Das Heilbronner Modell für den Erfolg berufsbegleitender

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Das Heilbronner Modell für den Erfolg berufsbegleitender
GESTEIGERTE EFFIZIENZ UND EFFEKTIVITÄT
BEI DER ENTWICKLUNG UND UMSETZUNG
VON BERUFSBEGLEITENDEN STUDIENPROGRAMMEN
Ein Bericht aus dem Projekt
“beSt -berufsbegleitendes Studium nach dem Heilbronner Modell”
Prof. Dr. Kathrin Köster
Melanie Schiedhelm
Sonja Schöne
Jochen Stettner
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PROJEKT
beSt
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DIU
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LEITENDES
EG
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Hinweis: Diese Publikation wurde im Rahmen des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch
Bildung: offene Hochschulen im Rahmen des Projekt beSt -berufsbegleitendes Studium nach dem
Heilbronner Modell an der Hochschule Heilbronn erarbeitet.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einführung und Zielsetzung ....................................................................................................... 1
1.1 Zielsetzung ................................................................................................................................... 1
1.2 Neue Zielgruppen in der wissenschaftlicher Weiterbildung an Hochschulen ............................. 2
2. Programmentwicklung und –gestaltung berufsbegleitender Weiterbildungsprogramme..... 4
2.1. Rahmenbedingungen .................................................................................................................. 4
2.2 Studienprogrammentwicklung und -gestaltung nach Badarchzi (2010) ..................................... 5
3. Etablierung der Weiterbildung an der Hochschule Heilbronn ................................................. 9
3.1 Strategie ....................................................................................................................................... 9
3.2 Rahmenbedingungen an der Hochschule Heilbronn ................................................................ 10
3.3 Der Programmkonzeptionierungsrahmen nach dem Heilbronner Modell................................. 11
3.4 Stakeholderanalyse.................................................................................................................... 13
3.5 Der didaktische Ansatz im Heilbronner Modell.......................................................................... 15
4. Programmgestaltung am Beispiel des berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau ......... 16
4.1 Bedarfsentwicklung und -erhebung ........................................................................................... 16
4.2 Konzeptentwicklung ................................................................................................................... 17
4.3 Prozess der Programmgestaltung ............................................................................................. 18
4.4 Programmimplementierung ....................................................................................................... 21
4.5 Erste Erfahrungen mit dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch Einsatz eines
PDCA-Zyklus im berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau ...................................................... 22
5. Gestaltungsperspektiven im Übergangsmanagement am Beispiel des berufsbegleitenden
Bachelors Maschinenbau ............................................................................................................. 25
5.1 Berücksichtigung der besonderen Anforderungen von beruflich Qualifizierten bei der
Programmkonzeptionierung ............................................................................................................. 25
5.2 Schlüsselfaktoren für ein gelungenes Übergangsmanagement ............................................... 26
5.2.1 Beratung Studieninteressierter ........................................................................................... 26
5.2.2 Entwicklung, Erprobung und kontinuierliche Anpassung des Mathematik-Vorkurses an
heterogene Anforderungen der Studierenden als Teil des Übergangsmanagements ............... 28
6. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................ 30
7. Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 31
8. Anlagen ..................................................................................................................................... 33
i
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Elemente des Managements in berufsbegleitenden Studienprogrammen ..................... 9
Abbildung 2: Programmkonzeptionierungsrahmen ............................................................................. 12
Abbildung 3: Stakeholderanalyse für den berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor .................. 14
Abbildung 4: Heilbronner Modell (eigene Darstellung) ....................................................................... 15
Abbildung 5: Studienplan Bachelor Maschinenbau ............................................................................ 20
Abbildung 6: Der PDCA-Zyklus im Semesterverlauf........................................................................... 23
Abbildung 7: PDCA Zyklus des Mathematik-Vorkurses ...................................................................... 29
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Elemente der Konzept und Geschäftsplanentwicklung ....................................................... 6
Tabelle 2: Bereiche und Elemente der Gestaltung von Studienprogrammen ...................................... 7
Tabelle 3: Dreiteilung der Hochschulorganisation .............................................................................. 10
Tabelle 4: Stufen der Weiterentwicklung des Mathematik-Vorkurses ................................................ 33
ii
1. Einführung und Zielsetzung
Mit der Entwicklung und Einrichtung berufsbegleitender Weiterbildungsangebote nimmt die
Hochschule Heilbronn ihren gesellschaftlichen und politischen Auftrag wahr, den Bereich der
akademischen Bildung für Berufstätige zu öffnen und leistet einen wichtigen Beitrag für das
lebensbegleitende Lernen. Die Hochschule reagiert damit auf die steigende Nachfrage nach
berufsbegleitenden Studiengängen und trägt ihren Anteil zur Sicherung eines ausreichenden
Angebots akademisch qualifizierter Fachkräfte in der Region und darüber hinaus bei. Die neuen
berufsbegleitenden Studienprogramme basieren auf speziell entwickelten didaktischen Ansätzen,
die für heterogene Zielgruppen adäquat sind, und werden im Rahmen von empirischer
Begleitforschung umfassend erprobt, evaluiert, und verbessert.
Mit der Gründung des Heilbronner Instituts für Lebenslanges Lernen im Februar 2012 wurde die
Grundlage für das Angebot von berufsbegleitenden Studiengängen an der Hochschule Heilbronn
geschaffen. Als
Pilotstudiengang
startete im März 2012 der berufsbegleitende
Bachelorstudiengang Maschinenbau. Im März 2013 liefen die Studiengänge MBA
Unternehmensführung und MBA International Automotive Management an.
Diese Studienprogramme basieren auf dem Programmkonzeptionierungsrahmen des Heilbronner
Modells, der im Kontext des Projekts „beSt - berufsbegleitendes Studium nach dem Heilbronner
Modell“ erarbeitet wurde. Die Besonderheit dieses Modells besteht im Wissenstransfer durch WorkBased-Learning in Form von sogenannten On-the-Job-Projekten. Darüber hinaus werden im
Heilbronner Modell bewusst betriebswirtschaftliche mit bildungswissenschaftlichen Ansätzen
verknüpft, um dadurch Effizienz- und Agilitätsvorteile 1 zu erzielen, was zu einer gesteigerten
Effektivität der Hochschule Heilbronn, aber auch insgesamt von Hochschulen führen kann.
1.1 Zielsetzung
Im vorliegenden Zwischenbericht soll gezeigt werden, wie sich die Entwicklung und Gestaltung von
Studienprogrammen durch den Einsatz verschiedener Managementkonzepte und bildungswissenschaftlicher Planungs- und Gestaltungsinstrumentarien, wie sie im Heilbronner Modell in einem
Pilotprojekt angewandt wurden, bei der Konzeption und Gestaltung sowie der Etablierung von
berufsbegleitenden Studiengängen zu größerer Akzeptanz, Flexibilität, Agilität und Qualität führen.
Um die teilweise abstrakte Thematik fassbarer zu machen, wird an einem konkreten Beispiel
dargestellt, wie mit Hilfe des Qualitätsmanagement-Instrumentariums eines Plan-Do-Check-Act
Zyklus (PDCA) das Übergangsmanagement für berufsbegleitend Studierende2 im Fach Mathematik
kontinuierlich verbessert und an die Erfordernisse der heterogenen Zielgruppen angepasst wurde.
1
Agilität im Sinne einerseits einer schnellen Konzeption und Einführung eines bedarfsgerechten und
nachfrageorientierten Studienprogramms, andererseits einer Haltung zur kontinuierlichen und dynamischen Verbesserung
im Studienbetrieb.
2
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet. Es soll an dieser
Stelle darauf hingewiesen werden, dass sowohl die männliche als auch die weibliche Schreibweise gemeint ist.
1
1.2 Neue Zielgruppen in der wissenschaftlicher Weiterbildung3 an Hochschulen
Das Thema lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen ist in den vergangenen Jahrzehnten
mehr und mehr in den Fokus der strategischen Ausrichtungen der Hochschulen in Deutschland
gerückt. Dabei kommt der Planung, Entwicklung und Ausgestaltung von berufsbegleitenden
Studiengängen eine besondere Bedeutung zu. Damit ist die besondere Ausrichtung und
Fokussierung der Programme von den „Normalstudierenden“ (Hanft/Teichler 2007: 24 ff.;
Wolter/Geffers 2013: 7) hin zur Orientierung an den Bedürfnissen von neuen heterogenen
Zielgruppen verbunden, die sowohl im grundständigen Studium als auch in berufsbegleitenden
Angeboten existieren. Die Zunahme der Heterogenität der Studierenden spiegelt sich auch in der
zahlreichen Fachliteratur wider, die sowohl die Unterschiedlichkeit der Lern-Bedürfnisse als auch
die der Ansätze der Hochschulen, darauf einzugehen, diskutiert. (z.B. Kerres/Schmidt/ Wolff-Bendik
2012; Hanft/ Brinkmann 2013).
Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Heterogenitätsbegriff an sich und der Betrachtung
auf der Ebene einzelner Studierender im Kontext von Hochschulen findet sich in Wielepp (2013).
Am Beispiel einer Untersuchung des Landes Sachsen-Anhalt und den Ingenieurswissenschaften
wird die Erarbeitung eines Heterogenitätsportraits vorgestellt, welches Überschneidungen und
Wechselbeziehungen zwischen individuellen (z.B. Alter, regionale, nationale oder
sozioökonomische Herkunft), sozialen (z.B. Wohnort, Familienstand, Elternschaft, Berufserfahrung)
und organisationalen Faktoren (z.B. Hochschulart, Studienfach, Studienschwerpunkt, Dauer des
Studiums) der Studierenden und den Gegebenheiten der Hochschulen Sachsen-Anhalts darstellt.
Damit soll die Grundlage für strategische und didaktische Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen
werden, die die Unterschiedlichkeit der Studierenden berücksichtigt und es den Hochschulen
ermöglicht, konkreten Handlungsoptionen zu entwickeln, um auf aktuelle und bevorstehende
Herausforderungen aufgrund von Fachkräftemangel und demographischer Entwicklungen reagieren
zu können.
Besonders im Kontext von wissenschaftlicher Weiterbildung wird der Umgang mit Heterogenität bei
berufsbegleitend Studierenden im politischen und gesellschaftlichen Kontext intensiv diskutiert und
zeigt sich in der verschiedenen Akzentuierung von Förderprogrammen. Beispielsweise wird dies im
Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschule“4 deutlich, welcher den Aufund Ausbau von Studienprogrammen unter besonderer Berücksichtigung von unterschiedlichen
Zielgruppen in verschiedenen Lern- und Lebensphasen (Wolter/Geffers 2013: 8) zum Ziel hat. Unter
anderem steht dabei die Öffnung der Hochschulen für die Zielgruppe von nicht-traditionell
Studierenden (Teichler/Wolter 2004) im Fokus.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer sogenannte nicht-traditionell Studierende sind
oder wie der Personenkreis definiert werden kann, dem durch die Öffnung der Hochschulen ein
Studium ermöglicht wird. Hierzu existiert bereits eine Fülle an Definitionen, die in erster Linie im
internationalen Vergleich länderspezifische Ausprägungen aufweisen (Teichler/Wolter 2004: 70 ff.).
In ihrer Akzentuierung unterscheiden sie sich durch die Fokussierung auf den Hochschulzugang
oder die Organisation eines Studiums. Bezogen auf den Hochschulzugang und die
Studienorganisation sind es folgende Kriterien, die von Relevanz sind (vgl. Stöter 2013:57):
3
Wissenschaftliche Weiterbildung wird in Anlehnung an die Kultusministerkonferenz (KMK) wie folgt verstanden:
„Wissenschaftliche Weiterbildung ist die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer
ersten Bildungsphase und in der Regel nach Aufnahme einer Erwerbs- oder Familientätigkeit, wobei das wahrgenommene
Weiterbildungsangebot
dem
fachlichen
und
didaktischen
Niveau
der
Hochschule
entspricht“
http://www.kmk.org/wissenschaft-hochschule/studium-und-pruefung/wissenschaftliche-weiterbildunglebenslangeslernen.html (Zugriff: 18.03.2014)
4
http://www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de/(Zugriff: 18.03.2014)
2
●
●
●
●
●
●
“Auf welchem Wege gelangt jemand an eine Hochschule?
Wann kommt diese Person an die Hochschule?
Welche Bildungsbiographie bringt diese Person mit?
Welche Verpflichtungen neben dem Studium hat eine Person, wie zum Beispiel Beruf,
Familie, Krankheit etc.?
Wie kann diese Person ihr Studium an einer Hochschule organisieren?
Welche Maßnahmen sind geeignet, diese Personengruppen zu unterstützen, um den
Studienerfolg zu sichern?”
Teichler/Wolter (2004: 72) beschreiben folgende Merkmale im deutschsprachigen Raum, die
Personen als nicht-traditionell Studierende definieren. Dies sind Studierenden, die:
“nicht auf dem geraden Weg bzw. in der vorherrschenden zeitlichen Sequenz und Dauer zur
Hochschule gekommen sind, nicht die regulären schulischen Voraussetzungen für den
Hochschulzugang erfüllen, und solche, die nicht in der üblichen Form des Vollzeit- und
Präsenzstudiums studieren (sondern als Teilzeit-, Abend- und Fernstudierende).”
Insgesamt betrachtet kann konstatiert werden, dass keine international anerkannte Definition der
nicht-traditionell Studierenden existiert (Stöter 2013, Wolter/Geffers 2013). Die Vielfalt an
aufgezeigten Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang von Relevanz sind, lassen eine
„allumfassende“ Definition kaum zu, so dass für die weitere Betrachtung der Begriff “nichttraditionell Studierende” als eine besondere Zielgruppe gesehen wird, die durch die Erweiterung der
Hochschulzugangsberechtigung im Jahr 2009 als “beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische
Hochschulzugangsberechtigung”5, kurz beruflich Qualifizierte, zu verstehen sind.
Nickel/Duong (2012:12) verweisen sogar darauf, dass der Terminus beruflich Qualifizierte
mittlerweile
„[...] sehr uneinheitlich verwendet wird. Unter der Mischkategorie „Beruflich Qualifizierte“
lassen sich inzwischen alle Personen subsummieren, die nach einer Phase der
Berufstätigkeit ein Erst- oder Weiterbildungsstudium aufnehmen, sei es mit oder ohne
Abitur”.
Daher verwenden die Autorinnen die Begriffsdefinition „Studierende ohne Abitur“ und betrachten
damit diesen Personenkreis als eine Teilgruppe von beruflich Qualifizierten.
In den weiteren Ausführungen wird hier trotz der vorherrschenden Uneinheitlichkeit von “beruflich
Qualifizierten” gesprochen, das heißt, Personen mit allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung.
5
Die Kultusministerkonferenz hat mit ihrem Beschluss vom 06.03.2009 die rechtlichen Voraussetzungen für die
Anerkennung berufspraktischer Erfahrungen geschaffen und die entsprechenden gesetzlichen Änderungen in den
Landeshochschulgesetzen bewirkt. Die neuen Regelungen eröffnen den Inhabern beruflicher Aufstiegsfortbildungen
(Meister, Techniker, Fachwirte und Inhaber gleichgestellter Abschlüsse) den allgemeinen Hochschulzugang und
definieren die Voraussetzungen, unter denen beruflich Qualifizierte ohne Aufstiegsfortbildung den fachgebundenen
Zugang zur Hochschule bekommen.
http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_06-Hochschulzugang-erful-qualifizierteBewerber.pdf (Zugriff: 21.03.2014)
3
2. Programmentwicklung und –gestaltung berufsbegleitender
Weiterbildungsprogramme
2.1. Rahmenbedingungen
Mit der strategischen Entscheidung, wissenschaftliche Weiterbildung neben der grundständigen
Lehre und Forschung als drittes Standbein aufzubauen, betritt eine Hochschule, in diesem Falle die
Hochschule Heilbronn, Neuland. Dieses besteht zum einen darin, dass sich berufsbegleitende
Studienprogramme an eine neue Klientel von Studierenden richten, die berufstätig sind, und damit
neue und andere Anforderungen an die Planungs- und Entwicklungsprozesse von
Studienprogrammen stellen. Den besonderen Bedürfnissen dieser Klientel muss von Anfang an
Rechnung getragen werden. Dies gilt es sowohl bei der inhaltlichen als auch der didaktischen und
organisatorischen Ausgestaltung der Programme zu beachten.
Zum anderen müssen sich solche Programme in der Regel durch Studiengebühren kostendeckend
finanzieren. Somit sieht sich eine öffentlich-rechtliche Organisation wie die Hochschule nun durch
Angebote, die kostenpflichtig sind, den Marktkräften ausgesetzt und muss diese entsprechend in
ihre Planungs- und Entwicklungsprozesse einbeziehen.
Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Organisationen agiert die Hochschule als Institution in einem
politischen und rechtlichen Umfeld, das durch starke Interventionen und Einschränkungen geprägt
ist. Mit der Einführung kostenpflichtiger Studiengänge gewinnt auch das makroökonomische Umfeld
an Bedeutung, das von zahlreichen konkurrierenden Studiengängen verschiedener Hochschulen
gekennzeichnet ist. Hinzu kommt ein sich ständig änderndes technologisches und
gesellschaftliches Umfeld, in dem es im Sinne von wissenschaftlichen Weiterbildungsprogrammen
angemessen zu agieren gilt.
Diese Ausführungen machen deutlich, dass durch die Einführung der wissenschaftlichen
Weiterbildung Hochschulen, ebenso wie Unternehmen, systematisch ihr Umfeld analysieren
müssen, um im Abgleich mit den Analyseergebnissen Programme zu entwickeln, die zu diesem
Umfeld passen, von der Klientel nachgefragt werden, und den Anforderungen aller Beteiligten
Genüge leisten.
Dies ist eine komplexe Herausforderung für staatliche Hochschulen in Deutschland, die im
Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Regel aufgrund ihrer institutionellen
Historie über wenig stark ausgeprägte Kompetenzen im strategischen Management verfügen.
Daher wurde im Rahmen dieses Forschungsprojektes ein Programmkonzeptionierungsrahmen
entwickelt und erprobt, der sowohl die besonderen Rahmenbedingungen der Hochschule Heilbronn
als auch die der neuen Studierendenklientel, den berufsbegleitend Studierenden, berücksichtigt.
Hierbei wurden gezielt Herangehensweisen und Instrumente, die aus dem Managementbereich
bekannt sind, mit bildungswissenschaftlichen Ansätzen verknüpft. Im Sinne der Effektivität wurde
auf bestehenden Studien und Erkenntnissen aufgebaut (vgl. Hanft et al. 2008, Bardachzi 2010).
Zunächst wurde der Programmkonzeptionierungsrahmen analog zum klassischen Vorgehen im
strategischen Management entworfen: Globale und regionale Umwelt6 und ihre in Bezug auf die
wissenschaftliche Weiterbildung bedeutsame Anspruchsgruppen, die Institution Hochschule mit
ihren Strukturen, Prozessen und Kompetenzen, sowie die Untergliederung des
Programmentwicklung und -ausgestaltung in Anlehnung an die Produktentwicklung und
6
Hier wurde die klassische Systematisierung nach den PESTEL-Kriterien gewählt: Political, Economic, Socio-Cultural,
Technological, Environmental und Legal.
4
Vermarktung.7
Dieser Ansatz wurde ergänzt durch einzelne Elemente des Modells von Bardachzi (2010), das im
Folgenden
vorgestellt
werden
soll,
da
es
alle
Felder
des
verwendeten
Programmkonzeptionierungsrahmens umfasst.
2.2 Studienprogrammentwicklung und -gestaltung nach Badarchzi (2010)
Wie üblich bei Strategie-Modellen geht auch dieses Modell von der Einbettung der im Fokus
stehenden Institution, der Hochschule, in die globale Umwelt aus. Diese ist geprägt durch sehr
unterschiedliche Anforderungen von verschiedenen Stakeholdergruppen, zu denen noch interne
Anspruchsgruppen kommen, die allesamt Einfluss auf die Entwicklung und Gestaltung von
Studienprogrammen nehmen (können) und deren unterschiedliche Interessenlagen zu
berücksichtigen sind.
Wie ebenfalls im strategischen Management als Grundvoraussetzung für erfolgreiches Agieren
definiert, müssen alle Handlungsfelder einer Organisation konsistent sein. Das bedeutet für die
Hochschule, dass sie über eine Strategie verfügt, die lebensbegleitendes Lernen postuliert, und
dass die im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Weiterbildung stehenden
Organisationsstrukturen effektiv in die Gesamtorganisation eingebettet sind.
Wie im klassischen Projektmanagement untergliedert Bardachzi (2010: 219) die Entwicklung und
Gestaltung von berufsbegleitenden Studienprogrammen
in vier Phasen: Ideenentwicklung,
Projektantragsphase, Projektphase und Regelbetrieb, wobei der Regelbetrieb im engen Sinne nicht
mehr zum Projekt gehört, sondern dieses beendet. Diese Phaseneinteilung basiert auf Fallstudien
von verschiedenen universitären Studienprogrammen, die durch eine Anschubfinanzierung aus
Fördergeldern oder Darlehen finanziell unterstützt wurden (ebd.: 188).
Wesentliche Prozesse, die innerhalb der nicht linearen, sich überlappenden, teilweise iterativen
Phasen ablaufen, werden wie folgt umrissen:
●
●
●
Bedarfsentwicklung und -erhebung,
Konzept- und Geschäftsplanentwicklung,
Programmgestaltung und (Weiter-)Entwicklung der Bereiche Lehr-Lerndesign, Vermarktung
und Management sowie
● Programmimplementierung
Analog zur Produktentwicklung in Unternehmen analysieren Experten aus den Fachwissenschaften
und der Weiterbildung die aktuelle Bedarfslage in einem Fachgebiet, entwickeln entsprechende
Ideen, gleichen diese mit den vorhandenen internen Ressourcen ab und gießen alles in die Form
eines Studienprogramms.
Die Erhebung der
Bedarfslage
lässt sich abhängig von den verschiedenen
Wissenschaftsdisziplinen auf unterschiedliche Weise durchführen. Wichtig dabei ist, dass der
Einsatz verschiedener Instrumente und Methoden, z.B. Expertenbefragungen, teil- (standardisierte)
Befragungen, Sekundäranalysen u.a. (vgl. Faulstich 2006, Schlutz 2006, Hanft et al. 2008,
Bardachzi 2010) im Verhältnis von Aufwand und Nutzen betrachtet werden. Auch muss man sich
7
Dies lässt sich klassischerweise in Form einer SWOT-Analyse darstellen, wobei die Strengths & Weaknesses die
Analyse der Organisation wiedergeben, und Opportunities & Threats auf das externe Umfeld zielen. Erweiterte
Stakeholder-Analysen gehören im Rahmen von strategischem Management in einer an Komplexität gewinnenden Welt
zum angebrachten Vorgehen, um einen gesamthaften Überblick der Anspruchsgruppen und deren Interessen zu
gewinnen. Angesichts der neuen Zielgruppen, die die Hochschule anspricht, ist eine solch umfassende
Stakeholderanalyse unerlässlich.
5
der eingeschränkten Aussagekraft der vorgenommenen Analysen bewusst sein, was insbesondere
in einem sich schnell verändernden Umfeld gilt. Vor diesem Hintergrund ist eine regelmäßige
Aktualisierung solcher Analysen angebracht. Eine genaue Prognostizierung von Bedarfen, die eine
konkrete Nachfrage abbilden können, ist in einem sich schnell wandelnden, dynamischen und
komplexen Umfeld nicht möglich. Dies ist besonders in einem kulturellen Kontext, der von
Unsicherheitsvermeidung und Perfektionismus geprägt ist, immer wieder herauszustellen. Faulstich
(2006: 60) fasst pointiert zusammen:
„Bedarf ist nicht exakt bestimmbar und es gibt kein Instrumentarium, mit dem er empirisch-analytisch
eindeutig feststellbar wäre. Es geht [...] um Einschätzung und Bewertungen.“
Da traditionell im Hochschulbereich in der Vergangenheit kaum solch systematischen
Bedarfsanalysen vorgenommen wurden, ist bereits der Umstand, dass solche Instrumentarien zur
Anwendung kommen, positiv hervorzuheben, auch wenn alle Systematiken nur Werkzeuge sind,
die bewussten und erfahrenen Einsatz verlangen.
Neben der Bedarfsanalyse im Abgleich mit den internen Ressourcen müssen die Zielgruppen des
Studiengangs sowie des Zielmarktes definiert werden. Hierfür kann wiederum auf
betriebswirtschaftliche Ansätze oder aber auch auf bildungswissenschaftliche Instrumentarien
zurückgegriffen werden (vgl. Faulstich 2006, Schlutz 2006, Hanft et al. 2008, Badachzi 2010).
Die sich anschließende Konzept- und Geschäftsplanentwicklung ist durch die folgenden
Aktivitäten charakterisiert, die im weiteren Verlauf der Programmentwicklung und -gestaltung im
Bedarfsfall modifiziert werden können (Bardachzi 2010:224-226):
Entwicklung der Programmkonzeption mit der Beschreibung
● der Studierenden-Zielgruppe
● des Programmformates
● des Studienabschlusses
● der Qualifikationsziele und -inhalte
● von Ort und Dauer der Veranstaltung sowie
● der Gebühren
Entwicklung und Gestaltung einer Vermarktungsstrategie
●
●
●
●
Beschreibung des Zielmarktes und geplante Produktpositionierung
Definition der Vermarktungsziele (Einschreibungen und Einnahmen)
Festlegung der Distributionsstrategie und Marketingbudget
Zeitliche Beschreibung der langfristigen Entwicklung des Programms (Einschreibezahlen,
Einnahmeziele, Strategie für Programmgestaltung)
Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen
● Erarbeitung einer Umsatz- sowie Kosten- und Gewinnprognosen
● Machbarkeitsanalysen
Projektplanung
●
●
●
●
●
Projektstrukturierung-Definition von Aufgaben
Aufwandsabschätzung
Termin- und Ablaufplanung
Ressourcen- und Kostenplanung
Risikoanalyse bezogen auf Projektdurchführung
Tabelle 1: Elemente der Konzept und Geschäftsplanentwicklung
(In Anlehnung an Bardachzi 2010: 224-226)
Der Prozess der Gestaltung eines Studienprogramms schließt sich an die Konzept- und
Geschäftsplanentwicklung an. Wie in vielen Projekten aufgrund der Komplexität der verschiedenen
6
Aufgaben sinnvoll, ist auch die Gestaltung von berufsbegleitenden Studienprogrammen ein
Unterfangen, das Interdisziplinarität bedingt. Klassische Spezialisten der jeweiligen Fächer arbeiten
idealerweise mit Bildungsmanagementexperten sowie IT-Experten und anderen Spezialisten
zusammen, um die Einbeziehung der unterschiedlichen Erfordernisse und Perspektiven zu
gewährleisten. In diesen interdisziplinären Gestaltungsprozess eingebettet ist die Entwicklung der
relevanten Bereiche Lehr-Lerndesign, Vermarktung und Management.
In Tabelle 2 werden die einzelnen Elemente den jeweiligen Bereichen zugeordnet.
Lehr-Lerndesign
Elemente:




Lehr-Lernprozesse,
Studienziele und-inhalte,
Studienstrukturen,
Studienmaterialien und Content
Support
Vermarktung




Distribution,
Kommunikation,
Marketing sowie
Preisfindung und –
gestaltung
Management



Finanzmanagement,
Servicemanagement
Qualitätsmanagement.
Tabelle 2: Bereiche und Elemente der Gestaltung von Studienprogrammen
Wie bereits vorne erwähnt, stehen alle Bereiche dabei untereinander in einer Wechselbeziehung,
da sie in zeitlicher Betrachtung parallel oder überlappend verlaufen (können) und sich teilweise
bedingen (ebd.: 209), so dass diese nicht in einem linearen Verlauf betrachtet werden können.
Zentrale Aufgabenschwerpunkte im Bereich Lehr-Lerndesign sind nach Bardachzi (2010: 226 ff.):
●
●
Zielgruppenanalyse: Erfassung zielgruppenspezifischer Eigenschaften und Besonderheiten
Erfassung des Lernkontextes: zeitliche Ressourcen / Mobilität der Zielgruppe, beruflicher
Hintergrund der Zielgruppe (Transfermöglichkeiten, inhaltliche Interessenlage) sowie durch
das Programmformat definierte Lernumgebung (Veranstaltungsräume, zeitliche
Programmplanung, internetgestützte Lernumgebung)
● Abstimmung des Lehr-Lernarrangements auf den Qualifikationsbedarf der Zielgruppe
● Analyse der Rahmenbedingungen für die Programmentwicklung: zeitlichen, finanziellen und
gesetzlichen Vorgaben, die die Gestaltung der Lernumgebung determinieren und
● Gestaltung des Lehr-Lerndesigns: Entwicklung von Lern- und Kompetenzzielen, Definition
und Sequenzierung der Lerninhalte, Entwicklung Instruktionsstrategie, Entwicklung von
Lehr-Lernmethoden und Prüfungsformen.
Die Bestimmung der Studienziele und -inhalte wird auf der Grundlage der durchgeführten Bedarfsund Zielgruppenanalyse durchgeführt und bedingt die innere Gestaltung des Programms. Folgende
Punkte sind dabei zu berücksichtigen (ebd.: 228):
●
●
●
●
●
●
Übereinstimmung der Studienziele und -inhalte mit Qualifikationsbedarf
Gewichtung der Inhalte sowie und Bestimmung des Umfangs und Differenzierungsgrads
Abstimmung und Ausrichtung der Inhalte auf Zielgruppe unter Berücksichtigung von deren
Vorwissen sowie deren Lernbedingungen
Berücksichtigung der zur Verfügung stehender Zeitfenster der Studierenden zum Lernen
Übereinstimmung der Inhalte mit den Rahmenbedingungen
Abgleich der Inhalte, welche zum Kompetenzprofil der Hochschule gehören bzw. von Außen
zu ergänzen sind unter Berücksichtigung der damit verbunden Kosten
Parallel dazu werden die Studienstrukturen und der Lehr-Lernprozesse gestaltet. Bei den
Studienstrukturen sind die Zugangsvoraussetzungen, Abschlussbezeichnung und Angebotsumfang
festzulegen. Die Curriculumsstruktur wird unter Berücksichtigung der Studierbarkeit erarbeitet.
Außerdem werden Regelungen in Bezug auf Durchlässigkeit und Anrechnung erarbeitet. Bei der
7
Wahl von Lehr-Lernprozessen ist zu beachten, dass diese auf Basis der Studienziele und -inhalte
erarbeitet werden und darauf aufbauend die jeweiligen Lehr-Lernmethoden und Prüfungsformen
ausgesucht und zu einer Lernumgebung zusammengefügt werden (ebd.: 274).
Die Entwicklung und Gestaltung von Studienmaterialien wird in einem Gestaltungskonzept auf die
Zielgruppe abgestimmt, welches Printmedien und multimediale Lernunterstützung berücksichtigt.
Die Unterstützung der Lernenden, auch mit technischem Support, zielt darauf, Lernenden dazu zu
befähigen, bestmöglich selbstständig zu lernen (ebd.:233).
Folgende ausgewählte Faktoren sind daher für die Entwicklung der Lehr-Lernmethode und des
Supports zu berücksichtigen (ebd.: 235):
●
●
●
●
●
●
Unterstützung des Erreichens der Qualifikationsziele durch die gewählten LehrLernmethoden
Ausrichtung der Lehr-Lernmethoden auf Zielgruppe unter Berücksichtigung von Erfahrungen
und Kompetenzen im Hinblick auf internetgestütztes Lernen, selbstgesteuertes Lernen und
Lernen in Gruppen
Ausrichtung der Lehr-Lernmethoden auf die Lernbedingungen
Ausrichtung von Prüfungsleistungen (z.B. durch Vermeidung hoher punktueller Belastungen)
auf die Lernbedingungen der Studierenden
Unterstützung der Lernenden durch geeignete Supportstrukturen
Ausrichtung der Lehr-Lernmethoden auf die Rahmenbedingungen
Im Bereich der Vermarktung von Studienprogrammen gilt es die Elemente Preisfindung und –
gestaltung, Kommunikation, Markenbildung und Distribution zu betrachten.
Bei der Preisfindung und –gestaltung wird die Finanzierung der Studienprogramme vorrangig über
Gebühren und Entgelte zugrunde gelegt, die den Kriterien der Kostenorientierung, Nachfrage- und
Konkurrenzorientierung sowie den Bezug zu den Zielen der Hochschule gerecht werden muss
(ebd.: 242). Des Weiteren ist für die Vermarktung von Studienprogrammen die Erarbeitung eines
zielgruppenspezifischen Kommunikationskonzeptes relevant, das kontinuierlich überprüft und
angepasst wird. Die Distribution beinhaltet die Dimensionen Standort (Atmosphäre und
Serviceeinrichtungen), Terminierung der Veranstaltungen und das Programmformat, welches
sowohl traditionelle als auch technologiegestützte Lehr- und Lernformen umfasst und sich an der
jeweiligen Zielgruppe orientiert (ebd.: 250).
Dem Bereich Management werden die Elemente Servicemanagement, Finanzmanagement und
Qualitätsmanagement zugeordnet. Abbildung 1 stellt alle Elemente und deren wesentlichen Inhalte
im Überblick dar:
8
Management berufsbegleitender
Studienprogramme
Servicemanagement
Planung und Gestaltung
administrativer und
kundenbezogener Prozesse
entlang des Studiums
(Informationsphase,
Immatrikulationsphase,
Phase des
berufsbegleitenden
Studiums,
Nachstudienphase)
Finanzmanagement
Entwicklung von Planungsund Controllingprozessen für
eine transparente und
langfristige Finanzierung des
Studienprogramms im
Kontext der jeweiligen
Hochschule
Qualitätsmanagement
Einsatz von organisationsund kundenbezogenen
Verfahren zur
Qualitätssicherung, die
bildungswissenschaftliche
Kriterien (z.B. Transfererfolg,
Praxisbezug, Studierbarkeit)
und wirtschaftliche Kriterien
(z.B. Effektivität und
Effizienz,
Kundenzufriedenheit)
berücksichtigen
Abbildung 1: Elemente des Managements in berufsbegleitenden Studienprogrammen
In Anlehnung an Bardachzi 252 ff.
Nach diesem Abriss eines idealtypischen Ablaufs der Programmentwicklung und Umsetzung
werden im Folgenden der Aufbau und die Entwicklung des Bereiches der wissenschaftlichen
Weiterbildung an der Hochschule Heilbronn dargestellt. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf
den Abgleich zwischen Theorie und Praxis, mithin der Umsetzung eines Programmkonzeptionierungsrahmens, gelegt.
3. Etablierung der Weiterbildung an der Hochschule Heilbronn
3.1 Strategie
Im Jahr 2010 traf die Leitung der Hochschule Heilbronn die strategische Entscheidung, die
wissenschaftliche Weiterbildung als dritte Säule neben grundständiger Lehre und Forschung
aufzubauen. Im Einklang mit dieser strategischen Ausrichtung wurde im Februar 2012 das
Heilbronner Institut für Lebenslanges Lernen (HILL) gGmbH gegründet, das mit der Durchführung
der berufsbegleitenden Angebote im Namen der Hochschule Heilbronn betraut wurde. Ziel der
Hochschule war es, sich als Zentrum für lebenslanges Lernen in der Region Heilbronn-Franken zu
etablieren und Angebote zu schaffen, die in Form von vollumfänglichen Studiengängen über die
sporadischen kurzzyklischen Angebote hinausgingen, die bis dahin auf die Initiative einzelner
Hochschullehrenden hin zustande gekommen waren.
Diese neu geschaffenen berufsbegleitenden Studiengänge sollten auch dazu dienen, neue
Zielgruppen an die Hochschule Heilbronn zu bringen. Als die größte Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Baden-Württembergs fühlte man sich gegenüber der Region verpflichtet,
Maßnahmen zu treffen, die dazu angetan waren, der geringen Akademisierung und dem
wachsenden Fachkräftemangel effektiv entgegen zu wirken.
Ebenso fühlte man sich der stark industriellen Struktur der von mittelständischen Unternehmen
geprägten Region verbunden. Vor diesem Hintergrund wurde die Philosophie vertreten, dass
berufsbegleitende Studienprogramme mit einem hohen Praxisbezug konzipiert werden sollen, der
einen größtmöglichen Nutzen eines Studiums für Studierenden und Unternehmen bietet. Auch
zielte man darauf ab, Personen einen akademischen Abschluss zu ermöglichen, denen dies bisher
nicht möglich gewesen war. Hiermit ist die Zielgruppe der so genannten beruflich Qualifizierten
9
gemeint, wie vorne dargelegt.
Vor dem Hintergrund dieser strategischen Zielsetzungen wurde das didaktische Konzept des
Heilbronner Modells ins Leben gerufen (siehe Abschnitt 3.5).
3.2 Rahmenbedingungen an der Hochschule Heilbronn
An der Hochschule Heilbronn fanden der institutionelle Aufbau der Weiterbildung und deren
inhaltliche Ausgestaltung im Sinne der Entwicklung und Implementierung von Studiengängen
nahezu zeitlich bzw. überlappend statt, so dass neben der Programmkonzeption in der Startphase
die Entwicklung und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Weiterbildung ebenfalls eine
zentrale Rolle spielten. Damit befanden sich die Rahmenbedingungen für die
Programmkonzeptionierung noch in der Erprobung und in der kontinuierlichen Verbesserung, ein
Zustand, der beim Stand dieser Berichterstattung noch nicht abgeschlossen ist, sofern Prozesse
der kontinuierlichen Verbesserung überhaupt abgeschlossen werden können.
Insbesondere im institutionellen Kontext einer Hochschule ist es eine besondere Herausforderung,
Neuerungen und Veränderungen zu initiieren und zu gestalten, wie sie der Auf- und Ausbau von
wissenschaftlicher Weiterbildung darstellt, da die Hochschule als Institutionsform vom Prinzip der
losen Kopplung ihrer einzelnen Systeme (Lehre, Forschung und Verwaltung) geprägt ist (vgl. Hanft
2008, Nickel 2012). Die Organisation Hochschule mit den Bereichen Lehre und Verwaltung, die
primär für den Aufbau der Weiterbildung von Bedeutung sind, weisen eigene und spezifische
Organisations- und Kommunikationsstrukturen auf und folgen daher in unterschiedlicher
Akzentuierung ihrer eigenen Funktionslogik (vgl. Nickel 2012: 280; siehe Tabelle 3). Dies bedingt
auch Unterschiede im Umgang mit Veränderungen, etwa in den Beriechen Marktveränderungen,
Adressierung neuer Zielgruppen, oder Dienstleistungsorientierung.
Hochschule
Lehre
Forschung
Verwaltung
 Mittlere Formalisierung
 Gut organisierbar
 Bottom-Up-Orientierung wie bei
Interessenorganisationen
 Geringe Formalisierung
 Ausgeprägte Selbstorganisation
 Bottom-Up-Orientierung wie bei
Interessenorganisationen
 Hohe Formalisierung
 Sehr gut organisierbar
 Top-Down-Orientierung wie bei
Arbeitsorganisationen
Tabelle 3: Dreiteilung der Hochschulorganisation
(Quelle: In Anlehnung an Nickel (2012, 2009)
Das heißt, dass der Aufbau des neuen strategischen Bereichs „Weiterbildung“ an einer Hochschule
eines gut geplanten und ganzheitlichen Veränderungsmanagements bedarf, wobei insbesondere
die Kompetenz der indirekten Führung zum Tragen kommt.
Für die Hochschule ergaben sich für die Ausgestaltung von förderlichen Rahmenbedingungen für
die Weiterbildung unterschiedliche Leitfragen, die für die Sicherstellung einer funktionierenden und
dienstleistungsorientierten Einrichtung an der Hochschule von Bedeutung waren und auch aktuell
noch sind. Diese Leitfragen entwickelten zu unterschiedlichen Zeitpunkten, so dass sich aus der
nachfolgenden Reihenfolge keine zeitlichen Ableitungen treffen lassen, da wie bereits erwähnt, die
Schaffung von geeignete Rahmenbedingungen und die Entwicklung und Gestaltung von
Studiengängen teilweise zeitgleich stattgefunden haben. Dies hatte einerseits den Vorteil, dass
Studienprogramme sehr schnell konzeptioniert und auf den Markt gebracht werden konnten
10
(Agilitätsvorteil), jedoch andererseits sich die Hochschule auf dieses neue Marktumfeld und die
neue Studierendenklientel quasi im Modus „learning by doing“ einstellen und ausrichten muss(te).
Die folgenden Fragestellungen waren beim Aufbau der wissenschaftlichen Weiterbildung an der
Hochschule Heilbronn relevant bzw. handlungsleitend:






Wie fügt sich wissenschaftliche Weiterbildung in das Leitbild der Hochschule ein, welches
lebenslanges Lernen postuliert?
Wie möchte sich die Hochschule mit allen 3 Säulen konsistent strategisch nach Außen
präsentieren und positionieren (Reputation / Forschungsschwerpunkte)?
Welche Gremien / Verfahrensabläufe / Regularien der Hochschule müssen einbezogen bzw.
geschaffen und angepasst werden, um Weiterbildung erfolgreich zu etablieren?
Welche personellen Ressourcen für Konzeption, Administration, und Verwaltung sind
vorhanden?
Welche materiellen / personellen Ressourcen und Strukturen müssen (zusätzlich)
geschaffen werden?
Welche Hochschule / Einrichtung kann als Best-Practice-Beispiel für die Bearbeitung der
aufgeführten Fragestellung fungieren?
Das Projekt beSt konnte während der bisherigen Begleitforschung aktiv zur positiven Ausgestaltung
der Rahmenbedingungen beitragen, indem es den Organisationsentwicklungsprozess, die
Entwicklung, Gestaltung und Durchführung der Programme, sowie das Qualitätsmanagement in der
Weiterbildung begleitet und umsetzt.
3.3 Der Programmkonzeptionierungsrahmen nach dem Heilbronner Modell
Im Rahmen der Etablierung berufsbegleitender Studiengänge an der Hochschule Heilbronn wurde
ein Programmkonzeptionierungrahmen entwickelt, der sich den Vorteilen von Managementansätzen
bedient, um dadurch einen Agilitätsvorteil in einem sich schnell verändernden Umwelt zu erzielen.
Der in diesem Zusammenhang entwickelte Programmkonzeptionierungsrahmen setzt ein
grundlegendes Wissen über die gängige Vorgehensweise der Konzeptionierung und Etablierung
grundständiger und berufsbegleitender Studiengänge voraus und nutzt diese.
Der Fokus liegt darauf, in einem Hochschulumfeld, dessen Besonderheiten oben ausgeführt
wurden, berufsbegleitende Studienprogramme auf einer Metaebene konsequent und systematisch
zu konzeptionieren, umzusetzen und zu verbessern, und zwar im Sinne des strategischen
Managements, das heißt von Marktorientierung, unter Berücksichtigung der komplexen
Anspruchsgruppen, repräsentiert durch einen umfangreichen Stakeholderansatz, und basierend
auf dem Gedanken der kontinuierlichen Verbesserung gemäß Kaizen. Dabei sind alle drei
genannten Perspektiven nicht als abzuschließende Phasen in einem Programmkonzeptionierungsprozess zu verstehen, sondern als kontinuierlich voranzutreibende und zu wiederholende Prozesse.
Die Umsetzung dieser Ansätze erfordert eine Geisteshaltung, die der ständigen Veränderung der
Umwelt gegenüber offen ist und davon ausgeht, dass Studienprogramme sich dem Fluss der
ändernden Umwelt beständig anpassen müssen, um relevant zu bleiben. Daher ist diese Haltung
nicht auf die Programmentwicklung- und Gestaltungsphase beschränkt, sondern besteht ebenfalls
während der Implementierung und im Regelstudienbetrieb.
Im Folgenden soll nun erklärt werden, wie dieser Ansatz bei der Etablierung von berufsbegleitenden
Studiengängen an der Hochschule Heilbronn entwickelt wurde. Als Ausgangspunkt dient die
gängige Praxis des Strategischen Managements, eine externe sowie eine interne Analyse
11
durchzuführen. Dabei werden Potentiale und Risiken identifiziert und die externe und interne
Analyse miteinander abgeglichen.
Die externe Analyse betrachtet den Bildungsmarkt und die Stakeholder außerhalb der Hochschule.
Diese Stakeholder wurden identifiziert, sowie nach ihrer Nähe und Bedeutung für die
Studienprogramme bewertet. Dabei wurden mit vielen Stakeholdern informelle Gespräche, sowie
semistrukturierte Interviews geführt, um ihre Ansprüche und Bedarfe für Weiterbildungsstudiengänge zu erörtern. Dies betraf vor allem potentielle Studierende, sowie Personalleiter und
Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen. Infolgedessen wurde der Kontakt zu diesen
Stakeholdern kontinuierlich gepflegt.
Die interne Analyse bezieht sich auf die Identifizierung aller für die Etablierung von
berufsbegleitenden Studienprogrammen relevanten Bereiche, Abteilungen und Schnittstellen
innerhalb der Hochschule. Diese umfassen beispielsweise das Marketing, das Prüfungsamt und
das Rechenzentrum. Bezüglich dem Abgleich der Erwartungen von externen Stakeholdern
(Studierende und Unternehmen) mit den internen Stakeholdern, ergibt sich hierbei die
Besonderheit, dass mit den (mittelständischen) Unternehmen oftmals hochflexible, schnell
agierende Organisationsformen auf eine hoch formalisierte Organisation, die Hochschulverwaltung,
stößt.
KAIZEN
Eine wesentliche Herausforderung für die Etablierung von berufsbegleitenden Studienprogrammen
besteht daher darin, die internen Stakeholder nicht nur zu identifizieren, sondern mit Empathie ihre
Perspektive und Rolle in der Organisation zunächst wertzuschätzen und zu verstehen. Erst dann
können in einer hoch formalisierten Organisation, wie in einer Hochschulverwaltung, die betroffenen
Stakeholder durch laterale Führung (indirect
Leadership)
in
die
Vision
von
berufsbegleitenden
Studienprogrammen
Stakeholder
Analyse
einbezogen,
was
eine
Kooperationsgrundlage
für
eine
Externe Analyse
Interne Analyse
Zusammenarbeit schafft, die in notwendigem
Maße von Agilität geprägt ist. Dabei gilt es
Akteure:
Akteure:

Bildungsmarkt

Verwaltung
beständig die Spannung der sich mit

Studierende

Marketing

Personalleiter

Prüfungswesen

Geschäftsführer
unterschiedlichen
Geschwindigkeiten

Rechenzentrum
Unterschiedlicher

...

...
Formalitätsgrad und
bewegenden Organisationen Hochschule
Geschwindigkeit
und
(mittelständische)
Unternehmen
auszubalancieren
und
aneinander
Hochschule
Moderation
Markt
anzugleichen. Die Rolle der Moderation und
Indirect Leadership
der lateralen Führung (im Gegensatz zur
durch Weiterbildungsleitung und
Mitarbeiter
traditionellen weisungsbasierten Führung)
kommt
dabei
der
Leitung
der
Weiterbildungseinheit und insbesondere
PLAN
auch den Studienprogrammleitern und managern zu. Dieser Aufgabe ist zentral für
Act
Do
die erfolgreiche Etablierung von neuen
berufsbegleitenden Studienprogrammen.
CHECK
Abbildung 2: Programmkonzeptionierungsrahmen
Nach vorgenommener Marktanalyse sowie
der Identifizierung interner und externer
Stakeholder greift nach dem Heilbronner
Ansatz der Programmkonzeptionierung der
12
Gedanke des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Die Geisteshaltung des kaizen besteht
darin, dass alles beständig verbessert werden kann. Dies bezieht sich bei der Konzeptionierung von
berufsbegleitenden Studienprogrammen auf das Curriculumsdesign, das Lehr-Lerndesign, die
aktive Lehre an sich, sowie administrative Abläufe und das Marketing.
Hierbei spielt das Projekt beSt eine wichtige Rolle. Durch kontinuierliche Gespräche mit allen
relevanten Stakeholdern werden beständig Verbesserungspotentiale eruiert und in die
Programmgestaltung eingespeist. Dabei sind die Projektmitarbeiter in regelmäßigem Kontakt mit
den Programmanagern und den Studienprogrammleitern. Weiterhin werden durch semistrukturierte
Interviews Dozierende in den Verbesserungsprozess mit einbezogen. Darüber hinaus werden
Studierende und Unternehmensvertreter kontinuierlich durch das Instrument der Fokusgruppe in
den Verbesserungsprozess mit einbezogen. Auf diese Weise wird das Instrument eines Plan-Do
Check-Act-Zyklus im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung von Studiengängen umgesetzt.
Zusammen-fassend kann festgehalten werden, dass der Programmkonzeptionierungsrahmen
gemäß dem Heilbronner Modell die gängige Vorgehensweise zur Etablierung von
Studienprogrammen voraussetzt. Der konkrete Mehrwert besteht darin, auf einer Metaebene
Instrumente des strategischen Managements wie die interne und externe Analyse, konsequente
Marktorientierung den Stakeholderansatz und den Gedanken der kontinuierlichen Verbesserungen
einzuführen. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass bei berufsbegleitenden
Studienprogrammen
Organisationsformen
mit
unterschiedlicher
Geschwindigkeit
und
unterschiedlichem Formalisierungsgrad aufeinanderstoßen. Daher kommt dem Konzept des Indirect
Leadership oder der lateralen Führung, wie oben dargestellt, dessen Umsetzung den Mitarbeitern
und Vertretern der Weiterbildungseinheit obliegt, eine Schlüsselrolle zu.
3.4 Stakeholderanalyse
Im Rahmen der Konzeption des ersten Weiterbildungsprogramms an der Hochschule Heilbronn,
dem berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau, wurde der Ansatz der Stakeholderanalyse
erstmals an der Hochschule im vorher erwähnten Sinn angewandt. In den Phasen der
Ideenentwicklung und des Programmanlaufs wurden systematisch alle relevanten internen und
externen Stakeholder identifiziert und deren Einfluss auf die Weiterbildung und das in der
Entwicklung befindliche Studienprogramm bewertet. Dies erfolgte, wie bei komplexen Projekten
üblich, in Form von Matrix-Darstellungen, auf denen Kriterien wie Macht/Einfluss auf das
Vorankommen des Projektes sowie die Interessenlage der verschiedenen internen und externen
Stakeholder abgetragen wurde.
Wichtige Stakeholder im Fall der wissenschaftlichen Weiterbildung sind die Studierenden, die
Hochschule und Unternehmen, wobei diese sich noch in weitere Untergruppen untergliedern
lassen. So hat beispielsweise die Hochschulverwaltung andere Interessen an der Weiterbildung als
die Professoren. Darüber hinaus existieren im weiteren Kreis Stakeholder wie die Gesellschaft im
Allgemeinen, die Politik und Verbände, die ihre eigenen Interessen an der wissenschaftlichen
Weiterbildung haben.
In einem dynamischen Umfeld geht es daher nicht nur darum, die Stakeholder zu identifizieren und
deren Einfluss einzuschätzen, sondern durch beständiges Monitoring der sich verändernden
Haltungen, Bedürfnisse und Interessen der unterschiedliche Stakeholder ein gegebenes
Studienprogramm fortlaufend zu verbessern (vgl. Köster 2010: 195 ff.).
13
Erfahrungen in der Anwendung des Stakeholder Ansatzes
Beginnend im Herbst 2011 wurden zunächst die relevanten Stakeholder in einem moderierten
Workshop identifiziert und danach gemäß ihrer Nähe zum Projekt und nach ihrer Bedeutung
eingestuft.
Die Stakeholder wurden zum einen nach ihrer Bedeutung für die Weiterbildung und
Studienprogrammgestaltung und zum anderen nach ihrer unmittelbaren „Nähe“ und ihrer
Interessenlage zum Programm bewertet. Als unmittelbar für das Studienprogramm relevant („nah“)
bzw. von großer Bedeutung wurden - unter anderem - folgende Stakeholder eingestuft:
●
●
●
●
Studierende (beruflich Qualifizierte)
Regionale KMU (Klein- und mittelständische Unternehmen) und MNC’s (Multinationale
Unternehmen)
Professoren/Professorinnen, Dozenten/Dozentinnen bzw. Hochschulmitarbeiter/innen im
Allgemeinen
Arbeitsagentur
Abbildung 3: Stakeholderanalyse für den berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor
Im Anschluss daran konnten entsprechende Handlungsmaßnahmen in Bezug auf die
verschiedenen Anspruchsgruppen abgeleitet werden. Diese bewertete Analyse bildete die Basis für
die weiteren Schritte, im Zuge derer die Stakeholder im Rahmen von informellen Gesprächen und
qualitativen Leitfadeninterviews kontaktiert wurden. Ziel der Befragung war zum einen, sich ein Bild
über das Bewusstsein zum Thema wissenschaftliche Weiterbildung und Programmkonzeption zu
schaffen, und zum anderen Bedarfe für den oben dargestellten berufsbegleitenden MaschinenbauBachelor zu erheben.
Lessons Learned vom Einsatz der frühzeitigen Stakeholderanalyse
Die systematische Stakeholderanalyse und -bewertung hat sich für die Gestaltung, Entwicklung und
die kontinuierliche Verbesserung von Studienprogrammen als nützliche Methode erwiesen. In der
Programmanlaufphase hat der moderierte Workshop dazu beigetragen, alle wesentlichen
Stakeholder zu identifizieren und im Weiterbildungsteam ein erhöhtes Bewusstsein für die Rolle der
diversen Stakeholder zu schaffen. Der Einsatz einer externen Moderatorin war an dieser Stelle sehr
hilfreich.
Darüber hinaus haben informelle Gespräche und qualitative Interviews mit Unternehmensvertretern
mit potentiellen Studieninteressierten dazu beigetragen, ein realistisches Bild bezüglich der
Nachfragesituation für einen berufsbegleitenden Bachelorstudiengang im Bereich Maschinenbau zu
14
erhalten. Dabei konnte im Gespräch mit Unternehmensvertretern die Bereitschaft abgefragt werden,
als Partner bei der Implementierung von wissenschaftlicher Weiterbildung gestaltend mitzuwirken.
Das positive Feedback in dieser Phase hat sich durch die Zahl der Studienanfänger bestätigt.
In der Pilotphase8 hat sich die Einbeziehung von Unternehmensvertretern in Form der Betreuer der
On-the-Job-Projekte als gewinnbringend erwiesen (vgl. nächster Abschnitt). Erst durch wiederholte
Gespräche in den Fokusgruppen konnte das notwendige Bewusstsein dafür geschaffen werden,
dass der Erfolg der On-the-Job-Projekte wesentlich von der Unterstützung der Unternehmen
abhängt, und dass nur unter Einbeziehung aller Partner eine Win-Win Situation entsteht. Ein offener
Austausch zwischen Hochschule, Studierenden und Unternehmen war schließlich das Herzstück
des Heilbronner Modells in Form des multilateralen Wissenstransfers durch die On-the-JobProjekte. Hier ist durch den Einsatz von Instrumenten zur kontinuierlichen Verbesserung (PDCAZyklus) ein deutlicher Mehrwert festzustellen. Insgesamt kann konstatiert werden, dass ohne die
Einbindung der Studierenden und Unternehmensbetreuer mit Hilfe der qualitativen
Begleitforschung, Verbesserungspotentiale hier nicht schnell genug erkannt worden wären, was die
Weiterführung des berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelors hätte gefährden können.
3.5 Der didaktische Ansatz im Heilbronner Modell
Das Heilbronner Modell fokussiert sich in seiner didaktischen Ausrichtung auf die besondere
Einbeziehung von berufspraktischen Fähigkeiten in das berufsbegleitende Studium in Form von Onthe-Job-Projekten. Es besteht aus drei Komponenten, die miteinander interagieren:
1. Theoretisch-fachliches Wissen
2. Methodenkompetenz
3. On-the-Job-Projekte
Durch die On-the-Job-Projekte soll ein direkter Wissenstransfer des
Erlernten durch Work-Based-Learning ins Unternehmen geschaffen
werden. Das vermittelte theoretisch-fachliche Wissen aus der
Hochschule wird in den On-the-Job-Projekten auf aktuelle
Problemstellungen aus dem Unternehmen übertragen und
Gelerntes kann direkt in die Praxis umgesetzt werden. Dies
geschieht parallel zur Vermittlung des theoretisch-fachlichen
Wissens, so dass der Studierende schrittweise das Erlernte
umsetzen und wieder in die Theorie zurückspiegeln kann. In der
Gruppe der Studierenden kann der Wissenstransfer am Ende jedes
Semesters reflektiert werden und die Studierenden erlangen
Abbildung 4: Heilbronner Modell
(eigene Darstellung)



dadurch neue Sichtweisen auf praktische Problemstellungen. Die
sich daraus ergebenden Vorteile liegen vom Lehr- und Lerndesign
her in folgenden Punkten:
Das Studium ist stark anwendungsbezogen (hoher Praxisbezug).
Die Inhalte des Studiums sind an die beruflichen Erfordernisse angepasst.
Studierende können bereits während des Studiums ihre Handlungs- und Methodenkompetenz
an konkreten Aufgabenstellungen aus dem Arbeitsalltag unter Beweis stellen, was die
8
Als Pilotphase wird hier der Zeitraum verstanden, bis die erste Studienkohorte das Studienprogramm komplett
durchlaufen hat.
15



Motivation stärkt.
Die Studierenden vergegenwärtigen sich durch den ständigen Transfer kontinuierlich die
Studieninhalte, was zu nachhaltigem Lernerfolg im Sinne des Kompetenzerwerbs führt.
Die intensive fachliche Betreuung durch Professoren der Hochschule Heilbronn, insbesondere
im Rahmen der On-the-Job-Projekte, ermöglicht die starke Individualisierung des
Lernprozesses, was wiederum zu effektiverem Lernerfolg führt.
Flexible Studienstrukturen und offene Prüfungsgestaltung lassen Raum für die persönliche
Work‐Life‐Learning‐Balance der Studierenden.
Dieser didaktische Ansatz stellt besondere Anforderungen an ein berufsbegleitendes
Studienprogramm. Bisher wurde ein solcher Ansatz in Baden-Württemberg nicht in dieser Form
umgesetzt (siehe Köster et al. 2014), so dass neben den bereits skizzierten Prozessen
(Bedarfsentwicklung und –erhebung, Konzept- und Geschäftsplanentwicklung, Programmgestaltung
und (Weiter-)Entwicklung sowie Programmimplementierung die besonderen Anforderungen des
Ansatzes Berücksichtigung finden müssen. Dabei sind folgende Themenstellungen von Relevanz:
 Integration von zwei Lernorten in das Studium
 Curriculare Gestaltung des Programm unter Berücksichtigung der On-the-Job-Projekte
 Gestaltung und Organisation der fachlichen Betreuung seitens der Hochschule durch
Mentoren / Betreuer
 Einbindung
des
Lernortes
Unternehmen
durch
aktive
Beteiligung
von
Unternehmensbetreuern
 Ausrichtung des Studium auf die besonderen Lernbedingungen der Studierenden
Im Folgenden wird am Beispiel des berufsbegleitenden Studienprogramms Bachelor Maschinenbau
dargelegt, wie die Programmkonzeptionierung an der Hochschule Heilbronn in die verschiedenen
Phasen mit ihren jeweiligen Aufgabengebieten durchlaufen wurden, wobei zunächst beschrieben
wird, wie die Umsetzung des vorhandenen Programmkonzeptionierungsrahmens erfolgte, um
anschließend retrospektiv zu reflektieren, welche Verbesserungen in diesem Prozess, sowohl bei
der Implementierung, als auch des Konzeptionierungsrahmens an sich, nötig sind. Diese Reflektion
erfolgt unter Berücksichtigung des Modells von Bardachzi, das als umfangreiches Theoriemodell
Good Practice – Charakter besitzt.
4. Programmgestaltung am Beispiel des berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau
Die Ideenentwicklung für berufsbegleitende Studiengänge war eingebettet in die Hochschulstrategie
und das grundlegende didaktische Lern- und Lehrdesign. Die Weiterbildungsexperten haben sich
im iterativen Prozess mit verschiedensten Fachexperten der Hochschule ausgetauscht. Im Frühjahr
2011 wurden so Studienprogrammideen für einen berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor
sowie für MBA-Programme in den Bereichen International Automotive Management und
Unternehmensführung entwickelt. Die weiteren Ausführungen fokussieren sich auf den
berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor.
4.1 Bedarfsentwicklung und -erhebung
Ausgangsbasis für die Idee des Bachelor-Programms im Bereich Maschinenbau war einerseits die
Entwicklung und Gestaltung eines berufsbegleitenden Angebots an der Hochschule Heilbronn,
welches einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung in der Region leisten soll (Zielmarkt) und
eine hohe Reputation der Hochschule in seiner fachlichen Ausrichtung verkörpert (strategische
16
Ausrichtung, Vorhandensein angemessener interner Ressourcen). Andererseits war es wichtig,
dass das Studienprogramm einen aktiven Beitrag zur Öffnung der Hochschule für neue Zielgruppen
wie beispielsweise beruflich Qualifizierte erfüllt (Strategiekonformität).
Diese Vorüberlegungen wurden durch Bedarfserhebungen in Form von Expertenbefragungen
(Unternehmensvertreter der Region, Kammer- und Verbandsvertreter, beruflich Qualifizierte u.a.)
sowie durch Angebots- und Wissenschaftsanalysen bestätigt, die durch die Studiengangleitung des
grundständigen Bachelor Maschinenbau, die Weiterbildungsspezialisten der Hochschule Heilbronn
sowie weiterer Fachexperten der Fakultät Mechanik und Elektronik durchgeführt wurden.
Hier wurde darauf Wert gelegt, zahlreiche Vertreter mittelständischer Unternehmen zu interviewen,
wobei die Interviewpartner in der Regel Geschäftsführer oder Produktions- und Entwicklungsleiter
waren, nicht die Personalabteilung, die in den Zielbetrieben meist eher administrative Aufgaben
wahrnimmt. Das durch die Befragung von KMU gewonnene Bild wurde durch Interviews von
Personalentwicklern großer Unternehmen sowie Fachkräfte und Demographie-Experten in der
Region ergänzt.
Die potenzielle Zielgruppe der beruflich Qualifizierten wurde auf regionalen Bildungsmessen sowie
Verbandsveranstaltungen persönlich kontaktiert und interviewt.
Flankierend wurden Experteninterviews mit erfahrenen Weiterbildungsanbietern in BadenWürttemberg und anderen Bundesländern geführt, die mit der Zielgruppe beruflich Qualifizierter
bereits Erfahrungen gewinnen konnten, die wiederum zur Validierung der gewonnenen empirischen
Erkenntnisse herangezogen wurden.
Die Ergebnisse der Bewertung der Bedarfslage waren dergestalt, dass davon auszugehen war,
dass die Unternehmen der Region einen berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor-Studiengang
unterstützen, in dem sie geeignete Mitarbeiter auf diese Weiterbildungsmöglichkeit hinweisen und
diese auch zumindest teilweise finanziell fördern. Die aggregierten Rückmeldungen der befragten
beruflich Qualifizierten deuteten auch auf eine sehr positive Einstellung gegenüber dieser neuen
Studienform hin.
Es schien somit erfolgversprechend im Sinne der Interessen der externen Stakeholder, hier vor
allem der Unternehmen der Region sowie der berufliche Qualifizierten, denen sich ein
akademischer Bildungsweg öffnen würde, diesen Studiengang zu etablieren, zumal vollkommene
Konsistenz mit dem oben dargestellten strategischen Zielbündel der Hochschule Heilbronn
gegeben war. Betrachtet man die rechtlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, in
die die Hochschule eingebettet ist, so würde die Hochschule Heilbronn mit der Etablierung
wissenschaftlicher Weiterbildung sowie der Öffnung gegenüber neuen Zielgruppen die neuen
Forderungen im Landeshochschulgesetz umsetzen und dazu beitragen, dass sich die
Akademikerquote im technischen Bereich bedarfsgerecht in der Region erhöht.
4.2 Konzeptentwicklung
Aus Gründen des Agilitätsvorteils bildete die Grundlage für die Konzeptentwicklung
der
Maschinenbau-Bachelor-Studiengang aus dem grundständigen Studium. Dieser musste nun in
großen Teilen der neuen Zielgruppe angepasst werden, vor allem, was das Format angeht, aber
auch teilweise die Gewichtung und Ausrichtung der Inhalte betreffend.
Wie oben dargelegt sollte das berufsbegleitende Programm neuen Zielgruppen im Rahmen der
Öffnung der Hochschule die Möglichkeit zur akademischen Weiterqualifizierung bieten. Daher
wurden als Zielgruppe primär Meister/innen, Techniker/innen oder Personen mit gleichwertiger
Weiterbildung, Facharbeiter/innen mit 3 Jahren Berufserfahrung, die bereits die Eignungsprüfung
für ein Studium erfolgreich abgelegt haben, neben den Personen mit klassischer
Hochschulzugangsberechtigung, definiert.
17
Die curriculare Ausgestaltung des Studienprogramms mit dem didaktischen Ansatz des WorkBased-Learning und der primären Zielgruppe von beruflich Qualifizierten legte die Wahl eines
Präsenzstudiums als Format nahe. Die Entscheidung für dieses Format wurde durch die
zahlreichen Interviews mit beruflich Qualifizierten, die im Zuge der Bedarfserhebung geführt
wurden, untermauert. Es herrschte die Meinung vor, dass das Lernergebnis mit Dozenten „zum
Anfassen“ besser als in einem virtuellen Kontext ist.
Die Wahl des Präsenzformates deckte sich auch mit der Wahl des Zielmarktes, den für diesen
Studiengang die mittelständischen und großen Unternehmen mit ihren Mitarbeitern (vor allem
beruflich Qualifizierte) der Region Heilbronn-Franken darstellte. Das Einzugsgebiet wurde ca. 80 km
rund um Heilbronn gesehen, vor allem in östlicher Richtung, wo zahlreiche Standorte einschlägiger
Industrie zu finden sind. Bei entsprechender Nachfrageentwicklung wäre in der Region Hohenlohe
sogar eine eigenständige Durchführung des Studienganges möglich, da die Hochschule Heilbronn
einen Standort in Künzelsau hat, der größtenteils die nötige technische Ausstattung aufweist.
Bezogen auf die neue Zielgruppe und die zu erwartende Heterogenität der Studierenden wurden
studienvorbereitende Angebote aus dem MINT-Bereich der grundständigen Studiengänge als
Beitrag für den Übergang aus dem Beruf ins Studium in Betracht gezogen. Dazu ermutigten auch
die Ergebnisse der Interviews mit Personalentwicklern großer Unternehmen, die darauf hinwiesen,
dass sie selbst immer mehr nachqualifizieren müssten, da die Berufsschulen keinen ausreichenden
technischen Hintergrund mehr lieferten. Die potenzielle Problematik der Studierfähigkeit war mithin
auf dem Radarschirm.
Alle befragten externen Stakeholder präferierten deutlich eine Studiendauer, die so kurz als möglich
sein sollte. Daher entschlossen sich die internen Stakeholder dazu, das Konzept für den
berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelor so auszugestalten, dass eine Studienzeit von sieben
Semestern möglich sein sollte, ein sehr ambitionierter Zeitrahmen, der eventuell nicht haltbar sein
würde.
Wie eingangs erwähnt finanziert die Hochschule Heilbronn alle wissenschaftlichen
Weiterbildungsmaßnahmen über Gebühren. Es wurden die Gesamtkosten für das 7-semestrige
Studienprogramm berechnet und in Semester- und Monatsraten heruntergebrochen. Dabei
orientierten sich die Weiterbildungsspezialisten auch an vergleichbaren Angeboten, die bereits am
Markt platziert waren. Mit der Berechnung wurde eine Mindestteilnehmerzahl festgelegt, die erreicht
werden muss, damit die Hochschule die kostendeckende Durchführung dieses berufsbegleitenden
Studienprogramms garantieren kann und nicht Gefahr läuft, Verluste zu machen, was sie mit den
gesetzlichen Rahmenbedingungen in Konflikt bringen würde.
4.3 Prozess der Programmgestaltung
Lehr-Lerndesign
Die Bestimmung der Studienziele und Studieninhalte orientierte sich am grundständigen
Studiengang, welcher mit 210 ECTS Punkten im Vollzeitstudium studiert werden kann. Davon
entfallen 30 ECTS Punkte auf das praktische Studiensemester. Die Studiendauer beträgt insgesamt
sieben Semester und führt zum Abschluss Bachelor of Engineering.
Das entsprach nicht nur den in der Bedarfserhebungsphase gewonnenen Erkenntnissen, sondern
erleichterte auch die Akzeptanz dieser neuen Form von Programmen, die berufsbegleitend studiert
werden können, unter den internen Stakeholdern an der Hochschule Heilbronn. Da es sich hier um
den ersten solcher Studienprogramme handelte, waren die Vorbehalte gegenüber Neuem groß. Vor
allem bestanden Befürchtungen, das Niveau könne sich mit der neuen Zielgruppe absenken.
Interne und externe Stakeholder waren sich darüber einig, dass die Qualität des
Bachelorabschlusses vom grundständigen Maschinenbau-Studiengang dieselbe sein muss wie die
18
des berufsbegleitend angebotenen Studienprogramme. Dies war eine wichtige interne Vorgabe bei
der Ausgestaltung der Inhalte und des Lehr-Lern-Designs.
In einem iterativen Prozess, an dem Fachexperten, Weiterbildungsspezialisten und eingeschränkt
IT-Spezialisten teilnahmen, wurde der berufsbegleitende Bachelor Maschinenbau, wie oben
dargestellt, als Teilzeitstudiengang ebenfalls mit einer Studiendauer von 7 Semester und 210 ECTS
konzipiert. Der oben erklärten strategischen Vorgabe folgend, dass die berufsbegleitenden
Studiengänge der Heilbronner Hochschule für Angewandte Wissenschaften stark
anwendungsbezogen sein sollen, entfallen davon insgesamt 40 ECTS auf die durch den WorkBased-Learning Ansatz bestimmten On-the-Job-Projekte, die jeweils vom 1. bis zum 6. Semester
mit 6 ECTS-Punkten als Prüfungsleistung berücksichtigt werden. Durch diesen Aufbau des
Studienprogramms sollte dem Anspruch Rechnung getragen werden, dass erworbene Kenntnisse,
Fertigkeiten und Kompetenzen aus beiden Lernorten (Hochschule und Arbeitsplatz) berücksichtigt
werden und das Studium somit durch einen hohen Praxisanteil geprägt ist. Die Idee war, den
Wissenstransfer hauptsächlich im Rahmen der On-the-Job-Projekte zu gestalten. Dies bedeutet,
wie bereits dargestellt, dass das vermittelte theoretische Wissen durch einen
Wissensanwendungsprozess auf aktuelle Problemstellungen aus dem Unternehmen übertragen
werden soll.9
Die gesamte Struktur des Studienprogramms ist Abbildung 5 zu entnehmen.
9
Ausführliche Darstellung und Diskussion des Ansatzes und ein erster Umsetzungsbericht ist dem Bericht “Von
Wissen zu Kompetenz - Erfahrungen mit dem Work-Based-Learning Ansatz in den berufsbegleitenden Studiengängen der
Hochschule Heilbronn” zu entnehmen.
19
Abbildung 5: Studienplan Bachelor Maschinenbau
Vermarktung
Die Vermarktung des Programms begann bereits bei der Bedarfserhebung. Durch die Interviews mit
Unternehmensvertretern und beruflich Qualifizierten waren zahlreiche externe Stakeholder der
Region bereits über die Entstehung eines berufsbegleitenden Studienprogramms im Bereich
Maschinenbau informiert, wenn auch zunächst nicht alle Details bekannt waren. Nach Abschluss
der
Programmentwicklung
wurden
auf
elektronischem
und
postalischem
Wege
Informationsmaterialien an diese Gesprächspartner verschickt, wobei eine umfängliche Broschüre
eher auf die Fragestellungen von Unternehmen, und ein Flyer eher auf die Informationsbedürfnisse
der Studieninteressierten abzielte.
Die Bedarfsanalyse hatte auch ergeben, dass es für die neue Zielgruppe der beruflich Qualifizierten
sehr wichtig ist, die Akteure im Vorfeld persönlich kennen zu lernen, um mit ihnen zu besprechen,
ob ein Studium sinnvoll ist und was auf sie zukommt. Diesem Bedürfnis Rechnung tragend
entschieden sich die Fachexperten zusammen mit den Weiterbildungsspezialisten dafür,
gemeinsam in Form von „Roadshows“ Informationsveranstaltungen anzubieten, die Raum für
Interaktion boten. Diese Veranstaltungen fanden im Herbst/Winter 2011 an verschiedenen
20
Standorten der Hochschule sowie an anderen Orten in der Region statt, um die Informationen über
den Start des neuen berufsbegleitenden Studienprogramms möglichst regional breit zu streuen.
Flankiert wurden diese Maßnahmen durch eine informative Webseite und telefonische Beratung der
neuen Zielgruppe auf Anfrage hin.
Das so genannte Alleinstellungsmerkmal lag im Lehr-Lerndesign, das stark auf den kontinuierlichen
Wissenstransfer zwischen den Hauptakteuren zielt und somit für alle Beteiligten durch die
Transformation von Wissen in Erfahrung und Lösungen Mehrwert schafft.
Management
Teil des Vermarktungskonzeptes war bereits das Servicemanagement. Der spätere
Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelorprogramms stand persönlich
per Email und telefonisch mit sehr kurzen Reaktionszeiten potenziellen Studieninteressierten zur
Verfügung. Personell wurde die individuelle Unterstützung der neuen Zielgruppe ergänzt durch
dezidiertes Programmmanagement, das es in dieser Form an der Hochschule bisher nicht gab.
Teil dieser persönlichen Unterstützung waren auch Beratungsgespräche, deren Umfang und Rolle
sich im Laufe der Zeit noch ausweiten sollte.
Das Finanzmanagement oblag den Weiterbildungsspezialisten, die in den eigens für die
wissenschaftliche Weiterbildung geschaffenen Strukturen für die Finanzplanung und das Controlling
zuständig waren.
Ein weiteres Aufgabenbündel, das hier anzusiedeln ist, ist das Qualitätsmanagement. Neben der
Entwicklung eines Programmkonzeptionierungsrahmens ist ein weiteres großes Arbeitsgebiet des
vorliegenden Forschungsprojektes die Unterstützung beim Qualitätsmanagement von
berufsbegleitenden Studienprogrammen. Dieses soll daher im folgenden Kapitel eingehend
betrachtet werden.
4.4 Programmimplementierung
Das Qualitätsmanagement spielt neben der administrativen, inhaltlichen und didaktischen
Ausgestaltung des Studienprogramms eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Programms. Die
spezifische Herangehensweise zur Qualitätssicherung und deren Umsetzungserfahrungen hierzu
werden im Abschnitt 4.5 in ausführlicher Form dargelegt. Die gewonnenen Erkenntnisse und
Informationen bilden die Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung der Gestaltung und
Ausrichtung der Weiterbildung an der Hochschule insgesamt und darüber hinaus des genannten
Studienprogramms.
21
4.5 Erste Erfahrungen mit dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch Einsatz
eines PDCA-Zyklus im berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau
Wie bereits mit dem Instrumentarium eines Programmkonzeptionierungsrahmens, der größtenteils
dem betriebswirtschaftlichen Bereich des strategischen Management entnommen war, wurde auch
hier interdisziplinär gearbeitet, indem mit dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus eine klassische
Vorgehensweise aus dem operativen Management gewählt wurde, um diese auf die Gestaltung und
Weiterentwicklung von Studienprogrammen anzuwenden. Die diesem Vorgehen zugrunde liegende
Philosophie geht auf das japanische kaizen-Konzept zurück. Im deutschen Kontext sprechen wir
von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (Continuous Improvement Processes), die in der
Praxis mit dem Instrument eines Plan-Do-Check-Act Zyklus (PDCA) umgesetzt werden.
Hierbei handelt es sich jedoch nicht lediglich um die “mechanische“ -Anwendung von
Verbesserungswerkzeugen, sondern vielmehr umfasst kaizen eine ganzheitliche geistige
Einstellung, die sich mit der permanenten Suche nach Verbesserungen, die überall möglich sind,
beschäftigt (vgl. Imai, 1986). Es herrscht mithin das Bewusstsein, dass ständig alles verbessert
werden kann, was in einem komplexen, dynamischen (Lern- und Lehr)Umfeld, in dem die
Hochschulen operieren, eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Hierbei geht es nicht nur um die Evaluation von Lehrveranstaltungen anhand von standardisierten
Fragebögen, sondern vielmehr um eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung unter Beteiligung
aller Akteure. Im dargestellten Fall werden ab der Hochschule Heilbronn sowohl die
Studiengangsleiter, Studienprogramm-Manager und die Dozenten als auch die Studierenden und
Unternehmensbetreuer mit einbezogen.
In den berufsbegleitenden Studiengängen nach dem Heilbronner Modell gibt es verschiedene
Skalierungen des PDCA-Zyklus, die sich auf Semesterebene und operativer Ebene abbilden
lassen. (siehe Abbildung 6).
Der Semesterzyklus
Der größere Regelkreis bezieht sich auf den Zeitraum eines Semesters. Die hier angewandten
Instrumente sind Fokusgruppen mit Studierenden und Unternehmensbetreuern, sowie
Einzelinterviews mit Dozierenden. Das Feedback, das durch die verschiedenen Instrumente, die auf
Semesterbasis angewandt werden, entsteht, kann teilweise direkt in den operativen Zyklus
eingespeist werden, oder findet seinen Eingang in den Regelkreis zum nächsten Semester.
Operative Zyklen
Die operativen Zyklen sind durch den regelmäßigen, zweiwöchentlichen Austausch der
Projektmitarbeiter mit den Studienprogrammmanagern institutionalisiert. In diesem Rahmen werden,
soweit möglich, organisatorische Verbesserungen direkt im laufenden Studienbetrieb umgesetzt.
22
yklus
Semesterz
PLAN
Act
PLAN
Do
CHECK
PLAN
PLAN
Do
Do
Act
Act
Do
CHEC
K
Do
CHEC
K
CHEC
K
CHECK
Qualitätsverbesserung
Act
Act
PLAN
Operative Zyklen
Semester
Abbildung 6: Der PDCA-Zyklus im Semesterverlauf
Ausgewählte Erfahrungen in der Anwendung des PDCA-Zyklus
Das Instrument der Fokusgruppen wurde für das SS 2012, WS 2012/13 und das SS 2013 jeweils im
darauffolgenden Semester eingesetzt. Der Inhalt der Diskussion in den Fokusgruppen mit
Studierenden und Unternehmensbetreuern wurde durch einen Gesprächsleitfaden vorstrukturiert.
Dabei wurden die Diskussionsrunde auf Video aufgenommen und die Diskussionen später
transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Im Sommer/Herbst 2013 fand zusätzlich eine Interviewrunde mit fünf Lehrenden aus dem
berufsbegleitenden Bachelorprogramm Maschinenbau statt. Diese wurde als Audiodatei
aufgenommen und ebenfalls verschriftlicht und ausgewertet. Weiterhin fand im Januar 2014 eine
Interviewrunde mit Studierenden und Unternehmensbetreuern speziell zum Thema Work-basedLearning statt.
Im Rahmen der Fokusgruppendiskussionen traten Problembereiche zutage, die entweder gar nicht
oder nicht in diesem Ausmaß bekannt waren. Dies gilt zum Beispiel für das Themenfeld des
Übergangsmanagements. Es wurde deutlich, dass im Bereich Studierfähigkeit schnell mehr getan
werden muss, zum Beispiel im Rahmen eines Mathematik-Vorkurses, der die
Studieneingangsphase für beruflich Qualifizierte erleichtern soll. Auch wurde deutlich, dass im
Bereich Studienberatung mehr getan werden muss, z.B. mithilfe eines Beratungsleitfadens.
Der Mathematikvorkurs wird (Stand März 2014) bereits in der dritten Überarbeitungsversion
angeboten und wird weiterhin kontinuierlich verbessert. Derzeit bestehen Überlegungen, den
Vorkurs zusätzlich mit dem Ansatz von Blended Learning zu erweitern (Näheres unter Abschnitt
5.3.2).
Im Bereich Beratung hat der Regelkreis zur Erstellung und Anpassung eines Beratungsleitfadens
zur Qualitätssteigerung der Beratung für Studieninteressierte geführt.
Im Bereich des Work-Based-Learning hat der Qualitätsmanagement-Regelkreis dazu beigetragen,
23
die On-the-Job Projekte zügig zu verbessern. Bei den On-the-Job Projekten hat das Feedback aus
den Fokusgruppen, den Dozierendeninterviews und der gezielten Interviewrunde zum Thema im
Januar 2014 zur Erarbeitung eines On-the-Job-Projekt Leitfadens geführt, der an die zweite Kohorte
der MBA Studierenden bereits in der Studieneingangsphase ausgegeben werden (Näheres unter
Abschnitt. 4).
Lessons Learned beim Einsatz des PDCA-Zyklus durch Fokusgruppen und Interviews
Insgesamt haben sich bis Stand März 2014 die Auswahl der Instrumente Fokusgruppe und
leitfadengestütztes Interview als geeignet gezeigt, um den PDCA-Zyklus im berufsbegleitenden
Bachelor Maschinenbau und mittlerweile in den MBA-Programmen durchzuführen. Dies trifft
besonders deshalb zu, weil es beim Anlauf neuer Studiengänge einen erhöhten Regelbedarf gibt
und das qualitative Instrumentarium es ermöglicht auf konzeptionelle Probleme besser einzugehen.
Servicemanagement
Dabei hat sich beispielsweise gezeigt, dass für berufsbegleitende Studierende der Lernort
Hochschule noch Verbesserungspotential aufweist. Unter anderem wurde deutlich, dass die
Institution Hochschule nicht auf die Studienzeiten von berufsbegleitend Studierenden mit ihren
Serviceangeboten eingestellt war. Dies betrifft beispielsweise die Öffnungszeiten der Bibliothek am
Abend und an Samstagen. Verbesserungsvorschläge bezüglich der Dienstleistungen der
Hochschule wurden daher über das Programmmanagement direkt an die entsprechenden
Schnittstellen in der Hochschule kommuniziert, um gemeinsam tragbare Lösungen zu erarbeiten.
Ähnliches trifft auf administrative Prozesse zu. Hier konnte die Weiterbildungsorganisation eine
schnelle Lernkurve erzielen. Da die Handlungsfelder bereits identifiziert wurden, empfiehlt es sich in
Zukunft, die Dienstleistungen der Hochschule sukzessive anhand von quantitativen Instrumenten
direkt durch das Programmmanagement zu optimieren.
Das Instrument der Fokusgruppe soll weiterhin für die komplexeren Themenfelder verwendet
werden, um beispielsweise tiefere Einblicke in die Ausgestaltung von lebensbegleitendem Lernen
zu erhalten, oder in die Umsetzung von Work-Life-Learning-Balance und Work-Based-Learning.
Zu Beginn wurden Fokusgruppen mit kompletten Studienkohorten durchgeführt. Aufgrund der
steigenden Anzahl von Studienkohorten und deren Gruppengrößen im berufsbegleitenden Bachelor
Maschinenbau hat sich allerdings gezeigt, dass bei der Auswertung der Fokusgruppen der
Detailgrad der Transkriptionen nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen steht.10 Daher wird im weiteren
Vorgehen bei der Auswertung auf eine selektive Transkription mit kombiniertem
Gedächtnisprotokoll umgestellt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass direkt umsetzbare
Verbesserungsvorschläge zügig an das Programmmanagement weitergegeben werden und
gleichzeitig komplexere Themenfelder weiterhin im Detail betrachtet werden können. Das ist dem
kaizen-Konzept angemessen.
Zudem werden ab April 2014 Fokusgruppen nicht mehr nur basierend auf Studienkohorten
zusammengesetzt. Als vielversprechend wird das Konzept betrachtet, Fokusgruppen gemischt je
nach Themenfeld zusammenzustellen. Beispielsweise bietet es sich an, zum Thema Work-BasedLearning eine Fokusgruppe aus Studierenden, Hochschulbetreuern und Unternehmensbetreuern
zusammenzustellen. Dies komplementiert die Einzelinterviews mit den genannten Akteuren und
führt durch die gleichzeitige Einbeziehung aller Akteure zu einer zeitnahen Lösungsfindung und –
umsetzung.
10
Insbesondere zeigte sich dies bei der Fokusgruppe mit der zweiten Kohorte des bMB, die 18 Studierende umfasste.
24
5. Gestaltungsperspektiven im Übergangsmanagement11 am Beispiel des
berufsbegleitenden Bachelors Maschinenbau
Wie bereits dargestellt war ein Ergebnis der Durchführung des kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses mit dem Instrument der Fokusgruppen der Umstand, dass sich einige
Vertreter der neuen Zielgruppe der beruflich Qualifizierten mehr Unterstützung beim Übergang ins
Studium wünschten, und das, obwohl die Bedürfnisse der neuen Zielgruppe bezüglich des
Übergangsmanagements bereits im Rahmen der Bedarfserhebung und des Lern-Lehrdesigns
abgefragt und eingearbeitet worden waren.
5.1 Berücksichtigung der besonderen Anforderungen von beruflich Qualifizierten bei der
Programmkonzeptionierung
In Baden-Württemberg hat sich durch die Erweiterung des Hochschulzugangs für beruflich
Qualifizierte zwar der Anteil beruflich qualifizierter Studierender erhöht, jedoch zählt BadenWürttemberg im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern (vgl. Nickel, S./Leusing, B. 2009;
Nickel, S./ Duong, S. 2012).
Die Hochschulleitung hatte es sich zum Ziel gesetzt, als größte Hochschule für Angewandte
Wissenschaften in Baden-Württemberg mit gutem Beispiel voran zu gehen und mit dem
Studienprogramm des berufsbegleitenden Maschinenbau-Bachelors primär diese Zielgruppe
anzusprechen. Seit dem Start des Programms im Sommersemester 2012 verzeichnet die
Hochschule in jedem Studienjahr eine wachsende Anzahl an beruflich qualifizierten Studierenden.
Aktuell studieren 28 beruflich Qualifizierte in diesem Studiengang. Das ist ein Anteil von 60 Prozent
im berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau.
Vor dem Hintergrund der starken Heterogenität ist es gerade für die Zielgruppe von beruflich
Qualifizierten wichtig, deren individuelle Lern-, Arbeits- und Lebenserfahrungen sowie deren
Lebensumfeld bei der Studienprogrammgestaltung zu berücksichtigen. Zu beachten ist dabei, dass
beruflich Qualifizierte als „überdurchschnittlich motivierte Leistungsträger mit einer
Doppelqualifikation“ (Wolter 2008: 97) zu betrachten sind, die sowohl über „erfahrungs- und
wissensbasierte Kompetenzen“ als auch eine „hohen Weiterbildungsaffinität“ (ebd.) verfügen. In der
Regel sind sie älter als traditionelle Studierende, und haben größere familiäre und finanzielle
Verpflichtungen. Das alles gilt es bei der Ausarbeitung des Lehr- und Lerndesigns in Betracht zu
ziehen, wie bereits oben dargestellt. Mucke und Kupfer (2011: 231) empfehlen darüber hinaus das
Angebot von Vorbereitungs- und Unterstützungsprogrammen wie Propädeutika oder Brückenkurse,
eventuell auch spezifisch ausgerichtete Mentoringprogramme.
Diese
zielgruppenspezifischen
Besonderheiten
wurden
bereits
frühzeitig
in
der
Programmanlaufphase des berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau der Hochschule Heilbronn
berücksichtigt und spiegeln sich in der Entwicklung eines zusätzlichen Angebots im Bereich des
Übergangsmanagements wider. Es ist als Unterstützungs- und/oder Studienvorbereitungsangebot
auf individueller Ebene konzipiert, das heißt, dass der individuelle Übergang Beruf-Hochschule
eines Studierenden im Zentrum steht. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Studierfähigkeit im
fachlichen Sinne bedeutend. Übergänge stellen eine sehr sensible Lebensphase dar, die je nach
Persönlichkeit unterschiedlich wahrgenommen wird, und die viel Potenzial zur Selbstfindung und
Selbsterkenntnis bergen (Tillmann (2013: 24). Eine bewusste Gestaltung dieser Phase ist mithin
11
verstanden als Vorbereitung auf ein Hochschulstudium
25
weichenstellend für das Selbstvertrauen des Studierenden, was sich wiederum direkt im
Studienerfolg widerspiegelt.
Bei der Gestaltung dieser Übergänge sollte der persönliche Bildungshintergrund einbezogen
werden, wie auch die bisherigen individuelle Lernerfahrungen der Studierenden und deren
Vorkenntnisse.
Bereits in der Programmanlaufphase des Studienprogramms wurden deshalb im Rahmen der o.g.
strategischen Stakeholderanalyse unter anderem regionale Unternehmensvertreter und beruflich
Qualifizierte (potentielle Studieninteressierte) zum Thema lebenslanges Lernen und zu
Anforderungen und Erwartungen an ein berufsbegleitendes Bachelor Studienprogramm befragt, um
frühzeitig relevante Informationen in die Programmentwicklung einfließen zu lassen. Dabei spielten
die Themenbereiche: Information und Beratung von beruflich Qualifizierten, Übergangsmanagement und Betreuung und Begleitung während des Studiums eine zentrale Rolle. Dennoch
bestand großer Weiterentwicklungs- und Verbesserungsbedarf.
5.2 Schlüsselfaktoren für ein gelungenes Übergangsmanagement
Die schon eingangs erwähnte zunehmende studentische Vielfalt und die daraus entstehenden sehr
individuellen Bedürfnisse der einzelnen Studierenden an einer Hochschule, sowohl im
grundständigen Studium als auch in der Weiterbildung, stellen hochschul- und
zielgruppenspezifische Anforderungen. Diese beziehen sich auf die Konzeption von
Studienprogrammen, wie im vorangegangenen Abschnitt diskutiert, sowie die Beratung und
Betreuung der Studierenden vor und während des Studiums.
5.2.1 Beratung Studieninteressierter
Ein Beratungsgespräch für alle Studieninteressierten ist die Grundlage für die Aufnahme eines
berufsbegleitenden Studiums an der Hochschule Heilbronn. Die Beratungsgespräche werden durch
die Studiengangleitung und das Programm-Management angeboten und sollen ermöglichen, dass
individuelle Bedürfnisse und habituelle Aspekte der Studieninteressierten kennengelernt werden.
Daneben sollen im Gespräch inhaltliche sowie institutionelle Anforderungen eines
berufsbegleitenden Hochschulstudiums, insbesondere nach dem Heilbronner Modell, für
Studieninteressierte aufgezeigt werden, um gemeinsam mit den Studieninteressierten die
Anforderungen
des
Hochschulstudiums
zu
erörtern
und
eine
systematische
Entscheidungsgrundlage für den Start in das Hochschulstudium zu schaffen. Ziel ist es dabei,
unrealistische Erwartungen bezüglich inhaltlicher Ausrichtung und fachlichem Niveau zu vermeiden.
Studieninteressierte sollen von Anfang an einen möglichst klaren Eindruck über die Anforderungen
und Gegebenheiten des berufsbegleitenden Studiums gewinnen.
Gerade an der Hochschule Heilbronn, die in der Weiterbildung den didaktischen Ansatz des Workbased Learning zugrunde legt, ergeben sich sehr spezifische Anforderungen sowohl an die
Studierenden als auch die Unternehmen, bei denen sie tätig sind, die für das erfolgreiche
Absolvieren des Studiums von Bedeutung sind (Köster et al. 2014). Auch der Gesetzgeber hat für
die Zielgruppe der beruflich Qualifizierten die Durchführung von Beratungsgesprächen
vorgeschrieben, wie in § 59 des Landeshochschulgesetzes vom 1. Januar 2005 ausgeführt.
Eingebunden in diese rechtlichen Rahmenbedingungen ist es daher neben oben erwähnten guten
Gründen für die Hochschule Heilbronn verpflichtend, solche Gespräche durchzuführen. Das
Beratungsgespräch für Studieninteressierte wird durch einen Gesprächsleitfaden strukturiert.
26
Folgende Themenschwerpunkte werden im Beratungsgespräch adressiert:
1. Vorstellung des Studiengangs durch Programmleitung und Programmmanagement
●
Inhalte, Aufbau und Anforderungen des berufsbegleitenden Studiums aus fachlicher
Perspektive sowie des Heilbronner Modells als didaktischem Ansatz
● Vorstellung der Möglichkeiten einer spezifischen Vorbereitung auf das Studium, z. B.
Übergangsmanagement
2. Vorstellung des beruflichen Werdegangs und aktueller beruflicher und privater Situation
durch Studieninteressierten
●
●
●
●
●
beruflichen Hintergrund
individuelle Bildungsbiographie und Lernerfahrungen
Motivation für berufsbegleitendes Studienprogramm
Erwartungen an Studienprogramm
Selbsteinschätzung
eigener
Fähigkeiten
und
Fertigkeiten
und
persönlicher
Entwicklungspotentiale (individuell / beruflich)
● privates Umfeld des Studierenden (förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen bzw.
besondere persönliche Herausforderungen)
3. Heilbronner Modell im gemeinsamen Dialog zwischen Programmleitung und
Studieninteressierten
●
●
●
●
Vorstellung des Modells und seiner besonderen Anforderung an Studierende und
Unternehmen / Arbeitgeber aus Sicht der Hochschule
Erwartungen und Anforderungen seitens des Studierenden an die Hochschule und
Unternehmen
Gemeinsamer Austausch zu besonderen Anforderungen und Herausforderungen des
Studienmodells sowohl an Studierende als auch Arbeitgeber im konkreten Fall, z.B.
Unterstützungsmöglichkeiten seitens der Hochschule (z.B. Informationsaustausch mit
Arbeitgeber/ Betreuungsperson u.a.) und seitens des Arbeitgebers, (Themenauswahl,
Betreuungsform, Wochenarbeitszeit, Freistellung durch Arbeitgeber u.a.) sowie Erörterung
mögliche Problemstellungen, die hinderlich für Absolvierung des Studium sein könnten und
Abstimmung weiteres Vorgehen
Ideen für Themenstellungen eines On-the-Job-Projekts
Der erarbeitete Gesprächsleitfaden wird im regelmäßigen Semesterzyklus (mittlerweile drei
Kohorten im berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau und zwei Kohorten in den MBA
Programmen) weiterentwickelt. Dies erfolgt im Austauschprozess mit der Studiengangleitung und
dem Programm-Management und durch die teilweise Teilnahme von beSt-Projektmitarbeitern an
den Beratungsgesprächen. Konkret wurden bisher folgende Verbesserungsmaßnahmen
durchgeführt:
●
●
●
Die Vereinbarkeit des Studiums mit der besonderen Ausrichtung auf das Heilbronner Modell
und der damit verbundenen beruflichen und privaten Situation (besondere Anforderungen
und Belastungen) des Studieninteressierten wird intensiver thematisiert.
Der Stellenwert von On-the-Job-Projekten innerhalb des Studiums und deren Anforderungen
an die Betreuung seitens des Unternehmens wir eruiert (Kooperation zwischen Akteuren).
Bisherige hochschuleigene Erfahrungen aus der Durchführung des Studienprogramms
(lernende Organisation, Auf- und Ausbau von Kooperationsbeziehungen zwischen
Hochschule und Wirtschaft) werden thematisiert.
27
5.2.2 Entwicklung, Erprobung und kontinuierliche Anpassung des Mathematik-Vorkurses
an heterogene Anforderungen der Studierenden als Teil des Übergangsmanagements
Bereits in der Programmanlaufphase zeigte sich durch die Stakeholderanalyse und die Recherche
und Analyse studienvorbereitender und -begleitender Angebote für beruflich Qualifizierte an
anderen Hochschulen, dass im berufsbegleitenden Bachelor Maschinenbau ein Angebot für einen
Mathematik-Vorkurs erstellt werden muss, um den Übergang in die Hochschule und den
Wiedereinstieg in den Lernprozess für beruflich Qualifizierte zu erleichtern.
Daher wurde ein Curriculum für den Mathematik-Vorkurs entwickelt, welches auf Basis des bereits
an der Hochschule Heilbronn bestehenden Brückenkurses für Studierende im grundständigen
Studium erarbeitet wurde. Schon zu Beginn des Prozesses der Programmimplementierung im
Januar 2012 konnte ein erstes zielgruppenorientiertes Angebot vor Studienstart im März 2012
erprobt werden. Im Verlauf der Weiterentwicklung des Studienprogramms konnten im intensiven
Kontakt mit der Mathematik-Dozentin12, sowie den weiteren Dozierenden (Physik, Elektrotechnik
u.a.),
dem
Programmmanagement
und
den
Studierenden
Informationen
und
Verbesserungspotentiale eruiert werden.
Das Erhebungsinstrumentarium bestand dabei sowohl aus kurzzyklisch terminierten Gesprächen in
den Zeiträumen der Durchführung des Kurses (vgl. operativer Zyklus), sowie aus
Fokusgruppendiskussionen mit Studierenden, die die Grundlage für Anpassungs- und
Überarbeitungsschritte für die kontinuierliche Verbesserung des Mathematik-Vorkurses darstellten
(Semesterzyklus). Folgende Fragestellungen waren wegweisend für die Verbesserungen und
Anpassungen:
●
●
●
●
Unterstützt die gewählte Lehr-Lernform das Erreichen der Qualifikationsziele?
War die Ausrichtung der Lehr-Lernmethoden der Zielgruppe angemessent?
Welche Verbesserungsmöglichkeiten existieren?
Wie und in welcher Form (fachlich und didaktisch) können Verbesserungen umgesetzt
werden?
Diese Fragestellungen wurden jeweils an die Perspektive der Akteure innerhalb des LehrLernprozesses angepasst. Zum besseren Verständnis der Umsetzung von kaizen wird in Abbildung
7 der kontinuierliche Verbesserungsprozess bezogen auf den Vorkurs Mathematik grafisch
dargestellt.
Die einzelnen Anpassungsschritte in einem Überarbeitungszyklus von einer Studienkohorte zur
nächsten wurden im darauffolgenden Studienjahr umgesetzt und erprobt. Es wurden curriculare
Anpassungen vorgenommen, die eine Erhöhung des Stundenvolumens und der Anpassung der
inhaltlichen Struktur in einen freiwilligen Auffrischungsteil und einen sich daran anschließenden
Pflichtteil für alle Studierenden darstellen lassen. Derzeitig wird der Vorkurs dahingehend
weiterentwickelt, dass zur flankierenden Wissensvermittlung und Evaluierung E-Learning Tools
einbezogen werden sollen. Detailliert sind die Anpassungsschritte der Tabelle 4 im Anhang zu
entnehmen.
12
Die Ausführungen und Verbesserungen basieren auf dem Veranstaltungskonzept einer Mathematik-Dozentin der
Hochschule Heilbronn, Frau Gabriele Sauer.
28


KO
NT
IN
UI
ER
LIC
Einführung eines E-learning Instruments
zur weiteren Ausgestaltung des LehrLern-Prozesses
2014
Entwicklung zweistufiges Konzept
mit Wahl- und Pflichtbestandteilen
2013

HE

W
EIT
Stakeholder-Analyse zur Entwicklung eines
berufsbegleitenden Bachelors Maschinenbau
Recherche zu studienvorbereitenden und begleitenden Angebote für beruflich
Qualifizierte anderer Hochschulen
ER
EN
TW
IC
KL
UN
G
2012
PLAN


Anpassung und
Weiterentwicklung
des Mathematikvorkurses

Anpassung und
Weiterentwicklung
des Mathematikvorkurses

Act
Do
Erarbeitung eines
Konzeptes für
Mathematikvorkurs
Durchführung
Mathematikvorkurs

Durchführung
Mathematikvorkurs
CHECK



kontinuierliche Gespräche mit Studiengangsmanagement, Studierenden
u. Lehrenden während der
Durchführungsphase
Fokusgruppendiskussionen mit Studierenden
und Mentoren aus den Unternehmen nach
Abschluss des Kurses
kontinuierliche Gespräche des
Studiengangs-management
mit Studierenden u. Lehrenden während
der Durchführungsphase
Abbildung 7: PDCA Zyklus des Mathematik-Vorkurses
Neben diesen inhaltlichen und organisatorischen Anpassungen wurden auf der didaktischen Ebene
unterschiedliche Herangehensweisen erprobt, die der zielgruppenorientierten Wissensvermittlung
dienen. Dabei wurden verschiedene Lehr-Lernszenarien getestet, die durch die Dozentin und die
Studierenden als gewinnbringend eingeschätzt wurden.
29
6. Zusammenfassung und Ausblick
Im vorliegenden Bericht wurde der aktuelle Stand der Begleitforschung zum Themenkomplex der
Programmkonzeptionierung von berufsbegleitenden Studiengängen dargestellt.
Im Rahmen der Etablierung der Weiterbildungseinheit an der Hochschule Heilbronn wurde ein
Programmkonzeptionierungsrahmen für berufsbegleitende Studienprogramme entwickelt. In
verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen bereits erarbeitete Herangehensweisen und Modelle zur
Gestaltung von Studiengängen nutzend (siehe 2.2), lag der Schwerpunkt auf der Erprobung der
Umsetzung dieses Instrumentariums, um in einer sich ständig ändernden Umwelt einen
Agilitätsvorteil für die Hochschule zu erzielen. Diese Instrumente umfassen die Herangehensweise
des strategischen Managements des Abgleichs einer externen und internen Umwelt-,
Kompetenz und Ressourcenanalyse. Dies schließt eine umfassende Stakeholder Analyse und
–bewertung ein. Als große Herausforderung stellte sich die Umsetzung der Analyseergebnisse in
einem Umfeld heraus, das von Akteuren mit unterschiedlicher Funktionslogik und verschiedenen
Formalisierungsgraden geprägt ist. Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass für das
erfolgreiche Zusammenbringen dieser unterschiedlichen Organisationkulturen mit ihren
unterschiedlichen Interessen im Rahmen von berufsbegleitenden Studienprogrammen erhebliches
Moderationsgeschick und laterale Führungskompetenz seitens der Weiterbildungs-Mitarbeiter
gefordert ist. Somit gilt es, diese Schlüsselkompetenzen kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu
verbessern.
Für die ständige Verbesserung der entwickelten Studiengänge, insbesondere des
berufsbegleitenden Maschinenbaubachelors, wurde auf ein Instrumentarium aus dem operativen
Management zurückgegriffen, dem PDCA-Zyklus aus dem Bereich kontinuierlicher
Verbesserungsprozesse, eingebettet in eine Kaizen-Philosophie. Dem Projekt beSt gelang es mit
diesem Ansatz, mit Hilfe von Fokusgruppendiskussionen, Interviews und kontinuierlichem Kontakt
mit dem Programmanagement, Feedback sowohl interner als auch externer Stakeholder
aufzunehmen, zu analysieren, und daraus konkrete Verbesserungsempfehlungen abzuleiten. Dies
lässt sich besonders am Beispiel des Übergangsmanagements (Beratungskonzept,
Mathematikvorkurs) und der Verbesserung des didaktischen Modells der On-the-Job-Projekte (vgl.
Köster et al. 2014) verdeutlichen.
Der Mehrwert des hier vorgestellten Programmkonzeptionierungsrahmen besteht darin,
Instrumente des strategischen und operativen Managements nicht nur an die Gegebenheiten
der Hochschule anzupassen, sondern diese auch für die Erarbeitung und Implementierung von
Studiengängen, zunächst in der Weiterbildung, aber grundsätzlich auch auf die grundständige
Lehre übertragbar, umzusetzen. Dies hat dem Kenntnisstand der Verfasser nach im
Hochschulkontext innovativen Charakter, was auch für die konsequente und sehr zügige
Umsetzung der kontinuierlichen Verbesserung zutrifft. Somit wurde bisher das Ziel,
Agilitätsvorteile zu erzielen und die Effektivität der Organisation zu erhöhen, erreicht.
In Zukunft gilt es, den kaizen-Gedanken in den bereits laufenden Weiterbildungsprogrammen der
Hochschule
Heilbronn
weiterhin
zu
kultivieren.
Dies
gilt
auch
für
den
Programmkonzeptionierungsrahmen, der im Laufe des Jahres 2014 weiterhin erprobt werden soll.
30
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32
8. Anlagen
Kohorte 1
Studienjahr 2012
Mathematik-Vorkurs
Version 1.0
Curriculare Entwicklung in Anlehnung Brückenkurs Mathematik für grundständig
Studierende in technischen Studiengängen der Hochschule Heilbronn
freiwilliges Angebot
Kohorte 2
Studienjahr 2013
Kohorte 3
Studienjahr 2014
Mathematik-Vorkurs
Curriculare Anpassung und Teilung des Brückenkurses in
Version 2.0
Mathematik-Vorkurs
Version 3.0
1. Freiwilliger Teil zur
Auffrischung
(bis mittlere Reife)
Umfang:
20 Unterrichtseinheiten
Dauer : 5 Wochen;
1 Tag pro Woche
2. Pflichtteil alle
Studienbewerber
Umfang:
56 Unterrichtseinheiten
Dauer:
7 Wochen; 2 Tage pro Woche
Weitere curriculare Anpassung des Brückenkurses und
Einführung Eingangs- und Abschlusstest im jeweiligen Teil
1. Freiwilliger Teil zur
Auffrischung
(bis mittlere Reife)
2. Pflichtteil alle
Studienbewerber
Kohorte 4
Studienjahr 2015
Umfang:
32 Unterrichtseinheiten
Dauer:
3 Wochen; 2-3 Tage pro Woche
Mathematik-Vorkurs
Version 4.0
Umfang:
32 Unterrichtseinheiten
Dauer :
4 Wochen; 2 Tag pro Woche
Umfang:
56 Unterrichtseinheiten
Dauer:
7 Wochen; 2 Tage pro Woche
Weitere curriculare Anpassung des Brückenkurses unter zusätzlicher Einbeziehung von ELearning-Tools zur flankierenden Wissensvermittlung und Testierung
1. Pflichtteil zur
Auffrischung
(bis mittlere Reife)
Pflichtteil alle
Studienbewerber
Umfang:
32 Unterrichtseinheiten
Dauer :
4 Wochen; 2 Tag pro Woche
Umfang:
56 Unterrichtseinheiten
Dauer:
7 Wochen; 2 Tage pro Woche
Tabelle 4: Stufen der Weiterentwicklung des Mathematik-Vorkurses
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