
Jede Hand erhebe das Glas
jede Stimme frohlocke im Lobe Sesachs.
Lass Ordnung schwinden! Freiheit allein,
unbegrenzte Freiheit soll diese Nacht krönen.
Let festal joy… da capo
No. 21 Recitative
Lasst festliche Freude… da capo
Nr. 21 Rezitativ
Belshazzar
For you my friends, the nobles of my court,
I have prepar’d a feast magnificent,
Worthy of you and me.
Let all my wives and concubines attend.
Our royal mother –
Belshazzar
Für euch, meine Freunde, die Edlen meines Hofs,
habe ich ein prächtiges Festgelage vorbereitet,
das euch und mir würdig ist.
Unsre königliche Mutter und Regentin unseres Reiches,
bitten wir inständig, als Ehrengast unseres Festes teilzunehmen.
Nitocris
I must prevent thee, son. Who can endure
Th’unbridled license of this festival,
Miscall’d by the licentious, liberty?
Where nought prevails but riotous excess,
The noisy idiot laugh, the jest obscene,
The scurril taunt, and drunken midnight brawl.
My soul starts back at such brutality,
Asserting reason’s empire.
Nitocris
Ich muss dich zurückhalten, Sohn. Wer kann
die grenzenlose Zügellosigkeit dieses Fests,
von der Liederlichen Freiheit missbenannt, ertragen?
Wo nichts außer tobender Ausschweifung herrscht,
nichts außer dem lärmenden Idiotenlachen, dem obszönen Scherz,
dem unflätigen Hohn und besoffener Mitternachtsprügelei.
Meine Seele schreckt vor solcher Brutalität zurück,
und besteht auf dem Reich der Vernunft.
112
113
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 4
Belshazzar ƒ 1. akt, 4. Szene
Nr. 22 Arie
No. 22 Air
Nitocris
The leafy honours of the field,
Before the furious driving wind,
In giddy dissipation fly.
To noise and folly forc’d to yield,
The fair ideas quit the mind,
And lost in wild confusion lie.
Nitocris
Die lorbeerbekränzten Ehren des Schlachtfelds
fliegen in schwindelnder Zerstreuung
vor dem wütenden treibenden Wind.
Die schönen Ideen, die sich dem Lärm und der Torheit
zu ergeben gezwungen sind, verlassen den Geist,
und verlieren sich in wilder Verwirrung.
The leafy honours… da capo
Die lorbeerbekränzten Ehren… da capo
Nr. 23 Rezitativ
No. 23 Recitative
Belshazzar
Es ist Sitte, ich kann auch sagen, Gesetz,
nach alter Verordnung festgelegt.
Belshazzar
It is the custom, I may say, the law,
By long prescription fix’d.
Looking round and spying the Jews.
Schaut um sich herum und erblickt die Juden.
These captive Jews!
What do they here? They low’r upon our joys,
And envy liberty they cannot taste.
Yet something your perverse and wayward nation
Shall to our mirth contribute. Bring those vessels,
Those costly vessels my victorious grandsire
Took from the Temple of Jerusalem,
And in the temple of Bel laid up,
But us’d them not: — ‘tis fit they should be us’d.
And let their God, whose pow’r was found too weak
To save his people, serve the conquerors
Of him and them. We’ll revel in his cups:
Their rich materials and choice workmanship
Shall well augment the splendor of our feast.
And as we drink, we’ll praise our country gods,
To whom we owe the prize.
Nitocris
Oh, sacrilege,
Unheard of profanation!
114
Diese gefangenen Juden!
Was machen sie denn hier? Sie schmollen bei unsren Freuden,
und neiden uns die Freiheit, die sie nicht kosten dürfen.
Doch soll euer verstocktes und eigensinniges Volk etwas
zu unsrer Fröhlichkeit beitragen. Bringt jene Gefäße,
die teuren Gefäße, die mein siegreicher Großvater
aus dem Tempel in Jerusalem nahm,
und in dem Tempel Baals aufstellte,
doch nicht benutzte: Es ziemt sich, von ihnen Gebrauch zu machen.
Und lass ihren Gott, dessen Macht sich zu schwach erwies,
um sein Volk zu retten, nun seinen und ihren Eroberern dienen.
Wir ergötzen uns an seinen Kelchen:
ihre reichen Stoffe und erwählten Handarbeiten
sollen die Pracht unseres Festes bereichern.
Und während wir trinken, werden wir die Götter unseres Landes loben,
denen wir diese Beute verdanken.
Nitocris
O Frevel!
Unerhörte Entweihung!
115
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 4
No. 24 Chorus
Chorus of Jews
Recall, O king, thy rash command!
Nor prostitute with impious hand
To uses vile the holy things
Of great Jehovah, king of kings.
Thy grandsire trembled at his name,
And doom’d to death who durst blaspheme;
For he, like us, his pow’r had tried,
Confess’d him just in all his ways,
Confess’d him able to abase
The sons of men that walk in pride.
No. 25 Recitative
Belshazzar ƒ 1. akt, 4. Szene
Nr. 24 Chor
Chor der Juden
Nimm, o König, deinen unbedachten Befehl zurück!
Und besudele nicht mit frevelnder Hand
die heiligen Gegenstände des großen Jehova,
König der Könige, mit abscheulichen Bräuchen.
Dein Großvater zitterte vor seinem Namen,
und verdammte zu Tode alle, die es wagten, ihn zu lästern.
Denn er, wie auch wir, hatte seine Macht anerkannt,
erkannte Gottes Gerechtigkeit in allem,
erkannte seine Fähigkeit, alle Menschensöhne
zu demütigen, die stolz umhergehen.
Nr. 25 Rezitativ
Nitocris
They tell you true; nor can you be to learn
(Though ease and pleasure have engross’d you all)
Things done in public view. I’ll not repeat
The seven-fold heated furnace, by that God
Whom you defy, made to his faithful servants
A walk of recreation; nor the king,
In height of all his pride, drove from his throne,
And from the first of men, in thought a god,
Reduc’d to brutal rank: all this, and more,
Thou knows’t as well as I, and shoulds’t consider.
Nitocris
Sie sagen dir die Wahrheit, und man sollte dich nicht darüber
belehren müssen (obwohl Muße und Vergnügen euch alle
gefesselt haben) was sich in aller Öffentlichkeit abspielte.
Ich werde dir nicht noch einmal vom siebenfach gefeuerten Ofen
erzählen, den der Gott, dem du trotzt, zum erfrischenden Spaziergang
für seine treuen Diener machte; auch nicht dem König,
der auf der Höhe seines ganzen Stolzes von seinem Throne
von den besten der Männer vertrieben wurde: In den der eigenen
Vorstellung ein Gott, nun zum niedrigsten Stand herabgesetzt.
Das alles und mehr weißt du so gut wie ich, und das sollst du bedenken.
Belshazzar
Away! Is then my mother convert grown
To Jewish superstition? Apostate queen!
These idle tales might well become the dotage
Of palsied eld, but not a queen like you,
In prime of life, for wisdom far renown’d.
On to the feast! I waste my time too long
In frivolous dispute, time, due of right
To pleasure and the gods.
Belshazzar
Hinweg! Hat meine Mutter sich zu jüdischem
Aberglauben bekehrt? Abtrünnige Königin!
Diese nutzlosen Märchen schicken sich vielleicht für eine
alterschwache, gelähmten Greisin, aber doch nicht für eine Königin
wie dich, in der Blüte des Lebens, durch Weisheit weit berühmt.
Auf zum Fest! Ich vergeude zu viel Zeit
mit nichtigen Streitereien; Zeit, die nach dem Gesetz
der Wonne und den Göttern gebührt.
116
117
Belshazzar ƒ ACT 1, Scene 4
Belshazzar ƒ 1. akt, 4. Szene
No. 26 Duet
Nr. 26 Duett
Nitocris
O dearer than my life, forbear!
Profane not, oh my son,
With impious rites Jehovah’s Name.
Remember what his Arm has done,
The earth contains not half his fame:
Remember, and his vengeance fear!
Nitocris
O, der du mir süßer als mein eigenes Leben bist, unterstehe dich!
Lästere nicht, o mein Sohn,
den Namen Jehovas mit schändlichen Riten.
Bedenke, was sein Arm vollbracht hat;
die Erde ist zu winzig, um auch die nur Hälfte seines Ruhmes
zu enthalten: Bedenke das, und fürchte seine Rache!
Belshazzar
O queen, this hateful theme forbear!
Join not against your son
With captive slaves, your country’s foes.
Remember what our gods have done
To those who durst their pow’r oppose.
Remember, and their vengeance fear.
Belshazzar
O Königin, vermeide dieses verhasste Thema!
Geselle dich nicht, gegen deinen eigenen Sohn,
zu gefangenen Sklaven, den Feinden deines Landes.
Bedenke, was unsre Götter denen angetan haben,
die wagen, sich ihrer Macht entgegenzusetzen.
Bedenke das, und fürchte ihre Rache.
Nitocris
Alas! Then must I see my son
Headlong to sure destruction run?
Nitocris
Oh Weh! Muss ich denn zusehen, wie mein Sohn
geradewegs ins sichere Verderben rennt?
Belshazzar
Not to destruction but delight
I fly, and all once more invite
To reign with me this happy night.
Belshazzar
Nicht ins Verderben, sondern zur Freude
eile ich, und ich lade noch mal alle ein,
mit mir in dieser fröhlichen Nacht zusammen zu herrschen.
Nitocris
O dearer than my life… da capo
Nitocris
O, der du mir… da capo
Exeunt severally.
Gehen getrennt ab.
118
119
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 1
No. 27 Chorus
Chorus of the Jews
By slow degress the wrath of God to its meridian height ascends;
There mercy long the dreadful bolt suspends,
Ere it offending man annoy;
Long patient for repentance waits, reluctant to destroy.
At length the wretch, obdurate grown,
Infatuate, makes
The ruin all his own;
And ev’ry step he takes,
On his devoted head
Precipitates the thunder down.
Belshazzar ƒ 2. akt, 1. Szene
Nr. 27 Chor
Chor der Juden
Allmählich steigt der Zorn Gottes bis auf seinen Höhepunkt;
Barmherzigkeit hält noch lange den Blitz zurück,
ehe er den Missetäter trifft;
lange geduldig wartet er auf Buße, unwillig zu zerstören.
Doch schließlich führt der Schurke,
halsstarrig und närrisch,
seinen eigenen Untergang herbei;
und jeder Schritt, den er tut,
zieht den Donner auf seinen dem Untergang
geweihten Kopf herab.
Act Two
Zweiter Akt
Scene 1
Without the city, the river almost empty.
Cyrus and Chorus of Persians and Medes.
Erste Szene
Außerhalb der Stadt, der Fluss fast ausgetrocknet.
Cyrus und der Chor der Perser und Meder.
No. 13 c Air
Nr. 13 c Arie
CYRUS
Great God, who, yet but darkly known,
Thus far hast deign’d my arms to bring;
Support me still, while I pull down
Assyria’s proud, injurious king.
So shall this hand thy altars raise,
This tongue for ever sing thy praise;
And all thy will, when clearly shown,
By thy glad servant shall be done.
120
CYRUS
Großer Gott, der, bisher nur dunkel mir bekannt,
es mir gewährte, bis hierher meine Waffen zu bringen,
stütze mich weiter, während ich
den stolzen schädlichen König Assyriens umstürze.
So wird diese Hand deinen Altar errichten,
diese Zunge auf immer dein Lob singen;
und dein ganzer Wille, wenn klar gezeigt,
wird von deinem fröhlichen Diener vollbracht.
121
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 1
No. 28 Chorus
Belshazzar ƒ 2. akt, 1. Szene
Nr. 28 Chor
Chorus See, from his post Euphrates flies,
The stream withdraws his guardian wave,
Fenceless the queen of city lies!
Chor
Seht, der Euphrat verlässt sein Bett,
der Strom entzieht seine beschützenden Wellen,
und die Königin der Städte liegt ohne Schutz!
Semi-Chorus I
Why, faithless river, dost thou leave
Thy charge to hostile arms a prey,
Expose the lives thou ought’st to save,
Prepare the fierce invader’s way,
And, like false man, thy trust betray?
Semi-Chor I
Warum, treuloser Fluss,
überlässt du deine Stadt als Beute feindlicher Waffen,
gefährdest die Leben, die du retten sollst,
bereitest den grimmigen Angreifern den Weg,
und übst wie der untreue Mensch Verrat?
Semi-Chorus II
Euphrates hath his task fulfill’d,
But to divine decree must yield.
While Babel queen of cities reign’d,
The flood her guardian was ordain’d;
Now to superior pow’r gives place,
And but the doom of Heav’n obeys.
Semi-Chor II
Der Euphrat hat seine Pflicht erfüllt,
und muss sich dem göttlichen Gebot ergeben.
Während Babel als Königin der Städte herrschte,
wurde ihr der Strom zum Schützer bestimmt;
Nun macht er der größeren Macht Platz,
und gehorcht nur dem Gesetz des Himmels.
Full Chorus
Of things on earth, proud man must own,
Falsehood is found in man alone.
Ganzer Chor
Der stolze Mensch muss es gestehen, dass von allen Dingen auf Erden
Falschheit allein in ihm vorkommt.
No. 29 Recitative
Cyrus
You see, my friends, a path into the city
Lies open. Fearless let us enter, knowing
That those we are to cope with are the same
We have already conquer’d, strengthen’d then
With aid of great and numerous allies,
Wakeful and sober, rank’d in just array;
Now all asleep, or drunk, at best disorder’d –
A helpless state! Still worse, when they shall hear
We are within their walls.
122
Nr. 29 Rezitativ
Cyrus
Ihr seht, meine Freunde, ein Weg in die Stadt
liegt offen. Lasst uns furchtlos eindringen, bewusst,
dass die, die wir bekämpfen, die gleichen sind,
die wir schon besiegten, obgleich sie damals
durch die Hilfe großer und zahlreicher Verbündeter verstärkt wurden,
die wachend und nüchtern in genauen Reihen angeordnet waren;
nun sind alle im Schlaf oder betrunken, zumindest in Verwirrung –
ein hilfloser Staat! Noch schlimmer, wenn sie hören,
dass wir schon in der Stadt sind.
123
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 2
Belshazzar ƒ 2. akt, 2. Szene
Nr. 30 Arie
No. 30 Air
Cyrus
Amaz’d to find the foe so near,
When sleep and wine their senses drown,
All hearts shall faint, and melt with fear,
All hands unnerv’d fall feebly down.
Useless the hero’s valour lies,
Useless the counsel of the wise.
Cyrus
Erstarrt, den Feind so nah zu finden,
während Schlaf und Wein ihnen die Sinne betäubt,
werden alle Herzen in Ohnmacht fallen und in Furcht vergehen,
alle Hände fallen schwach und kraftlos nieder.
Nutzlos liegt der Mut des Helden,
nichts helfen die Ratschläge des Weisen.
Amaz’d to find… da capo
No. 31 Chorus
Chorus of Persians and Medes
To arms, to arms, no more delay!
God and Cyrus lead the way.
Erstarrt, den Feind… da capo
Nr. 31 Chor
Chor der Perser und meder
Zu den Waffen, zu den Waffen, keine Verzögerung mehr!
Gott und Cyrus zeigen den Weg!
Scene 2
A banquet-room, adorned with the images of the Babylonian gods.
Belshazzar, his wives, concubines, and lords, drinking out of the
Jewish temple-vessels, and singing the praises of their gods.
Zweite Szene
Ein Festsaal, geschmückt mit Abbildern der babylonischen Götter.
Belshazzar, seine Frauen, Konkubinen und Hofleute trinken aus den
jüdischen Tempelgefäßen und singen zum Lob ihrer Götter.
No. 32 Chorus
Nr. 32 Chor
Chorus of Babylonians
Ye tutelar gods of our empire, look down,
And see what rich trophies your victory crown.
Let our bounteous gifts, which our gratitude raise,
Wine, gold, merry notes, pay our tributes of praise.
Sesach, this night is chiefly thine,
Kind donor of the sparkling wine!
124
Chor der Babylonier
Ihr schützenden Götter unseres Reichs, seht herab,
und seht, welch reiche Beute euren Sieg krönt.
Unsre großzügigen Gaben, die unseren Dank erhöhen –
Wein, Gold, fröhliche Töne – sollen als Tribute des Lobs gelten.
Sesach, diese Nacht gehört vor allem dir,
freundlichem Schenker des sprudelnden Weins.
125
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 2
Belshazzar ƒ 2. akt, 2. Szene
No. 33 Air
Belshazzar
Let the deep bowl thy praise confess,
Thy gifts the gracious giver bless!
Thy gifts, of all the gods bestow,
Improve by use, and sweeter grow.
Another bowl! ‘Tis gen’rous wine,
Exalts the human to divine.
Nr. 33 Arie
Belshazzar
Die tiefen Pokale sollen dein Lob kundtun,
deine Gaben sollen den anmutigen Fluss segnen!
Von allen Gaben, mit denen die Götter uns bescheren,
sind es deine, die besser und süßer werden, wenn
man sie gebraucht. Noch eine Schale! Der volle Wein
erhebt das Menschliche zum Göttlichen empor.
No. 34 Accompagnato and Chorus
Nr. 34 Accompagnato und Chor
Belshazzar
Where is the God of Judah’s boasted pow’r?
Let him reclaim his lost magnificence,
Assert his rights,
prov’d ours by long possession,
And vindicate his injur’d honour!
Ah!
Belshazzar
Wo ist die berühmte Macht des Gottes Judas?
Er soll doch seine verlorene Herrlichkeit zurückgewinnen,
auf sein Recht bestehen, das aber nun uns gehört – da wir es schon so lange in Anspruch nehmen, und seine verletzte
Ehre rechtfertigen!
Ah!
As he is going to drink, a hand appears writing upon the wall over
against him: he sees it, turns pale with fear, drops the bowl of wine,
falls back in his seat, trembling from head to foot, and his knees
knocking against each other.
Als er im Begriff ist zu trinken, erscheint eine Hand, die an die Wand
ihm gegenüber schreibt: er sieht sie, erblasst vor Angst, lässt die
Schale Wein fallen, fällt auf seinen Sitz zurück, und zittert an Händen
und Füßen.
Chorus of Babylonians
Help, help the king! He faints, he dies!
What envious demon blasts our joys,
And into sorrow turns?
Look up, O king! Speak, cheer thy friends!
Say, why our mirth thus sudden ends,
And the gay circle mourns?
Chor der Babylonier
Helft, helft dem König! Er fällt in Ohnmacht, er stirbt!
Welcher neidische böse Geist vernichtet unsre Freuden
und verwandelt sie in Leiden?
Blick auf, O König! Sprich, muntere deine Freunde auf!
Sag, warum unsre Fröhlichkeit so plötzlich aufhört,
und der heitere Kreis trauert?
Belshazzar
Behold! See there!
Belshazzar
Schaut! Seht da!
Pointing to the hand upon the wall, which, while they gaze at it with
astonishment, finishes the writing, and vanishes.
Zeigt auf die Hand an der Wand, die, während sie sie mit Verwunderung
anstarren, die Schrift zu Ende bringt und verschwindet.
126
127
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 2
Chorus of Babylonians
Oh, dire portentous signt! But see, ‘tis gone,
And leaves behind it types unknown,
Perhaps some stern decree of fate,
Big with the ruin of our state!
What God, or godlike man, can tell
The sense of this mysterious spell?
No. 35 Recitative
Belshazzar
Call all my Wise Men, Sorcerers, Chaldeans,
Astrologers, Magicians, Soothsayers:
They can perhaps unfold the mystic words,
Dispel our doubts, and ease us of our fears.
No. 36 Sinfonia Postillions
Enter Wise Men of Babylon.
No. 37 Recitative
Belshazzar ƒ 2. akt, 2. Szene
Chor der Babylonier
O schreckliches; unheilverkündendes Zeichen!
Doch seht, die Hand ist weg, und lässt die unbekannte Schrift zurück,
vielleicht irgendein strenges Schicksalsurteil,
trächtig mit dem Untergang unseres Staates!
Welcher Gott oder göttliche Mensch kann
den Sinn dieses unheimlichen Zauberspruchs deuten?
Nr. 35 Rezitativ
Belshazzar
Ruft alle meine Weisen, Magier, Chaldäer,
Sterndeuter, Zauberer, und Wahrsager:
Sie können mir vielleicht die geheimnisvollen Worte entschlüsseln,
uns die Zweifel zerstreuen und die Furcht vertreiben.
Nr. 36 Sinfonia „Postillions“
Die Weisen von Babylon treten ein.
Nr. 37 Rezitativ
Belshazzar
Ye sages, welcome always to your king,
Most welcome now, since needed most! Oh, minister
To my sick mind the med’cine of your art.
Whoe’er shall read this writing and interpret,
A splendid purple robe behind him flows,
A chain of gold his honour’d neck shall grace,
And in the kingdom he shall rule the third.
Belshazzar
Ihr Weisen, stets eurem König willkommen,
und nun noch mehr willkommen, da sehr gebraucht!
O verabreicht meinem kranken Geist die Arznei eurer Kunst.
Wer auch immer diese Schrift liest und deutet,
dem wird ein prächtiges Purpurgewand hinterher wallen,
dem schmückt eine goldene Kette den geehrten Hals,
und der wird als Dritter im Reich regieren.
Three Wise Men
Alas, too hard a task the king imposes,
To read the characters we never learn’d!
Drei weise Männer
Ach, zu schwer ist die Aufgabe, die der König uns auferlegt:
Zeichen zu entziffern, die wir nie lernten!
128
129
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 2
Belshazzar ƒ 2. akt, 2. Szene
Nr. 38 Chor
No. 38 Chorus
Chorus of Babylonians
Oh, misery! Oh terror, hopeless grief!
Nor God nor man affords relief!
Who can this mystery unveil,
When all our wise diviners fail?
Chor der Babylonier
O Elend! O Schrecken, hoffnungsloses Leid!
Weder Gott noch Mensch bieten Hilfe!
Wer kann dieses Geheimnis entschleiern,
wenn selbst die weisen Wahrsager versagen?
Enter Nitocris.
Nitocris tritt ein.
No. 39 Recitative
Nr. 39 Rezitativ
Nitocris
O king, live for ever!
Let not thy heart its wonted courage lose,
Nor let thy countenance be chang’d with fear,
Though all thy wise men fail thee, in the kingdom
There is a man, among the Jewish captives,
In whom the Holy Spirit of God resides,
And in thy grandsire Nebuchadnezzar’s day
Wisdom, like that of God, was found in him,
By which he could interpret mystic dreams,
Explain hard sentences, dissolve all doubts:
Daniel his native name, but by the king
Nam’d Belteshazzar. Let him now be call’d,
He’ll read the writing, and interpret it.
Nitocris
O König, lebe auf immer!
Lass es nicht zu, dass dein Herz den gewohnten Mut verliert,
noch dass dein Antlitz mit Furcht sich verzerrt;
auch wenn alle Weisen versagen, lebt in diesem Reich
ein Mann unter den jüdischen Gefangenen,
in dem der heilige Geist Gottes wohnt,
und in den Tagen deines Großvaters Nebukadnezar
wurde gottähnliche Weisheit in ihm gefunden,
durch die er geheimnisvolle Träume deuten,
schwierige Sprüche erklären, und alle Zweifel lösen konnte.
Daniel ist sein gebürtiger Name, aber vom König wurde er
Belteshazzar genannt. Lass ihn nun rufen;
Er wird die Schrift lesen und interpretieren.
Enter Daniel.
Daniel tritt ein.
No. 40 Recitative
Belshazzar
Art thou that Daniel of the Jewish captives?
I have heard of thee.
That thou canst find interpretations deep,
And dissolve knotty doubts. If thou canst read
This writing, and explain, a purple robe
Adorns thy body, a gold chain thy neck,
And in the kingdom thou shalt rule the third.
130
Nr. 40 Rezitativ
Belshazzar
Bist du der Daniel der jüdischen Gefangenen?
Ich habe von dir gehört,
dass du unergründliche Deutungen finden und verwickelte Zweifel
lösen kannst. Wenn du diese Schrift lesen und erklären kannst,
so wird ein Purpurgewand dir den Leib,
eine goldene Kette dir den Hals zieren
und als Dritter wirst du das Reich regieren.
131
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 2
Belshazzar ƒ 2. akt, 2. Szene
No. 41 Air
Daniel
No, to thyself thy trifles be,
Or takes thy rich rewards who will!
Such glitt’ring trash affects not me,
Intent on greater matters still.
Nr. 41 Arie
DANIEL
Nein, deine Nichtigkeiten behalte für dich,
es nehme deine wertvolle Belohnung, wer will.
Solch glänzender Tand findet ei mir keine Beachtung,
der ich mich mit Größerem beschäftige.
No. 42 Accompagnato
Nr. 42 Accompagnato
Daniel
Yet, to obey his dread command,
Who vindicates his honour now,
I’ll read this oracle, and thou,
But to thy cost, shalt understand.
DANIEL
Doch um dem gewaltigen Gebot Gottes zu gehorchen,
der nun seine Ehre rechtfertigt:
Ich lese den Orakelspruch, und du
wirst ihn zu deinem Leidwesen verstehen.
Thou, O king,
Hast lifted up thyself against the Lord of Heav’n,
Whose vessels they have brought before thee,
And thou, thy lords, thy wives, and concubines,
Have drunk wine in them! Thou hast prais’d the gods
Of gold and silver, brass, iron, wood and stone,
Which neither see, nor hear, nor aught perceive!
But Him, the God whose hands upholds thy life,
And in whose high dispose are all thy ways,
Thou hast not glorified, but hast blasphem’d.
From Him the hand was sent, by His appointment
These words were written:
Du, o König,
hast dich gegen den Gott des Himmels erhoben,
dessen Gefäße sie dir gebracht haben,
und du, deine Hofleute, deine Frauen und Konkubinen
haben daraus Wein getrunken! Du hast die Götter
aus Gold und Silber, Blech, Eisen, Holz und Stein gepriesen,
die weder sehen, hören, noch irgendwas wahrnehmen!
Doch Ihn, den Gott, dessen Hände dein Leben erhalten,
und in dessen hoher Ordnungsmacht all deine Wege liegen,
hast du nicht gepriesen, sondern gelästert.
Von ihm wurde diese Hand gesandt, auf seine Weisung
wurden diese Worte geschrieben:
MENE, MENE, TEKEL, UPHARSIN,
Which I thus interpret.
MENE: the God, whom thou hast dishonour’d,
The days hath number’d of thy reign, and finish’d it.
TEKEL: thou in the balances art weigh’d,
And art found wanting.
PERES: thy kingdom is divided,
And to the Medes and Persians given.
MENE, MENE, TEKEL, UPHARSIN,
die ich so deute:
MENE: – der Gott, den du entehrt hast,
hat die Tage deiner Herrschaft gezählt, und beendet.
TEKEL: – du wurdest auf der Waage gewogen,
und für unzulänglich befunden.
PERES: – dein Reich wird geteilt,
und den Medern und Persern gegeben.
132
133
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 3
Belshazzar ƒ 2. akt, 3. Szene
No. 43 Recitative
Nitocris
Oh, sentence too severe! And yet too sure!
Unless repentance may reverse the doom!
Nr. 43 Rezitativ
Nitocris
O Strafmaß allzu streng, und doch zu gewiss,
wenn nicht Reue das Verhängnis abwendet.
No. 44 Air
Nr. 44 Arie
Nitocris
Regard, O son, my flowing tears,
Proofs of maternal love!
Regard thyself; to cure thy fears,
Regard the God above.
Repentance sure will mercy find,
But wrath pursues th’obdurate mind.
Nitocris
Sieh, O Sohn, meine fließenden Tränen,
Beweise der mütterlichen Liebe.
Sieh auch dich selbst: um deine Furcht zu bezwingen,
bedenke Gott über uns.
Die Reue findet sicher Gnade,
Doch Zorn verfolgt den verstockten Geist.
Regard, O son… da capo
Exit.
Sieh, O Sohn… da capo
Geht ab.
Scene 3
Cyrus, Gobryas and Chorus of Persians and Medes, within the City.
Dritte Szene
Cyrus, Gobryas und Chor der Perser und Meder, innerhalb der Stadt.
No. 45 Air
Nr. 45 Arie
Cyrus
O God of truth, O faithful guide,
Well hast thou kept thy word!
Deep waves at my approach subside,
The brazen portals open wide,
Glad to receive their lord.
The hostile nations scatter’d fly,
Nor dare my presence stay.
Where’er I go, sure victory
Attends, for God is always nigh,
And He prepares my way.
134
Cyrus
O Gott der Wahrheit, o treuer Führer,
wohl hast du dein Wort gehalten!
Die tiefen Wellen verschwinden bei meiner Ankunft;
die Messingtore öffnen sich breit
und sind froh, ihren Herrn zu empfangen.
Die feindlichen Staaten fliehen zerstreut,
und wagen nicht, meiner Anwesenheit zu harren.
Wohin ich auch gehe, begleitet mich
der sichere Sieg, denn Gott ist immer nah,
und er bereitet mir den Weg.
135
Belshazzar ƒ ACT 2, Scene 3
Belshazzar ƒ 2. akt, 3. Szene
No. 46 Recitative
Cyrus
You, Gobryas, lead directly to the palace,
For you best know the way.
This revelling herd cannot oppose our passage;
Those who would, fall easy victims.
For the rest, they fly,or take us for their friends,
And reeling shout for joy.
We’ll be their friends, and join the shout.
I seek no enemy except the tyrant;
When he is slain, our task is at an end.
My worthy friends, let us not stain our swords
With needless slaughter! I begin already
To count this people mine, myself their shepherd,
Whose office is to feed and to protect them,
Not to destroy.
Nr. 46 Rezitativ
Cyrus
Du, Gobryas, geh uns direkt zum Palast voran,
denn du kennst den Weg am Besten.
Diese schwelgende Herde kann unseren Durchzug nicht verhindern;
wer es versucht, stirbt als leichtes Opfer.
Die Übrigen fliehen oder nehmen uns als Freunde an,
und jauchzen in taumelnder Freude.
Wir sollen auch ihre Freunde sein, und mitjauchzen.
Ich suche hier keinen Feind außer den Tyrannen;
wenn er erschlagen ist, so ist unsere Aufgabe auch vollbracht.
Meine werten Freunde, befleckt nicht unsere Schwerter
mit unnötigem Gemetzel!
Ich fange jetzt schon an, mir dieses Volk zu Eigen zu machen,
als sein Hirte, dessen Pflicht es ist, zu nähren und zu schützen,
nicht es zu zerstören.
No. 47 Chorus
Nr. 47 Chor
O glorious prince, thrice happy they
Born to enjoy thy future sway!
To all like thee were sceptres giv’n,
Kings were like gods, and earth like Heav’n.
Subjection free, unforc’d, would prove
Obedience is the child of love;
The jars of nation soon would cease,
Sweet liberty, beatific peace
Would stretch their reign from shore to shore,
And war and slav’ry be no more.
O glorreicher Prinz, dreifach sind alle beglückt,
die geboren wurden, um deine zukünftige Herrschaft zu genießen!
Allen wie dir wurden Zepter gegeben,
Könige waren wie Götter, und die Erde wie der Himmel.
Freie Unterwerfung, unbezwungen, würde beweisen,
dass Gehorsamkeit das Kind der Liebe ist.
Die Streitigkeiten der Völker würden bald aufhören,
die Herrschaft süßer Freiheit, seligen Friedens
würde sich von Küste zu Küste erstrecken,
und Krieg und Sklaverei existierten nicht mehr.
PAUSE
PAUSE
136
137
Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 1
Belshazzar ƒ 3. akt, 1. Szene
Act Three
Dritter Akt
Scene 1
The Palace. Nitocris, Daniel, Jews.
Erste Szene
Der Palast. Nitocris, Daniel, Juden.
No. 48 Air
Nr. 48 Arie
Nitocris
Alternate hopes and fears distract my mind,
My weary soul no rest can find.
My busy fancy now presents
A gracious scene: my son repents
And God recalls his doom.
Now to false shame he quits his fears,
False courage takes, and madly dares
His impious feast resume.
Then arms and dying groans resound,
And streams of blood gush out around.
Alternate hopes and fears distract my mind,
My weary soul no rest can find.
No. 49 Recitative
Nitocris
Hoffnung und Furcht wechseln fortwährend in meinen Gedanken,
meine müde Seele kann keine Ruhe finden.
Jetzt malt meine starke Einbildungskraft
eine anmutige Szene aus: mein Sohn bereut,
und Gott widerruft seinen Urteilsspruch.
Jetzt unterwirft er aber seine Furcht der falschen Scham,
fasst falschen Mut, und wagt tollkühn,
das frevelhafte Festgelage fortzusetzen.
Dann ertönen laut die Waffen und das Todesstöhnen
und Blutströme ergießen sich rings umher.
Hoffnung und Furcht wechseln fortwährend in meinen Gedanken,
meine müde Seele kann keine Ruhe finden.
Nr. 49 Rezitativ
Nitocris
Fain would I hope. Is there not room for hope?
Nitocris
Gern würde ich hoffen. Gibt es keinen Anlass zur Hoffnung?
Daniel
If I may judge the future by the past
It were vain flatt’ry to bid you hope for his conversion.
Daniel
Wenn ich recht die Zukunft mit Rücksicht auf die Vergangenheit
beurteile, so wäre es nutzlose Schmeichelei, dir Hoffnung auf seine
Bekehrung zu machen.
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Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 1
Belshazzar ƒ 3. akt, 1. Szene
No. 50 Air
Nr. 50 Arie
Daniel
Can the black Aethiop change his skin,
His native spots the leopard lose?
Then may the heart obdur’d in sin
Grow soft, repent, and virtue choose!
Threats or advice but move disdain,
And signs and wonders glare in vain.
Daniel
Kann der schwarze Äthiopier seine Haut wechseln,
der Leopard seine Punkte loswerden?
Dann könnte auch das in Sünden verhärtete Herz
erweichen, bereuen, und Tugend wählen!
Drohen und Ratschläge bewirken nur Verachtung,
und Zeichen und Wunder funkeln umsonst.
Can the black… da capo
Enter Arioch.
Kann der schwarze… da capo
Arioch tritt ein.
No. 51 Recitative
Nr. 51 Rezitativ
Nitocris
My hopes revive, here Arioch comes! By this
‘Tis plain the revels are broke up. Say, Arioch,
Where is the king?
Nitocris
Meine Hoffnungen blühen wieder auf, denn Arioch kommt!
Das bedeutet, dass das Gelage zu Ende ist.
Sag, Arioch, wo ist der König?
Arioch
When you had left the room,
A while deep silence reign’d; the king sat pensive,
As doubting whether to break up the banquet,
Or to continue. At length some parasites,
Those insects vile that still infest a court,
Began to minister false comfort to him.
With this, again
They sat them down to drink. The bowl went round,
The king forgot his fears, the wine inspir’d him,
And he blasphem’d again. Not long we sat,
When from without the gates a noise tumultuous
Was heard, loud shouts and cries, and clashing arms.
The king deputed some to learn the cause.
I gladly seiz’d the opportunity,
And fled a place to swift destruction doom’d.
Arioch
Als du den Saal verlassen hast,
herrschte eine Weile ein tiefes Schweigen; der König saß in
Gedanken, als ob er sich fragte, ob er das Fest beenden oder weiter
machen sollte.
Endlich begannen einige Schmarotzer – die üblen Insekten,
die einen Hof immer heimsuchen – ihm eitlen Trost zu verabreichen.
Daraufhin setzten sie sich wieder hin zum Saufen.
Die Schale wurde herumgereicht,
der König vergaß seine Furcht, der Wein begeisterte ihn,
und er lästerte Gott wieder.
Wir saßen nicht lange,
als wir von außerhalb der Tore einen wirren Lärm vernahmen:
Laute Schreie und Rufe, und das Klirren von Waffen.
Der König entsendete einen, um die Ursache zu erkunden.
Ich griff aber froh die Gelegenheit,
um dem zu raschem Verderben verdammten Ort zu entkommen.
Enter a Messenger.
Ein Bote tritt ein.
140
141
Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 1
Belshazzar ƒ 3. akt, 1. Szene
Messenger
All’s lost, the fate of Babylon is come!
Cyrus is here, ev’n within the palace!
Bote
Alles ist verloren, Babylons Schicksal ist erfüllt!
Cyrus ist da, sogar innerhalb des Palasts!
Nitocris
Cyrus, impossible!
Nitocris
Cyrus, unmöglich!
Messenger
It is too true;
A tumult heard without, the gates unbarr’d,
Disclos’d a dreadful scene: the guards overpow’rd
By numbers far superior, fell before them
With faint resistance. The victorious foe
No sooner saw the gates set open wide,
But rush’d at once, and easy entrance gain’d.
Bote
Es ist zu wahr!
Draußen wurde ein Tumult gehört,
die geöffneten Tore deckten eine schreckliche Szene auf:
die Wachen, in der Minderheit und übermannt,
erlagen ihnen nach schwacher Abwehr.
Kaum sah der siegende Feind die weit geöffneten Tore,
schon eilten sie geschwind und kamen leicht herein.
No. 52 Chorus
Chorus of Jews
Bel boweth down, Nebo stoopeth!
How is Sesach taken,
And how is the praise of the whole earth surpris’d!
Thy counsel stands, O Lord,
And thou dost all thy pleasure!
142
Nr. 52 Chor
Chor der Juden
Baal muss sich beugen, Nebo ist erniedrigt!
Wie Sesach besiegt wurde,
und wie der, der von der ganzen Welt überrascht wurde!
Dein Wort besteht, o Herr,
und du tust alles, wie es dir beliebt!
143
Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 3
Belshazzar ƒ 3. akt, 3. Szene
Scene 2
Belshazzar, his lords, and other Babylonians,
with their swords drawn.
Zweite Szene
Belshazzar, seine Hofsleute, und andere Babylonier,
mit gezogenen Schwertern.
No. 53 Air
Nr. 53 Arie
Belshazzar
I thank thee, Sesach! Thy sweet pow’r
Does to myself myself restore.
Thy plenteous heart-inspiring juice
All my courage lost renews.
I blush to think I shadows fear’d.
Cyrus, come on, I’m now prepar’d!
Belshazzar
Ich danke dir, Sesach! Deine süße Macht
bringt mich wieder zu mir.
Dein reicher, das Herz anregender Nektar
erneuert mir den verlorenen Mut.
Ich erröte beim Gedanken, dass ich vor Schatten Angst hatte.
Cyrus, komm nur, nun bin ich bereit!
Exeunt to meet Cyrus.
Gehen ab, um Cyrus zu begegnen.
No. 54 A Martial Symphony
(during which a battle is supposed, in which Belshazzar and
his attendants are slain.)
Nr. 54 Kriegerische Symphonie
(Eine kriegerische Musik, während der eine Schlacht vorgestellt werden soll, in der Belshazzar und seine Begleiter getötet werden.)
Scene 3
Cyrus, Gobryas and Chorus.
Dritte Szene
Cyrus, Gobryas und Chor.
No. 55 Air
Nr. 55 Arie
Gobryas
To pow’r immortal my first thanks are due;
My next, great Cyrus, let me pay to you,
Whose arm this impious king laid low,
The bitter source of all my woe.
Tears, sure, will all my life employ,
E’en now I weep, but weep for joy.
144
Gobryas
Der unsterblichen Macht sei mein erster Dank schuldig;
den nächsten, großer Cyrus, gestatte mir, dir zu geben,
dessen Arm diesen frevelnden König umbrachte,
der die bittere Quelle meines ganzen Leids war.
Tränen werden zweifellos mein ganzes Leben begleiten;
auch jetzt weine ich, doch ich weine aus Freude.
145
Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 3
Belshazzar ƒ 3. akt, 3. Szene
Nr. 56 Rezitativ
No. 56 Recitative
Cyrus
Be it thy care, good Gobryas, to find out
The queen, and that great Jew, of whom thou tolds’t me.
Guard them in safety hither; if harm befall them
I shall repent, and curse my victory.
Cyrus
Es wird deine Aufgabe sein, guter Gobryas, die Königin
und den großen Juden zu finden, von dem du mir erzählt hast.
Führe sie sicher hierher; wenn ihnen ein Unheil zustoßen sollte,
werde ich es reuen, und meinen Sieg verfluchen.
Exit Gobryas.
Gobryas geht ab.
No. 57 Air
Nr. 57 Arie
Cyrus
Destructive war, thy limits know;
Here, tyrant death, thy terrors end.
To tyrants only I’m a foe,
To virtue and her friends, a friend.
Cyrus
Vernichtender Krieg, lerne deine Grenzen;
Hier soll der Tyrannentod deinen Schrecken ein Ende machen.
Tyrannen nur bin ich ein Feind,
der Tugend und ihren Freunden, ein Freund.
Destructive war… da capo
Re-enter Gobryas, with Nitocris, Daniel, and Jews.
No. 58 Duet
Vernichtender Krieg… da capo
Gobryas kommt zurück mit Nitocris, Daniel und Juden.
Nr. 58 Duett
Nitocris
Great victor, at your feet I bow,
No more a queen, your vassal now!
My people spare! Forgive my fears,
I mourn a son, indulge my tears,
Resistless nature bids them flow.
Nitocris
Großer Sieger, ich beuge mich zu deinen Füßen,
keine Königin bin ich nun, sondern dein Untertan.
Verschone mein Volk! Vergebe mir meine Ängste,
ich trauere um einen Sohn; gönne mir die Tränen,
unwiderstehliche Natur heißt sie fließen.
Cyrus
Rise, virtuous queen, compose your mind,
Give fear and sorrow to the wind.
Safe are your people if they will;
Be still a queen, a mother still,
A son in Cyrus you shall find.
Cyrus
Erhebe dich, tugendhafte Königin, beruhige dich,
und zerstreue deine Angst und Leid in den Wind.
Dein Volk ist sicher, wenn sie wollen;
sei noch eine Königin, und noch eine Mutter:
einen Sohn sollst du in Cyrus finden.
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Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 3
Belshazzar ƒ 3. akt, 3. Szene
No. 59 Recitative
Nr. 59 Rezitativ
Cyrus (to Daniel)
Say, venerable prophet, is there aught
In Cyrus’ pow’r by which he can oblige
Thee, or thy people?
Cyrus (zu Daniel)
Sag, ehrwürdiger Prophet, steht irgendwas
in Cyrus’ Macht, wodurch er dir oder deinem Volk
einen Gefallen tun kann?
Daniel
O victorious prince,
The God of Israel, Lord of Heav’n and earth,
Long ere thy birth, foretold thee by thy name,
And shew’d thy conquests! ‘Tis to Him thou ow’st,
To Him thou must ascribe them. Read those lines,
The great prediction which thou hast already
In part accomplish’d, and, we trust, will soon
Fulfil the rest.
Daniel
O siegreicher Prinz,
Der Gott von Israel, Herr des Himmels und der Erde,
hat dich beim Namen lange vor deiner Geburt vorausgesagt,
und deine Siege gezeigt! Ihm verdankst du sie,
ihm musst du sie zuschreiben.
Lies diese Zeilen, die große Prophezeiung, die du schon
zum Teil fertig gebracht hast, und, wie wir glauben, bald
ganz und gar erfüllen wirst.
No. 60 Soli & Chorus
Tell it out among the heathen,
That the Lord is King.
Nr. 60 Soli & Chor
Verkündet es unter den Heiden,
dass der Herr König ist.
No. 61 Accompagnato
Nr. 61 Accompagnato
Cyrus
Yes, I will build thy city, God of Israel!
I will release thy captives, not for price,
Not for reward, but to perform thy pleasure.
Thus prostrate I confess, Thou art the Lord,
There is none else, there is no God beside
Cyrus
Jawohl, ich werde deine Stadt erbauen, Gott von Israel!
Ich werde deine Gefangenen befreien, nicht um Entgelt,
nicht um Belohnung willen, sondern um deinen Willen zu vollbringen.
Am Boden liegend bekenne ich, dass du Herr bist,
es gibt keinen anderen, es gibt keinen Gott außer dir.
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Hear, holy people! Hear, elect of God!
The God of Israel (he alone is God)
Hath charg’d me to rebuild his house and city,
And let his exil’d captive people go.
With transport I obey! Be free, ye captives,
And to your native land in peace return.
Thou, O Jerusalem, shalt be rebuilt;
O Temple, thy foundation shall be laid.
Höre, heiliges Volk! Hört, ihr von Gott Auserwählten!
Der Gott von Israel (er allein ist Gott)
beauftragte mich, sein Haus und seine Stadt wiederzuerbauen,
und sein gefangenes Volk frei zu lassen.
Ich gehorche voll Freude!
Seid frei, ihr Gefangenen, und kehrt in Frieden in eure Heimat zurück.
Du, O Jerusalem, wirst neu erbaut werden;
O Tempel, dein Fundament wird gelegt.
149
Belshazzar ƒ ACT 3, Scene 3
No thanks to me; to God return your thanks,
As I do mine! We all are to his goodness
Indebted deep, to Him be all the praise.
Belshazzar ƒ 3. akt, 3. Szene
Mir sollt ihr nicht danken, sondern an Gott gebt Dank,
wie ich es tue! Wir sind alle seiner Güte
tief verschuldet, ihm sei das ganze Lob.
No. 62 Soli & Chorus
Nr. 62 Soli und Chor
Alto solo
I will magnify Thee, O God my king!
And I will praise thy name for ever and ever.
Altsolo
Ich werde dich verherrlichen, O Gott mein König!
Deinen Namen preise ich in alle Ewigkeit!
Soprano and Alto solo
My mouth shall speak the praise of the Lord,
And let all flesh give thanks
Unto His holy name for ever and ever.
Sopran und Altsolo
Mein Mund soll das Lob des Herrn aussprechen,
und alle Menschen sollen seinem heiligen Namen
in alle Ewigkeit danken.
Chorus
Amen.
Chor
Amen.
Übersetzung: Ellwood Wiggins
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Belshazzar ƒ Notizen
Impressum
Herausgeber und Veranstalter: Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH,
Geschäftsführung/Managing Director: Mag. Sarah Wilson, Hirstorisches
Rathaus der Stadt Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 21/1, A-6020 Innsbruck
Telefon: +43(0)512-571032, Fax: +43(0)512-563142, [email protected];
Redaktion und Texte: Die Texte von Jan Assmann und Ruth Smith sind Originalbeiträge für diese Produktion. Der Text von Ruth Smith wurde aus dem Englischen
von Sujata Banerjee übersetzt. Heinrich Heine, Belsazar aus: Gedichte, Stuttgart
1993. Die Vorgeschichte schrieb Carsten Hinrichs, die Handlung Jens Schroth,
die Zeittafel Anna von Geren. Das Libretto wurde von Ellwood Wiggins aus dem
Englischen für diese Produktion übersetzt; Redaktionelle Mitarbeit: Philip
Brunnader, Raphaela Stadler; Fotos: National Gallery London (S. 3), Staatsoper
Unter den Linden / Monika Rittershaus (S. 25, 29, 33, 49, 53), Bettina Walter (S. 21,
89), Martin Vandory (S. 67), Künstlerfotos: Agenturen; trotz Recherche konnten
bis Redaktionsschluss nicht alle Rechteinhaber ermittelt werden, wir sind aber
selbstverständlich bereit, etwaige Ansprüche marktüblich abzugelten und bitten
die Inhaber, sich mit uns ggf. in Verbindung zu setzen; Konzeption und Grafik:
CITYGRAFIC, www.citygrafic.at; Druck: Alpina Druck Innsbruck; Redaktionsschluss: 28. Juli 2008;
Besetzungs- und Programmänderungen vorbehalten.
Preis: � 5,00 inkl. MwSt.
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Belshazzar ƒ Notizen