Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik

Transcription

Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik
Web 2.0 für Kommunen
und Kommunalpolitik
Neue Formen der Öffentlichkeit und der Zusammenarbeit
von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger
Herausgegeben von Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber im Auftrag
des Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung
Redaktion: Thomas Hoebel, Andreas Huber, Franz-Reinhard Habbel
F.-R. Habbel/A.Huber (Hrsg.): Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Originalausgabe dieser Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg, 2008
www.vwh-verlag.de
Einfache Nutzungsrechte liegen beim Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg.
Eine weitere Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist nur mit Zustimmung der Herausgeber möglich.
Markenerklärung: Die in diesem Werk wiedergegebenen Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenzeichen usw. können auch ohne besondere Kennzeichnung geschützte
Marken sein und als solche den gesetzlichen Bestimmungen unterliegen.
Satz: Werner Hülsbusch
Umschlag: design of media, Lüchow
Druck und Bindung: Kunsthaus Schwanheide
Printed in Germany
Sonderdruck der unter der ISBN 978-3-940317-36-0 im Verlag Werner Hülsbusch
erschienenen Originalausgabe für den Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
IV
Grußwort
IX
Einführung:
Web 2.0 — Bürger gestalten Kommunalpolitik
1
1
Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation
9
2
Web 2.0 in der Politik — Grenzen und Chancen
39
3
Potenziale in ausgewählten
kommunalen Handlungsfeldern
63
Web-2.0-Anwendungen
und ihre Einsatzmöglichkeiten
117
Tipps für den Umgang mit Web 2.0
154
4
5
Autorenverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
XV
XXIII
IV
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
IV
Grußwort
IX
Einführung:
Web 2.0 — Bürger gestalten Kommunalpolitik
1
I.
II.
III.
IV.
Vom „Konsumenten“ zum „Prosumenten“
Das Internet als Platz der Selbstdarstellung
Erfahrungsberichte anderen zur Verfügung stellen
Neue Öffentlichkeit und
Einbindung in kommunale Arbeitsabläufe
V.
Neue Form der Öffentlichkeit durch Web 2.0
VI. Einbindung der Bürger in Arbeitsabläufe der Kommune
VII. Potenziale des Web 2.0 für die Kommunalpolitik ausschöpfen!
VIII. Schwerpunkte des vorliegenden Bandes
3
3
4
5
6
1
Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation
9
1.1
Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps
Christoph Meineke
9
I.
II.
III.
IV.
V.
1.2
Public-Citizen-Partnership:
Ein Programm für die Zukunft der Bürgerbeteiligung
Felix Oldenburg
I.
II.
III.
1.3
Ja, ich habe gebloggt!
Das Web 2.0 ist lokal
Mein Wahlkampf 2.0
Tipps für den Umgang mit dem Web 2.0
Versuch und Fehler
Herausforderung
„Wandel gestalten, Bürger als Partner gewinnen“
Probleme der Bürgerbeteiligung 1.0
Public-Citizen-Partnership: Die Zukunft der Bürgerbeteiligung
1
2
2
9
10
10
12
14
15
15
16
17
Online-Videos in der politischen Kommunikation
Tatjana Brode
20
I.
II.
III.
IV.
20
21
21
22
Videos als Kommunikationsform
Videoplattformen und Podcasts
Videonutzung im Netz
Potenziale für die Politik
Inhaltsverzeichnis
V
V.
VI.
23
24
Die Nutzer als Produzenten
Bürgerjournalismus zu politischen Themen
1.4
Interview zu Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover
25
1.5
Journalismus 2.0:
Erfahrungen beim Aufbau eines lokalen Internetmagazins
Reinhild Haacker
28
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
28
29
29
30
31
31
32
33
1.6
Wo das Netz zum Greifen nahe ist
Lücken im lokalen Netz
Das Projekt „Wir in Wentorf“
Lokale Berichterstattung und Aktualität
Service
Interaktivität und politische Mitbestimmung
Der User erzieht sein Netz
Gesucht: Lokale „Web-Alphatiere“
Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go?
David Weinberger
34
2.
Web 2.0 in der Politik — Grenzen und Chancen
39
2.1
Blogs – Motoren für die Demokratie?
Sarah Genner
39
I.
II.
III.
IV.
V.
Zwischen Euphorie und Entsetzen
Keine Mobilisierung, eher verstärkte Ungleichheiten
Politische Wirkungen von Blogs
Die Grenzen politischer Blogs
Digitalisierung der Politik
39
40
41
43
44
Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit
Markus Klima und Rafael Wawer
46
I.
II.
III.
IV.
46
47
48
50
2.2
2.3
Commonplace Books und Hypomnema
Blogs als persönliches öffentliches Schreiben
Gesucht: die zeitgemäße „Diskursmaschine“
Eine neue Öffentlichkeit?
E-Partizipation –
Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung durch Neue Medien
Steffen Albrecht und Hilmar Westholm
51
I.
II.
III.
IV.
V.
51
52
53
53
54
Relevanz von E-Partizipation
Entwicklungsstand der E-Partizipation in Deutschland
Bewertung im internationalen Kontext
Chancen und Risiken der E-Partizipation
Wie kann E-Partizipation genutzt werden? Beispiele guter Praxis
VI
2.4
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Inhaltsverzeichnis
E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider
Björn Niehaves und Michael Räckers
57
I.
II.
III.
IV.
57
58
59
61
E-Inklusion als demokratische Aufgabe
Nutzung von Online-Services in Deutschland
Kontrastierung der Nutzung von Online-Services
Zusammenfassung und Ausblick
Potenziale in ausgewählten
kommunalen Handlungsfeldern
63
Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte
Oliver Märker und Josef Wehner
63
I.
II.
III.
IV.
V.
63
64
65
67
68
Einleitung
E-Partizipation in der Haushaltsplanung
Nicht nur der Bürger, auch die Verwaltung muss sich beteiligen
Der Kölner Bürgerhaushalt 2008 als wegweisendes Beispiel
Nach dem Bürgerhaushalt ist vor dem Bürgerhaushalt
Haushaltsplanung 2.0 –
Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung?
Maren Lübcke und Rolf Lührs
71
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
71
72
73
74
74
76
77
Einführung
Das Verfahren
Hamburg
Freiburg
Die Teilnehmer
Die Prioritäten der Bürger
Resümee
Kulturmanagement 2.0 –
Kommunales Kulturmarketing im Internet
Simon A. Frank
79
I.
II.
III.
79
80
88
Kulturmanagement und Online-Kulturmarketing
Web-2.0-Anwendungen für das Online-Kulturmarketing
Perspektiven
Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko
Sascha Armutat und Christiane Geighardt
90
I.
II.
III.
Relevanz des Web 2.0 für das Personalmanagement
Status quo: Web 2.0 im Personalmanagement
Fazit
90
92
95
Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0:
Die Beispiele Unortkataster und Fixmystreet
Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann
97
Inhaltsverzeichnis
VII
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
3.6
IV.
4.1
Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“
Das Internet als Verhandlungsraum
Berliner Stadtentwicklungspolitik: Planen mit mehr als 1.000
Beteiligten
Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten
Web-2.0-Anwendungen
und ihre Einsatzmöglichkeiten
105
106
107
108
108
109
109
110
111
114
117
Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune
Peter Jakobs-Woltering
117
I.
II.
III.
4.2
Einleitung
Effektive Kundenbetreuung
Nachbarschafts-Community
Marketing
Perspektiven
Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen
durch öffentliche Diskussionen im Internet
Anina Böhme und Daniela Riedel
I.
II.
III.
4
97
98
99
100
101
101
103
Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung
Alexandra Decker
105
I.
II.
III.
IV.
V.
3.7
Einleitung
Städtische Gemeinschaft versus globalisierte Online-Community
Glokalisierung?
Karten als Beteiligungsinstrumente
Konzept und Funktionalitäten des Unortkatasters
Unortkataster – eine Art Fixmystreet?
Ziele und Chancen des Unortkatasters
Zukunftsfähigkeit als Herausforderung
Kommunale Erfolge durch neue Technologien
Kommunalverwaltung 2.0?
Klimarettung 2.0 –
„Virtual Earth“ und elektronische IDs mit „Windows Live“
Anke Domscheit
I.
II.
III.
IV.
Interaktivität erfordert neue Technologien
Bürgerfeedback ergänzt EU-Daten: www.eyeonearth.eu
(Case Study)
Elektronische ID in Mailand und an der University of
Pennsylvania (Case Study)
Web 2.0 mit Standardsoftware öffnet kleinen und mittleren
Kommunen den Weg in modernes E-Government
117
118
123
124
124
126
129
130
VIII
Inhaltsverzeichnis
4.3
4.4
4.5
4.6
Soziale Netzwerke in Behörden
Willi Kaczorowski
132
I.
II.
III.
IV.
132
134
135
137
Web 2.0 – Mehr als eine technische Weiterentwicklung
Behördeninterne Kommunikation als Anwendungsfeld
Vielfalt der Anwendungen
Erste Schritte für Behörden
Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol
Arno Abler
139
I.
II.
III.
139
140
142
Web 2.0 als folgenreicher Mythos
E-Government & Co.
vivomondo
Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen
Wilhelm Bielert
144
I.
II.
III.
144
145
147
Bluetooth in der kommunalen Kommunikation
Anwendungsmöglichkeiten
Perspektiven
Bildung 2.0 –
mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern
Svenja Ohlemann und Alexander Olek
148
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
148
149
149
151
151
152
Gute Bildung als gemeinsame Herausforderung
Vernetzung zwischen Schulen, Lehrer und Eltern
Funktionen und Netzwerk
Web 2.0 macht Bildung überall verfügbar
Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene
Die Kommunen als innovative Bildungsstandorte
5
Tipps für den Umgang mit Web 2.0
5.1
Ein Blog in fünf Schritten
Daniela Riedel und Rafael Wawer
154
154
5.2
Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors
Andreas Huber
157
5.3
Glossar
Stefan Schulz
160
Kommentierte Linkliste
167
Autorenverzeichnis
XV
5.4
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
XXIII
Inhaltsverzeichnis
IX
Grußwort
Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken verändern Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung fundamental. Immer mehr
geschäftliche, soziale und gesellschaftliche Aktivitäten verlagern sich ins
Internet. Das Internet wird zu einem Lebens- und Wirtschaftsraum. E-Mail,
Google und Mobilfunk sind integraler Bestandteil unseres Lebens geworden.
Diese Entwicklung fordert auch Politik und Verwaltung heraus. Bund, Länder und Kommunen haben begonnen, die Verwaltung zu vernetzen und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Damit verbunden sind große Chancen, die
Verwaltung bürgerfreundlicher und effizienter zu machen und Bürokratie
abzubauen. Auch das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung wird sich
durch das Internet verändern. Das Internet eröffnet neue Wege der Kommunikation zwischen Bürger, Politik und Verwaltung. Mitmachen und Teilhaben werden die Politik im 21. Jahrhundert maßgeblich prägen. Das Internet
ist ein wichtiges Medium auf dem Weg zur aktiven Bürgergesellschaft.
Web 2.0 – die zweite Generation des Internets – beschleunigt diesen Prozess. Ist das Internet 1.0 ein Netz mit statischen Webseiten, in dem überwiegend Informationen angeboten werden, ist Web 2.0 ein „Netz des
Mitmachens“. Immer mehr Communities und Diskussionsforen entstehen,
jedermann kann ohne große Kenntnisse und Aufwand interaktive Webseiten
erstellen. Web 2.0 bringt Menschen zusammen, um sich gegenseitig mit Wissen zu versorgen, gemeinsam Neues zu schaffen und damit oftmals auch
politisch Verantwortliche herauszufordern. Neue Formen der Öffentlichkeit
und der politischen Kommunikation sind möglich geworden. Zeitunabhängige und themenspezifische Dialoge ermöglichen es, noch mehr Personen in
kommunale Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubinden als früher.
Bürger beginnen auch, mobil zu machen. Sie schließen sich zusammen und
starten im Netz zum Beispiel Aktionen für eine bessere Bildung ihrer Kinder.
Besonders beeindruckend ist zudem die freie Wissensplattform „Wikipedia“, weil sich hier fortlaufend Menschen aus allen Erdteilen zusammenfinden, um sich darüber zu verständigen, was heute eigentlich als „wissenswert“ zu gelten hat – ohne einander zu kennen. Der Grad an aktuell
verfügbarem Wissen ist unglaublich hoch. Man gewinnt einen Eindruck davon, wie erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement aussehen kann.
X
Grußwort
Mit diesem Buch „Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik“ des
Innovators Club wollen wir uns an der Verbreitung des Wissens über die
Möglichkeiten des Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik beteiligen.
Es gibt einen umfassenden Überblick die Potenziale, gibt Tipps für den Umgang mit Web 2.0 und stellt Beispiele aus Deutschland und Österreich dar.
Ich wünsche allen Interessierten eine anregende Lektüre und viele gute
Ideen auf dem Weg, das Web 2.0 für die kommunale Praxis zu nutzen. Und
vor allen Dingen: probieren Sie es aus! Nutzen Sie diese neue Möglichkeit
des Dialoges mit Ihren Bürgern und Unternehmen.
Gerd Landsberg
(Geschäftsführendes Präsidialmitglied des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes)
Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik
1
Einführung: Web 2.0 —
Bürger gestalten Kommunalpolitik
Die neueste Entwicklung im Internet heißt „Web 2.0“ oder „Soziales
Internet“. Damit ist vorrangig eine besondere Einbindung der Nutzer
gemeint, in welcher sie als unentgeltliche Informationslieferanten an
der Erstellung der Internetangebote beteiligt sind („User Generated
Content“). Das Web 2.0 bietet auch für die Kommunen und die Kommunalpolitik erhebliche Potenziale. Insbesondere die Entstehung einer
neuen Öffentlichkeit und die aktive Einbindung der Öffentlichkeit in
Arbeitsabläufe der kommunalen Behörden sind attraktiv.
I.
Vom „Konsumenten“ zum „Prosumenten“
Je beliebter ein Web-2.0-Angebot ist, desto mehr Besucher werden angezogen und umso mehr Inhalte werden durch die Nutzer eingestellt. Dieses
führt wiederum zu einer noch höheren Attraktivität des Angebotes und noch
mehr Besucher. Ein bekanntes Beispiel ist der von 47% aller deutschen Internetnutzer genutzte Web-2.0-Dienst Wikipedia. Das dort mittlerweile angesammelte Wissen konkurriert durchaus mit altehrwürdigen Lexika und ist
dabei noch kostenfrei. Darüber hinaus stellt es eine bisher ungekannte Form
des Wissensmanagements dar, weil die Beiträge dezentralisiert eingestellt
und in der gleichen Weise auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden.
War es für den Gelegenheitsnutzer bisher noch mit großem Aufwand verbunden, eine eigene Homepage einzurichten und zu pflegen, so helfen vor
allem soziale Netzwerkwebseiten, wie etwa das 2003 gegründete MySpace,
mit einfach zu bedienenden Benutzeroberflächen persönliche Seiten zu
erstellen und diese dank erhöhter Übertragungsraten unkompliziert mit Bildern, Videos und Ton anzureichern. Weitere rasant zunehmende Phänomene,
die heute bereits zum Alltag gehören, sind der Austausch auch großer Datenmengen zwischen privaten Nutzern (Peer-to-peer-Filesharing), von beliebigen Nutzern editierbare Wissenssammlungen (Wikis) und die
Bereitstellung von Pod- und Vodcasts (Audio- und Videoclips), aus denen
sich der Nutzer sein persönliches Medienprogramm zusammenstellen kann.
2
II.
Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber
Das Internet als Platz der Selbstdarstellung
Für die Präsentation von eigenem Medienmaterial gibt es Videoportale (z.B.
YouTube oder das genannte MySpace), die bereits von 34% aller Nutzer
genutzt bzw. besucht werden, oder Fotoportale (etwa Picasa oder Flickr,
genutzt von 15%). Blogs sind so etwas wie öffentliche Tagebücher in Kladdenform. Sein Besitzer trägt in loser Folge ein, was er oder sie erlebt und für
mitteilungswürdig erachtet. Zusätzlich kann er Dritte einladen, seine Texte
zu kommentieren oder sogar eigene Beiträge zu verfassen. Gegenwärtig nutzen 11% der deutschen User diese Web-2.0-Angebote. Bekannt geworden ist
das Bloggen nicht zuletzt durch die Berichterstattung aus dem Irak-Krieg
oder durch Informationen von Oppositionellen in autoritären Staaten.
Natürlich sind bei weitem nicht alle Beiträge auf Webseiten der Generation 2.0 qualitativ hochwertig. Entscheidend sind sogenannte Peer-Reviews.
Dabei handelt es sich um Bewertungen durch Personen aus der gleichen Interessengruppe. Je mehr Nutzer einen Beitrag als aussagekräftig empfinden
und diesen positiv kommentieren, desto glaubwürdiger wird er eingestuft.
Dieser Aspekt der Bewertung von Aussagen und Personen ist der Kern dessen, was unter „sozialem Netz“ verstanden wird.
III. Erfahrungsberichte anderen zur Verfügung stellen
Kommerziell genutzt werden Web-2.0-Aspekte etwa bei Websites zur Unterstützung von Kaufentscheidungen oder Reiseplanungen, denn Interessierte
können von den Erfahrungen von anderen profitieren, um etwas über die
Glaubwürdigkeit der Verkäufer oder den Nutzen der Waren zu erfahren. Vor
diesem Hintergrund versteht man unter einem Web-2.0-Angebot:
• Online-Dienste, die sogenannte „Rückkanäle“ anbieten, durch welche die
Nutzer unkompliziert Daten und Informationen an den Dienst zurück
senden bzw. dort direkt online stellen können;
• die Daten werden über den Dienst öffentlich angeboten;
• andere Nutzer können diese Daten bewerten, kommentieren bzw. erweitern;
• die Glaubwürdigkeit eines Inhalts steigt durch die Häufigkeit und den
Grad der Zustimmung der anderen Nutzer („Soziales Netzwerk“).
Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik
IV.
3
Neue Öffentlichkeit und
Einbindung in kommunale Arbeitsabläufe
Für Kommunen sind insbesondere die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit
und die aktive Einbindung der Öffentlichkeit in Arbeitsabläufe der kommunalen Behörden attraktiv. Das Hauptaugenmerk liegt dabei insbesondere auf
denjenigen Nutzern, die auch bei den sonstigen Web-2.0-Angeboten bereit
sind, aktiv Daten beizusteuern.
Der Anteil derer, die aktiv Informationen einstellen, schwankt zwischen
40% der Nutzer von Fotoportalen und etwa 10% der Personen, welche die
Enzyklopädie Wikipedia besuchen. Der „harte Kern“ der aktivsten Informationseinsteller liegt bei etwa 2 bis 3% der Anwender. Die gezielte Mobilisierung von lokalen Content-Produzenten über dieses Aktivitätslevel hinaus ist
aber für Kommunen besonders interessant, weil dadurch qualitative Mehrwerte für die Öffentlichkeitsarbeit, die Imageaufwertung sowie für die Unterstützung bei der Erbringung von Dienstleistungen der Kommunen entstehen.
V.
Neue Form der Öffentlichkeit durch Web 2.0
Durch die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit durch die Nutzung von Web
2.0 lassen sich sowohl die herkömmlichen Beteiligungs- und Partizipationsformen kostengünstiger und effizienter gestalten als auch neue Formen der
Beteiligung hervorbringen, wie die Vielzahl der Beiträge in diesem dokumentieren. So haben Köln, Freiburg und Hamburg sehr positive Erfahrungen
mit einem „Bürgerhaushalt 2.0“ gemacht, d.h. der Diskussion des Bürgerhaushaltes über Online-Tools. Auch in der Bildungspolitik existieren gelungene Beispiele, wie Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam auf einen OnlineDienst zugreifen und – über mehrere Schulen hinweg – qualitative Inhalte
bereit stellen. Neue Formen des Journalismus oder gar der Kulturpolitik sind
in der Erprobung, bei denen engagierte Leser wichtige Zeitdokumente beitragen oder sich um lokales Kulturgut und Kulturveranstaltungen kümmern. Ein
Beispiel ist die Spiegel-Online-Rubrik „Eines Tages“.
Auf diese Weise lassen sich die vorhandenen und die noch unentdeckten
Möglichkeiten der Entstehung neuer Formen von Öffentlichkeit unterstützen.
Erfahrungen aus verschiedenen Projekten haben gezeigt, dass Web-2.0Angebote zwar nicht das Interesse der Bürgerschaft an politischer Partizipation an sich steigern, aber dass die Intensität und Qualität der Beteiligung und
4
Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber
der Beiträge über das Medium Internet deutlich höher sind als früher. Immer
mehr Mandatsträger berichten, dass sie ihren Wahlkampf mit Hilfe des Internets führen. Es besteht dabei die Chance, sich gerade durch die Anwendung
von Web-2.0-Angeboten als besonders modern und bürgernah darstellen zu
können. Ein Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf 2008 in den USA
zeigt sowohl die Potenziale als auch die Gefahren eines auch online geführten Wahlkampfes. Möglich sind schnelle Diskussionen und Schlagabtausche,
unsteuerbare Blogs und Foren, Online-Stellen von Video- und Audiodateien
jenseits ihrer Präsenz auf Wahlkampfveranstaltungen und in den Printmedien. Die Nutzung des Internets erweitert die Reichweite sowie die Intensität
des Wahlkampfes und bringt neue Maßstäbe politischer Glaubwürdigkeit
hervor.
VI.
Einbindung der Bürger in Arbeitsabläufe der Kommune
Neben einer neuen Öffentlichkeit sind die Web-2.0-Angebote eine gute Möglichkeit die Öffentlichkeit in Arbeitsabläufe der Kommune mit einzubinden
und auf diese Weise Informationen und Kenntnisse durch die Bürger zu erhalten. Ein bekanntes Beispiel ist das englische Projekt Fixmystreet, bei dem
Bürger auf einer Website Mängel, Probleme oder einfach nur Auffälligkeiten
in der Infrastruktur ihres lokalen Lebensumfelds melden können. Aufgrund
dieser Hinweise kann eine Kommune viel zielgerichteter den Schaden beheben lassen als im Rahmen turnusmäßiger Kontrollen. Denn es ist einfacher
und schneller, zu einer von einem Bürger gemeldeten defekten Straßenlaterne
direkt zu fahren und diese zu reparieren, als das gesamte Straßennetz nach
Defekten abzufahren.
Dieses Projekt gilt als Erfolg und zeigt, dass Bürger sehr wohl bereit sind,
die Kommune zu unterstützen und lokale Informationen einzubringen. Wenn
wie in diesem konkreten Fall der Rückmeldekanal intuitiv und ohne umfangreiche Computerkenntnisse zu handhaben und keine gesonderte Anmeldung
erforderlich sind, dann werden die Bürger eher geneigt sein, eine Meldung zu
machen, als wenn sie anrufen oder gar einen Brief schreiben müssten.
Aus Prozesskostensicht ist auch die Sammlung der Meldungen über einen
solchen spezialisierten Kanal kosteneffizienter als parallel durch Telefon,
Brief und die turnusmäßigen Vor-Ort-Befahrungen. Wenn die Mängel dann
auch zeitnah behoben werden können, erhöht sich auch die Zufriedenheit der
Bürger, da sie selbst zur Behebung beigetragen haben. Ein Gefühl von Teilhabe entsteht. Die Bürger merken, dass sie ernst genommen werden.
Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik
5
Dieses einfache Beispiel aus einem Bereich der Infrastrukturpolitik zeigt,
welche Potenziale in Web-2.0-Angeboten stecken, die bisher nicht oder nur
annähernd realisiert wurden. In Anwendung oder Entwicklung sind auch
Web-2.0-Angebote für lokale Sicherheit bzw. Nachbarschaftsschutz, Quartierentwicklung oder Kulturpolitik. Bei internen Prozessen wie die Personalgewinnung greifen viele Personalverantwortliche ebenfalls auf das Web 2.0
als Informationsquelle über die Bewerber zurück. Hier werden Selbstdarstellung und Bewertungen durch Dritte zu zusätzlichen Quellen der Einschätzung. Darüber hinaus gibt es Web-2.0-Angebote für geschlossene Nutzerkreise, etwa von Mandatsträgern einer Region für regionale Politik- und Aushandlungsprozesse.
Auf Webseiten, mit möglichen Namen wie meineverwaltung.de, meinekommune.de, unserenachbarschaft.de o.ä. könnten bisherige Angebote von
Kommunen und Behörden integriert und durch Funktionen wie persönliche
Profile von Politikern und Bürgern sowie Kommunikations- und Informationsaustauschinstrumente ergänzt werden. Auf diesem Wege würden neue
Kanäle entstehen, um neben der Regelung von Verwaltungsangelegenheiten
auch in einen unmittelbaren Meinungsaustausch mit den Bürgern zu treten,
um gemeinschaftlich Lösungen für die Probleme der Kommune oder zur
Organisation ehrenamtlichen Engagements zu finden.
VII. Potenziale des Web 2.0
für die Kommunalpolitik ausschöpfen!
Zwar werden im Internet bisher keine Wahlen gewonnen, doch ohne Onlinepräsenz ist heute Politik kaum denkbar. Behörden und Parteien sind schon
seit geraumer Zeit mit eigenen Service- und Informationsangeboten im Netz
vertreten. Immer mehr Politiker verfügen über eine eigene Webseite. Auch
Chats mit Politikern und Blogs, sowohl von Politikern als auch von engagierten Bürgern, sind keine Seltenheit mehr. Doch schon bei Angeboten wie Podund Vodcasts wird die Anzahl der Webseiten überschaubar.
Ein wichtiger Grund für die vergleichsweise geringe Nutzung des politischen Potenzials des Internets ist sicherlich die Ernüchterung vieler Politiker
und Bürger im Umgang mit den bestehenden Angeboten. Während Politiker
immer noch vorwiegend auf die vermeintlich reichweitenstärkeren klassischen Print- und Rundfunkmedien setzen, ärgern sich Bürger über veraltete
Informationen auf ungepflegten Politikerwebseiten und komplizierte Be-
6
Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber
nutzeroberflächen der Onlineangebote von Behörden. Hinzu kommt die Enttäuschung beim Vergleich des realen Nutzens von Internetangeboten mit den
oftmals übermäßig optimistisch angepriesenen Möglichkeiten des scheinbar
unbegrenzten World Wide Web.
Gerade bei regionalen Angeboten werden Webseiten mit Informationen
zu Freizeitangeboten in der Region, Bürgerinformationen wie Adressen und
Öffnungszeiten von Ämtern, regionale Informationen zu Wetter und Verkehr
sowie Einkaufsmöglichkeiten besonders häufig genutzt. Interessanterweise
werden diese Webseiten im Gegensatz zu vielen Web-2.0-Angeboten in gleicher Weise von Jung und Alt in Anspruch genommen.
Wie so häufig liegt die Wahrheit auch beim Potenzial des Web 2.0 für die
Politik zwischen den Extremen. Das Internet ist auch als Web 2.0 kein
Selbstläufer, doch bietet es zahlreiche Möglichkeiten, deren Ausschöpfung
durchaus realen Nutzen in der politischen Praxis bringt. Als Wegweiser gilt
hier, dass vor allem die Verbesserung und den Ausbau bestehender Kommunikationskanäle und Leistungen mit Hilfe der Web-2.0-Angebote im Vordergrund steht. Hier ist Phantasie gefragt, denn die Potenziale des Web 2.0 für
die Kommunalpolitik sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
VIII. Schwerpunkte des vorliegenden Bandes
Der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) initiierte Innovators Club für Verwaltungsmodernisierung möchte die Phantasie für Web-2.0Angebote für Kommunen weiter anregen. Dafür steht das vorliegende Buch.
Es geht uns darum, Nutzungspotenziale für Kommunen aufzuzeigen, sodass
letztlich jeder Beitrag wertvolle Hinweise darüber enthält, welche Chancen,
aber auch Grenzen mit Web-2.0-Anwendungen verbunden sind.
Gleichwohl haben wir uns entschieden, die einzelnen Artikel nach
Schwerpunkt-Kapiteln anzuordnen; auch wenn dies aus Web-2.0-Perspektive
anachronistisch erscheint. Schließlich sind insbesondere die Leser von Blogs
daran gewöhnt, die Beiträge einer oder mehrerer Webseiten nach ihren Wünschen zu sortieren und dann zu studieren. Die sogenannten Tags bzw. Labels
eröffnen mittlerweile ganz neuartige Arten des Umgangs und der Verfügung
über ein Wissen, das sekündlich wächst, indem die User Informationen, Meinungen oder gleich „Infopinion“ (David Weinberger) „posten“, kommentieren, ergänzen – oder eben in Bücher wie dieses umsetzen.
Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik
7
Den Beginn bildet der Schwerpunkt Web 2.0 als neue Form politischer
Kommunikation (Kap. 1). Die dafür ausgewählten Beiträge belegen anschaulich, inwiefern durch veränderte technologische Möglichkeiten ganz
neue Kommunikationsmöglichkeiten zwischen kommunaler Politik, Verwaltung und Bürgern entstehen – einschließlich dafür notwendiger Strategien
eines adäquaten Einsatzes. Denn: die Politik muss sich zwangsläufig damit
auseinandersetzen, dass sie aktive Teilnehmerin in einem nahezu unkontrollierbaren und offenen Kommunikationsraum ist.
Das Web 2.0 bietet daher – politisch gesehen – erhebliche Chancen des
Diskurses und der aktiven politischen Partizipation. Es darf aber auch nicht
überschätzt werden, worauf die Beiträge des Schwerpunktes Chancen und
Grenzen (Kap. 2) verweisen. Als offene Frage kann gelten, wie sicher gestellt werden kann, dass alle Menschen das Internet in der Weise nutzen können, wie es technologisch längst möglich ist: nämlich ohne Grenzen.
Diesen grundsätzlichen Nutzungspotenzialen haben wir daran anschließend einen eigenen Schwerpunkt (Kap. 3) gewidmet – und zwar mit Blick
auf ausgewählte kommunale Handlungsfelder. Dazu zählen die Haushaltsberatungen, das Kulturmanagement, die Personalpolitik, Infrastrukturaufgaben,
Immobilienmanagement sowie die Stadtentwicklung. In allen genannten
Handlungsbereichen ergeben sich durch das Web 2.0 Innovationsgelegenheiten zur Verwaltungsmodernisierung. Inwiefern diese mit bestimmten Anwendungen verbunden sein können, belegt der vierte Schwerpunkt (Kap. 4).
Das letzte Kapitel schließlich haben wir mit dem Ziel konzipiert, die vermeintlichen Hürden abzubauen, die von vielen Beobachtern technologischer
Entwicklungen gesehen werden, wenn es darum geht, sie selbst einmal anzuwenden. Unsere Anleitung zum Bloggen zeigt, wie es geht: der eigene
Blog ist schnell erstellt. Zehn Tipps helfen dann bei den ersten Schritten mit
dem Medium. Und wem dann manchmal doch ein wenig zu viele Fachbegriffe um die Ohren schwirren, dem sei unser Glossar anempfohlen. Eine kommentierte Linkliste rundet dieses Kapitel ab.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre des vorliegenden
Bandes. Uns bleibt aufgrund unserer Erfahrungen und den Gesprächen zu
seiner inhaltlichen Zusammenstellung nur noch zu sagen: Ja – Web 2.0 ist
ein Thema für die Kommunalpolitik!
Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber
8
Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber
1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps
1
Web 2.0 als neue Form
politischer Kommunikation
1.1
Kommunalwahlkampf 2.0 —
Erfahrungen und Tipps
9
Christoph Meineke
Für Wahlkämpfer und gewählte Repräsentanten bietet das Web 2.0
neue Möglichkeiten zum Kontakt mit dem Bürger. Der Autor des folgenden Beitrags hat es im Rennen um das Bürgermeisteramt erfolgreich eingesetzt. In diesem Essay soll aus einer persönlichen Perspektive heraus das neue Internet vorgestellt werden und die Chancen
skizziert, die es für Kommunalpolitiker bietet. Auch Stolpersteine werden aufgezeigt.
I.
Ja, ich habe gebloggt!
Zum Beispiel habe ich gebloggt, dass ich den Reitverein besucht habe, dass
ich einen mittelständischen Zulieferer für KFZ-Werkzeuge besichtigt habe,
dass ich ein Wahlkampfteam beisammen hatte. Vieles, was ich erlebte, habe
ich online berichtet und in der ersten oder dritten Person mitgeteilt. Es war zu
einer Zeit, da Microsoft Word noch keine standardisierte Formatvorlage für
Blogs hatte und das Wort für die meisten Menschen noch nach „geblockt“
klang – und damit eher nach zugeklappten Ohren denn neuen Kommunikationswegen.
Diese Wege erschienen mir als junger Einzelbewerber um ein Bürgermeisteramt ein Muss – da kam das neue, interaktive Internet, das Web 2.0,
gerade recht. Es war im niedersächsischen Kommunalwahlkampf 2006. Die
aktuellen Einträge auf meiner Homepage waren noch ein Durcheinander aus
Pressemitteilung und Tagebuch, meine Auftritte in den Foren noch eine Mischung aus Stolpern und Schreiten. Doch neben Klinkenputzen und Terminen war der Online-Wahlkampf die wohl wichtigste Schnittstelle zum
Bürger.
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II.
Christoph Meineke
Das Web 2.0 ist lokal
Prosuming heißt das Erfolgsgeheimnis des neuen Internet. Der Begriff steht
für das Miteinander aus Konsum und Produktion. Erst durch das aktive Mitwirken seiner Nutzer ist das Internet damit zum Web 2.0 geworden. Communities und Foren geben dem User eine Plattform, um Informationen
abzurufen. Zugleich aber leben sie von der aktiven Beteiligung. Davon, dass
die Konsumenten selbst produzieren und einbringen. Besonders im Lokalen
ist dies spannend: Foren und Wikis, Blogs und Casts – das Netz der zweiten
Generation lädt jeden ein, seine Lebenswirklichkeit abzubilden, die Faszination Alltag festzuhalten und Wissen, Meinung oder Forderung zu kommunizieren. Dadurch ist das Web persönlicher und informativer geworden, aber
auch örtlich näher an den Nutzer gerückt. Die aktive Vernetzung mit Gleichgesinnten ermöglicht es, daheim Gestaltungswillen zu zeigen und Einfluss zu
nehmen. Um Kommunen herum entwickeln sich „Communities“ und damit
eine neue Form politischer Mitwirkung. Das Lokale als unmittelbarer Lebensbereich erhält seinen Platz im Virtuellen.
Dank der aktiven und passiven Möglichkeiten des Web 2.0 lassen sich gerade im Wahlkampf viele Themen kommunizieren, aufgreifen, diskutieren.
Die Einwohner befassen sich in den Wochen und Monaten vor der Stimmabgabe besonders intensiv mit ihrer Stadt und kommunalen Fragen. Ideen werden geboren, Interessen werden lauter ausgesprochen und leichter gehört. Die
Bürger und ihr potenzieller Repräsentant können gemeinsam Felder aufarbeiten und entwickeln.
III. Mein Wahlkampf 2.0
Als ich meinen Wahlkampf plante, war das Internet eines von drei Standbeinen der Kampagne. An erster Stelle stand der persönliche Kontakt, an zweiter die Online-Kommunikation und an dritter die gedruckte Werbung. Zum
Bereich „online“ zählte sowohl die eigene Homepage mit aktuellen Einträgen
als auch die gezielte Kommunikation in sozialen Netzwerken. Durch das
Internet erhoffte ich mir, günstig und individuell sowie zielgruppengenau
Informationen weitergeben zu können. Immerhin handelte es sich um einen
Wahlkampf ohne Partei im Rücken, mit knappem Budget und wenig Zeit bis
zur Wahl. So viele Spuren wie möglich hinterlassen im Netz, lautete meine
1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps
11
Devise, um die Bürger zur Kontaktaufnahme einzuladen und Themen breit
zu kommunizieren.
Als unabhängiger Kandidat musste ich zunächst Unterstützungsunterschriften sammeln, um auf den Wahlzettel für die Abstimmung im September zu gelangen. Nach intensiver Vorbereitung gab ich an einem Freitag im
Juli die Kandidatur bekannt. Am Samstag – bester Zeitungstag – wussten
zum Frühstück die ersten Bürger bescheid. In dieser Phase hielt ich zunächst
meine Homepage zurück, um diese erst zum eigentlichen Wahlkampfstart
nach behördlicher Prüfung der Unterschriften zu präsentieren. Doch bereits
zu diesem Zeitpunkt lief online eine „Kampagne vor der Kampagne“, um die
Unterlagen fertig zu bekommen, die ich zum Antreten benötigte.
Zu Beginn waren die jungen Unterstützer wichtig, eine Zielgruppe, die
ich als junger Kandidat mit ihren Wünschen und meinen Themen erreichen
wollte. In sozialen Netzwerken wie kiezkollegen gaben meine Freunde die
Info an ihre Bekannten durch. Im Flüsterton ging es durch das Internet, Bürgermeister will er werden. Mit 26. Einer von uns. Vor allem bei den jungen
Wählern unter 30 Jahren stieg die Aufmerksamkeit für die bevorstehende
Wahl.
Als einige Tage später meine Homepage ans Netz ging, wimmelte es
schon an Verweisen und indirekten Hinweisen auf die Kandidatur. Ein guter
Freund, der die Homepage professionell erstellt hatte, widmete sich auch der
Pflege dieser virtuellen Späne, die sich um das Magnetfeld des Kandidaten
ausrichteten. Spätestens als ich auf der Homepage begann, regelmäßig zu berichten, wuchs die Gruppe Interessierter. Einträge und Kommentare folgten,
die Familien und Senioren ansprachen, Feuerwehren und Vereine. Langsam
verwischten die Grenzen der Kommunikationswege. Das Oszillieren zwischen Virtuellem und Realem begann, in der Sprache des Web 2.0 könnte
man es als Mash Up bezeichnen. Vielfach war das, was ich nur online kommuniziert hatte, ein Thema auf der Straße oder dem Fußballplatz. Oder umgekehrt wurde das, was ich bei einer Veranstaltung von mir gegeben hatte,
online hinterfragt.
Für den Wahlkampfalltag zeigt sich schnell der Vorteil des Internets:
Während ich tagsüber Präsenz zeigte oder von Haus zu Haus ging, konnte ich
in den Nachtstunden Mails beantworten, Texte für die Homepage verfassen
und Online-Kontakte pflegen oder neue Mitstreiter auf elektronischem Weg
motivieren. Damit ließ sich die kurze Zeit bis zur Wahl optimal ausnutzen.
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Christoph Meineke
Je näher die Wahl rückte, desto größer wurde der Kreis derer, die ich erreicht hatte. Die Spannung stieg, wie viele Stimmen ich holen könnte und ob
es für den Schlüssel zum Rathaus reichen sollte.
IV.
Tipps für den Umgang mit dem Web 2.0
Gerade für die politische Kommunikation wird das Web 2.0 elementare Bedeutung bekommen. Im Internet lassen sich Informationen kurzfristig und
ohne namhafte Investitionen einem größtmöglichen Kreis an Interessierten
zugänglich machen. Zugleich lassen sich diese so streuen und archivieren,
dass sie auffindbar bleiben und weitergenutzt, kommentiert, in einer Debatte
entwickelt werden können. Durch Interaktion und Vernetzung wird eine soziale Struktur mit ihren Verbindungen und Rückkopplungen aufgebaut, die
dem Bürger eine aktive Rolle zuweist. Der Informationsfluss vom Bürger
zum Politiker kann dabei ebenso neuartig gestaltet werden wie der vom Repräsentanten zu seinen Wählern. Reizvoll ist, dass im Konzert der Meinungen
das Web 2.0 eine besondere Bandbreite der Präsentation bietet: Sei es durch
ein den klassischen Forumskommentar, eine Bildstrecke, einen Hörbeitrag
(Podcast) oder gar ein Video.
Für den Kommunalpolitiker entwickelt sich der Umgang mit dem Web
zum Handwerk. Es ist ein Muss, die Präsenz im Internet überzeugend zu
gestalten – nicht nur mit einer eigenen Homepage. Wichtig ist, dass auch der
Ratskandidat oder Bürgermeister, die Stadträtin oder der angehende Landrat
zum „Prosument“ wird – und das nicht nur im Wahlkampf. Auf die richtige
Mischung aus Beobachten und Mitmachen kommt es an.
Zunächst ist es wichtig, ein Gespür für das zu bekommen, was sich im
Virtuellen tut. Welche Netzwerke und Foren gibt es, welche Akteure tummeln sich auf welchen Plattformen? Kurzum: Welche Community hat sich
rund um die Kommune gebildet? Das Web 2.0 ist eine GraswurzelBewegung. In Blogs und Foreneinträgen finden sich spontan geschriebene
Meinungen, die vielfach mit seismographischer Genauigkeit die Rezeption
von Themen ebenso wie das Aufkommen öffentlicher Debatten abbilden.
Zum anderen bedarf es gezielter Präsenz, um neuartige Formen des Dialoges mit dem Bürger zu suchen und aufzubauen. Es muss nicht gleich ein
eigener Blog oder der regelmäßige Podcast sein. Erste Erfahrungen aus
Deutschland, Österreich, Schweiz und den USA zeigen, dass diese Anfänge
noch zaghaft sind und sich erst langsam Lösungen zur überzeugenden Prä-
1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps
13
sentation mit den Mitteln des Web 2.0 entwickeln. Das Erfolgsrezept für den
richtigen Internetauftritt scheint eine Mischung guter, dauerhafter, aktueller
Basisinformation über die Person und ihre politischen Ziele zu sein, gepaart
mit einem positiven Überraschungseffekt, der neugierig macht.
Die Basisinformation des Repräsentanten lässt sich auf vielerlei Weise
darstellen: die eigene Homepage, die eines politischen Ortsverbandes, der
Stadt. Ergänzende Möglichkeiten geben auch Netzwerke wie Xing oder Facebook. Die Möglichkeiten des Web 2.0 können dabei – gewollt oder ungewollt – weitaus bedeutender sein als eine gut gemachte Homepage. Das Bild
des Kandidaten oder Repräsentanten wird durch Suchmaschinen zusammengetragen. Da es Versatzstücke aus personenbezogener und Sachdiskussion sind, finden sich diese auf diversen Plattformen von einer Vielzahl an
Urhebern. Dritte, durchaus auch Kritiker, erfüllen bei der Informationsleistung meist die Funktion eines Bürgen, den es bei subjektiv und selektiv wiedergegebener Auskunft auf der eigenen Homepage nicht gibt.
Entscheidend ist der aktive Schritt in die lokale Community. Dort können
zielgruppengenau Meinungsbilder abgefragt werden. Auch kann die eigene
Arbeit erläutert werden und vor allem bei kritischen Entscheidungen dem
Bürger näher gebracht. Der schnellste Weg in den Kreis der Nutzer führt
über das Mitwirken in einer Forumsdebatte. Gern gesehen ist auch ein Beitrag zu einem Online-Medium oder auf einer Vereins-Homepage. Reden und
Gastauftritte lassen sich als Podcast wiedergeben – als eigenes Angebot oder
durch die besuchte Institution.
Auch Stolpersteine lauern im Netz: Vorsicht ist bei der Wahl der Sprache
geboten. Die Zahl der Politiker, die sich mit salopp gekünstelter Jugendsprache ins Herz der Zielgruppe schreiben wollen, steigt ebenso schnell wie die
Anzahl all jener, die sich darüber lustig machen. Nach dem Motto ganz oder
gar nicht, sorgt ein halbherzig geführter Blog für Unmut. Informationen, die
nicht auf dem neuesten Stand sind, werfen schnell ein schlechtes Licht auf
den nachlässigen Urheber. Wer sich für unregelmäßige Information entscheidet, sollte lediglich gewichtige Themen kommunizieren. Dazu lassen sich die
Mitteilungen in einer Art Nachrichtenticker auf Homepages unterbringen.
Durch sogenannte Feeds wie Atom oder RSS erhalten Abonnenten bei jeder
neuen Nachricht eine kurze Info, bei deren Anklicken sie auf die Homepage
mit der eigentlichen Meldung gelangen.
Gute Blogs sind rar – schon gar die Kommentare dazu. So sammelt sich
schnell Unsachliches wie Unflätiges. Dass ein Politiker sich im Blog mitteilt,
wird noch lange Zeit die Ausnahme bleiben. Doch wenn er sich dafür ent-
14
Christoph Meineke
scheidet, so muss er sich Zeit nicht nur für Gedanken nehmen, sondern
zugleich für Pflege der Plattform. Kritik ist häufig nicht mehr mit einem
Sender verbunden, sondern der Kritiker verbirgt sich in der großen Masse der
Internetnutzer. Nicknames in Foren oder schwer zuzuordnende IP-Adressen,
Verschleierung statt Bekenntnis zur eigenen Meinung, laden dazu ein, Gerüchte zu verbreiten. Nur rasche Reaktion bremst ihr Aufkommen und Wandern. Augenmerk sollte zudem auf der passiven Präsenz liegen – auch wenn
diese kaum zu beeinflussen ist. Suchmaschinen bilden das Gedächtnis des
Netzes. Im virtuellen Raum sammelt sich ein Sediment an Informationen, aus
dem sich das Bild des Repräsentanten kleinteilig und nachhaltig zusammensetzt. Dies sollte zumindest als Grundlage zur Selbstreflektion und nachdenklichen Kritik am eigenen Wirken dienen.
V.
Versuch und Fehler
Vieles im neuen Web entwickelt sich evolutionär und experimentell. Doch es
ermöglicht Bürgerkontakt auf vielfältige Weise, der sich konstruktiv nutzen
lässt. Auch wenn zunächst das Prinzip noch Versuch und Fehler heißt, in
meinem Fall führte es zum Erfolg: Rund ein halbes Jahr nach Beginn des
Wahlkampfes durfte ich mein Amt als jüngster hauptamtlicher Bürgermeister
Niedersachsens antreten – auch dank des Web 2.0.
1.2 Public-Citizen-Partnership
1.2
15
Public-Citizen-Partnership: Ein Programm
für die Zukunft der Bürgerbeteiligung
Felix Oldenburg
Kommunen brauchen ihre Bürger, Unternehmen und Stakeholder nicht
nur als Wähler, Steuerzahler und Anspruchsgruppen, sondern als
Partner zur Gestaltung des Wandels vor Ort. Mit diesem Anspruch
konnten Beteiligungsverfahren in der Vergangenheit oft nicht mithalten: für die Bedürfnisse politischer Entscheider zu akademisch, methodenorientiert, langsam und kleinkariert. Der Beitrag zeigt eine in die
Zukunft reichende Roadmap von integrierten Offline- und Online-Kooperationsprozessen, die mit niedrigeren Barrieren, medial inszeniert
und professionell gesteuert auch große und bisher schwer mobilisierbare Zielgruppen in Partnerschaften einbinden können.
I.
Herausforderung
„Wandel gestalten, Bürger als Partner gewinnen“
„Ich habe begonnen, mich für Politik zu interessieren, als die Politik begonnen hat, sich für mich zu interessieren“, sagt die Mutter von vier Kindern, die
zuvor nie mit Politik zu tun hatte. Vor zwei Jahren war ihre Telefonnummer
zufällig von einem Computer ermittelt worden, und sie erhielt einen Anruf
von den Organisatoren eines europaweiten Bürgerbeteiligungsverfahrens.
Nach einigem Zögern sagte sie zu und erarbeitete mit über 3.000 ebenso
ausgewählten Menschen in 21 Sprachen konkrete politische Empfehlungen.
Sie erhielt die Gelegenheit, gleich mehrmals mit Europäischen Kommissaren
und auf Konferenzen zu Hause und in Brüssel zu sprechen. Jedes Mal wurde
sie selbstbewusster. Heute ist sie in ihrem Heimatort politisch aktiv und arbeitet im Büro eines Abgeordneten mit. Für ihre Politiker vor Ort ist sie nicht
mehr anonym, nicht mehr ein Bruchteil einer Meinungsumfrage oder ein
Stimmzettel alle vier Jahre. Sie ist zur Partnerin geworden.
Kommunen müssen heute oft aus wenig viel machen. Knappe Kassen,
wegfallende Stellen auf der einen Seite, immer größere Aufgaben auf der
anderen. Da kann die Beteiligung von Bürgern als eine Aktivität außerhalb
des mandatierten Kernbereichs schon einmal wie ein Luxus aussehen – allen-
16
Felix Oldenburg
falls brauchbar als Maßnahme zur Zeitgewinnung bei den typischen strittigen
Stadtgestaltungsthemen oder für einen harmlosen Leitbildprozess im Wahlvorfeld.
Kluge Kommunalpolitiker wissen: Bürgerbeteiligung ist kein Selbstzweck, und kann mehr sein als dekorative Symbolpolitik. Bürgerbeteiligung
ist ein Hebel zur Gestaltung von Themen, die sich mit dem Mandat eines
Bürgermeisters und den Ressourcen einer Kommunalverwaltung allein nicht
bewältigen lassen. Und davon gibt es mehr als genug. Und was für die Beteiligung von einzelnen Bürgern gilt, gilt erst recht für die Einbindung von Bürgergruppen, Unternehmen und anderen Institutionen.
Für gelingende Beteiligung haben sich aus der mittlerweile 13-jährigen
Erfahrung von IFOK sechs Grundregeln ergeben. Bürgerbeteiligung ist erfolgreich, ...
1. ... wenn ein legitimierter Akteur die Initiative ergreift, … (Also nicht:
sich selbst organisierende Prozesse ohne Mandat und klare Aufgabenstellung.)
2. ... um eine nicht bereits gelöste Frage zu beantworten. ... (Also nicht:
Manipulation durch Scheinpartizipation, bei der die Entscheidungen
schon getroffen sind.)
3. ... und dazu alle wesentlichen betroffenen Interessen an einen Tisch holt,
... (Also nicht: Willkürlicher Ausschluss von Interessen oder einseitige
Abwälzung der Lasten einer Problemlösung auf nicht beteiligte Dritte.
4. ... um sie durch einen moderierten Dialog ... (Also nicht: ohne professionelles Handwerkzeug und ohne klare Ergebnisperspektive.)
5. ... auf eine gemeinsame Antwort und/oder gemeinsames Handeln zu verpflichten ... (Also nicht: Ergebnisse, die unverbindlich sind und bleiben.)
6. ... und diese Antwort umsetzt und in Entscheidungsprozesse einbringt.
(Also nicht: Als Bypass der formal vorgeschriebenen Verfahren.)
Warum also ist Bürgerbeteiligung noch lange kein Mainstream, noch kein
Standardinstrument, mit dem Kommunen systematisch ihre Zukunftsherausforderungen bewältigen? Dafür gibt es gute Gründe, die sich in den Problemen vieler konventioneller Ansätze der Bürgerbeteiligung finden. Erst wenn
wir diese überwinden, wird Bürgerbeteiligung für kommunale Entscheider
mit politischen Zwängen zu einer realistischen und attraktiven Alternative zu
„politics as usual“.
II.
Probleme der Bürgerbeteiligung 1.0
1.2 Public-Citizen-Partnership
17
Mit den praktischen Ansprüchen gewählter Politiker konnten Beteiligungsverfahren in der Vergangenheit oft nicht mithalten – zumal sie oft von akademischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren angeboten wurden, die sich
nicht allein auf den politischen Mehrwert für den Auftraggeber verpflichten
ließen: Die resultierenden Verfahren waren oft für die Bedürfnisse politischer
Entscheider zu akademisch, methodenorientiert, langsam und kleinkariert.
Wenn sich einige Dutzend Bürger auf eine offene Einladung in einem
Hinterzimmer treffen und miteinander ein Gutachten schreiben, dann ist das
bestenfalls ein nützlicher Input von vielen für die Politik – und darf auch
nicht mehr als das sein.
Auf dem Weg zum Bürger als Partner müssen alle Akteure der Bürgerbeteiligung in eine neue Phase eintreten und sich dabei auch von lieb gewonnenen und lange eingeübten Positionen verabschieden:
Wir brauchen adaptive Prozesse mit flexiblen Rollen, deren Ziele je nach
politischer Herausforderung festgelegt werden – statt dem ewigen expliziten
oder impliziten Anspruch auf Entscheidungsmacht, der die Bürgerbeteiligung
1.0 so oft in die Nähe der Befürworter direkter Demokratie gerückt hat.
Wir brauchen die Einbindung breiterer und auch schwer mobilisierbarer
Zielgruppen – statt der immer gleichen engagierten und demographisch homogenen „üblichen Verdächtigen“.
Wir brauchen eine drastische Erweiterung des Methodenrepertoires, sowohl im Veranstaltungs- als auch im Online-Bereich, und besonders in der
nahtlosen Verknüpfung beider Bereiche – statt dem Festhalten an dem Dogma der Methodenreinheit und den „method wars“.
III. Public-Citizen-Partnership:
Die Zukunft der Bürgerbeteiligung
Die Bausteine für diese Zukunft gibt es bereits, sie müssen nur für jede kommunale Herausforderung angepasst und neu kombiniert werden – und zwar
meist nicht im Web 2.0 allein, sondern im klugen Zusammenspiel möglichst
vieler Kommunikationskanäle.
Im Veranstaltungsbereich wird heute meist noch mit Stift und bunten
Pappkarten moderiert. Nur die Anwesenden können sich beteiligen, und die
Auswertung dauert lang. Das entspricht nicht den Kommunikationsbedürfnissen der meisten Zielgruppen, und so beteiligen sich nur diejenigen, die
Zeit haben und sich in einer solchen Gruppendiskussion wohl fühlen. Elekt-
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Felix Oldenburg
ronisch unterstützte Moderation auf Whiteboards ermöglicht in Zukunft auch
die Beteiligung von Teilnehmern per Internet von zu Hause aus, und die Ergebnisse können unmittelbar und transparent elektronisch weiter verwendet
werden.
Technologie ermöglicht noch mehr: So können statt Kleingruppen auch
Hunderte und Tausende Bürger gleichzeitig an produktiven und hoch öffentlichkeitswirksamen Dialogen beteiligt werden. An moderierten Tischgruppen
diskutieren Teilnehmer nach einem genau vorbestimmten Regieplan ein
Problem, geben Ideen über ein Computernetzwerk live an ein Redaktionsteam weiter, das immer wieder Zusammenfassungen im Plenum zur elektronischen Abstimmung stellt. So können große Gruppen innerhalb kurzer Zeit
gemeinsame Ergebnisse unter klaren Rahmenvorhaben erarbeiten. In
Deutschland haben Bürgerkonferenzen mit dieser Methode 2007 den Deutschen PR-Preis gewonnen, und in New York wurde so die Bebauung von
Ground Zero geplant.
Im Bereich Web 2.0 gilt es, das Potenzial der Technologien weit jenseits
von Foren und Blogs zu nutzen, die meist nur eine Online-Abbildung von
etwas sind, das offline besser funktioniert. Die Leitfrage zum Einsatz von
Web 2.0 sollte sein: Was können wir im Internet tun, was wir offline nicht
tun können?
Von StudiZV und Facebook kann man lernen, wie sich Social Communities dynamisch mit ihren Benutzern entwickeln und immer wieder neue Interaktionsmöglichkeiten, Themen und Ziele erschließen können. Gerade auf
kommunaler Ebene können sich Online-Communities ja auch reale Gruppen
wie Schulklassen, Elternkreise, Handwerkskammern oder Rentnergruppen
beziehen. Überall, wo solche Gruppen entstehen, können sie Schnittstellen in
elektronische Bürgerbeteiligung erhalten.
Und: Das Web 2.0 ist gerade dadurch ausgezeichnet, dass es verschiedenste Kommunikationskanäle und -quellen dynamisch miteinander verbinden kann. Bürgerbeteiligung im Web 2.0 sollte nicht nur am heimischen
Computer, sondern auch per SMS-Abstimmungen über das Mobiltelefon
oder beim Stehtisch in der Fußgängerzone Interaktionsmöglichkeiten bieten.
Last but not least: Web 2.0 muss in der kommunalen Bürgerbeteiligung
vor allem endlich klug mit Offline-Veranstaltungen verbunden werden. Gerade auf der kommunalen Ebene ist diese Verbindung so nahe liegend und
doch so wenig genutzt. Das zentrale Ziel sind integrierte Online-OfflineVerfahren, an deren vielfältigen und aufeinander aufbauenden Beteiligungs-
1.2 Public-Citizen-Partnership
19
chancen sich breite Zielgruppen beteiligen, um dynamisch in einem vorgegebenen Rahmen Engagement zu mobilisieren.
morgen
heute
80er und 90er
Methoden
und Technik
Offline >
Kleingruppenverfahren (<100
Teilnehmer), konventionell moderiert
Großgruppenverfahren (Hunderte und
Tausende Teilnehmer), TEDAbstimmungen, Redaktionsnetzwerk,
Whiteboard-Moderation mit InternetAnschluss
Community-Verfahren (sehr große,
verteilte Teilnehmergruppen)
Integrierte Offline-Online-Verfahren
Kollaborative Wissensentwicklung
Dynamische Themen-Communities
Social Communities
Online >
Dialogforen, Blogs, Chats
Integration Offline-Online
Multiple Beteiligungsformen, z.B.
Veranstaltungen, Internet, SMS,
Fernseh- / Radioshows mit Call-In
Abb. 1.2 -1 Die Evolution der Bürgerbeteiligung (Quelle: eigene Darstellung)
In der Summe dieser Technologiebausteine werden große, dynamische
und verteilte Teilnehmergruppen eingebunden – in eine gemeinsame Problemlösung oder eine Mobilisierung für kommunales Engagement. Man stelle
sich eine Art „Publikumsjoker“ für kommunale Entscheider vor, mit dem sie
sich jeweils die Weisheit der Vielen einholen können, oder eine kurzfristige
Ad-hoc-Beteiligung von Engagierten, um schnell Ressourcen für eine kommunale Aufgabe zu aktivieren.
Statt Bürgerbeteiligung nur unter eingedämmten kommunalen Laborbedingungen zuzulassen, brauchen Deutschlands Kommunen Politiker, die
Führung neu verstehen: Als attraktive Einladung an Bürger zur politischen
Partnerschaft und Teilhabe, mit Methoden der nächsten Generation. Um die
großen Themen der Kommunen zu gestalten, die sich allen Durchführungsanordnungen und Verwaltungsrichtlinien entziehen. Die Entscheider, die
dieses Potenzial als erstes nutzen, werden mit Bürgerbeteiligung endlich auch
politisch gewinnen.
Literatur
Meister, H.-P.; Oldenburg, F. 2008: Beteiligung – ein Programm für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Heidelberg: Springer.
20
Tatjana Brode
1.3
Online-Videos in der
politischen Kommunikation
Tatjana Brode
Im Internet kann potenziell jeder seinen eigenen Fernsehkanal betreiben: Die Kosten für Produktion und Verbreitung von „Bewegtbildern“ sind vergleichsweise niedrig. Für die Politik besteht darin nicht
nur ein neues PR-Instrument, sondern eine Chance, Bürger stärker an
politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Videobasierte
Bürgermedien leisten einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs.
I.
Videos als Kommunikationsform
Gegenüber dem Fernsehen haben Videos im Internet eine ganze Reihe von
Vorteilen für die Nutzer: die Unabhängigkeit von Sendezeiten, die Pausentaste, eine größere inhaltliche Vielfalt, die Verfügbarkeit von Zusatzinformationen ohne Medienbruch, den Rückkanal für Kommentare, die Nutzung
variabler Abspielgeräte.
Entscheidend ist jedoch, dass die Produktion und Verbreitung von Bewegtbildern nur noch ein Bruchteil dessen kostet, was zum Betreiben eines
Fernsehsenders nötig ist. Mit Videokamera und Schnittsoftware kann potenziell jeder Videos produzieren, zur weltweiten Veröffentlichung reicht inzwischen ein Internetzugang.
Die Verbreitung von journalistischen Video-Inhalten ist damit nicht mehr
den Fernsehsendern vorbehalten. Website-Betreiber aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen bieten Bewegtbilder an: Unternehmen
präsentieren ihre Produkte oder schulen ihre Mitarbeiter per Video, NGOs
verdeutlichen ihre Ziele (Greenpeace TV), junge Bands stellen sich vor, Vereine zeigen Highlights ihrer Arbeit, Institutionen übertragen Konferenzen
und Vorträge etc. Auch die Politik präsentiert sich zunehmend in Bewegtbildern, vom Bundestags-TV über persönliche Ansprachen bis zum Wahlkampf
auf YouTube.
1.3 Online-Videos in der politischen Kommunikation
II.
21
Videoplattformen und Podcasts
Für die Bereitstellung von audiovisuellen Inhalten im Internet haben sich
verschiedene Modelle entwickelt. Die Übertragung von Videodaten über das
Netz wird als Web TV bezeichnet, die Datenübertragung erfolgt durch das
sogenannte „streaming“. Damit die Übertragung funktioniert, wird eine
Netzwerkverbindung zwischen Streamingserver und dem PC des Nutzers
aufgebaut. Der Vorgang der Datenübertragung besteht aus dem Empfangen
und gleichzeitig Wiedergeben der Videoinhalte.
Videoplattformen bieten ihren Nutzern kostenlos an, Videos allen Internetusern verfügbar zu machen. Sie stellen die dafür nötige technische Infrastruktur bereit. Um sich in riesigen Anzahl von Videoclips zurechtzufinden,
werden die Videos verschlagwortet und können so durchsucht werden. Zentral ist die Kommentarfunktion, Nutzer bewerten und kommentieren die Inhalte. Ein weiterer Vorteil: die Videos können in andere Websites
eingebunden und von diesen aus abgespielt werden.
Podcasts wiederum sind Serien von Medienbeiträgen (Audio oder Video)
im Netz. Abonniert man einen Podcast, prüft eine Software regelmäßig, ob
neue Beiträge vorliegen und lädt diese automatisch herunter. Der Nutzer
spielt die Dateien dann lokal auf dem Computer oder einem mobilen Endgerät wie dem iPod ab. Ein Podcast ist vergleichbar mit einer Sendung, die
immer neue Folgen anbietet.
III. Videonutzung im Netz
Das wichtigste Informationsmedium der Deutschen ist nach wie vor ist das
Fernsehen. Unter den jüngeren ist das Internet inzwischen jedoch auf Platz 2
vor Radio und Presse geklettert. Mehr als ein Drittel, 38,7%, der 14- bis 64Jährigen in Deutschland nutzt das Internet täglich (Allensbacher Computerund Technik-Analyse ACTA, 2007). Das sind 19,3 Mio. Bürger. Parallel
dazu ist die Zahl der Breitband-Anschlüsse an das Internet gestiegen, auf
17 Mio. bis Ende 2007. Damit lassen sich nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Bewegtbilder problemlos anschauen. Die Kosten für die Datenübertragung sinken stetig.
Die Übertragung von Videos über das Netz ist somit entscheidend komfortabler und günstiger geworden. 34% der Deutschen nutzt mittlerweile Videos im Internet, Tendenz steigend (Onlinestudie von ARD und ZDF, 2007).
22
Tatjana Brode
Vorreiter sind die Jüngeren: Unter den 14–18-Jährigen sind es 69%, also fast
dreimal so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt. In der Altersgruppe
40–49 Jahre sind es beispielsweise 24%.
Die Generation, die mit den digitalen Medien aufgewachsen ist, lebt anders mit dem Internet als die meisten Älteren. Das Durchschnittsalter der
Besucher von Video-Plattformen liegt laut ACTA bei 22 Jahren (zum Vergleich: Blogs – 25 Jahre, Nachschlagewerke – 30, Politik-Nachrichtensites –
40). Auch die Veröffentlichung eigener Videos scheint noch eine Domäne
der Jüngeren zu sein, hierbei liegt das Durchschnittsalter bei 18 Jahren.
IV.
Potenziale für die Politik
Obwohl bei der Nutzung von Online-Videos die Unterhaltung dominiert,
kann ihr Einsatz für die politische Willensbildung zumindest einer Teilöffentlichkeit sinnvoll sein. Prinzipiell eröffnet das Internet neue Möglichkeiten für die Politik. Es existiert ein direkter Kommunikationskanal zwischen
politischen Entscheidern und Bürgern – ohne die Filter der „Gatekeeper“ wie
in den klassischen Medien. Politische Inhalte werden im Netz derzeit erster
Linie in Form von Texten und Bildern dargestellt, inzwischen gewinnen aber
auch audiovisuelle Medien an Bedeutung. Videos gewähren vielen Bürger
einen leichteren Zugang zu einem Thema als Texte.
Politiker-Homepages, -Blogs oder -Podcasts erlauben darüber hinaus eine
stärkere Personalisierung der Entscheidungsträger. Prominentes Beispiel für
einen Politiker-Podcast ist der von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach
eigenen Aussagen war sie damit die erste unter den Regierungschefs. Seit
Juni 2006 veröffentlicht sie wöchentlich ein neues Video, in dem sie zu aktuellen Themen Stellung nimmt. 10.800 Euro kosten eine Folge laut Bundespresseamt, wöchentlich greifen rund 200.000 Nutzer darauf zu (Stand:
Oktober 2007). Vorteil für die Politiker ist, dass sie ihre Arbeit ungefiltert
vermitteln können. Hinzu kommen aber zwei wesentliche Bestandteile des
Web 2.0: Die Möglichkeit der Vernetzung und die der Partizipation der Bürger, beispielsweise in Form von Kommentaren.
Informationen über politische Entscheidungsprozesse können online zeitnah und in beliebiger Ausführlichkeit veröffentlicht werden, die Transparenz
selbst in „Nischenthemen“ steigt. Sitzungen oder öffentliche Auftritte lassen
sich technisch unkompliziert per Video ins Internet übertragen.
1.3 Online-Videos in der politischen Kommunikation
23
Die Bürger haben jederzeit – je nach Bedarf und Interesse – die Möglichkeit, auch von zu Hause an Stadtrats- oder Ausschusssitzungen teilzunehmen,
dies kann auch zeitversetzt erfolgen. Zumindest bei stark umstrittenen Themen in der Kommunalpolitik ist eine Videoübertragung ein positives Signal
an die Bürger und macht unterschiedliche Positionen nachvollziehbar.
V.
Die Nutzer als Produzenten
Informationen, Dokumentationen und Kommentare zum aktuellen Geschehen per Video werden im Netz nicht nur von offizieller Seite, sondern
gerade auch von den Nutzern selbst produziert. Sie eröffnen Möglichkeiten
der individuellen Meinungsäußerung und des Wissensaustausches. Die
Bandbreite der Themen ist dabei enorm, die Qualität der Beiträge heterogen.
Diese jedoch als bloßes „mediales Rauschen“ abzutun, würde bedeuten, weite Teile gesellschaftlicher Interessenslagen zu ignorieren. Gerade auf kommunaler Ebene, so zu sagen vor der eigenen Haustür, ist das Wissen der
Bürger groß. Das Internet schafft unzählige themenbezogene Kanäle, in denen sich Gleichgesinnte treffen.
Ein Beispiel: Die Website hartplatzhelden.de ist Deutschlands erste
Community-Plattform für Amateurfußballer. Kreisligisten können Videomitschnitte aus ihren Spielen veröffentlichen, gegenseitig bewerten, das „Tor
des Monats“ küren und miteinander in Kontakt treten. 2.000 Videos sind in
den eineinhalb Jahren seit dem Start im November 2006 hochgeladen worden. Was ist das Besondere? Steffen Wenzel, einer der Gründer von hartplatzhelden.de, erklärt: „Wir schaffen einen Raum für Selbstdarstellung unter
seinesgleichen. Menschen möchten im Internet ihr ‚normales‘ soziales Umfeld erweitern.“
Gerade im kommunalen Bereich sind die Themen oft für eine kleine Bevölkerungsgruppe hochgradig relevant, während sich andere nicht dafür interessieren. Das Internet ermöglicht, dass sich einzelne Gruppen eigene
Diskursräume schaffen. Bürgerinitiativen, Vereine, lokale Interessensgruppen können sich themenspezifisch miteinander vernetzen. Für die Kommunalpolitik ist es wichtig, diese Inhalte zu beobachten, um Interessenlagen
einzelner Bevölkerungsgruppen besser wahrzunehmen.
24
VI.
Tatjana Brode
Bürgerjournalismus zu politischen Themen
Eine Stimme, die sich im Netz zu politischen Themen äußert, kommt aus
Berlin und gehört Markus Beckedahl, der das Blog netzpolitik.org betreibt.
Seine Themen sind Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter. Seit 2006
experimentiert er mit dem Video-Podcast Netzpolitik TV, in dem er Interviews und Dokumentationen veröffentlicht. Manche von ihm produzierte
Folgen sind 10.000 Mal abgerufen worden, andere ca. 500 Mal.
„Es hat schon Charme, wenn man seinen eigenen Fernsehkanal hat“, sagt
Beckedahl. Generell kommt es ihm darauf an, einen tieferen Einblick in Politikfelder zu geben. „Wir geben Experten die Möglichkeit, ausführlicher zu
argumentieren als in den klassischen 15 Sekunden. Und damit sind die Podcasts auch ein wenig Weiterbildung für die Nutzer.“ Er ist aber auch realistisch, was die User seines Blogs betrifft: „Man nicht zu viele Erwartungen in
neue Kommunikationsformen legen. Es gibt Teile der Gesellschaft, die sich
auch weiterhin nicht für Politik interessieren werden.“
Für die Interessierten aber sind Angebote wie Netzpolitik TV durchaus
hilfreich in der Debatte und Bewertung politischer Prozesse. Bürgermedien
sind nicht mehr nur das Knusperwerk auf dem Kuchen der öffentlichen Meinungsbildung, sondern ein wichtiger Bestandteil neben den klassischen Massenmedien. Für Politiker sind sie zunehmend eine interessante Plattform, um
Bürger an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen.
1.4 Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover
1.4
25
Interview zu Online-Videos im Einsatz:
Das Beispiel Hannover
Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil wendet sich in regelmäßigen Abständen per Video an die Einwohnerschaft der niedersächsischen Landeshauptstadt und diskutiert in monatlichen Fernsehsendungen über Stadtpolitik. Seit September 2007 sind seine Podcasts im Netz, seit Anfang 2008 wird das TV-Format „Wir reden über
Hannover“ ausgestrahlt. Rund 140.000 Besuche verzeichnete allein
die eigens dafür eingerichtete Website in acht Monaten. Eine Erfolgsgeschichte?
Frage: Herr Oberbürgermeister Weil, warum haben Sie sich für einen Video-Podcast entschieden?
Weil: Mit dem Podcast möchte ich die Einwohner besser erreichen. Das
Interesse an Politik allgemein ist in den vergangenen Jahren gesunken. Beispielsweise geht die Wahlbeteiligung dramatisch zurück, ich registriere eine
gewisse Politikmüdigkeit. Da ist es umso wichtiger, neue Wege zu gehen.
Dieser Baustein in meiner Kommunikationsstrategie richtet sich auch insbesondere an Menschen, die nicht mehr regelmäßig Zeitung lesen, sondern die
sich über das Internet informieren. Hinzu kommt, dass audiovisuelle Angebote an Bedeutung gewinnen, neben dem Fernsehen schauen viele, insbesondere in den jüngeren Generationen, inzwischen Videos online.
Frage: Und wie kommt das Angebot bei den Nutzern an?
Weil: Die Nutzerzahlen steigen stetig, der Bekanntheitsgrad wächst. Immerhin muss sich ein solches Angebot erst etablieren, es ist ja durchaus nicht
selbstverständlich, dass ein Bürgermeister einen Podcast anbietet.
Dazu kommt, dass wir uns bewusst den Jugendlichen nicht anbiedern, sondern authentisch bleiben wollen. Daher sind wir bisher nicht dahin gegangen,
wo der „Hype“ ist, wo sich die jungen Leute tummeln. Zum Beispiel YouTube: Wir prüfen noch, ob dort nicht auch das richtige Umfeld für unser Angebot sein könnte.
26
Interview
Frage: Gibt es Reaktionen von den Bürgern?
Weil: Ja, wir bekommen häufig Nachfragen zu den einzelnen Folgen. Viele per Mail, manche per Telefon und mitunter auch welche per Post.
Frage: Können Sie uns bitte etwas über die Produktionskosten verraten?
Weil: Wir produzieren die Podcasts inhouse, daher sind die Kosten nicht
hoch. Wir haben vor sechs Jahren eine kleine Videokamera angeschafft, die
wir dafür nutzen. Ein Mitarbeiter kennt sich glücklicherweise ausgezeichnet
mit Schnittsoftware und Technik aus, der produziert die Videos. Sogar die
Musik und das Videomaterial für den recht ansprechenden Vorspann wurden
im Rathaus komponiert bzw. produziert. Es ist wichtig, dass sich jemand in
die Materie einarbeitet, damit das Ergebnis stimmt. Man braucht jedenfalls
keine großen Agenturen, bei denen eine Folge vielleicht Tausende Euro kostet.
Frage: Für welche Themen eignet sich das Format Ihrer Erfahrung nach
besonders?
Weil: Erfolgreich sind lokale Themen, die direkt das tägliche Leben der
Bürger betreffen. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: das Rauchverbot, die
Einführung der Umweltzone oder das – zumindest in Teilen der Bevölkerung
umstrittene – Vorhaben der Firma Boehringer-Ingelheim, in Hannover ein
Europäisches Tierimpfstoffzentrum zu errichten. Wenn ein Thema den Menschen unter den Nägeln brennt, wird es natürlich auch von den Medien aufgegriffen. Dann merken wir sofort an den Zugriffszahlen, dass das Interesse
am Podcast steigt.
Frage: Was sind Ihre weiteren Pläne, wie wird sich das Angebot entwickeln?
Weil: Wir arbeiten derzeit an einer Verbesserung des Formats: Bisher
werden die Videos beinahe ausschließlich an meinem Schreibtisch aufgenommen; in Zukunft werden wir mit Hilfe neuester „Bluescreen-Technik“ im
Hintergrund Bilder, Filme oder Informationstafeln passend zum jeweiligen
Thema einblenden, um so den Inhalt visuell überzeugend aufzuwerten – ähnlich wie bei Reportagesendungen im Fernsehen.
Frage: Kommen dann auch die Bürger zu Wort?
Weil: Die Podcasts aus dem Rathaus sind ein Kommunikationsangebot
des Oberbürgermeisters. Darüber hinaus bieten wir im Zusammenarbeit mit
1.4 Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover
27
dem örtlichen Fernsehsender h1 ein monatliches Format mit dem Titel „Wir
reden über Hannover“ an, bei dem ich mich im Rahmen von jeweils einstündigen Themensendungen den Fragen von zwei Journalisten stelle; währen der
Sendung können Einwohner direkt anrufen oder sich mit Fragen, Kritik und
Anregungen per Fax oder Mail zur Wort melden. In einer weiteren Sendereihe diskutiere ich mit Experten.
Frage: Wo sehen Sie künftige Handlungsfelder im Bereich Web 2.0?
Weil: Zunächst müssten wir uns auf eine Begriffsdefinition einigen, denn
aus meiner Sicht ist der Begriff „Web 2.0“ nur ein Jargonausdruck zu Zwecken des Marketings – niemand weiß wirklich, was er bedeutet. Generell
sehe ich in den kommenden Jahren für alle Altersgruppen eine ungebremste
Zunahme der Bedeutung des Mediums Internet und dessen universelle Möglichkeiten. Daher wird es für die kommunalen Verwaltungen wichtig sein,
ihre Kommunikationswege und Dienstleistungen konsequent auf dieses Medium auszurichten, ohne dabei die hergebrachten Wege zu vernachlässigen.
Die Stadt Hannover nimmt hier bundesweit eine Vorreiterrolle ein, da sie mit
ihrem modernen Informations- und Kommunikationsangebot schon jetzt
sogenannte Web-2.0-Anwendungen anbietet.
Das Interview führte Frau Tatjana Brode.
28
Reinhild Haacker
1.5
Journalismus 2.0: Erfahrungen
beim Aufbau eines lokalen Internetmagazins
Reinhild Haacker
Welche Chancen bietet das Internet für neue Formen der Bürgerbeteiligung? In einem Dorf bei Hamburg entstand 2007 ein lokales Internetprojekt – unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen. Ergebnis: Das Internet eröffnet die Kommunikationsebene für eine neue Bürgergeneration. Ohne engagierte
Menschen, die als lokale „Web-Alphatiere“ Kontinuität und Vielfalt
garantieren, geht es aber nicht.
I.
Wo das Netz zum Greifen nahe ist
Ein Wort vorab: Vom Begriff „Web 2.0“ – so treffend er sein mag – soll auf
den nächsten Seiten nicht die Rede sein. Xing, Flickr, StudiVZ: was für eine
bestimmte Gruppe von Menschen inzwischen wie selbstverständlich zum
Aufrechterhalten des Soziallebens gehört, klingt für viele User des im Folgenden beschriebenen Projekts eher nach Schokoriegeln oder chinesischen
Kartenspielen.
Die lokale Welt, in der im Jahr 2007 „Wir in Wentorf“ entstand, ist von
virtuellen Lebensformen weit entfernt. Hier, kurz hinter der Stadtgrenze
Hamburgs, gibt es die wahre Welt. Fast wöchentlich werden die Probleme
des 11.600-Seelen-Ortes nicht beim Chat, nicht im Forum, sondern höchstpersönlich im zweiten und zugleich obersten Stockwerk des Rathauses diskutiert. Sollte der lokale Sportverein Gesundheitskurse anbieten? Sollte auf dem
Marktplatz ein Cafe gebaut werden? Sollten man die Standorte für Papierund Glascontainer überdenken? Darüber wird gestritten – persönlich, in Ausschüssen, Fraktionssitzungen oder während des Smalltalks auf der Straße. Im
Schriftverkehr zwischen Bürger, Parteien und Verwaltung regiert das Papier,
im kommunalen Entscheidungsprozess stemmt sich ein starres Verfahrensschema gegen die inzwischen bereits gängige Kommunikation per E-Mail.
1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 29
II.
Lücken im lokalen Netz
Wentorf ist zugleich ein Beispiel dafür, dass das Internet sich in kommunalen
Bereichen mit Eigendynamik schwer tut. Während man mit wenigen Klicks
die wichtigsten Probleme der Bundespolitik zu googlen vermag, ist es im
lokalen Bereich zuweilen schwierig, über das Internet ein aktuelles Bild über
lokalpolitische Themen zu erhalten. Diese Lücke wollte „Wir in Wentorf“
schließen. Es handelte sich um eine private Initiative der Autorin, die in dieser Zeit unter anderem als freie Journalistin für Spiegel Online im Einsatz
war.
Die Theorie: Was bundesweit erfolgreich ist, kann auch auf lokaler Ebene
funktionieren – und sollte langfristig durch Werbung Geld einbringen. Nur
die erste Hälfte der Theorie erfüllte sich tatsächlich. Aktuell ruht die Seite
auf Grund anderer beruflicher Verpflichtungen der Initiatorin. Denn während
die Information durch das Internet ein hohes Maß an Resonanz hervorrief –
eine wirtschaftliche Tragfähigkeit ergab sich zunächst daraus nicht. Der folgende Text beschäftigt sich allerdings unabhängig von der Finanzierung mit
den Fragestellungen:
• Was kann ein lokales Internetmagazin bieten?
• Wie werden User zu Machern?
• Wie wird Qualität und Akzeptanz gewährleistet?
III. Das Projekt „Wir in Wentorf“
Drei Grundsätze wurden als inhaltliche Ziele des im März 2007 gestarteten
Internetmagazins „Wir in Wentorf“ formuliert:
1. Aktuelle Information
2. Service
3. Interaktion
Aktuelle Nachrichten dominieren die Startseite von „Wir in Wentorf“. Eine
übersichtliche Navigation, einheitliche Farbgebung und eine nicht zu komplexe Seitengestaltung sollen dem Leser einen Überblick über aktuelle Themen liefern.
Aktuelles aus Polizei, Wirtschaft und Politik, Termine, Flohmarkt – etwa
dreimal wöchentlich wurde die Startseite von „Wir in Wentorf“ aktualisiert,
auch einen Newsletter gab es. Das Angebot erfreute sich wachsender Beliebtheit: Während sich in den ersten Wochen nur wenige Nutzer auf den
30
Reinhild Haacker
Seiten verliefen, steigerte sich die Nachfrage binnen drei Monaten auf rund
3.700 Besucher und 8.600 Seitenanfragen monatlich. Lächerlich klein war
die Ausbeute im Verhältnis zu manch anderer Nachrichtenseite – wenn man
allerdings bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt nur die rund die Hälfte des
Ortes an das DSL-Netz angeschlossen war, erstaunte jedoch die Zahl der
unterschiedlichen IP-Adressen, von denen aus die Seiten aufgerufen wurden.
Im Monat wurde die Seite von bis zu 2.000 Rechnern aufgerufen. Auch im
Ausland nutzen offensichtlich ehemalige oder urlaubende Wentorfer die
Nachrichten-Seite für Informationen aus der Heimat. „Wir in Wentorf“ wurde in den vergangenen Monaten sogar aus Thailand, Kanada, USA, Türkei
und Großbritannien geklickt. Der am weitesten entfernte Besucher kam aus
Chile.
IV.
Lokale Berichterstattung und Aktualität
Was löste den Feuerwehr-Großalarm im Ortszentrum aus? Wie kam die Aufführung des gestrigen Theaterstücks an? Gelingt der Weltrekord des Friseurs
im Dauer-Haarschneiden? User von „Wir in Wentorf“ oftmals weitaus früher
über lokale Geschehnisse informiert, als die Leser der heimischen Lokalzeitung, die einmal wöchentlich eine Seite über den Ort zusammenstellte. Entscheidungen aus dem Rathaus landeten zumeist am nächsten Tag bei „Wir in
Wentorf“, ebenso bilderreiche Berichte von Veranstaltungen.
Dank der reichhaltigen Arbeit der Pressesprecher von Polizei, Parteien,
Sportvereinen und organisierten Gruppen bestand die Arbeit im Wesentlichen aus der journalistischen Aufbereitung von Fremdmaterial. Viele Texte
und Bilder landeten täglich in der Mailbox von „Wir in Wentorf“, sodass
eine Verarbeitung von Themen zügig erfolgen konnte. Beispiele sind:
• Zwei Plattfüße, zwei Promille – da war der Führerschein weg. Polizei
stoppt betrunkenen Autofahrer in Wentorf (http://www.wir-in-wentorf.de/news/0704betrunkener.htm)
• Trotz Schwächeanfalls und zerschnittener Finger: Nico hat’s geschafft.
300 Frisuren in 24 Stunden: Nico Petrillo brach eigenen Weltrekord
(http://www.wir-in-wentorf.de/news/070613nico2.htm)
• Drei Brände und ein Baum halten Feuerwehr in Atem. Vier Einsätze am
Sonntag/Feuer in Kellerraum am Wischhoff (http://www.wir-in-wentorf.de/news/0704braende.htm)
1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 31
•
V.
Baustellen-Chaos: Dreiste Autofahrer fahren über Gehweg. Viele Einbahnstraßen-Sünder
–
Verstärkte
Kontrollen
angekündigt
(http://www.wir-in-wentorf.de/news/070712wentorfer.htm)
Service
Das tägliche Wetter, Veranstaltungskalender, Ausflugstipps, TagesmutterAdressen, Links – Der Service-Aspekt ist bei „Wir in Wentorf“ ein wesentlicher Faktor. Informationen über die Gemeinde und Aktivitäten von Senioren
machten für viele User das Internet für die tägliche Information greifbar.
VI.
Interaktivität und politische Mitbestimmung
Der Blick auf diverse Foren im Internet verleitet zu dem Eindruck, des Bürgers innigstes Bedürfnis sei die permanente Einflussnahme auf das Weltgeschehen, indem er der Nachwelt seine Meinung kundtut. Ein Blick auf
Wikipedia zeigt auch, dass Menschen offensichtlich ehrgeizig genug sind, ihr
Wissen über berühmte Persönlichkeiten, geschichtliche Ereignisse oder technische Zusammenhänge weiter zu geben. Das Schreiben von Beiträgen über
Probleme „vor der Haustür“ ist damit jedoch nicht vergleichbar. Die Resonanz auf den Aufruf, Beiträge für „Wir in Wentorf“ zu schreiben, lag bei
knapp über Null.
Dass den Aufrufen zum Schreiben eines Beitrags so gut wie niemand
folgte, könnte am zu greifbaren Umfeld liegen: Dort, wo der User nicht nur
ein anonymer Spitzname wie „Hans58“ oder „Der-zu-spät-Geborene“ ist,
sondern ein Nachbar, Vereinskollege und Vorgartenbesitzer mit E-MailAdresse, fühlt er sich im ausschließlich passiven Medienkonsum auf der
sicheren Seite.
Allerdings entwickelte sich bei „Wir in Wentorf“ über die Monate ein
Phänomen, das durchaus als neue Form der Interaktion verstanden werden
kann. Die Seite wurde für viele Bürger zum verlängerten E-Mail-Briefkasten
der Gemeindeverwaltung. Kinderunfreundliche Verkehrsknotenpunkte, Fehlende Mülleimer für Hundekotbeutel oder gefühlte Ungerechtigkeiten beim
Umgang mit Behörden: Mancher, der sich von Problemen betroffen fühlte,
bat „Wir in Wentorf“ um Hilfe. Viele Themen erledigten sich mit dem Verweis auf die E-Mail-Adresse des Bürgermeisters – oder landeten als Aufmacherthema bei „Wir in Wentorf“.
32
Reinhild Haacker
Bei den wenigen Ausnahmen, die für die Allgemeinheit interessante Beiträge für „Wir in Wentorf“ beisteuerten, handelt es sich um einen bestimmten
Typus von Menschen: Männer und Frauen unterschiedlicher Altersgruppen,
die im Schreiben von Texten eine Bestätigung finden und die darin eine
hochwertige Plattform zum sinnvollen Einsatz der seltenen Ressource Zeit
sahen. Beispiele sind:
• Krach um VHS-Kurse – Funkstille zwischen Reinbek und Wentorf. Gesundheitsangebote und Zuschüsse für Volkshochschule in der Diskussion
(http://www.wir-in-wentorf.de/news/070621vhs.htm)
• Beutel sollen Tretminen-Problem lösen. Finanzausschuss diskutiert über
Ausgabe von Hundekotbeuteln (http://www.wir-in-wentorf.de/news/
071004hundekot.htm)
• Künstler ziehen Bilanz: Nächste Kulturwoche im Gespräch. Viele Höhepunkte, viele Besucher, viel Begeisterung (http://www.wir-in-wentorf.de/
archiv/news/070508kulturwoche.htm)
• Null Bock auf Mitbestimmung? Keiner kam zur Anhörung für Jugendliche. Junge Leute sollen zur Casinopark-Bebauung mitreden/Aufforderung kam nicht an (http://www.wir-in-wentorf.de/news/070629mitbestimmung.htm)
VII. Der User erzieht sein Netz
Anders als bei einer Tageszeitung, in der die scheinbar einzige Einflussnahme auf die redaktionellen Inhalte im Abbestellen eines Abonnements oder im
Schreiben eines Leserbriefes liegt, sind Online-User ihren Machern so nah
wie bei keinem anderen Medium. Sie sind ein Teil des Mediums, Dies bekommen die Redakteure von Onlinemagazinen tagtäglich zu spüren: Rechtschreibfehler, inhaltliche Ungenauigkeiten oder mögliche Einseitigkeit eines
Textes – schonungslos gehen Millionen von Lesern täglich als Wächter der
Qualität im Internet ans Werk und sorgen für eine permanente Optimierung.
Anders als beim schwarz auf weiß gedruckten, unveränderbaren Wort einer Zeitung liegt eine große Chance: Der Leser gewinnt ein Vertrauen zu
einem Medium, in das er permanent eingreifen kann. Die so entstehende
„Schwarmintelligenz“ ist zwar kein nachprüfbarer Garant für Qualität, sie
bietet aber allemal eine subjektiv höhere Qualität, die beim Blick auf einige
Zeitungen am Markt nicht in diesem Maße gewährleistet ist.
1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 33
Wie tief das Misstrauen des Lesers in Richtung in Richtung unabhängiger
Berichterstattung sitzt, zeigt übrigens die anfängliche Skepsis gegenüber
„Wir in Wentorf“. „Wer steckt dahinter?“, lautete die häufigste Frage von
Usern, die parteipolitische Vereinnahmung oder einen hinterhältigen Werbezweck witterten.
VIII. Gesucht: Lokale „Web-Alphatiere“
Das Internet ist das Medium der Zukunft – auch auf kommunaler Ebene. Das
große Interesse der Leser an „Wir in Wentorf“ zeigt dies, wenngleich es eine
Reihe von Hemmnissen gibt, die eine flächendeckende Verbreitung von lokalen Internetprojekten behindern. Lokale Zeitungsverlage üben Druck auf ihre
Anzeigenkunden aus, wenn es um die Verteilung von Werbebudgets geht.
Wirtschaftlich tragfähige, tagesaktuelle und unabhängige Lokalmagazine, die
zugleich auf lokale Werbekunden setzen, gibt es nur wenige. Für gängige
Web-Werbeformen sind die Klick-Umsatzzahlen gerade bei kleineren Gemeinden zu gering.
Um in einer Gemeinde ein vielfältiges, lokales Internet-Angebot aufrecht
zu erhalten, reicht es nicht, Menschen zum Schreiben von Beiträgen a la Wikipedia aufzurufen. Gefragt sind Menschen, für die es selbstverständlich ist,
dass kommunalpolitische Themen per Blog der Allgemeinheit zur Verfügung
gestellt werden und die per Diskussionsforum im Netz eine öffentliche Meinungsbildung zu lokalen Themen fördern. Nur solche „Web-Alphatiere“
können langfristig eine neue Form von Demokratie entwickeln, die dann
auch die erreicht, die sich derzeit nicht aktiv um kommunalpolitisches Wissen bemühen. Noch treten die Vorreiter lokaler Netizens eher selten in Erscheinung. Zurzeit sind diese Personen in erster Linie politisch aktiv. In der
Zukunft könnten aber die logische Folge von Flickr, Xing, und StudiVZ sein,
wenn die zurzeit noch junge Teilnehmerschar sozialer Netzwerke mit den
Schulproblemen der eigenen Kinder oder einer geplanten Schnellstraße vor
dem heimischen Vorgarten konfrontiert werden.
Im optimalen Fall sind solche „Alphatiere“ in einem Bürgerportal qualifizierte Journalisten, die die Bürger als Moderator durch die Berichterstattung
zur öffentlichen, Diskussion ermuntern oder eben einfach nur objektiv informieren.
34
1.6
David Weinberger
Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0?
Where does the trip go?
David Weinberger
It’s helpful every now and then to remember that “Web 2.0” started as a bit
of a joke. The American publisher, Tim O’Reilly was sitting around with
some friends, talking about how much the Web had changed over the past
few years. In a moment of lightness, someone suggested that it was as if the
Web were a software product that had gone to a new release level. For the
public sector, there’s an important truth in the term “Web 2.0”, but its jokiness can also mislead us.
The truth of “Web 2.0” is that the Internet is about us, manifested in
wikis, blogs, social networks, and the rest of what gives us voice. But we are
misled if we think that the act of giving the Web a discrete number “2.0” is
anything more than a joke. O’Reilly was right to point out that that things
had really changed since the Web first was invented. The Web had become
more interactive. But many take the “2.0” too literally, acting as if Web 1.0
was only about corporate and media sites. In fact, from the first moment that
Tim Berners-Lee hyperlinked two pages together, the Web has been about
users connecting to one another and being creative together. What has driven
the Web from the beginning has been the enthusiasm of users getting to talk
to the world and to one another. It’s gotten easier over time for users to do so,
but it is simply a misreading of history to cede Web 1.0 to commercial interests. Users built and shaped the Web from its outset.
This would just be an argument over history, except that we keep making
the same mistake. Right in the middle of “Web 1.0”, around 2000, the media
fairly consistently reported on the Web as if it were mainly a new business
opportunity. This did not square with the everyday experience of the millions
of people on the Web. We weren’t there primarily to have a better shopping
experience. We were there to talk in our own voices about what mattered to
us, and to connect with others. The fact that we keep forgetting that the Web
is not merely a new place to conduct business, a new way to deliver entertainment, or a new way to run a government indicates that something more is
going on. Our traditional institutions seem to need to keep telling themselves
over and over that nothing much has changed. They want to believe that they
1.6 Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go?
35
are the ones who make the Web important, and what we the users do is
merely cute, amateurish, and trivial.
But that gets it backwards. What we users and citizens are doing together
on the Web is exactly what makes it important and even transformative. Governments and businesses are ultimately going to have to learn from what we
do for ourselves rather than insisting that we need the heavy hand of the traditional institutions to guide us.
So, what is it that users do on the Web that is so transformative? Individual sites and acts may be trivial, but their breadth and creativity indicate the
depth of the change. The Web isn’t a software product, designed for some
purpose. So, we can’t meaningfully fill in the phrase “The Web is for ____”
like the way we can say that a word processor is for writing and a home finance package is for paying bills. The Web is more like a second world, one
that touches the first world at every turn, in which we get to do everything
that world allows. It’s limited to what we can do with bits, of course, just as
the real world is limited to what can be done with atoms. But that leaves open
a field for innovation as broad as any in our history.
The first practical consequence of this for municipalities is the importance
of lurking. The word “lurk” in English has a connotation of voyeurism and
spying from the shadows, but when applied to the Internet, it means simply
to watch carefully for a good long time before acting. Ultimately, it means to
be open to learning. And it implies that you are watching a culture sufficiently different that it’s best to observe before making judgments. Lurking is
crucial.
But it would be naive to insist that because the Web is a world of open
possibility, nothing at all can be said about it. The Web is essentially hyperlinked and permission-free, and that does give rise – not inevitably – to a
particular ethos. For example, because anyone can post anything, usually
quite easily, we tend to post more, rather than less, faster rather than after
careful reflection, in public rather than behind locked doors. Because the
Web is hyperlinked, we are as interested in connections as in content. We
express ourselves by what we link to. Because we can always link to a page
and offer commentary, the value moves off of individual pages and towards
the nexus of links. And because anyone can hyperlink to anything – using
both the Web’s openness and its hyperlinked structure – it’s all a big mess.
The messiness of the Web is perhaps its oddest facet, especially when
looked at from a government’s point of view. Governments are orderly, and
their orderliness flows from the top. The Web doesn’t have a top. It resists
36
David Weinberger
tops. It makes fun of tops. It is a chaos of connections. It is as messy as a
democracy of engaged and argumentative citizens. That conflict of topologies – the orderly, top-down hierarchy meeting the messy upswell from beneath – will determine the shape of government going forward.
We don’t know what that shape will be because we haven’t finished inventing yet, and because this is a political struggle the outcome of which is
essentially unknowable. But, if the Web continues to be important, its two
chief characteristics – its openness and hyperlinked nature – will be at the
heart of what emerges.
Let us assume, then, that as municipalities wrestle with how to use the
Web to serve their citizens, those municipalities will honor, respect and preserve the openness and connectedness that are at the heart of the Web. After
all, those Web values are also essential values in a democracy. So, how can
municipal governments manifest those values on and through the Web?
For example, to serve openness, a municipality should make sure that its
citizens have access to the Internet, just as they have access to electricity.
That access should be ubiquitous, not only because it’s convenient to be able
to get your email while in a public park, but because unequal access perpetuates economic and class divides.
Openness also implies access to information. Municipalities should make
sure that all public documents are available online. In fact, as the cost of recording is dropping quickly, why not put every meeting up on the Web,
where anyone can see it?
Openness also requires that public information be available in open, public formats. This material is too important to be left in proprietary data formats that can be rendered unreadable by a private company’s bankruptcy ...
or its decision to move its product to its next revision level. Likewise, “This
page best viewed with Internet Explorer” should never show up on a government Web page.
The hyperlinked, connected nature of the Web also brings about certain
expectations of municipalities. We want not just to receive bundles of information electronically. We want to connect to it, to enhance it, to share it, to
make it our own. Making information available in standard formats enables
us to “mash it up”, incorporating it into our own projects, and perhaps surfacing unexpected relationships.
More important, the connected nature of the Web enables us to connect to
one another, forming groups “ridiculously easily”, as Clay Shirky puts it.
Where communications from the government traditionally have been one-to-
1.6 Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go?
37
many, increasingly we citizens will be hyperlinking ourselves into quick
committees and discussion groups. Municipal governments should therefore
assume that what they’re telling us will not stay with any one individual
reader but will be the topic of conversation for a group of us who will talk it
over and perhaps act on it. One-to-many becomes one-to-many-groups.
But the connectedness of the Web means that we don’t just want to get
carefully crafted messages from our government. The Web’s connections are
direct and personal, from my desktop to yours. We want our government
officials to engage with us directly and personally. It may be through blogs or
emails or any of the other new forms of rhetoric we’re inventing, but the
Web’s connectedness means that we want to hear people talk in their own
voice, and enter in conversation with us.
The Web’s openness and connectedness do not exhaust all of the Web’s
characteristics, of course. The Web also enables efficiencies, such as letting
citizens fill out forms on line rather than by queueing at city offices. And
some tasks that are difficult for small groups of officials to do are quite easy
if distributed across the willing populace. For example, citizens can report
burned out bulbs on street lamps via the Web through their mobiles. Then
there are wikis, user-based news aggregators such as Digg, micro-blogging
services such as Twitter, and whatever will be invented tomorrow, any of
which might turn out to be tools useful to municipal governments.
But that’s the point. Because the Web is open, we can’t predict what will
be invented. Because it’s connected, inventions can have enormous social
effects. Because it’s open and connected, it is highly likely that the most
important innovations in municipal governments’ use of the Web will come
from the Web, not from municipal governments.
Which is simply to say that perhaps the most misleading aspect of Web
2.0 is the implication that the Web is developed in some orderly fashion that
leads from version 1 to version 2 to version 3. The Web’s creativity is too
chaotic for that. It moves ahead with millions of small steps. There’s just no
telling what we will come up with, but whatever we do will be “ours”, as
surely as our government and our democracy is intended to be.
38
David Weinberger
2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie?
2.
Web 2.0 in der Politik —
Grenzen und Chancen
2.1
Blogs — Motoren für die Demokratie?
39
Sarah Genner
Blogs eignen sich als schnelle, billige Publikations- und Austauschpattform für alle politischen Akteure: Bürger, Politiker, politisch aktive Gruppen und Behörden. Die besonders dynamischen Websites vermögen
jedoch
als
„Nischenöffentlichkeiten“
überwiegend
internetaffine und ohnehin politisch aktive Bevölkerungsgruppen zu
erreichen. Blogs sind weder tauglich für Massenkommunikation noch
als Heilmittel gegen Politikverdrossenheit.
I.
Zwischen Euphorie und Entsetzen
Blogs sind dynamische und leicht handhabbare Websites, deren Popularität
seit Ende der 1990er Jahre exponentiell zugenommen hat. Sie verkörpern die
Web-Generation 2.0. Blogs werden immer wieder als demokratische Heilsbringer gefeiert. Verkörpern sie auch eine Politik-Generation 2.0?
Tatsächlich ermöglicht die vereinfachte Technik, Texte und Bilder sehr
schnell und kostengünstig im Internet zu publizieren. Ähnlich wie zu Anfangszeiten des Internets weckt dies große Hoffnungen auf mehr demokratische Partizipation, auf mehr Transparenz und auf Möglichkeiten, die
Pressezensur zu umgehen, die in manchen Staaten existiert.
Immer wieder mahnen jedoch Skeptiker, mit dem Internet vergrößerten
sich bereits bestehende gesellschaftliche Spaltungen. Die sozialen Ungleichheiten im Zugang zur Öffentlichkeit verstärken sich aus dieser Sicht sogar.
„Digitale Kluft“ ist das Schlagwort der technikkritischen Beobachter.
Sowohl Euphorie wie auch Entsetzen sind in Bezug auf Blogs fehl am
Platz. Ein Blick in die Mediengeschichte zeigt, dass die Einführung jedes
neuen Mediums von Ängsten und Hoffnungen begleitet wurde, die aus späterer Sicht übertrieben wirken. Die breite politische Öffentlichkeit verändert
40
Sarah Genner
sich durch Blogs insgesamt wenig: weder eine „demokratische Revolution“
noch der „Untergang der Demokratie“ ist zu erwarten.
II.
Keine Mobilisierung, eher verstärkte Ungleichheiten
Vier Thesen sind im Zusammenhang mit Internet und Demokratie besonders
beliebt. Nur die Verstärkungsthese hält jedoch einer genaueren Überprüfung
stand.
Die Mobilisierungsthese
Die optimistische Mobilisierungsthese geht davon aus, dass sich durch die
„demokratischen Potenziale“ von Blogs und des „Mitmachnetzes“ tatsächlich
mehr Bürger politisch mobilisieren lassen. Blogs sind aus dieser Sicht „Motoren der Demokratie“. Diese Annahme wurde bereits in mehreren Studien
widerlegt (z.B. Paetzolt 2006). Vielmehr lässt sich feststellen: Das Internet
steigert nicht das Interesse an politischer Partizipation, aber politische Partizipation steigert das Interesse am Internet.
Die Verstärkungsthese
Die kritische Verstärkungsthese besagt, dass das Internet soziale Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang zum breiten öffentlichen Diskurs eher noch
verstärkt. Politische Blogger sind überdurchschnittlich gut gebildete, politisch aktive Männer (Drezner/Farell 2004). Eine Untersuchung von BlogNennungen in Schweizer Printmedien zeigte deutlich, dass Blogs im Zusammenspiel mit Massenmedien nicht in erster Linie eine „Gegenöffentlichkeit“ für in Mainstreammedien unterrepräsentierte Bevölkerungsanteile
bieten. Blogs verschaffen sogar eher jenen zusätzliche Aufmerksamkeit, die
bereits vor dem Internet eine privilegierte Stimme im öffentlichen Diskurs
hatten: Blogs von Journalisten, Politikern und Parteien erhalten deutlich mehr
Aufmerksamkeit als solche von Privatpersonen (Genner 2007). Die Verstärkungsthese konnte durch die Erhebung deutlich bestätigt werden.
Die Verdrängungsthese
Die Verdrängungsthese verweist darauf, dass traditionelle Medien durch
neue Medien gleichsam ersetzt werden. Das bereits vor vielen Jahrzehnten
formulierte „Rieplsche Gesetz“ – Neue Medien verdrängen die alten nicht. –
scheint sich jedoch auch in Bezug auf Blogs zu bewähren. In der Wissenschaft ist man sich einig, dass eine Gegenüberstellung von politischer Be-
2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie?
41
richterstattung in Blogs und klassischem Journalismus kaum sinnvoll ist
(Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007; Schmidt 2006). Viele Blogs sind
inzwischen in Online-Portale klassischer Printmedien eingebunden und werden von professionellen Medienschaffenden geführt. Blogs und klassische
Medien stellen eher komplementäre als konkurrierende Informationsangebote
dar.
Die Framentierungsthese
Anhänger der Fragmentierungsthese befürchten, dass durch eine Explosion
der Informationskanäle die politische Öffentlichkeit zersplittert. Dadurch
würde die Bedeutung der öffentlichen Debatte in Massenmedien abnehmen
und die Basis für demokratische Entscheidungsfindung schwinden. Damit
würden sich Blogs als „Bremsen der Demokratie“ entpuppen. Dafür lassen
sich jedoch kaum Hinweise finden. Zwar existieren Millionen von Blogs, die
meisten aber finden weder große Beachtung noch sind sie politisch relevant.
Obwohl die Zahl der Blog-Leser steigt (gemäß der ARD/ZDF-Online-Studie
für Deutschland waren es 2007 rund 11% der Internetuser), entfalten Inhalte
aus dem Internet in der Regel erst dann eine Breitenwirkung, wenn sie von
Mainstream-Medien aufgegriffen werden. Fernsehen, Zeitungen und Radio
werden als Quellen politischer Information mit deutlichem Abstand weit
häufiger genutzt als das Internet. Die gesellschaftlichen Selektions- und Orientierungsfunktionen der Massenmedien haben in keiner Weise ausgedient.
Sie sind in der zusätzlichen Informationsflut sogar eher noch wichtiger geworden. Weit häufiger als auf andere Blogs nehmen zudem viele Blogs auf
Online-Artikel von Mainstream-Medien Bezug, die sie kommentieren. Eine
Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Blogs ist somit kaum zu erwarten.
III. Politische Wirkungen von Blogs
USA mit Vorreiterrolle
Diskussionen um demokratische Potenziale von Blogs entstanden zunächst in
den USA. Beispiele sind die „Warblogs“, die nach 9/11 aus erster Hand berichteten oder der von Bloggern erzwungene Rücktritt des US-Senators Trent
Lott, der wiederholt rassistische Aussagen gemacht hatte. Zwei USJournalisten verloren ihren Job aufgrund falscher Behauptungen, die von
Blog-Netzwerken aufgedeckt worden waren. Ein Präsidentschaftskandidat
vermochte 2004 über sein Blog Wahlspenden in Millionenhöhe zu sammeln.
42
Sarah Genner
Blogs fordern Pressezensur heraus
In diversen Fällen fanden brisante politische Informationen über Blogs an der
staatlichen Medienzensur vorbei Eingang in westliche Mainstreammedien, so
zum Beispiel in Iran, Ägypten und China. Regelmäßig finden jedoch in diesen Ländern Verhaftungen von „Cyberdissidenten“ statt, die regierungskritisches Material in Blogs veröffentlicht haben. Anonyme irakische Blogs
berichteten aus dem Irakkrieg unabhängiger als die amerikanischen „embedded journalists“.
Blogs überwachen Massenmedien
Weil die Berichterstattung von Medien über Medien wegen Verlagsinteressen oft voreingenommen ist, haben sich Blogs als eine Art korrigierende
Instanz der Printmedien als besonders geeignet gezeigt. Im deutschsprachigen Raum ist BILDblog.de besonders erfolgreich. Er findet allerdings hauptsächlich in der Medienbranche selbst starke Beachtung.
Nischenblogs interagieren mit Massenmedien
Seit in der Schweiz 2007 eine breite Debatte über die starke deutsche Einwanderung entflammte, zitieren Deutschschweizer Mainstream-Medien regelmäßig Jens Wiese, der sich seit 2005 täglich auf blogwiese.ch mit der
Thematik Deutsche in der Schweiz auseinandersetzt. Auf die Medienberichte
reagierte er wiederum im Blog, wo Interessierte per Kommentarfunktion
weiter diskutierten.
Mit krusenstern.ch bietet der Schweizer Journalist Jürg Vollmer ein qualitativ herausragendes Informationsangebot zu Russland und der Ukraine. Seine Beiträge bieten nicht nur deutschsprachigen Russlandkorrespondenten
einen reichen Informationsfundus.
Lokale Blogs im Fokus
In der internationalen Presse fand das BondyBlog.fr 2005 große Beachtung.
Das Westschweizer Magazin L’Hebdo hatte während der Unruhen in den
französischen Vorstädten Kontakt zu Jugendlichen im Pariser Vorort Bondy
gesucht und das Blog eingerichtet, das später zur Publikationsplattform diverser französischer Vorstädte wurde.
In der Schweizer Gemeinde Arlesheim ist die Forderung nach einer Tagesschule über zwei lokal verankerte Blogs lanciert worden. Über die Kommentarfunktion der Blogs hatte sich eine digitale politische Debatte
entwickelt, die von der Basler Zeitung und einer Partei aufgegriffen wurde.
2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie?
43
In der Gemeinde Birsfelden bloggt der Gemeindepräsident regelmäßig
über Themen der Lokalpolitik. Auch der Zürcher Gemeinderatspräsident teilt
sich in seinem persönlichen Blog über seine politische Arbeit mit. Es ist nicht
bekannt, wie stark und von welchen Bevölkerungsschichten diese Blogs gelesen werden. Zu erwarten ist jedoch, dass diese Informationsangebote in
erster Line von politisch überdurchschnittlich interessierten und zudem internet-affinen Bevölkerungsgruppen genutzt werden.
Blogs sind ideal für kleinere Öffentlichkeiten
Was für die internationale oder nationale politische Öffentlichkeit irrelevant
sein kann, mag auf lokaler Ebene von Interesse sein. Ähnlich wie Regionalzeitungen eignen sich Blogs z.B. auf Gemeindeebene, oder können dank der
kostengünstigen Publikationsform dort eine Öffentlichkeit herstellen, wo die
Produktion einer Lokalzeitung bisher zu teuer war. Dass Inhalte im Internet
im Gegensatz zu Printmedien („Push-Medien“), die nach Hause geliefert
werden, stets gezielt abgerufen werden müssen („Pull-Medium“), ist für deren Verbreitung ein erschwerendes Element.
IV.
Die Grenzen politischer Blogs
Voraussetzungen zum politischen Bloggen sind neben Zeit, finanzieller Absicherung und technischer Affinität auch ein gewisser Hang zur öffentlichen
Selbstdarstellung sowie der Wunsch, sich politisch zu äußern.
Die zentrale Einschränkung des politischen Einflusses von Blogs ergibt
sich aus der knappen Ressource Aufmerksamkeit. Wer wenig Zeit hat, nutzt
bevorzugt gebündelte Informationen auf Papier, im Fernsehen oder im Radio.
Nur wenige Internetuser mixen sich gerne täglich einen persönlichen Informationscocktail aus verschiedenen Blogs zusammen.
Durch das Einbinden von Blogs in Online-Portale klassischer Medien verwischen sich die Grenzen zwischen Mainstream-Medien und Blogs. Zudem
relativiert sich das vielfach postulierte „Durchbrechen des Publikationsmonopols der Massenmedien dank Blogs“ stark.
Transparenz ist zwar grundsätzlich ein erwünschtes Element in Demokratien, in denen Blogs uneingeschränkt genutzt werden. Gleichwohl existiert
mit der Möglichkeit, anonym zu veröffentlichen, auch das Risiko, falschen
Gerüchten und unerwünschten Verleumdungen Vorschub zu leisten. Zusätzlich ist der Effekt beobachtbar, dass durch die unübersichtliche Masse an
44
Sarah Genner
digitaler Information Transparenzchancen ungenutzt bleiben: Je mehr Stimmen sich im Internet über Blogs erheben, desto irrelevanter ist schließlich die
einzelne. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der jeweiligen Glaubwürdigkeit.
V.
Digitalisierung der Politik
Blogs bieten allen möglichen politischen Akteuren – von Privatpersonen,
Parteien über Hobby- und Vollblutpolitiker hin zu staatlichen Organisationen
– die kostengünstige Möglichkeit, eine Publikations- und Austauschplattform
zu betreiben. Hochkarätige politische Informationen von offizieller Seite und
von professionellen Medienschaffenden sind zunehmend im Netz abrufbar.
Genauso wird auch Wahlkampfpropaganda und -gegenpropaganda, Stammtischgespräche und politischer Small Talk ins Internet transportiert. Allein
die Digitalisierung und öffentliche Zugänglichkeit macht vieles davon kaum
politisch relevanter als zuvor. Neu ist vielmehr, dass jede Äußerung bloß ein
Mausklick voneinander entfernt liegt, rund um die Uhr zugänglich und digital archiviert ist.
Dass sich online ganz andere, insbesondere viel demokratischere Strukturen etablieren als offline, ist nicht zu erwarten. Ob es überhaupt wünschenswert ist, dass sich möglichst viele an der breiten politischen Debatte
beteiligen, ist umstritten.
Bereits gut vernetzten Personen gelingt es mit Blogs noch einfacher, Informationsnetzwerke aufzubauen. Gänzlich ungeeignet sind Blogs jedoch,
um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen oder um aus Politikverdrossenen
Politikbegeisterte zu machen. Eine lokale Politik, die zu Informations- und
Kommunikationszwecken auf Blogs zurückgreift, hat diese „digitale Kluft“
zu berücksichtigen.
2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie?
45
Literatur
ARD/ZDF-Online-Studie für Deutschland 2007. Das Erste
(http://www.daserste.de/service/studie.asp, 23.9.2008).
Drezner, D.W.; Farell, H. 2004: The Power and Politics of Blogs
(http://www.utsc.utoronto.ca/~farrell/blogpaperfinal.pdf, 23.9.2008).
Genner, S. 2007: Politik 2.0 – sind Blogs Motoren oder Bedrohung für die Demokratie? Diplomarbeit, Universität Zürich
(http://politikblogs.files.wordpress.com/2007/12/politik-20.pdf, 23.9.2008).
Neuberger, C.; Nuernbergk, C.; Rischke, M. 2007: Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration? – Eine Forschungssynopse zum Wandel der
Öffentlichkeit im Internet, in: Media Perspektiven 2/2007.
Paetzolt, M. 2006: Demokratie Reloaded? – Das demokratische Potenzial politischer
Weblogs im deutschsprachigen Raum, Diplomarbeit, Universität Bamberg
(http://derganznormalewahnsinn.twoday.net/files/Diplomarbeit-MatthiasPaetzolt/, 23.9.2008)
Schmidt, J. 2006: Weblogs. Eine kommunikationssoziologische Studie. Konstanz:
UVK.
46
Markus Klima / Rafael Wawer
2.2
Diskurs 2.0 —
Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit
Markus Klima und Rafael Wawer
Im Vergleich zu Blogs und Foren muss eine zeitgemäße Diskursmaschine 2.0 das volle Spektrum technischer Möglichkeiten abdecken. Sie
soll ein Thema nicht nur fallbezogen wie eine Homepage mit Texten,
Bildern oder Videos präsentieren. Sie lassen sich als neue Medien begreifen, die öffentliche Diskussionen einer breiten Bevölkerungsschicht
zugänglich machen – und zwar insofern, als dass die Herkunft, das
Geschlecht, der Lebenslauf oder der Wohlstand des Teilnehmers ihn
zum ersten Mal in der Geschichte nicht daran hindern, seine Ansicht
medienwirksam und beinahe kostenlos kundzutun.
I.
Commonplace Books und Hypomnema
Diskurs ist die Mechanik des Sichmitteilens. In der Zeit von Aristoteles mögen Marktplätze ausgereicht haben, um in hitzigen Debatten die Belange
eines griechischen Stadtstaates zu diskutieren. In einem Staat aus Millionen
von Bürgern jedoch findet zur besseren Archivierung und Transparenz des
Dialoges der Diskurs schriftlich statt. Am Anfang waren daher Bücher das
verbreitete Medium, darauf folgten Zeitungen und Zeitschriften, und während des letzten Jahrhunderts Radio, Film und Fernsehen. Die Vermittlerschicht, welche die Information an die Öffentlichkeit ohne literarische
Ambitionen trug, wurde der Journalismus. Totalitäre Regime nutzten jene
Transmitterschicht aus, um sich einer propagandischen Indoktrination zu
bedienen. Diese klassische Form der Medien hatte ihre goldene Ära im 20.
Jahrhundert.
Der 1984 verstorbene Philosoph Michel Foucault, Erfinder des modernen
Diskursbegriffes, kritisierte die zunehmende Macht der selektiven Medien,
um darüber zu beraten, wie eine demokratische Gesellschaft am öffentlichen
Diskurs teilhaben könne (dazu Yoo 1993). Einer von Foucaults letzten Beiträgen erschien 1983 mit dem Titel „Über sich selbst schreiben“. Darin erzählt Foucault von „Commonplace books“ und „Hypomnema“.
2.2 Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit
47
Commonplace books waren so etwas wie mittelalterliche Foren. Aus
Mangel an billigem Papier stellte England während des 15. Jahrhundert. öffentliche Bücher zu Verfügung. In diesen fanden sich Zitate, Briefe, Poesie,
aber auch anregende Kommentare, Petitionen und medizinische Empfehlungen. Die ursprüngliche Idee, andere teilhaben zu lassen, verlor sich mit der
Zeit und mit dem Aufkeimen des Buchdrucks und der Papierherstellung gerieten die Commonplace books in Vergessenheit.
Im Römischen Reich soll eine weitere Form des öffentlichen Schreibens
existiert haben. In die Hypomnema schrieben Autoren, welche sich als zwar
schreibend, aber nicht künstlerisch verstanden, welche persönlich aber nicht
privat Bücher verfassten, die wiederum öffentlich ausgestellt waren. Ihre
Beiträge handelten von Krankheit, Mystik und Philosophie, aber auch Politik. Sie verwiesen untereinander und führten schriftlich Konversation, die
jedem einsehbar war. Der einzige Nachteil auch hier waren die Kosten, weswegen Hypomnema nur von reichen Patriziern betrieben wurden.
Einer ihrer berühmtesten Vertreter war der römische Kaiser Marcus Aurelius, der von 161 bis 180 neuer Zeitrechnung regierte. Er würde heute fälschlicherweise als Schriftsteller interpretiert, so Foucault. Aurel beschrieb persönliche Erlebnisse und anderntags führte er Krieg gegen die Parther und
Germanen. Nach Foucault hätte das Christentum ihn also missverstanden, da
es alles Privatschriftliche bis in die Moderne hinein auf Memoiren, die nach
dem Ableben des Autors publiziert werden, verschob oder als Kunst interpretierte. Die Idee von Autoren, die keine Künstler waren, aber dennoch für die
zeitgenössische Öffentlichkeit persönlich schrieben, wurde damit undenkbar
und ging für unsere Gegenwart verloren.
II.
Blogs als persönliches öffentliches Schreiben
Mit der Revolution des Internets jedoch, der nach dem Buchdruck beachtlichsten medialen Entdeckung, entstanden zunächst der E-Mail-Verkehr,
dann Mailinglisten, Foren zur Klärung von Fragen sowie erste Webtagebücher die noch mit einfacher HTML-Seitenprogrammierung realisiert wurden.
Blogs wurden zu einem Phänomen. Während Foren der Erörterung von
Fachfragen dienen, agieren Blogs als persönliche „Journale“ privater Personen, die Teil der Öffentlichkeit werden. Von Anfang an haftete den Blogs
etwas Unprofessionelles an. So wurden Blogger als Teil des „Grassroots
Journalism“ (Gillmor 2004) bezeichnet. Ein Blog ist schließlich schnell kon-
48
Markus Klima / Rafael Wawer
struiert, einfache Anwendungen ermöglichen binnen weniger Schritte, Teil
der Öffentlichkeit zu sein (siehe dazu auch den Beitrag „Ein Blog in fünf
Schritten“ in diesem Band). Mit dem Aufkommen der neuen Software
schwoll die Anzahl von Blogs auf 200 Millionen an (Randow 2006). Nicht
alle Blogs handeln von Ausflügen und Mahlzeiten. Es entstanden beispielsweise „Warblogs“, die quasi in Echtzeit Bilder, Links und Texte über das
Geschehene publizieren – manchmal sogar aus dem Krisengebiet selbst.
Ein Autor der Süddeutschen Zeitung vom 29.11.2001 betitelte seinen Artikel schon „Privat ist öffentlich ist privat“, bevor der Begriff Web 2.0 überhaupt bekannt war. Für Rebecca Blood (2005) sind Blogs daher die
„demokratischen Medien“ der Gegenwart, da die neuen Medien von Personen und Gruppen betrieben werden können, denen der direkte Zugang zu
traditionellen Medien verwehrt bleibt. Um einen Blog zu betreiben, sind
kaum technische Kenntnisse nötig. Auch der politische Diskurs erfährt damit
eine neue, barrierefreie Dimension. Die neue Vermittlerschicht sind nicht
mehr nur Redaktionen, sondern zunehmend Blogger, die mit Blogs an der
Öffentlichkeit partizipieren. Mercedes Bunz (2000) nannte einst das ganze
Phänomen „Internet“ eine Diskursmaschine. Der Begriff ist jedoch zu weit
gegriffen. Diskursmaschinen sind die Werkzeuge, also die Mitteilungsapparate der Blogger, User, Menschen diesseits der Bildschirme und Steckdosen.
III. Gesucht: die zeitgemäße „Diskursmaschine“
Im Vergleich zu Blogs und Foren muss eine zeitgemäße Diskursmaschine 2.0
jedoch das volle Spektrum technischer Möglichkeiten abdecken. Sie soll ein
Thema nicht nur fallbezogen wie eine Homepage mit Texten, Bildern oder
Videos präsentieren. Wie ein Forum besteht vielmehr die Notwendigkeit, die
Vernetzung von Artikeln und Nutzern, Kommentare sowie Moderatorfunktionen zu implementieren. Anders als bei Foren ermöglicht eine echte Diskursmaschine den Autoren einen Artikel-Blog, der sich wiederum in den Gesamtdiskurs „einklinkt“. Moderatoren betreuen Teilnehmer einer Diskursmaschine, indem ein Kommentar zum Artikel werden kann, der wiederum neue
Kommentare und Ideen speist. Es entsteht ein Dialog in Echtzeit.
Gleichwohl sollte eine Diskursmaschine dafür Sorge tragen, dass Diskurse in Etappen zu Lösungen kommen, um „Meilensteine“ von Vorschlägen
und Lösungsansätzen zu schaffen, um Leser wie Moderation nicht mit einer
„nebulösen“ Kommentarflut zu ermüden. Eine Eigenschaft, die Zeitungen,
2.2 Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit
49
Büchern et cetera in der gleichen Zeitspanne verwehrt bleibt. Wie ein natürliches Gespräch folgt eine Internet-gestützte Diskussion der Argumentationsrhetorik. Beiträge werden zur weiteren Auswertung digital zur Verfügung
gestellt. Ein Beispiel ist das Berliner Tempelhof-Entwicklungsprojekt „Tempelhofer Freiheit“ 2008, bei dem eine Agentur Vorschläge zur Planung auf
Realisierungsmöglichkeiten hin auswertet.
Abb. 2.2-1 Tempelhof-Entwicklungsprojekt (Screenshot)
Quelle: http://www.berlin.de/flughafen-tempelhof (erstellt am 4.10.2008)
Für Kommunen und Unternehmen ergeben sich daraus vielseitige Ansätze. Durch eine Diskursmaschine bekommt eine Führungsposition ein Gesicht, eine Stimme, wird lebendig, wenn sie als Blog genutzt wird. Der
bekannteste bloggende CEO ist Jonathan Schwarz, Präsident von Sun Microsystems. Oder es werden interne Blogs, Foren, Instant-Messenger und Wikis
angelegt. Man vertraut auf interne Wikis, welche abteilungsrelevante Informationen, Hilfen, Dokumentationen und Tipps gut zugänglich über eine
Intranetseite verfügbar machen. Zu den Nachteilen des CEO-Blogs gehören
die Erwartungen an den Autor (Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit), die schnell umschlagen können in aus dem Zusammenhang gerissene
Kritik. Denn wer lesen kann, kann noch lange nicht schreiben. Davon bleiben
Intranets einer Organisation allerdings meist unberührt.
„Customer-Blogs“ sind keine Seltenheit mehr, und es finden sich darunter
„Supportblogs“, „Serviceblogs“, „Kampagnenblogs“, „Themenblogs“, „Pro-
50
Markus Klima / Rafael Wawer
duktblogs“ und „Krisenblogs“. Und um Bürger an den politischen Diskurs zu
binden, verlagert man Bürgerbeteiligungsverfahren und -entscheidungen
idealerweise in eine umfassende Diskursmaschine – nicht nur in ein simples
Web-Forum.
IV.
Eine neue Öffentlichkeit?
Für Bowman und Willis (2003) sind dies Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit: “The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in
the progress of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and
information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.” Man könnte auch sagen, dass die digitale Gegenwart die Renaissance
der Commonplace books, der Hypomnema ist, oder aber, dass sie Teil einer
neuen dynamischen Öffentlichkeit und ihrer Mechanik ist.
Wenn Worte zu Sprache geronnene Gedanken sind, so sind Diskursmaschinen die neuen Medien, die öffentliche Schriftdiskurse einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich machen – und zwar insofern, als dass die Herkunft, das Geschlecht, der Lebenslauf oder der Wohlstand des Teilnehmers
ihn zum ersten Mal in der Geschichte nicht daran hindern, seine Ansicht
medienwirksam und beinahe kostenlos kundzutun.
Literatur
Yoo, J. 1993: Diskursive Praxis diesseits von Letztbegründung und Positivität. Zur
Kritik des Diskursbegriffes bei Jürgen Habermas und Michel Foucault, Frankfurt
am Main: Lang.
Gillmor, D. 2004: We the media – Grassroots Journalism By The People, For The
People, Sebastopol: O’Reilly Media.
Randow, G. von 2006: Es bloggen die Blogger im rauschenden Netz, in: Die Zeit,
09.03.2006.
Blood, R. 2002: We’ve got blog. How weblogs are changing our culture, Cambridge:
Perseus.
Bunz, M. 2000: Das Netz als Diskursmaschine, in: Telepolis, 26.06.2000.
Bowman, S., Willis, C. 2003: We Media. How audiences are shaping the future of
news and information (http://hypergene.net/wemedia, 16.07.2003).
2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ...
2.3
51
E-Partizipation — Erfolgreiche Ansätze
der Bürgerbeteiligung durch Neue Medien
Steffen Albrecht und Hilmar Westholm
Die Studie „E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft im E-Government“ untersucht den Stand und die
Perspektiven der E-Partizipation in Deutschland. Besonders auf der
kommunalen Ebene finden sich viel versprechende Projekte zur Bürgerbeteiligung durch Neue Medien, allerdings auch Verbesserungspotenziale durch höhere Verfahrenstransparenz und stärkere Vernetzung. Der Beitrag verdeutlicht die Relevanz von E-Partizipation und
stellt gelungene Beispiele für die Nutzung der Neuen Medien vor.
I.
Relevanz von E-Partizipation
Web 2.0, das „Mitmachnetz“ (Fisch/Gscheidle 2008), wird häufig mit Partizipation in Verbindung gebracht, der aktiven Beteiligung der Nutzer. Im
Unterschied zum reinen Konsumieren von Inhalten werden die User in die
Produktion einbezogen. Dadurch tragen sie nicht allein zu deren Verbesserung bei, sondern entwickeln auch ein größeres Interesse und eine engere
Bindung an das Angebot.
Ähnliches wird auch von der politischen Partizipation erwartet, der Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungen. Im Informationszeitalter nutzen sowohl die Verwaltung als auch die Bürger dafür immer häufiger
das Internet. Man spricht von E-Partizipation. Sie bildet heute einen festen
Bestandteil der E-Government-Aktivitäten der Verwaltung. Insbesondere
Kommunen können E-Partizipationsangebote nutzen, um formell vorgeschriebene Beteiligungsverfahren effizient durchführen zu können und um
solche Gruppen stärker für das Gemeinwesen zu interessieren, die bislang
zwar an Online-Kommunikation, nicht aber an Entscheidungen in ihrer Kommune teilnehmen.
In diesem Beitrag stellen wir den Entwicklungsstand der E-Partizipation
dar, diskutieren ihre Chancen und Risiken und zeigen an Beispielen guter
Praxis, wie Kommunen E-Partizipationsangebote für die Kommunikation mit
ihren Bürgern und für deren Einbeziehung in Planungs- und Entscheidungs-
52
Steffen Albrecht / Hilmar Westholm
prozesse nutzen können. Der Beitrag fasst Ergebnisse der Studie „E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am EGovernment“ zusammen, die das Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib) und Zebralog im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren
erstellt haben (Ifib/Zebralog 2008).
II.
Entwicklungsstand der E-Partizipation in Deutschland
Nach ersten Experimenten zur Bürgerbeteiligung über elektronische Medien
in den 1970er Jahren gab die Verbreitung des Internets ab den 1990er Jahren
der E-Partizipation Auftrieb. In Deutschland wurde sie zunächst im Rahmen
von Forschungsprojekten auf der kommunalen Ebene erprobt. Heute liegt der
Schwerpunkt noch immer auf der kommunalen Ebene und die Zahl der Angebote hat deutlich zugenommen. Gemessen an der Gesamtzahl entsprechender Planungen und Entscheidungen wird jedoch nur ein Bruchteil der
Möglichkeiten ausgeschöpft.
Das „Herzstück“ der E-Partizipation stellen in Deutschland OnlineKonsultationen dar, d.h die Beteiligung durch Befragung oder Diskussion zu
politischen Angelegenheiten. Hier wird vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene ein nach internationalen Maßstäben hoher Standard erreicht.
Allerdings findet nur in Ansätzen eine systematische Bündelung der Angebote statt, sodass es den Bürgern schwer fällt, Beteiligungsmöglichkeiten
überhaupt zu erkennen.
Angebote zur Eingabe von Petitionen oder Beschwerden über das Internet
finden sich vorwiegend auf der Bundesebene. Hier nimmt der Deutsche Bundestag mit dem E-Petitionssystem eine internationale Vorreiterrolle ein. Im
Bereich der Informationsangebote kann allgemein ein sehr hoher Standard
festgestellt werden. Der Maßstab sind in diesem Bereich themenbezogene
Portale, die Informationen aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammenführen und nutzerfreundlich aufbereiten, wie dies beispielhaft durch das
Umweltinformationssystem Portal U verwirklicht wird.
Echte Kooperationen von Bürgern und Verwaltung über das Internet finden sich dagegen nur selten. Dies ist zum einen auf die hohen Anforderungen
an Initiatoren sowie Adressaten entsprechender Angebote zurückzuführen,
zum anderen auf die relativ geringe Verbreitung solcher Verfahren insgesamt. Gerade auf der kommunalen Ebene kann das Internet hier aber gewinnbringend eingesetzt werden, wie Beispiele aus der Stadtplanung
2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ...
53
(Stadionbad Bremen) bzw. der Konfliktmediation (Flughafen Wien-Schwechat) zeigen.
Besonderes Interesse verdienen Angebote nichtstaatlicher Organisationen,
da ihre Aktivitäten zum einen technisch sehr fortschrittlich sind, zum anderen
auf Lücken im staatlichen Angebot hinweisen. Bei der Herstellung von
Transparenz (z.B. Abgeordnetenwatch) oder der Meinungsbildung (1000fragen) agieren nichtstaatliche Organisationen häufig als Vermittler zwischen
Bürgern und Verwaltung. Die große Resonanz auf ihre Aktivitäten (bislang
mehr als 20.000 Fragen an Bundestagsabgeordnete bei Abgeordnetenwatch)
belegt einen entsprechenden Bedarf auf Seiten der Bevölkerung.
III. Bewertung im internationalen Kontext
Insgesamt kann auf der Basis der Ergebnisse festgestellt werden, dass in
Deutschland zwar einige „Leuchtturmprojekte“ existieren, die Diffusion in
die Breite und vor allem die institutionelle Einbindung von E-Partizipationsverfahren jedoch stark verbesserungswürdig sind. Zudem mangelt es an
Transparenz und Responsivität, da oft nicht kommuniziert wird, zu welchem
Zweck beteiligt wird, was mit Ergebnissen geschieht und ob mit einer Reaktion von Politik und Verwaltung gerechnet werden kann.
Im internationalen Kontext belegt Deutschland in punkto E-Partizipation
daher keinen Spitzenplatz. Unter den westlichen Industrienationen nehmen
hier insbesondere die USA, Kanada, Neuseeland sowie in Europa Großbritannien, Dänemark und Estland eine Vorreiterrolle ein. Sie stellen zum Beispiel Informationen über das Verwaltungshandeln in übersichtlicher Form
und leicht zugänglich zur Verfügung (sogenannte Electronic Reading Rooms
in den USA) und haben Online-Konsultationen auf nationaler Ebene fest
institutionalisiert, wobei die unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten in
Portalen zusammengefasst werden (z.B. in Großbritannien, Dänemark und
Estland).
IV.
Chancen und Risiken der E-Partizipation
Die Voraussetzungen für E-Partizipation auf der Ebene der Zugangsmöglichkeiten und des Nutzungsinteresses sind in Deutschland gleichwohl nicht
schlecht. Fast zwei Drittel der Bevölkerung nutzen zumindest gelegentlich
das Internet, gut die Hälfte verfügt über Breitbandanschlüsse. In der nach-
54
Steffen Albrecht / Hilmar Westholm
wachsenden Generation hat das Internet eine nahezu vollständige Verbreitung gefunden. Auch in den Behörden kann die technische Ausstattung als
gut bezeichnet werden.
Eine Repräsentativbefragung im Rahmen der Studie „E-Partizipation“ ergab gute Voraussetzungen auch auf der Nachfrageseite. Knapp 25% der Befragten gaben an, im Internet politische Informations- oder
Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen. Im Vordergrund steht dabei die Beschaffung von politischen Informationen, die kommunale Ebene folgt nach
dem Bund an zweiter Stelle. Allerdings ist auf kommunaler Ebene der
Wunsch nach Einflussmöglichkeiten am stärksten ausgeprägt (bei 79% der
Bürger, FGWT 2004).
Demgegenüber bestehen Risiken darin, dass E-Partizipation ihre positiven
und erwünschten Effekte, das Vertrauen der Bevölkerung in politische Institutionen zu stärken, nicht erzielen oder wieder verlieren kann, wenn
• die Ergebnisse nicht tatsächlich Planungen und Entscheidungen beeinflussen,
• die Verwendung von Beiträgen nicht von Anfang an für alle sich Beteiligenden und für Beobachter deutlich wird,
• mit E-Partizipation eher Marketing betrieben wird anstatt Lernprozesse
zu erlauben,
• die Effekte nicht später auch nachvollziehbar dokumentiert werden und
• die Beteiligungsmöglichkeiten nicht in Folgeprozessen fortgesetzt werden.
Es sind häufig verwaltungsinterne Barrieren, die den Erfolg von E-Partizipationsangeboten gefährden. Beteiligungsprozesse liegen oft quer zu den etablierten Kommunikationsstrukturen der Verwaltung, die Finanzknappheit der
öffentlichen Hand ist ein weiterer Faktor. Dank der über zehnjährigen Tradition der E-Partizipation in Deutschland liegen aber viele dokumentierte Erfahrungen vor, mit deren Hilfe sich die Risiken vermeiden lassen (z.B.
Stiftung Mitarbeit/Initiative eParticipation 2007).
V.
Wie kann E-Partizipation genutzt werden?
Beispiele guter Praxis
Wie die Chancen der E-Partizipation genutzt und die Risiken dabei vermieden werden können zeigen abschließend drei ausgewählte Beispiele guter
Praxis, die – neben vielen weiteren – in der Studie „E-Partizipation“ identifi-
2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ...
55
ziert wurden. Zwei der Beispiele verdeutlichen unmittelbare Anwendungsmöglichkeiten der E-Partizipation im kommunalen Bereich, ein drittes Beispiel zeigt auf, welches Potenzial in der Vernetzung von Aktivitäten über
einzelne Kommunen hinweg liegt.
Zukunft Stadionbad Bremen (www.stadionbad.bremen.de)
Die Online-Diskussion zur Zukunft des Stadionbads war Teil eines umfangreichen Kooperationsprozesses zur Sanierung des meistbesuchten Freibads in
Bremen. Kern des Verfahrens war ein Kreis von Repräsentanten relevanter
Gruppen, der kooperativ und unter Konsultation der breiteren Öffentlichkeit
ein Konzept für die Zukunft des Bades entwickelte. Das Internet wurde außer
zur Informationsverbreitung für eine Online-Diskussion zu offenen Punkten
der Entscheidung genutzt (Kubicek et al. 2007).
Gute Praxis: Der Beteiligungsprozess zeichnete sich durch das Zusammenspiel von Medien (Tageszeitungen, Internet, Face-to-face), unterschiedlichen partizipativen Methoden (Patenkreis, Vor-Ort-Besichtigungen, Zukunftsfest, Anwaltsplanung etc.) sowie die Einbindung von Jugendlichen und
Senioren aus. Über die sehr weit gehende Zuweisung von Entscheidungskompetenzen an den Repräsentantenkreis kam dem Prozess eine hohe politische Relevanz zu.
Online-Bürgerpanel Bristol (GB) (www.askbristol.com)
Beim Online-Bürgerpanel Bristol handelt es sich um eine Mischform aus
Konsultationen und Petitionen, die sich unter anderem durch den Einsatz von
Web-2.0-Formaten von vergleichbaren Angeboten abhebt. Das Portal berichtet über politisch-administrative Entscheidungen in Bristol und ermöglicht, diese zu beeinflussen. Hierfür können die Besuchenden an Diskussionen teilnehmen, eine Petition starten bzw. zeichnen oder an Befragungen
teilnehmen. Wichtige Ratssitzungen werden als Video-Podcast veröffentlicht.
Verwaltung und Politik verpflichten sich, die Ergebnisse der Konsultationen
zu berücksichtigen.
Gute Praxis: Das Portal bietet den Bürgern eine Vielfalt verschiedener
Zugänge zum Entscheidungsfindungsprozess. Neben Informationen und
Konsultationen werden auch Petitionen angeboten. Durch die Einbindung
von Mobilkommunikation und Elemente einer Online-Community werden
außerdem speziell Jugendliche angesprochen. De facto wird das Portal allerdings vor allem von Personen mittleren und höheren Alters genutzt.
56
Steffen Albrecht / Hilmar Westholm
International Center of Excellence for Local E-Democracy, ICELE (GB)
(www.icele.org)
ICELE stellt kein e-Partizipationsangebot dar, sondern bot als Kompetenzund Vernetzungszentrum praxisbezogene Beratung und Lösungen für die
lokale Politik und Verwaltung, um die E-Partizipation in Großbritannien zu
fördern. Das Zentrum arbeitete bis 2008 vor allem durch Information und
Vernetzung von Akteuren in den Verwaltungen, bot aber auch Tools zur
Nutzung in E-Partizipationsprojekten an.
Gute Praxis: Das Zentrum verdeutlichte die Ambitionen der britischen
Regierung auf dem Gebiet der E-Partizipation. Es bündelte verschiedene nationale Projekte und stellte eine zentrale Anlaufstelle für Beratung und Information zu diesem Thema bereit. Der Fokus auf Kommunen entspricht dem
erhöhten Bedarf an Partizipationsmöglichkeiten auf dieser politischen Ebene.
Ein entsprechendes, auf die Verhältnisse in Deutschland angepasstes
Kompetenznetzwerk zur Unterstützung und Verbreitung von E-Partizipation
in Deutschland wurde als Kooperationsprojekt von Bund und Kommunen in
der Studie „E-Partizipation“ zur baldigen Umsetzung empfohlen.
Literatur
Fisch, M.; Gscheidle, C. 2008: Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys, in: Media Perspektiven 7/2008, 356-364.
Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH (FGWT) 2004: Politische Partizipation in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, November 2003, Mannheim: Forschungsgruppe Wahlen.
Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib); Zebralog 2008: „E-Partizipation
– Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government“. Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Bremen: Institut
für Informationsmanagement Bremen.
(http://www.ifib.de/dokumente/ifib-zebralog_e-partizipation.pdf, 23.9.2008)
Kubicek, H., Lippa, B., Westholm, H., Kohlrausch, N. 2007: Medienmix in der lokalen Demokratie. Die Integration von Online-Elementen in Verfahren der Bürgerbeteiligung. Abschlussbericht an die Hans-Böckler-Stiftung, Bremen: Institut
für Informationsmanagement Bremen.
OECD 2008: Citizens as partners. Information, consultation and public participation
in policy-making, Paris: OECD.
Stiftung Mitarbeit; Initiative eParticipation (Hg.) 2007: E-Partizipation – Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge zur Demokratieentwicklung von unten, Bd.
21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit.
2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider
2.4
57
E-Inklusion —
Chancen für E-Government-Entscheider
Björn Niehaves und Michael Räckers
Der Digital Divide bedeutet, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen das
Internet und Web 2.0 in gleichem Maße nutzen, und ist nach wie vor
ein Fakt in vielen Ländern Europas, so auch in Deutschland. Der Beitrag diskutiert mögliche Ansatzpunkte, wie E-Government-Entscheider
dazu beitragen können, „elektronisches Regieren“ in Deutschland inklusiver, d.h. teilhabender zu gestalten.
I.
E-Inklusion als demokratische Aufgabe
Web 2.0 bietet die Chance, das Kommunikationsverhalten mit der öffentlichen Verwaltung grundlegend zu hinterfragen. Dies bedeutet für die Verwaltung jedoch auch, dass allen Bürgern Chancen eingeräumt und Hilfestellungen angeboten werden sollen, von diesen neuen digitalen Interaktionsformen gleichermaßen zu profitieren. Hier erklärte die Ministerkonferenz der EU im Juni 2006, dass die digitale Integration von online
unterrepräsentieren Bevölkerungsgruppen (bspw. ältere Menschen, Menschen in dünn besiedelten Gebieten, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit einem niedrigen
Bildungsniveau) verstärkt vorangetrieben werden muss. Eine solche E-Inklusion-Strategie hat auch die Bundesregierung im Rahmen des Regierungsprogramms E-Government 2.0 aufgegriffen und als Schwerpunkt-Aktionsfeld herausgestellt.
Dennoch ist der Digital Divide, d. h. die in Teilen digitale Spaltung der
Gesellschaft, trotz zahlreicher Anstrengen, nach wie vor ein Fakt in vielen
Ländern Europas. Es gibt zahlreiche spezifische Probleme, die dazu führen,
dass verschiedene Bevölkerungsgruppen nicht in der Form wie der Durchschnitt der Bevölkerung in dieser Informationsgesellschaft integriert sind.
Nutzungszahlen und der Nutzerstrukturen zeigen, dass eine „digitale Exklusion“, d.h. die Nichtnutzung von Online-Dienstleistungen, vor allem ein
kundenseitiges anstatt angebotsseitiges Problem darzustellen scheint (Grönlund et al. 2007). Insbesondere ältere Menschen, Menschen ohne Arbeit und
58
Björn Niehaves / Michael Räckers
Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau nutzen das Angebot an EGovernment-Dienstleistungen im Moment unterdurchschnittlich (Europäische Kommission 2006; Ferro et al. 2007).
Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, welche möglichen Ursachen
für eine bislang unzureichende Inklusion vor allem im E-Government gegeben werden können und welche Chancen sich hier für E-Government-Entscheider bieten.
II.
Nutzung von Online-Services in Deutschland
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass eine Vielfalt von Faktoren wie bspw.
Kosten, Qualifikation oder Vertrauen existiert, welche die Nutzung von EGovernment durch die Bürger beeinflusst. Diese Faktoren liegen zum Teil im
Einflussbereich auch kommunaler E-Government-Entscheider. Um eine detaillierte Analyse dieser Faktoren durchzuführen, soll die Nutzung verschiedener Arten von Online-Dienstleistungen miteinander verglichen werden:
1. Internetnutzung allgemein,
2. E-Commerce, d. h. auch transaktionale Nutzung kommerzieller OnlineAngebote,
3. Informationsabfrage im E-Government, bspw. nach Öffnungszeiten und
4. E-Government-Transaktionen, bspw. die elektronische Steuererklärung.
Tab. 2.4-1: Nutzung von Online-Dienstleistungen in Deutschland
(Angaben bezogen auf die Nutzung in den „letzten 3 Monaten“)
Gesamtbevölkerung
Internetnutzung
E-CommerceNutzung
Informationsabfrage im EGovernment
E-GovernmentTransaktionen
Quelle: Eurostat 2007
Bürger in
Bürger mit
geringem dünn besieBildungs- delten Gebieten
niveau
61%
65%
Bürger
ohne Erwerbstätigkeit
66%
69%
Senioren
(im Alter
von 55 bis
74 Jahren)
37%
38%
15%
29%
35%
31%
28%
12%
17%
22%
29%
9%
n.a.
5%
8%
7%
2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider
59
III. Kontrastierung der Nutzung von Online-Services
Aus Ausgangspunkt der Kontrastierung der Nutzungsdaten von OnlineServices kann in diesem Zusammenhang die Gesamtbevölkerung (100%) als
Maximalpotenzial aller Nutzer betrachtet werden. Bisher nutzen nur 9% dieser Gesamtbevölkerung E-Government für Transaktionen (innerhalb des gegebenen Zeitrahmens). Die Beantwortung der Frage, warum 91% der Bevölkerung kein transaktionsbezogenes E-Government nutzen, bedarf der vertiefenden Analyse. Dabei lassen sich vier Inklusionslücken feststellen.
Lücke A (Gesamtbevölkerung – Internetnutzung)
Die erste Diskrepanz betrifft die Gesamtbevölkerung und den Teil, der das
Internet nutzt. Menschen in dieser Lücke nehmen nicht an der Informationsgesellschaft teil, da ihnen als Grundvoraussetzung der Internetzugang fehlt.
Nur 69% der Gesamtbevölkerung Deutschlands haben (innerhalb der letzten
drei Monate) das Internet genutzt. Folglich haben 31% der Bevölkerung das
Internet während dieses Zeitraums nicht benutzt. Die folgenden Aspekte
bieten Anhaltspunkte, um solche Inklusionsdiskrepanzen zu interpretieren:
• Infrastruktur: Es werden verschiedene Sachverhalte diskutiert, welche
die Verfügbarkeit der Infrastruktur beeinflussen könnten. Zum Beispiel
ist eine Internet- und Breitbandverbindung in einigen unterbevölkerten
Gebieten nicht vorhanden (die Internetnutzung in dünn besiedelten Gebieten beträgt 65%, verglichen mit 69% im Durchschnitt).
• Zugänglichkeit: Aus sozialer und sozio-demographischer Perspektive auf
Inklusion beeinflusst das Alter und der Bildungsgrad die Internetnutzung.
Beispielsweise nutzten Senioren nur in 37% aller Fälle das Internet, Bürger mit geringer Bildung in 61% (verglichen mit 69% im Bevölkerungsdurchschnitt).
Lücke B (Internetnutzung – E-Commerce-Nutzung)
Die Personen dieser zweiten Lücke erfüllen die grundsätzliche Voraussetzung des Internetzugangs. 69% der Gesamtbevölkerung nutzen das Internet,
aber nur 38%, um Waren zu kaufen oder zu bestellen (E-Commerce). Daraus
ergibt sich, dass 31% der Bevölkerung online waren, jedoch keine E-Commerce-Dienste nutzten. Die folgenden Aspekte könnten Ansatzpunkte für
Interpretationen dieser Inklusionslücke bieten:
• Sicherheit, Vertrauen, Komplexität: Neben solchen Faktoren, die die
Infrastruktur und die Zugänglichkeit betreffen (siehe oben), spielen auch
Punkte wie Sicherheit, Vertrauen und Komplexität der Dienste bei der
60
Björn Niehaves / Michael Räckers
Nutzung von E-Commerce eine Rolle (Aldridge et al. 1997). E-Commerce bedingt normalerweise finanzielle Transaktionen und monetären
Aufwand, wofür häufig Kreditkartendaten, Sicherheitsmechanismen,
persönliche Daten usw. bereitgestellt werden müssen. Hier nutzen beispielsweise 55% der gesamten Onliner E-Commerce, während dies nur
bei 47% der Onliner mit geringer Bildung der Fall ist. Darüber hinaus
nutzten nur 41% der Senioren, die online sind, E-Commerce-Angebote
während der letzten drei Monate.
Lücke C (E-Commerce-Nutzung – Informationsabfrage im E-Government)
Menschen in dieser Lücke führen E-Commerce-Transaktionen aus und besitzen hier die notwendigen Qualifikationen, komplexe Online-Services in Anspruch zu nehmen. Allerdings nutzen sie keine E-Government-Dienstleistungen. Während 38% aller Deutschen das Internet für E-Commerce-Dienste
nutzen, haben es nur 28% genutzt, um Informationen von Verwaltungswebseiten zu erhalten. Daraus ergeben sich 10% der Bevölkerung, die bereit sind,
E-Commerce zu nutzen, das Internet aber nicht für die Informationsgewinnung im E-Government nutzen. Die folgenden Aspekte könnten Anhaltspunkte bieten, um diese Inklusionslücke zu interpretieren:
• Marketing und Marktfähigkeit: Neben den oben genannten Faktoren
könnten Marketing und Marktfähigkeit elektronischer Verwaltungsdienstleistungen die Nichtnutzung von E-Government beeinflussen.
Während kommerzielle Dienste gewöhnlich häufiger in Anspruch genommen werden als Verwaltungsdienstleistungen, geben immer noch
21% der deutschen Bevölkerung als Grund für die Nichtnutzung in diesem Bereich an, dass die gewünschten Dienste nicht verfügbar oder
schwierig zu finden seien. Während das kommerzielle Internet sich bereits entwickelt hat und das technologische Potenzial nutzt, fehlen den
Angebote des öffentlichen Sektors immer noch solche „Killerapplikationen“. Auch in Hinblick auf Web 2.0 ergeben sich hier Potenziale.
• Persönlicher Kontakt: 48% der Bevölkerung nutzen nach eigenen Angaben E-Government-Dienstleistungen aufgrund eines fehlenden persönlichen Kontakts nicht. Interpretationen könnten sein, dass (a) E-Commerce-Dienste heutzutage etablierter sind und als angemessen sicher
aufgefasst werden, (b) E-Government-Dienste ein heikleres Gebiet für
die Bürger sind und/oder (c) E-Government-Dienste und ihre zugrunde
liegenden Prozesse als sehr komplex und undurchschaubar wahrgenommen werden.
2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider
61
Lücke D
(Informationsabfrage im E-Government – E-Government- Transaktionen)
Vielen Menschen ist zwar das Vorhandensein von E-Government-Angeboten
bewusst, denn sie verwenden es als Informationsquelle, sie führen jedoch
kein transaktionales E-Government durch. 28% der deutschen Bevölkerung
nutzen E-Government zur Informationsgewinnung, während nur 9% in diesem Zeitraum online Transaktionen durchführten. Dadurch ergeben sich
19%, die sich „umschauen, aber nichts kaufen“. Die folgenden Aspekte
könnten Ansatzpunkte bieten, um solche Inklusionsdiskrepanzen zu interpretieren (West 2004):
• Sicherheit und Komplexität der Dienste: Während Faktoren der Sicherheit und der Dienstkomplexität im Rahmen des transaktionalen ECommerce (38% Nutzung) diskutiert wurden, scheinen diese Punkte
transaktionsbasiertes E-Government in viel stärkerer Weise zu beeinträchtigen (nur 9% Nutzung). Hier nennen 40% der Bevölkerung Bedenken bezüglich der Datensicherheit als den Hauptgrund dafür, dass sie
E-Government nicht nutzen. Die Komplexität der Dienste, die in 24%
der Fälle genannt wurde, spielt eine ähnlich wichtige Rolle im Nichtnutzungsverhalten.
• Kosten: Hand in Hand mit Sicherheitsaspekten im E-Government gehen
Kosten, die ein wichtiger Grund für die Nichtnutzung sind. Das trifft vor
allem auf transaktionsbasierte Dienste zu, die im Verwaltungsumfeld
strenge Authentifizierungs- und Autorisierungsmechanismen erfordern.
Während E-Commerce oft nur auf ein Passwort oder Kreditkartendaten
vertrauen und E-Banking häufig eine PIN- und TAN-Methode benutzt,
erfordert transaktionsbasiertes E-Government (in Deutschland) in den
meisten Fällen eine elektronische bzw. digitale Signatur. Investitionskosten bezüglich der benötigten Ausrüstung scheinen eine Hauptsorge für
Senioren und Menschen aus dünn besiedelten Gebieten zu sein, die Kosten als Grund für die Nichtnutzung von E-Government 1,27 bzw. 1,22
Mal häufiger nannten als im Bevölkerungsdurchschnitt.
IV.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Analyse der Inklusionslücken in Deutschland ergibt ein differenzierteres
Bild: Bedenken bezüglich der Komplexität der Dienstleistungen, Datensicherheit und Kosten werden als Hauptgründe für die Nichtnutzung genannt.
62
Björn Niehaves / Michael Räckers
Diese Gründe wurden sogar überproportional oft von Rentnern, Menschen
aus dünn besiedelten Gebieten und Arbeitslosen genannt.
Doch welche Maßnahmen können ggf. auch auf kommunaler Ebene angegangen werden? Um Bürger dazu zu bringen, Transaktionen zu nutzen,
scheinen Maßnahmen notwendig zu sein, die auf die allgemeine Bevölkerung
abzielen, aber auch Maßnahmen, die die Bedürfnisse der speziellen Gruppen
des Digital Divide berücksichtigen. So ergeben sich für Kommunalverwaltungen Handlungsmöglichkeiten, die allgemeine Internetfähigkeit der Bevölkerung zu erhöhen, bspw. durch Infrastrukturmaßnahmen oder auch praxiserprobt Internetkurse mit Kinderbetreuung für Alleinerziehende. Speziell
im E-Government ist ein Zusammenspiel von Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene erforderlich. Zwar sind einerseits ggf. (bundes- oder landes-)
rechtliche Regelungen zu hinterfragen (bspw. sind im Rahmen von OnlineBank-Transaktionen zumeist nur PIN-TAN-Verfahren im Einsatz und keine
elektronische Signatur erforderlich), aber auch das Design (bspw. Lebenslagenkonzepte oder intelligentes, prozessorientiertes Redesign) oder das durchgängige Marketing kommunaler E-Government-Dienstleistungen können
ihren maßgeblichen Beitrag zur E-Inklusion leisten.
Literatur
Aldrige, A., White, M.; Forcht, K. 1997: Security considerations of doing business
via the internet: Cautions to be considered, in: Internet Research 7(1), 9–15.
Europäische Kommission 2006: Revisiting e-inclusion. From vision to action, Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities.
Eurostat 2007: Statistics on households/individuals and the information society,
Luxemburg: Eurostat.
Ferro, E.; Gil-Garcia, J.R.; Helbig, N. 2007: The digital divide metaphor: Understanding paths to literacy, in: Wimmer, M.A.; Scholl, J.; Grönlund, A. (eds.),
Electronic Government. Lecture Notes in Computer Science 4656, Berlin/Heidelberg: Springer, 265–280.
Grönlund, A.; Hatakka, M.; Ask, A. 2007: Inclusion in the e-service society – investigating administrative literacy requirements for using e-services, in: Wimmer,
M.A.; Scholl, J.; Grönlund, A. (eds.), Electronic Government. Lecture Notes in
Computer Science 4656, Berlin/Heidelberg: Springer, 216–227.
West, D.M. 2004: E-government and the transformation of service delivery and
citizen attitudes, in: Public Administration Review 64(1), 15–27.
3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte
3
Potenziale in ausgewählten
kommunalen Handlungsfeldern
3.1
Haushaltsplanung 2.0 —
E-Partizipation über Bürgerhaushalte
63
Oliver Märker und Josef Wehner
Die Entwicklung des Internets hin zu interaktiven und gemeinschaftsfördernden Funktionen lässt sich politisch als Chance einer erweiterten Einbeziehung der Bürgerschaft in Belange der Politik begreifen.
Unter den derzeit kommunal praktizierten Beteiligungsverfahren haben diejenigen zur Haushaltsplanung eine herausragende Bedeutung.
Dabei müssen sich nicht nur die Bürger beteiligen. Auch die Verwaltungen sind entsprechend gefordert. In Köln hat sich die Ausgangsidee
bewährt, ein Verfahren zu konzeptualisieren, dass den Bürger vorrangig als Ideen- und Vorschlagsgeber zur Wirkung kommen lässt.
I.
Einleitung
Von Anfang an wurde mit dem Internet die Erwartung verbunden, dass es
dem Einzelnen mehr Freiräume gewähren wird, sich aktiv in das mediale
Geschehen einzumischen. War zu Beginn das Internet für die meisten seiner
Nutzer primär ein Informationsmedium, da nur relativ wenige in der Lage
waren, eigene Inhalte ins Netz zu stellen, so bieten heute viele Dienste jedem
die Chance, auf relativ einfache Weise entweder selbst oder mit anderen zusammen Texte, Bilder und Videos zu erstellen und zu verändern, sich darüber auszutauschen und auf diese Weise auch zu vernetzen.
Übersetzt auf das Feld der Politik lässt sich diese Wende des Internets hin
zu interaktiven und gemeinschaftsfördernden Funktionen als Chance einer erweiterten Einbeziehung der Bürgerschaft in Belange der Politik begreifen.
Galten die Massenmedien noch als Garanten einer hierarchischen Beziehung
zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft, in der nur wenige organisierten Akteure die öffentliche Agenda bestimmen und alle anderen sich mit
64
Oliver Märker / Josef Wehner
einer Publikumsrolle begnügen müssen, so gelten vor allem die mit dem
Begriff Web 2.0 assoziierten Möglichkeiten der Kooperationen und Vernetzung als entscheidende Voraussetzungen dafür, dass zukünftig die Bürger
nicht länger nur periodisch als Wähler bzw. Dienstleistungsempfänger adressiert werden, sondern auch als Ratgeber und Ideengeber berücksichtigt werden können.
Die Vorstellung vom Internet als Ort der Partizipation und gemeinsamen
Problemlösung konkretisiert sich gegenwärtig vor allem in den Kommunen
(Märker/Wehner 2007). Besonders hier, wo es um Probleme und Herausforderungen geht, die sich immer weniger im politischen Alleingang bewältigen
lassen, und wo gleichzeitig die Wege zwischen Politik, Verwaltung und Bürger noch die kürzesten sind, finden sich viele Ansätze zur praktischen Umsetzung elektronsicher Partizipation (E-Partizipation). Tatsächlich nimmt die
Zahl der Kommunen zu, die nicht nur den Bürger stärker einbeziehen wollen
in die Lösung ihrer Probleme, sondern auch die dafür erforderlichen Verfahren durch das Internet unterstützen wollen.
II.
E-Partizipation in der Haushaltsplanung
Unter den derzeit kommunal praktizierten Beteiligungsverfahren ragen diejenigen zur Haushaltsplanung hervor. Die Kassen der Kommunen sind leer, es
muss immer häufiger zwischen gleichwertigen Projekten entschieden werden
und die Konsequenzen der entsprechenden Entscheidungen sind für alle Bürger spürbar. Es macht deshalb für die Kommunen Sinn, den Bürger gerade in
die Haushaltsplanung stärker als bisher einzubinden. Ein erster Schritt in
diese Richtung ist die Einführung von Bürgerhaushalten, ein zweiter, diese
mit elektronischen Beteiligungsangeboten zu unterstützen (siehe z.B.
http://www.buergerhaushalt.de).
Bürgerhaushalte werden in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre erprobt (Bertelsmann Stiftung und Innenministerium NRW 2004). Die grundlegende Idee dieser Verfahren ist, die Schwerpunkte des kommunalen
Haushaltes transparent zu machen, um dadurch um Verständnis für die prekäre finanzielle Situation und damit verbundene unpopulärere Entscheidungen zu werben. Darüber hinaus sollen durch Befragungen und Diskussionsveranstaltungen Vorschläge der Bürger eingeholt werden, um so
eine zusätzliche und breitere Informationsgrundlage für die politisch-administrativen Haushaltsberatungen zu schaffen (http://www.buergerhaus-
3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte
65
halt.org/beispiele/wichtig-ist-der-mut-zur-offenheit-interview-mit-dem-politiker-rolf-knoefel-aus-bergheim/). Der Schwerpunkt der „Bürgerhaushalte
der 1. Generation“ lag hauptsächlich auf der Information der Bürgerschaft.
Die „Bürgerhaushalte der 2. Generation“ versuchen nun verstärkt die Expertise der Bürgerschaft in die Beratungsprozesse der Politik und Verwaltung zu
integrieren. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Konsultation der Bürger. Und
dies geschieht vor allem durch die Nutzung online-moderierter Foren und
anderer „Mitmachtechnologien“ (Web 2.0). Durch sie werden neue Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, zwischen den Bürgern und im Dialog mit den
Fachverwaltungen kooperativ Vorschläge zu entwickeln, zu bewerten und
auch zu hierarchisieren (Märker/Nitschke 2008).
III. Nicht nur der Bürger, auch die Verwaltung
muss sich beteiligen
Wer nun glaubt, es reiche aus, zu den bewährten Verfahren des Bürgerhaushalts die Internettechnologie lediglich hinzuzuaddieren, um ein erfolgreiches
Beteiligungsprojekt durchzuführen, verkennt die Herausforderungen, die sich
mit dem „Generationenwechsel“ verbinden. Elektronisch unterstützte Bürgerhaushalte zeigen geradezu exemplarisch, dass der Einsatz digitaler Medien eine Reform der Bürgerbeteiligung von Grund auf darstellt.
Zuallererst muss die Politik einen Auftrag zur Beteiligung geben, verbunden mit einer glaubwürdigen Zusage, Ergebnisse des Verfahrens auch
berücksichtigen zu wollen. Ohne eine solche Selbstverpflichtung der Politik
und einen erkennbaren Nutzen werden sich die Bürger selbst in Fragen der
Haushaltsplanung, die mit einschneidenden Konsequenzen für viele verbunden sein kann, nicht motivieren lassen, das Beteiligungsangebot wahrzunehmen. Auch ist darauf zu achten, dass die Verfahren nicht mit den Selbstbestimmungsrechten der Bürger kollidieren. Bürgerbeteiligung darf nicht in
den Verdacht des Aushorchens des Bürgers umschlagen.
Des Weiteren muss die Verwaltung wissen, wie sie den Beteiligungsprozess in ihre internen Abläufe integrieren will, denn Beteiligungen beanspruchen nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch personelle Kapazitäten, um das Verfahren planen und betreuen, in vorhandene Planungsprozesse integrieren und bereits vorhandene Prozesse anpassen zu können.
Ferner ist die Verwaltung gut beraten, dem Verfahren eine technische Plattform zu verschaffen, die für verschiedene Beteiligungsformate und Verfah-
66
Oliver Märker / Josef Wehner
ren einsetzbar, das heißt „mandantenfähig“ ist. Bevor entschieden wird, ein
Beteiligungsverfahren wie den Bürgerhaushalt durchzuführen, sollte überlegt
werden, für welche weiteren Fragestellungen Bürgerbeteiligungen überhaupt
sinnvoll sind und wer für die Planung und Betreuung der Verfahren zuständig sein soll. In einem entsprechenden „Geschäfts- und Betreibermodell“
kann dann festgelegt werden, wer im Rahmen welcher Verfahren wie zu
beteiligen ist, wer der Anwender eines Verfahrens bzw. Nutzer der Verfahrensergebnisse sein soll, und wer schließlich für die Planung und Durchführung des Verfahrens verantwortlich sein wird. Fehlen solche Strukturierungen, werden die anstehenden Probleme nicht besser gelöst, sondern
umgekehrt eher verschärft. Kurz, es bedarf einer Strategie, in der die Potenziale und die für ihre Realisierung erforderlichen rechtlichen, technischen
und organisatorischen Voraussetzungen für einen verwaltungsübergreifenden
Einsatz online-gestützter Beteiligungsverfahren identifiziert werden.
Hat man die Wege gefunden, eine Beteiligungsplattform in die kommunalen Verwaltungssysteme technisch-organisatorisch zu integrieren, können
nicht nur die im Rahmen des Bürgerhaushaltsverfahrens für Finanzen zuständige Stadtkämmerei, sondern auch andere Fachressorts ihre Aufnahmefähigkeit für Bürgerwissen und -meinungen durch die Möglichkeiten elektronisch unterstützter Beteiligungsverfahren steigern. Zu denken ist dabei
etwa an Projekte der Stadtentwicklungsplanung, die von einer rechtzeitigen
wie effizienten Einbeziehung der Bürger profitieren können. Dies wird nicht
schlagartig alle Planungs- und Bausünden einer Stadt verhindern, aber in
vielen Fällen wie ein Frühwarnsystem dabei helfen, Planungsfehler rechtzeitiger zu erkennen und die Zustimmungsfähigkeit entsprechender Entscheidungen zu fördern. Vorstellbar sind auch thematisch und zeitlich unbegrenzte
„Mitmachangebote“ wie Beschwerdeeingabe- und -verfolgungssysteme wie
z.B. der Dienst Fixmystreet in Großbritannien (Ifib/Zebralog 2008; siehe
dazu auch den Beitrag von Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann). Und warum sollte eine Stadt ihre Plattform nicht auch anderen benachbarten Städten anbieten? Eine solche mandantenfähige Plattform könnte
schließlich auch zur Selbstbeobachtung der Verwaltungen genutzt werden,
nämlich dann, wenn Bürgerfeedback sich auf Verfahren des E-Government
und letztlich auch auf E-Partizipation selbst bezieht und so zur Modernisierung der Verwaltung beiträgt.
So gesehen sind Online-Bürgerhaushalte immer einzubetten in ein umfassendes E-Partizipation-Rahmenkonzept, das selbst wiederum – soweit die
entsprechenden Verfahren von staatlicher Seite initiiert und betreut werden –
3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte
67
als integraler Bestandteil des Ideen- und Wissensmanagements einer kommunalen Verwaltung insgesamt zu verstehen ist.
IV.
Der Kölner Bürgerhaushalt 2008 als wegweisendes Beispiel
Werden die hier angesprochenen Voraussetzungen beachtet, steigen die Erfolgswahrscheinlichkeiten für einen Bürgerhauhalt oder andere elektronisch
unterstützter Beteiligungsangebote. Dies zeigt das Beispiel Köln. In einer
Situation, in der die Verwaltung mit den vielfältigen Herausforderungen noch
unvertraut war, die eine Online-Bürgerbeteiligung mit sich bringt, in der es
nicht nur Promotoren und Befürworter des Verfahrens gab, sondern auch
Skeptiker und Gegner, und in der auch noch die Mehrheit der Bevölkerung
an die neuen Möglichkeiten elektronischer Beteiligung erst einmal herangeführt werden musste, sollte das Beteiligungsverfahren auch für ungeübte
Bürger einfach zu bedienen sein und diese ermutige, eigene Beiträge zu formulieren und fremde zu kommentieren; gleichzeitig sollte der Beteiligungsprozess den Druck auf Politik und Verwaltung nicht zu groß werden lassen.
Man entschied sich deshalb für ein elektronisches Vorschlagseingabeverfahren, das der Verwaltung erlaubt, eine konsultative Beziehung zum Bürger
aufzubauen (http://www.stadt-koeln.de/buergerhaushalt).
Bürger konnten Spar- oder Ausgabevorschläge zu den Themen „Sport“,
„Grünflächen“ und „Straße, Wege und Plätze“ machen. Jeder Vorschlag zu
diesen Themen, auf welchen Wegen er auch immer eingereicht wurde (per
Post, Tastatur oder Anruf im Call-Center der Stadt), gelangte auf die Plattform und war dort für jeden einsehbar. Wer sich als Teilnehmer registrieren
ließ, hatte dort außerdem die Möglichkeit, Vorschläge zu kommentieren und
zu bewerten. Am Ende des Verfahrens wurde zu jedem Thema eine Liste mit
den hundert am besten bewerteten Vorschlägen erstellt. Die Vorschlagslisten
wurden nach Beendigung der Beteiligungsphase an die Verwaltung übergeben, die sich verpflichtet hatte, jeden dieser dreihundert Vorschläge fachlich
zu prüfen und alle sich daraus ergebenden Änderungen in Form eines „Veränderungsnachweises Bürgerhaushalt“ dem Rat der Stadt Köln zu übergeben.
Am Ende des Verfahrens hatten sich trotz der Themenbegrenzung über
10.000 Bürger registriert, um über 4.700 Vorschläge und über 9.000 Kommentare einzugeben sowie über 52.000 Bewertungen abzugeben. Ebenso beeindruckend ist, dass alleine die Vorschläge 700.000 Mal von 100.000
verschiedenen Besuchern aufgerufen wurden. Die meisten Beiträge zeichnen
68
Oliver Märker / Josef Wehner
sich durch ihre lebensweltliche Nähe aus: Die Teilnehmer berichten von
Problemen und Missständen, die sie auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, beim Besuch der nächst gelegenen Grünanlage oder bei der Nutzung von
Sportanlagen beobachten. Die Beteiligungszahlen und die Qualität vieler
Beiträge, stimmen zuversichtlich. Kein Verfahren zuvor hat auch nur vergleichbare Zahlen erreicht. Vor allem die „Verkehrsdichte“ auf der Plattform
dokumentiert das starke Interesse an dem Verfahren, was sich erfreulicherweise auch in der starken Präsenz des Themas in den lokalen Medien widerspiegelte. Von Anfang an wurde der Bürgerhaushalt in Presse und Rundfunk
aufmerksam verfolgt, was sicherlich rückwirkend auch die öffentliche Wahrnehmung des Verfahrens unterstützt haben dürfte.
V.
Nach dem Bürgerhaushalt ist vor dem Bürgerhaushalt
Im Kölner Bürgerhaushalt hat sich die Ausgangsidee bewährt, ein Verfahren
zu konzeptualisieren, dass den Bürger vorrangig als Ideen- und Vorschlagsgeber zur Wirkung kommen lässt und ihn darüber entscheiden lässt, welche
Vorschläge er eher oben oder unten in der Bewertung sehen möchte. Manchem dürfte diese Lösung nicht weit genug gehen, weil stärker Web-2.0orientierte Modelle zum Bürgerhaushalt den Bürger als einen gleichberechtigten Partner anerkennen.
Diese Kritik verkennt jedoch nicht nur die technischen und organisatorischen Herausforderungen, die sich mit einem Verfahren wie dem Bürgerhaushalt für eine Stadt der Größenordnung von Köln verbinden, und deren
Bewältigung über die Nachhaltigkeit eines Bürgerhaushalts entscheiden. Sie
übersieht auch die bereits in einem konsultativen Beteiligungsformat angelegten Chancen einer Neuordnung der Beziehungen zwischen Bürger, Politik
und Verwaltung. Denn bereits mit ihr werden Verwaltung und Politik durchlässiger für Themen und Vorschläge der Bürger. Nicht nur, weil Verwaltung
und Politik sich verpflichtet haben, eingehende Vorschläge zu prüfen und
aufzugreifen, sondern weil das gesamte Verfahren der Bürgeranhörung eine
zuvor unbekannte Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewinnt. Die Bürger
können jetzt die behördliche Verarbeitung der von ihnen eingereichten Vorschläge weiterverfolgen und – zusammen mit den lokalen Medien, die im
Umgang der Stadt mit den Vorschlägen ein neues spannendes Thema sehen –
bei einer aus ihrer Sicht unbefriedigenden Beachtung wiederum öffentlich
Druck auf die Politik ausüben. Schon während des Kölner Verfahrens zeigte
3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte
69
sich, dass der Bürgerhaushalt in der massenmedialen Öffentlichkeit Resonanz findet. Zeitungen und Presse berichteten täglich über das Verfahren und
sorgten so für die erforderliche öffentliche Aufmerksamkeit.
All dies bedeutet nicht, dass Beteiligungsformate bzw. Plattformen, wie
sie in Köln und in anderen Städten zu beobachten ist, die erfolgreich OnlineBürgerhaushalte anbieten, nicht verbesserungsfähig seien. Auch wenn, wie
das Beispiel Köln zeigt, die Forderung nach einer Einbettung des Bürgerhaushalts in die Binnenstruktur ihrer Verwaltung von Anfang ernst genommen wurde, befinden sich die Kommunen gegenwärtig noch in einer Phase,
in der sie mit ihren Verfahren noch experimentieren und ihre Erfahrungen in
weitere Anpassungen und Veränderungen einfließen lassen. Angefangen von
den Funktionalitäten der Verfahren über die technische Unterstützung der
redaktionellen Arbeiten bis hin zum Workflow der Auswertung der Ergebnisse – in all diesen Hinsichten werden auch zukünftig weitere Anstrengungen vonnöten sein, um die Idee der Bürgerbeteiligung im kommunalen
Kontext nachhaltig zu verankern. Die Kommunen sollten sich dieser Aufgabe
nicht im Alleingang stellen, sondern ihre Möglichkeiten nutzen, Erfahrungen
auszutauschen, um Lern-, Standardisierungs- und Qualitätssteigerungseffekte
zu erzielen.
Eine Rahmenbedingung dürfte jedoch konstant bleiben: Die Möglichkeiten, durch Internettechnologien die Bürger zu beteiligen, werden immer davon abhängen, inwieweit Politik und Verwaltung bereit sein werden, sich als
Promotoren der Beteiligungsidee zu verstehen. Das Ziel kann also nicht sein,
einseitig technischen Potenziale auszuschöpfen, sondern die Technik durch
Verfahren so in Wert zu setzen, dass sie in den Routinebetrieb der Kommunen übernommen werden und so das Mitmachen der Bürgers nicht ins Leere
laufen lassen.
Literatur
Bertelsmann Stiftung und Innenministerium NRW 2004: Kommunaler Bürgerhaushalt: Ein Leitfaden für die Praxis. Strategien für die Zukunft vor Ort, Gütersloh/Düsseldorf: Bertelsmann Stiftung/Innenministerium NRW.
Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib); Zebralog 2008: E-Partizipation
– Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government.
Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern (http://www.e-konsultation.de).
70
Oliver Märker / Josef Wehner
Märker, O.; Nitschke U. 2008: Bürgerhaushalt als Rahmen einer Beteiligungskultur,
in: Ködelpeter, T.; Nitschle, U. (Hg.): Jugendliche planen und gestalten Lebenswelten. Partizipation als Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel, Wiesbaden:
VS-Verlag, 129–142.
Märker, O.; Wehner, J. 2007: E-Participation – Gewinnung bürgerschaftlicher Expertise zur Qualifikation von Planungs- und Entscheidungsprozessen, in: Zechner, A. (Hg.), Handbuch E-Government. Strategien, Lösungen, Wirtschaftlichkeit
und Impact (http://www.zebralog.de/pdf/MaerkerWehner_de.pdf, 23.9.2008).
3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 71
3.2
Haushaltsplanung 2.0 — Symbolische Politik
oder echte Mitbestimmung?
Maren Lübcke und Rolf Lührs
Immer mehr Kommunen binden die Bürger in die Haushaltsplanung
aktiv ein und nutzen dafür auch das Internet: Aktuelle Beispiele sind
Potsdam oder Köln. Mit Hamburg und Freiburg haben zwei deutsche
Großstädte gezeigt, dass Web-2.0-Ansätze erfolgreich zur bürgernahen Haushaltsdiskussion eingesetzt werden können. Auch für kleinere
Kommunen lohnt es sich, die Möglichkeiten des Internets für die aktive
Beteiligung der Bürger zu nutzen.
I.
Einführung
Mit der Idee der Bürgerhaushalte sind hohe Erwartungen verknüpft. Seit der
erfolgreichen Einführung 1989 in Porto Allegre (Brasilien) können Bürger
über die Aufstellung öffentlicher Haushalte diskutieren bzw. sogar abstimmen. Bürgerhaushalte dienen dazu, die Glaubwürdigkeit der Politik zu
erhöhen, das Wissen der Bürger vor Ort effektiver zu Nutzen und neue Wege
des Dialogs zwischen diesen beiden Gruppen in Zeiten angespannter Haushaltssituation zu initiieren (Nitschke/Marwede 2004).
In Deutschland spielen Beteiligungshaushalte bisher in erster Linie auf
kommunaler Ebene eine Rolle. So betont Thilo Sarazzin, Vorsitzender der
Konferenz der Finanzminister, dass durch die unmittelbare Betroffenheit der
Bürger ein partizipativer Ansatz für Kommunen sinnvoll sei. Dies könne für
Länderetas mit ihrer anderen „verfassungsrechtlichen Stellung“ aber nicht im
gleichen Umfang gelten (Sattler 2008).
Abgestimmt bzw. diskutiert werden kann über einen bestimmten Teil des
Etats oder über den gesamten Haushalt. In der Regel bleibt die Diskussion
über die Einnahmen und über die Erhebung von Steuern außen vor, die Bürger diskutieren vornehmlich über die Ausgabenseite. Bürgerhaushalte können
in Form von Umfragen, Bürgerversammlungen und Internetbefragungen
durchgeführt werden.
Die Idee der Bürgerhaushalte ist nicht unmittelbar mit Neuen Medien verbunden, sie gewinnt aber durch sie zusätzlich an Bedeutung. Werden klassi-
72
Maren Lübcke / Rolf Lührs
scherweise Internetseiten nur zur statischen Informationsaufbereitung eingesetzt, bekommt durch den Einsatz eines Online-Haushaltsrechners ein Bürgerhaushalt eine ganz eigene, ansprechende Qualität.
Kern ist eine Internetplattform, die Bürgern die Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung ermöglicht. Die Anwendung bildet auf der Basis
echter Zahlen einen konkreten Haushalt ab. Alle Bürger können nun ihre
eigenen Haushalte aufstellen und die Ausgangsbudgets so verändern, wie sie
es für richtig halten. Die einzige fest im System verankerte Spielregel lautet,
dass die zur Verfügung stehende Gesamtsumme nicht überschritten werden
darf.
Dahinter steckt ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Indem sich die Bürger
intuitiv und spielerisch dem kommunalen Haushalt nähern, bekommen sie
ein Gefühl für die Möglichkeiten und Grenzen der Haushaltsplanung. Die
Nutzer erfahren, was es bedeutet, unter Bedingungen knapper Ressourcen
und gesetzlich vorgeschriebener Leistungen politische Wunschvorstellung zu
realisieren. Die Städte, Länder und Kommunen erhalten im Gegenzug mehr
Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung.
Im Folgenden werden die Ergebnisse von zwei im Internet realisierter Beteiligungshaushalte vorgestellt. Hamburg ist bisher der einzige 2.0-Haushalt,
der auf Landesebene durchgeführt wurde. Wie im zweiten Fallbeispiel Freiburg durften die Bürger hier über den Gesamthaushalt beraten. In Freiburg
wurde zudem der Haushalt unter geschlechterspezifischen Aspekten (Gender
Budgeting) diskutiert.
II.
Das Verfahren
Die Beteiligungshaushalte in Hamburg und Freiburg wurden mit Hilfe des
DEMOS-Verfahrens realisiert. Dieses Verfahren besteht aus einer Beteiligungsmethodologie, einer Plattform für Onlinediskussionen sowie dem
Haushaltsrechner. DEMOS ermöglicht es, im Rahmen von Online-Diskussionen Experten-, Bürger- und Politikdiskurse miteinander zu verzahnen.
Dabei greift das DEMOS-Verfahren auf bewährte Methoden aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung zurück. So werden qualitative und
quantitative Auswertungsmethoden eingesetzt, um die Komplexität einer sich
dynamisch entwickelnden Diskussion so zu reduzieren, dass der Verlauf auch
dann nachvollzogen werden kann, wenn die Beiträge nur selektiv gelesen
werden. Dafür werden die Ergebnisse den Teilnehmenden in Form von Zu-
3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 73
sammenfassungen, Umfrage- oder Abstimmungsergebnissen oder als gemeinsam weiterzuentwickelnde Wikis präsentiert (mehr zum DEMOS-Verfahren in Lührs/Hohberg 2007a).
Zentral für den Haushaltsrechner ist die Aufteilung des öffentlichen
Haushalts in verschiedene Produktbereiche, die mit detaillierten Informationen ergänzt werden. Der Anteil der jeweiligen Bereiche am Gesamtetat des
Haushalts wird durch eine Tortengrafik dargestellt. Die Teilnehmenden können nun den entsprechenden Posten mehr oder weniger Geld zuweisen. Das
Budget darf jedoch nicht überzogen werden. Darüber hinaus haben die Beteiligten die Möglichkeit, jede Veränderung in einem Textfeld zu kommentieren
und zu begründen. In Freiburg wurden diese Begründungen in ein eigenes
Forum eingespeist und konnten dort wie andere Beiträge auch gelesen und
diskutiert werden.
III. Hamburg
Der Bürgerhaushalt Hamburg wurde auf Grundlage des DEMOS-Konzeptes
unter dem Titel „Was wollen wir uns leisten? Bürgerbeteiligung an der Hamburger Haushaltsplanung“ im Zeitraum 18.4.–12.5.2006 unter der Adresse
www.hamburg-haushalt.de durchgeführt (ausführlich dazu Lührs/Hohberg
2007b)
Ziel dieser Diskussion war es, die Bürger nach ihren Einstellungen und
Meinungen zu befragen, konkrete Einsparungsvorschläge zu entwickeln und
eine breite Diskussion zur Hamburger Haushaltslage zu initiieren.
Auf der Plattform waren die insgesamt 34 Produktbereiche des Hamburger Haushalts dargestellt. Mit einem Schieberegler konnten die jeweiligen
Einzeletats um bis zu 50% reduziert bzw. erhöht werden. Um die öffentliche
Aufmerksamkeit zu erzielen, entwarf die TuTech Innovation GmbH im Vorfeld eine detaillierte PR-Kampagne, die unter anderem die Einbeziehung von
Prominenten vorsah.
Während der vierwöchigen Diskussion registrierten sich 2.870 Benutzer,
die 2.138 individuelle Haushalte aufstellten und kreativ und konstruktiv diskutierten.
Insgesamt wurden 38 konkrete Entwürfe zu einzelnen Haushaltsbereichen
entwickelt, die von alternativen Hafenerweiterungsstrategien über eine Ressourcen schonende Verwaltung bis hin zur „Entrümpelung des Schilderwaldes“ reichten. Als Experten stellten sich Rüdiger Kruse (Haushalts- und
74
Maren Lübcke / Rolf Lührs
Finanzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion) sowie die Universitätsprofessoren Dietrich Budäus (Public Management) und Dieter Läpple (Stadt- und Regionalökonomie) zur Verfügung.
IV.
Freiburg
Der Beteiligungshaushalt in Freiburg zeichnete sich durch ein übergreifendes
Konzept aus, das die Säule „Online-Haushaltsrechner“ mit einer Stadtkonferenz kombinierte sowie durch eine repräsentative Umfrage ergänzte. Darüber
hinaus erhielt der Beteiligungshaushalt eine thematische Fokussierung. Es
ging darum, den Haushalt unter Aspekten des Gender Budgetings wahrzunehmen und damit die Öffentlichkeit für das Anliegen der Chancengleichheit
von Männern und Frauen zu sensibilisieren. Der Beteiligungshaushalt wurde
im Rahmen des Programms „Chancen = Gleichheit“ der Landesstiftung Baden-Württemberg realisiert. Das Ziel ist, die Chancengleichheit von Frauen
und Männern in verschiedenen Lebensbereichen durch modellhafte und innovative Praxis- und Forschungsprojekte zu fördern.
Die Ergebnisse des Beteiligungshaushalts sollen in die Beratungen des
Gemeinderates über den Doppelhaushalt 2009/2010 einfließen. Basierend auf
den Zahlen von 2005 wurden 25 unterschiedliche Haushaltsposten 13 Produktbereichen zugeordnet. Die Haushaltsposten konnten in beliebigen Schritten verändert werden, im Unterschied zu Hamburg war es auch möglich,
einzelne Posten ganz auf 0 zu setzen oder Ausgaben zu verdoppeln.
Der Freiburger Bürgerhaushalt lief im Zeitraum 7.4.–9.5.2008 unter der
Adresse www.beteiligungshaushalt.freiburg.de. Es registrierten sich 1.862
Nutzer, die insgesamt 1.291 Haushalte einreichten. 757 Beiträge wurden
verfasst, die Eingang in 16 Themenwikis fanden.
Am 24.4.2008 diskutierte Prof. Christine Färber zur Bedeutung des Geschlechts für den Finanzhaushalt mit den Nutzern. Davor hatten bereits Annette Schubert und Clemens Heidenreich von der Stadt Freiburg die Fragen
der Bürger zum Beteiligungshaushalt beantwortet.
V.
Die Teilnehmer
Sowohl in Hamburg als auch in Freiburg wurden die Teilnehmenden zu Beginn gebeten, einige persönliche Angaben zu machen. An beiden Diskussionen beteiligten sich mehr Männer als Frauen. In Hamburg war dies besonders
3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 75
deutlich mit einem Verhältnis von 85% zu 15%. In Freiburg lag der Frauenanteil mit 38,5% deutlich höher.
Frauen
Männer
90
85
80
70
61,5
in Prozent
60
50
40
38,5
30
20
15
10
0
Freiburger Haushaltsdiskurs
Hamburger Haushaltsdiskurs
Abb. 3.2-1 Geschlecht der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg
und Freiburg (Quelle: Hamburger und Freiburger Beteiligungsverfahren)
Die Altersstruktur der Teilnehmenden weist sowohl interessante Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Während sich die durchschnittliche
Hamburger Bevölkerung relativ ähnlich zu der Freiburgs verteilte, und in
beiden Diskussionen die bis 25-jährigen und über 64-jährigen deutlich unterrepräsentiert waren (sie stellten in beiden Diskussionen zusammen nur 18%
im Unterschied zu 42% in der Bevölkerung), war die Gruppe der 40- bis 64jährigen in Freiburg mit 50,7% in der Mehrheit, während in Hamburg diese
mit 51,1% von den 25- bis 39-jährigen gestellt wurde.
Darüber hinaus zeigt die Datenanalyse, dass für beide Haushaltsdiskurse
in erster Linie eine Bevölkerungsgruppe mit vergleichsweise hohem Bildungsstand gewonnen werden konnte. Etwa 75% der Teilnehmenden in
Hamburg verfügten über eine (Fach-) Hochschulreife oder hatten ein (Fach-)
Hochschulstudium abgeschlossen, in Freiburg lag der Anteil dieser Gruppe
sogar bei 85%.
76
Maren Lübcke / Rolf Lührs
Freiburger Bevölkerung 2006
Freiburger Beteiligungshaushalt 2008
Hamburger Haushaltsdiskurs 2006
Hamburger Bevölkerung 2005
60,0
51,1
50,7
Verteilung in Prozent
50,0
40,0
32,7
30,9
30,0
20,0
25,0
15,7
15,2
11,1
10,0
5,0
30,6
24,7
18,3
15,9
13,3
8,4
33,1
8,2
4,9
3,0
1,9
0,0
unter 18
18 - 24
25 - 39
40 - 64
65 und älter
Altersgruppen
Abb. 3.2-2 Altersstruktur der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg und Freiburg (Quelle: Hamburger und Freiburger Beteiligungsverfahren)
VI.
Die Prioritäten der Bürger
Sieht man von den unterschiedlichen Zuschnitten der Haushaltsposten in
Hamburg und Freiburg ab, so setzten die Bürger der beiden Städte sehr ähnliche Prioritäten, wie sie die zukünftigen Mittel in ihren Städten verwendet
sehen wollen. So sprachen sich in Hamburg die Teilnehmenden für eine Aufstockung der Etats in den Bereichen Schule (auf 110%) und Kindertagesbetreuung (auf 111%) aus. Auch der Wissenschaft wurde ein etwas größeres
Budget (107%) zugestanden. Der Bereich der Schulen sollte auch in Freiburg
mit 111% die deutlichste Etataufstockung erfahren. Sehr eng beieinander
lagen zudem die Bereiche „Soziale Hilfe + Kinder-, Jugend-, Familienhilfe“
mit einem plus von 108%, „Volkshochschulen, Bibliotheken, kulturpädagogische Einrichtungen“ mit 107% und „Sport und Bäder“ mit 106%.
Interessanterweise ergibt sich auch eine große Ähnlichkeit bei den Sparvorstellungen der Bürger – sieht man einmal von den Unterschieden zwischen einem kommunalen und einem Länderhaushalt ab. Von Einsparungen
besonders betroffen in Hamburg waren die Finanzbehörde mit verbleibenden
79% des ursprünglichen Etats, der Produktbereich Bauordnung und Hochbau
mit 81% sowie das Landesamt für Verfassungsschutz mit 82%.
Inwiefern die Hamburger ihren Haushalt im Detail zu konsolidieren oder
umzuverteilen versuchen, zeigen die entwickelten Wikis. Die 38 erarbeiteten
Vorschläge sind vielschichtig, lassen sich aber in drei große Bereiche eintei-
3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 77
len: konkrete Einsparpotenziale, Maßnahmen zur Schaffung von Mehreinnahmen und langfristige investitionsbasierte Verbesserungsstrategien.
In Freiburg sah sich der Bereich Wirtschaft und Tourismus den stärksten
Einsparungen ausgesetzt (77%). Nennenswert sind zusätzlich die Bereiche
Stadtentwicklung und Sicherheit und Ordnung mit je 89% des ursprünglichen
Budgets. Sehr kontrovers und nahezu über den gesamten Zeitraum der Online-Diskussion hinweg wurde in Freiburg das Thema der Theatersubventionen diskutiert.
VII. Resümee
Trotz des schwierigen und komplexen Themas ist die Durchführung von
Online-Bürgerhaushalten keine Seltenheit mehr. Die hier vorgestellten Beispiele stellen jedoch Besonderheiten dar.
Zum einen hat die Diskussion in Hamburg gezeigt, dass Beteiligungshaushalte auch auf Länderebene erfolgreich eingesetzt werden können. Dabei
ist deutlich geworden, dass eine Integration der ansonsten doch eher getrennt
verlaufenden Experten-, Bürger- und Politikdiskurse im Rahmen einer solchen Internetdiskussion durchaus gelingen kann, wurde doch das Engagement der Experten und Politiker mit sehr positiver Resonanz belohnt.
Freiburg zeigt, dass die Diskussion über öffentliche Haushalte nicht allgemein geführt werden muss, sondern erfolgreich thematisch gerahmt werden kann. Zwar stand das Thema Gender Budgeting nicht unbedingt im
Mittelpunkt der haushaltspolitischen Diskussion. Die relativ hohe Beteiligungsquote von Frauen spricht jedoch für den Erfolg dieser Schwerpunktsetzung.
Die Gesamtauswertung der Haushaltsentwürfe verdeutlicht, dass die Bürger sparwillig sind. Insgesamt sollten 3,2% des ca. 10 Mrd. umfassenden Gesamtbudgets, das der Stadt Hamburg 2005 zur Verfügung stand, eingespart
werden, in Freiburg summierten sich die Haushaltsveränderungen auf Einsparungen von immerhin 1% des Gesamtetats auf.
Mit Hamburg und Freiburg haben zwei deutsche Großstädte gezeigt, dass
Web-2.0-Ansätze erfolgreich im öffentlichen Bereich eingesetzt werden können. Aber auch für kleinere Kommunen lohnt es sich, die Möglichkeiten des
Internets für die aktive Beteiligung der Bürger zu nutzen. Der hier vorgestellte Haushaltsrechner ist ein kostengünstiges und effektives Instrument zur
Realisierung internet-basierter Bürgerhaushalte. So kann der Haushaltsrech-
78
Maren Lübcke / Rolf Lührs
ner leicht in bestehende kommunale Webseiten integriert oder mit anderen
interaktiven Angeboten wie bspw. Bürgermeister-Blogs, kombiniert werden
(mehr Informationen dazu unter www.buergerhaushalt-online.de).
Literatur
Lührs, R., Hohberg, B. (2007a): familiendiskurse.de, in: Stiftung Mitarbeit & Initiative eParticipation (Hg.): E-Partizipation. Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge zur Demokratieentwicklung Nr. 21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit, Bonn,
30–53.
Lührs, R., Hohberg, B. (2007b): Was wollen wir uns leisten? Hamburger Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an der Haushaltsplanung, in: Stiftung Mitarbeit &
Initiative eParticipation (Hg.): E-Partizipation. Beteiligungsprojekte im Internet.
Beiträge zur Demokratieentwicklung Nr. 21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit,
54–72.
Nitschke, U.; Marwede, M. 2004: Chancen kommunaler Entwicklungszusammenarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15–16, 33–38.
Sattler, K.-O. 2008: Abstimmen im Rotstift-Bezirk, in: Das Parlament Nr. 09–10,
25.2.2008.
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
3.3
79
Kulturmanagement 2.0 —
Kommunales Kulturmarketing im Internet
Simon A. Frank
Wirft man einen Blick in die aktuellen Fachpublikationen, so ist häufig
zu lesen, dass die Übertragung der Web-2.0-Ideen auf das Marketing
einer „Revolution“ gleicht. Ob dies wirklich der Fall ist bleibt fraglich, fest steht jedoch, dass die Entwicklung zum Web 2.0 einige neue,
interessante Möglichkeiten eröffnet hat. Exemplarisch werden im Folgenden (nach einigen kurzen Überlegungen zur Planung von OnlineMarketing-Maßnahmen) drei Beispiele vorgestellt, die einen kleinen
Eindruck davon geben sollen, wie Web-2.0-Anwendungen (Blogs und
Podcasts, Community- und Suchmaschinen-Marketing) neue Impulse
für das kommunale Online-Kulturmarketing geben können.1
I.
Kulturmanagement und Online-Kulturmarketing
Internet-Marketing ist gerade im Zusammenhang mit kommunalem Kulturmarketing nicht als losgelöste Aufgabe oder Funktion zu sehen, sondern
muss als ein Instrument innerhalb des Marketing-Management-Prozesses und
der Öffentlichkeitsarbeit verstanden werden (siehe dazu u.a. Klein 2005).
Erst wenn die entsprechenden Marketingstrategien, wie inhaltliche Zielsetzung, Zielpräzisierung (z. B. durch ein Mission Statement) festgelegt und
entsprechende Analysen durchgeführt worden sind, kann über den Einsatz
der Marketinginstrumente, zu dem das Internet zu zählen ist, entschieden
werden. Auf die strategische Planung, die eine zentrale Rolle spielt und die
häufigste Ursache für das Scheitern von Online-Marketingmaßnahmen ist,
kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, es existieren dazu
aber eine Vielzahl an Arbeiten, die sich eingehend damit beschäftigen (Klein
2005; Hörner 2006; Schmahl 2007). Festzuhalten bleibt, dass vorab ein trag1 Auf „klassische“ Instrumente des Online-Marketings (wie etwa Bannerwerbung oder
Newsletter-Marketing) wurde im Folgenden mit Absicht verzichtet (dazu ausführlich
Frank 2008), ebenso auf das für das Web 2.0 wichtige Konzept des user-generatedcontent (UGC), auf das aufgrund anderer Artikel in diesem Sammelband nicht detailliert eingegangen wird.
80
Simon A. Frank
fähiges Konzept entwickelt werden sollte, in dem Fragen wie „An wen richten sich die Internet-Marketing-Aktivitäten?“ und „Welche Ziele sollen erreicht werden (z.B. Markenpflege, Neukundengewinnung, Adressgewinnung,
Bindung des vorhandenen Kundenstamms etc.)?“ beantwortet werden sollten
(Hohn 2004: 173 ff.; Hörner 2006: 63 f.).
Bevor im nächsten Abschnitt einzelne Instrumente vorgestellt werden, sei
noch auf zwei wichtige Punkte bei der Umsetzung hingewiesen: Für die erfolgreiche Planung von Internet-Marketing-Aktivitäten empfiehlt es sich, auf
die speziell für diesen Bereich konzipierten Methoden des Online- oder WebProjektmanagements zurückzugreifen, um bei der Ressourcen-Planung und
dem Budget den Überblick zu behalten (Friedlein 2002, Kaiser 2007). Für
die Auswertung, Analyse und das Marketing-Controlling ergeben sich durch
das Internet vielfältige neuen Möglichkeiten (Log Analyse, Cookies, Google
Analytics etc.), die im Folgenden nicht weiter erwähnt werden können; auch
hier kann nur auf weiterführende Literatur verwiesen werden (Heindl 2003;
Kaiser 2007: 312 ff.).
II.
Web-2.0-Anwendungen für das Online-Kulturmarketing
Eine Übersicht aller Web-2.0-Marketinginstrumente kann in diesem Rahmen
leider nicht gegeben werden, dies wäre durch die ständigen Änderungen und
Neuerungen in diesem Bereich auch ein schwieriges Unterfangen. Stattdessen sollen im Folgenden anhand von drei Beispielen exemplarisch die neuen
Möglichkeiten des Web 2.0 aufgezeigt werden.
Kulturmarketing mit neuen Technologien
Neben neuen Geschäftsmodellen steht Web 2.0 auch für einige neue (und
wiederentdeckte) Softwaretechnologien, Programmier- und Markup-Sprachen wie Ajax, Webservices, Ruby, iCalendar und Atom. RSS ist eine der
bekanntesten Technologien, die untrennbar mit der Web-2.0-Idee verbunden
ist. Es handelt sich dabei um ein elektronisches Nachrichtenformat, das es
dem Nutzer ermöglicht, die Inhalte einer Website (oder Teile davon) zu
abonnieren, d. h. automatisch regelmäßig informiert zu werden, wenn sich
der Inhalt einer Website ändert oder neue Meldungen vorhanden sind. Im
Unterschied zu E-Mails geht die Initiative nicht von dem Websitebetreiber,
sondern von dem Empfänger aus. Neue Inhalte werden automatisch von der
Website des Anbieters auf das RSS-fähige Endgerät (einen PC oder aber
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
81
auch andere Geräte wie MP3-Player oder Handy) geladen. Der Abonnent
solcher RSS-Feeds hat zudem die Möglichkeit, die Informationen nach individuellen Kriterien vorsortieren zu lassen. So kann man beispielsweise auf
der Website des Deutschlandfunks nur die Kulturnachrichten als RSS-Feed
abonnieren. Sobald auf dem Online-Angebot des Deutschlandfunks eine neue
Nachricht aus dem Kulturbereich veröffentlicht wird, erhält der Abonnent
des RSS-Feeds eine entsprechende Information. Für das kommunale Kulturmarketing sind RSS-Feeds ein äußerst interessantes Instrument, vor allem, da
dafür nur ein sehr geringer technischer Aufwand notwendig ist. Trotzdem
bieten Städte und Gemeinden noch viel zu selten (Kultur-) Nachrichten auch
im RSS-Format an und lassen so die Möglichkeiten dieser automatisierten
und standardisierten Verteilung von Nachrichten im Internet ungenutzt.
Aber nicht nur Textbeiträge sind mit RSS abonnierbar. Der Deutschlandfunk stellt einen großen Teil der im Radio gesendeten Beiträge ebenfalls per
RSS-Feed als Audio-Datei zur Verfügung. Besitzt man einen MP3-Player
oder ein neueres Handy, wird diese Datei automatisch übertragen, der Audiobeitrag ist somit auch unterwegs verfügbar und kann jederzeit abgerufen
werden – eine Form des radio on demand. Werden die Audio- oder Videobeiträge gezielt für das Internet produziert, spricht man von Podcasts. Ursprünglich sind damit von Amateuren gedrehte, zwei- bis fünfminütige
Audio- oder Videobeiträge gemeint, die auf privaten Websites veröffentlicht
werden. Schnell wurde dieses Format jedoch von der Medien- und Werbebranche aufgegriffen und findet inzwischen nahezu überall Einsatz. Neben
dem von Spiegel Online unterstützten Ehrensenf (www.ehrensenf.tv) zählt
wohl auch Angela Merkels wöchentliche Video-Ansprache auf
www.bundeskanzlerin.de zu einem der bekanntesten Podcasts.
Für das Kulturmarketing lässt sich ein solches Format produktiv einsetzen, wie etwa das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA) demonstriert: Seit September 2005 veröffentlicht das Museum monatlich einen
Podcast mit dem Namen „SFMOMA Artcast“, der mit Bild und Ton über
aktuelle Ausstellungen informiert, beispielsweise durch Interviews mit
Künstlern oder Kuratoren. Diese monatliche Videobotschaft ist inzwischen
vielfach ausgezeichnet worden, z.B. mit dem Muse Award 2006, und wird
deshalb von vielen amerikanischen Museen in ähnlicher Form angeboten.
Auch in Deutschland gibt es bereits vereinzelt Experimente mit dieser Art
des Online-Marketings, z. B. von dem Museum für Vor- und Frühgeschichte
in Berlin, dessen Konzept eines Kultur-Podcasts durchaus auf kommunales
Kulturmarketing übertragen werden könnte. Es handelt sich um den „Skythen
82
Simon A. Frank
Podcast“ für die Ausstellung „Königsgräber der Skythen“, Juli bis Oktober
2007 (http://www.skythen-podcast.de; für eine ausführliche Darstellung der
Potenziale von RSS und Podcasts siehe u.a. Alby 2007: 73 und Weibel et al.
2007).
Suchmaschinen-Marketing im „Long Tail“
Search Engine Marketing (SEM) ist ein Bereich, mit dem sich Webentwickler und Online-Marketing-Experten bereits seit einigen Jahren beschäftigen.
SEM ist deshalb auch nicht ausschließlich dem Web 2.0 zuzuordnen, steht
jedoch in direktem Zusammenhang mit der „Long Tail“-Theorie, die man als
ein Pfeiler des Web-2.0-Konzepts bezeichnen kann und deshalb unbedingt
hier erwähnt werden soll.
Die „Long-Tail“-Theorie wurde von Chris Anderson in einem Artikel
im Wired Magazine im Herbst 2004 erstmals vorgestellt
(http://www.wired.com/wired/archive/12.10/tail.html) und in einer kurz darauf erschienen Monographie (Anderson 2006) weiterentwickelt. Anderson
beschreibt darin seine Vorstellung der zukünftigen Entwicklung des Internets, die er durch Beobachtung des Marktes und der fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft gewonnen hat. Anderson stellt die These auf,
dass die Zukunft des Unterhaltungsmarkts nicht mehr wie bisher durch den
Verkauf einiger weniger Hits an der Spitze der Bestsellerlisten bestimmt
wird, sondern dass der neue Markt in den Millionen von Nischen, die sich
hinter den Bestsellern entwickelt haben, liegen wird. Durch das Internet, so
Anderson, ist es nun möglich, diese Nischenprodukte effektiv zu verkaufen,
da es durch die Technik des neuen Mediums sozusagen keine Einschränkungen in der Größe der Produktpalette gibt. Um ein Beispiel zu nennen: Eine
amerikanische Buchhandelskette führt im Durchschnitt etwa 100.000 Titel,
wobei hier natürlich nur Bücher in die Regale gestellt werden, die als gut
verkäuflich gelten. Der Online-Buchhändler Amazon, der etwa 3,7 Millionen
Titel im Angebot hat, macht jedoch nur etwa ein Viertel seiner Umsätze mit
diesen 100.000 meist verkauften Titeln. Der größte Umsatz wird mit den
restlichen 3,6 Millionen Büchern gemacht – zum größten Teil Fachbücher
und „exotische“ Titel, die teilweise nur alle paar Jahre bestellt werden und
deshalb in einer Buchhandlung mit teuren Regalplätzen nicht wirtschaftlich
vertrieben werden könnten. Im Internet ist dies möglich, da durch die Bereitstellung von Content wie Produktfotos, Textauszüge, Bewertungen etc. nur
zu vernachlässigende Kosten entstehen. Visualisiert man dieses Kaufverhalten der Internetnutzer, indem man auf die Y-Achse die Anzahl der Verkäufe
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
83
und auf der X-Achse die Produkte nach Reihenfolge ihrer Verkaufsstatistik
zeichnet, wird der „Rattenschwanz“, der „Long Tail“, sichtbar, der in den
letzten Jahren immer mehr gewachsen ist. Anderson beobachtet zudem dieses
„Long-Tail“-Phänomen nicht nur bei Online-Buchhändlern, sondern auch in
vielen anderen Branchen.
Ein kurzes Beispiel aus dem Museums-Bereich, dass sich jedoch ebenso
auf kommunales Kulturmarketing übertragen lässt, soll zeigen, warum der
„Long-Tail“ im Bereich Suchmaschinenoptimierung für Kulturmarketing
eine wichtige Rolle spielt: Für die Planung einer Städtereise konsultieren laut
des Verbandes Internet Reisevertrieb inzwischen 68% der Deutschen das
Internet (Stand 2007). Immer weniger nehmen einen klassischen (Kultur-)
Reiseführer zur Hand, aus dem bisher hauptsächlich die „Kulturtipps“ entnommen wurden. Die Informationsbeschaffung sieht inzwischen meist anders aus. Für die Reiseplanung wird die Suchmaske einer Suchmaschine wie
Google oder Yahoo aufgerufen. Dort werden dann die dem Interesse entsprechenden Suchworte eingegeben, beispielsweise „moderne Kunst (in) Stuttgart“. Bietet ein Reiseführer in der Regel eine überschaubare Anzahl an
Empfehlungen („Die fünf bekanntesten Museen Stuttgarts“), so liefert die
beschriebene Suchanfrage bei Google 1,7 Millionen Treffer (Oktober 2007).
Und während an der Spitze der Liste eines Reiseführers vermutlich die
Staatsgalerie oder das Kunstmuseum zu finden wären, sind diese zwei Institutionen bei Google unter den ersten hundert Treffern nicht zu finden, obwohl in beiden Häusern zu diesem Zeitpunkt beachtliche Ausstellungen
moderner Kunst zu sehen waren.
Die Suchergebnisse auf den ersten Plätzen waren jedoch Websites kleinerer Galerien und eher unbekannter Künstler. Die Ursache ist offensichtlich:
Durch die Suchmaschinen hat der Benutzer nicht nur Zugriff auf die „Bestseller“, sondern auch auf die „exotischen“ Angebote, den „Long Tail“. Die
Trefferliste der Suchmaschine, die Ergebnisse nach anderen Gesetzen sortiert
als der Reiseführer, ermöglicht damit eine andere Auswahl an Möglichkeiten.
Was vor fünfzehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ist nun nicht mehr
auszuschließen: Es ist durchaus möglich, dass der Reisende sich für den Besuch einer kleinen privaten Galerie eines „Hobbykünstlers“, die er durch
Google zufällig entdeckt hat, entscheidet und nicht für die „Highlights der
Moderne“ in der Staatsgalerie, die er per Google gar nicht gefunden hatte.
Dieses Beispiel veranschaulicht, warum es von entscheidender Bedeutung
ist, in Suchmaschinen präsent und gut platziert zu sein. Mit der Frage, wie
man in Suchmaschinen optimal gefunden wird, beschäftigt sich das Suchma-
84
Simon A. Frank
schinen-Marketing. Unter Search Engine Optimization (SEO) versteht man
die Technik, die Inhalte der eigenen Website optimal, d. h. „suchmaschinenfreundlich“ zu präsentieren, um ein optimales Ranking (Platzierung)
in den Suchmaschinen zu erreichen (wegen eines Marktanteils von über 90%
insbesondere bei Google).
Da die Suchmaschinenbetreiber ihre Daten durch Softwareprogramme,
sogenannte Crawler oder Searchbots, automatisiert erstellen, ist es von
höchster Wichtigkeit, dass die eigene Website nicht nur für das menschliche
Auge, sondern auch für diese Softwareprogramme äußerst „attraktiv“ ist.
Vereinfacht kann man sagen, dass man dafür Sorge tragen muss, dass der
XHTML-Quelltext der Website „maschinenlesbar“ ist, insbesondere für die
relevanten Keywords (Schlagworte). In dem oben genannten Beispiel wurde
möglicherweise versäumt, das Keyword „moderne Kunst“ ausreichend suchmaschinenfreundlich in den Programmcode zu integrieren. Dass deshalb die
zwei Museen in Google nicht gleich gefunden wurden bzw. schlecht platziert
waren, kann noch weitere Gründe haben (wie beispielsweise der „Bekanntheitsgrad“ einer Website, der Google Page Rank).
Die Alternative oder Ergänzung zu Suchmaschinen-Optimierung ist die
Suchmaschinen-Werbung, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll
(Frank 2008: 560 f.; Alby 2007: 156 ff.).
Blog- und Community-Marketing
Während es in vielen Branchen bereits üblich ist, Marketing in OnlineCommunities zu betreiben, ist dies im Kulturbetrieb (insbesondere im kommunalen Marketing) noch eher selten zu beobachten. Wichtig ist dabei, dass
nicht einfach nur Werbung in den Communities geschaltet wird, sondern dass
sich die Institution produktiv an der Community beteiligt, indem diese interessanten Content für die Online-Gemeinschaft liefert. Als ein Beispiel könnte man die Aktivitäten des MoMA in YouTube nennen, die zeigen, wie dies
für einen Kulturbetrieb aussehen könnte. Für diese bekannte VideoCommunity, auf der täglich über sechzigtausend Videos von den Mitgliedern
eingestellt werden und etwa 100 Millionen Videos angesehen werden, produziert das New Yorker Museum regelmäßig spezielle Filme und stellt diese,
wie die anderen Mitglieder der Community, kostenlos zum Betrachten zur
Verfügung. Diese kurzen, ca. fünfminütigen Filme, die beispielsweise den
Aufbau einer Ausstellung dokumentieren, Auszüge aus Vorträgen zeigen
oder im Stil von Musik- oder Werbeclips auf aktuelle Ausstellungen hinweisen, unterscheiden sich nicht von den Videobeiträgen der anderen YouTube-
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
85
Mitglieder. Das MoMA beteiligt sich also an dem Videotausch- und Kommunikationsprozess der Community. YouTube-Benutzer, die nach Clips mit
Stichworten wie „New York“ und „art“ suchen, stoßen so auf die Filme des
MoMA. Anders als bei Werbung werden die Benutzer nicht dazu genötigt,
die Videos zu sehen, sondern betrachten diese freiwillig. Das geschieht häufiger, als man glauben möchte: Ein Video, das von Mai bis Oktober 2007 auf
eine Ausstellung Richard Serras aufmerksam machte, wurde beispielsweise
über 65.000 Mal angesehen. Die Communtiy-Funktionen, die das Kommentieren und Bewerten von Videos ermöglichen, können zudem ausgewertet
werden, um die Response der Community einzuschätzen. So schreibt eine
YouTube-Userin als Kommentar zu einem MoMA-Video: “it’s great that this
museum doesn’t mind giving art lovers a look into their art work unlike other
museums that don’t even allow you to take photography”. Die Begeisterung
lässt erahnen, welche Potenziale in einem produktiven Engagement in Communities stecken, die täglich Millionen Menschen nutzen.
Da die Produktionskosten für solche Internet-Videos durch die stetig
günstig und trotzdem immer leistungsfähiger werdenden Kameras immer
geringer werden, sind Videos auch für kommunales Marketing mit kleinen
Budgets eine Option. Regelmäßige zwei- bis fünfminütige Videobotschaften
aus dem Kulturamt von geplanten oder durchgeführten Veranstaltungen oder
Interviews mit (prominenten) Personen sind jedoch noch die Ausnahme,
obwohl darin – gerade in Verknüpfung mit Plattformen wie YouTube oder
MyVideo – große Potenziale stecken.
Ähnlich wie bei Communities ist in Deutschland auch Zurückhaltung bei
Blogs zu beobachten: Im Vergleich zu anderen Ländern wird hier mit dem
Thema auch noch sehr zögerlich umgegangen. Ende 2005 kannten 57% der
befragten Führungskräfte europäischer Unternehmen den Begriff „Blog“
noch gar nicht (Eck 2006: 202). Ganz anders in den USA, wo 2005 die „Blogosphäre“ (die Gesamtheit aller Blogs) schon als ein wichtiges Element für
das Marketing erkannt worden ist (Eck 2006: 204).
Da die Erstellung und Veröffentlichung von Blogs von diversen Anbietern kostenlos angeboten werden, kann prinzipiell jeder, der über einen
Internet-Zugang verfügt, einen Blog erstellen und sich als Laien-Journalist
betätigen. Die Betreiber der Blog-Suchmaschine Technorati schätzen, dass es
derzeit etwa 1,2 Milliarden Blogs weltweit gibt und täglich etwa 1,6 Millionen Blog-Beiträge erstellt werden. In Deutschland wird die Zahl der Blogs
auf etwa 300.000 geschätzt; bekannte Blogs wie das BILDblog, Spreeblick
oder Don Alphonsos Blogbar haben bis zu 50.000 Leser pro Tag (Eck 2006:
86
Simon A. Frank
204). Blogs unterscheiden sich von normalen Websites technisch und inhaltlich in einigen Punkten, wie etwa die einfache Verlinkung durch Permalinks,
die Vernetzung untereinander durch Blogrolls, die RSS-Feed-Fähigkeit und
die Analyse von Zitaten durch den Trackback. Für eine detaillierte Beschreibung kann nur auf die Literatur verwiesen werden kann (Alby 2007: 22ff und
Eck 2006: 201 ff.).
Die interessanteste Funktion von Blogs ist jedoch, dass die Beiträge in
dem Blog von jedem Leser kommentiert werden können, sodass ein Blog
also in zweifacher Hinsicht User Generated Content ist. Wichtig ist auch
darauf hinzuweisen, dass die meisten Blogger dies als Hobby betreiben und
keine kommerziellen Interessen verfolgen. Da Werbung auf Blogs in
Deutschland eher verpönt ist, können selbst die Stars der Szene kaum von
ihren Blog-Aktivitäten leben.
Ursprünglich beschäftigten sich Blogs mit Internet-Themen und persönlichen Befindlichkeiten, doch schnell entwickelten sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Blog-Formen wie etwa Watchblogs (die Medien und Firmen
kritisch beobachten), Litblogs (die sich mit Literatur beschäftigen), Edublogs
(von oder für Studierende), Fotoblogs (die weniger Text und mehr Fotos
veröffentlichen), Corporate Blogs (geführt von Firmen) und viele andere
(Alby 2006: 21).
Aus Sicht des Marketings sind nun vor allem zwei Aspekte interessant:
Zum einen das Blog-Monitoring und zum anderen das Corporate Blogging.
Genau wie die Marktbeobachtung zählt für Unternehmen das Beobachten der
Blogosphäre, das Blog-Monitoring bereits heute zur Pflicht (Eck 2006: 204).
Durch die Vernetzung der Blogs entsteht eine neue „digitale“ Öffentlichkeit
im Internet. Die Diskussion in der Blogosphäre beeinflusst gleichzeitig die
Meinungsbildung in der traditionellen Öffentlichkeit. Zwar liest die Masse
der Deutschen (noch) keine Blogs, aber gerade von Journalisten und anderen
Meinungsmachern werden Blogs genau beobachtet. Bemängelt eine Person
in ihrem Internet-Tagebuch die Qualität eines Produkts, das vor kurzem gekauft wurde, kann dies durch die Vernetzung der Blogs ungeahnte Folgen
haben. Ein Blog-Eintrag schlug beispielsweise 2004 solche Wellen, dass die
betroffene amerikanische Firma Kryptonite das im Blog bemängelte Produkt
vom Markt nehmen musste und ein Schaden von zehn Millionen Dollar entstand (Oetting 2006: 174). Für Kulturbetriebe ist es deshalb besonders wichtig, Blogs mit kritischen oder themenspezifischen Inhalten zu beobachten.
Genau wie ein Kulturbetrieb die lokale Presse beobachtet, sollten Theateroder Museumsblogs unter die Lupe genommen werden, wenn man sich an
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
87
der
„digitalen“
Meinungsbildung
beteiligen
möchte
(z. B.
www.museumblogs.org und www.theaterblogs.de). Für Kaufentscheidungen
von Produkten benutzen bereits 95% aller Internet-User Websites und Blogs,
um sich über Vor- und Nachteile zu informieren (Eck 2006: 203). Für den
Kulturbereich gibt es noch keine genauen Zahlen, jedoch ist anzunehmen,
dass eine ähnlich große Zahl vor dem Kartenkauf oder Museumsbesuch das
Internet konsultiert.
Neben der Beobachtung der Blogosphäre kann der Einsatz eines Blogs als
Publikationskanal eine interessante Option darstellen. Unternehmen in anderen Branchen setzen solche Corporate Blogs bereits erfolgreich ein (einige
Beispiele siehe Eck 2006 und Alby 2007: 21 ff.). Wichtig ist dabei, dass ein
Corporate Blog als solches gekennzeichnet ist und offiziell mit der Website
des Unternehmens verlinkt ist. Als Autoren der Blogs fungieren in der Regel
nicht die Mitarbeiter der PR-Abteilung (zumindest offiziell), sondern „interessante“ Personen des Unternehmens, die in ihrem Blog Einblicke jenseits
von alltäglichen Pressemeldungen geben können, d.h. Vorstandsvorsitzende,
Leiter der Forschungsabteilung oder aber auch ein Fließbandarbeiter. Die
Tagebuchform erzeugt einen persönlichen Bezug und lädt zum Meinungsaustausch mit dem Unternehmen ein, zudem wird damit ein hoher Grad
an Glaubwürdigkeit erzeugt – weil anders als in einer Pressemeldung oder
auf dem „offiziellen“ Teil der Website nicht im Werbedeutsch, sondern ganz
„leger“ und offen kommuniziert wird.
Für den Kulturbereich lässt sich dieses Modell durchaus übertragen. In einem Museums-Blog kann beispielsweise vor und während einer Sonderausstellung regelmäßig über den Fortschritt der Planung und den Aufbau
berichtet werden, möglicherweise sogar vom Kurator selbst. In der Phase vor
der Ausstellung kann, wenn mit dem Blog die Spannung zum Ausstellungsbeginn erhöht wird, hohe Aufmerksamkeit erzeugt werden. Während der
Ausstellung kann dann ein Blog als Plattform für Interessierte fungieren, die
nach dem Museumsbesuch die eigene Erfahrung dem Museum und den anderen Bloglesern mitteilen möchten. Zu bedenken ist, dass hier auch negative
Stimmen zu Wort kommen können. Zwar lassen sich Beiträge einfach löschen. Sinnvoller ist es jedoch, auf diese Kritik zu antworten, denn gerade für
offene und kritische Diskussionen sollte in einem Corporate Blog Platz sein,
um die Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. In den USA gibt es eine Vielzahl
von Museen, die Blogs für diese Zwecke einsetzen. Ein Beispiel ist Projekt
„Eye Level“ des Smithsonian American Art Museum in Washington D. C.
(http://eyelevel.si.edu/). In Deutschland ist dies noch eher selten zu beobach-
88
Simon A. Frank
ten, ein Beispiel ist das Blog „Tagwerke“ des Museums für Kommunikation
in Frankfurt. Auch für andere Bereiche, etwa Theater, Oper oder das kommunale Kulturmarketing eignet sich ein Blog als Marketinginstrument. Hier
könnte etwa der (Kultur-) Bürgermeister, der künstlerische Leiter oder ein
beteiligter Künstler in den Wochen vor der Veranstaltung regelmäßig in einem Blog von den Vorbereitungen (beispielsweise den Proben oder der
Kommunikation mit den Künstlern) berichten. Diese einfache und interessante Marketing-Maßnahme wird in Deutschland ebenfalls noch viel zu selten
genutzt.
III. Perspektiven
Auch wenn hier in der gebotenen Kürze nur einige Möglichkeiten angedeutet
werden konnten, die das Web 2.0 bietet, haben sich darin bereits einige Anwendungsbereiche für das Online-Kulturmarketing gezeigt. Und selbst wenn
die ein oder andere hier vorgestellte Web-2.0-Anwendung sich nur als kurzlebiger Hype erweisen wird und in ein oder zwei Jahren vergessen ist, ist zu
betonen, dass trotzdem die Beschäftigung und das Experimentieren mit diesen aktuellen Mitteln für Akteure im kommunalen Kulturmarketing unerlässlich ist. In einem alten chinesischen Sprichwort heißt es treffend: Wenn der
Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die andern Windmühlen.
Das Web 3.0, 4.0 und 5.0 ist bereits in Sicht und jeder, der heute bereits
beginnt, zumindest die Fundamente für Windmühlen zu bauen, muss sich vor
zukünftigen Entwicklungen nicht fürchten.
Literatur
Alby, T. 2007: Web 2.0. Konzepte Anwendungen Technologien, München.
Alby, T.; Karzauninkat, S. 2007: Suchmaschinenoptimierung. Professionelles Website-Marketing für besseres Ranking, München.
Anderson, C. 2006: The Long Tail. Nischenprodukte statt Massenmarkt. Das Geschäft der Zukunft, München.
Bischopinck, Y. von; Ceyp, M. 2007: Suchmaschinen-Marketing. Konzepte, Umsetzung und Controlling, Berlin.
3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet
89
Eck, K. 2006: Weblogs in der Kundenkommunikation, in: Schwarz, T.; Braun, G.
(Hg.), Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert,
Waghäusel, 201–215.
Friedlein, A.; Riedlberger, Peter 2002: Web-Projektmanagement. Systematisches
Vorgehen bei der Planung Realisierung und Pflege von Websites, Heidelberg.
Frank, S.A. 2008: Kulturmarketing im Internet, in: Klein, Armin (Hg.): Kompendium Kulturmanagement, 2. Auflage, München, 555–578.
Heindl, E. 2003: Logfiles richtig nutzen. Webstatistiken erstellen und auswerten,
Bonn.
Hohn, B. 2004: Internet-Marketing und -Fundraising für Nonprofit-Organisationen,
Wiesbaden.
Hörner, T. 2006: Marketing im Internet. Konzepte zur erfolgreichen Online-Präsenz,
München.
Kaiser, S. 2007: Projektfahrplan für erstklassige Websites. Checklisten für die Konzeption Entwicklung und Wartung, Heidelberg.
Klein, A. 2005: Kultur-Marketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, München.
Oetting, M. 2006: Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, in: Schwarz, T.;
Braun, G. (Hg.), Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, Waghäusel, 173–200.
Schmahl, D. 2007: Moderne Online-Marketing-Methoden. Affiliate Marketing,
Suchmaschinen Marketing, Viral Marketing und Web 2.0, Saarbrücken.
Schwarz, T.; Braun, G. 2007: Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, Waghäusel.
Weibel, P.; Diemand, V.; Mangold, M. (Hg.) 2007: Weblogs, Podcasting und Videojournalismus. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen, Hannover.
90
Sascha Armutat / Christiane Geighardt
3.4
Personalmanagement 2.0 —
Chance oder Risiko
Sascha Armutat und Christiane Geighardt
Mit einer Befragung unter ihren Mitgliedsunternehmen ist die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) der Frage nachgegangen, für welche Aufgaben Personalmanager bereits von den
Möglichkeiten Gebrauch machen, die das Web 2.0 ihnen bietet. Die
Studie zeigt, dass bislang erst wenige Vorreiter Web-2.0-Anwendungen nutzen. Die Mehrheit der befragten Personalmanager ist den neuen technischen Möglichkeiten gegenüber jedoch aufgeschlossen und
erwartet, dass das Thema Web 2.0 für das Personalmanagement an
Bedeutung gewinnen wird.
I.
Relevanz des Web 2.0 für das Personalmanagement
Wikis, Blogs und Social Networks – im Web 2.0 gestalten die Nutzer selbst
die Inhalte des Internets. Sie generieren Inhalte, präsentieren sich, knüpfen
Kontakte, tauschen Informationen aus und verändern damit unbemerkt das
Personalmanagement: Die Informationsdichte des neuen Internets bietet ungeahnte Chancen für das Personalmarketing und für die Rekrutierung. Die
Grundprinzipien der Selbststeuerung und der Interaktivität eröffnen vor allem
der Personalentwicklung und dem Wissensmanagement neue Wege.
Auswirkungen auf das Personalmarketing
Das Personalmarketing kann von dem Nutzerverhalten der potenziellen Bewerber profitieren. Beispielsweise kann das Unternehmen gezielt Jobangebote auf zielgruppenspezifischen Seiten platzieren oder Bewerbern anbieten, sich nach ihrem eigenen Informationsbedarf über das Unternehmen zu
informieren (z. B. über Podcasts oder Corporate Blogs). Die Kehrseite der
Medaille: Unternehmen werden mit Bewertungen konfrontiert, die ihr Bild
als Arbeitgeber in der Öffentlichkeit prägen und auf die sie keinen Einfluss nehmen können. Mitarbeiter bloggen über Firmeninterna oder äußern
sich auf Arbeitgeberbewertungsseiten im Netz über Führungskräfte, Arbeitsbedingungen und Unternehmenskultur. Ein Beispiel ist KUNUNU
(www.kununu.de).
3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko
91
Auswirkungen auf die Personalrekrutierung
Die Personalrekrutierung kann sich den Selbstoffenbarungstrend des Web 2.0
zunutze machen. Zum einen lassen sich aus der Vielzahl von Online- Communities wie StudiVZ gezielt potenzielle Bewerber identifizieren. Die Profile, mit denen sich Nutzer dieser Communities präsentieren, bieten hierfür
oftmals interessante Ansatzpunkte. Zum anderen ergeben die Spuren, die die
potenziellen Bewerber im Netz hinterlassen, ein interessantes Gesamtbild
von der Person des Kandidaten – manchmal vorteilhaft, manchmal auch zu
deren Ungunsten, wenn sie etwaige „Jugendsünden“ offenbaren. Dieses
Background-Checking bringt Personalmanager nicht selten in Gewissensnöte, wenn sie entscheiden müssen, was ein im Web dokumentiertes unrühmliches Party-Ende über die Eignung einer Bewerberin aussagt. Und was
die Entdeckung anrüchiger Chat-Aktivitäten eines Bewerbers über dessen
Führungspotenzial aus?
Auswirkungen auf die Personalentwicklung
Die Personalentwicklung kann sich interaktiver Lernportale bedienen, um
virtuelle Lernprozesse anzuregen: Gruppenarbeiten, Videokonferenzen, Informationsaustausch im Rahmen von internetbasierten Lernsituationen sind
kein Problem. Mit Hilfe von Audio- und Video-Podcasts lassen sich Informationen authentisch, multimedial und einprägsam vermitteln. Das stellt allerdings höhere Anforderungen an diejenigen Personen, die die Lernprozesse
begleiten: Neben ihren fachlichen Kompetenzen benötigen sie zunehmend
mediendidaktische Fähigkeiten. Und die Investitionen in derartige Plattformen sind nicht zu unterschätzen.
Auswirkungen auf das Wissensmanagement
Das Wissensmanagement kann mit Hilfe von firmeninternen und externen
Wikis auf ein neues Niveau gebracht werden. Bei diesen Wikis handelt es
sich um Wörterbücher, die von den Nutzern kontinuierlich erstellt und verbessert werden. So lassen sich Erfahrungen dokumentieren und zu einem
jederzeit aktuellen kollektiven Wissensbestand des Unternehmens bündeln.
Vorteilhaft ist die Bereitschaft gerade jüngerer Mitarbeitergenerationen, solche Instrumente zu nutzen. Häufig existieren jedoch noch immer kulturelle
Vorbehalte gegen ein derartiges Teilen von Wissen.
Deutlich wird, dass das Web 2.0 die klassische Personalarbeit gründlich
auf den Kopf stellt: Es ergeben sich neue Informationsquellen, neue Anwen-
92
Sascha Armutat / Christiane Geighardt
dungsmöglichkeiten und neue Anforderungen an die handelnden Personalmanager.
II.
Status quo: Web 2.0 im Personalmanagement
Mit einer Befragung unter ihren Mitgliedsunternehmen hat die Deutsche
Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) untersucht, für welche Aufgaben Personalmanager bereits die neuen technischen Möglichkeiten nutzen.
An der Befragung, die Ende 2007 durchgeführt wurde, haben sich 55 Unternehmen beteiligt. Die Befragungsergebnisse sind in der Ausgabe 1/2008
der DGFP-Workingpaper-Reihe PraxisPapiere ausführlich dokumentiert
(www.dgfp.de/ praxispapiere).
Nutzt Ihr Unternehmen Web-2.0-Anwendungen...
ja
noch nicht, können wir uns aber vorstellen
22
...für das betriebliche Wissensmanagement?
..., um potenzielle Bewerber auf das Unternehmen aufmerksam
zu machen?
...für die betriebliche Weiterbildung?
71
18
73
13
74
5
78
..., um Informationen über Bew erber zu gew innen?
16
..., um sich darüber zu informieren, wie (ehemalige) Mitarbeiter
oder Bewerber über Ihr Unternehmen berichten?
16
0%
8 n=50
78
16
..., um das Arbeitgeberimage des Unternehmens zu pflegen?
6 n=49
74
11
...für das Projektmanagement?
...für die betriebliche Berufsausbildung?
kommt für uns nicht in Frage
66
51
20%
40%
33
60%
80%
11
n=46
11
n=45
13
n=46
17
n=41
18
n=50
n=45
100%
Abb. 3.4-1 Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im Personalmanagement
(Quelle: DGFP 2008)
Web 2.0 noch längst nicht in allen Personalabteilungen angekommen
Die Studie zeigt, dass bislang erst wenige Vorreiter im Personalmanagement
die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen. Je nach Personalaufgabe schwankt
deren Anteil erheblich. So setzen immerhin bereits 22% der untersuchten
3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko
93
Unternehmen Web-2.0-Anwendungen für ihr betriebliches Wissensmanagement ein. Bei der Anwendung der Web-2.0-Tools für die betriebliche Berufsausbildung zählen hingegen nur fünf Prozent zu den Vorreitern. Die
Mehrheit der befragten Personalmanager zeigt sich den neuen technischen
Möglichkeiten gegenüber jedoch aufgeschlossen: Ungefähr drei von vier
Befragungsteilnehmern nutzen die neuen Tools zwar noch nicht, können sich
aber vorstellen, das in Zukunft zu tun.
Ein differenziertes Bild ergibt sich bei genauerer Betrachtung der einzelnen Web-2.0-Anwendungen und ihrer Leistungsfähigkeit für den Einsatz im
Personalmanagement.
Web-2.0-Anwendungen im Personalmarketing
und in der Personalrekrutierung
Um Informationen über (potenzielle) Bewerber zu gewinnen, nutzen alle acht
Unternehmen, die dafür bereits auf Web-2.0-Anwendungen zurückgreifen,
Online-Communities. Vier Unternehmen recherchieren in Blogs und zwei
Unternehmen in Wikis. Betrachtet man die Unternehmen, die zu diesem
Zweck noch keine Web-2.0-Anwendungen einsetzen, zeigt sich ein ähnliches
Bild: Die meisten dieser Unternehmen (86%) können sich vorstellen, in Online-Communities nach Informationen über (potenzielle) Bewerber zu suchen. 59% halten Wikis für eine grundsätzlich geeignete Informationsquelle.
55% können sich vorstellen, aus Blogs Informationen über Bewerber zu gewinnen.
Im Web 2.0 werden die Nutzer zu Gestaltern: Ehemalige, derzeitige oder
potenzielle Mitarbeiter eines Unternehmens informieren sich nicht mehr nur
passiv, sondern gestalten das Arbeitgeberimage des Unternehmens durch ihre
Äußerungen in Online-Communities, Blogs etc. aktiv mit. Sechs Personalmanager berichten, dass sie Web-2.0-Anwendungen bereits nutzen, um sich
darüber zu informieren, wie sich (ehemalige) Mitarbeiter oder Bewerber über
ihr Unternehmen äußern. Vier Personalmanager informieren sich in Online
Communities, jeweils drei in Blogs und Wikis. Auch bei den Personalmanagern, die sich vorstellen können, künftig zu überprüfen, wie Mitarbeiter oder
Bewerber das Unternehmen im Internet darstellen, stehen Online-Communities als Informationsquelle an erster Stelle (90%), gefolgt von Blogs
(68%) und Wikis (47%).
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist das Employer Branding. Von sechs
Unternehmen, die Web-2.0-Anwendungen zu diesem Zweck bereits aktiv
nutzen, greifen vier auf Online-Communities zurück; jeweils zwei nutzen
94
Sascha Armutat / Christiane Geighardt
Corporate Blogs beziehungsweise unternehmensexterne Blogs. 34 Unternehmen wenden noch keine Web-2.0-Tools an, um ihr Arbeitgeberimage zu
pflegen, können sich aber vorstellen, dies in Zukunft zu tun: 83% halten dabei Onlin-eCommunities für ein geeignetes Tool; jeweils zwei Drittel sehen
Potenzial in Corporate Blogs beziehungsweise Corporate Podcasts.
Um die Aufmerksamkeit potenzieller Bewerber zu wecken, setzen acht
Unternehmen bereits die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 ein. Alle
acht Unternehmen nutzen zu diesem Zweck Online-Communities; zwei Unternehmen wenden sich an potenzielle Bewerber in der virtuellen Welt von
Second Life und jeweils ein Unternehmen greift auf Wikis oder Blogs zurück. Die Personalmanager, die sich grundsätzlich vorstellen können, potenzielle Bewerber mit den Mitteln des Web 2.0 auf ihr Unternehmen
aufmerksam zu machen, setzen mehrheitlich auf Wikis, Corporate Podcasts
und Online-Communities (jeweils 68%) sowie auf Corporate Blogs (64%).
Web-2.0-Anwendungen in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung
Für die betriebliche Berufsausbildung nutzen bisher erst zwei der untersuchten Unternehmen Web-2.0-Anwendungen. Beide arbeiten mit Corporate
Blogs und jeweils eins mit einem Corporate Wiki beziehungsweise mit einem
Corporate Podcast. Im Unterschied dazu setzt die Mehrheit der Unternehmen, die die Nutzung des Web 2.0 in der betrieblichen Berufsausbildung
bislang nur in Erwägung ziehen, auf Corporate Online-Communities (76%).
72% können sich die Nutzung von Corporate Podcasts, 60% die Nutzung von
Corporate Wikis und 56% die Nutzung von Corporate Blogs vorstellen.
Fünf Unternehmen setzen beim Thema betriebliche Weiterbildung bereits
auf das Web 2.0. Jeweils drei Unternehmen nutzen dafür Corporate Wikis,
Corporate Blogs und Corporate Online-Communities. Corporate Podcasts
kommen in zwei Unternehmen zum Einsatz. Ähnlich fällt das Urteil der Unternehmen aus, die für die betriebliche Weiterbildung eventuell künftig die
technischen Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen möchten: Je zirka 70% dieser
Unternehmen können sich vorstellen, auf Corporate Wikis, Corporate Blogs
oder Corporate Online-Communities zurückzugreifen.
Web-2.0-Anwendungen im betrieblichen Wissens- und Projektmanagement
Die bislang stärkste Verbreitung der Web-2.0-Anwendungen findet sich im
Bereich des betrieblichen Wissensmanagements. Hier setzen schon neun der
untersuchten Unternehmen auf die neuen technischen Möglichkeiten. Dabei
greifen sie schwerpunktmäßig auf Corporate Wikis (fünf Unternehmen) und
3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko
95
Corporate Online-Communities (vier Unternehmen) zurück. Jeweils drei
Unternehmen nutzen für ihr Wissensmanagement unternehmensexterne Wikis, Corporate Blogs oder unternehmensexterne Online-Communities; je
zwei Unternehmen verwenden unternehmensexterne Blogs oder Corporate
Podcasts. 79% der Unternehmen, die gegenüber Web-2.0-Anwendungen für
das Wissensmanagement grundsätzlich aufgeschlossen sind, können sich
vorstellen, dafür Corporate Wikis einzusetzen; Potenzial wird auch Corporate
Blogs (69%), Corporate Online-Communities (62%) und Corporate Podcasts
(52%) zugeschrieben.
Für das Projektmanagement greifen fünf der untersuchten Unternehmen
bereits auf das Web 2.0 zurück. Sie verwenden dafür unterschiedliche Tools.
Drei Unternehmen setzen Corporate Wikis ein, zwei Unternehmen nutzen
Corporate Online-Communities und jeweils ein Unternehmen verwendet für
das Projektmanagement einen Corporate Blog beziehungsweise Corporate
Podcasts. Corporate Wikis stehen auch bei den Unternehmen, die sich vorstellen können, Web-2.0-Tools in Zukunft für das betriebliche Projektmanagement zu nutzen, an erster Stelle (70%). Fast zwei Drittel dieser Unternehmen sind offen für Corporate Online-Communities und 61% sind Corporate Blogs gegenüber aufgeschlossen.
III. Fazit
Die Befragung hat ergeben, dass nicht jedes Web-2.0-Tool für jede Aufgabe
des Personalmanagements geeignet ist. Während virtuelle Welten wie die
Avatare-Siedlung Second Life für das Personalmarketing interessant sein
können, eignen sie sich nach Einschätzung der befragten Personalmanager
wenig für die betriebliche Aus- und Weiterbildung oder das Wissens- und
Projektmanagement. Online-Communities dagegen haben augenscheinlich
das Potenzial, das Personalmanagement in diversen Aufgabenfeldern zu unterstützen. Sie werden bei den befragten Unternehmen für das Personalmarketing, für die betriebliche Aus- und Weiterbildung, das Wissens- sowie
Projektmanagement genutzt. Auch Blogs und Podcasts kommen bereits sowohl für das Personalmarketing als auch für das Wissensmanagement und
die betriebliche Weiterbildung zum Einsatz. Das Potenzial von Wikis und
Tagging beziehungsweise Social Bookmarking sehen die Befragten dagegen
primär im Wissens- und Projektmanagement sowie in der Aus- und Weiterbildung.
96
Sascha Armutat / Christiane Geighardt
Mit den neuen Web-2.0-Anwendungen eröffnen sich interessante, aber
noch weitgehend ungenutzte Perspektiven für das Personalmanagement. Das
gilt sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für Wirtschaftsunternehmen.
Denn auch in letzteren nutzen bislang erst einige wenige Vorreiter Web-2.0Anwendungen. Unabhängig von der Branche, der Größe und Form einer
Organisation – fest steht, dass Personalmanager ihre Augen vor dem User
Generated Internet nicht verschließen können und dürfen. Das tun sie auch
nicht, wie die DGFP-Studie zeigt: Die deutliche Mehrheit der befragten Personalmanager (92%) erwartet, dass das Web 2.0 in den nächsten drei Jahren
für das Personalmanagement an Bedeutung gewinnen wird.
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Personalführung DGFP (Hg.) 2008: Web 2.0 – Chance
oder Risiko für das Personalmanagement?, Düsseldorf.
Jäger, W.; Jäger, M.; Frickenschmidt, S. 2007: Verlust der Informationshoheit, in:
Personal 2/2007, 8–11.
Spies, Rainer 2008: Corporate Blogs zwischen Authentizität und Marketing. Die
neue Lust am Bloggen, in: Personalführung 3/2008, 30–36.
3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet 97
3.5
Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0:
Die Beispiele Unortkataster und Fixmystreet
Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann
Unter dem Titel „Unortkataster Köln“ wird eine kartenbasierte, multimediale Web 2.0 Plattform entwickelt, auf der sich Bürger mit verbesserungswürdigen Orten ihrer Stadt diskursiv auseinandersetzen
können. Das Unortkataster ist ein Experiment, das Bürgern ein direkt
demokratisches Beteiligungsinstrument für Stadtentwicklung an die
Hand geben will und umgekehrt Akteuren der Verwaltung ermöglichen
soll, vom Wissen und der Kreativität der Bürger zu profitieren. Fixmystreet ist ein artverwandtes Projekt in England aus dem Jahr 2007.
I.
Einleitung
Die Weiterentwicklung des Internets zu einem „Mitmachnetz“ hat auch die
Hoffnung einer stärkeren Beteiligung und Anteilnahme des Bürgers an politischen Prozessen erneut entfacht.
An der Kunsthochschule für Medien Köln wird unter dem Titel „Unortkataster Köln“ eine kartenbasierte Internet-Plattform entwickelt, auf der
sich die Bürger Kölns mit städtischen Orten auseinandersetzen können, die
aus ihrer Sicht einer Aufwertung bedürfen. Das Unortkataster ist eine webbasierte Software, die sich zum Ziel gesetzt hat, Bürgerwissen und -engagement und partizipative Web-Technologien zu verknüpfen. Es handelt
sich um ein Experiment, um die Chancen neuer Technologien und deren
Umsetzung in Nutzen stiftende Anwendungen auszuloten. Bei seiner Akzeptanz kann es als Werkzeug direkter Demokratie genutzt werden, insbesondere
für die vereinfachte und verbesserte Lösung von Problemen und Konflikten
im lokalen Kontext kommunaler Verwaltung.
Die Anwendung ermöglicht den Bürgern, Orte als sogenannte „Unorte“
zu markieren und in einem konsultativen Verfahren Kritik und Verbesserungsvorschläge für mangelhafte Situationen im Kölner Stadtbild vorzubringen, zu dokumentieren und zu diskutieren. „Unorte“ ergeben sich dabei aus
gestalterischen Defiziten, funktionalen Missständen bis hin zu pflegebedingten Mängeln.
98
Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann
Die web-basierte Plattform wird durch das EU-Forschungsprojekt „Citizen Media“ unterstützt, im Rahmen dessen Web-2.0-Technologien erprobt
werden, die einen gesellschaftlich relevanten, thematischen Fokus verfolgen
und den Bürger bei der einfachen Erstellung qualitativ hochwertiger Inhalte
unterstützen. Der partizipativen Software-Entwicklung wird dabei eine besondere Bedeutung zugemessen: es ist erklärtes Ziel, potenzielle Nutzer frühzeitig in die unterschiedlichen Entwicklungsphasen einzubeziehen. Schon zu
Beginn der Software Konzeption wurden deshalb Beteiligungsverfahren eingesetzt, um ein Software-Design zu erarbeiten, das möglichst adäquat auf die
spezifischen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten ist.
Um qualifizierte Ansprechpartner für diesen Prozess zu gewinnen, wurden frühzeitig „Lead-User“ kontaktiert. Dabei handelt es sich um Menschen,
die spezielle Kenntnisse über die lokale Lebenssituation in Kölner Stadtteilen
haben. So wurde eine Gruppe von Kölner Architekten und Teilnehmern des
Arbeitskreises „Bild der Stadt“ des Kölner Leitbildprozesses („Leitbild Köln
2020“) in die Entwicklung einbezogen, auf deren Anregung der PlattformTitel „Unortkataster“ zurückgeht.
Das Potenzial, das sich in sozialen Netzwerken für die Moderation kritischer und reflexiver Kommunikationsprozesse auf lokalpolitischer Ebene
verbirgt, ist noch weitgehend ungenutzt. Das Unortkataster setzt an diesem
Defizit an und stellt eine Plattform bereit, die Bürgern ermöglicht, Inhalte mit
lokalem Bezug zu hinterlegen und zu diskutieren. In dieser Weise sollen
politische Entscheider ein besseres Verständnis über akute infrastrukturelle
Probleme erhalten, um auf dieser Grundlage angemessene Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
II.
Städtische Gemeinschaft versus
globalisierte Online-Community
Seit Beginn des Internets ist die „community“ ein wichtiger Schlüsselbegriff
für die webbasierte Softwareentwicklung. Wenn man die städtische Gemeinschaft und Online-Communities vergleicht, ergeben sich einige Unterschiede.
Online-Communities definieren sich über einen Themenfokus, die Würdigung der Beiträge der Mitglieder untereinander und eine spezifische, auf die
geteilten Inhalte bezogene Kommunikation. Eine virtuelle Community ist
ortlos: der thematische Fokus verbindet die Teilnehmer auch über regionale
Beschränkungen hinweg. Lokale Communities hingegen definieren sich zu-
3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet 99
erst durch den gemeinsam geteilten Ort. Darüber hinaus bilden sich ebenso
thematisch bedingte Beziehungen, die jedoch immer wieder in der räumlichen Begegnung ihre Bestätigung finden müssen. Es besteht in einer lokalen
Community immer auch eine unfreiwillige Notwendigkeit zur Kommunikation. Die gemeinsame Nutzung von Orten wirft Konflikte auf, die von den
Entscheidern nur angemessen gelöst werden können, wenn eine Verständigung über die konkreten Defizite stattfindet. Die bestehenden Beteiligungsverfahren erfordern jedoch ein starkes zeitliches Engagement, das deshalb
von vielen Bürgern nicht aktiv wahrgenommen wird. Im Internet wird die
Hemmschwelle teilzunehmen deutlich herabgesetzt: Anonymisierung und
Abwesenheitskommunikation ermöglichen es, bequemer und unkomplizierter
aktiv zu werden.
Da sich die Bürger nicht mehr nur der virtuellen oder nur der lokalen
Community zugehörig fühlen, macht es keinen Sinn mehr, beide als voneinander getrennt zu betrachten. Das Unortkataster generiert seinen Mehrwert
aus der Verbindung der beiden Community-Strukturen: obwohl die Beteiligung an der Kartierungsanwendung online stattfindet, ist doch die genaue
Beobachtung von Orten und die gleichzeitige Teilnahme anderer Menschen
in der Umgebung notwendig, damit eine relevante Kommunikation entstehen
kann. Wer nur mit unzureichendem lokalen Wissen einen Unort deklariert,
wird in der Folge nicht genügend Mitstreiter und Aufmerksamkeit finden, um
eine kritische Masse zu versammeln, die die Veränderung einer Situation
anregt.
III. Glokalisierung?
Ein Effekt der gegenwärtigen Globalisierung ist der mit ihr einhergehende
Bedeutungszuwachs des Lokalen, der als Glokalisierung beschrieben wird.
Gerade wegen der Undurchschaubarkeit globaler Abläufe gewinnen die Orientierung und das Engagement im Lokalen für viele Personen an Bedeutung.
Dadurch rücken auch die realen Orte und ihre Eigenheiten wieder stärker in
den Fokus. Dieser Effekt wird in Europa dadurch verstärkt, dass Nationalstaaten ihre Kompetenzen sowohl an die EU als auch subsidiär an Kommunen abgeben. Für die Städte und Gemeinden bedeutet dies, dass ihre
Aufgaben zunehmen und ggf. eine Überforderung eintritt. Es ist zu erwarten,
dass die von den Bürgern initiierten und getragenen Selbsthilfepotenziale und
sozialen Netze, die schon früher soziale Risiken aufgefangen haben und die
durch den Sozialstaat zurückgedrängt wurden, wieder an Bedeutung und
100
Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann
Akzeptanz gewinnen werden. Bürgerschaftliches Engagement ergänzt damit
kommunale Leistungen oder ersetzt diese sogar. Hierbei können Wikis,
Blogs und community-Software Unterstützung leisten, wenngleich keine
Software das Engagement, Interesse und die Solidarität ersetzen kann.
IV.
Karten als Beteiligungsinstrumente
Der Kartograph Philippe Rekacewicz hat darauf hingewiesen, dass es objektive Karten ebenso wenig geben kann wie objektive Statistiken. Karten enthalten per se Deutungsmuster und Abgrenzungen. Das Unortkataster setzt
genau auf diese politische Aussagekraft von Kartierungen und funktioniert
damit ganz anders als das städtische Kataster: geographische Präzision und
statistische Genauigkeit ist hier zweitrangig. Das dem Unortkataster zugrunde liegende Kartenmaterial von Google unterliegt keiner konstanten Aktualisierung und die Beiträge der Teilnehmer keiner Zensur. Der
Informationsgehalt einer kollaborativ erstellten Karte ist nur dann sinnvoll zu
deuten, wenn eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung ihrer Inhalte und
der Struktur ihrer Teilnehmer stattfindet. Die Verknüpfung von CommunityInhalten und einer Karte bietet die Chance, die im Internet ortlosen Inhalte
und Teilnehmer wieder an physische Orte anzubinden und an der Auseinandersetzung über die Nutzung und Gestaltung dieser Orte zu beteiligen. Die
Karte erhält im Verlauf der Benutzung eine Informations-Ebene, die gelesen
werden kann und neben der räumlichen Verknüpfung auch Aktualität und
zeitliche Distanz der Inhalte zueinander dokumentiert. Eine statische Karte
kann sich so zu einem dynamischen Dokumentationsmedium entwickeln, auf
dessen Grundlage über die Ausstattung und Verwendung von Orten entschieden werden kann. Aus der Perspektive der Verantwortlichen entsteht ein
Bild öffentlicher Meinung, das einen hohen Anschauungsgrad besitzt und
unterschiedlichste Lesarten zulässt.
3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet
V.
101
Konzept und Funktionalitäten des Unortkatasters
Wer die Website www.unortkataster.de besucht, sieht zunächst eine Karte
Kölns, über die sich alle weiteren Funktionen der Anwendung erschließen. In
vier Kategorien sind Marker gesetzt, die von den Teilnehmern am Portal
verortet wurden. Besucher der Seite gelangen über diese Marker zu den angehängten Inhalten. Eine mit der Karte verbundene Zeitleiste ermöglicht die
Filterung der dargestellten Markierungen in einem variablen Zeitrahmen.
Orte zu denen ein Inhalt ergänzt wird, werden auf dieser Zeitleiste aktualisiert, Orte, die nicht mehr von Interesse sind werden ausgeblendet. Zum einen können so aktuelle von älteren Beiträgen unterschieden werden,
gleichzeitig erschließt sich über die Zeitleiste aber auch die Archiv-Funktion
des Unortkatasters und der Zugriff auf bereits nicht mehr aktiv behandelte
Orte und gelöste Probleme.
Zur Vereinfachung der Navigation dient eine Viertel-Karte. Sie erlaubt
eine einfache Fokussierung auf die Bezirke Kölns. Dieser Aspekt ist wichtig,
da Bürger Probleme in der Stadt zunächst im Hinblick auf die eigene Wohnumgebung wahrnehmen. In den Detailansichten eines Unortes findet sich ein
Forum-Modul, eine Medien-Galerie für Fotos, Videos und Audiodateien
sowie ein Bereich mit Bewertungsfunktionen. Karten und Listen-Ansicht
Angemeldete Benutzer können neue Unorte auf der Karte hinzufügen, an
Diskussionen teilnehmen oder audiovisuelle Inhalte zu bestehenden Unorten
ergänzen. Das Anlegen eines Unorts eröffnet die Diskussion unter den angemeldeten Teilnehmern und fordert Reaktionen heraus. Die Beteiligung an
bestehenden Unorten ist auf verschiedenen Ebenen möglich: durch Zustimmung oder Ablehnung (Poll), über Textbeiträge und die Bewertung von Kategorien im Bewertungsbereich. Ein Instrument zur thematischen
Fokussierung bietet der zu jedem Unort angebotene RSS-Feed: neue Beiträge
zu einem Unort sind damit gezielt und einfach nachzuverfolgen.
Das Unortkataster will kein Meckerkasten sein, Kommentare zu Unorten
können von den Benutzern als Verbesserungsvorschläge deklariert werden,
die produktive Vorschläge zur Lösung eines Problems enthalten.
VI.
Unortkataster – eine Art Fixmystreet?
Das Unortkataster ist mit dem britischen Internetdienst Fixmystreet verwandt, der den Arbeitsaufwand und die zeitlichen Abläufe lokaler Verwal-
102
Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann
tungen effizienter gestalten soll, indem infrastrukturbezogene Einzelanfragen
von Bürgern auf eine öffentliche Plattform verlagert werden. Die Plattform
ermöglicht dem britischen Bürger landesweit Probleme seiner näheren Umgebung zu kartieren, bereits gemeldete Missstände zu erkennen und bei Bedarf auf Textbasis mit anderen Bürgern zu diskutieren. Die Anwendung
ermöglicht dem Bürger gleichzeitig die Kontrolle dessen, was die über 400
teilnehmenden Verwaltungen auf ihre Eingaben hin unternehmen. Die zuständige lokale Verwaltung erhält die Problembeschreibung und -verortung
von öffentlichen Missständen in der Umgebung des Bürgers bereits wenige
Minuten nach dessen Eintrag, die Kommunikation findet automatisiert zwischen Plattform und Verwaltung statt. Für die Rückmeldung gelöster Probleme zeichnet sich die community der Mitwirkenden der Plattform, durch
Eintrag auf der Plattform wiederum selbst verantwortlich.
Die Entwicklung von Fixmystreet wurde durch einen Zusammenschluss
von 15 lokalen Verwaltungen und Interessensgemeinschaften mit einem öffentlichen Budget von nur 10.000 Pfund initiiert. Ein Jahr nach Start der
Plattform zeichnet sich eine rege Nutzung sowie die effiziente und zeitnahe
Beseitigung von Mängeln im öffentlichen Raum ab.
Die Problemfelder der Nutzer von Fixmystreet konzentrieren sich im Wesentlichen auf klar zu definierende und kurzfristig abzuschaffende Mängel im
Bereich des nachbarschaftlichen Umfeldes, wie beispielsweise defekte Straßenbeleuchtung, Mängel und Pflege öffentlicher Bodenfläche und Beseitigung von wildem Schutt.
Davon unterscheidet sich das Unortkataster maßgeblich. Nicht die umgehende Beseitigung des öffentlich empfundenen Mangels steht im Vordergrund, sondern der bürgerliche Austausch und die Diskussion als Basis
demokratischer Lösungsfindung für komplexe lokale Probleme, wie Veränderungen von Architektur oder Infrastruktur. Das Ergebnis der öffentlichen
Diskussion ist dabei nicht das direkte Ziel, ihre Analyse kann jedoch frühzeitig Hinweise auf bürgernahe Lösungen liefern. Gleichzeitig kann die Verwaltung selbst Lösungsvorschläge einbringen, um deren Tragfähigkeit und
Akzeptanz frühzeitig auszuloten. Zur Unterstützung dieses Meinungsbildungsprozesses stellt das Unortkataster Web-2.0-Funktionalitäten zur Verfügung. Beispiele sind Abstimmungen („Voting“) oder die mediale Anreicherung von Diskussionen durch den Bürger („User Generated Content“)
über Foto- und Videobeiträge. Durch eine Zeitleiste kann zusätzlich der Diskussionsverlauf nachverfolgt werden.
3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet
103
VII. Ziele und Chancen des Unortkatasters
Das Unortkataster stellt ein Verfahren bereit, das die Beteiligung von Bürgern in Fragen der Stadtentwicklung ermöglicht und zur Dokumentation
akuter Missstände aufruft. Die technischen Anforderungen an die Benutzer
sind gering. Das Verfahren bietet zusätzlich die Chance, gerade eine jüngere
Zielgruppe aktiver in die politische Gestaltung lokaler Lebensräume einzubeziehen, für die das Internet ein alltägliches Kommunikationsmedium darstellt.
Wer an einem Ort lebt und arbeitet, hat zum einen ein besonderes Interesse an einer Verbesserung unbefriedigender Zustände, zum anderen kann er
aufgrund seiner unmittelbaren Betroffenheit Vorschläge entwickeln, wie eine
Situation verbessert werden könnte. Dieses Wissen fehlt den politischadministrativ Verantwortlichen. Die Kommunikation zwischen Bürgern und
Administration kann langfristig verbessert werden, wenn erreicht wird, dieses
ortsbezogene Wissen ergebnisorientiert auszutauschen. Das Unortkataster
ermöglicht ein darauf abgestimmtes Diskursmanagement. Durch die Plattform kann ein neuer Informationskanal in die Prozesse der betroffenen Organisationseinheiten eingeführt werden. So können z.B. Verantwortliche der
Stadtentwicklung, Verkehrsplanung, Entsorgung oder Grünpflege vom Wissen und von der Kreativität der Bürger profitieren.
Über das Wissen des Einzelnen hinaus sind auf einer Karte auch Dynamiken ablesbar, die sich erst aus der Summe unterschiedlicher Beiträge ableiten
lassen: so lassen Ansammlungen von Unorten eventuell Aussagen über die
Beteiligung der dort lebenden Bewohner zu, es kann sich aber auch ein Hinweis auf eine besonders problematische Situation ergeben. Um das indirekt
entstehende kollektive Wissen verstehen zu können sind geostatistische Visualisierungen geplant, die als zusätzliche Informationsebenen die Karten
ergänzen werden. Intelligente Such- und Vergleichsfunktionalitäten können
dazu beitragen, aus der Summe von Einzelbeiträgen Tendenzen zu erkennen,
die von punktuell diagnostizierten Problemen zu Lösungsansätzen in größerem Maßstab führen.
Das Unortkataster ist als Langzeitexperiment konzipiert. Es soll als ein
Instrument dienen, das den Prozess der ortsbezogenen Auseinandersetzung
kontinuierlich und dauerhaft begleitet. Langfristig entsteht so ein Archiv von
Problemlösungen, auf das bei zukünftigen Entscheidungen zurückgegriffen
werden kann. Dazu bedarf es zunächst einer intensiven Community-Arbeit,
die schließlich zu einer regelmäßigen Beteiligung der Bewohner führen soll-
104
Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann
te. In der noch ausstehenden Phase der Veröffentlichung werden deshalb
gezielte Anstrengungen unternommen, um das Unortkataster und die Auswirkungen seiner Kommunikation auch im realen Raum der Stadt sichtbar zu
machen. Denn erst wenn die Kommunikation im virtuellen Raum auch im
realen Raum Spuren hinterlässt, kann von einem Erfolg der Applikation gesprochen werden.
Die Möglichkeit, unzensiert auf lokale Probleme hinzuweisen, wurde im
Entwicklungsprozess von Beteiligten immer wieder auch kritisch beurteilt,
da die Möglichkeit einer politischen Vereinnahmung der Anwendung nicht
ausgeschlossen werden kann. Ziel sollte deshalb sein, nach den zunächst
involvierten Spezialisten bald einen breiten Querschnitt von Bürgern als Anwender zu gewinnen. Wenn dieser plattformbasierte Dialog letztlich Folgen
für lokalpolitische Entscheidungen hat, wäre das Unortkataster dem Anspruch gerecht geworden, ein zeitgemäßes Instrument für mehr Demokratie
zu sein.
3.6 Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung
3.6
105
Immobilienmanagement 2.0 —
neue Formen der Kundenbetreuung
Alexandra Decker
Immobilienmanagement im kommunalen Bereich kann sich nicht nur
auf das Verwalten und Vermarkten von Immobilien hinsichtlich eines
kostenorientierten Einsatzes der Immobilie beschränken, sondern muss
sich auch um die Entwicklung einer „gesunden“ sozialen Struktur innerhalb eines Bestandes kümmern. Online-Communities für Mieter eröffnen ganz neue Formen des sozialen Quartiersmanagements und
können zudem für einen innovativen Kundenservice eingesetzt werden.
Der Artikel beschreibt diese neue Art des Dialogs zwischen Mieter und
Vermieter.
I.
Einleitung
Gerade im kommunalen Bereich kann sich Immobilienmanagement nicht nur
auf das Verwalten und Vermarkten von Immobilien in Bezug auf einen langfristigen und kostenorientierten Einsatzes beschränken. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften haben ein vielfältiges Interesse an dem Erhalt
beziehungsweise der Entwicklung einer „gesunden“ sozialen Struktur innerhalb eines Bestandes. Gefordert ist aber in Zeiten angespannter städtischer
Haushalte nicht nur klassisches Quartiersmanagement zur Förderung solcher
Strukturen, sondern neue innovative und visionäre Ideen im Hinblick auch
auf eine effektivere Immobilienbewirtschaftung. Ein gesundes, gewachsenes
und soziales Miteinander in Wohnanlagen wirkt sich nicht nur positiv auf
den Wert der Immobilie aus, sondern erspart der gesamten Kommune soziale
Probleme und kann sogar die lokale Wirtschaft fördern. Dies ist heute im
Zuge der Anonymisierung und Vereinsamung der Menschen durch wachsende Singlehaushalte in allen Altersstufen eine große Herausforderung. Insbesondere die Vermittlung von Sicherheit und Vertrautheit in ihrer jeweiligen
Umgebung hat zunehmende Bedeutung.
Wie sieht das soziale Netzwerk der Zukunft aus? Hat die geographische
Nachbarschaft in Zeiten des Internets überhaupt noch eine Zukunft? Wie
kann das Internet für das soziale Quartiersmanagement eingesetzt werden?
106
Alexandra Decker
Und welche Chancen ergeben sich dadurch für Wohnungsgenossenschaften
und -gesellschaften, ihrem oft unmodernen Touch zu entkommen und sich
damit einer neuen Mieterklientel zu erschließen?
Eine Internetpräsenz mit Web-2.0-Features bietet für das Immobilienmanagement neben einer modernen und zukunftsoffenen Außendarstellung in
erster Linie drei wichtige Vorteile:
• Implementierung wirtschaftlicher Prozess-Strukturen im Immobilienmanagement (Objekt- und Mieterbetreuung), insbesondere durch kostengünstige Kommunikationsformen und -wege;
• Effizientes Quartiersmanagement: Die Mietergemeinschaft als OnlineCommunity im Netz;
• Gezieltes und ebenfalls kostengünstiges Bestandskunden-Marketing.
II.
Effektive Kundenbetreuung
Schon sehr früh hat die Immobilienbranche das Internet als Vertriebsweg
entdeckt. Nicht nur auf Immobilienportalen kann ein Wohnungsinteressent
gezielt nach passenden Objekten suchen, sondern auch die Wohnungsanbieter selbst bieten auf ihren Webseiten Suchmasken an und haben ihr gesamtes
Portfolio an vermarktungsrelevanten Wohnungen hinterlegt. Das Internet als
Kommunikationsmedium im Kundenservice dagegen ist bei vielen Unternehmen unterentwickelt und beschränkt sich oftmals auf FAQ- und GlossarSeiten. Anträge auf bauliche Veränderungen oder die Änderung der Bankverbindung werden nach wie vor per Telefon und Fax kommuniziert oder
persönlich in den wöchentlichen Sprechstunden vorgetragen. Mithilfe von
Web-2.0-Lösungen können nun Prozesse im Immobilienmanagement entwickelt werden, die ein hohes Einsparungspotenzial mit sich bringen. Dies kann
wie folgt aussehen: Innerhalb eines Log-in Bereiches, in den ein Nutzer nur
durch seine Authentifizierung als Mieter gelangen kann, werden auf ihn zugeschnittene Informationen bereitgehalten, die bisher nur durch personalintensive Anfragen, persönlich oder telefonisch, herausgefunden werden
konnten. Diese gezielte Kommunikation, durch eindeutige Zuordnung und
Identifikation auf Grund des Log-In-Vorgangs, kanalisiert Anfragen vorab.
Sie können teilweise automatisiert bearbeiten und bieten dem Mieter von
Öffnungszeiten und Telefonzeiten unabhängige Informationskanäle. Mängelmeldungen, Anträge auf bauliche Veränderungen etc. werden über E-Formulare gesteuert, die dann entweder direkt an den zuständigen Mitarbeiter
3.6 Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung
107
geleitet werden oder, wenn Backend-Architektur und das Ressourcenplanungssystem dementsprechend aufgebaut sind, direkt in dieses sogenannte
ERP (Enterprise Resource Planning) übertragen werden und dort Prozesse
auslösen.
III. Nachbarschafts-Community
Der Log-In Bereich kann nun im Sinne einer klassischen Web-Community
ausgebaut werden. Zutritt haben weiterhin nur Mieter der eigenen Bestände.
Analog anderer sozialen Netzwerke im Web haben registrierte Mieter ein
Profil angelegt und können nun untereinander kommunizieren. Sie entscheiden dabei selbst, wann und ob sie ihre Identität preisgeben und wann und ob
sie ihre Interaktion aus dem virtuellen Bereich herauslösen wollen. Durch
Angebote wie zum Beispiel einem Suche/Biete Marktplatz können Mieter
mit anderen Mietern auf Grund eines konkreten Anlasses in Kontakt treten. Informationen, wie Name und Adresse, werden auch hier in der ersten
Kontaktphase nicht preisgegeben, erst durch den direkten Mailverkehr können sich Mieter einander offenbaren. So kann zum Beispiel ein Mitglied einen Sportpartner auf diesem Weg suchen und finden. Diese virtuellen
Begegnungsstätten soll aber nur Portal beziehungsweise Vorstufe für ein
soziales Miteinander in der realen Welt sein. Im Sinne eines sozialen Miteinanders kann hier die Hemmstufe für das Anbieten von ehrenamtlichen Diensten in der Nachbarschaft herabgesetzt werden. Dieses virtuelle Offerieren ist
unkompliziert, spontan und transparent für den, der eine Dienstleitung anbietet, aber auch für den, der eine solche Dienstleistung annehmen will. Quartiersmanagement entsteht hier durch die Bewohner selbst und kann sich zu
einem lebhaften nachbarschaftlichen Miteinander entwickeln. Die Unternehmen brauchen dabei allenfalls lenkend und unterstützend tätig werden,
können aber auch gerade in den Anfängen durch Aktionen wie die Organisation eines Mieterfestes untersützen. Ihre Aufgabe soll aber in erster Linie die
Administration und Pflege des Community-Bereichs sein und diesen durch
immer neue und interessante Features attraktiv zu halten. Die Leistungen
sind nicht zuletzt notwendig, um innerhalb der Vielzahl der sozialen Netzwerke, die heute für alle Lebensbereich nutzbar sind, bestehen zu können.
108
IV.
Alexandra Decker
Marketing
Da sich auch im Immobilienbereich langfristige Kundenbeziehungen auf den
Unternehmenserfolg positiv auswirken, sind die registrierten Mieter im Netz
eine transparente Zielgruppe für Customer Relationship Marketing. Die
Möglichkeiten sind vielfältig. Beispiele dafür sind „Mieter-werben-Mieter“
Maßnahmen oder Mieterprivatisierungsangebote. Auch hier liegen die Vorteile in der Kosteneffizienz und der gezielten Ansprache. Etabliert sich die
Online-Community innerhalb einer Mieterschaft, kann dieses Medium sogar
perspektivisch viele kostenintensive Marketing-Maßnahmen einsparen.
Mit Newslettern werden die Mieter allgemein über Unternehmensaktivitäten informiert. Diese personalisierten Ansprachen können auch zielgruppenspezifisch, basierend auf den Informationen, die im Profil hinterlegt sind,
ausgerichtet sein.
V.
Perspektiven
Die hier aufgezeigten Möglichkeiten einer Social Community im Immobilienmanagement beinhalten Chancen der Weiterentwicklung und Effizienzsteigerung in vielfältiger Hinsicht. Trotzdem darf natürlich nicht vergessen
werden, dass die Gewinnung von Mitgliedern und die Etablierung der Community in der Anfangsphase Marketingmaßnahmen erfordert, die Mieter mit
dem neuen Medium vertraut machen und den Kundennutzen kommunizieren.
Zudem leben Communities von Weiterentwicklung und Anpassung an
Trends. Nach der Erstimplementierung muss an dieser Attraktivität kontinuierlich gearbeitet werden. Auch eine permanente Überwachung durch einen
Community Manager, der negative Strömungen und Tendenzen erkennt,
analysiert und lenkt, ist unabdingbar.
Eine positive Bestandsentwicklung in sozialer Hinsicht durch eine gelebte
Nachbarschaft – im Netz und daraus sich entwickelnd „auf der Straße“ –,
insbesondere bei problematischen Beständen, wirkt sich nachhaltig positiv
auf die Wertentwicklung des Portfolios aus und kann klassisches Quartiermanagement unterstützen und perspektivisch sogar ersetzen.
Zudem zeigt eine Internetpräsenz mit den aufgezeigten Features, dass es
sich um ein Wohnungsunternehmen handelt, dass sich zukunftsweisenden
Technologien nicht versperrt und sich damit nach außen als modernes und
offenes Unternehmen positionieren kann.
3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ...
3.7
109
Stadtentwicklung 2.0 —
Kommunale Entscheidungen durch
öffentliche Diskussionen im Internet
Anina Böhme und Daniela Riedel
Die Stadt ist ein Verhandlungsraum. Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie nicht daran
vorbei, das Internet als öffentlichen Raum für den Dialog zwischen
Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Wie die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung in Berlin zeigt, können Bürger, Blogger, Interessenvertreter gleichermaßen ihre Motive argumentativ und mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammenführen.
I.
Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“
Raum wird in unserem Sprachgebrauch als etwas selbstverständlich Gegebenes verwendet und mit Wänden und festen Grenzen verbunden. Im Gegensatz zu diesem klassischen Verständnis kann man Raum auch breiter fassen:
als Vorstellungswelt, als Bedeutungssystem und in Form von Handlungsräumen.
Die Stadt ist ein Verhandlungsraum, der materiell und diskursiv umkämpft ist. Die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden hängt davon ab,
welche Akteure und Institutionen über die Flächen verfügen und sich letztlich durchsetzen können.
Traditionell bestimmen die öffentliche Hand und zunehmend private
„Landlords“ über die Stadtentwicklung. Entsteht ein neues Gebäude oder ein
Park, so wird das Bild dieser Akteure in die Wirklichkeit übertragen. Sie
entscheiden, wo und in welcher Form gebaut wird und in welcher Form die
Flächen genutzt werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Gestaltung
und die Benutzung des baulichen Raumes.
An den Verhandlungen sind zunehmend auch andere gesellschaftliche
Gruppen beteiligt. Junge Architekten- und Stadtplanerteams, Künstler, Kulturinteressierte, soziale Initiativen oder Bewohner fangen an, den Raum zu
besetzen. Sie kreieren neue Verfahren und Instrumente. Dieser Handlungsspielraum wird vor allem an den gesellschaftlichen „Übergangsorten“ mög-
110
Anina Böhme / Daniela Riedel
lich, bei Pionier- und Zwischennutzungen. Dabei handelt es sich um ungenutzte Häuser, Flächen oder symbolische und politisch aufgeladene Orte. Ein
Beispiel ist der ehemalige Palast der Republik. Diese Räume wurden durch
soziale und künstlerische Sinnzuschreibungen verändert.
Die verschiedenen Gruppen wollen aufzeigen, was jetzt und in Zukunft
wichtig für die Stadtentwicklung ist: Die Gestaltung und das Agieren im
sozialen Raum. Diese neue Haltung drückt sich in einer schrittweisen Entwicklung durch Aneignung und Aktionen statt einer jahrelang vorausschauenden Planung aus. Handlungsspielräume und Diskurse, um andere städtische Lebensweisen und politischer Teilhabe auszuprobieren, werden zum
entscheidenden Gestaltungselement.
Für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Regionen ist es entscheidend, neben der baulichen Gestaltung auch die Bewohner an der Raumentwicklung teilhaben zu lassen und ihren Interessen Rechnung zu tragen.
II.
Das Internet als Verhandlungsraum
Ursprünglich hatten Plätze, Straßen, Parks etc. die Funktion, Orte zu schaffen
für die Öffentlichkeit: für Informationsaustausch und persönliche Auseinandersetzung. Mit zunehmendem technischem Fortschritt wird diese Aufgabe
mehr und mehr von Medien wie dem Mobiltelefon, dem Radio, dem Fernseher und dem Internet übernommen. Ergänzend zur gebauten Realität wird das
Internet zum mächtigen öffentlichen Raum der Meinungsbildung.
Das Internet präsentiert eine völlig eigene Öffentlichkeit: es lassen sich
Kontakte zur Außenwelt herstellen, ohne auch nur die Wohnung zu verlassen. Information und Wissen kommen via Datenautobahn direkt in die heimatliche Stube.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich ein Prozess der Demokratisierung im Alltag der Bewohner vollzieht. Über Mailinglisten, Blogs oder
Social Networks vernetzen sich die Menschen. Sie begrüßen es, von Zuhause
aus Kontakte zu knüpfen, sich mit Hilfe von Videos, Fotos und persönlichen
Profilen zu präsentieren, Sichtweisen auszutauschen und Beziehungen aufrecht zu erhalten.
3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ...
111
III. Berliner Stadtentwicklungspolitik:
Planen mit mehr als 1.000 Beteiligten
Entscheidungen in Städten und Kommunen sind natürlich schon lange keine
Einbahnstraße mehr. Politische Leitideen und städtische Entwicklungen werden über sehr verschiedene Kanäle gesteuert und kommuniziert. Dabei findet
auch das Internet zunehmend Bedeutung.
Die öffentliche Hand initiiert vereinzelt Online-Umfragen, moderierte
Online-Dialoge oder Online-Petitionen, um die Meinung der Öffentlichkeit
in Entscheidungsprozesse einzubinden. Großstädte wie Berlin, Köln oder
Hamburg zeigen, dass öffentliche Expertisen über das Internet zur kreativen
Ressource der Entscheidungsfindung werden können: zur Bestimmung von
Qualitäten einzelner Orte, von Nutzungsanforderungen und von Gestaltungsideen für Plätze und Parkanlagen sowie für die Entwicklung von Leitbildern
oder das Vorbereiten von Wettbewerbsverfahren.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin setzt bei wichtigen
Entscheidungen auf eine breite Mitwirkung der Bürger. Bewährte Instrumente der Bürgerbeteiligung werden mit innovativen Methoden der elektronischen Kommunikation und einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit kombiniert.
So wird ausprobiert, ob Web-Technologien (Wiki, Google Earth, GIS) und
Verfahrenskonzepte (Moderierte Online-Dialoge, TED-Meetings, Auswahl
Technik und Software etc.) neue Formen von Diskursen hervorbringen und
wie sie die Stadtentwicklung beeinflussen.
Konzept-/Masterplan-Diskussion zur Weiterentwicklung des Kulturforums
Berlin (2004/2005)
Das Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz war lange Zeit ein planerisch
umstrittener Ort. Durch divergierende architektonische Leitbilder in der
Fachöffentlichkeit konnte bisher kein Konsens zur Platzgestaltung gefunden
werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entschloss sich, 2004
einen öffentlichen Diskurs zur Entwicklung des Kulturforums in Berlin zu
initiieren.
Parallel zu Architekturgesprächen, Ideenwerkstätten und Vor-Ort-Veranstaltungen wurde ein moderierter Online-Dialog durchgeführt (www.kulturforum-dialog.de). Die Beteiligten konzentrierten sich in der vierwöchigen
Diskussion darauf, gemeinsame Interessen heraus zu arbeiten: Nutzungsvorschläge und Marketingstrategien zur Aufwertung des Ortes. Die Teilnehmenden konnten mittels Wikis die Diskussion mit Unterstützung der Moderation
112
Anina Böhme / Daniela Riedel
zusammenfassen. Auf diese Weise entstanden 14 Konsens-Beiträge, die der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung übergeben wurden und in den Masterplan Kulturforum eingingen.
Vorbereitung und Begleitung Wettbewerb zur Parkgestaltung Gleisdreieck
Die Vorstufe und Begleitung des landschaftsplanerischen Wettbewerbs für
die größte noch bestehende innerstädtische Brachfläche – das Gleisdreieck –
zeigte vor allem die Erwartungen und Parkanforderungen der Anwohner und
späteren Nutzer. Ziel der Senatsverwaltung war es, neben den traditionell
etablierten Bürgerinitiativen auch die allgemeine Berliner Öffentlichkeit zu
erreichen, die diesen großflächigen Park künftig nutzen wird.
Abb. 3.7-1 Spaziergänger formulieren Ihre Ideen zur Parkgestaltung. Die Moderation unterstützt beim Eingeben. (Quelle: Riedel – Zebralog)
In drei Wochen moderierter Online-Diskussion auf www.gleisdreieckdialog.de besuchten 50.000 Besucher das Dialog-Angebot. 388 meldeten sich
mit Mailadresse an, um 500 Vorschläge und Kommentare einzureichen. Am
Ende gab es neben diesen zahlreichen Einzelvorschlägen, ein gemeinsam
erarbeitetes Empfehlungspapier für die Politik und Verwaltung: das Gemeinsame Ergebnis. Diese Ziele, Nutzungs- und Finanzierungsvorschläge wurden
zum festen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen für den landschaftsplanerischen Architektenwettbewerb.
Vorbereitung B-Plan und Wettbewerb für die Gedenkstätte Berliner Mauer in
der Bernauer Straße (2006)
Um den Wettbewerb für die Erweiterung der Gedenkstätte Bernauer Straße
zu konkretisieren, wurde ein moderierter Bürger-Dialog von Senatsverwal-
3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ...
113
tung und künftigem Nutzer dem Dokumentationszentrum Berliner Mauer
initiiert. Durch die direkte Ansprache der Anwohnenden, Grundstückseigentümer und anderen Interessensgruppen wurden relevante Gruppen von Beginn an eingebunden.
In der zweiwöchigen Online-Diskussion auf www.berlin.de/mauerdialog
wurden auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge Themenschwerpunkte
gebildet, die unterschiedlich in das weitere Verfahren eingebunden wurden.
Die Online-Diskussion war geprägt von hoher Emotionalität und den vielfältigen Interessen im Spannungsfeld zwischen prosperierender Stadtentwicklung und bewahrendem Gedenken. Stichwortfunktionen ermöglichten
ein schnelles Nachlesen und Vergleichen unterschiedlicher Beiträge. Parallel
zur Diskussion im Internet wurden Mauerstreifen-Spaziergänge mit Informationsstationen initiiert. Auch Menschen, die das Internet nicht nutzen, hatten
so einen unkomplizierten Zugang zum Thema.
Abb. 3.7-2 Besucher und Teilnehmer des Online-Dialoges informieren sich bei den
Mauerstreifzügen über die Geschichte und Zukunft des Ortes und stimmen auf dem
TED-Meeting über Prioritäten ab. (Quelle: Riedel – Zebralog)
Den Abschluss bildete eine Bürgerversammlung der besonderen Art: ein
TED-Meeting. Mit Hilfe von kleinen Fernbedienungen, sogenannten Key-
114
Anina Böhme / Daniela Riedel
pads, konnte jeder einzelne Versammlungsteilnehmer per Knopfdruck anonym abstimmen. Das Ergebnis erschien sofort auf einer Leinwand und wurde
von den Verantwortlichen der Senatsverwaltung und den Nutzern im direkten
Gespräch resümiert. Dieses TED-Meeting leitete in die formelle frühzeitige
Bürgerbeteiligung für den Bebauungsplan über.
Die Beteiligung war insgesamt wesentlich größer als bei klassischen Verfahren. Innerhalb von nur zwei Wochen informierten sich fast 10.000 Website-Besucher im Online-Dialog. 1.400 Spaziergängern wurden auf den Mauerstreifzügen die Planungen näher gebracht. Ins Internet wurden über 360
Diskussionsbeiträge eingestellt. Bei dem abschließenden TED-Meeting wurden differenzierte Meinungsbilder von 60 Interessierten per Knopfdruck erfasst.
IV.
Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten
Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten,
dann kommt sie nicht daran vorbei, das Medium Internet für den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Es ist ein öffentlicher
Raum, der sonst von anderen gesellschaftlichen Gruppen gestaltet wird.
Nach dem Motto „Hier ist Platz für Ihre Meinung“ sollten Kommunen öffentliche Kommunikationsräume schaffen, um verschiedene Interessen in
argumentativen Prozessen und mit Unterstützung von Online-Moderatoren
zusammen zu führen.
Bürger, Blogger, Interessensvertreter gleichermaßen sind in Online-Diskussionen gezwungen, ihre Standpunkte mit Argumenten zu untermauern,
um andere zu überzeugen. Die Sachebene tritt durch die textbasierte Kommunikation in den Vordergrund.
Das Wissen der Bewohner zu laufenden Prozessen wird gewonnen und
genutzt. Starre Pro-Contra-Gegensätze zwischen Verwaltung und Bevölkerung brechen auf. Das Verständnis für Beweggründe und Handlungsoptionen
anderer erhöht sich bei allen Beteiligten. So können Entscheidungsprozesse
erleichtert und verkürzt werden. Durch große Beteiligungszahlen sind zudem
die Pro-Kopf-Kosten vergleichsweise gering.
Damit verbunden ist jedoch nicht nur das Aufsetzen einer Internetplattform, sondern das Online-Angebot muss eingebettet sein in ein Gesamtkonzept der Prozessgestaltung, Politik- und Konfliktberatung und einer
öffentlichen Kommunikationsstrategie. Ein sinnvolles Zusammenspiel von
diskursiven Elementen – im Internet und auf Veranstaltungen – und die Of-
3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ...
115
fenheit des Ergebnisses bilden die Grundlage für den Erfolg von OnlineDialogen.
Verschiedene zentrale Stränge von kommunaler Politik werden durch EPartizipationsprojekte verbunden:
• ein innovatives Dialogverfahren und Prozessgestaltung für Politik, Verwaltung und Bürger wird konzipiert und umgesetzt
• das Internet wird als Kommunikationsplattform und deliberatives Verständigungsmedium für planerische Entscheidungen genutzt
• Gestaltungsspielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger
werden eröffnet und direkte Mitentscheidung praktiziert.
• ein Interessen- und Wissensaustausch zu einem aktuellen Thema in der
Stadt wird ermöglicht.
Am Ende können hochwertige Ergebnisse einer großen Öffentlichkeit stehen,
auf deren Basis Entscheidungen demokratischer und qualifizierter getroffen
werden.
116
Anina Böhme / Daniela Riedel
4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune
4
Web-2.0-Anwendungen
und ihre Einsatzmöglichkeiten
4.1
Kommunalverwaltung 2.0 —
auf dem Weg zur Bürgerkommune
117
Peter Jakobs-Woltering
Kommunen setzen das Internet heute sehr unterschiedlich ein. Während manche Städte und Gemeinden eine Webseite primär als Schaufenster in die Welt nutzen, sehen einige Kommunen im Internet eine
Chance zur echten Interaktion mit der Bevölkerung und ihren Partnern
unterschiedlicher Sektoren. Der Beitrag gibt anhand von Beispielen
aus Arnsberg, Bonn, Friedrichshafen und Unna einen Eindruck davon,
wie sie funktionieren kann, die zukunftsfähige „Kommunalverwaltung
2.0“.
I.
Zukunftsfähigkeit als Herausforderung
Die Themen Kinder und Familie, Migration und Integration, Sicherheit und
Ordnung sowie Schule und Bildung sind zunehmend in den Fokus kommunaler Entscheider und Verwaltungsverantwortlicher gerückt. Gerade in diesen Kontexten haben sich die Anforderungen stark verändert, sodass es bei
der öffentlichen Hand liegt, zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die zu
bewältigenden Aufgaben zu schaffen.
Gleichwohl erscheinen die Handlungsspielräume der Kommunen insgesamt begrenzt. Auch wenn wachsende Gewerbesteuereinnahmen der letzten
Jahre sich positiv auf die Haushaltskassen ausgewirkt haben, ist die Haushaltslage in den Kommunen angespannt. Hinzu kommen Leistungserwartungen des Bundes und der Länder, ohne dass Organisations- und Finanzierungsfragen hinreichend geklärt sind. So müssen die Kommunen
beispielsweise mehr Feuerwehrleute einsetzen oder ein Betreuungsangebot
für Kinder unter drei Jahren gewährleisten. Die Umsetzung eines Luftreinhalteplanes mit Umweltzonen bringt ebenfalls steigende Kosten mit sich.
118
Peter Jakobs-Woltering
Zusätzliche Konsequenzen für die Kommunalverwaltungen bringt die
Globalisierung der Wirtschaft. Eine adäquate Standortqualität hinsichtlich
Infrastruktur und Wertschöpfungskette sowie ein effektiver Bürgerservice
entscheiden über die kommunale Zukunftsfähigkeit. Hochwertige, bedarfsorientierte und transparente Dienstleitungen sind gefragt, obgleich das öffentliche Management aufgrund jahrelanger Einstellungssperren mit weniger
Mitarbeitern auskommen muss.
II.
Kommunale Erfolge durch neue Technologien
Aktuelle Beispiele aus der Praxis zeigen, wie ausgewählte Kommunen sich
den verändernden politischen Anforderungen durch den Einsatz neuer Technologien stellen, die T-Systems bedarfsgerecht entwickelt und umsetzt.
Arnsberg: Elternservice von Geburt bis Berufsschule
„Wir brauchen einen Elternservice für Kinder von der Geburt des Kindes bis
zum Eintritt in die Berufsschule“ fordert der Arnsberger Bürgermeister HansJosef Vogel. „Obwohl immer mehr Eltern nach der Geburt ihre Kindes wieder arbeiten wollen oder müssen, gibt es in Deutschland keine qualifizierte
Babysitterservices, die bürgerschaftlich organisiert und von den Kommunen
unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund sind wir in Arnsberg mit einem
Babysitternetzwerk gestartet. Wir bieten Eltern die Möglichkeit, Babysitter
nach bestimmten Qualifikationen auszusuchen.“
Angebot und Nachfrage werden in dem Arnsberger Netzwerk über eine
Online-Plattform koordiniert, wobei die jungen Eltern ihr Anforderungsprofil
für die gesuchte Kraft spezifizieren. Zugelassen sind nur qualifizierte und
geprüfte Babysitter mit entsprechender Ausbildung. In dieser Weise haben
nicht zuletzt Neubürger die Möglichkeit, schnell einen verlässlichen Babysitter zu finden. Sie müssen sich nicht auf die sogenannte „Mund-zu-MundPropaganda“ verlassen. Zudem sind die lokalen Kindertageseinrichtungen in
die Phase des Kennenlernens eingebunden, um das gegenseitige Vertrauen
von Eltern, Kind und Betreuungsperson zu fördern. Ein weitere Funktionalität besteht – „Ebay lässt grüßen“ – aus der Möglichkeit der gegenseitigen
Bewertung von Babysittern und Eltern.
Aufbauend auf den Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Services ist TSystems aktuell mit der Aufgabe betraut, in Arnsberg eine online-basierte
Vermittlung von Tagesmüttern zu entwickeln. Im Vordergrund steht der
4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune
119
Aufbau eines Netzwerkes mit Qualitätskriterien und individuellen, passgenauen Lösungen. Damit unterstützt T-Systems schon jetzt die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angestrebte Entwicklung einer neuen Tagesmütterkultur zugunsten der Familien mit kleinen
Kindern.
Darüber hinaus ist die e-Schülerhilfebörse geplant. Damit will die Stadt
Arnsberg die Familien dabei unterstützen, die schulischen Ergebnisse der
Kinder und Jugendlichen über eine individuelle Förderung zu verbessern und
eine Vernetzung der Bildungslandschaft aus Schule, Volkshochschule und
Lernenden erreichen.
Arnsberg e-Veranstaltungsmanagement
Die Stadt Arnsberg kann noch in einem zweiten Kontext als Vorreiter für
neue Technologien in den Kommunalverwaltungen gelten. „Unsere Erfahrung ist, dass ein zielgruppenorientiertes Veranstaltungsmanagement als
Standortfaktor zunehmend an Bedeutung gewinnt“, betont Bürgermeister
Vogel. „Wir haben uns deshalb das Ziel gesetzt, die Lebensqualität unserer
Bürgerinnen und Bürger und den Tourismus durch ein attraktives Freizeitangebot noch mehr zu steigern.“ So kommen zu dem Arnsberger Kunstsommer
mittlerweile Künstler und Gäste aus ganz Europa. Die Bevölkerung dagegen
ist vor allem stadtteilorientiert, sodass gemeinsame kulturelle Veranstaltungen ein Zusammenwachsen der Stadtteile fördern sollen. Als Kuratorenstadt
möchte Arnsberg darüber hinaus den Veranstaltern viele Organisationsfragen
abnehmen.
Mit Unterstützung von T-Systems professionalisiert die Verwaltung daher
gerade ihr Veranstaltungsmanagement, wobei möglichst viele Abläufe optimiert und in elektronische Verfahren übersetzt werden. Daraus ergibt sich
eine Reihe von Vorteilen, wie z.B. die Beschleunigung von Anmeldeverfahren, die Speicherung von Anfragen auf Wartelisten sowie die Einbindung
von Feedbackmöglichkeiten zum Verfahren wie zur Stadt Arnsberg insgesamt. Damit lässt sich die Attraktivität des Kulturstandorts gezielt verbessern.
Bonn: Kindergartenanmeldung online
Die Stadt Bonn ist dabei, das Anmeldeverfahren für Eltern, die einen Kindergartenplatz suchen, wesentlich zu erleichtern. Da die Suche nach einem
freien Platz für die Dreijährigen häufig eine „Zitterpartie“ ist, kommt es nicht
selten vor, dass Kinder an mehreren Kindertageseinrichtungen angemeldet
120
Peter Jakobs-Woltering
werden. Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann kennt einen Fall, in dem
Eltern ihr Kind an 21 Kindergärten anmeldeten. Eine vernünftige Bedarfsplanung war für die Stadt nahezu unmöglich. Erschwert wird diese Planung
zusätzlich durch die unterschiedlichen Anmeldestandards der städtischen,
kirchlichen und freien Träger.
Nun werden die 196 Kindertageseinrichtungen in Bonn miteinander vernetzt. Damit verbunden wird die Anmeldung standardisiert und zentralisiert.
Parallelanmeldungen an verschiedenen Kindergärten kann es so nicht mehr
geben. Da per Knopfdruck der Anmeldestand festgestellt werden kann, hat
die Stadt jederzeit einen Überblick über unversorgte Kinder. Die Eltern haben die Möglichkeit, in Frage kommende Einrichtungen zu recherchieren und
erhalten Informationen anhand einheitlicher Kriterien. Nach einer vorläufigen Online-Anmeldung erfolgt die endgültige Anmeldung im Kindergarten
ebenfalls online über das System. Dabei werden die neuen mit dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) verbundenen Anforderungen berücksichtigt. Für die
Kindergärten besteht die Möglichkeit der Verlinkung ihres Internet-Auftritts
zur weiteren Informationsbereitstellung.
Friedrichshafen: Bildungsplattform Edunex
In der T-City Friedrichshafen werden schrittweise die Schulen mit der internetbasierten Lernplattform Edunex ausgestattet. Ziel ist es, statt traditionellem Frontalunterricht und der einseitigen Wissensvermittlung aus Büchern
Lerninhalte multimedial zu gestalten und damit die Schulstunden erlebbar
werden zu lassen.
Die gemeinsam mit Lehrern entwickelte Plattform ermöglicht individuelles Lernen, Gruppen- und Partnerarbeit, aber auch projektorientiertes Arbeiten im Klassenverband und über die Schulgrenzen hinaus. Dabei greift
Edunex auf das Wissen von Bibliotheken und Medienanbietern, auf Fachmodule der Schulbuchverlage Cornelsen, Westermann und Klett sowie auf
Internet-Inhalte zu. Einzige Voraussetzung sind PCs oder Notebooks mit
breitbandigem Internetanschluss.
Die Einsatzmöglichkeiten der Lernplattform sind vielseitig. So verteilen
Lehrer über Edunex Aufgaben, stellen Hausaufgaben und bewerten die Einsendungen ihrer Schüler. Internationale Partnerschulen können sich über
Videokonferenzsysteme zusammenschalten und so einen grenzüberschreitenden Fremdsprachenunterricht anbieten. Wird ein Schüler krank, so kann er
sich von zu Hause aus problemlos mit seinem PC oder Laptop via Internet in
den Unterricht einklinken. Eine Übersetzungshilfe erleichtert Lernenden mit
4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune
121
Migrationshintergrund, dem Unterricht zu folgen. Auch Lehrern macht Edunex das Leben leichter: Sie verwalten Kurse und Klassen und erstellen mit
dem System Lernpläne, die individuell auf den Wissensstand einzelner Schüler ausgerichtet und natürlich wieder verwendet werden können.
Offiziell starteten T-Systems und Friedrichshafen Edunex auf der CeBIT
2008. Mittlerweile sind fünf Schulen mit dem Zugang zu den multimedial
aufbereiteten Lerninhalten der elektronischen Bildungslösung ausgestattet.
Die Schulen planen deren Einsatz in allen Klassen und Unterrichtsfächern. In
Hessen arbeiten außerdem künftig rund 100 Schulen mit Edunex. Bereits seit
mehreren Jahren bewährt ist der Edunex-Einsatz in ca. 600 Schulen in Nordrhein-Westfalen. Schulen in weiteren Bundesländern werden in den nächsten
Monaten folgen.
Siegburg: Optimierung des Außendienstes
Auch in der Binnenverwaltung halten neue Technologien Einzug. Die Kreisstadt Siegburg legt im Rahmen der Verwaltungsreform einen wesentlichen
Schwerpunkt auf die Optimierung des Außendienstes.
Von den rund 500 Mitarbeitern der Stadt sind rund 20% im Außendienst
beschäftigt. Es kommt nicht selten vor, dass zwei bis drei Fachkräfte zeitgleich in derselben Straße unterwegs sind und sogar nahezu identische Aufgaben übernehmen. Eine Koordinierung fehlt. „Warum soll nicht eine
Polizeihostess in der Lage sein, Schlaglöcher und Bruchholz aufzunehmen.
Warum soll nicht ein Vollstreckungsbeamter die Reparatur klappernder Kanaldeckel anstoßen“, fragt sich Bernd Lehmann, Co-Dezernent für zentrale
Dienste und Bürgerservices der Stadt Siegburg. „Wir müssen unseren Außendienst effizienter einsetzen und von dem Spartendenken wegkommen.
Mit einer mobilen Steuerung wird dies erheblich erleichtert“, folgert er.
In einem ersten Schritt setzt die Stadt Mobiltelefone zur Erfassung von
Verkehrsverstößen ein. Dabei werden wichtige Daten wie Autokennzeichen,
Tatvorwurf und Ortsangabe in den tragbaren Minicomputer eingegeben. Diese werden online an den Server des Rathauses gesandt und stehen sofort zur
Verfügung. „Die Vorteile liegen auf der Hand“ fasst Bernd Lehmann zusammen. „Medienbrüche aufgrund von Übertragungsfehlern entfallen, durch
einen Plausibilitätscheck werden Falscheingaben schnell entdeckt. Der Sofortausdruck am falsch geparkten Auto erspart Versandkosten des Tickets. Es
können wichtige Informationen an sämtliche Mitarbeiter gleichzeitig fließen.
Die Lösung ist modular erweiterbar, z.B. zur Bereitstellung von Dienstplänen.“
122
Peter Jakobs-Woltering
Zusätzlich will das Dezernat für zentrale Dienste und Bürgerservices die
Außendienstmitarbeiter in die Lage versetzen, Anliegen und Beschwerden
der Bürger aufzunehmen, Verwaltungsprozesse sofort anzustoßen und den
Bürger sofort mit zufrieden stellenden Antworten versorgen zu können. Aktuell sind die Verantwortlichen dabei, diese Kommunikationswege und das
notwendige Wissensmanagement aufzubauen.
Unna: e-Procurement
Für den Einkauf von Verbrauchsartikeln haben in den Kommunen ebenfalls
neue Zeiten begonnen, ermöglicht durch den Einsatz neuer Lösungen. Durch
papiergestützte Verwaltungsabläufe war die Beschaffung bisher mit erheblichem Aufwand verbunden. Die tatsächlichen Kosten waren selten bekannt.
Dezentrale Ressourcenverantwortung führte zur Fragmentierung von Einkaufstrukturen, Beschaffungsvorgänge liefen parallel und unabhängig voneinander. Lieferantenvielfalt, umfangreiche Artikelsortimente und unterschiedliche Preise sind die Folge. Mangels aussagekräftiger Leistungsverzeichnisse waren die Vergabestellen im Bereich der Verdingungsordnung für
Leistungen (VOL) nicht in der Lage, alle benötigten Leistungen zur Ausschreibung zu bringen.
Die Kreisstadt Unna startete im Oktober 2006 mit der Einführung eines
elektronischen Einkaufssystems in der Verwaltung. „Bereits nach drei Monaten wurden die Warenkataloge Büromaterial, Toner/Tinte und Papier frei
geschaltet“ resümiert Uwe Kornartz, Fachdezernent in Unna. „Nach einer
kurzen Schulung der Mitarbeitenden konnten die elektronischen Bestellungen nahezu ohne Störung abgewickelt werden. Aufgrund der guten Erfahrungen mit der neuen Bestellstrategie wurde Anfang 2007 der Warenkatalog
Hygiene in das System eingepflegt. Die 21 Schulen der Kreisstadt wurden
Anfang 2008 in das System integriert.“
Das Outsourcing von Einkaufsdienstleistungen, ohne Kompetenzverlust,
ist für Verwaltungen effektiv, nachhaltig und kostengünstig umsetzbar. Klare
Vorgaben von Abläufen, Definitionen verwaltungsinterner Kompetenzen und
Rollen sind ein Schwerpunkt bei der Einführung. Durch Vereinfachung, Beschleunigung und Verschlankung der Prozessabläufe (Lager, Logistik, Personal) ergibt ich eine nachhaltige Kostensenkung im operativen
Tagesgeschäft. Eine Reihe von Beispielen in den Verwaltungen zeigen bereits, dass webbasierte Technologien, umfassende Services sowie praxisorientiertes Know-how die Einführung einer auch lokal angepassten EProcurement-Strategie schnell und einfach möglich machen.
4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune
123
III. Kommunalverwaltung 2.0?
Im kommunalen Kontext wird das Internet heute sehr unterschiedlich eingesetzt. Während manche Städte und Gemeinden eine Webseite primär als
Schaufenster in die Welt nutzen, sehen einige Kommunen im Internet eine
Chance zur echten Interaktion mit der Bevölkerung und ihren Partnern unterschiedlicher Sektoren.
Hier liegt die Chance von Web 2.0 für die Verwaltung und zugleich auch
die Herausforderung. Deutschland benötigt eine „Kommunalverwaltung 2.0“.
Dabei geht es nicht nur darum, Weboberflächen um Foren, Blogs, Podcasts,
Wikis oder gar Chats zu erweitern. Es geht vielmehr um einen ganzheitlichen
Ansatz, bei dem die Organisation der Verwaltung online-basiert optimiert
wird.
Da die Kommunalverwaltung zu ca. 75% aus Binnenprozessen besteht,
sind neben den Abläufen, die Bürger und Wirtschaft anstoßen, auch die internen Vorgänge zu optimieren und zu elektronifizieren. Gerade durch die
Optimierung der Binnenprozesse werden Einsparungen erzielt. Darüber können sowohl der Finanzhaushalt entlastet als auch neue Bürger- und Wirtschaftsservices bezahlt werden.
Der Nutzen für die Kommune ist offensichtlich: nicht zuletzt wird sie neben einer Kosteneinsparung als moderner Dienstleister wahrgenommen. Die
Beispiele aus Arnsberg, Bonn, Friedrichshafen und Unna geben einen Eindruck davon, wie sie funktionieren kann, die zukunftsfähige „Kommunalverwaltung 2.0“.
124
4.2
Anke Domscheit
Klimarettung 2.0 — „Virtual Earth“ und
elektronische IDs mit „Windows Live“
Anke Domscheit
Der Beitrag verdeutlicht anhand von zwei Anwendungsbeispielen, dass
das Web 2.0 kleinen und mittleren Kommunen den Weg in modernes
E-Government öffnet – und zwar mit dem Einsatz von Standardsoftware. Die Umsetzung erfordert weder Mehrjahrespläne noch sprengt
sie den kommunalen Haushalt.
I.
Interaktivität erfordert neue Technologien
Bürger wünschen sich heute mehr Transparenz und mehr Partizipationsmöglichkeiten. Demgegenüber wüssten kommunale Entscheider gerne mehr
über die Meinung ihrer Wählerschaft, um politische Entscheidungen besser
zu priorisieren. E-Government mit Web-2.0-Angeboten kann hierfür ein
Schlüssel sein.
Interaktive Kommunikationsformen, die für Web-2.0-Anwendungen typisch sind, verlangen nach neuen Technologien, die eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen haben. Diese müssen den Usern ermöglichen, selbst zum
Editor von Web-Inhalten zu werden – und dies womöglich gleichzeitig und
in großer Zahl. Sie wollen miteinander kommunizieren, Inhalte austauschen,
Meinungen, Wünsche und Kritiken äußern, und zwar in einer sicheren Umgebung, zu jeder Tageszeit und von jedem Ort – natürlich auch mobil.
Auf einer einzigen dynamischen Web-2.0-Seite finden sich heute Daten
aus Quellen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichster Art. Früher
statische Städtehomepages zeigen heute lebendige Mash Up-Seiten, gefüllt
mit Text, Fotos, Videos und allen Arten Daten und Fakten, sei es zum aktuellen Stadt-Wetter (mit Webcam) nebst Vorschau, dem Blog des Bürgermeisters, Videos lokaler Events – wie Prominentenbesuche, Karnevalsfeiern oder
Stadtfeste, RSS-Feeds zu Bauvorhaben, Verkehrsstörungen oder Beschlüssen
der Stadtverordneten, historischen Berichten und aktuellen Veranstaltungen,
Informationen für die Wohnbevölkerung, Touristen, Junge und Alte – bis hin
zu Bürgerdiensten, wo die internet-affine Bürgerin die Hundesteuer und
Knöllchen online zahlt, der schon legendäre portugiesische Friseur sein künf-
4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ...
125
tiges Berliner Gewerbe online anmeldet und diese administrativen Prozesse
mit den Fachanwendungen der eigenen Verwaltungen und möglicherweise
mit denen von Behörden auf Landes- und Bundesebene integriert sind (wenn
wir die Umsetzung der EU Dienstleistungsrichtlinie einmal vorweg nehmen).
Alles das soll natürlich einfach und fehlerfrei funktionieren, bezahlbar sein
und sicher.
All dies verlangt viel von Technologie – insbesondere einen hohen Grad
an Standardisierung, um das Zusammenspiel der verschiedenen multimedialen Inhalte mit aller Arten Herkunft problemfrei zu ermöglichen. Leistungsfähige Standardsoftware kann diese Anforderungen erfüllen und ist gleichzeitig so einfach angelegt, dass auch kleinere Städte und Kommunen sich
ihre Blogs und Wikis ebenso wie Foto- und Videodatenbanken anlegen können, oder Standortinformationen mit Satellitenbildern verknüpfen – alles mit
ein paar Tastenklicks.
In den nachfolgenden Fallbeispielen wird beschrieben, wie einzelne Software-Werkzeuge diesen Anforderungen gerecht werden und Web 2.0 in der
Praxis ermöglichen. Dabei handelt es sich um Standardsoftware oder frei
verfügbare Microsoftprodukte, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
Virtual Earth (www.virtualearth.com):
Virtual Earth stellt eine zoom-fähige Karte der Erde dar, mit 2D Ansicht
(Kartenansicht), 3D Ansicht (Satellitensicht) sowie einer Vogelperspektive
(3D gekippt), mit Pinpoint Funktionen zum Markieren und Kommentieren
bestimmter Standorte. Sie dient zur eigenen Information oder ist freigegeben
für andere User. Virtual Earth kann mit anderen Daten verknüpft werden und
ermöglicht dann u.a. Anwendungen wie Fixmystreet, über die Bürger Probleme mit der materiellen Infrastruktur ihres Wohnumfelds melden können.
Virtual Earth wird in beiden nachfolgend beschriebenen Fallbeispielen eingesetzt.
Windows Live (www.windowslive.com)
Bei Windows Live handelt es sich um ein kostenfreies Angebot für alle Bürger, das über eine Live ID den Zugang zu einer Reihe Diensten ermöglicht,
die aktive Web-2.0-User benötigen. Zu diesen Diensten zählen u.a. ein EMail-Konto mit 5 GB Speicherplatz, Instant Messaging, ein eigener Kalender
für Termine und Verabredungen eigene virtuelle Speicher für Daten sowie
für Foto- und Videoalben, bei denen man selbst entscheiden kann, ob man sie
anderen, der ganzen Welt oder niemandem zugänglich machen möchte. Au-
126
Anke Domscheit
ßerdem gibt es einen Blog-Bereich, der wie auch die Fotoalben nicht nur am
Computer sondern zusätzlich mobil beschrieben werden kann. Windows Live
wird im zweiten Fallbeispiel Elektronische ID verwendet.
II.
Bürgerfeedback ergänzt EU-Daten: www.eyeonearth.eu
(Case Study)
Die Europäische Umweltagentur (EUA) hat im Sommer 2008 ein ehrgeiziges
Vorhaben gestartet: 500 Millionen Europäer sollen in Echtzeit Umweltinformationen über elektronische Landkarten zur Verfügung gestellt werden – mit
der Möglichkeit, selbst diese Informationen zu ergänzen. Für die Direktorin
der Agentur, Jacqueline McGlade, ist dies ein notwendiger Schritt: „Unsere
Umwelt wird natürlich durch massive globale und nationale Faktoren beeinflusst, aber sie wird auch beeinträchtigt durch die täglichen Aktivitäten – egal
wie klein sie sein mögen – jedes einzelnen europäischen Bürgers. Wenn wir
alle Anstrengungen koordinieren wollen, um echte Verbesserungen zu erreichen, müssen wir neue Wege finden, um Bürger zu informieren und einzubinden bei einem Thema, das für unsere gemeinsame Zukunft von höchster
Wichtigkeit ist.“
Für das geplante Global Overservatory for Environmental Change ist eine
moderne, Web-2.0-fähige Technologie ein kritischer Faktor, um das Ziel zu
erreichen, das daraus besteht, politischen Entscheidern sowie Bürgern qualitativ hochwertige Informationen ausreichend und in einer Form bereit zu
stellen, die es ihnen ermöglicht, sinnvolle Entscheidungen mit Auswirkungen
auf die Umwelt zu treffen – oder von politischen Entscheidern auf lokaler
und nationaler Ebene zu verlangen.
Die EUA wird in einem Online-Portal Umweltindikatoren veröffentlichen, darunter Daten zur Wasserqualität, zu Verschmutzungen in Luft und
Boden sowie zum Ozongehalt. Alle Daten werden in eine zoomfähige Weltkarte integriert, in der Details bis auf Straßenniveau zugänglich sind – ein
Detailgrad, wie er bisher im Umweltmonitoring nicht existierte.
Die dafür erforderlicher Datenmenge kann die EUA nicht mehr allein zur
Verfügung stellen. Hier werden Beobachtungen von Millionen Menschen
genutzt, die ihre konkreten Erkenntnisse im Portal für alle User bereitstellen.
Auch Mitglieder der vielen lokalen und regionalen Umweltschutzverbände
oder Vereine zum Schutz einheimischer Tiere und Pflanzen können künftig
ihre Daten in das Portal einstellen und so regionenübergreifend Zustand und
Veränderung von Ökosystemen erkennbar machen.
4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ...
127
Abb. 4.2-1 Eyeonearth.eu (Landkartensicht) (Quelle: Microsoft)
Ende Juli ging die erste Stufe von eyeonearth.eu live. Auf einer Virtual
Earth-Weltkarte sind vorerst Wasserqualitäten europäischer Strände abrufbar.
Durch Zoomen sind einzelne Strände und ihre offiziellen Bewertungen der
Wasserqualität sichtbar – ergänzt um die (inoffiziellen) Bewertungen von
Bürgern, die sich vor Ort eine Meinung zur Wasserqualität gebildet haben.
Die nachfolgende Abbildung zeigt Ostseestrände auf Rügen in Satellitensicht
mit aktuellen Wasserqualitäten (August 2008) sowie mit den Daten vergangener Jahre.
128
Anke Domscheit
Abb. 4.2-2 Eyeonearth.eu: Ostseestrände auf Rügen (Quelle: Microsoft)
Transparenz schaffen über Sachverhalte mit politischer Relevanz und hohem Interesse auf Seiten der Bürger – das ist ein Hauptzweck von Web-2.0Anwendungen im E-Government. Eyeonearth.eu zeigt, wie Transparenz die
Entscheidungen in einzelnen Kommunen beeinflussen kann, da Umweltdaten
auf Gemeindeebene der breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Es werden
jedoch nicht nur die lokalen Daten sichtbar, sondern damit gleichzeitig vergleichbar mit den Daten anderer Gemeinden und Regionen. Die Auswirkungen von Unfällen oder industriellen Aktivitäten, die die Umwelt
verschmutzen, werden erkennbar an ihren Folgen für Wasser, Luft und Boden und wie sich diese im Laufe der Zeit verändern. Eyeonearth.eu stellt
nicht nur aktuelle sondern auch historische Daten vergangener Jahre bereit
und macht so sowohl positive als auch negative Veränderungen transparent.
Jede Nutzergruppe kann einschätzen, welche Konsequenzen ein Ortswechsel – ob temporär (z.B. ein Urlaub) oder auf Dauer angelegt (Umzug
oder Ansiedlung von Unternehmen) – für die eigene Gesundheit oder die von
Angehörigen bzw. (falls es sich um das Management eines Unternehmen
handelt) von Mitarbeitenden haben kann. Bürger können besser einschätzen,
welche Folgen unsaubere Unternehmen der Region auf ihre Lebensqualität
haben und mit mehr Informationen als bisher Fragen und Forderungen an
ihre politischen Vertretungen stellen. Damit hat eyeonearth.eu das Potenzial,
ein starkes europäisches Instrument zu werden, um positive Veränderungen
zu beschleunigen und den Klimawandel zu stoppen.
4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ...
129
III. Elektronische ID in Mailand und an der
University of Pennsylvania (Case Study)
Mailand, zweitgrößte Stadt in Italien (1,2 Mio Einwohner), und die Universität von Pennsylvania (20.000 Studierende) haben auf den ersten Blick wenig
gemeinsam. Dennoch wird durch beide die gleiche Basistechnologie genutzt,
um Einwohnern bzw. Studierenden mit Web-2.0-Funktionalitäten auszustatten und eine engere Bindung zwischen Verwaltung und Bürgern respektive
zwischen Universität und Studierenden zu ermöglichen.
An der Universität in Pennsylvania sah man sich auch hierzulande bekannten Problemen ausgesetzt: veraltete Technik, unzufriedene Studierende
und wenig Ressourcen, um diesen Umstand zu beheben. Mit der 2007 erfolgten Bereitstellung von kostenlosen Windows Live IDs für ihre Studierenden
und der damit verbundenen Verlagerung des E-Mail-Betriebs auf einen externen Dienstleister konnte man in kürzester Zeit die Leistungen für Studierende verbessern und ihrem Ruf nach zeitgemäßen Werkzeugen für die
Online-Kooperation und -Kommunikation gerecht werden. Dazu gehörten
nicht nur eine E-Mail-Adresse mit der Endung der Universität und hinreichend Speicherplatz auch für größere Multimedia-Anhänge, sondern auch
Instant Messaging für die schnelle Kommunikation per Chat – mit Text, Audio (VoIP) oder sogar Video. Die Zusammenarbeit und Vernetzung wird
erleichtert durch
• Kalender, in denen gemeinsame Termine angelegt und verschickt werden
können (auch durch die Universität),
• Skydrives (virtuelle Speicherplätze), in denen Studierende Daten für sich
selbst oder für den Zugriff durch bestimmte Gruppen ablegen können,
z.B. wenn sie gemeinsam an einem Projekt arbeiten,
• Blog-Bereiche, in denen Studierende Texte, Bilder und Videos veröffentlichen können, und
• eine direkte Kontaktmöglichkeit der Universität mit ihren Studierenden
auch über ihre Studienzeit hinaus.
Die E-Mail-Adresse [email protected] bleibt auch nach Studienende gültig und kann dann der Alumnipflege dienen.
Anders als in Pennsylvania, wo der Wunsch nach mehr Web-2.0Funktionalitäten eher von den Studierenden selbst geäußert wurde, kam in
Mailand die Idee von den Stadtvätern und -müttern. Man suchte nach einer
Möglichkeit, die Akzeptanz der Bürger für E-Government-Dienste der Stadt
130
Anke Domscheit
zu verbessern und – analog zu Pennsylvania – eine engere Bindung zu den
Einwohnern zu erreichen.
Die Windows Live ID für alle Bürger ab 15 Jahre wird seit März 2008
nach nur 2,5 Monaten Umsetzungszeit unter dem Titel „Mailand Semplice“
(Mailand ganz einfach) angeboten und wie in Pennsylvania enthält sie EMail-Adressen, die eine Verbindung zum Dienste-Anbieter enthalten: [email protected], Mailboxen, Skydrives als virtuelle
Speicherplätze, Instant Messaging auch mit Internet-Telephonie, Kalender,
gemeinsam nutzbare Speicherbereiche sowie Blogs, in denen Bürger sich
einander mitteilen können.
Dennoch steht das Vorhaben von Mailand in einem anderen Kontext. Die
Stadt fasst unter dem Programmnamen Mailand Semplice verschiedene Vorhaben der Verwaltungsmodernisierung und des Bürokratieabbaus zusammen.
Mailand wollte bürgernäher werden und die Lebensqualität der Bürger verbessern. Es folgte der Beschluss, mehr dezentrale Bürgerbüros zu schaffen,
ein Call-Center mit rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit zur Verfügung zu stellen
und ein neues Portal aufzubauen, das den Einwohnern der Stadt neue Dienste
bietet, die mit der zu diesem Zweck bereitgestellten digitalen Bürger-Identität
genutzt werden können. Die Angestellten der Stadt werden die Live IDs der
Bürger als bevorzugten und zertifizierten Kommunikationskanal verwenden,
der auch über mobile Endgeräte abrufbar ist. Bürger-E-Mails, die zertifiziert
von einer Mailand Semplice ID kommen, werden von der Stadt bereits jetzt
als vollwertige schriftliche Kommunikation anerkannt.
Weitere Web-2.0-Dienste sind auf der Basis der Live ID möglich und bereits geplant, u.a. Newsletter der Stadt und Versand von Informationen mit
öffentlichem Interesse (Alerts), Verkehrs- und Stauinformationen, Stadtpläne
mit Baustellen, Stadtentwicklungsvorhaben, Umleitungen auf der Basis von
Microsoft Virtual Earth. Künftig wird die Entwicklung personalisierbarer
Web 2.0 Angebote für die Bürger von Mailand im Fokus stehen.
IV.
Web 2.0 mit Standardsoftware öffnet kleinen und mittleren
Kommunen den Weg in modernes E-Government
Zwei Aspekte werden durch die beschriebenen Fallbeispiele deutlich. Erstens
erfordert die Umsetzung von Web-2.0-Komponenten in der Verwaltung weder Mehrjahrespläne noch sprengt sie den kommunalen Haushalt. Beim Einsatz von Standardsoftware bleiben Kosten kontrollierbar, die Interoperabilität
4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ...
131
der Produkte ist sehr hoch. Expertise für die Integration von MicrosoftSoftware an die Anforderungen einzelner Kommunen ist bei Tausenden
Microsoftpartnern verfügbar, das Angebot ist dadurch umfassend, der Wettbewerb hoch und Kosten werden einfach vergleichbar. Kleine und mittlere
Kommunen können dadurch leichter mit den E-Government-Angeboten großer Städte Schritt halten: ein Faktor mit wachsender Bedeutung für die Zufriedenheit der Bürger. Gerade bei jungen Bürgern ist der Anspruch an das
Web hoch – sie erwarten von ihrer Kommune Partizipation und Transparenz,
wie sie sie von Amazon und YouTube kennen.
Zweitens werden mehr und mehr Web-2.0-Angebote für das E-Government auf überregionaler Ebene bereitgestellt, die für Kommunen Chancen
und Risiken bergen und auf deren Inhalte Kommunen wenig Einfluss haben.
Am Beispiel www.eyeonearth.eu wird diese Entwicklung deutlich. Es werden qualitative Standortfaktoren mit Relevanz für Bürger sowie Unternehmen transparent, die im Vergleich zu anderen Kommunen zu einer Verbesserung oder Verschlechterung der relativen Attraktivität eines Standortes
führen können – je nach Umweltqualität. Entscheider in Kommunen können
jedoch die auf www.eyeonearth.eu frei verfügbaren Informationen ihrerseits
für die Priorisierung von Investitionen oder politische Entscheidungen nutzen
und damit diese qualitativen Standortfaktoren zum Vorteil der Gemeinde
mindestens mittelfristig beeinflussen.
132
4.3
Willi Kaczorowski
Soziale Netzwerke in Behörden
Willi Kaczorowski
Web 2.0 bietet die Chance, die bisherige Kommunikation, die in Behörden wie in Unternehmen eher von der Spitze zur Basis erfolgte, im
Wechselstromverfahren zu organisieren. Darüber hinaus hat es großes
Potenzial für das Wissensmanagement. Der Beitrag zeigt am Beispiel
Cisco auf, dass sich in Kommunalverwaltungen die Einführung sozialer Netzwerke lohnt – nicht zuletzt, weil jüngere Generationen von ihren künftigen Arbeitgebern attraktive Arbeitsplätze erwarten.
I.
Web 2.0 – Mehr als eine technische Weiterentwicklung
Web 2.0 steht für eine neue Phase der Internet-Entwicklung: weg von der
reinen Ansammlung von Webseiten, hin zu einer neuen Plattform, die mehr
Interaktion unter den Nutzern erlaubt. Es ist mehr als eine technische Weiterentwicklung. Der Begriff steht für alles, was sich im Netz und um das Netz
herum weiter entwickelt hat, seien es wirtschaftliche Aspekte, seien es soziale Phänomene wie Partizipation. Oder wie der Verleger Tim O’Reilly, in
dessen Umkreis der Begriff Web 2.0 im Jahre 2005 geprägt wurde, meint:
Web 2.0 sei „ein Medium, das durch mehr Nutzerbeteiligung, Offenheit und
Vernetzungseffekte gekennzeichnet ist“.
Der Einsatz von Web-2.0-Anwendungen und die Bildung sozialer Netzwerke werden die öffentliche Verwaltung und die Politik auf allen Ebenen
erheblich verändern. Besonders betroffen ist die Kommunalverwaltung, weil
hier die Interaktionen zwischen Bürger und Verwaltung am intensivsten sind
Abbildung 4.3-1 zeigt, welche Grundprinzipien für Web 2.0 entwickelt
wurden, welche Technologien hauptsächlich zum Einsatz kommen und welche Auswirkungen die Umsetzung dieser Grundsätze und Technologien auf
den öffentlichen Dienst in Deutschland haben.
Web 2.0 hat mehrere Facetten. Zum einen steht es für ein offenes Technologiekonzept, das in der Lage ist, die Vernetzung von Personen, Daten und
Dingen besser, einfacher und kostengünstiger voranzutreiben. Zum anderen
ergibt sich daraus auch ein Organisationskonzept für eine vernetzte Welt, in
der jeder etwas zum Organisationszweck beitragen kann. Ziel ist es, das vorhandene Wissen in der Organisation, organisationsübergreifend und hierar-
4.3 Soziale Netzwerke in Behörden
133
chiefrei neu zu erschließen. Insoweit ist der konsequente Einsatz von Web2.0-Elementen ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer innovativen und
vernetzten Verwaltung. Dazu gehört auch eine wesentliche engere Zusammenarbeit in Echtzeit.
Grundsätze
Werkzeuge
ƒ Aktiv statt Passiv
Soziale Interaktion:
ƒ Das Netz sind wir
ƒ Rich-Media Einsatz
ƒ Blogs
ƒ Podcasts/Vodcasts
ƒ Soziale Netzwerke
ƒ Wikis
ƒ Social Bookmarking
ƒ Unified Communication
ƒ .....
ƒ Offene Technologie
Technologisch:
ƒ Beta-Prinzip
ƒ RSS Feeds
ƒ Mesh Technologie
ƒ AJAX
ƒ ....
ƒ Je mehr mitmachen,
desto größer das
Angebot
ƒ Permanentes
Feedback
Auswirkungen
ƒ Erhöhung sozialer
Innovationsfähigkeit
ƒ Mehr Partizipation
ƒ Bessere Erschließung
vorhandenen Wissens
ƒ Grenzüberschreitende
hierarchieunabhängige
und vernetzte Information/
Kommunikation
ƒ Echtzeit-Kommunikation
ƒ Reduzierte Kosten/
Höhere Effektivität
Abb. 4.3-1 Web 2.0 – Die neue Generation des Internets (Quelle: Cisco)
Um Web-2.0-Technologien anwenden zu können, benötigt es nur einen
breitbandigen Internetzugang und die Bereitschaft, in dieses „Mitmachnetz“
Zeit und Energie zu investieren. Gerade die jüngere Generation hat sich diese
neuen Werkzeuge bereits erschlossen. Nach der jüngsten Befragung von
TNS Infratest beteiligt sich bei den 14- bis 29-Jährigen bereits jeder Dritte
(4,3 Mio. Personen) aktiv an mindestens einem Web-2.0-Angebot.
Dies hat auch Auswirkungen auf die Interaktion zwischen Staat und Gesellschaft. Es lassen sich vier Interaktionsgruppen unterscheiden.
Politik–Wähler / Wähler–Politik
Unter Einsatz neuer Technologien (Blogs, Podcasts, Videos, Konsultationen,
etc.) informieren die Politiker ihre Wähler jenseits der Wahlkämpfe wesentlich regelmäßiger und umfangreicher und treten durch Web-2.0-Technologien mit ihnen in einen intensiveren Austausch. Es bilden sich soziale
Netzwerke, die die Politiker unterstützen und sich untereinander vernetzen,
Spenden sammeln oder sich mit dem politischen Gegner auseinandersetzen.
134
Willi Kaczorowski
Behörde–Bürger / Bürger–Behörde
Im Mittelpunkt steht hier die Frage, wie die Verwaltung durch Web-2.0Einsatz transparenter, schneller und kostengünstiger die Bedürfnisse der
Bürger aufnehmen und in Verwaltungshandeln umsetzen sowie neues Vertrauen schaffen kann.
Behörde–Mitarbeiter / Mitarbeiter–Behörde
Web-2.0-Technologien helfen mit, die Interessen, die Fähigkeiten und das
Wissen der Mitarbeiter neu zu organisieren und fruchtbar zu machen. Der
Einsatz von Web-2.0-Werkzeugen wie Wikis oder Blogs setzt Innovationspotenzial frei, weil aus dem „Wissen der Vielen“ Neues entstehen kann. Dies
wird vor allem auch durch neue webbasierte „Kollaborationswerkzeuge“
unterstützt.
Bürger–Bürger
Web 2.0 versetzt Bürger in die Lage, sich in sozialen Netzwerken selbst zu
organisieren, in Eigenregie öffentliche Aufgaben zu übernehmen oder einen
Innovationsbeitrag zu leisten. Öffentliche Informationsbereitstellung und
Web-2.0-Technologien kommen hier zusammen um soziale Innovationen zu
fördern.
II.
Behördeninterne Kommunikation als Anwendungsfeld
Einige Beiträge dieses Buches konzentrieren sich auf die externen Auswirkungen der Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgern/Unternehmen. Dabei wird leicht übersehen, dass ein wesentliches Web-2.0-Einsatzpotenzial in der internen Kommunikation und der Zusammenarbeit zwischen Behörde und Beschäftigten liegt. Bereits jetzt setzen Behörden vereinzelt Werkzeuge zur Verbesserung der inneren Kommunikation und des
Wissensmanagements ein. Meistens fehlt es jedoch an einer Gesamtstrategie,
die die Elemente Mitarbeiterführung, Organisation, Personal und Technologie beinhalten
Im Folgenden soll zunächst anhand des Technologieunternehmens Cisco
aufgezeigt werden, welche Vielfalt an internen Web-2.0-Anwendungen möglich sind und bereits eingesetzt werden. Anschließend wird erörtert, welche
Schritte Behörden unternehmen können, um das volle Potenzial von Web 2.0
für sich zu erschließen.
4.3 Soziale Netzwerke in Behörden
135
III. Vielfalt der Anwendungen
2006 hat Cisco eine grundlegende Veränderung in seiner Organisationsphilosophie vorgenommen. Wie bei den meisten Unternehmen und Behörden war
die Steuerung durch die Spitze und das dazugehörige Controlling (Command
and Control) das vorherrschende Organisationsprinzip. Um Marktveränderungen schneller zu erkennen und flexibler darauf reagieren zu können sowie
die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter besser erkennen
und nutzen zu können, entschied sich das Unternehmen für eine Ablösung
des Prinzips „Command und Control“ hin zu mehr Autonomie und Selbstorganisation in sich immer wieder neu zusammenzusetzenden Teams. Die für
diesen Organisationsstrategiewechsel erforderlichen neuen Kommunikationsund „Kollaborationswerkzeuge“ bietet Web 2.0.
Am Anfang stand der Aufbau eines „Communication Center of Excellence“ (CcoE). Es ist in das Intranet des Unternehmens integriert. Mehr als
10% der Mitarbeiter greifen täglich auf diese Seite zu, um sich über alle Aspekte von Web 2.0 im Unternehmen zu informieren. Ständig werden hier
neue Konzepte und Werkzeuge vorgestellt. Eine sehr aktive Wiki-Gemeinde
diskutiert leidenschaftlich über diese neuen Entwicklungen. Für jedes neue
Tool gibt es den gleichen Erklärungsansatz:
• Kurzbeschreibung,
• Überblick,
• Best Practices,
• Einsatzmöglichkeiten,
• Wie beginnen?,
• Diskussionsforum.
Dabei geht das CCoE von den Alltagsbedürfnissen der Nutzer aus. Will ein
Mitarbeiter zum Beispiel Wissen mit Kunden und Partnern teilen findet er im
CCoE alles Wesentliche zu externen Blogs, Podcasts, Videocasts sowie virtuelle Welten wie Second Life oder andere Communities. Hat er dagegen ein
virtuelles Meeting zu moderieren, findet er Informationen zu virtuellen Konferenzen mit oder ohne Anwendungsteilung, vom Laptop gestartete Videound Telekonferenzen bis hin zum umfassenden Einsatz der TelepresenceTechnologie.
136
Willi Kaczorowski
Abb. 4.3-2 Communication Center of Excellence (Quelle: Cisco)
Anhand einzelner Beispiele soll der Einsatz von Web-2.0-Werkzeugen in
der internen Kommunikation und (virtueller) Zusammenarbeit bei Cisco verdeutlicht werden.
• Blogs gehören inzwischen zum Standard. Waren die Blogs der ersten
Phase nur textbasiert, so werden inzwischen zunehmend Videoblogs eingesetzt. Sowohl der weltweite Cisco-Chef John Chambers als auch der
deutsche Geschäftsführer Michael Ganser kommunizieren und diskutieren mit den Mitarbeitern per Videoblog. Dabei nehmen sie ihre Videos
mit der Kamera ihres Laptops selbst auf.
• Mit C-Vision wurde eine Plattform geschaffen, die ähnlich wie das weltweit verbreitete YouTube funktioniert. Hier stellen Mitarbeiter ihre Videos, Fotos oder Podcasts ein, verlinken sie untereinander oder kommentieren sie. So entsteht ein persönliches weltweites Netzwerk der
Mitarbeiter, die gleiche Interessen haben, sich meistens jedoch persönlich nie begegnet sind.
• Ciscopedia heißt eine Anwendung, die gerade im Entstehen ist. Ähnlich
wie bei Wikipedia soll hier eine Enzyklopädie des Unternehmens-internen Wissens entstehen, an der jeder mitschreiben kann.
• Bemerkenswert ist auch die Umgestaltung des elektronischen Mitarbeiterverzeichnisses (Directory). Seit wenigen Wochen ist es Teil des CiscoWissensmanagements, sodass hier jeder Mitarbeiter aufführen kann, in
welchem Bereich er Spezialwissen beisteuern kann.
• Beim Innovationsmanagement greift Cisco ebenfalls auf Web-2.0-Anwendungen zurück. I-Prize ist ein Werkzeug, in dem Ideen für neue Pro-
4.3 Soziale Netzwerke in Behörden
137
dukte und Services eingegeben werden, die dann auch kommentiert und
bewertet werden können.
• Mit I-Safe wurde in Deutschland ein Wiki geschaffen, damit Ideen zur
Kostensenkung für von allen Mitarbeiter erarbeitet und bewertet werden
können. So entsteht auch Transparenz über die Umsetzung dieser Ideen.
Neben diesen Web-2.0-Werkzeugen steht bei Cisco die hierarchieübergreifende und teamübergreifende Zusammenarbeit im Vordergrund. Hierfür
wurde mit WebEx eine Plattform zur Verfügung gestellt, die browserbasiert
funktioniert und auf der in virtuellen Besprechungen mit Dateienaustausch,
Videokommunikation und Instant Messaging die breite Palette moderner
netzbasierter Kommunikation und Zusammenarbeit zum Einsatz kommt. Für
Videokonferenzen mit Kunden oder Partnern hat Cisco mit TelePresence
eine Anwendung im Angebot, die es erlaubt, virtuelle Videokonferenzen
abzuhalten, bei der sich die Gesprächspartner in voller Lebensgröße mit hervorragender Tonqualität in einem virtuellen Raum begegnen.
IV.
Erste Schritte für Behörden
Bei der Erarbeitung einer Strategie für den Einsatz von Web 2.0 müssen vier
Elemente gleichrangig beachtet werden.
1. Führung/Strategie: Die Behördenleitung muss die strategischen Ziele
vorgeben und selbst ein regelmäßiger Nutzer von Web-2.0-Applikationen sein. Erst als Cisco Chef John Chambers seinen Videoblog mit seiner
kleinen Laptop-Kamera selbst gestaltete, setzte sich dieses Web-2.0Werkzeug durch.
2. Personal: Obwohl bei den jüngeren Beschäftigten Erfahrungen mit Web2.0-Werkzeugen vorliegen dürften, müssen die übrigen Beschäftigten
umfassend informiert und geschult werden. Dieser Aufgabe dient das
CCoE.
3. Organisation: Sollen wesentliche Web-2.0-Anwendungen wie Blogs
oder Wikis in die Behörde eingeführt werden, sollten sie in die Ablauforganisation integriert sein.
4. Technologie: Die technologischen Voraussetzungen für den Web-2.0Einsatz sind oft einfach herzustellen, da es sich vielfach um frei verfügbare Open Source Software handelt. Besondere Hürden stellen häufig der
Datenschutz, die IT-Sicherheitsbestimmungen der Behörden oder manchmal der fehlende Breitbandzugang dar.
138
Willi Kaczorowski
Nun muss die öffentliche Verwaltung nicht gleich die gesamte Palette
möglicher Web-2.0-Anwendungen einsetzen. Je nach den zu verfolgenden
strategischen Zielen empfiehlt sich ein erster Fokus auf drei Anwenderbereiche zu legen: Kommunikation, Wissensmanagement und Zusammenarbeit.
Web 2.0 bietet die Chance, die bisherige Kommunikation, die in Behörden wie in Unternehmen eher von der Spitze zur Basis (top-down) erfolgte,
im Wechselstromverfahren zu organisieren. Der Einsatz eines Blogs vom
Minister oder Bürgermeister macht für die Mitarbeiter sein Denken und Handeln transparent. Wenn sie mit einem eigenen Beitrag reagieren können, käme eine neue Art der Interaktion zustande. Auch die Videokommunikation
ist ein geeignetes Mittel, diese Interaktion zu verstärken.
Großes Potenzial bietet Web 2.0 für das Wissensmanagement. Das Erfassen, Aufbereiten, Kommentieren und Bewerten von Wissen über Wikis ist
sicher eine der ersten Anwendungen, die einer Behörde in Betracht kommen.
Wikis stehen auch im Mittelpunkt eines Ideenmanagements. Ob es sich
um Ideen für neue Bürgerdienste oder Einsparmöglichkeiten handelt: mit
Wikis wird das interne Verwaltungshandeln auch für die Beschäftigten transparent. Darüber hinaus sollte auch über die Verknüpfung der elektronisch
zugänglichen Mitarbeiterverzeichnisse mit einem Expertenverzeichnis nachgedacht werden. So entstehen über Abteilungs- und Dezernatsgrenzen hinweg neue soziale Netzwerke in der Behörde, die auch auf externe Experten
erweitert werden können.
Die Chancen die Web 2.0 bietet werden nur dann voll ausgenutzt, wenn
auch Veränderungen in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander
und mit anderen Behörden oder Kunden einbezogen werden. Dazu ist eine
Plattform erforderlich, die über den Browser oder über Server zu erreichen
ist. Über diese Plattform können sich Teams räumlich unbegrenzt sowie organisations- und hierarchieübergreifend in virtuellen Besprechungen treffen,
gemeinsam an Dokumenten arbeiten oder große Dateivolumen austauschen.
Der Einsatz von Videotechnologie erhöht in der Regel auch die Effizienz
solcher virtuellen Besprechungen.
Die öffentliche Verwaltung steht in den nächsten Jahren vor einem Generationswechsel, dessen größte Herausforderung der drohenden Mitarbeitermangel sein wird. Will die öffentliche Verwaltung den Wettbewerb um die
besten Talente gewinnen, sollte sie schnell eine interne Web-2.0-Strategie
erarbeiten. Denn jüngere Menschen werden von ihren künftigen Arbeitgebern attraktive Arbeitsplätze erwarten. Dazu gehört auch der Einsatz von
Web 2.0 und sozialen Netzwerken.
4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol
4.4
139
Gemeinde 2.0 —
Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol
Arno Abler
Das Projekt vivomondo, das derzeit in der Stadt Wörgl/Tirol umgesetzt
wird, zielt auf kommunale Online-Bürgerbeteiligung im denkbar weitesten Sinn in Politik und Verwaltung (E-Politics, E-Government) und
verfolgt konsequent die Regionalisierung des Internets. Dabei werden
Wikis, Blogs, Social Networks und zahlreiche weitere Web-2.0-Komponenten eingesetzt.
I.
Web 2.0 als folgenreicher Mythos
Das „Web 2.0“, das im Jahr 2004 erstmals so genannt wurde und heute von
jedermann zitiert wird, ist in Wahrheit ein Mythos. Es gibt keine neu veröffentlichte Version des Internets wie bei einer Software, wo man diese Nummerierung zur Kennzeichnung einer neuen – meist wohl verbesserten –
Programmversion kennt (siehe dazu auch den Beitrag von David Weinberger
in diesem Band). Und obwohl niemand in der Lage ist, diesen Begriff exakt
zu definieren, hat sich ein breiter Konsens unter Insidern durchgesetzt, was
denn nun das Neue am Web 2.0 ist. Als ganz zentraler Faktor gehört dazu die
aktive Erstellung und Betreuung der Inhalte durch alle Nutzer anstatt ausschließlich durch zentrale Redaktionen, in unserem Fall durch Gemeinden.
Das Web 2.0 erweitert die bisherige Relation „Einer zu Viele“ in Richtung
„Viele zu Viele“.
Im Kommunalbereich hat man von diesen Veränderungen bisher nur wenig gespürt. Die Information der Bürger durch die Verwaltungsorgane und
die Politik steht nach wie vor im Vordergrund. Das Web wird als Mitteilungsplattform gesehen, wo Ansprechpersonen, Amtszeiten und wichtige
Termine für den interessierten Bürger zu finden sind. Natürlich muss ein
kommunaler Webauftritt diese Anforderungen bewältigen, aber man spricht
ja bei den Ausstattungsmerkmalen eines neuen Autos auch nicht mehr davon,
dass es vier Räder und ein Lenkrad hat.
140
II.
Arno Abler
E-Government & Co.
Hinter den Kulissen denken Entwickler, Juristen und Beamte bereits sehr
intensiv über E-Government – konkret: den Workflow elektronischer Akten
– nach. Damit wird in nächster Zeit enormes Rationalisierungspotenzial in
den Gemeinden freigesetzt und die Bearbeitung der Verwaltungsprozesse
wesentlich transparenter und effizienter. Dabei handelt es sich um einen
wichtigen, aber auch mühsamen Schritt, der keiner Gemeinde in den nächsten Jahren erspart bleiben wird. Das spannende 2.0-Attribut dabei wird der
Zugang des Bürgers zu seinen Akten und Verfahren über das Internet werden.
Aber E-Government ist noch nicht einmal „die halbe Miete“. Eine Gemeinde besteht ja nicht nur aus der öffentlichen Verwaltung. Die weiteren
Akteure, die sich im 2.0-Szenario zu Wort melden, sind die Politiker, die
Wirtschaft und die Bürger selbst. Die Werkzeuge zur Einbindung all dieser
kommunalen Mitspieler in eine gemeinsame Gemeindeplattform sind bereits
geeicht und poliert. Sie stehen heute bereits zur Verfügung. Die wichtigsten
sind Blogs, Wikis, Social News und Social Communities.
Blogs
Die Möglichkeit, die Beiträge durch die Leser zu kommentieren, macht
Blogs zu einem ausgezeichneten Forum, um mit dem Autor zu diskutieren.
Obwohl Blogs derzeit meist durch private User und langsam auch Unternehmen zur Kommunikation genutzt werden, wird dieses Instrument in Zukunft
vor allem Politikern auf allen Ebene helfen, mit ihren Bürgern in direkten
Kontakt zu treten, Meinungen zu erforschen, eigene Entscheidungen zu erläutern und das Ohr ganz nah am Volk zu halten. Neben Bürgermeisterblogs
an der Front der kommunalen Meinungsvielfalt werden künftig vor allem die
Gemeindeverwaltungen als Institution in Gemeindeblogs abseits politischer
Sperrfeuer aktuelle Entwicklungen veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Denn: Das Web 2.0 wird die Rahmenbedingungen politischen Entscheidens massiv verändern. Der Kontakt von Amtsträgern zu den Menschen wird
unmittelbarer und die Verantwortung für transparente Entscheidungen steigt.
Der Bürger ist bestens informiert und bringt sich über die neuen Kanäle noch
aktiver ein als bisher. Er wird mehr an Kommunikation fordern, akzeptiert
aber auch zunehmend die Komplexität der Entscheidungsprozesse.
4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol
141
Wikis
Regional- oder Stadtwikis bieten künftig alle erdenklichen Informationen von
Bürgern für Bürger über das unmittelbare Lebensumfeld an. Diese erreichen
aufgrund der lediglich lokalen Bedeutung üblicherweise nicht die hohen Relevanzkriterien der bekannten Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sie sind aber
für die Bewohner vor Ort mindestens gleich wichtig wie die Details zum
Eiffelturm.
Woher kommt der Name meiner Straße? Welche Vereine gibt es hier und
was wird dort gemacht? Welche Sehenswürdigkeiten bietet meine Heimatgemeinde? Welche historischen Ereignisse waren hier in der Gegend prägend? Welche bekannten Persönlichkeiten hat meine Stadt hervorgebracht?
Welche überlieferten Kochrezepte, Bräuche und Traditionen gibt es in dieser
Region?
Fragen wie diese und noch viele mehr kann niemand besser beantworten
als das Kollektiv aller Bewohner vor Ort. Sie bewahren in Summe das gesamte Wissen einer Gemeinde oder Region und können es Dank der neuen
Möglichkeiten in der 2.0-Gemeinde endlich auch zusammentragen und für
alle zugänglich machen. Jeder weiß ein bisschen, und alle zusammen wissen
alles, was es zu wissen gibt.
Social News
Das Werkzeug der Social News ist den herkömmlichen Massenmedien naturgemäß ein Dorn im Auge, kann es ihnen doch langfristig „die Butter vom
Brot nehmen“. Durch das „Mitmachnetz“ ist heute jeder in der Lage, interessante Neuigkeiten ohne den Umweg über Pressekonferenzen oder PRAussendungen selber zu veröffentlichen. Gerade im kommunalen, nachbarschaftlichen Bereich ist vieles interessant, das den Eingang in die Lokalzeitung aus Platzgründen nicht findet. Das Kinderfest im städtischen
Kindergarten, die Meisterschaft des ansässigen Keglervereins, das Firmenjubiläum des Bäckermeisters an der Ecke oder die kurzfristige Verkehrsbehinderung durch eine Straßensanierung finden nur selten Niederschlag in den
Printmedien, wären aber wohl für die Nachbarschaft schön zu lesen.
Das Web 2.0 bietet Raum für all diese Berichte aus erster Hand sowie das
Werkzeug, sie ohne große Streuverluste nur den jeweiligen Interessenten zu
zeigen. Die Community der User entscheidet selbst, welche Beiträge wichtig,
hochwertig oder einfach nur lesenswert sind, und befördert diese durch ihre
142
Arno Abler
Bewertungen in den Aufmerksamkeitsfokus der Öffentlichkeit. Die übrigen
versinken dagegen in das ewige Vergessen.
Social Networks
Netzwerke sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer mehr Leute kennt, hat mehr
Chancen, Probleme zu lösen, Interessen zu vertreten, Meinungen zu beeinflussen, Wissen zu erlangen oder einfach nur Freunde zu finden. Die Königsklasse der 2.0-Gemeinde hat mit globalen Portalen wie XING, StudiVZ oder
Facebook bereits etliche erfolgreiche Vorbilder. Der Clou am lokalen Ansatz
ist aber, dass auch virtuelle Netzwerke vor allem dort Sinn machen, wo man
die geknüpften Kontakte in die reale Welt übertragen kann.
Was nützt mir ein Kontakt nach Australien außer für gelegentlichen Online-Tratsch und die Vervollständigung der ozeanischen Briefmarkensammlung? Der wahre Nutzen eines virtuellen sozialen Netzwerks zeigt sich dann,
wenn man sich auch auf einen Kaffee treffen, gemeinsame Interessen leben
und zusammen Projekte umsetzen kann.
All diese Werkzeuge bieten sich einer modernen Gemeinde grundsätzlich
bereits, allerdings unstrukturiert und kaum zugeschnitten auf lokale Anforderungen. Es gibt frei verfügbare Wiki-Software, Blog-Portale, Content-Management-Systeme, um News zu schreiben und zu verwalten und auch die
genannten sozialen Netzwerke, in denen man Leute nach ihrer Wohnsitzgemeinde suchen kann. Aber all das zusammen kompakt für eine einzelne Gemeinde gab es bisher noch nicht. Sie sehen, ich verwende das Imperfekt, weil
ich nun die Lösung des Problems vorstellen werde.
III. vivomondo
Gemeinsam haben wir in der Tiroler Kleinstadt Wörgl (www.woergl.at) das
Regionalportal vivomondo entwickelt. Es bündelt neben den Standardanforderungen an einen barrierefreien, kommunalen Webauftritt alle verfügbaren
Informationen von Bürgern, Vereinen, Institutionen, Verwaltung und Politik
dort, wo sie gebraucht werden und sinnvoll genutzt werden können – nämlich
direkt beim Interessensmittelpunkt des Benutzers. Das ist im Normalfall sein
Wohnsitz, kann aber auch der Arbeitsplatz oder vorübergehend das Urlaubsdomizil sein.
vivomondo ist ein Wort aus der Kunstsprache Esperanto und bedeutet etwa „das Leben der Welt“. Jedem einzelnen Element – ob Wiki, Blog, News-
4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol
143
beitrag, Veranstaltung, Foto, Kleinanzeige, Unternehmen oder Benutzer –
sind dabei fixe Geokoordinaten zugeordnet. Dadurch sind die Antworten auf
alle an das System gestellten Fragen sofort sinnvoll nutzbar. Beispiele sind:
• Wo kann ich einen Golfschläger kaufen? – Die Antwort ist die Auflistung aller Anbieter von Golfausrüstungen in der Reihenfolge ihrer Entfernung von meiner Wohnung.
• Was gibt es Neues im Sport? – Die Sportereignisse in einem frei wählbaren Umkreis in der Reihenfolge ihrer Aktualität sind das praktisch nutzbare Ergebnis.
• Wer von meinen Freunden ist gerade online? – Die Antwort ist eine Karte meiner Gemeinde, auf der die derzeit aktiven Mitglieder meines Netzwerks angezeigt werden, mit denen ich sofort in Kontakt treten kann.
• Ich möchte am Abend ein Konzert besuchen! – Der Terminkalender zeigt
alle Konzerte von heute in einem Umkreis, der mir für die Anfahrt gerade noch zumutbar erscheint.
Alle Einträge können von den Bürgern bewertet (Rating) und verschlagwortet (Tagging) werden, sodass sich dadurch einerseits ein objektives Bild
der Qualität der Beiträge ergibt. Andererseits wird die Auffindbarkeit der
Informationen für andere Benutzer erleichtert.
Das vivomondo-System (www.vivomondo.com) steht ab sofort allen Gemeinden des deutschen Sprachraums zur Verfügung und wird ständig weiter
entwickelt. Es stellt den Anspruch, die zahlreichen Anforderungen einer
Kommune an das Internet so weit wie nur möglich zu erfüllen. Anfragen
richten Sie bitte an den Autor dieses Artikels.
Finanziert wird das Portal durch die ansässigen Wirtschaftsbetriebe, welche hier einen geringen jährlichen Beitrag leisten, um ihre Angebote lokal
und individuell fokussiert kommunizieren zu können.
Nachdem alle Einträge des vivomondo-Systems in Datenbanken verwaltet
werden, ist bereits eine semantische Suche in Ansätzen möglich. Doch dieser
Aspekt führt uns bereits zum Web 3.0 – und ist eine andere Geschichte.
144
4.5
Wilhelm Bielert
Bluetooth — Das mobile Informationsangebot
für Kommunen
Wilhelm Bielert
Mit Hilfe von b-LAN, einer serverbasierten Technologie, die mit jedem
Bluetooth-fähigen Handy funktioniert, ist es möglich, für den Nutzer
kostenlose multimediale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Dies eröffnet
Kommunen und anderen Anwendern die Möglichkeit flexibler Informationsbereitstellung mit einer Rückkoppelung an das Web 2.0.
I.
Bluetooth in der kommunalen Kommunikation
Die Kommunen haben in den letzten Jahren massive Anstrengungen unternommen, um ihren Bürgern wichtige Informationen zu jeder Zeit online verfügbar zu machen. Das Internet-Angebot der Städte und Gemeinden ist
mittlerweile in der Regel sehr gut ausgebaut. Der Bürger findet nicht nur
Informationen, Adressen und Öffnungszeiten von Ämtern und öffentlichen
Einrichtungen online, sondern auch alle Formulare sowie Verweise auf Hilfeseiten und Foren. Mit dem b-LAN-Bluetooth-System werden diese Inhalte
jetzt mobil. Sie erreichen den Bürger direkt und kostenfrei auf seinem eigenen Mobiltelefon.
Bluetooth ist eine drahtlose Kurzstreckenfunktechnologie. Ein BluetoothSender, der mit dem Internet verbunden ist, erkennt alle Bluetooth-fähigen
Geräte (Handys, Palms, Laptops etc.) die sich in seiner Reichweite, im Regelfall zwischen 10 und 30 m, befinden. Diesen Geräten bietet der Sender
dann verschiedene Multimediainhalte nacheinander zum kostenlosen Download an. Da es sich hierbei um eine direkte Verbindung zwischen Sender und
Telefon handelt, entstehen keine Kosten für den Empfänger. Der Sender ist
über das Internet mit einem speziellen Server verbunden, auf dem die zu
versendenden Inhalte vorher hinterlegt wurden.
Durch die relativ geringe Reichweite der Bluetooth-Technologie lässt sich
sehr leicht ein ortsgebundener Themenbezug herstellen. Durch die Anbindung an den Server kann genau festgelegt werden, welche Inhalte wo in welcher Reihenfolge versendet werden. Alles, was dafür nötig ist, ist eine
bestehende DSL-Internetverbindung.
4.5 Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen
145
In der Bluetooth-Zone, dem Bereich, der von einem Sender abgedeckt
wird, spricht der Sender automatisch die erkannten Geräte wie Mobiltelefone
oder Laptops an und der Bürger hat immer die Möglichkeit, die Inhalte anzunehmen und auf seinem mobilen Endgerät zu betrachten, oder die Annahme
zu verweigern. Wenn der Bluetooth-Sender als Teil eines bestehenden Netzwerkes eingerichtet wird, ist er leicht so zu konfigurieren, dass für das Netzwerk keinerlei Gefahr besteht, da der Sender selbst von den Endgeräten nicht
angesprochen werden kann.
Die Multimedia-Inhalte
Grundsätzlich gilt, alles, was auf den mobilen Endgeräten benutzt und angezeigt werden kann, kann über Bluetooth versendet werden. Die am häufigsten
versandten Dateien sind technisch gesehen Bilder. Ob es sich dabei um Fotos, etwa der lokalen Sehenswürdigkeiten oder die Aktion unterstützender
Hotels und Restaurants oder um Gutscheine für lokale Einzelhändler oder
Einrichtungen (z.B. Kinos, Schwimmbäder) oder Stadtpläne oder Informationen handelt, computertechnisch gesehen sind dies alles Bilddateien, die auf
dem Handy ohne Probleme angezeigt werden können.
Ähnlich verhält es sich mit Audiodateien. Klingeltöne, vollständige Musikstücke, Podcasts oder Sprachdateien können in hervorragender Tonqualität
als mp3-Datei auf die Endgeräte versendet und dort direkt geöffnet werden.
Eine Möglichkeit mit direktem Mehrwert für die Nutzer sind Videoclips.
Diese Bewegtbilder haben einen großen Unterhaltungsfaktor und bieten genau wie Bilder und Audiodaten ein enormes Kreativpotenzial, und den Möglichkeiten ihrer Einbindung in die mobilen Kampagnen der Kommunen sind
in kreativer Hinsicht kaum Grenzen gesetzt.
Darüber hinaus bietet das System auch die Möglichkeit, komplexe Anwendungen über Bluetooth zu versenden. Dies können etwa digitale Museumskataloge, Stadtführer, Veranstaltungskalender oder Shopping-Guides
sein. Nach dem Versand über Bluetooth werden diese, in der Regel Javabasierten Anwendungen auf den Mobiltelefonen installiert und können sofort
benutzt werden. Solche Anwendungen können themenbezogen nach den
individuellen Wünschen der Kommunen realisiert werden.
Postiver Nebeneffekt dieser modernen Form des mobilen Marketings ist,
dass der Benutzer die Inhalte mitnimmt und sie dann per Bluetooth weiter an
seine eigenen Kontakte verteilt.
II.
Anwendungsmöglichkeiten
146
Wilhelm Bielert
Die Anwendungsmöglichkeiten für das Bluetooth-System im Bereich der
Kommunen sind nahezu unbegrenzt. Da jeder Inhalt versendet werden kann,
der auf den Mobiltelefonen darstellbar und benutzbar ist, bieten sich hier
zahllose Möglichkeiten, an verschiedenen Punkten einen ortsgebunden Themenbezug mit hohem Mehrwert für die Bürger und Gäste herzustellen.
Im Bereich der Ämter und städtischen Einrichtungen können z.B. wichtige Informationen, Bekanntmachungen und Hinweise versendet werden. In
Museen und Ausstellungen können vor Ort Audioinformationen als Podcast
an die Besucher versendet werden, die man sonst nur über das Internet beziehen kann. Über verschiedene Menüs ist beispielsweise auch eine Sprachauswahl für ausländische Gäste und Besucher realisierbar.
Auf Flughäfen, Bahnhöfen, Busbahnhöfen und an anderen zentralen Orten können digitale Stadtführer mit zusätzlichen Informationen zu Hotels und
Restaurants, der Geschichte der Stadt, Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Veranstaltungen oder Fahrplänen und Informationen an die Besucher und Gäste
versendet werden.
Für die Möglichkeit, komplexe Anwendungen über Bluetooth zu versenden, bieten sich gerade im Bereich der Museen, Ausstellungen Tourismus
und Verkehr unzählige Anwendungen. Ob digitaler Ausstellungskatalog,
städtischer Hotelführer, Fahrplan, Katalog der Sehenswürdigkeiten oder umliegenden Naherholungsgebiete, den denkbaren Anwendungen im kommunalen Bereich sind kaum Grenzen gesetzt.
Durch das serverbasierte Design der Technologie lässt sich das gesamte
System ohne weiteres nach den Vorstellungen der Kommune konfigurieren.
Im Hintergrund läuft ein sogenanntes Content-Management-System, welches
bestimmt, welche Inhalte den Bürgern und Gästen über welche Sender zu
welcher Zeit in welcher Reihenfolge angeboten werden.
Das System ist nicht nur technisch nach den Bedürfnissen der Kommune
konfigurierbar, auch das optische Erscheinungsbild ist den Vorstellungen und
Wünschen komplett anpassbar und kann leicht in einem eventuell bereits
bestehenden Corporate Design der Stadt gehalten werden.
Synergieeffekte
Neben dem Vorteil der Kostenfreiheit für die Empfänger bietet die Anwendung des Systems zahllose Möglichkeiten für Synergieeffekte mit lokalen
Unternehmen. Hotels und Restaurants sind dabei nur zwei Beispiele aus der
Tourismusbranche, mit denen sich beim Versand z.B. von Gutscheinen oder
gesponserten Informationen deutliche Synergieeffekte erzielen lassen.
4.5 Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen
147
Auch hier gilt, genau wie beim Versand der verschiedenen Inhalte, den
kreativen Ansätzen und Ideen der kommunalen Entscheidungsträger sind in
Sachen Kooperationen und Synergien kaum Grenzen gesetzt. Das System ist
als offenes und skalierbares System entwickelt worden, dass sich den individuellen und speziellen Bedürfnissen seiner Anwender anpasst.
Ein weiterer Vorteil des Bluetooth-Systems liegt in seiner hohen Skalierbarkeit und den umfangreichen Statistiken und Auswertungen, die es bietet.
Damit lassen sich der Erfolg und die Wirkung der durchgeführten BluetoothKampagnen messen und auswerten. Über Statistik-Tool lässt sich genau feststellen, welche Dateien wie oft versendet wurden, wie viele Items in welchen
Bluetooth-Zonen versendet wurden etc. Diese Rückkopplung eröffnet dann
die Möglichkeit, die Reichweite und den Erfolg des Systems durch Veränderung bestimmter Faktoren zu erhöhen.
III. Perspektiven
Mit der Bluetooth-Technologie steht den Kommunen und Gemeinden ein
hochmodernes und innovatives Werkzeug zur Verfügung, um gezielt Informationen und Multimedia-Inhalte an Bürger und Gäste zu versenden. Dieses Versenden ist nicht nur voll automatisiert und schnell, es ist darüber
hinaus auch kostenlos. Anders als beim Zugriff auf das mobile Internet oder
WAP-Portale entstehen keine Kosten.
Ob auf Ämtern, im Schwimmbad, im Museum, am Bahnhof oder an der
Touristeninformation, die Gemeinden und Kommunen erreichen hier die
Besucher und Bürger direkt auf ihrem wichtigsten persönlichen Kommunikationsmittel, dem Mobiltelefon. Und das Ganze schnell, kostengünstig und
umweltfreundlich, da der Gast den Stadtplan auf seinem Telefon mitnimmt.
Darüber hinaus lassen sich die zu versendenden Inhalte schneller und günstiger aktualisieren als herkömmliche Printpublikationen.
Alles was für den Einsatz des Bluetooth-Systems notwendig ist, ist eine
bestehende DSL-Internetverbindung. Die Bluetooth-Sender und die ServerInfrastruktur werden von einem externen Dienstleister gestellt.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei Bedarf zukünftig einen Rückkanal
integrieren zu können, entweder über eine Interaktion des Nutzers vor Ort
mittels Handy oder zeitlich versetzt per Internet. Dadurch sind der Integration von Anwendungen in bereits bestehende oder geplante Web-2.0Anwendungen keine Grenzen gesetzt.
148
4.6
Svenja Ohlemann / Alexander Olek
Bildung 2.0 — mehr Kooperation
zwischen Lehrern, Schülern und Eltern
Svenja Ohlemann und Alexander Olek
Inphorms ist eine Bildungscommunity, die Eltern, Lehrer und Schulen
untereinander vernetzt und sie in ihren individuellen Bedürfnissen
rund um den Schulalltag unterstützt. Hauptziel von Inphorms ist es,
Transparenz in der Bildung zu schaffen und einen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Bildung in Deutschland zu leisten.
I.
Gute Bildung als gemeinsame Herausforderung
Nie war das öffentliche Interesse für Bildung so groß, die Zweifel am deutschen Schulsystem so stark und gleichzeitig der Wille zur Veränderung so
präsent wie heute.
Kommunen wissen um die Bedeutung guter Bildung, wenn es um die
Entscheidung junger Familien und Unternehmen geht, sich dort anzusiedeln.
Gleichzeitig leiden viele ländliche Regionen durch den demographischen
Wandel und den Wegzug junger Familien unter einem Rückgang der Schülerzahlen. Daraus folgen in vielen Fällen die Zusammenlegung von Schulen
und die Teilung von Ressourcen insbesondere im Personalbereich.
Ein häufiges Problem: Verwaltungsangestellte an Schulen sind nicht selten für mehrere Standorte gleichzeitig zuständig, deren Sekretariate folglich
immer nur abwechselnd persönlich besetzt sind. In der Zwischenzeit fehlt der
persönliche Ansprechpartner für Eltern, Lehrer und Schüler.
Als Folge eingeschränkter Ressourcen muss der Verwaltungsaufwand in
den Schulen in kürzerer Zeit von weniger Personen bewältigt werden. Dabei
zeigt sich oft, dass durch fehlende Transparenz innerhalb der Schule immer
wieder die gleiche Arbeit von verschiedenen Personen mehrmals gemacht
wird.
Beispielsweise werden Schülerdaten, wenn sie an anderer Stelle in der
Schule benötigt werden, jedes Mal neu eingegeben bzw. aktualisiert, da Sekretariat, Lehrer und schulinterne Dienstleister oft über keine gemeinsame
Datenbank verfügen.
4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 149
Ein anderes Problem: junge Pädagogen stehen vor der Herausforderung,
Unterrichtsmaterial und -erfahrung für ihre eigenen Klassen zu sammeln und
suchen gerne den Erfahrungsaustausch mit „gestandenen Lehrkräften“. Diese
wiederum sind an frischen Ideen und Lernkonzepten interessiert. Jedoch
gründen und etablieren sich schulübergreifende Netzwerke und Materialbörsen erst seit dem Aufkommen des Web 2.0, welches hauptsächlich durch die
interaktive Generierung von Inhalten durch User funktioniert.
Eltern sind durch Medienberichte und Erzählungen anderer Eltern oftmals
verunsichert und suchen nach Wegen, ihre Kinder im Schulalltag besser begleiten zu können. Ein Einblick ins Klassenzimmer und damit das Wissen
über die Inhalte und die Aktivitäten in der Schule fehlen häufig, sodass Eltern verunsichert sind über die Qualität der Bildung.
II.
Vernetzung zwischen Schulen, Lehrer und Eltern
Kommunen, Schulen und Eltern haben ein gemeinsames Ziel, nämlich die
Verbesserung der Bildung. Dafür bedienen sie sich getrennt voneinander
zunehmend des Internets. Informationsportale für Eltern, Tauschbörsen für
Lehrer und Online-Programme für Schulen „versorgen“ die Akteure separat
voneinander und geben nur vereinzelt die Möglichkeit der interaktiven Vernetzung.
Derweil steht die soziale Vernetzung via Internet neben der Generierung
von Wissen und Inhalten durch Internetnutzer selbst im Vordergrund der
Web-2.0-Philosophie.
Weil für alle Nutzergruppen zusätzliche Transparenz von Nöten ist, kann
eine Web-2.0-Bildungsplattform auf der jede Gruppe einen für sie bestimmen
Bereich und zusätzlich Raum zum Austausch mit anderen Nutzergruppen
findet, Schüler nachhaltig fördern.
III. Funktionen und Netzwerk
Inphorms ist eine Bildungscommunity, auf der alle Bildungsakteure – Schulen, Lehrer und Eltern – unabhängig von ihrem Standort und Aufgabenbereich zusammenkommen können. Darüber hinaus das System Funktionen an,
die auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Gruppen zugeschnitten
sind. Ein Beispiel ist die Unterrichtsvorbereitung von Lehrern.
150
Svenja Ohlemann / Alexander Olek
Die Interaktivität spielt sowohl bei der Vernetzung als auch bei den verschiedenen Anwendungen eine maßgebliche Rolle. Im Gegensatz zu früheren
Internetseiten erstellen User heute Informationen selbst, teilen sie und bewerten jene anderer Mitglieder.
Die Mitglieder können je nach ihrer Funktion drei Hauptbereiche nutzen,
um sich gegenseitig zu unterstützen und auszutauschen.
Virtuelle Schulverwaltung
Mittels der Online-Schulverwaltung Inphorms-ClassSpace können Schulen
alle im Schulalltag relevanten Informationen (Stundenpläne, Termine, Schülerakten etc.) zentral und elektronisch verwalten und mittels Schnittstellen an
andere in der Schule verwendete Programme (z.B. Bibliothekssoftware,
Buchhaltung) weitergeben. Durch die zentrale Datenbank werden Arbeitsvorgänge, wie Adressaktualisierungen, nur noch einmal durchgeführt, Redundanzen vermieden und wertvolle Zeit gespart. Gemäß ihrer Zugriffsrechte
können Schulleitung, Sekretariat und Kollegium auf die aktuellsten Daten
zugreifen und fächer- bzw. themenübergreifend bearbeiten.
Virtuelles Lehrerzimmer
Im virtuellen Lehrerzimmer finden sich Funktionen zur modernen Unterrichtsvor- und -nachbereitung inklusive einem exklusiven Austausch unter
Pädagogen.
Die Aufschlüsselung der Lehrpläne in einzelne Themeninseln und die
daran angebundene Datenbank mit Lehrinhalten gibt hilfreiche Empfehlungen und Einblicke, wie andere Pädagogen ihren Unterricht vorbereiten, und
neue Ideen sowie konkrete Unterstützung bei der Zusammenstellung des
eigenen Materials. Lehrer können in diesem Bereich eigene Beiträge einstellen (z.B. Projektvorschläge, Arbeitsblätter) und das Material anderer Nutzer
bewerten. So entsteht eine Web-2.0-typische Selbstkontrolle und Qualitätssicherung. Gut bewertete und oft benutzte Unterrichtsinhalte erscheinen ganz
oben, schlechte befinden sich am Ende der Liste.
Virtuelles Klassenzimmer
Der dritte Bereich der Bildungscommunity, das virtuelle Klassenzimmer,
richtet sich an Lehrer und Eltern jeweils einer Klasse und ermöglicht einen
regelmäßigen Austausch zu aktuellen Lerninhalten, Terminen der Klasse
(z.B. Wandertage) und Freizeitaktivitäten. Ziel ist es, den Eltern einen „Blick
ins Klassenzimmer“ zu erlauben und sie damit stärker in den Schulalltag
4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 151
ihrer Kinder mit einzubeziehen. Eltern erhalten durch die Redaktion der
Community sowie durch die Klassenlehrer oder andere Eltern Empfehlungen, wie sie ihre Kinder nach der Schule pädagogisch wertvoll, nämlich thematisch an die Unterrichtsinhalte angelehnt, unterstützen und beschäftigen
können.
Mit der Information der Eltern und ihrer Einbindung gewinnen Lehrer zusätzliche Unterstützung in der Bildungsarbeit.
IV.
Web 2.0 macht Bildung überall verfügbar
Erhebungen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass im Jahr 2007 bereits über 84% der 24–55-jährigen (Hauptgruppe der Eltern und Schulmitarbeiter) bereits das Internet nutzten.
Damit zeigt sich, dass über webbasierte Anwendungen Informationen für
alle Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden können. Neu bei
Inphorms ist in dieser Form der Fokus auf das Thema Bildung, denn es
spricht in seiner Konzeption alle Akteure der Bildung an: Lehrer als Pädagogen, Schulen als Orte des Wissens, Direktoren und Sekretariate als „Bildungsmanager“ sowie Eltern als Beziehungsmotivatoren/-unterstützer. Dennoch können alle Funktionen einer Nutzergruppe (z.B. das Klassenzimmer
für Eltern) ohne die Interaktion der anderen (also Lehrer und Schule) genutzt
werden, da sich die Eltern gegebenenfalls untereinander informieren können.
V.
Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene
Besonders in ländlichen Regionen bietet das Internet neue Wege für Schulen,
sich auch über weite Distanzen regelmäßig auszutauschen. Auch für Städte
mit starken Profilunterschieden und damit hohem Wettbewerb zwischen einzelnen Schulen bietet Inphorms wesentliche Vorteile. Die Wahrnehmung der
Eltern, welche Schule einen guten Ruf hat, ist oft sehr subjektiv und hat die
Ursachen eher in der mangelnden Kommunikation der Schule als an der
schlechten Qualität. Durch Transparenz werden Schulen mit wenig ausgebildetem Profil unterstützt und erreichen langfristig einen höheren Qualitätsstandard.
Für Kommunen bietet die Online-Schulverwaltung Inphorms-ClassSpace
einen Hauptansatzpunkt, um die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen
den Schulen zu fördern.
152
Svenja Ohlemann / Alexander Olek
Die Online-Anwendung ermöglicht einen Datenabgleich, sowie die elektronische Überführung der Schülerakten von der Grundschule zur weiterführenden Schule.
Damit ergeben sich z.B. bessere Möglichkeiten zur gezielten Förderung
durch die Lehrer, denn Beobachtungen wie etwa Lernschwächen oder Hochbegabungen, die bereits in der Grundschule festgestellt werden, können in
der weiterführenden Schule sofort aufgegriffen werden und verbessern dadurch die Zukunftschancen der Kinder der Region.
Darüber hinaus können die Ressourcen in der Kommune noch besser genutzt werden: beispielsweise hat eine Sekretärin, die für mehrere Schulen
verantwortlich ist, natürlicherweise aber immer nur an einer Schule präsent
sein kann, über die Community die Möglichkeit, jederzeit auf alle „ihre“
Schulen zuzugreifen. Das sonst leere Sekretariat ist somit immer virtuell
besetzt.
VI.
Die Kommunen als innovative Bildungsstandorte
Durch die gezielte Vernetzung der Schulen, Lehrer und Eltern einer Kommune kann der Bildungsstandard innerhalb der Gemeinde und damit ihr Ruf
als Bildungsstandort signifikant gesteigert werden. Gerade für die Ansiedlung internationaler Unternehmen oder Fachbetriebe, die auf Fachleute angewiesen sind, ist das lokale Bildungsangebot ein Entscheidungsfaktor.
Kommunen können demzufolge auch ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit durch eine vernetzte Nutzung der vorhandenen Bildungsressourcen
langfristig steigern.
Insofern fördern Web-2.0-Lösungen, wie sie die eine Bildungscommunity
bietet, durch Ressourcenteilung, Information und Austausch auch im Bereich
Schule die Entwicklung von Regionen und erzeugt einen Unterschied für die
Zukunft des einzelnen Kindes, aber auch einer ganzen Stadt. Der Nutzen des
Einzelnen führt damit zum Nutzen Aller.
4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 153
154
Daniela Riedel / Rafael Wawer
5
Tipps für den Umgang mit Web 2.0
5.1
Ein Blog in fünf Schritten
Daniela Riedel und Rafael Wawer
Ein Politiker, der für das Bürgermeisteramt kandidiert, entschließt sich kurzerhand, zusätzlich zu der eigentlichen Kampagne ein Blog zu initiieren. Er
will damit seinen Konkurrenten etwas Überraschendes entgegen setzen und
andere Wählerstimmen erreichen. Die Umsetzung ist leicht. Es sind nur fünf
Schritte nötig.
Schritt 1: Ziel und Konzept des öffentlichen Blogs definieren
Nach kurzer Beratung wird dem Kandidaten klar, dass öffentliche Blogs auch
Politik sind. Wer A sagt, muss auch B sagen. Jedes Wort ist politisch und
kann durch einen findigen Journalisten nach Jahren zitiert werden.
Die Frage lautet daher zunächst, wie und warum der Kandidat persönliche
Einblicke gewähren und welche Inhalte er einstellen will. Hier kann man sich
an dem Vorstandsvorsitzenden der Software-Firma Sun orientieren:
blogs.sun.com/jonathan. Seit Jahren führt Jonathan Schwartz einen Corporate
Blog und verleiht dem Unternehmen durch seine persönliche Schreibe ein
Gesicht.
Schritt 2: Schreibstil anpassen und Redakteur bestimmen
Emily Gould, eine sehr erfolgreiche Bloggerin der New York Times, äußerte
kürzlich, dass das Private den Leser dazu animiert, die Person zu verstehen
oder sich mit ihren Ansichten eingehend auseinanderzusetzen. Demgegenüber provoziert das Unpersönliche schnell Anfeindungen.
Dadurch gewinnt der Autor an privater Authentizität, die in der Regel zu
einer höheren Anerkennung führt als verbrauchte Reden und „Politikersprech“.
Schritt 3: Für ein Blogsystem und dessen Community entscheiden
Nachdem der Kandidat ein Konzept ausgearbeitet hat, entschließt er sich für
die Blog-Community blogger.com.
5.1 Ein Blog in fünf Schritten
155
Tab. 5.1-1: Blog-Communities und Blog-Software (Auswahl)
Blog-Communities
blogger.com
livejournal.com
blog.de
twoday.net
Blog-Software
wordpress.com
textpattern.com
Schritt 4: Blog einrichten
Um die Community nutzen zu können, benötigt man ein Mail-Konto. Gehen
wir daher einmal die Schritte durch, die für einen eigenen Blog notwendig
sind, und kehren dann zu unserem Kandidaten zurück.
• Nun rufen wir blogger.com auf und informieren uns ggf. unter „Was ist
ein Blog?“.
• Oben rechts tragen wir, sofern nicht bereits angemeldet, das neue MailKonto zur Authentifizierung ein. Nach der Anmeldung folgen wir dem
Link: „Blog jetzt erstellen“.
• In „1. Angaben speichern“ wählen wir einen Blog-Anzeigenamen unseres
Nutzers, der zu unserem Profil passt. Sagen wir: „Orator“.
• In „2. Benennen Sie Ihr Blog“ wählen wir „Testblog“ für die Adresse
„testblog.blogspot.com“. Blogger warnt uns, dass „testblog.blogspot.
com“ belegt ist, deshalb wählen wir „orator-testblog.blogspot.com“ und
drücken „Weiter“.
• In „3. Wählen Sie eine Vorlage“ (Layout), entscheiden wir uns für ein
klassisches Layout in Grün.
• „Ihr Blog wurde erstellt!“ und ist unter der Adresse „orator-testblog.
blogspot.com“ über die Adressleiste des Browsers erreichbar. Damit ist
bereits nach wenigen Minuten ein leerer Blog angelegt.
Schritt 5: Inhalte einstellen
Anders als Zeitungen sind Blogs kostenlos abrufbar. Ob ein Text lesenswert
ist, entscheidet sich binnen sekundenkurzer Klicks. Kommen wir also zu den
Inhalten. Wenn wir unter blogger.com angemeldet sind, rufen wir die neue
Adresse „orator-testblog.blogspot.com“ nun testweise auf.
Oben im Fenster erscheint eine Liste an Funktionen. Darunter befindet
sich der Knopf „Neuer Post“, den wir hochgespannt drücken.
156
Daniela Riedel / Rafael Wawer
Ein Beitrag (Post) kann jetzt geschrieben werden. Wir kopieren zwei Texte von Marc Aurel, und drücken jeweils „Post veröffentlichen“. Zwei Einträge wurden angelegt.
Das war’s!
Die Seite hat Inhalte und kann von überall aus der Welt eingesehen sowie
von Suchmaschinen gefunden werden. Sie kostet den Autor nichts.
Nach einer Woche des Testens, des Vertrautmachens mit Bloggersprech
und der Community beschließt unser Kandidat schließlich eine echte deDomain bei Blogger.com zu schalten. Damit ist sein Blog nicht unter der
Subdomain-Adresse „orator-testblog.blogspot.com“ aufrufbar, sondern unter,
sagen wir, „meforbuergermeister.de“. Hierzu folgt man den Anweisungen
unter „Einstellungen“ in „Veröffentlichung“ und „Kostenloser Hosting-Service von Blogger“.
Nach ein paar Tagen finden die Crawler einer Suchmaschine den Blog.
Wer danach den Namen des Kandidaten bei einer Abfrage verwendet, gelangt, je nach Popularität des Blogs, und mit jedem Aufruf öfter, auf den
offiziellen Blog unseres Kandidaten.
Blogs erfreuen sich ihrer Beliebtheit, da sie sehr schnell, kostenlos und
ohne technische Kenntnisse erstellt werden können. Steht die Umgebung
einmal zur Verfügung, ist es nun am Kandidaten, das Blog mit lebendigen
Inhalten zu füllen, die interessant und lesbar sind. Denn ein Blog ist schneller
weggeklickt als eine altehrwürdige Zeitung. Emily Gould nennt ihr Blog zum
Beispiel „Emily Magazine“. Damit stellt sie sich in den Mittelpunkt ihrer
Beiträge. Ein Blog kann wie eine Online-Zeitung des Kandidaten geführt
werden. Welche Möglichkeiten der Kandidat letztlich mit seiner „Diskursmaschine“ verwirklicht, liegt in seinen Händen.
Während eines Interviews erwähnt unser Kandidat, dass er, um der Bürger und Leser willen, einen persönlichen öffentlichen Blog gründete, der wie
eine private Kolumne konzipiert ist. Binnen weniger Tage besuchen mehr als
zehntausend Menschen seinen Blog, und der Feuilleton, der bloggende Politiker nicht gewohnt ist, sorgt für die journalistische Resonanz.
Ob die Publicity dem Politiker nützt, und ob er sie zu seinen Gunsten einsetzt, hängt nun ab von seinem Geschick – sowohl verbal als auch schriftlich.
Fakt ist jedoch, dass er einen direkten Kanal zur Öffentlichkeit gefunden hat.
5.2 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors
5.2
157
Zehn Blogging-Tipps für
Führungskräfte des öffentlichen Sektors
Andreas Huber
Einer der aktivsten Bereiche des Web 2.0 ist die Blogosphäre. Ein Blog als
öffentlich zugängliches Tagebuch lässt sich ohne viel Aufwand einrichten
und pflegen, sodass er den idealen Einstieg in die Welt des Web 2.0 bietet.
Um den eigenen Blog aus der Masse der Internettagebücher herauszuheben,
sollten jedoch einige Punkte berücksichtigt werden.
Im Rahmen einer Studie für IBM hat der Managementprofessor David C.
Wyld auf Basis einer breiten Analyse von Positivbeispielen zehn praktische
Tipps für das Bloggen von Führungskräften des öffentlichen Sektors zusammengestellt.
Tipp 1: Definieren Sie sich und Ihren Standpunkt
Am Anfang jedes Blogs sollte deutlich gemacht werden, wer diesen schreibt
und zu welchem Zweck (Themen, Zielpublikum, etc.). Beliebige Einträge
ohne erkennbaren Zusammenhang führen schnell zu Desinteresse bei Lesern
und hinterlassen keinen guten Eindruck.
Tipp 2: Machen Sie es selbst
Lassen Sie Ihren Blog nicht von anderen schreiben. Selbstverständlich sollte
für die grafische Gestaltung und die technische Umsetzung jede nötige Hilfe
in Anspruch genommen werden. Doch um Authentizität zu gewährleisten
und das Interesse der Leser zu fesseln, sollten Sie Ihre Blog-Einträge unbedingt selbst verfassen.
Tipp 3: Nehmen Sie sich die Zeit
Bevor Sie einen Blog ins Leben rufen, sollten Sie sich darüber im Klaren
sein, dass Sie sich für einen erfolgreichen Blog regelmäßig Zeit nehmen
müssen, um Blog-Einträge zu verfassen und auf Kommentare zu reagieren.
Falls die Kommentare zudem redaktionell ausgewählt werden sollen, benötigen Sie zusätzliche Zeit oder müssen einen Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betreuen. Für die Sicherstellung eines stetigen Informationsflusses sollten
Sie in Ihrem Terminplan regelmäßig feste Zeiten einplanen und bei längerer
Abwesenheit einen Gast-Blogger einladen. Denn in der Blogosphäre wan-
158
Andreas Huber
dern Nutzer bereits nach einer kurzen Phase der Inaktivität zu anderen Blogs
ab.
Tipp 4: Schreiben Sie regelmäßig
Eng verbunden mit den vorangegangenen Hinweisen ist der Tipp, regelmäßig
neue Inhalte in Ihrem Blog zu veröffentlichen. Wenn Sie nicht stetig aktuelles und vor allem interessantes Material veröffentlichen, wird sich die Leserschaft schnell von Ihrem Blog abwenden.
Tipp 5: Seien Sie großzügig
Langweilen Sie Ihre Leser nicht mit selbstbezogenen Einträgen und Eigenlob. Auf diese Weise werden Sie Ihre Leser bald verlieren. Machen Sie Ihren
Blog dagegen zu einer Plattform für Ihren Zuständigkeitsbereich, Ihre Mitarbeiter, Ihre Familie (bis zu einem gewissen Grade) usw. Nutzen Sie die Möglichkeit einzelne Personen in Ihrem Bezirk herauszuheben und Ihren
Arbeitsbereich sowie aktuelle Aktivitäten vorzustellen. Verteilen Sie Lob
und weisen Sie auf die Bedürfnisse von Menschen in schwierigen Situationen
hin. Kurzum, tun Sie gutes mit Worten.
Tipp 6: Legen Sie sich eine dicke Haut zu
Bloggen ist sicherlich keine Beschäftigung für Zartbesaitete. Neben durchdachten und klugen Anmerkungen werden Sie auch Kommentare erhalten,
die sich nicht veröffentlichen lassen. Während einige Nutzer Ihnen überschwängliches Lob zukommen lassen werden, melden sich immer auch
scharfe Kritiker zu Wort.
Tipp 7: Prüfen Sie Ihre Einträge auf Rechtschreibung
Dieser Punkt sollte eigentlich selbstverständlich sein, doch in der Praxis trifft
man immer wieder auf Blog-Einträge mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Diese Art von Fehlern hinterlässt nicht nur einen schlechten Eindruck
bei den Lesern, sondern lenkt auch von der eigentlichen Botschaft der Einträge ab.
Tipp 8: Schreiben Sie nicht zu detailverliebt
Auch wenn eine gewisse Offenheit zu den Grundeigenschaften eines Blogs
zählt, sollten Sie diese nicht übertreiben. Nutzen Sie den Blog als Fenster zu
Ihren Gedanken und Ihrer Arbeit, doch verschonen Sie Ihre Leser mit detaillierten Auflistungen ihrer Mahlzeiten.
5.2 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors
159
Tipp 9: Berücksichtigen Sie Multimedia
Für einen erfolgreichen Blog ist das regelmäßige Schreiben von interessanten
und gut geschriebenen Einträgen lediglich der Grundbaustein. Zu einem
überdurchschnittlichen Blog zählt darüber hinaus auch eine einfach zu handhabende und ansprechende Benutzeroberfläche. Als Ergänzung des geschriebenen Inhaltes sollten zudem Audio- und Videoangebote eingebunden
werden. Dabei ist es nicht unbedingt nötig sofort eigene Pod- und Vodcasts
zu produzieren. Es können zu Beginn auch einfach frei verfügbare externe
Inhalte ohne großen finanziellen und zeitlichen Mehraufwand in den eigenen
Blog integriert werden.
Tipp 10: Seien Sie ein Blogging-Student
Machen Sie es sich zu einer regelmäßigen Gewohnheit, täglich in anderen
Blogs zu stöbern. Finden Sie Ihre persönlichen Favoriten, sowohl zu politischen als auch zu nicht politischen Themen, und abonnieren Sie diese mit
Hilfe von sogenannten Feed-Readern. Diese Programme ermöglichen es
Ihnen, neue Einträge in den von Ihnen ausgewählten Blogs in einem einzelnen Fenster zu verfolgen, ohne jeweils die verschiedenen Blogs einzelnen
aufrufen zu müssen. Auf diese Weise bleiben sie nicht nur auf dem Laufenden in den ausgewählten Bereichen, sondern erhalten auch wertvolle Anregungen für die Gestaltung des eigenen Blogs.
160
5.3
Stefan Schulz
Glossar
Stefan Schulz
AJAX: Abkürzung für „Asynchronous →JavaScript and →XML“. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die es Betreibern von Webseiten ermöglicht, Inhalte nicht nur statisch, sondern mit dynamischen, vom Nutzer
steuerbaren Merkmalen auszustatten, wodurch die Benutzerfreundlichkeit
erhöht wird.
Atom: →RSS
Backend: ein aus der Informatik entliehener Begriff, der den nicht-öffentlichen
Bereich einer Webseite bezeichnet. Hier können Veränderungen an Inhalt
und Design vorgenommen werden, die im →Frontend erscheinen. Das Backend einer Webseite wird über den →Browser bedient und ermöglicht dadurch eine sehr einfache Handhabung.
Beta-Prinzip: im Namen von Internetdiensten verweist die Erweiterung Beta auf
das Entwicklungsstadium. Moderne Internetdienste verstehen ihre Services
nicht als Produkte, sondern als Projekte, die auch nach Markteinführung
kontinuierlich weiterentwickelt werden. Während Alpha-Versionen allein
den Entwicklern und einem Testpublikum zur Verfügung stehen, ist eine
Beta-Version für gewöhnlich bereits für einen öffentlichen Nutzerkreis vorgesehen.
Blog: Kurzform für den Begriff „Weblog“, der auf der Kreuzung von „World
Wide Web“ und „Log“ (engl. für Logbuch) basiert. Ein Blog beruht auf
Softwaretechnologie, die einfaches, schnelles und vermehrt multimediales
Publizieren im Internet ermöglicht. Die Inhalte eines Blogs ergeben sich
durch kontinuierlich veröffentlichte Beiträge, die für gewöhnlich chronologisch sortiert angezeigt werden. Blogs werden gemeinhin als „persönliche
Nachrichtenticker“ oder „Online-Tagebücher“ bezeichnet, thematisieren
oftmals aber auch unpersönliche, gesellschaftlich relevante Themen. Die
Beiträge können in der Regel kommentiert werden, sodass es sich bei Blogs
um eine besondere Form des →UGC handelt.
Blogosphäre: Bezeichnung für die Gesamtheit aller →Blogs. Die Blogosphäre
zeichnet sich besonders durch ihre intensive interne Vernetzung aus, die
darauf beruht, dass direkte und gegenseitige Verweise zwischen Blogs
technisch sehr einfach umgesetzt werden können.
5.3 Glossar
161
Bluetooth: Technologie, die drahtloses Kommunizieren über kurze Distanzen
ermöglicht. Sie wurde entwickelt, um kabelgebundene Systeme zu ersetzen.
Bluetooth ermöglicht kabellose Verbindungen zwischen Computern, Eingabegeräten, Mobiltelefonen, Freisprecheinrichtungen und vielem mehr.
Inzwischen wurden auch Standards entwickelt, die beispielsweise kabelfreie Musikübertragung ermöglicht
Browser: (auch „Internetbrowser“ oder „Webbrowser“) Software, die auf dem
Anwendungsgerät eines Internetnutzers läuft. Ein Browser ermöglicht den
Zugang zu Internetseiten. Beispiele sind Internet Explorer, Firefox, Safari
oder Opera.
CMS: Abkürzung für „Content-Management-System“ (engl. für Inhalteverwaltungssystem). Ein CMS ist eine Software, welche die einfache inhaltliche
und grafische Administration von Webseiten ermöglicht.
Crawler: Software, die selbstständig Webseiten besucht und Informationen über
deren Inhalte sammelt. Diese Sammlungen von Inhalten werden in einem
Katalog zusammengestellt. Bei Suchanfragen durch Internetnutzer wird
nicht auf das Internet, sondern nur auf den Katalog zugegriffen. Diese Vorgehensweise beschleunigt das Durchsuchen des Internets.
Digital Divide/Digitale Kluft: gesellschaftliches Phänomen, das mit der sogenannten Wohlstandsschere zwischen Arm und Reich vergleichbar ist. Bei
der „digitalen Kluft“ ist jedoch nicht das Einkommen oder das Vermögen
das zentrale Kriterium, sondern die Möglichkeit zur Teilhabe an digitaler
Kommunikation, wie etwa dem Internet.
E-…: Vorsilbe für Namen von Verfahren und Tätigkeiten, die mittlerweile elektronisch erfolgen. „E“ ist heute weitgehend mit „Online“ gleichzusetzen.
Die Vorgänge, die in dieser Weise beschrieben werden, sind nicht prinzipiell neu, sondern werden durch technologische Unterstützung vollzogen.
Beispiele hierfür sind E-Mail, Online-Banking und E-Learning.
Echtzeit-Kommunikation: Kommunikation, die ohne technologiebedingte Verzögerung stattfindet. Echtzeit setzte lange die physische Anwesenheit der
Beteiligten voraus. Durch Telefon, Fernsehen und Internet konnte diese Beschränkung überwunden werden.
Feed-Reader: Software, die den einfachen Zugang zu den Inhalten einer oder
mehrerer Webseiten ermöglicht. Viele Webseiten stellen ihre Inhalte nicht
nur in einer grafischen Form dar, sondern veröffentlichen auch einen
→RSS-Feed, der allein die Inhalte, nicht aber die Gestaltung der Webseite
erfasst. Feed-Reader ermöglichen den benutzerfreundlichen Zugang zu diesen Inhalten.
162
Stefan Schulz
Forum: Stätte der Begegnung und des Austauschs. Online-Foren verfolgen dieses Ziel im Internet. Durch ihre Struktur, die einfaches Thematisieren und
Kommentieren jeglicher Sachverhalte ermöglicht, dienen sie sowohl der
Begegnung als auch dem Austausch. Wenn Online-Foren spezifische Inhalte behandeln, gelten sie oftmals als →Online-Community.
Frontend: Bereich einer Webseite, der öffentlich und sichtbar ist. Der Begriff
stammt aus der Informatik. Die Inhalte des Frontend werden über das
→Backend administriert.
HTML: Abkürzung für „Hypertext Markup Language“ und Bezeichnung für
eine standardisierte Form der Darstellung von Inhalten des Internets.
HTML wurde vorrangig für die Darstellung in →Browsern entwickelt und
stellt die Grundlage des World Wide Web dar.
Instant Messaging: (engl. für „sofortige Nachrichtenübermittlung“) schnelle
und unmittelbare Form der elektronischen Kommunikation dar. Dieser
Technik wird oft zugesprochen, die E-Mail abzulösen, bedient jedoch ein
anderes Kommunikationsbedürfnis als E-Mail. Instant-Messaging-Dienste
informieren die Teilnehmer für gewöhnlich darüber, ob die Kommunikationsteilnehmer gerade online und verfügbar sind. Instant Messaging stellt
schriftliche →Echtzeit-Kommunikation dar, die jedoch im Gegensatz zum
Chatten, nicht in grundsätzlicher Öffentlichkeit stattfindet.
JavaScript: Programmiersprache (nicht zu verwechseln mit „Java“), die hauptsächlich für kleine Aufgaben konzipiert ist. Sie erlaubt das Ausführen von
Software im →Browser eines Internetnutzers. JavaScript ist als Ergänzung
zu mächtigeren Internet-Programmiersprachen wie etwa →PHP zu verstehen. Es wird oft zu Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit angewendet.
Killerapplikation: Bezeichnung für eine Anwendung, die auf besonders hohe
Resonanz bei den Nutzern stößt und als Innovation gilt. Killerapplikationen
haben das Potenzial, neuen Technologien durch besonders nützliche Anwendungen zum Durchbruch zu verhelfen. Die SMS gilt beispielsweise als
eine Killerapplikation des Handys.
Label: →Tag
Long Tail: von Chris Anderson geprägter Begriff, der darauf verweist, dass im
Internetzeitalter Nischenprodukte einen größeren Stellenwert gewinnen und
Spitzenprodukte an Status verlieren. „Long Tail“ bezeichnet dabei Produktlinien jenseits von „Top-100“ und Bestsellerlisten. Begründet wird dies
durch neue Zugriffsmöglichkeiten der Nutzer sowie durch die Expansion
eines möglichen Kundenstammes in einer globalisierten Welt.
5.3 Glossar
163
Mash Up: (engl. für „vermischen“) Kunstform, in der Werke durch die Neukombination bestehender Werke geschaffen werden. In der Musik ist dieses
Phänomen seit Längerem unter dem Begriff Medley bekannt. Durch neue
Technologien gewinnt diese Form der Kunst auch in Filmen, Texten und
Bildern an Bedeutung. Das Internet und neue Softwaretechnologien gelten
als Triebfedern dieser Entwicklung.
Massenmedien: Kommunikationsmöglichkeiten, die auf Verbreitungstechnologien beruhen, welche Zugang zu einem nicht definierten, aber als „groß“
angenommen Publikum ermöglichen. Dazu zählen Bücher, Zeitschriften
und das Fernsehen. Durch die Entwicklung des Internets besteht erstmals
die Möglichkeit, innerhalb eines Massenmediums wechselseitig zu kommunizieren.
Medienbruch: Situation, in der eine Information ihr Medium wechseln muss,
um weiter verarbeitet werden zu können. Medienbrüche gelten als hinderlich und sollen möglichst vermieden werden, etwa durch grundsätzliche
Digitalisierung und weit reichende Standardisierung.
News-Aggregator: Internetdienste, die Meldungen verschiedener Nachrichtenseiten zusammenstellen und auflisten. Die Ordnung der Liste ergibt sich
durch Bewertungen der Internetnutzer. Viel- und hochbewertete Nachrichtenmeldungen führen die Listen an. News-Aggregatoren erlauben einen
schnellen Überblick über die Nachrichtenlage.
Online-Community: Oberbegriff für alle Formen von Gemeinschaften, die im
Internet entstehen. Dazu zählen →Foren, →Blogs, Spiele und alle weiteren
nutzerorientierten Plattformen. Online-Communities zeichnen sich häufig
durch eine bestimmte thematische Ausrichtung aus oder konzentrieren sich
auf die Veröffentlichung einer bestimmten Medienform, z. B. Foto- oder
Videocommunities.
Open Source: frei zugängliche Software. Für gewöhnlich stellt Software ein
Produkt dar, das unternehmerisch produziert und per Lizenz verkauft wird.
Die Open-Source-Bewegung verfolgt nicht in diesem Maße marktwirtschaftliche Ziele. Open Source gilt als Lizenz-Standard, der die Softwareentwicklung den Interessen einzelner Unternehmen entzieht. Dadurch sind
jedoch Finanzierungsschwierigkeiten allgegenwärtig.
Peer-to-peer: (peer, engl. für Gleichgestellter) besondere Form digitaler Vernetzung. Für gewöhnlich wird Internetverkehr über Server organisiert. Beim
Peer-to-Peer-Verfahren, verbinden sich die Computer der Benutzer nicht zu
Servern, sondern direkt miteinander. Diese Form der Vernetzung kann für
die Dynamik und Geschwindigkeit eines Netzwerks sehr vorteilhaft sein.
164
Stefan Schulz
PHP: Abkürzung für „Personal Home Page Tools“. PHP ist eine Programmiersprache, die vielen dynamisch erzeugten Webseiten zugrunde liegt. PHPSoftware wird auf einem Server ausgeführt und liefert einem Benutzer dynamisch erzeugte Inhalte (Bilder, Grafiken, Webseiten) zurück, die sich in
einem Webbrowser darstellen lassen. PHP wird häufig in Verbindung mit
Datenbanken verwendet.
Podcast: digitale Audioaufnahme, die gemeinhin als „konserviertes Radio“ gelten. Im Gegensatz zum Radio wird jedoch nicht dauerhaft gesendet. Eher
stellt ein Podcast „eine Sendung“ dar, die nach ihrer Aufzeichnung zum
Hören bereitgehalten wird.
Poll: geht als Begriff auf „Polling“ zurück. „Polling“ bezeichnet zyklische Statusabfragen in der Informatik. Im Internet wird ein „Poll“ oftmals als Bezeichnung für kleine Umfragen bzw. Abstimmungen benutzt. Für gewöhnlich besteht ein „Poll“ aus einer direkten Frage und mehreren Antwortmöglichkeiten. Das Ergebnis der Abstimmung kann vom Nutzer direkt
angesehen und über die Zeit verfolgt werden.
Prosuming: Wortkreuzung aus „Production“ und „Consuming“. Sie bezeichnet
einen Prozess der Produktion, in den die Konsumenten direkt einbezogen
sind. Für gewöhnlich trifft eine Ware erst als Produkt auf den Konsumenten. Beim Prosuming werden beide Akteure auf unterschiedliche Weisen
zusammengeführt. Beim Prosuming steht vor allem das Lernen des Produzenten im Fokus.
Rich Media: Modebegriff, der die Multimedialität einzelner Internetanwendungen bezeichnet. Rich Media verweist dabei vor allem auf Bilder, Videos
und Musik, die normale Textinhalte innerhalb von Webseiten anreichern.
RSS: ursprünglich Abkürzung für „Rich Site Summary“ (engl. für „ergiebige
Webseiten-Zusammenfassung“) und gilt heute als Abkürzung für „Really
Simple Syndication“ (engl. für „besonders einfache Syndikation“). RSS ist
eine spezielle Form, die Inhalte einer Webseite darzustellen. Die Ziele sind,
unnötiges Design zu vermeiden und einen besonderen, für →Feed-Reader
lesbaren Standard zu erfüllen. Im Zusammenhang mit Blogs ermöglicht
RSS dem Nutzer, neue Einträge ihn interessierender Blogs zu „abonnieren“
und eine große Menge an Inhalten übersichtlich strukturiert angezeigt zu
bekommen.
Search Engine Marketing: (SEM, engl. für „Suchmaschinenmarketing“), auch
bekannt als „Search Engine Optimizing“ (SEO, engl. für „Suchmaschinenoptimierung“); Strategie, eine Webseite so zu gestalten, dass sie in Suchmaschinen bessere Ergebnisse erzielt. Da die genaue Funktionsweise von
5.3 Glossar
165
vielen Suchmaschinen unter Verschluss gehalten wird, gilt dies als schwieriges Unterfangen
Searchbot: →Crawler
Server: Computer, der im Gegensatz zum Personal Computer (PC) nicht zur
direkten Bedienung konzipiert ist. Server werden als Datenspeicher oder
Datenverteiler benutzt und über PCs angesprochen. Sie sind die Hardwaregrundlage des Internets. Der Begriff kann jedoch auch Software bezeichnen, die Aufgaben der Informationsverwaltung übernimmt.
Social Bookmarking: Kunstwort und Oberbegriff für das Verlinken von Webseiten. Social Bookmarks sind Internetdienste, die darauf ausgerichtet sind,
andere Nutzer auf beliebte bzw. interessante Webseiten hinzuweisen. Der
Begriff „social“ verweist auf die anderen Nutzer, für die man solche Webseiten-Hinweise hinterlässt.
Social Network: Internetdienst, der vorrangig der Pflege und dem Aufbau sozialer Netze der Nutzer dient, und das Internet als unterstützende Technologie
benutzt. „Social“ verweist dabei auf den Aspekt, dass die Technologie
selbst in den Hintergrund und die Interaktivität hervortreten soll. Social
Networks stellen zurzeit eine Boom-Branche im Internet dar. Die tatsächliche Relevanz für den Alltag der Nutzer ist jedoch bisher ungeklärt.
Syndikation: Form der lizenzierten Weitergabe von Information, die es einem
Empfänger erlaubt, erhaltene Information zu bearbeiten und weiterzugeben.
Als Syndikation wird beispielsweise der Informationsfluss zwischen Nachrichtenagenturen und Zeitungen bezeichnet. Im Internet wird der Begriff
ähnlich verwendet. Webseiten, die eine Form der Syndikation ihrer Inhalte
per →RSS-Feed anbieten, verzichten oftmals auf ein spezifisch-angepasstes
Lizenzmodell.
Tag: Schlagwort, über das Inhalte im Internet bzw. auf einer Webseite schneller
aufgefunden werden können. Es kann sich als nützlich erweisen, Bilder,
Texte, Filme oder Musik zu „taggen“ (bzw. zu „labeln“). In den meisten
→Online-Communities und →Social Networks ist diese Form der Verwaltung von Inhalten jeglicher Art Standard.
UGC: Abkürzung für „User Generated Content“ und Bezeichnug für eine neue
Form der Produktion von Inhalten, die den Nutzer als Inhaltelieferant explizit mit einbezieht bzw. gänzlich auf seinen Tätigkeiten beruht. UGC ist
Basis vieler Internetdienste wie Foto- und Video-Communities (→Social
Community), →Foren, →Blogs und →News-Aggregatoren.
166
Stefan Schulz
Vodcast: Begriff, der manchmal benutzt wird, um ein Video-Podcast zu bezeichnen (→Podcast). Er ist jedoch nicht die Regel.
Web 2.0: Begriff, der maßgeblich durch den Verleger Tim O’Reilly geprägt
wurde, der diesen 2005 in einem Artikel konkretisierte („What Is Web 2.0.
Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software“). Das „Web 2.0“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Nutzer in sein
Zentrum gerückt ist. Bei der Aussprache von „Web 2.0“ wird die letzte „0“,
der Punkt vor ihr jedoch nicht mitgesprochen. „Web zwei null“ nimmt damit Bezug auf die gängige informationstechnologische Praxis, die Verlaufsform einer Entwicklung anzuzeigen. Mittlerweile ist es nicht unüblich, in
bestimmten Kontexten bereits von „Web 2.5“ oder „Web 3.0“ zu sprechen.
Im Internet trifft man zudem auf den Begriff „Web 0.0“. Er bezieht sich auf
Menschen in gesellschaftlich wichtigen Positionen, denen vorgeworfen
wird, die Relevanz des Internets zu unterschätzen.
Wiki: Software, die das Prinzip des →UGC in idealtypischer Form umsetzt.
Wikis können für gewöhnlich von jedem Besucher inhaltlich verändert und
ergänzt werden. Dabei treten alle Nutzer gleichrangig auf. Die inhaltlichen
Veränderungen können über den Zeitverlauf nachvollzogen und rückgängig
gemacht werden. Für den Fall des „verbalen Vandalismus“ können zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zugeschaltet werden.
xHTML: Abkürzung für „Extensible Hypertext Markup Language“. xHTML ist
eine Weiterentwicklung von →HTML.
XML: Abkürzung für „Extensible Markup Language“ und Bezeichnung für eine
standardisierte, „maschinenlesbare“ Form der Darstellung von Inhalten.
Durch die Standards wird gewährleistet, dass sich Inhalte auf unterschiedlichen Anwendungsgeräten gleich verhalten. Beispiele für XML-Sprachen
im Datenverkehr des Internets sind →RSS oder →HTML.
5.4 Kommentierte Linkliste
5.4
167
Kommentierte Linkliste
BILDblog (www.bildblog.de)
Blog
Bei BILDblog handelt es sich um einen Watchblog (der Begriff ist semantisch angelehnt an „Watchdog“, engl. für „Wachhund“.) Er wird von mehreren Journalisten betrieben, welche die Berichterstattung der „Bild-Zeitung“,
der „Bild am Sonntag“ sowie deren Onlineangebot „Bild.de“ durch das
Nachweisen von Fehlern kritisch kommentieren. Seit Juni 2004 online, lesen
heute knapp 50.000 Internetnutzer täglich die Einträge auf BILDblog. Nicht
selten werden Unstimmigkeiten bei Bild.de, welche am Erscheinungstag von
BILDblog kritisiert werden, noch am selben Tag auf Bild.de korrigiert.
Blogger (www.blogger.com)
Bloghostservice
Der bereits 1999 gegründete Dienst ermöglicht es Internetnutzern, auf einfache Weise zu bloggen. Blogger.com übernimmt die Administration der BlogSoftware und stellt als Host Speicherplatz zur Verfügung. Die Nutzer können
sich damit allein auf ihre Inhalte konzentrieren. 2003 wurde Blogger.com
von Google gekauft. Seitdem ist der Dienst kostenlos. Mittlerweile gibt es
eine Vielzahl von Bloghostservices wie: „livejournal.com“, „blog.de“, „twoday.net“, „wordpress.com“ oder „textpattern.com“.
Delicious (www.delicous.com)
Social Bookmarking
Delicious wurde 2003 gegründet und erlaubt es Nutzern interessante Webseiten in einer öffentlichen Linkliste zu hinterlegen. Die Verwaltung der Linkliste erfolgt vorrangig über Tags. Dienste dieser Art erfreuten sich Beliebtheit
und fanden viele Nachahmer. In Deutschland ist vor allem Mister Wong
(www.mister-wong.com) bekannt. Seit 2005 gehört Delicious zu Yahoo.
Digg (www.digg.com)
News-Aggregator
Digg wurde 2004 gegründet und funktioniert ähnlich wie ein Social-Bookmarking-Service. Interessante Webseiten und andere Inhalte des Internets
können per Link gespeichert und getaggt werden. Der Clou ist jedoch, dass
das Nutzerverhalten aller ausgewertet wird und besonders häufig verlinkte
168
5.4 Kommentierte Linkliste
Seiten gekennzeichnet werden. Dadurch lassen sich beliebte Inhalte in einfacher Weise ausfindig machen. Das Prinzip der benutzerzentrierten Nachrichtenaggregation ist völlig neu, das außerhalb des Internets keine Entsprechung
findet. Weitere bekannte News-Aggregatoren sind: www.yigg.de (deutsch)
und www.reddit.com (engl.)
Facebook (www.facebook.com)
Soziales Netzwerk
Facebook wurde 2004 von dem damaligen Harvardstudenten Mark Zuckerberg gegründet. Nachdem 2005 ein milliardenschweres Kaufangebot von
Yahoo zurückgewiesen wurde, bezahlte 2007 Microsoft für 1,6% der Anteile
240 Mio. Dollar. Facebook ist damit als einer der wenigen großen Web-2.0Dienste noch eigenständig. Es gilt als besonders innovatives, werthaltiges
und am schnellsten wachsendes soziales Netzwerk.
Flickr (www.flickr.com)
Fotoportal
Das 2002 in Kanada gegründete Unternehmen ermöglicht es Nutzern auf
einfache Weise Bilder und mittlerweile auch kurze Filme online zu präsentieren. Flickr gilt als einer der ersten Onlinedienste, der konsequent auf das
Prinzip des „User Generated Content“ setzte. So war es seit Beginn einfach,
Bilder zu kommentieren oder mit Stichworten zu versehen. Nach und nach
wurden Features wie „Geotagging“, das Zuweisen von Bildern und Orten,
oder themenspezifisches Gruppieren implementiert. Flickr ist einer der ersten
Web-2.0-Dienste. Seit 2005 gehört das Portal zu Yahoo.
MySpace (www.myspace.com)
Soziales Netzwerk
MySpace wurde 2003 gegründet und 2005 für 580 Mio. Dollar von Rupert
Murdoch gekauft. Es ist mit über 230 Mio. Nutzern das aktuell größte Onlinenetzwerk der Welt. MySpace ist vor allem bei Musikern beliebt, da sich
Musik und Videos sehr einfach präsentieren lassen.
StudiVZ (www.studivz.de)
Soziales Netzwerk
StudiVZ ist ein soziales Netzwerk, das sich wie sein Vorbild Facebook vorrangig an Studenten richtet. StudiVZ bietet die Möglichkeit Profile zu erstellen, die sich mit Bildern und Informationen befüllen und auf einfache Weise
5.4 Kommentierte Linkliste
169
untereinander vernetzen lassen. StudiVZ gilt als erstes größeres deutsches
soziale Online-Netzwerk und wurde im Frühjahr 2007 von Holzbrinck für
einen unbekannten zweistelligen Millionenbetrag gekauft. StudiVZ expandierte in verschiedene europäische Länder und gründete in Deutschland
die weiteren Netzwerke „SchülerVZ“ und „MeinVZ“, um seine Marktstellung auszubauen.
Wikipedia (www.wikipedia.de)
Lexikon
Die Wikipedia versteht sich als Online-Pendant gängiger Lexika. Ihre Besonderheit ist, dass jeder Leser als Autor tätig werden kann. Inhalte können
von jedermann ergänzt und verändert werden. Eine redaktionelle Betreuung
der Inhalte wird von einer ehrenamtlich tätigen und lebendigen Community
übernommen. Die Struktur der Wikipedia ermöglicht einen hohen Grad an
Aktualität. Besonders in Deutschland wird die Wikipedia von einer anhaltenden Qualitätsdebatte begleitet, die der neuen und unbekannten Herangehensweise dieses Lexikons geschuldet ist.
Xing (www.xing.com)
Soziales Netzwerk
Das 2003 unter dem Namen OpenBC (Open Business Club) gegründete soziale Online-Netzwerk Xing zielt vor allem auf die berufliche Vernetzung seiner Mitglieder ab. Xing ist eine der wenigen Internetdienste, die für ihre
unbeschränkte Nutzung Gebühren ihrer Mitglieder verlangt und als Aktiengesellschaft börsennotiert ist.
YouTube (www.youtube)
Videoportal
Das im Frühjahr 2005 gegründete Videoportal YouTube ist die erste und
damit älteste Möglichkeit für jedermann, im Internet eigene Videos zu präsentieren. YouTube wurde im Herbst 2006 für über 1.3 Mrd. Euro von
Google gekauft und ist seitdem ein Dienst des Suchmaschinenbetreibers. Der
Erfolg von YouTube, das den Markt noch immer mit Abstand dominiert,
führte zur Gründung einer Vielzahl weiterer Videoportale im Internet. Die im
deutschen Raum Bekanntesten sind „myvideo.de“ und das zur RTL Group
gehörende „clipfish.de“.
XVI
Autorenverzeichnis
Autorenverzeichnis
Abler, Arno, 1962, Bürgermeister der Stadt Wörgl (Tirol, Österreich) sei 1997.
1995 Gründung der Firma netwing als ersten flächendeckenden Internet- Anbieter Tirols, 1998 Initiierung der österreichischen Dachorganisation ISPA
(Internet Service Providers Austria), Steuerberater, Abgeordneter zum Tiroler
Landtag (2003–2008), 2007 Gründung der Firma vivomondo.
Kontakt: [email protected]
Albrecht, Steffen, 1972, Projektleiter bei Zebralog e. V., Berlin, Promotion über
politische Online-Diskurse an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Schwerpunkte: Politische Kommunikation, Online-Diskurse, akt. Publikation: Wie verändern neue Medien die Öffentlichkeit? Eine Untersuchung
am Beispiel von Weblogs im Bundestagswahlkampf 2005, in: Stegbauer, C.,
Jäckel, M. (Hrsg.), Social Software. Wiesbaden 2008, 95–118 (gemeinsam
mit M. Lübcke und R. Hartig-Perschke).
Kontakt: [email protected]
Armutat, Sascha, Dr., 1971, Leiter des Referats Arbeitskreise der Deutschen
Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). In dieser Funktion koordiniert
er unter anderem die praxisorientierten Forschungsaktivitäten der DGFP,
wirkt als Moderator an verschiedenen DGFP-Expertengruppen mit und gibt
die DGFP-Schriftenreihe heraus. Gastdozent an der Universität Potsdam.
Kontakt: [email protected]
Berg, Rüdiger, seit 1998 selbständiger IT-Berater und seit 2007 EU-Projekt
Manager an der Kunsthochschule für Medien Köln. Studium der Elektrotechnik und Informationstechnologie an der RWTH Aachen. Diplom 2004. Forschungsinteressen: kundenorientierte Produktentwicklung, Qualitäts- und Anforderungsmanagement im Rahmen von IT-Anwendungen.
Kontakt: [email protected]
Bielert, Wilhelm, Dr., Geschäftsführer der SolidGround GmbH in Berlin; seit
Mitte der 1990er Jahre im Bereich Online-Marketing, Mobile Communication und Web 2.0 tätig und hat seitdem erfolgreich eine Reihe ausländische
Firmen bei ihrer Ansiedlung in Deutschland unterstützt. Der gegenwärtige
5.4 Kommentierte Linkliste
171
Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Umsetzung neuer b-LAN-Technologien
und deren Verknüpfung mit dem Web 2.0.
Kontakt: [email protected]
Böhme, Anina, Architektin und Planerin, seit 2001 Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin. Zuvor arbeitete sie als Wissenschaftliche Assistentin an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus am Lehrstuhl für Bau- und Planungsrecht und freiberuflich in verschiedenen Architekturbüros in Dresden und Berlin. Sie war als Projektleiterin für
das Bebauungsplanverfahren Bernauer Straße verantwortlich für die Konzeption und Durchführung des Mauerdialoges. Seit Februar 2008 ist sie Persönliche Referentin der Senatsbaudirektorin von Berlin.
Kontakt: [email protected]
Brode Tatjana, freie Produzentin und Informationsarchitektin für digitale Informationsangebote im Bereich Politik, Kultur und Medien (u.a. Produktion von
Web-Videos). Zu ihren Kunden gehören das Innenministerium, das British
Council, T-Systems. Stationen: Studium Kulturelle Kommunikation, OnlineRedakteurin für n-tv und CNN, Aufbau der Website der Bundeszentrale für
politische Bildung.
Kontakt: [email protected]
Decker, Alexandra, M.A., studierte Rhetorik und englische Literatur an der
Universität Tübingen, arbeitete dann fast sechs Jahre in der Werbung, bevor
sie 2007 in das Marketing einer großen Immobilienfirma wechselte. Sie betreut dort den Online-Bereich und ist zurzeit an der Entwicklung einer WebCommunity für Mieter beteiligt.
Kontakt: [email protected]
Domscheit, Anke, seit Februar 2008 Director Government Relations bei Microsoft Deutschland. In dieser Rolle entwickelt sie Partnerschaften mit Bundesund Landesverwaltungen sowie kommunalen Netzwerken in Deutschland
zum Ausbau von E-Government. Zuvor war sie Projektleiterin für IT-Strategieprojekte im Business Technology Office von McKinsey sowie in verschiedenen Positionen bei der IT-Beratung Accenture beschäftigt.
Kontakt: [email protected]
Frank, Simon A., M.A., 1975; Studium der Literatur, Philosophie und Ethnologie in München, Mitarbeiter am IT-Zentrum Geisteswissenschaft der LMU
XVI
Autorenverzeichnis
München, parallel dazu Fachhochschulstudium der Informatik; seit 2004 freiberuflicher Berater für Kultur- und Bildungseinrichtungen (www.Frank-ITBeratung.de); seit 2006 außerdem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
für Kulturmanagement der Pädagogische Hochschule Ludwigsburg.
Kontakt: [email protected]
Geighardt, Christiane, 1976, Referentin für empirische Studien bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). In dieser Funktion führt
sie regelmäßig Befragungen unter den Mitgliedsunternehmen durch. Sie hat
an der Universität Bielefeld Diplom-Soziologie mit den Schwerpunkten Organisations- und Personalwesen sowie Methoden der empirischen Sozialforschung studiert.
Kontakt: [email protected]
Genner, Sarah, M.A., 1982, Studium der Politik-, Sprach- und Publizistikwissenschaft in Zürich. 2008 schloss sie mit einer Diplomarbeit über Blogs und
Demokratie ab. Im Austauschsemester in Berlin begann sie über Zürich und
Berlin zu bloggen. Sie ist Mitarbeiterin von NZZ campus, dem Hochschulmagazin der Neuen Zürcher Zeitung.
Kontakt: [email protected]
Göllner, Stefan, seit 2004 selbständiger Kommunikationsdesigner, seit 2007
EU-Projekt-Manager an der Kunsthochschule für Medien Köln. Studium der
Landschaftsplanung an der TU Berlin 1996–2000. Studium Kommunikationsdesign an der FH Düsseldorf, Diplom 2006. Forschungsinteressen: Art
und Design Research, Geo-Informationssysteme, raumzeitliche Prozesse.
Kontakt: [email protected]
Haacker, Reinhild, Dipl.-Journ., 1973, erlernte das journalistische Handwerk
als Lokalredakteurin in ihrer Heimatstadt Rheine. Nach dem Studium der
Journalistik (Diplomarbeit: „Der Kölner Zeitungskrieg“, Marktzutritt kostenloser Tageszeitungen) folgten Stationen bei der Nachrichtenagentur Reuters
und Spiegel Online. Dort ist sie seit 2008 als Redakteurin tätig. Ihr Beitrag
enthält eine kritische Auseinandersetzung mit den Erfahrungen eines lokalen
Community-Projekts, das sie unabhängig von ihrer Tätigkeit bei Spiegel Online betrieben hat.
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Autorenverzeichnis
XVII
Habbel, Franz-Reinhard, seit 1982 Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er
sich seit Jahren mit der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Habbel
ist Mitglied verschiedener Beiräte u. a. Mobile Media des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie Vorstandsmitglied der Werkstatt
Deutschland e.V. Berlin und der European Society for eGovernment e.V.
Bonn. Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge im In- und Ausland zu
den Themen Modernisierung, E-Government, E-Democracy, Globalisierung
und Internet.
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Huber, Andreas, 1972, Managing Partner bei der Public-Sector-Beratung Public
One mit Sitz in Berlin und Essen. Zuvor Berater bei der Bertelsmann-Stiftung
Gütersloh und bei PLS RAMBØLL Management Hamburg (Bereich „Strategie und Organisation“). Experte für Strategie- und Organisationsberatung, internationales Projektmanagement, interkommunale Zusammenarbeit sowie
online-basierte Formen der Kooperation. Aktuelle Publikationen: Regional
Governance – Erfolg durch neue Formen überörtlicher Zusammenarbeit
(hrsg. zusammen mit R. Kleinfeld und H. Plamper), Göttingen 2006; Public
Merger – Strategien für Fusionen im öffentlichen Sektor (hrsg. zusammen
mit S. A. Jansen und H. Plamper), Wiesbaden 2004; Positionspapiere für den
Innovators Club.
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Jakobs-Woltering, Peter, Dr., 1960, Leiter des Consulting der T-Systems Business Services GmbH. Zuvor war er bei Kienbaum Unternehmensberatung tätig und hatte Führungsfunktionen im Bereich Marketing und Vertrieb bei
otelo, Metro und T-Mobile inne. Studium der Wirtschaftswissenschaften und
Rechtswissenschaften. Promotion an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Diverse Veröffentlichungen im Bereich der Verwaltungsreform.
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Kaczorowski, Willi, 1957, Director Public Sector in der Internet Business Solutions Group von Cisco Systems. Aktuelle Publikation (als Hrsg.): Connected
Government, Essays from Innovators, London 2005; zahlreiche Zeitschriftenaufsätze zu Verwaltungstransformation und E-Government.
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XX
Autorenverzeichnis
Klima, Markus, Dr., Politikwissenschaftler, Promotion in Soziologie über die
Evolution von Diskursmaschinen im Internet. Seit 2002 Gesellschafter der
Berliner Firma Binary Objects, die sich auf die Entwicklung und Implementierung von Software für Online-Bürgerbeteiligung spezialisiert hat. Berater
für Medien- und IT-Politik für internationale Auftraggeber aus dem IT-Sektor.
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Landsberg, Gerd, Dr., 1952, seit 1996 Geschäftsführendes Präsidialmitglied des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Nach dem Studium der Rechts- und
Politikwissenschaften in Bonn war er zunächst Assistent an der Universität
Bonn. Von 1981 bis 1989 Richter am Landgericht Bonn bzw. im Justizministerium in Düsseldorf, danach Referent im Bundesministerium der Justiz mit
dem Schwerpunkt des internationalen Umweltrechts. Ernennung zum Richter
am OLG Düsseldorf im Jahre 1991, ein Jahr später Wahl zum Beigeordneten
des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
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Lübcke, Maren, Soziologin, Mitarbeiterin in der Abteilung Interaktive Kommunikation bei der TuTech Innovation GmbH Hamburg. Als wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der TU Hamburg-Harburg hat sie die Grundideen und das
Konzept von DEMOS mitentwickelt, eine interaktive und innovative Internetplattform zur aktiven Einbeziehung der Bürger in politische Gestaltungsund Entscheidungsprozesse. Derzeit promoviert sie zum Thema Kommunikative Anschlussnahme in online Diskursen.
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Lührs, Rolf, Dipl.-Soz., Leitung der Abteilung Interaktive Kommunikation bei
der TuTech Innovation GmbH Hamburg (seit 2003). Davor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Technikbewertung und Technikgestaltung an der TU Hamburg-Harburg. Rolf Lührs beschäftigt sich seit
1999 mit dem Bereich „elektronische Demokratie“.
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Märker, Oliver, Dr., Zebralog e.V., Beratung von Politik, Verwaltungen und
Nichtregierungsorganisationen bei der Konzeption und Umsetzung elektronisch unterstützter Beteiligungsangebote auf kommunaler, regionaler (Haushalts-, Stadt- und Regionalplanung) und nationaler Ebene (Petitionen und
Konsultationen). Zu seinem Aufgabenfeld gehören weiterhin die Moderation
Autorenverzeichnis
XIX
von Online-Dialogen und die Durchführung sozial-wissenschaftlicher Studien
und Gutachten zum Themenbereich E-Partizipation.
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Meineke, Christoph, 1979, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen
(Deister), Studium der Volkswirtschaftslehre in Wien, Friedrichshafen und
St. Gallen. Mit seinem Wahlsieg im Jahr 2006 wurde er jüngster hauptamtlicher Bürgermeister in Niedersachsen. Er promoviert an der Priv. Univ. Witten/Herdecke.
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Niehaves, Björn, Dr., European Research Center for Information Systems, Universität Münster; Studium der Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaft, Promotion im Bereich Wirtschaftsinformatik und E-Government. Er
leitet den Bereich Public Sector am European Research Center for Information Systems (ERCIS) und hat dort auch die Durchführung der Studie „EInclusion – Digitale Integration durch E-Government“ (2008) für das Bundesinnenministerium verantwortet.
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Ohlemann Svenja, 1981, befasste sich bereits während ihres internationalen
Management-Studiums mit Online-Medien. Als Ansprechpartnerin für Schulen und öffentliche Institutionen versteht sie deren Bedürfnisse und setzt diese konzeptionell auf Inphorms.de um.
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Oldenburg, Felix, 1976, IFOK (Institut für Organisationskommunikation) in
Berlin. Er leitet hier den Bereich New Governance. Zuvor arbeitete er als
Gründer eines Internet-Startup sowie als Managementberater bei McKinsey&Company in London. Zuletzt erschien von ihm „Beteiligung – ein Programm für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ (mit Hans-Peter Meister).
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Olek, Alexander, Dr., 1969, beschäftigt sich als Mitbegründer der bilingualen
PHORMS-Schulen und Vater von vier Kindern seit vielen Jahren intensiv mit
dem Thema Bildung. Als Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Bildungslandschaft in Deutschland entwickelte er die Inphorms-Bildungscommunity.
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Autorenverzeichnis
Räckers, Michael, MScIS, European Research Center for Information Systems,
Universität Münster; Studium der Wirtschaftsinformatik. Im Rahmen seiner
Forschungstätigkeiten arbeitet er in den Bereichen E-Government und Prozessmodellierung und vereint diese beiden Felder im Forschungsprojekt PICTURE, in der eine Modellierungsmethode für die öffentliche Verwaltung
entwickelt wird. Er hat maßgeblich an der Studie „E-Inclusion – Digitale Integration durch E-Government“ mitgewirkt.
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Riedel, Daniela, Diplom-Ingenieurin für Stadt- und Regionalplanung und Mitbegründerin von Zebralog e.V. Sie berät Politik, Verwaltung und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei der Konzeption und Umsetzung medienübergreifender Dialogprozesse auf kommunaler, regionaler und nationaler
Ebene. Sie leitete für Zebralog die Projekte Online-Dialog Kulturforum,
Gleisdreieck, Mauerdialog und den Dialog zur Nachnutzung des Flughafens
Tempelhof. Seit August 2007 ist sie Geschäftsführerin von Zebralog.
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Schulz, Stefan, 1983, studiert Soziologie an der Universität Bielefeld. Er ist
Fachmann für die zielgruppenspezifische Umsetzung von Web-2.0-Anwendungen und u.a. Mitgründer der Plattform „Sozialtheoristen“, auf der v.a.
junge Bielefelder Soziologen gemeinsam daran arbeiten, sozialwissenschaftliche Konzepte zur Erklärung aktueller Phänomene fruchtbar zu machen.
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Trogemann, Georg, Professor für Experimentelle Informatik an der Kunsthochschule für Medien Köln (seit 1994). Studium der Informatik und Mathematik
in Erlangen, Promotion 1990. Gesellenprüfung als Schreiner 1977. Von 1997
bis 1999 sowie 2004 bis 2006 Prorektor für Forschung und Infrastruktur. Forschungsinteressen: Art und Design Research, Interface Cultures, Theorie der
Artefakte.
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Wawer, Rafael. Ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift PNG. Heute freier
Journalist und Entwickler in Berlin.
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Wehner, Josef, PD Dr., Fraunhofer Institut Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS); dort verantwortlich für Projekte mit Unternehmen und öf-
Autorenverzeichnis
XXI
fentlichen Einrichtungen zum Themenfeld E-Partizipation. Er ist außerdem
Lecturer an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Seine Lehrgebiete sind Technik-, Medien- und Kommunikationssoziologie.
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Weinberger, David, 1950, Fellow am Berkman Center for Internet and Society,
Harvard School of Law; aktuelle Publikation: Everything is Miscellaneous:
The Power of the New Digital Disorder.
Kontakt: [email protected]
Westholm, Hilmar, Dr. rer. pol. habil., 1958, Senior Guest Scientist am Institut
für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, Wien. Vorher Institut für Informationsmanagement Bremen
GmbH (ifib) und Projektleiter der Studie für das BMI, Schwerpunkte: Governance, E-Partizipation; aktuelle Publikation: Medienmix in der Bürgerbeteiligung. Die Integration von Online-Elementen in Beteiligungsverfahren auf
lokaler Ebene, Berlin (edition sigma) 2008 (i. E., gemeinsam mit H. Kubicek
und B. Lippa).
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Autorenverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1.2-1: Die Evolution der Bürgerbeteiligung
19
Abb. 2.2-1: Tempelhof-Entwicklungsprojekt (Screenshot)
49
Abb. 3.2-1: Geschlecht der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren
in Hamburg und Freiburg
75
Abb. 3.2-2: Altersstruktur der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren
in Hamburg und Freiburg
76
Abb. 3.4-1: Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im Personalmanagement 92
Abb. 3.7-1: Spaziergänger formulieren Ihre Ideen zur Parkgestaltung.
Die Moderation unterstützt beim Eingeben.
112
Abb. 3.7-2: Besucher und Teilnehmer des Online-Dialoges informieren
sich bei den Mauerstreifzügen über die Geschichte und
Zukunft des Ortes und stimmen auf dem TED-Meeting
über Prioritäten ab.
113
Abb. 4.2-1: Eyeonearth.eu (Landkartensicht)
127
Abb. 4.2-2: Eyeonearth.eu: Ostseestrände auf Rügen
128
Abb. 4.3-1: Web 2.0 – Die neue Generation des Internets
133
Abb. 4.3-2: Communication Center of Excellence
136
Tab. 2.4-1: Nutzung von Online-Dienstleistungen in Deutschland
(Angaben bezogen auf die Nutzung in den „letzten 3 Monaten“) 58
Tab. 5.1-1: Blog-Communities und Blog-Software (Auswahl)
155
Autorenverzeichnis
XXI
XXII
Autorenverzeichnis
Weitere Titel aus dem vwh-Verlag
in der Reihe „E-Learning“
E. Abfalterer: Foren, Wikis, Weblogs und Chats im Unterricht
2007, 24,90 €, ISBN 978-3-9802643-3-4
K. Himpsl: Wikis im Blended Learning Ein Werkstattbericht
2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-5-8
in der Reihe „Multimedia“
Institut für Multimediatechnik (Hg.):
2. Kongress Multimediatechnik
Wismar 2007 (Kongressband)
2007, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-15-5
J. Sieck/M. A. Herzog (Hg.): Wireless Communication and Information
M. H. Hornbostel: E-Learning und
Didaktik Didaktische Innovationen in
(Beiträge der WCI-Tagungen 2006 u. 2007)
2008, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-27-8
Online-Seminaren
2007, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-00-1
in der Reihe „Game Studies“
J. Pacher: Game. Play. Story?
U. Höbarth: Konstruktivistisches
Lernen mit Moodle Praktische Einsatzmöglichkeiten in Bildungsinstitutionen
2007, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-08-7
T. Bernhardt/M. Kirchner: E-Learning 2.0 im Einsatz „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog-Caster
2007, 31,90 €, ISBN 978-3-940317-16-2
A. Schett: Selbstgesteuertes Lernen
Lerntagebücher in einem Blended-LearningSzenario in der Sekundarstufe I
2008, 27,50 €, ISBN: 978-3-940317-25-4
S. Dreer: E-Learning an berufsbildenden Schulen Möglichkeiten zur
Förderung des selbstgesteuerten Lernens
2008, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-28-5
H. Ernst: Mobiles Lernen in der Praxis Handys als Lernmedium im Unterricht
2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-30-8
in der Reihe „Schriften zur Informationswissenschaft“
R. Kölle: Java lernen in virtuellen
Teams Kompensation defizitärer Rollen
durch Simulation (HI; Bd. 47)
2007, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-17-9
Computerspiele zwischen Simulationsraum
und Transmedialität
2007, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-10-0
H. Witzmann: Game Controller
Vom Paddle zur gestenbasierten Steuerung
2007, 25,90 €, ISBN 978-3-940317-14-8
S. Schwingeler: Die Raummaschine
Raum und Perspektive im Computerspiel
2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-24-7
T. Rittmann: MMORPGs als virtuelle
Welten Immersion und Repräsentation
2008, 26,50 €, ISBN 978-3-940317-20-9
B. Rapp: Selbstreflexivität im Computerspiel Theoretische, analytische und
funktionale Zugänge zum Phänomen autothematischer Strategien in Games
2008, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-35-3
R. Seda: Interactive Storytelling im
Computerspiel Adventure Games im
Spiegel polymedialer Einflüsse
Erscheint Okt./Nov. 2008
in der Reihe „Medienwirtschaft“
C. Frahm: Die Zukunft der Tonträgerindustrie
R. Kuhlen: Erfolgreiches Scheitern – 2007, 24,90 €, ISBN 978-3-9802643-8-9
eine Götterdämmerung des Urheber- S. Huber: Neue Erlösmodelle für
rechts? (HI; Bd. 48)
Zeitungsverlage
2008, 39,90 €, ISBN 978-3-940317-21-6
2007, 27,90 €, ISBN 978-3-9802643-9-6
Autorenverzeichnis
XXI
in der Reihe „Medientheorie“
in der Reihe „Web 2.0“
T. Liebig: Social Software im Mar- T. Schindl: Räume des Medialen
keting Studenten-Weblogs als Instrument Zum spatial turn in Kulturwissenschaften
des Hochschulmarketings
2007, 19,90 €, ISBN 978-3-9802643-4-1
und Medientheorien
2007, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-13-1
E. Tinsobin: Das Kino als Apparat
F. Renz: Praktiken des Social Networking Eine kommunikationssoziologi- Medientheorie und Medientechnik im Spiesche Studie zum online-basierten Netzwerken am Beispiel von openBC (XING)
2007, 21,90 €, ISBN 978-3-9802643-6-5
gel der Apparatusdebatte
2008, 24,90 €, ISBN: 978-3-940317-18-6
S. Munz/J. Soergel: Agile Produktentwicklung im Web 2.0
Von der Ephemerisierung des Kommunikationsbegriffs zu einer allgemeinen Theorie
der Beförderung
2008, 25,90 €, ISBN: 978-3-940317-19-3
2007, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-11-7
C. Mörl/M. Groß: Soziale Netzwerke im Internet Analyse der Monetarisierungsmöglichkeiten und Entwicklung
eines integrierten Geschäftsmodells
2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-22-3
I. Gurschler: Transportmodalitäten
H. Hillgärtner: Das Medium als
Werkzeug Plädoyer für die Rehabilitierung eines abgewerteten Begriffes in der
Medientheorie des Computers
2008, 30,90 €, ISBN: 978-3-940317-31-5
T. Seeber: Weblogs – die 5. Gewalt? in der Reihe „E-Business“
Eine empirische Untersuchung zum emanzipatorischen Mediengebrauch von Weblogs J. S. Günther: Erfolgreiches Online2008, 25,50 €, ISBN 978-3-940317-23-0
marketing mit Google
J. Moskaliuk (Hg.): Konstruktion u. Erscheint Nov. 2008
Kommunikation v. Wissen mit Wikis in der Reihe „E-Collaboration“
2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-29-2
M. Groß/A. Hiller (Hg.): Leadership
J. L. Brinning: Persönliches Publiin Distributed Organisations
Beherrschung der Distanz in verteilt
zieren im Web 2.0
Zur Herausbildung dynamischer Öffentlichkeitssphären und publizistischer Vielfalt
2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-32-2
in der Reihe „Typo | Druck“
C. Bouchon: Infografiken
2007, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-07-0
M. Liebig: Browser-Typografie
Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schrift
im WWW Erscheint ca. Nov. 2008
agierenden Unternehmen (Kongressband)
2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-7-2
in der Reihe „AV-Medien“
K. Herrmann: Produzieren in HD
Produktionstechnische und wirtschaftliche
Aspekte von HDTV-Produktionen
2007, 22,90 €, ISBN 978-3-940317-05-6
D. Schreier: Film und Rhythmus
2008, 18,90 €, ISBN 978-3-940317-34-6
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