Hartmut Scholz - Corpus Vitrearum Freiburg

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Hartmut Scholz - Corpus Vitrearum Freiburg
ZEITSCHRIFT DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR KUNSTWISSENSCHAFT
Bd. 59 (2005)
Doris Gerstl
Die Tafel mit Otto und Theophanu im Musée de l’Hôtel de Cluny
in Paris. Ein Elfenbein der Nikephoros-Gruppe vor 1840?
Erika Zwierlein-Diehl
Mariae Verkündigung am Feueraltar. Eine mittelalterliche Gruppe
von Gemmen
Rüdiger Becksmann
Die Augsburger Propheten und die Anfänge des monumentalen
Stils in der Glasmalerei
Ewald M. Vetter
Maria mit dem schreibenden Jesuskind
Daniel Parello
Modernisierungskonzepte um die Mitte des 14. Jahrhunderts.
Die Chorverglasungen von St. Dionys in Esslingen und St. Salvator
in Regensburg
Eva Fitz
Spiegel der Welt und der Heilsgeschichte. Das Bildprogramm der
Glasmalereien der Marienkirche in Frankfurt an der Oder
Hartmut Scholz
Albrecht Dürer und das Mosesfenster in St. Jakob in Straubing
Peter Volk
Kruzifixe von Ignaz Günther
Guido Hinterkeuser
Die Wohn- und Prunkräume Sophie Charlottes und Friedrichs I.
im Schloß Charlottenburg. Zu Programmatik, Ausstattung und
Nutzung
Tessa Friederike Rosebrock
Die Attikafiguren der Königlichen Bibliothek Friedrichs des
Großen und das Forum Fridericianum in Berlin
Henrike Manuwald
Ein »Stock« in Düsseldorf von den Berliner Freunden. Ein neu
entdecktes Werk Gustav Hermann Blaesers
Angela Lammert
Albert Londe und die Moderne? Chromatographie und ihre
Wirkung in der Moderne
Rüdiger Becksmann
Nachruf: Ernst Bacher (14. November 1935 – 28. April 2005)
Hartmut Scholz
ZEITSCHRIFT
DES DEUTSCHEN VEREINS
FÜR KUNSTWISSENSCHAFT
VORABDRUCK
BAND 59 (2005)
Gedruckt mit Unterstützung des Corpus Vitrearum Medii Aevi
Forschungszentrum für mittelalterliche Glasmalerei . Freiburg i. Br.
Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften und der Literatur . Mainz
Herausgegeben vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft e. V.
Jebensstr. 2, 10623 Berlin
Herstellung: Corpus Vitrearum Medii Aevi . Freiburg i. Br.
Druck: fgb . freiburger graphische betriebe
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Albrecht Dürer
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliographie;
detaillierte bibliographische Daten sind im Internet
unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2005 Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft . Berlin
ISBN 3-87157-214-4
und
Vorabdruck aus:
Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Band 59, 2005
das Mosesfenster
in St. Jakob in
Straubing
DEUTSCHER VERLAG FÜR KUNSTWISSENSCHAFT
BERLIN 2005
HARTMUT SCHOLZ
Albrecht Dürer und das Mosesfenster in St. Jakob in Straubing
»Noch prangen in der Stiftskirche [St. Jakob] daselbst
wunderliebliche Gebilde dieser herrlichen Kunst [der
Glasmalerei], unter welchen aber ein Gemälde der
Südseite alle übertrifft, nämlich die kolossale Gestalt
des Moses in höchster Vollendung und Farbenpracht
im Momente, wo er auf Sinai die Gesetztafeln von Gott
empfängt. Es ist dieses Gemälde wohl das gelungenste
historische Bild von solchen Dimensionen, das die alte
Glasmalerei in Bayern geschaffen« (Abb. 3)1. »Es ist
monumental in jeder Beziehung, kolossal in den Figuren,
großartig in Auffassung und Zeichnung, von größter
Glanzwirkung der Farben. Die Zeichnung der Köpfe ist
vortrefflich. Die markige Figur des Moses ist der Größe
des Moments und der Persönlichkeit angemessen. Auch
die technische Ausführung ist virtuos«2.
Wenn in den zahlreichen Würdigungen, die das
Mosesfenster seit dem späten 18. Jahrhundert in der
Literatur erfahren hat, selten derart hymnische Töne
angeschlagen wurden wie hier, so war man sich doch
stets der herausragenden künstlerischen Bedeutung
dieses monumentalen »Fenstergemäldes« sehr wohl
bewußt3.
Über vier Lanzetten und sieben Zeilen erstreckt sich
das eine Bild der Übergabe der Gesetzestafeln. Die
»kolossale Gestalt« des knienden Moses beherrscht und
füllt mit einer Größe von über drei Metern den
unmittelbaren Vordergrund des Hochformats. Freilich
spielt die Gesetzesübergabe nicht ersichtlich – wie im
zweiten Buch Mose (Ex 24,12 und Ex 34,1–4)
überliefert – auf dem Berg Sinai; sie ist vielmehr in
eine herrliche tiefe Landschaft verlegt, mit Sicht auf
eine Burg und eine blaue Bergkette vor dem gelb und
rot glühenden Himmel im fernen Hintergrund. In
Anlehnung an den gebräuchlichen Bildtypus des
Brennenden Dornbuschs (Ex 3,1–6) erscheint Gottvater
als Halbfigur in einer Feuerglorie über der Baumgruppe
im Mittelgrund und präsentiert Moses die Steintafeln
mit den Zehn Geboten. Die Inschrift »VN/V(M) C/RE/DE
DE/V(M)/ NE« folgt freilich nicht dem Text der Vulgata4,
sondern vereinfacht das erste Gebot im Sinne des ersten
Artikels des Credo bzw. der eingeführten Kurzform in
spätmittelalterlichen Bildzyklen des Dekalogs5. Die
beiläufigen Motive der Naturbeschreibung wie die kleine
Quelle mit dem gehöhlten Baumstamm als Wasserrinne
Joachim Sighart: Geschichts- und Kunstdenkmale. In:
Bavaria, Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern,
Bd. I, 2. München 1860, S. 977: allerdings mit abwegiger
Zuweisung an einen anderweitig in den Akten der Stadt
überlieferten Meister Hans Siber, Maler von Landshut, der
»im J. 1442 eilf Gläser hier [in der Kapelle Unser lieben
Frau zu Straubing] einsetzte und mit Netzen verwahrte«.
2
Franz Ebner: Straubings alte Glasgemälde und Glasmaler.
In: Kunst und Handwerk. Zeitschrift des Bayerischen
Kunstgewerbe-Vereins 1920, S. 108.
3
Vgl. Franz Sebastian Meidinger: Historische Beschreibung
der Städte Landshut und Straubing. Landshut 1787, S. 16.
– Max von Lori: Geschichte und Beschreibung der Stadt
Straubing. Straubing 1830, S. 96. – Martin Sieghart:
Geschichte und Beschreibung der Stadt Straubing, Bd. 2.
Straubing 1835, S. 32. – Wilhelm Lotz: Kunst-Topographie
Deutschlands, Bd. 2. Kassel 1862, S. 499. – Joachim Sighart:
Geschichte der bildenden Künste im Königreich Bayern.
München 1862, S. 641–642. – Heinrich Otte: Handbuch
der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters.
Leipzig 51884, Bd. 2, S. 765. – Berthold Riehl: Bayerns
Donautal. München und Leipzig 1912, S. 217. – Ebner
(Anm. 2), S. 107–114. – Felix Mader: Die Kunstdenkmäler
von Bayern, Bd. 4: Niederbayern, T. 6: Straubing. München
1921, S. 40–42.
4
Ego sum Dominus Deus tuus qui eduxi te de terra Aegypti
de domo servitutis / non habebis deos alienos coram me
(Ex 20, 2–3).
5
Vgl. Johannes Geffcken: Der Bildercatechismus des
fünfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther, Bd 1: Die Zehn Gebote.
Leipzig 1855, S. 49–57, Beilagen Sp. 37.
1
1
1. Werkstatt Michael Wolgemut: Das Blutopfer
eines christlichen Kindes in Trient. Schedelsche
Weltchronik, Blatt 254v. Nürnberg 1494
links vorn zu Füßen Mose, die Gräser und Blattpflanzen
ringsum und der gewundene, mit Steinen übersäte Weg
hin zur Burg sind zeittypische Accessoires, werden uns
bei der Zuschreibung des Entwurfs aber nochmals
beschäftigen.
Der originale Bestand der Großkomposition umfaßt
heute nurmehr die untersten sechs Fensterzeilen, die
bis auf ein komplett erneuertes Feld (5a) vor restauratorischen Eingriffen ansonsten weitgehend verschont geblieben sind. Die Farbverglasung der obersten Wolkenzone in Zeile 7 und die farblich wie formal völlig
unpassenden Blütenornamente des Maßwerkcouronnements wurden erst im Zuge der Restaurierung 1893/94
durch die Schneidersche Hofglasmalerei in Regensburg
hinzugefügt. Die originalen Teile wurden nach Ebners
Aussage damals um eine Zeile tiefer gerückt, um die
leere erste Zeile, die ursprünglich vielleicht mit Stifterbildern und/oder Wappen besetzt gewesen war, wieder
auszufüllen6.
Das eigentlich Überwältigende am Mosesfenster ist
die schiere Größe der Bildidee und die vollkommene
Überwindung der traditionell additiven Gestaltungsprinzipien der spätgotischen Glasmalerei. Ohne jede
architektonische Rahmung und ohne Rücksicht auf die
Pfosten- und Zeilenteilung der Hochschiffenster hatten
Ebner (Anm. 2), S. 107, Anm. 2. – Keineswegs zugehörig
war die Stifterzeile der Schuster-Bruderschaft (heute in
NORD II), wie die Formulierung einer Zeitungsnotiz anläßlich der abgeschlossenen Restaurierung suggerieren könnte
(Regensburger Morgenblatt Nr. 46, vom 25. Februar 1894).
– Die Maßwerkzone des Fensters ist mit ihrem rundbogigen
Abschluß, wie überall im Obergaden, eine Neuschöpfung
aus der Zeit nach dem großen Brand von 1780. Da die
barocke Wölbung des Straubinger Stadtmaurers Ignaz
Hirschstetter ca. drei Meter tiefer ansetzt als das eingestürzte
bzw. abgetragene spätgotische Netzgewölbe, mußten die
spitzbogigen Couronnements, die am Außenbau noch sichtbar sind, in den oberen Teilen zugemauert werden (gut
abzulesen am Umschlagbild von Rolf Dieter Kimberger und
Günther Knesch: Bau-Geschichten zu Sankt Jakob, Bd. 4.
Straubing 2003). – Umfangreicheres Material, Schriftwechsel etc. zur Restaurierung des späten 19. Jh. scheint in
den Akten und Kirchenrechnungsbüchern des Pfarrarchivs
St. Jakob vorzuliegen, muß uns im Hinblick auf die Frage
nach der künstlerischen Verantwortung für das Fenster aber
hier nicht weiter beschäftigen.
6
2. Albrecht Dürer: Die Verkündigung an Joachim
aus dem Marienleben, um 1504 (Meder 190)
2
3. Werkstatt Veit Hirsvogel (Entwurf
Albrecht Dürer): Moses empfängt die
Gesetzestafeln, um 1498.
Straubing, St. Jakob (Fenster SÜD VII)
3
4. – 7. Details der Faltenzeichnung: 4. Moses (Ausschnitt aus Abb. 3); – 5. Hl. Thomas von Aquin. Ingolstadt,
Obere Pfarrkirche, Spendle-Fenster. Nürnberg, um 1497; – 6. Hl. Paulus. Nürnberg, St. Sebald, Bamberger
Fenster. Nürnberg, 1501/02; – 7. Verkündigungsengel. Nürnberg, Tucherschloß. Nürnberg, um 1504
die verantwortlichen Künstler eine Komposition entworfen und in Glas umgesetzt, die – wenn auch nicht
gänzlich ohne Vorbilder7 – kaum ein zweites Mal in
vergleichbarer Konsequenz realisiert worden ist. Zeitnahe Parallelbeispiele in der Münchner Glasmalerei der
1490er Jahre, die mit den weiträumigen, auf jeweils 20
Felder ausgedehnten Landschaften im fünfbahnigen
Legendenfenster der Frauenkirche prinzipiell in dieselbe Richtung zielen, bleiben doch dem menschlichen
Maß verpflichtet und damit, wenn man so will, noch
innerhalb der Tradition8. Allein die gewaltigen, ebenfalls
von Münchner Meistern um 1500 ausgeführten
Bildfenster der Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frauen
zu Landsberg am Lech bieten – wie Paul Frankl mit
kritischem Unterton vermerkte Рin der Ȇbertreibung
des Maßstabs« eine parallele Monumentalisierung zur
gleichen Zeit 9. Tatsächlich hat der Vergleich des
Mosesfensters mit dem ebenso kolossalen heiligen
Auch schon früher im 15. Jh. waren monumentale, teilweise über mehr als 25 Felder übergreifende bildmäßige
Großkompositionen zur Ausführung gelangt. Im süddeutschen Raum sei nur auf die weithin bekannte vorbildliche
Produktion der »Straßburger Werkstattgemeinschaft«, und
hier insbesondere auf das Scharfzandt-Fenster der Münchner Frauenkirche von ca. 1483 verwiesen. – Bereits um die
Mitte des 15. Jh. hatten die Ulmer Werkstätten Acker und
Deckinger Großkompositionen im Berner und im Ulmer
Münster realisiert, darunter einen riesigen heiligen Martin
zu Pferde mit Bettler im großen achtbahnigen Ulmer
Turmfenster, der leider durch Hagelschlag bereits 1688 ver-
nichtet wurde, aber in der Münsterbeschreibung des frühen
18. Jh. noch mit gehörigem Respekt beschrieben war:
»welches Bild von ungemeiner Grösse gewesen / die man
daraus schließen kann / weil die Nase desselben [Pferdes]
15. Zoll lang / und das Maul 11. Zoll breit gewesen« (vgl.
Hartmut Scholz: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Ulm.
CVMA Deutschland, Bd. I, 3. Berlin 1994, S. 256).
8
Susanne Fischer: Die Münchner Schule der Glasmalerei.
Studien zu den Glasgemälden des späten 15. und frühen
16. Jahrhunderts im Münchner Raum (Arbeitshefte des
Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Bd. 90).
München 1997, S. 74–75, Farbtaf. VII–IX.
7
4
8. – 11. Details der Faltenzeichnung bei Albrecht Dürer: 8. Syphilitiker. Flugblatt, 1496 (Meder 264); – 9.
Johannes Ev. in der 1. Figur der Apokalypse, um 1496/98 (Meder 165); – 10. Hl. Dionysius. Federzeichnung,
um 1500. Berlin, Staatl. Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett (W. 218); – 11. Hl. Georg (Detail aus Abb. 28)
Christophorus im Landsberger Chorobergaden zuletzt
sogar zur irrigen Annahme einer möglichen Münchner
Herkunft des Straubinger Fensters geführt10.
Zwar hatte der bislang einzige grundlegende Beitrag
zu Straubings alten Glasmalereien von Franz Ebner –
wie jetzt definitiv zugestanden werden muß – 1920
bereits die zutreffende Nürnberger Provenienz des
Mosesfensters erkannt. Allein die Zuschreibung an
Michael Wolgemuts Stiefsohn Wilhelm Pleydenwurff
(† 1494) und die Datierung um 1490 hat gerade
hinsichtlich der dafür angeführten stilistischen Referenzwerke im Schatzbehalter und in der Schedelschen
Weltchronik in keinem einzigen Fall überzeugen können
und damit leider auch das Vertrauen in die korrekte
Lokalisierung getrübt11. Nehmen wir nur als ein
Vergleichsbeispiel den von Ebner als »fast getreue Kopie
Paul Frankl: Die Glasmalerei des 15. Jh. in Bayern und
Schwaben. Straßburg 1912, S. 97: »in der Übertreibung des
Maßstabs standen diese Meister [der Landsberger Chorfenster] nicht ganz vereinzelt; ein nicht sehr schönes Fenster
der Jakobskirche in Straubing: Moses empfängt die zehn
Gebote, bildet nach dieser Richtung eine Parallele in der
gleichen Zeit nach 1500«. – Vgl. Die Kunstdenkmäler von
Bayern, Neue Folge Bd. 3: Landsberg am Lech, T. 2: Sakralbauten der Altstadt. Hrsg. von Michael Petztet. München und
Berlin 1997, S. 96–105 mit Abb. 98–102, 107, 108.
10
Vgl. Uwe Gast: Straubing, St. Jakob. In: Glasmalerei im
Kontext. Bildprogramme und Raumfunktionen (Handbuch
des XXII. Internat. Colloquiums des Corpus Vitrearum).
Freiburg 2004, S. 145. – Der Verfasser des vorliegenden
Beitrags gesteht freimütig ein, diese Einschätzung geteilt, ja
sogar mitbefördert zu haben. Erst die Möglichkeit der
Nahsicht auf das Straubinger Fenster vom Gerüst im
September 2004 hat ihn eines Besseren belehrt.
11
Ebner (Anm. 2), S. 97–122 (107–114). – Vgl. Hans
Wentzel: Meisterwerke der Glasmalerei. Berlin 1951 bzw.
2
1954, S. 76 (erwähnt das Fenster im Überblick über die
Nürnberger Glasmalerei und datiert das große »Gemälde«
ohne weiteren Kommentar Ende des 15. Jh.). – Später hat
man sich kaum noch eingehend über die Straubinger Fenster
geäußert, sondern nur noch die Einschätzung von Ebner
fortgeschrieben.
9
5
des Moses« herbeigezogenen »knienden Juden auf dem
Trienter Kindermord der Weltchronik« (Abb. 1)12, dann
ist der gewaltige Abstand zwischen der spätgotisch typisierten, naiven Formensprache im druckgraphischen
Exempel und der raumgreifenden dürernahen Körperlichkeit der Figuren im Fenster absolut evident. Dieselbe
entwicklungsgeschichtliche Distanz zu Weltchronik
und Schatzbehalter läßt im übrigen auch das der
Gesetzesübergabe am Sinai kompositorisch gut vergleichbare zweite Blatt in Dürers Marienleben von 1503
erkennen (vgl. Abb. 2, 3).
Den aktuellen Anlaß, sich nochmals eingehender mit
der Zuschreibungs- und Datierungsfrage des Straubinger
Mosesfensters auseinanderzusetzen, lieferten die Beobachtungen, die bei der Besichtigung der Glasmalereien
der Jakobskirche im Rahmen des XXII. Internationalen
Colloquiums des Corpus Vitrearum aus allernächster
Nähe angestellt werden konnten13. Diese Beobachtungen
und die daran anschließenden Überlegungen und Schlüsse werden nachstehend in vier Punkten zusammengefaßt.
Die überraschendste Erkenntnis, die vor dem Original
gewonnen werden konnte, berührt die handschriftlichen
Besonderheiten des Zeichenstils, die sich trotz ersichtlicher Bemalungsverluste, besonders in den Draperien,
und der enormen maßstäblichen Unterschiede eindeutig
in zentralen Werken der Nürnberger Glasmalerei wiederfinden. Nehmen wir pars pro toto die Gegenüberstellung der leider stark abgeriebenen Faltenzeichnung
im Gewand des Moses mit jenen besser erhaltenen
Beispielen im Habit des heiligen Thomas von Aquin
im 1497 datierten Spendle-Fenster der Oberen Pfarr-
kirche in Ingolstadt (einem Nürnberger Importwerk),
im Mantel des heiligen Paulus im Bamberger Fenster
der Sebalduskirche in Nürnberg, von 1501/02, oder in
der Engelsalba der Verkündigung im Nürnberger Tucherschloß, um 1504, dann erkennen wir, um nur ein
Hauptmotiv herauszugreifen, die immer wieder gleichen
w–förmigen Nasen für die kleinen aufgestauten und
geknautschten Stege bei ganz entsprechender paralleler
Schraffur der Faltentäler (Abb. 4–7). Für die betont
zeichnerische Modellierung über flächig angelegter,
moderat aufgehellter Halbtonlasur bieten – neben dem
Spendle-Fenster in Ingolstadt und einzelnen Scheiben
der graphischen Richtung im Bamberger Fenster – die
1833 veräußerten, heute auf mehrere Standorte in
Deutschland, England und den Vereinigten Staaten
verstreuten Scheiben der ehemaligen Farbverglasung der
Tucherkapelle in der Grasersgasse wohl die nächsten
Parallelen14. Freilich gehen die Zusammenhänge hier
bei weitem über die maltechnische Ausführung hinaus.
Neben zahlreichen Berührungspunkten in der Darstellung der Natur (man beachte etwa die Art, wie die
Belaubung der Bäume in Abb. 31 gezeichnet ist), sind
es insbesondere die ausgeprägten Charakterköpfe, die
als Zeugen für die Zuweisung an ein und denselben
Meisterkreis herangezogen werden können (Abb. 12,
13, 15, 31). So offenbart etwa der nach Glendale, Kalifornien, abgewanderte heilige Andreas das gleiche
würdige Patriarchenhaupt mit dem langen strähnigen
Bart und den ornamental ondulierten Haarlocken wie
der mehr als fünfmal so große Moses. Noch engere
Übereinstimmungen zeigt der im Detail der maltechnischen Ausführung freilich noch feinere Kopf des
heiligen Kaisers Heinrich im Bamberger Fenster, dessen
Binnenzeichnung zumindest entscheidender Partien des
Gesichts besser erhalten ist als die infolge früherer
Ebner (Anm. 2), S. 113. Im mehr oder weniger gleichen
Mißverhältnis zum Mosesfenster stehen auch die anderen
von Ebner bemühten Vergleichsbeispiele im Schatzbehalter.
13
Mein herzlicher Dank gilt den Verantwortlichen der
Kirchengemeinde St. Jakob und dem zuständigen Architekten, Rolf Dieter Kimberger, die es fertigbrachten, nur für
den einen Besuchstag und ausgerechnet vor dem Mosesfenster ein Gerüst zu stellen, um den anwesenden Glasmalereiforschern einen Blick aus nächster Nähe zu ermöglichen. Mein Dank gilt ferner Hermann Stickroth, Straubing,
für den anregenden Meinungsaustausch über die tatsächlichen künstlerischen Zusammenhänge am Mosesfenster.
14
Zur Geschichte der Tucherscheiben siehe Hartmut
Scholz: Entwurf und Ausführung. Werkstattpraxis in der
Nürnberger Glasmalerei der Dürerzeit (CVMA Deutschland, Studien Bd. 1). Berlin 1991, S. 74–78, besonders Anm.
189–190. – Painting on Light. Drawings and Stained Glass
in the Age of Dürer and Holbein (Katalog der Ausstellung
Los Angeles und Saint Louis 2000–2001). Los Angeles 2000,
Kat.-Nr. 21–22 (Barbara Butts).
I. Die Herkunft des Fensters
12
6
12. Gottvater
(Detail aus Abb. 3)
13. Werkstatt Veit
Hirsvogel nach
Entwurf von
Albrecht Dürer:
Kaiser Heinrich II.,
1501/02. Nürnberg, St. Sebald,
Bamberger Fenster
(Chor nord II, 3b)
14. Albrecht Dürer:
Johannes d. Täufer
aus der Höllenfahrt
der Großen Passion,
um 1510
(Meder 121)
15. Moses
(Detail aus Abb. 3)
7
16. Albrecht Dürer: Johannes erblickt die
Sieben Leuchter. Apokalypse, 1. Figur,
um 1496/98 (Meder 165)
Reinigungsversuche besonders an Augen, Brauen,
Stirnfalten und Bartansatz stärker beriebenen Köpfe
Gottvaters und Mose in Straubing. Tatsächlich läßt der
Vergleich vor dem Original im Streiflicht noch soviel
Negativspuren der verlorenen Gesichtszeichnung erkennen, daß an der Identität der ausführenden Glasmalerhand hier wie dort kaum gezweifelt werden kann
(Abb. 12, 13). Schließlich atmet sogar der Mitte des
19. Jahrhunderts (1849) nach dem Vorbild des ausgeschiedenen Originals kopierte Kopf des heiligen Paulus
im Ingolstädter Spendle-Fenster noch so viel vom
gleichen Geist, daß er ohne weiteres dem Straubinger
Gottvater an die Seite gestellt werden kann.
8
II. Der Entwerfer
Mit Gewißheit waren die charakteristischen Kopftypen,
die Binnenmodellierung der physiognomischen Details,
die sprechenden Hände ebenso wie die Einzelformen
der Gewandzeichnung bereits in den zugrundeliegenden
Entwürfen vorgesehen. In der hier gekennzeichneten
Ausführung sind sie in der Nürnberger Glasmalerei
allerdings nur in wenigen Beispielen unmittelbar vor
und nach 1500 wiederzufinden. Wer aber war der
unbekannte Entwerfer, dem wir diese besonderen Merkmale und damit auch die gesamte Bildidee des Straubinger Mosesfensters zuschreiben müssen? Tatsächlich
17. Albrecht Dürer: Johannes vor Gottvater
und den Ältesten. Apokalypse, 2. Figur,
um 1496/98 (Meder 166)
kein anderer als Albrecht Dürer (1471–1528)15, dessen
Entwerfertätigkeit für die Glasmalerei bald nach der
ersten Italienreise um 1496 mit dem berühmt umstrittenen Benediktzyklus einsetzte16, und dessen zeitgemäße,
der Natur abgeschaute Darstellung der menschlichen
Proportion im Verein mit der Nachbildung fein beobachteter physiognomischer Details sich so fundamental vom traditionellen, spätgotischen Typenkanon seines
15
In Wahrheit ist diese Überzeugung aufgrund »der großartigen Auffassung der Linienführung«, freilich ohne jeden
weiteren Beleg, bereits vom Autor einer Kurzmitteilung zur
Restaurierung des Fensters im 19. Jh. ausgesprochen worden
(Regensburger Morgenblatt, Nr. 46, 25. Februar 1894).
16
Vgl. Ursula Frenzel: Dürer als Entwerfer für Glasmalerei.
In: Albrecht Dürer 1471–1971 (Katalog der Ausstellung
Nürnberg 1971). München 1971, S. 383–388. – Zuletzt
ausführlich in: Kat. Los Angeles (Anm. 14), Kat.-Nr. 11–17
(Barbara Butts). – Die jüngst von Fritz Koreny wiederbelebte
Diskussion zur Autorschaft der Benedikt-Zeichnungen bedarf
einer gründlichen Auseinandersetzung, die im vorliegenden
Zusammenhang aber nicht erforderlich ist und deshalb
einem eigenen Beitrag vorbehalten bleiben soll; siehe Fritz
Koreny: Albrecht Dürer oder Hans Schäufelein? Eine Neubewertung des »Benediktmeisters«. In: Zeitschrift des
Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 56/57 (2002–
2003), S. 144–161.
9
18. Albrecht Dürer: Hl. Hieronymus in der Wüste,
um 1496 (Meder 57; Ausschnitt)
19. Albrecht Dürer: Der Verlorene Sohn, um 1496
(W. 145, Ausschnitt). London, British Museum
20, 21. Details der Landschaftsschilderung im Mosesfenster (Ausschnitte aus Abb. 3)
10
Lehrers Michael Wolgemut (1434–1519) und dessen
umfangreicher Werkstattproduktion unterscheiden.
Dürers früher, besonders am Vorbild Martin Schongauers geschulter Zeichenstil generiert mit Vorliebe
dieselbe knorrig geschichtete Faltengebung mit den
schmal und lang geknautschten Faltenschläuchen bzw.
den am Boden aufgestauten Gewandschleppen, wie sie
uns im roten Mantel des Moses gewissermaßen exemplarisch vor Augen steht (vgl. Abb. 4, 8–11).
Es ist der Dürer der Apokalypse, der uns hier die
unmittelbarsten und zahlreichsten Parallelen bieten
kann: So mag man den knienden Johannes der 1., 2.
und 12. Figur der Apokalypse vergleichen und findet
immer wieder dasselbe Faltenvokabular (Abb. 16, 17)17.
Auch für die bärtigen Patriarchenköpfe und die eigentümlich dekorativ gelockten Haare im Mosesfenster sind
in der Schar der Ältesten oder beim Gottvater der Holzschnitte die nächsten Verwandten auszumachen; Gebärden und Zeichnung der Hände decken sich vielfach.
Für die zeichnerische Darstellung von Bäumen vergleiche man wieder die 2. und besonders die 14. Figur;
letztere bietet auch ein Paradebeispiel für die Idee der
mit Steinen übersäten Pfade. Die wie beiläufig hingestreuten Blattpflanzen und Gräser und selbst die Quelle
mit dem ausgehöhlten Baumstamm als Wasserrinne sind
in ganz ähnlicher Auffassung in Kupferstichen Dürers
wiederzufinden: Zum ausgehöhlten Baumstamm der
Quelle vergleiche man nur den Trog in der Zeichnung
(W. 145) und im Stich (Meder 28) des verlorenen Sohnes
von 1496 (Abb. 19) oder die Quelle in Zeichnung (W.
183) und Holzschnitt (Meder 221) der heiligen Paulus
und Antonius um 1502. Dieselben Bildelemente zeigt,
wie Friedrich Winkler beobachtet hat, bereits ein Buchholzschnitt zu Sebastian Brants »Lob des Heiligen
Onophrius«, der – 1494 in der Bergmannschen Offizin
in Basel gedruckt – von Dürer offenbar mehrfach ausgewertet wurde; dort im zentralen Hauptbild findet sich
die Straubinger Quelle auch nahezu wörtlich vorgebildet18.
Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen, das im
Mosesfenster ebenso anzutreffen ist wie in mehreren
vor allem frühen druckgraphischen Werken Dürers der
Jahre 1496–1498 ist die »Verlebendigung der Landschaft«
durch die anthropomorphe bzw. zoomorphe Gestaltung
von Felsformationen. Die »latent physiognomischen«
Bildungen in der die Hauptpersonen umgebenden Natur,
die etwa in den Kupferstichen des heiligen Hieronymus
in der Wüste (Abb. 18), der Buße des heiligen Johannes
Chrysostomus (Meder 54) und des schon erwähnten
Verlorenen Sohnes mit den Schweinen (Meder 28), alle
um 1496, oder bereits zuvor in verschiedenen Landschaftsaquarellen zu entdecken sind, finden ihre Entsprechung in den seltsamen Tierköpfen eines Elefanten,
eines Raubvogels und eines Fisches am Ufer der Quelle
und der kleinen Böschung unterhalb der Baumgruppe
im Mittelgrund des Mosesfensters (Abb. 18–21)19.
Geradezu ein Leitmotiv in Dürers Bilderfindungen
jener Zeit (um 1496–1498) und wiederum besonders
gehäuft in den Holzschnitten der Apokalypse, aber auch
in der Marter der heiligen Katharina (Meder 236) und
in der vierten Szene des Benedikt-Zyklus (W. 201:
Benedikt bei seiner Schwester Scholastika) anzutreffen
ist der Flammenkranz, der die Halbfigur Gottvaters im
Mosesfenster umgibt. Entsprechend gebildete Feuerzungen begegnen mehr oder weniger dominant in acht
von fünfzehn Blättern der Apokalypse, bildbeherrschend
besonders in der 2. Figur (Abb. 17). Daß sich Dürer
mit ähnlich suggestiven Darstellungen dramatischer
Ereignisse wie Erscheinungen, in geradezu dem modernen Comic vergleichbarer Inszenierung, zwischen 1495
und 1498 auch auf den Rückseiten zweier Tafelgemälde
– dem heiligen Hieronymus in London20 und der
17
Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen. Bearb. von Rainer Schoch,
Matthias Mende und Anna Scherbaum. München, Berlin,
London und New York 2002, S. 59–105 (Abb. S. 73, 75, 100).
18
Wilhelm L. Schreiber: Formschnitte und Einblattdrucke
in der Kgl. Bibliothek zu Berlin. Berlin und Straßburg 1913,
Taf. 17. – Vgl. Friedrich Winkler: Die Zeichnungen Albrecht
Dürers, Bd. 1. Berlin 1936, Nr. 183.
19
Vgl. Karl Möseneder: Blickende Dinge. Anthropomorphes bei Albrecht Dürer. In: Pantheon, Bd. 44 (1986),
S. 15–23 (freundl. Hinweis von Daniel Parello, Freiburg).
20
London, National Gallery (seit 1996); vgl. Fedja Anzelewsky: Albrecht Dürer. Das malerische Werk. Neuausgabe
Berlin 1991, Nr. A 14 (mit einer Datierung um 1495,
unmittelbar nach der Rückkehr aus Italien). Zur endzeitlichen Deutung der rückseitigen Darstellung eines brennenden Sterns siehe zuletzt: Albrecht Dürer (Katalog der
Ausstellung Wien 2003). Ostfildern-Ruit 2003, Kat.-Nr. 46
(Susan Foister).
11
sogenannten »Haller-Madonna« in Washington21 –
verewigt hat, deutet ebenfalls auf eine kurzfristig sehr
ausgeprägte, wenngleich vorübergehende formale Vorliebe und jedenfalls auf eine zeitnahe Entstehung des
Straubinger Fensters. Auch der stimmungsvolle gelbrote Himmel am Horizont mit den düster aufziehenden
grau-blauen Wolkenhaufen in der Hieronymustafel und
einigen zeitgleichen Landschaftsaquarellen erinnert
kaum zufällig an die farblich entsprechende atmosphärische Fernsicht im Mosesfenster, dessen Entwurf aus
der Feder des jungen Dürer nach den angestellten Vergleichen also kaum später als 1498 angesetzt werden
kann (vgl. Abb. 22–25). Daß Dürer – über den
zeichnerischen Gesamtentwurf hinaus – verbindliche
Angaben zur Farbigkeit der Großkomposition geliefert
haben muß, steht angesichts der oben angeführten
Zusammenhänge außer Frage. Ob ihm daneben aber –
zumindest für die figürlichen Teile – auch die originalgroßen Kartonvorlagen im Maßstab 1:1 der auszuführenden Einzelfelder übertragen worden waren, ist –
wie in den allermeisten Fällen, nicht mit Bestimmtheit
zu entscheiden.
Zur Standortbestimmung des Mosesfensters innerhalb
der Nürnberger Glasmalerei der Dürerzeit ist es nützlich, an dieser Stelle einige Bemerkungen zum näheren
Umfeld einzuschieben. Spätestens seit der grundlegenden Arbeit von Karl Adolf Knappe zum Bamberger
Fenster in St. Sebald in Nürnberg, einem Auftrag des
Bamberger Bischofs Veit Truchseß von Pommersfelden
aus dem Jahr 1501, ist die Rolle Dürers als Entwerfer
für die Nürnberger Glasmalerei um 1500 relativ klar
umrissen und in den wesentlichen Zügen auch allgemein
anerkannt22. Entwürfe von seiner Hand sind – zeitlich
noch vor dem Bamberger Fenster – für die Reste eines
Fensters der heiligen Sippe in St. Lorenz in Nürnberg,
um 1497–1500, sowie für zeitgleiche Einzelscheiben
stehender Heiliger in St. Jakob in Nürnberg und in der
Oberen Pfarrkirche zu Ingolstadt (s.o.) zu erschließen.
Daneben scheint sich Dürers Entwurfstätigkeit für die
Glasmalerei in dieser frühen Zeit besonders auf den
Bereich kleinformatiger Kabinettscheiben konzentriert
zu haben, für den stellvertretend – neben dem neuerdings
wieder umstrittenen Benedikt-Zyklus – besonders die
einzigartigen, in der Erfindung unzweifelhaft mit Dürer
verbundenen, 1502 datierten Dreipaßscheibenrisse für
Probst Sixtus Tucher stehen mögen (Abb. 29). Nach
1503/04 überließ Dürer diesen Bereich mehr und mehr
seinen Gesellen, allen voran Hans Baldung Grien, dessen
unverwechselbarer Typenschatz und Zeichenstil der
Nürnberger Glasmalerei bis 1507 die wesentliche Richtung gaben. Erst nach der zweiten Italienreise finden
wir Dürer, nun meist im Verein mit Hans von Kulmbach,
nochmals aktiv am Entwurfsprozeß für einzelne ausgezeichnete Verglasungen beteiligt: mit Gesamtkonzeptionen und ersten Ideenskizzen an den Fenstern der von
Matthäus Landauer gestifteten Allerheiligenkapelle
(1508) und der Schmidtmayer-Kapelle in St. Lorenz
(1509/13) sowie schließlich als Spiritus rector an der
zeitgemäßen Neugestaltung der monumentalen Renaissancefenster für Kaiser Maximilian I., die Markgrafen
von Brandenburg-Ansbach und den kaiserlichen Rat
Melchior Pfinzing im Ostchor von St. Sebald in Nürnberg: den unbestrittenen Glanzpunkten Nürnberger
Glasmalerei23.
In diesem notgedrungen etwas gestrafften, auf die
zentralen Arbeiten konzentrierten »Œuvre-Verzeichnis«
Washington, National Gallery of Art; vgl. Anzelewsky
(Anm. 20), Nr. 43 (mit Datierung um 1496–1498). – Vgl.
zuletzt: Katalog Wien (Anm. 20), Nr. 29 (Anna Scherbaum:
um 1498). – Die Darstellung des brennenden Sodom auf
der Rückseite wurde im übrigen im Hintergrund der 13.
Figur der Apokalypse, der Hure Babylon, für den Untergang
Babylons seitenverkehrt verwendet; siehe Schoch, Mende
und Scherbaum (Anm. 17), Abb. S. 102.
22
Karl Adolf Knappe: Albrecht Dürer und das Bamberger
Fenster in St. Sebald in Nürnberg (Erlanger Beiträge zur
Sprach- und Kunstwissenschaft, Bd. 9). Nürnberg 1961.
23
Hierzu zusammenfassend und mit älterer Literatur:
Scholz (Anm. 14), S. 121–126, 136–142, 151–175. – Ders.:
Dürer et la genèse du vitrail monumental de la Renaissance
à Nuremberg. In: Revue de l’Art, Bd. 107 (1995), S. 27–43.
– Ders.: Die Werkstatt des Nürnberger Stadtglasers Veit
Hirsvogel. In: Künstlerwerkstätten der Renaissance (Geschichte der europäischen Kunst, Bd. 5). Zürich und
Düsseldorf 1998, S. 155–173. – Barbara Butts: Albrecht
Dürer and the Stained Glass for the All Saints Chapel of the
House of the Twelve Brethren: The Boston Cartoon
Reconsidered. In: Journal of the Museum of Fine Arts
Boston, Bd. 2 (1990), S. 65–79. – Kat. Los Angeles (Anm.
14), Kat.-Nr. 21–23, 27, 49, 50 (Barbara Butts).
21
12
22. Himmelserscheinung
(Rückseite von Abb. 23)
23. Albrecht Dürer: Hl. Hieronymus, um
1496/97. London, The National Gallery
24. Flammenkranz und
Landschaftausblick
(Ausschnitt aus Abb. 3)
25. Albrecht Dürer: Loth und seine Töchter
fliehen aus dem brennenden Sodom, um
1498. Washington, National Gallery of Art
13
der von Dürer entworfenen Glasmalereien bildet das
Mosesfenster in Straubing in Wahrheit nichts weniger
als das erste erhaltene monumentale Hauptwerk, dessen
Kühnheit später nur noch durch die gewaltige Triumphbogenarchitektur des Pfinzing-Fensters von 1515 übertroffen wird.
Zum Verständnis der Auftragsvergabe und der verschiedenen Zuständigkeiten in der Praxis arbeitsteiliger
Auftragsabwicklung in der Nürnberger Glasmalerei des
ausgehenden Mittelalters kann nochmals das Bamberger
Fenster mit seiner einzigartigen Quellenlage als Exempel
dienen: Durch die Belege der fürstbischöflichen Hofkammerrechnung zu Bamberg des Jahres 1502/03 ist
die abschließende Bezahlung des Fensters mit dem
Gesamtbetrag von rund 60 Gulden an »Meister Veiten«,
Glaser zu Nürnberg, d.h. die Zuschreibung an die
Hirsvogelwerkstatt gesichert24. Daß die Auftragsvergabe
anläßlich des Besuchs des neu inthronisierten Bischofs
in St. Sebald (exakt am 15. August 1501) bereits im
Sommer dieses Jahres erfolgte, beweist die Notiz des
bambergischen Agenten Michel Lorber vom September
1501 über die Zahlung von bescheidenen »20 d zu
Trinckgelt dem Maler … etlich entwerffung zu thun
vom feenster in Sandt Sebolts pfarrkirchen«25. Ist mit
dieser lapidaren Notiz zwar auch die Trennung von
Entwurf und Ausführung seitens des Auftraggebers
urkundlich bezeugt, ist doch die eigentliche Bezahlung
der Entwürfe in den Bamberger Rechnungen nicht
belegt. Es ist freilich nicht auszuschließen, daß die
Summe von knapp fünf Gulden, die als Differenz
zwischen den separat aufgeführten Einzelposten
(zusammen 55 fl. 2 Pfd. 2d) und dem abschließend
bezahlten Gesamtbetrag (60 fl. 1 Pfd. 12d.) übrig bleibt,
über die Glasmalerwerkstatt als Entlohnung an den
entwerfenden Maler weitergeleitet wurde.
Die vergleichsweise unspektakuläre additive Gesamtkomposition des Bamberger Fensters (Abb. 27) mit
Wappen, Stifterbildern und den bevorzugt verehrten
Heiligen des Bistums Bamberg war gewiß den Wünschen
des Auftraggebers geschuldet und dem entwerfenden
Künstler – neben den nötigen mündlichen Absprachen
– vermutlich auch in einer groben Handskizze übermittelt worden26. Daß für diese recht traditionelle
Schöpfung gleichwohl für alle figürlichen Teile reingezeichnete Entwürfe (sogenannte Visierungen) von der
Hand Dürers vorgelegen haben müssen, ist durch
Knappes ausführliche Untersuchung hinreichend nachgewiesen und muß an dieser Stelle nicht mehr eigens
begründet werden27. Ob allerdings auch die einzige
erhaltene originalgroße Kartonvorlage des Fensters – der
Petruskarton im British Museum in London (Abb. 26)
– Dürer selbst zugeschrieben werden muß, wie zuletzt
von Barbara Butts mit Nachdruck vertreten, oder auf
der Grundlage einer Visierung Dürers von einem
Mitarbeiter der Hirsvogelwerkstatt angefertigt wurde,
wie besonders von Weinberger, Beets und zuletzt vom
Verfasser vermutet, ist nach wie vor ein ungelöstes
Problem28.
Zur Stiftung des Straubinger Mosesfensters sind, soweit
bekannt, leider keinerlei Schriftquellen erhalten geblieben, doch die Auftragsvergabe wird ganz ähnlich
vonstatten gegangen sein wie im Fall des Bamberger
Fensters. Der Straubinger Auftraggeber wird bei einem
Aufenthalt in Nürnberg brandaktuelle, künstlerisch
überzeugende Farbfenster gesehen haben, die ihn bewegten, etwas Ähnliches in die Pfarrkirche seiner
Die urkundliche Überlieferung ist zusammengefaßt bei
Knappe (Anm. 22), S. 18–24.
25
Vgl. Ursula Knappe: Die Nürnberger Glasmalerfamilie
Hirsvogel. In: Fränkische Lebensbilder, Bd. 5 (1973), S. 69
(leider ohne exakte Quellenangabe).
26
Eine heute verschollene Skizze des Leipziger Kunstgewerbemuseums, die die untere Stifter- und Wappenzeile
des Fensters in abweichender Anordnung zeigte und mithin
nicht als Kopie des ausgeführten Fensters betrachtet werden
kann, scheint eine solche heraldische Vorlage des Auftraggebers gewesen zu sein; vgl. Johannes Schinnerer: Wolfgang
Katzenheimer von Bamberg. In: Monatshefte für Kunst-
wissenschaft 6 (1913), S. 323. – Knappe (Anm. 22), S. 69.
Knappe (Anm. 22), S. 67–99.
28
Zur Forschungsgeschichte siehe Kat. Los Angeles (Anm.
14), Kat.-Nr. 18 (Barbara Butts). – Die irrige Zuschreibung
des Kartons an Hans von Kulmbach durch Friedrich Winkler
(Die Zeichnungen Hans Süß von Kulmbachs und Hans
Leonhard Schäufeleins. Berlin 1942, Kat.-Nr. 63; zuletzt
fortgeschrieben bei John Rowlands: Drawings by German
Artists and Artists from German-Speaking Regions of Europe
in the Department of Prints and Drawings in the British
Museum. London 1993, Kat.-Nr. 405) ist bereits von Knappe
(Anm. 22), S. 72–81, überzeugend widerlegt worden.
24
14
27
26. Albrecht Dürer (?):
Petruskarton. Pinselzeichnung
grau laviert, um 1501.
London, British Museum
27. Werkstatt Veit Hirsvogel nach
Entwürfen von Albrecht Dürer:
Bamberger Fenster, 1501/02.
Nürnberg, St. Sebald (Chor nord II)
15
Heimatstadt zu stiften29. Tatsächlich existiert mit Dürers
aquarelliertem Gesamtentwurf für ein Georgsfenster in
der Graphischen Sammlung des Frankfurter Städel, der
aufgrund motivischer wie zeichnerischer Bezüge zur
Apokalypse30 überzeugend um 1496–1498 datiert wird,
ein dem Straubinger Mosesfenster in allen wesentlichen
Punkten vergleichbares Projekt, gleichviel ob es jemals
zur Ausführung gelangte oder nicht (Abb. 28)31. Georgs
Drachenkampf ist – wie in Straubing – ohne Rücksicht
auf Bahn- und Zeilenteilung für ein vierbahniges Fenster
konzipiert, jedoch, im Unterschied zum Moses, ohne
das Maßwerkcouronnement nur vier statt sieben Zeilen
hoch. Eine gemalte filigrane Maßwerkbekrönung, wie
sie dem eigentlichen Fenstermaßwerk in der Frankfurter
Visierung spielerisch hinterlegt erscheint, wäre als
mögliche ursprüngliche Abschlußlösung auch für das
Mosesfenster in Betracht zu ziehen, selbst wenn das
Fehlen seitlicher Architekturstützen im ausgeführten
Fenster diese Überlegung nicht eben unterstreicht.
Ebensogut wäre an eine einfache Fortsetzung des
Wolkenhimmels in den Kopfscheiben, Fischblasen und
Dreipässen des Couronnements zu denken32. Daß die
Kühnheit des Frankfurter Entwurfs, die von sämtlichen
Autoren zu Recht gerühmt und nicht zuletzt sogar mit
der Unerfahrenheit des jungen Dürer in Fragen der
glasmalerischen Umsetzung erklärt wurde, einer
technischen Ausführung keineswegs im Wege stand, wie
wiederholt vermutet, stellt ein Blick auf das Mosesfenster eindrucksvoll unter Beweis. Die Begründung,
der Entwurf sei »in technischer Hinsicht unpraktikabel«
[…], »denn die Glasmaler hätten die großen Formen
unterteilen müssen, da sie bis dahin gewohnt waren,
kleine Glasstücke mit Bleistegen zusammenzusetzen«33,
zielt tatsächlich ins Leere, denn an dieser Grundvoraussetzung musivischer Glasmalerei [der Notwendigkeit
des Zusammenfügens kleinerer und auch verschiedenfarbiger Glasstücke im Bleinetz] kamen die Glasmaler
des Mittelalters bis zum Einsatz von Schmelzfarben im
späteren 16. Jahrhundert generell nicht vorbei – einerlei,
ob es sich um feldgroße oder um fensterübergreifende
Bildkompositionen handelte. Vielmehr muß dieser
fulminante Auftakt als bewußte Überschreitung der in
Nürnberg und anderswo gültigen formalen Grenzen der
traditionellen Glasmalerei verstanden werden, die bis
dahin – wie zuletzt in den Chorfenstern von St. Lorenz
– allein und bevorzugt additive Kompositionslösungen
Einer Anregung von Matthias Mende folgend wäre
freilich in diesen ersten Jahren nach Dürers Rückkehr aus
Italien auch eine Empfehlung von Seiten des deutschen »Erzhumanisten« Conrad Celtis – Dürers frühem Bewunderer
und Apologeten – oder aus dessen Umfeld in Betracht zu
ziehen. Im Fall des 1497 nach Entwürfen Dürers ausgeführten Spendle-Fensters in der Oberen Pfarrkirche zu
Ingolstadt kämen jedenfalls sowohl der von 1492–1497 als
Rhetorikprofessor an der Universität Ingolstadt lehrende
Celtis als auch Sixtus Tucher, Professor für Zivilrecht und
zeitweise Rektor ebenda, als aktive Vermittler des Auftrags
in die engere Wahl. Der Fensterstifter Johannes Adorf war
schließlich selbst Theologieprofessor in Ingolstadt. – Hierzu
allgemein: Dieter Wuttke: Dürer und Celtis: Von der Bedeutung des Jahres 1500 für den deutschen Humanismus:
»Jahrhundertfeier als symbolische Form«. In: Journal of
Medieval and Renaissance Studies, Bd. 10 (1980), S. 73–
129. – Matthias Mende u. a.: Albrecht Dürer – ein Künstler
in seiner Stadt (Katalog der Ausstellung Nürnberg 2000).
Nürnberg 2000, besonders S. 44–76 (Franz Machilek) und
S. 107–115 (Matthias Mende). – Amor als Topograph. 500
Jahre »Amores« des Conrad Celtis. Ein Manifest des deutschen Humanismus (Katalog der Ausstellung Schweinfurt
2002). Schweinfurt 2002, passim.
Verwiesen sei nur auf die eng verwandte Darstellung des
heiligen Georg zu Pferd im Hintergrund des babylonischen
Weibs der Apokalypse (13. Figur).
31
Auf diese Parallele hat schon Ebner (Anm. 2), S. 113–
114, verwiesen, eine Zuweisung des Fensters an Dürer aber
trotzdem explizit verworfen. – Zur Frankfurter Zeichnung
insbesondere: Hermann Schmitz: Die Glasgemälde des
Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Berlin 1913,
Textbd., S. 139–140. – Friedrich Winkler: Die Zeichnungen
Albrecht Dürers, Bd. 1. Berlin 1936, Nr. 197. – Kat. Los
Angeles (Anm. 14), Kat.-Nr. 9 (Barbara Butts). – Die kürzlich
von Fritz Koreny (Anm. 16), S. 161, vorgenommene Spätdatierung des Blatts um 1506 und die Zuschreibung an den
Dürerschüler Hans Schäufelein ist dagegen entschieden
abzulehnen. – Zurückgewiesen wird diese Neuzuschreibung
auch in: Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 3: Buchillustrationen. Bearb. von Rainer Schoch, Matthias Mende
und Anna Scherbaum. München, Berlin, London und New
York 2004, S. 22, Anm. 84 (Matthias Mende).
32
Vgl. nochmals Anm. 6.
33
So zuletzt in: Wendepunkte deutscher Zeichenkunst.
Spätgotik und Renaissance im Städel (Katalog der Ausstellung Frankfurt 2003). Frankfurt am Main 2003, Kat.Nr. 21 (Stephanie Buck).
29
16
30
28. Albrecht Dürer: Entwurf für ein Georgsfenster. Federzeichnung, aquarelliert, um
1496/98 (W. 197). Frankfurt am Main,
Städelsches Kunstinstitut
17
29. Albrecht Dürer: Dreipaß-Scheibenriß: Der
Tod zu Pferde. Federzeichnung, 1502 (W. 213).
Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum
hervorgebracht hatte. Die traditionellen Gestaltungsprinzipien der Glasmalerei hatte Dürer als Lehrknabe
in der Werkstatt Wolgemuts sicher zur Genüge kennengelernt, um sich nun als emanzipierter Künstler um so
leichter darüber hinwegzusetzen. Tatsächlich spricht
nichts gegen eine Ausführung des Georgsfensters und
es sollte doch möglich sein, den ehemaligen Standort
dieses heute verlorenen Fensters anhand der Maßwerkformen ausfindig zu machen – vorausgesetzt, der betreffende Bau ist nicht ebenfalls abgegangen.
III. Die Werkstatt des Glasmalers
Hatten wir oben bereits verschiedene Nürnberger Farbverglasungen als Referenzwerke in der Herkunftsfrage
angeführt, so war doch die Frage offengeblieben, welche
der ansässigen Werkstätten für Glasmalerei nun tatsächlich für die Ausführung des Mosesfensters verantwortlich war. Einem »Techniker der WolgemutPleydenwurff-Werkstätte«, wie es Ebner vorschwebte,
kann die Ausführung mit Sicherheit nicht zugeschrieben
18
30. Werkstatt Veit Hirsvogel (?): Der Tod zu Pferde,
1502. Ehem. Nürnberg, Tucherhaus in der Grasersgasse (heute Germanisches Nationalmuseum)
werden, denn diese Werkstatt ist in der Nürnberger
Glasmalerei bereits ab Mitte der 80er Jahre – nach
Vollendung der Chorverglasungen von St. Lorenz und
St. Michael in Fürth – nicht mehr mit größeren Verglasungen nachzuweisen. Auch läßt die kräftige plakative
Farbigkeit des Mosesfensters – und damit das FarbglasSortiment der verantwortlichen Werkstatt – eine Rückbeziehung auf die mit Wolgemut verbundenen Chorfenster von St. Lorenz keineswegs zu. Statt dessen deutet
alles auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit der
Werkstatt Veit Hirsvogels des Älteren: dem neuen Stern
am Himmel der Nürnberger Glasmalerei34. Hirsvogel
(1461–1525) hatte spätestens 1486 seine Wanderjahre
– die ihn insbesondere nach Straßburg führten – hinter
sich gebracht und in Nürnberg die Werkstatt seines
verstorbenen Vaters Heinz übernommen. Bereits seit
Ende der achtziger Jahre trat er mit beachtlichen Arbeiten – so etwa dem Volckamer-Fenster in St. Sebald von
Zu Werdegang und Frühwerk Hirsvogels vgl. auch im
folgenden: Knappe (Anm. 22), S. 95–99, 102–104. – Scholz
(Anm. 14), besonders S. 296–325.
34
1488 – auf den Plan und hatte 1495, mit der ehrenvollen
Ernennung zum Stadtglaser, bereits eine Ausnahmeposition unter den ansässigen Meistern erreicht. Sein
herausragendes technisches Vermögen, angeeignet im
Kreis der berühmten Straßburger Werkstattgemeinschaft
um Peter Hemmel von Andlau, und die farbliche
Brillanz seiner Fenster hatten ihm bei den heimischen
Auftraggebern schnell die Türen geöffnet. Die Zusammenarbeit mit Dürer als Entwerfer, die sich im Bereich
der monumentalen Glasmalerei spätestens ab 1497 im
oben bereits erwähnten Spendle-Fenster in Ingolstadt –
der heute auseinandergerissenen Gedächtnisstiftung für
den längst verstorbenen Pfarrer Johannes Spendle – mit
Gewißheit nachweisen läßt35, tat ein übriges, um die
gewachsenen Ansprüche der Nürnberger Klientel zu
befriedigen.
Auf der Basis des urkundlich für den Meister gesicherten Bamberger Fensters in St. Sebald von 1501/
02 und mit Rücksicht auf die dort vertretenen beiden
grundverschiedenen Werkstattrichtungen (oder besser
Glasmaler-Handschriften) hat Karl Adolf Knappe das
Frühwerk der Hirsvogel-Werkstatt überzeugend zusammengestellt36. Die ältere, an der Straßburger Glasmalerei
ausgebildete, tonig-malerische Richtung dürfte dem
Werkstattleiter selbst gehören und verschwindet bis zur
Mitte des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts vollständig aus der Produktion. Die jüngere, eng an Dürers
35
Editha Holm-Hammer: Die Glasgemälde im Liebfrauenmünster zu Ingolstadt. In: Sammelblatt des Historischen
Vereins Ingolstadt, Bd. 67 (1958), S. 5–77 (39–40): noch
mit irriger Zuweisung an Hans von Kulmbach. – Vgl.
dagegen Knappe (Anm. 22), S. 54–55. – Scholz (Anm. 14),
S. 49–51.
36
Knappe (Anm. 22), S. 28–53 (Werke der »älteren« Richtung); S. 54–58 (frühe Scheiben der »jüngeren« Werkstattrichtung).
37
Grundlegend: Schmitz (Anm. 30), Textbd., S. 101–116.
– Knappe (Anm. 22), S. 59–62. – Scholz (Anm. 14), S. 34–
36. – Zuletzt Daniel Hess: Das »Hausbuchmeisterproblem«
in der Nürnberger Glasmalerei. Das Bergwerk im Hausbuch
und sein Verhältnis zu Nürnberg. In: Glas. Malerei.
Forschung. Internationale Studien zu Ehren von Rüdiger
Becksmann. Hrsg. von Hartmut Scholz, Ivo Rauch und
Daniel Hess. Berlin 2004, S. 221–229.
38
So Knappe (Anm. 22), S. 59–62, und später Scholz (Anm.
14), S. 35–36.
Zeichenstil geschulte Handschrift, die im Bamberger
Fenster insbesondere beim Kaiserpaar, Heinrich und
Kunigunde, sowie beim Bischof Henneberg anzutreffen
ist und allem Anschein nach einem jüngeren Mitarbeiter
gehört, ist in der monumentalen Nürnberger Glasmalerei tatsächlich zum ersten Mal sicher 1497 bei den
heiligen Paulus und Thomas von Aquin in Ingolstadt zu
fassen. Die gleichen disparaten Stilmerkmale verrät auch
die recht ansehnliche Nürnberger Produktion an kleinformatigen »Kabinettscheiben«, die zwischen 1490/95
und ca. 1505 nebeneinander sowohl in der straßburgisch
geschulten Richtung mit weich und tonig gestupfter
Modellierung und einer zweiten graphischen Manier
ausgeführt wurden37. Da dieselben Vorlagen in beiden
Richtungen ausgeführt wurden – wie die in mehreren
Serien erhaltenen berühmten Vierpaßrundscheiben
belegen können –, scheint auch diese Sparte im wesentlichen von der Hirsvogel-Werkstatt beherrscht worden
zu sein38.
Allein die in jüngster Zeit bereits andernorts ausgeführten Überlegungen zur Werkstatt des Malers und
31. Nürnberger Glasmaler nach Entwurf von Albrecht
Dürer: Hll. Andreas und Sixtus aus dem Tucherschloß, um
1504. Glendale, Kalifornien, Forest Lawn Memorial Park
19
Glasmalers Hans Traut von Speyer, einer zweiten Nürnberger Werkstatt, die gerade um 1495 mit Glasmalereien
für das nahegelegene Zisterzienserkloster Heilsbronn
hervorgetreten ist und u.a. anhand weniger Scheibenfragmente in der Friedhofskapelle von Langenzenn
versuchsweise mit den Farbfenstern der ehemaligen
Tucherkapelle in der Grasersgasse (Abb. 31) in Verbindung gebracht wurden, bleibt doch eine Spur der
Unsicherheit hinsichtlich der ausführenden Kräfte
bestehen39. Daß Dürer und Traut gut bekannt, wenn
nicht sogar befreundet gewesen sein müssen, belegt die
große, um 1490 entstandene Werkzeichnung des heiligen
Sebastian in der Graphischen Sammlung der Erlanger
Universitätsbibliothek, die von Dürer mit der bekannten
Aufschrift beglaubigt wurde: »Dz hatt hans trawt zw
nornmerchkg gemacht«40. Hans Traut war überdies –
ebenso wie Dürer – 1496 für den sächsischen Kurfürsten
Friedrich den Weisen tätig gewesen, auch dies ein
Sachverhalt, der zu einer Annäherung und möglichen
zeitweiligen Kooperation der beiden Nürnberger
Künstler geführt haben mag. Ob die Nachricht über
eine heute verlorene Glasgemäldestiftung der Priesterbruderschaft, die ein »Meister Hans Maler« im Jahr
1495 für die ältere Pfarrkirche St. Peter [in Straubing]
geliefert hatte, als ein weiteres Indiz in diese Richtung
gedeutet werden kann, ist freilich schwer zu entscheiden41. In Straubing ist in jenen Jahren kein
ansässiger Maler namens Hans überliefert. Andererseits
werden einzelne andere Fenster der Jakobskirche seit
langem mit Augsburg (Hans Holbein) bzw. Landshut
(Hans Wertinger) oder München in Verbindung gebracht42.
Da wir so gut wie nichts Definitives über die personelle
Zusammensetzung der führenden Glasmalerwerkstätten
Nürnbergs in den Jahren vor und um 1500 wissen und
mit zeitweiligen Kooperationsformen – ähnlich der der
berühmten Werkstattgemeinschaft »der fünf glasere von
Straßburg«: den selbständigen Meistern Peter Hemmel
von Andlau, Hans von Maursmünster, Theobald von
Lixheim, Lienhart Spitznagel und Werner Störe von
1477–148143 – auch in Nürnberg durchaus gerechnet
werden muß, möchten wir diese Frage nach der Identität
Vgl. Hartmut Scholz: Die mittelalterlichen Glasmalereien
in Mittelfranken und Nürnberg extra muros (CVMA
Deutschland, Bd. X, 1). Berlin 2002, Textbd., S. 66–69. –
Hess (Anm. 36), S. 225–229.
40
Elfried Bock: Die Zeichnungen in der Universitätsbibliothek Erlangen. Frankfurt am Main 1929, Kat.-Nr. 148.
– Altdeutsche Zeichnungen aus der Universitätsbibliothek
Erlangen (Katalog der Ausstellung München 1974). München 1974, Kat.-Nr. 36 (Dieter Kurmann, mit Diskussion
der älteren Literatur).
41
Ebner (Anm. 2), S. 102, gibt die handschriftliche Notiz
im Statutenbuch der Priesterbruderschaft im Wortlaut:
»1495 das glas zw sandt peter hat gemacht maystr Hans
maler und ist ihm darumb geben X fl. R &« (vgl. Eduard
Wimmer: Sammelblätter zur Geschichte der Stadt Straubing.
Straubing 1885, S. 674). – Lori (Anm. 3), S. 96: »merk-
würdig ist auch in dieser Kirche die Glasmalerei, Moses auf
dem Berg Sinai vorstellend, vielleicht vom nämlichen Meister
Hanns, der i. J. 1495 die Glasgemälde bei St. Peter geliefert
hat«.
42
Vgl. Ebner (Anm. 2), S. 102, Anm. 1, S. 117. – Gunther
Thiem: Die Glasmalerei. Ihre Entwürfe und Werkstätten.
In: Christian Beutler und Gunther Thiem: Hans Holbein
d. Ä. Die spätgotische Altar- und Glasmalerei. Augsburg
1960, S. 203–209. – Gast (Anm. 10), S. 142–145.
43
Zum Stand der Forschung Hartmut Scholz: Die Straßburger Werkstattgemeinschaft. Ein historischer und kunsthistorischer Überblick. In: Bilder aus Licht und Farbe.
Meisterwerke spätgotischer Glasmalerei. »Straßburger
Fenster« in Ulm und ihr künstlerisches Umfeld (Katalog der
Ausstellung Ulm 1995). Ulm 1995, S. 13–26. – Zuletzt
zusammenfassend Rüdiger Becksmann in: Spätmittelalter
39
20
32. Fragment eines Engels (mutmaßlicher Rest aus der
ehem. Farbverglasung der Haberkofer-Kapelle, süd
VII), 2. H. 15. Jh. Straubing, Gäubodenmuseum
des hauptverantwortlichen Glasmalers einstweilen unentschieden lassen. Mit absoluter Sicherheit aber muß
diesem ein Entwurf des jungen Dürer vorgelegen haben.
IV. Der Auftraggeber
Bereits Ebner hat die Möglichkeit in Erwägung gezogen,
daß die Stifterfamilie der unteren Kapelle desselben
Wandabschnitts der Jakobskirche (süd VII) – die Familie
Haberkofer44 – auch das Mosesfenster im Obergaden
(SÜD VII) in Auftrag gegeben haben könnte45. Tatsächlich
wird diese Überlegung durch den Umstand gestützt, daß
ein älterer Jörg Haberkofer († 1478) und seine Gemahlin
Margareta Kräntzel bereits um 1466 ein gemaltes Dreifaltigkeitsbild (für die Erstausstattung der Kapelle?) aus
der Werkstatt Hans Pleydenwurffs († 1472) bezogen
hatten, was auf eine länger anhaltende Verbindung bzw.
Orientierung der Stifterfamilie nach Nürnberg schließen
ließe (Abb. 33)46.
Den Auftrag für das Epitaph wird Hans Pleydenwurff
durch persönliche Verbundenheit mit dem Stifterpaar
erhalten haben: »Maister Hans Pleydenwurff, Maler von
Nuermperg« und »Barbara uxor«, sein Eheweib, waren
1466 als erste Laien aus weiter Ferne in die Priesterbruderschaft St. Salvatoris bei St. Veit in Straubing
aufgenommen worden, der auch die Auftraggeber des
33. Werkstatt Hans Pleydenwurff: Gottvater mit dem
Leichnam Christi. Stiftertafel für Jörg Haberkofer und
Margareta Kräntzel, um 1466 (Kriegsverlust)
am Oberrhein. Alltag, Handwerk und Handel, 1350–1525
(Katalog der Ausstellung Karlsruhe). Stuttgart 2002, Bd. 1,
S. 140–148.
44
Ein im Boden eingelassener Grabstein erinnert an den
1423 in Venedig gestorbenen Stifter Hans Haberkofer; vgl.
Wimmer (Anm. 41), S. 442. – Josef Keim: Baugeschichte
der Straubinger Jakobskirche. In: Jahresbericht des historischen Vereins für Straubing und Umgebung, Bd. 35 (1932),
S. 67.
45
Ebner (Anm. 2), S. 114: »Stifter des Bildes ist wahrscheinlich jener Jörg Haberkofer, welcher 1479 die Tochter
Anna des Wilhelm Zeller heiratete« (er veräußerte 1497
ein gut Teil seines reichen Landbesitzes und verzog nach
Regensburg). – Die Zählung der Fensterplätze folgt den
internationalen Richtlinien des Corpus Vitrearum: Ausgehend von der Chorachse im Osten (bez. I im unteren
Register, H I im Obergaden) zählen die anschließenden
Fenster mit fortlaufender römischer Ziffer und dem Präfix
n/N bzw. s/S für Nord- bzw. Südseite (›süd‹ im unteren
Register, ›SÜD‹ im Obergaden).
46
Das Bild gelangte 1913 aus Münchner Privatbesitz ans
Kaiser-Friedrich-Museum nach Berlin (1945 zerstört); vgl.
Fridolin Solleder und Erich Abraham: Ein Stifterbild von
Hans Pleydenwurff. In: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd. 35 (1914), S. 256–265. – Alfred Stange:
Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer,
Bd. 3: Franken. Bearb. von Peter Strieder und Hanna Härtle.
München 1978, Nr. 115: mit Zuschreibung an den »Meister
des Löffelholzaltars«, der zuletzt von Stefan Roller und
Gerhard Weilandt wieder definitiv mit der Werkstatt des
Hans Pleydenwurff verbunden wurde: Der Dreikönigsaltar
in St. Lorenz und Hans Pleydenwurff. In: St. Lorenz VzE.
Hundert Jahre Verein zur Erhaltung 1903–2003 (Sammelband der Referate des Kolloquiums am 29./30. März 2003).
Hrsg. von Christian Schmidt und Georg Stolz. Nürnberg
2004, S. 35–44.
21
Epitaphs, Jörg Haberkofer und seine Ehefrau, als Laienbruder und Schwester angehörten. Der Zeitpunkt der
Aufnahme Pleydenwurffs in die Bruderschaft deutet
darauf hin, daß dem Nürnberger Meister außer dem
Stifterepitaph umfangreichere Arbeiten, so etwa an der
1466 durch die Haberkofer errichteten bzw. erneuerten
Frauenkapelle – »unser lieben frauen cappellen« – zugedacht gewesen waren47. Offenbar waren »die fremden
Laienbrüder aus weiter Ferne ... durchwegs Maler,
Glaser, Bildschnitzer, Goldschmiede und Buchdrucker«
gewesen, »welche durch geschäftliche Beweggründe zum
Beitritt in die Priesterbruderschaft bestimmt wurden«.
Daß der bereits 1472 verstorbene Nürnberger Maler
Hans Pleydenwurff im Großtotengeläutbuch von St.
Lorenz als »ein claßer« bezeichnet wird, seine Tätigkeit
auf dem Gebiet der Glasmalerei also zumindest in den
letzten Lebensjahren vorherrschend gewesen sein muß,
ist bekannt und in einschlägigem Zusammenhang
wiederholt hervorgehoben worden. Daß ihm gleichwohl
bis heute kaum ein Werk der Glasmalerei zugeschrieben
werden konnte48, ist um so betrüblicher und läßt in
Straubing neue Erwartungen keimen: Von der ursprünglichen Farbverglasung der Haberkofer-Kapelle (heute
Josephskapelle) waren nach Ebners Aussage verschiedene
Fragmente – »Fialenwerk nach Art der Steinmetzgotik
auf blau gefiedertem Grunde« nebst »drei Engelsfiguren«
– erhalten geblieben, die erst 1907, zum Zeitpunkt der
neugotischen Farbverglasung der Kapelle durch die
Hofglasmalerei F. X. Zettler in München49, in die
historische Sammlung der Stadt gelangten50. Unter den
wenigen noch heute bewahrten, d.h. nach diversen
Umzügen und Neuordnungen im heutigen Gäubodenmuseum wieder ans Licht geholten Scherben, die zum
überwiegenden Teil Bruchstücke weißer Gewänder und
dunkelblauer Rankengründe, daneben einzelne Engelflügel, Wappenfragmente und Architekturglieder zeigen,
befinden sich leider nurmehr zwei figürliche Reste: der
Kopf eines Heiligen mit Lanze (Apostel Simon oder
Thomas aus der Andreaskapelle der Familie Hainspeck)51 und das schöne Fragment eines Engels mit
Kreuzdiadem (Abb. 32). Sollte dieser einzige erhaltene
Vgl. Solleder und Abraham (Anm. 46), S. 257, 259, mit
Hinweis auf die schriftliche Überlieferung in Andre Summers
alter Reimchronik und das Straubinger Zechenbuch von
1470.
48
Mit Ausnahme vielleicht des Achsenfensters in der Rieterkirche zu Kalbensteinberg; vgl. Scholz (Anm. 39), Textbd. S.
65, Textabb. 36–38 und S. 245–248.
49
Vgl. Hermann Stickroth: Die spätromantischen Bildfenster in St. Jakob zu Straubing. Straubing 2004, S. 80.
50
Ebner (Anm. 2), S. 105. – Für Arbeitsaufnahmen der
betreffenden Fragmente habe ich Herrn Stefan Maier vom
Gäubodenmuseum herzlich zu danken.
51
Ebner (Anm. 2), S. 106, beschreibt noch die ganze intakte
Scheibe eines »heiligen Thomas mit der Lanze in weißem
Mantel und blauem Unterkleide, zu seinen Füßen einen
knienden Stifter in rotem pelzverbrämten Mantel und auf
gerolltem Bande die Inschrift ... Erasm Hainspeck zw Ästn.«.
– Vgl. auch Franz Forchheimer: Die spätgotische Hallen-
47
22
34. Hll. Andreas und Johannes d. Täufer
(Fensterstiftung des Jörg Spörl), 1486. Straubing,
St. Jakob (Depotfenster NORD V, 4/5c/d)
35. Hll. Erasmus und Gregor (ehemals zugehörig zur
Fensterstiftung des Jörg Spörl), 1486. Straubing,
St. Jakob (Depotfenster NORD V, 7b/c)
Engel zusammen mit den Resten von Flügeln, und einer
ganzen Anzahl weiterer Gewandstücke tatsächlich aus
der Haberkofer-Kapelle stammen, was angesichts des
reduzierten Scherbenbestandes keineswegs sicher ist,
so bleibt doch eine eindeutige Datierung in die Zeit des
Epitaphs, um 1466, ebenso problematisch wie eine
mögliche Nürnberger Provenienz dieser wenigen
Relikte52. Allerdings wäre diese letzte Wendung einer
für die Werkstatt Hans Pleydenwurffs zurückgewonnenen Farbverglasung auch zu schön gewesen.
Unter den übrigen Resten der spätmittelalterlichen
Farbverglasung von St. Jakob, die – das Mosesfenster
und das Passionsfenster der Maria-Hilf-Kapelle ausgenommen – seit dem 19. Jahrhundert mehr oder
weniger willkürlich in drei Fenstern des Obergadens
(N II, S II und N V) zusammengestellt sind, lassen
allenfalls die wenigen übrig gebliebenen Scheiben des
1486 datierten Fensters des Georg Spörl (heute verteilt
kirche St. Jakob. In: Straubing. Das neue und das alte Gesicht
einer Stadt im altbayerischen Kernland (Festschrift aus Anlaß
des 750. Gründungsjubiläums). Hrsg. von Karl Bosl.
Straubing 1968, S. 135.
52
Bezüge zu einzelnen Köpfen in der Stifterzeile des Kaltschmiede-Fensters (besonders der rechte hintere Frauenkopf
in SÜD II, 3a) lassen, das sei mit aller Vorsicht gesagt, auch
eine spätere Entstehung, eher gegen Ende des Jahrhunderts
möglich erscheinen.
36. Hll. Augustinus und Ambrosius. Nürnberg, um
1479. Nürnberg, St. Lorenz, Konhofer-Fenster
(Chor süd II, 2b und e)
auf S II und N V) hinsichtlich ihres Stils an eine mögliche
Herkunft aus Nürnberg denken (vgl. Abb. 34, 35).
Einstweilen sind hierfür noch keine zwingenden Belege
beizubringen. Die Erhaltung eben dieser Reste ist allerdings ähnlich ruinös wie in den ein knappes Jahrzehnt
älteren Chorfenstern der Nürnberger Lorenzkirche (Abb.
36), während die übrigen Straubinger Fenster in Glassubstanz und Bemalung einen deutlich besseren Zustand
zeigen.
Mit der längst überfälligen Neubewertung des
Mosesfensters als frühem Hauptwerk »Dürerscher«
Glasmalerei ist für Straubing in Wahrheit erst ein Anfang
gemacht. Es steht zu hoffen, daß in absehbarer Zukunft
auch die verbleibenden, auf vier weitere Fensterplätze
verteilten wertvollen Reste der spätmittelalterlichen
Farbverglasung der Stadtpfarrkirche St. Jakob – seien
diese nun Augsburger, Regensburger, Landshuter,
Münchner oder Nürnberger Provenienz – aus ihrem
Schattendasein hervorgeholt und ihrer künstlerischen
Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Eine
eingehende auf dem aktuellen Stand der Glasmalereiforschung aufbauende kunsthistorische Bearbeitung
dieser Bestände ist eine ebenso wünschenswerte wie
lohnende Aufgabe. Eine größere Chance hierzu als der
sukzessive Ausbau der Fenster im Zuge der anstehenden
Restaurierung wird sich so schnell nicht mehr bieten.
23
Abbildungsnachweise:
Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut: 11, 28;
Freiburg i. Br., Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland: 4–7, 12, 13, 15, 20, 21, 27, 30, 34–36; Hannover,
Niedersächsisches Landesmuseum: 29; London, British
Museum: 19, 26; Straubing, Gäubodenmuseum (Stefan
Maier M.A.): 32; Straubing, Historischer Verein (Dr.
F. X. Hirsch): 3, 24.
Reproduktionen aus:
Albrecht Dürer. Master Printmaker. Department of
Prints & Drawings, Museum of Fine Arts, Boston
Anschrift des Autors:
Dr. Hartmut Scholz
Corpus Vitrearum Medii Aevi
Forschungszentrum für mittelalterliche Glasmalerei
Lugostraße 13
D – 79100 Freiburg im Breisgau
Internet: www.cvma-freiburg.de
24
Massachusetts. Boston 1971, Abb. S. 88, 177: 2, 14;
Anzelewsky, Fedja: Albrecht Dürer. Das malerische
Werk, Berlin 1971, Taf. 3: 25, bzw. 1991, Taf. 14, 15:
22, 23; Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen 35 (1914), Tafel: 33; Painting on light (Kat.
der Ausstellung Los Angeles 2000), Abb. S. 113: 31;
Schramm, Albert: Der Bilderschmuck der Frühdrucke,
XVII, Leipzig 1934, Taf. 254, 275, 283: 1, 8, 9, 16, 17;
Winkler, Friedrich: Die Zeichnungen Albrecht Dürers,
Band I, Berlin 1936, Nr. 218: 10.