Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik
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Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik
Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik Neue Formen der Öffentlichkeit und der Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger Herausgegeben von Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber im Auftrag des Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung Redaktion: Thomas Hoebel, Andreas Huber, Franz-Reinhard Habbel F.-R. Habbel/A.Huber (Hrsg.): Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Originalausgabe dieser Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar. © Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg, 2008 www.vwh-verlag.de Einfache Nutzungsrechte liegen beim Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg. Eine weitere Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist nur mit Zustimmung der Herausgeber möglich. Markenerklärung: Die in diesem Werk wiedergegebenen Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenzeichen usw. können auch ohne besondere Kennzeichnung geschützte Marken sein und als solche den gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. Satz: Werner Hülsbusch Umschlag: design of media, Lüchow Druck und Bindung: Kunsthaus Schwanheide Printed in Germany Sonderdruck der unter der ISBN 978-3-940317-36-0 im Verlag Werner Hülsbusch erschienenen Originalausgabe für den Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis IV Grußwort IX Einführung: Web 2.0 — Bürger gestalten Kommunalpolitik 1 1 Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation 9 2 Web 2.0 in der Politik — Grenzen und Chancen 39 3 Potenziale in ausgewählten kommunalen Handlungsfeldern 63 Web-2.0-Anwendungen und ihre Einsatzmöglichkeiten 117 Tipps für den Umgang mit Web 2.0 154 4 5 Autorenverzeichnis Abbildungs- und Tabellenverzeichnis XV XXIII IV Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis IV Grußwort IX Einführung: Web 2.0 — Bürger gestalten Kommunalpolitik 1 I. II. III. IV. Vom „Konsumenten“ zum „Prosumenten“ Das Internet als Platz der Selbstdarstellung Erfahrungsberichte anderen zur Verfügung stellen Neue Öffentlichkeit und Einbindung in kommunale Arbeitsabläufe V. Neue Form der Öffentlichkeit durch Web 2.0 VI. Einbindung der Bürger in Arbeitsabläufe der Kommune VII. Potenziale des Web 2.0 für die Kommunalpolitik ausschöpfen! VIII. Schwerpunkte des vorliegenden Bandes 3 3 4 5 6 1 Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation 9 1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps Christoph Meineke 9 I. II. III. IV. V. 1.2 Public-Citizen-Partnership: Ein Programm für die Zukunft der Bürgerbeteiligung Felix Oldenburg I. II. III. 1.3 Ja, ich habe gebloggt! Das Web 2.0 ist lokal Mein Wahlkampf 2.0 Tipps für den Umgang mit dem Web 2.0 Versuch und Fehler Herausforderung „Wandel gestalten, Bürger als Partner gewinnen“ Probleme der Bürgerbeteiligung 1.0 Public-Citizen-Partnership: Die Zukunft der Bürgerbeteiligung 1 2 2 9 10 10 12 14 15 15 16 17 Online-Videos in der politischen Kommunikation Tatjana Brode 20 I. II. III. IV. 20 21 21 22 Videos als Kommunikationsform Videoplattformen und Podcasts Videonutzung im Netz Potenziale für die Politik Inhaltsverzeichnis V V. VI. 23 24 Die Nutzer als Produzenten Bürgerjournalismus zu politischen Themen 1.4 Interview zu Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover 25 1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen beim Aufbau eines lokalen Internetmagazins Reinhild Haacker 28 I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. 28 29 29 30 31 31 32 33 1.6 Wo das Netz zum Greifen nahe ist Lücken im lokalen Netz Das Projekt „Wir in Wentorf“ Lokale Berichterstattung und Aktualität Service Interaktivität und politische Mitbestimmung Der User erzieht sein Netz Gesucht: Lokale „Web-Alphatiere“ Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go? David Weinberger 34 2. Web 2.0 in der Politik — Grenzen und Chancen 39 2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie? Sarah Genner 39 I. II. III. IV. V. Zwischen Euphorie und Entsetzen Keine Mobilisierung, eher verstärkte Ungleichheiten Politische Wirkungen von Blogs Die Grenzen politischer Blogs Digitalisierung der Politik 39 40 41 43 44 Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit Markus Klima und Rafael Wawer 46 I. II. III. IV. 46 47 48 50 2.2 2.3 Commonplace Books und Hypomnema Blogs als persönliches öffentliches Schreiben Gesucht: die zeitgemäße „Diskursmaschine“ Eine neue Öffentlichkeit? E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung durch Neue Medien Steffen Albrecht und Hilmar Westholm 51 I. II. III. IV. V. 51 52 53 53 54 Relevanz von E-Partizipation Entwicklungsstand der E-Partizipation in Deutschland Bewertung im internationalen Kontext Chancen und Risiken der E-Partizipation Wie kann E-Partizipation genutzt werden? Beispiele guter Praxis VI 2.4 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Inhaltsverzeichnis E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider Björn Niehaves und Michael Räckers 57 I. II. III. IV. 57 58 59 61 E-Inklusion als demokratische Aufgabe Nutzung von Online-Services in Deutschland Kontrastierung der Nutzung von Online-Services Zusammenfassung und Ausblick Potenziale in ausgewählten kommunalen Handlungsfeldern 63 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte Oliver Märker und Josef Wehner 63 I. II. III. IV. V. 63 64 65 67 68 Einleitung E-Partizipation in der Haushaltsplanung Nicht nur der Bürger, auch die Verwaltung muss sich beteiligen Der Kölner Bürgerhaushalt 2008 als wegweisendes Beispiel Nach dem Bürgerhaushalt ist vor dem Bürgerhaushalt Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? Maren Lübcke und Rolf Lührs 71 I. II. III. IV. V. VI. VII. 71 72 73 74 74 76 77 Einführung Das Verfahren Hamburg Freiburg Die Teilnehmer Die Prioritäten der Bürger Resümee Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet Simon A. Frank 79 I. II. III. 79 80 88 Kulturmanagement und Online-Kulturmarketing Web-2.0-Anwendungen für das Online-Kulturmarketing Perspektiven Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko Sascha Armutat und Christiane Geighardt 90 I. II. III. Relevanz des Web 2.0 für das Personalmanagement Status quo: Web 2.0 im Personalmanagement Fazit 90 92 95 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster und Fixmystreet Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann 97 Inhaltsverzeichnis VII I. II. III. IV. V. VI. VII. 3.6 IV. 4.1 Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“ Das Internet als Verhandlungsraum Berliner Stadtentwicklungspolitik: Planen mit mehr als 1.000 Beteiligten Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten Web-2.0-Anwendungen und ihre Einsatzmöglichkeiten 105 106 107 108 108 109 109 110 111 114 117 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune Peter Jakobs-Woltering 117 I. II. III. 4.2 Einleitung Effektive Kundenbetreuung Nachbarschafts-Community Marketing Perspektiven Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen durch öffentliche Diskussionen im Internet Anina Böhme und Daniela Riedel I. II. III. 4 97 98 99 100 101 101 103 Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung Alexandra Decker 105 I. II. III. IV. V. 3.7 Einleitung Städtische Gemeinschaft versus globalisierte Online-Community Glokalisierung? Karten als Beteiligungsinstrumente Konzept und Funktionalitäten des Unortkatasters Unortkataster – eine Art Fixmystreet? Ziele und Chancen des Unortkatasters Zukunftsfähigkeit als Herausforderung Kommunale Erfolge durch neue Technologien Kommunalverwaltung 2.0? Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit „Windows Live“ Anke Domscheit I. II. III. IV. Interaktivität erfordert neue Technologien Bürgerfeedback ergänzt EU-Daten: www.eyeonearth.eu (Case Study) Elektronische ID in Mailand und an der University of Pennsylvania (Case Study) Web 2.0 mit Standardsoftware öffnet kleinen und mittleren Kommunen den Weg in modernes E-Government 117 118 123 124 124 126 129 130 VIII Inhaltsverzeichnis 4.3 4.4 4.5 4.6 Soziale Netzwerke in Behörden Willi Kaczorowski 132 I. II. III. IV. 132 134 135 137 Web 2.0 – Mehr als eine technische Weiterentwicklung Behördeninterne Kommunikation als Anwendungsfeld Vielfalt der Anwendungen Erste Schritte für Behörden Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol Arno Abler 139 I. II. III. 139 140 142 Web 2.0 als folgenreicher Mythos E-Government & Co. vivomondo Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen Wilhelm Bielert 144 I. II. III. 144 145 147 Bluetooth in der kommunalen Kommunikation Anwendungsmöglichkeiten Perspektiven Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern Svenja Ohlemann und Alexander Olek 148 I. II. III. IV. V. VI. 148 149 149 151 151 152 Gute Bildung als gemeinsame Herausforderung Vernetzung zwischen Schulen, Lehrer und Eltern Funktionen und Netzwerk Web 2.0 macht Bildung überall verfügbar Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene Die Kommunen als innovative Bildungsstandorte 5 Tipps für den Umgang mit Web 2.0 5.1 Ein Blog in fünf Schritten Daniela Riedel und Rafael Wawer 154 154 5.2 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors Andreas Huber 157 5.3 Glossar Stefan Schulz 160 Kommentierte Linkliste 167 Autorenverzeichnis XV 5.4 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis XXIII Inhaltsverzeichnis IX Grußwort Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken verändern Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung fundamental. Immer mehr geschäftliche, soziale und gesellschaftliche Aktivitäten verlagern sich ins Internet. Das Internet wird zu einem Lebens- und Wirtschaftsraum. E-Mail, Google und Mobilfunk sind integraler Bestandteil unseres Lebens geworden. Diese Entwicklung fordert auch Politik und Verwaltung heraus. Bund, Länder und Kommunen haben begonnen, die Verwaltung zu vernetzen und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Damit verbunden sind große Chancen, die Verwaltung bürgerfreundlicher und effizienter zu machen und Bürokratie abzubauen. Auch das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung wird sich durch das Internet verändern. Das Internet eröffnet neue Wege der Kommunikation zwischen Bürger, Politik und Verwaltung. Mitmachen und Teilhaben werden die Politik im 21. Jahrhundert maßgeblich prägen. Das Internet ist ein wichtiges Medium auf dem Weg zur aktiven Bürgergesellschaft. Web 2.0 – die zweite Generation des Internets – beschleunigt diesen Prozess. Ist das Internet 1.0 ein Netz mit statischen Webseiten, in dem überwiegend Informationen angeboten werden, ist Web 2.0 ein „Netz des Mitmachens“. Immer mehr Communities und Diskussionsforen entstehen, jedermann kann ohne große Kenntnisse und Aufwand interaktive Webseiten erstellen. Web 2.0 bringt Menschen zusammen, um sich gegenseitig mit Wissen zu versorgen, gemeinsam Neues zu schaffen und damit oftmals auch politisch Verantwortliche herauszufordern. Neue Formen der Öffentlichkeit und der politischen Kommunikation sind möglich geworden. Zeitunabhängige und themenspezifische Dialoge ermöglichen es, noch mehr Personen in kommunale Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubinden als früher. Bürger beginnen auch, mobil zu machen. Sie schließen sich zusammen und starten im Netz zum Beispiel Aktionen für eine bessere Bildung ihrer Kinder. Besonders beeindruckend ist zudem die freie Wissensplattform „Wikipedia“, weil sich hier fortlaufend Menschen aus allen Erdteilen zusammenfinden, um sich darüber zu verständigen, was heute eigentlich als „wissenswert“ zu gelten hat – ohne einander zu kennen. Der Grad an aktuell verfügbarem Wissen ist unglaublich hoch. Man gewinnt einen Eindruck davon, wie erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement aussehen kann. X Grußwort Mit diesem Buch „Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik“ des Innovators Club wollen wir uns an der Verbreitung des Wissens über die Möglichkeiten des Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik beteiligen. Es gibt einen umfassenden Überblick die Potenziale, gibt Tipps für den Umgang mit Web 2.0 und stellt Beispiele aus Deutschland und Österreich dar. Ich wünsche allen Interessierten eine anregende Lektüre und viele gute Ideen auf dem Weg, das Web 2.0 für die kommunale Praxis zu nutzen. Und vor allen Dingen: probieren Sie es aus! Nutzen Sie diese neue Möglichkeit des Dialoges mit Ihren Bürgern und Unternehmen. Gerd Landsberg (Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes) Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik 1 Einführung: Web 2.0 — Bürger gestalten Kommunalpolitik Die neueste Entwicklung im Internet heißt „Web 2.0“ oder „Soziales Internet“. Damit ist vorrangig eine besondere Einbindung der Nutzer gemeint, in welcher sie als unentgeltliche Informationslieferanten an der Erstellung der Internetangebote beteiligt sind („User Generated Content“). Das Web 2.0 bietet auch für die Kommunen und die Kommunalpolitik erhebliche Potenziale. Insbesondere die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit und die aktive Einbindung der Öffentlichkeit in Arbeitsabläufe der kommunalen Behörden sind attraktiv. I. Vom „Konsumenten“ zum „Prosumenten“ Je beliebter ein Web-2.0-Angebot ist, desto mehr Besucher werden angezogen und umso mehr Inhalte werden durch die Nutzer eingestellt. Dieses führt wiederum zu einer noch höheren Attraktivität des Angebotes und noch mehr Besucher. Ein bekanntes Beispiel ist der von 47% aller deutschen Internetnutzer genutzte Web-2.0-Dienst Wikipedia. Das dort mittlerweile angesammelte Wissen konkurriert durchaus mit altehrwürdigen Lexika und ist dabei noch kostenfrei. Darüber hinaus stellt es eine bisher ungekannte Form des Wissensmanagements dar, weil die Beiträge dezentralisiert eingestellt und in der gleichen Weise auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. War es für den Gelegenheitsnutzer bisher noch mit großem Aufwand verbunden, eine eigene Homepage einzurichten und zu pflegen, so helfen vor allem soziale Netzwerkwebseiten, wie etwa das 2003 gegründete MySpace, mit einfach zu bedienenden Benutzeroberflächen persönliche Seiten zu erstellen und diese dank erhöhter Übertragungsraten unkompliziert mit Bildern, Videos und Ton anzureichern. Weitere rasant zunehmende Phänomene, die heute bereits zum Alltag gehören, sind der Austausch auch großer Datenmengen zwischen privaten Nutzern (Peer-to-peer-Filesharing), von beliebigen Nutzern editierbare Wissenssammlungen (Wikis) und die Bereitstellung von Pod- und Vodcasts (Audio- und Videoclips), aus denen sich der Nutzer sein persönliches Medienprogramm zusammenstellen kann. 2 II. Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber Das Internet als Platz der Selbstdarstellung Für die Präsentation von eigenem Medienmaterial gibt es Videoportale (z.B. YouTube oder das genannte MySpace), die bereits von 34% aller Nutzer genutzt bzw. besucht werden, oder Fotoportale (etwa Picasa oder Flickr, genutzt von 15%). Blogs sind so etwas wie öffentliche Tagebücher in Kladdenform. Sein Besitzer trägt in loser Folge ein, was er oder sie erlebt und für mitteilungswürdig erachtet. Zusätzlich kann er Dritte einladen, seine Texte zu kommentieren oder sogar eigene Beiträge zu verfassen. Gegenwärtig nutzen 11% der deutschen User diese Web-2.0-Angebote. Bekannt geworden ist das Bloggen nicht zuletzt durch die Berichterstattung aus dem Irak-Krieg oder durch Informationen von Oppositionellen in autoritären Staaten. Natürlich sind bei weitem nicht alle Beiträge auf Webseiten der Generation 2.0 qualitativ hochwertig. Entscheidend sind sogenannte Peer-Reviews. Dabei handelt es sich um Bewertungen durch Personen aus der gleichen Interessengruppe. Je mehr Nutzer einen Beitrag als aussagekräftig empfinden und diesen positiv kommentieren, desto glaubwürdiger wird er eingestuft. Dieser Aspekt der Bewertung von Aussagen und Personen ist der Kern dessen, was unter „sozialem Netz“ verstanden wird. III. Erfahrungsberichte anderen zur Verfügung stellen Kommerziell genutzt werden Web-2.0-Aspekte etwa bei Websites zur Unterstützung von Kaufentscheidungen oder Reiseplanungen, denn Interessierte können von den Erfahrungen von anderen profitieren, um etwas über die Glaubwürdigkeit der Verkäufer oder den Nutzen der Waren zu erfahren. Vor diesem Hintergrund versteht man unter einem Web-2.0-Angebot: • Online-Dienste, die sogenannte „Rückkanäle“ anbieten, durch welche die Nutzer unkompliziert Daten und Informationen an den Dienst zurück senden bzw. dort direkt online stellen können; • die Daten werden über den Dienst öffentlich angeboten; • andere Nutzer können diese Daten bewerten, kommentieren bzw. erweitern; • die Glaubwürdigkeit eines Inhalts steigt durch die Häufigkeit und den Grad der Zustimmung der anderen Nutzer („Soziales Netzwerk“). Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik IV. 3 Neue Öffentlichkeit und Einbindung in kommunale Arbeitsabläufe Für Kommunen sind insbesondere die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit und die aktive Einbindung der Öffentlichkeit in Arbeitsabläufe der kommunalen Behörden attraktiv. Das Hauptaugenmerk liegt dabei insbesondere auf denjenigen Nutzern, die auch bei den sonstigen Web-2.0-Angeboten bereit sind, aktiv Daten beizusteuern. Der Anteil derer, die aktiv Informationen einstellen, schwankt zwischen 40% der Nutzer von Fotoportalen und etwa 10% der Personen, welche die Enzyklopädie Wikipedia besuchen. Der „harte Kern“ der aktivsten Informationseinsteller liegt bei etwa 2 bis 3% der Anwender. Die gezielte Mobilisierung von lokalen Content-Produzenten über dieses Aktivitätslevel hinaus ist aber für Kommunen besonders interessant, weil dadurch qualitative Mehrwerte für die Öffentlichkeitsarbeit, die Imageaufwertung sowie für die Unterstützung bei der Erbringung von Dienstleistungen der Kommunen entstehen. V. Neue Form der Öffentlichkeit durch Web 2.0 Durch die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit durch die Nutzung von Web 2.0 lassen sich sowohl die herkömmlichen Beteiligungs- und Partizipationsformen kostengünstiger und effizienter gestalten als auch neue Formen der Beteiligung hervorbringen, wie die Vielzahl der Beiträge in diesem dokumentieren. So haben Köln, Freiburg und Hamburg sehr positive Erfahrungen mit einem „Bürgerhaushalt 2.0“ gemacht, d.h. der Diskussion des Bürgerhaushaltes über Online-Tools. Auch in der Bildungspolitik existieren gelungene Beispiele, wie Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam auf einen OnlineDienst zugreifen und – über mehrere Schulen hinweg – qualitative Inhalte bereit stellen. Neue Formen des Journalismus oder gar der Kulturpolitik sind in der Erprobung, bei denen engagierte Leser wichtige Zeitdokumente beitragen oder sich um lokales Kulturgut und Kulturveranstaltungen kümmern. Ein Beispiel ist die Spiegel-Online-Rubrik „Eines Tages“. Auf diese Weise lassen sich die vorhandenen und die noch unentdeckten Möglichkeiten der Entstehung neuer Formen von Öffentlichkeit unterstützen. Erfahrungen aus verschiedenen Projekten haben gezeigt, dass Web-2.0Angebote zwar nicht das Interesse der Bürgerschaft an politischer Partizipation an sich steigern, aber dass die Intensität und Qualität der Beteiligung und 4 Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber der Beiträge über das Medium Internet deutlich höher sind als früher. Immer mehr Mandatsträger berichten, dass sie ihren Wahlkampf mit Hilfe des Internets führen. Es besteht dabei die Chance, sich gerade durch die Anwendung von Web-2.0-Angeboten als besonders modern und bürgernah darstellen zu können. Ein Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf 2008 in den USA zeigt sowohl die Potenziale als auch die Gefahren eines auch online geführten Wahlkampfes. Möglich sind schnelle Diskussionen und Schlagabtausche, unsteuerbare Blogs und Foren, Online-Stellen von Video- und Audiodateien jenseits ihrer Präsenz auf Wahlkampfveranstaltungen und in den Printmedien. Die Nutzung des Internets erweitert die Reichweite sowie die Intensität des Wahlkampfes und bringt neue Maßstäbe politischer Glaubwürdigkeit hervor. VI. Einbindung der Bürger in Arbeitsabläufe der Kommune Neben einer neuen Öffentlichkeit sind die Web-2.0-Angebote eine gute Möglichkeit die Öffentlichkeit in Arbeitsabläufe der Kommune mit einzubinden und auf diese Weise Informationen und Kenntnisse durch die Bürger zu erhalten. Ein bekanntes Beispiel ist das englische Projekt Fixmystreet, bei dem Bürger auf einer Website Mängel, Probleme oder einfach nur Auffälligkeiten in der Infrastruktur ihres lokalen Lebensumfelds melden können. Aufgrund dieser Hinweise kann eine Kommune viel zielgerichteter den Schaden beheben lassen als im Rahmen turnusmäßiger Kontrollen. Denn es ist einfacher und schneller, zu einer von einem Bürger gemeldeten defekten Straßenlaterne direkt zu fahren und diese zu reparieren, als das gesamte Straßennetz nach Defekten abzufahren. Dieses Projekt gilt als Erfolg und zeigt, dass Bürger sehr wohl bereit sind, die Kommune zu unterstützen und lokale Informationen einzubringen. Wenn wie in diesem konkreten Fall der Rückmeldekanal intuitiv und ohne umfangreiche Computerkenntnisse zu handhaben und keine gesonderte Anmeldung erforderlich sind, dann werden die Bürger eher geneigt sein, eine Meldung zu machen, als wenn sie anrufen oder gar einen Brief schreiben müssten. Aus Prozesskostensicht ist auch die Sammlung der Meldungen über einen solchen spezialisierten Kanal kosteneffizienter als parallel durch Telefon, Brief und die turnusmäßigen Vor-Ort-Befahrungen. Wenn die Mängel dann auch zeitnah behoben werden können, erhöht sich auch die Zufriedenheit der Bürger, da sie selbst zur Behebung beigetragen haben. Ein Gefühl von Teilhabe entsteht. Die Bürger merken, dass sie ernst genommen werden. Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik 5 Dieses einfache Beispiel aus einem Bereich der Infrastrukturpolitik zeigt, welche Potenziale in Web-2.0-Angeboten stecken, die bisher nicht oder nur annähernd realisiert wurden. In Anwendung oder Entwicklung sind auch Web-2.0-Angebote für lokale Sicherheit bzw. Nachbarschaftsschutz, Quartierentwicklung oder Kulturpolitik. Bei internen Prozessen wie die Personalgewinnung greifen viele Personalverantwortliche ebenfalls auf das Web 2.0 als Informationsquelle über die Bewerber zurück. Hier werden Selbstdarstellung und Bewertungen durch Dritte zu zusätzlichen Quellen der Einschätzung. Darüber hinaus gibt es Web-2.0-Angebote für geschlossene Nutzerkreise, etwa von Mandatsträgern einer Region für regionale Politik- und Aushandlungsprozesse. Auf Webseiten, mit möglichen Namen wie meineverwaltung.de, meinekommune.de, unserenachbarschaft.de o.ä. könnten bisherige Angebote von Kommunen und Behörden integriert und durch Funktionen wie persönliche Profile von Politikern und Bürgern sowie Kommunikations- und Informationsaustauschinstrumente ergänzt werden. Auf diesem Wege würden neue Kanäle entstehen, um neben der Regelung von Verwaltungsangelegenheiten auch in einen unmittelbaren Meinungsaustausch mit den Bürgern zu treten, um gemeinschaftlich Lösungen für die Probleme der Kommune oder zur Organisation ehrenamtlichen Engagements zu finden. VII. Potenziale des Web 2.0 für die Kommunalpolitik ausschöpfen! Zwar werden im Internet bisher keine Wahlen gewonnen, doch ohne Onlinepräsenz ist heute Politik kaum denkbar. Behörden und Parteien sind schon seit geraumer Zeit mit eigenen Service- und Informationsangeboten im Netz vertreten. Immer mehr Politiker verfügen über eine eigene Webseite. Auch Chats mit Politikern und Blogs, sowohl von Politikern als auch von engagierten Bürgern, sind keine Seltenheit mehr. Doch schon bei Angeboten wie Podund Vodcasts wird die Anzahl der Webseiten überschaubar. Ein wichtiger Grund für die vergleichsweise geringe Nutzung des politischen Potenzials des Internets ist sicherlich die Ernüchterung vieler Politiker und Bürger im Umgang mit den bestehenden Angeboten. Während Politiker immer noch vorwiegend auf die vermeintlich reichweitenstärkeren klassischen Print- und Rundfunkmedien setzen, ärgern sich Bürger über veraltete Informationen auf ungepflegten Politikerwebseiten und komplizierte Be- 6 Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber nutzeroberflächen der Onlineangebote von Behörden. Hinzu kommt die Enttäuschung beim Vergleich des realen Nutzens von Internetangeboten mit den oftmals übermäßig optimistisch angepriesenen Möglichkeiten des scheinbar unbegrenzten World Wide Web. Gerade bei regionalen Angeboten werden Webseiten mit Informationen zu Freizeitangeboten in der Region, Bürgerinformationen wie Adressen und Öffnungszeiten von Ämtern, regionale Informationen zu Wetter und Verkehr sowie Einkaufsmöglichkeiten besonders häufig genutzt. Interessanterweise werden diese Webseiten im Gegensatz zu vielen Web-2.0-Angeboten in gleicher Weise von Jung und Alt in Anspruch genommen. Wie so häufig liegt die Wahrheit auch beim Potenzial des Web 2.0 für die Politik zwischen den Extremen. Das Internet ist auch als Web 2.0 kein Selbstläufer, doch bietet es zahlreiche Möglichkeiten, deren Ausschöpfung durchaus realen Nutzen in der politischen Praxis bringt. Als Wegweiser gilt hier, dass vor allem die Verbesserung und den Ausbau bestehender Kommunikationskanäle und Leistungen mit Hilfe der Web-2.0-Angebote im Vordergrund steht. Hier ist Phantasie gefragt, denn die Potenziale des Web 2.0 für die Kommunalpolitik sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. VIII. Schwerpunkte des vorliegenden Bandes Der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) initiierte Innovators Club für Verwaltungsmodernisierung möchte die Phantasie für Web-2.0Angebote für Kommunen weiter anregen. Dafür steht das vorliegende Buch. Es geht uns darum, Nutzungspotenziale für Kommunen aufzuzeigen, sodass letztlich jeder Beitrag wertvolle Hinweise darüber enthält, welche Chancen, aber auch Grenzen mit Web-2.0-Anwendungen verbunden sind. Gleichwohl haben wir uns entschieden, die einzelnen Artikel nach Schwerpunkt-Kapiteln anzuordnen; auch wenn dies aus Web-2.0-Perspektive anachronistisch erscheint. Schließlich sind insbesondere die Leser von Blogs daran gewöhnt, die Beiträge einer oder mehrerer Webseiten nach ihren Wünschen zu sortieren und dann zu studieren. Die sogenannten Tags bzw. Labels eröffnen mittlerweile ganz neuartige Arten des Umgangs und der Verfügung über ein Wissen, das sekündlich wächst, indem die User Informationen, Meinungen oder gleich „Infopinion“ (David Weinberger) „posten“, kommentieren, ergänzen – oder eben in Bücher wie dieses umsetzen. Einführung: Web 2.0 – Bürger gestalten Kommunalpolitik 7 Den Beginn bildet der Schwerpunkt Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation (Kap. 1). Die dafür ausgewählten Beiträge belegen anschaulich, inwiefern durch veränderte technologische Möglichkeiten ganz neue Kommunikationsmöglichkeiten zwischen kommunaler Politik, Verwaltung und Bürgern entstehen – einschließlich dafür notwendiger Strategien eines adäquaten Einsatzes. Denn: die Politik muss sich zwangsläufig damit auseinandersetzen, dass sie aktive Teilnehmerin in einem nahezu unkontrollierbaren und offenen Kommunikationsraum ist. Das Web 2.0 bietet daher – politisch gesehen – erhebliche Chancen des Diskurses und der aktiven politischen Partizipation. Es darf aber auch nicht überschätzt werden, worauf die Beiträge des Schwerpunktes Chancen und Grenzen (Kap. 2) verweisen. Als offene Frage kann gelten, wie sicher gestellt werden kann, dass alle Menschen das Internet in der Weise nutzen können, wie es technologisch längst möglich ist: nämlich ohne Grenzen. Diesen grundsätzlichen Nutzungspotenzialen haben wir daran anschließend einen eigenen Schwerpunkt (Kap. 3) gewidmet – und zwar mit Blick auf ausgewählte kommunale Handlungsfelder. Dazu zählen die Haushaltsberatungen, das Kulturmanagement, die Personalpolitik, Infrastrukturaufgaben, Immobilienmanagement sowie die Stadtentwicklung. In allen genannten Handlungsbereichen ergeben sich durch das Web 2.0 Innovationsgelegenheiten zur Verwaltungsmodernisierung. Inwiefern diese mit bestimmten Anwendungen verbunden sein können, belegt der vierte Schwerpunkt (Kap. 4). Das letzte Kapitel schließlich haben wir mit dem Ziel konzipiert, die vermeintlichen Hürden abzubauen, die von vielen Beobachtern technologischer Entwicklungen gesehen werden, wenn es darum geht, sie selbst einmal anzuwenden. Unsere Anleitung zum Bloggen zeigt, wie es geht: der eigene Blog ist schnell erstellt. Zehn Tipps helfen dann bei den ersten Schritten mit dem Medium. Und wem dann manchmal doch ein wenig zu viele Fachbegriffe um die Ohren schwirren, dem sei unser Glossar anempfohlen. Eine kommentierte Linkliste rundet dieses Kapitel ab. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre des vorliegenden Bandes. Uns bleibt aufgrund unserer Erfahrungen und den Gesprächen zu seiner inhaltlichen Zusammenstellung nur noch zu sagen: Ja – Web 2.0 ist ein Thema für die Kommunalpolitik! Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber 8 Franz-Reinhard Habbel / Andreas Huber 1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps 1 Web 2.0 als neue Form politischer Kommunikation 1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 — Erfahrungen und Tipps 9 Christoph Meineke Für Wahlkämpfer und gewählte Repräsentanten bietet das Web 2.0 neue Möglichkeiten zum Kontakt mit dem Bürger. Der Autor des folgenden Beitrags hat es im Rennen um das Bürgermeisteramt erfolgreich eingesetzt. In diesem Essay soll aus einer persönlichen Perspektive heraus das neue Internet vorgestellt werden und die Chancen skizziert, die es für Kommunalpolitiker bietet. Auch Stolpersteine werden aufgezeigt. I. Ja, ich habe gebloggt! Zum Beispiel habe ich gebloggt, dass ich den Reitverein besucht habe, dass ich einen mittelständischen Zulieferer für KFZ-Werkzeuge besichtigt habe, dass ich ein Wahlkampfteam beisammen hatte. Vieles, was ich erlebte, habe ich online berichtet und in der ersten oder dritten Person mitgeteilt. Es war zu einer Zeit, da Microsoft Word noch keine standardisierte Formatvorlage für Blogs hatte und das Wort für die meisten Menschen noch nach „geblockt“ klang – und damit eher nach zugeklappten Ohren denn neuen Kommunikationswegen. Diese Wege erschienen mir als junger Einzelbewerber um ein Bürgermeisteramt ein Muss – da kam das neue, interaktive Internet, das Web 2.0, gerade recht. Es war im niedersächsischen Kommunalwahlkampf 2006. Die aktuellen Einträge auf meiner Homepage waren noch ein Durcheinander aus Pressemitteilung und Tagebuch, meine Auftritte in den Foren noch eine Mischung aus Stolpern und Schreiten. Doch neben Klinkenputzen und Terminen war der Online-Wahlkampf die wohl wichtigste Schnittstelle zum Bürger. 10 II. Christoph Meineke Das Web 2.0 ist lokal Prosuming heißt das Erfolgsgeheimnis des neuen Internet. Der Begriff steht für das Miteinander aus Konsum und Produktion. Erst durch das aktive Mitwirken seiner Nutzer ist das Internet damit zum Web 2.0 geworden. Communities und Foren geben dem User eine Plattform, um Informationen abzurufen. Zugleich aber leben sie von der aktiven Beteiligung. Davon, dass die Konsumenten selbst produzieren und einbringen. Besonders im Lokalen ist dies spannend: Foren und Wikis, Blogs und Casts – das Netz der zweiten Generation lädt jeden ein, seine Lebenswirklichkeit abzubilden, die Faszination Alltag festzuhalten und Wissen, Meinung oder Forderung zu kommunizieren. Dadurch ist das Web persönlicher und informativer geworden, aber auch örtlich näher an den Nutzer gerückt. Die aktive Vernetzung mit Gleichgesinnten ermöglicht es, daheim Gestaltungswillen zu zeigen und Einfluss zu nehmen. Um Kommunen herum entwickeln sich „Communities“ und damit eine neue Form politischer Mitwirkung. Das Lokale als unmittelbarer Lebensbereich erhält seinen Platz im Virtuellen. Dank der aktiven und passiven Möglichkeiten des Web 2.0 lassen sich gerade im Wahlkampf viele Themen kommunizieren, aufgreifen, diskutieren. Die Einwohner befassen sich in den Wochen und Monaten vor der Stimmabgabe besonders intensiv mit ihrer Stadt und kommunalen Fragen. Ideen werden geboren, Interessen werden lauter ausgesprochen und leichter gehört. Die Bürger und ihr potenzieller Repräsentant können gemeinsam Felder aufarbeiten und entwickeln. III. Mein Wahlkampf 2.0 Als ich meinen Wahlkampf plante, war das Internet eines von drei Standbeinen der Kampagne. An erster Stelle stand der persönliche Kontakt, an zweiter die Online-Kommunikation und an dritter die gedruckte Werbung. Zum Bereich „online“ zählte sowohl die eigene Homepage mit aktuellen Einträgen als auch die gezielte Kommunikation in sozialen Netzwerken. Durch das Internet erhoffte ich mir, günstig und individuell sowie zielgruppengenau Informationen weitergeben zu können. Immerhin handelte es sich um einen Wahlkampf ohne Partei im Rücken, mit knappem Budget und wenig Zeit bis zur Wahl. So viele Spuren wie möglich hinterlassen im Netz, lautete meine 1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps 11 Devise, um die Bürger zur Kontaktaufnahme einzuladen und Themen breit zu kommunizieren. Als unabhängiger Kandidat musste ich zunächst Unterstützungsunterschriften sammeln, um auf den Wahlzettel für die Abstimmung im September zu gelangen. Nach intensiver Vorbereitung gab ich an einem Freitag im Juli die Kandidatur bekannt. Am Samstag – bester Zeitungstag – wussten zum Frühstück die ersten Bürger bescheid. In dieser Phase hielt ich zunächst meine Homepage zurück, um diese erst zum eigentlichen Wahlkampfstart nach behördlicher Prüfung der Unterschriften zu präsentieren. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt lief online eine „Kampagne vor der Kampagne“, um die Unterlagen fertig zu bekommen, die ich zum Antreten benötigte. Zu Beginn waren die jungen Unterstützer wichtig, eine Zielgruppe, die ich als junger Kandidat mit ihren Wünschen und meinen Themen erreichen wollte. In sozialen Netzwerken wie kiezkollegen gaben meine Freunde die Info an ihre Bekannten durch. Im Flüsterton ging es durch das Internet, Bürgermeister will er werden. Mit 26. Einer von uns. Vor allem bei den jungen Wählern unter 30 Jahren stieg die Aufmerksamkeit für die bevorstehende Wahl. Als einige Tage später meine Homepage ans Netz ging, wimmelte es schon an Verweisen und indirekten Hinweisen auf die Kandidatur. Ein guter Freund, der die Homepage professionell erstellt hatte, widmete sich auch der Pflege dieser virtuellen Späne, die sich um das Magnetfeld des Kandidaten ausrichteten. Spätestens als ich auf der Homepage begann, regelmäßig zu berichten, wuchs die Gruppe Interessierter. Einträge und Kommentare folgten, die Familien und Senioren ansprachen, Feuerwehren und Vereine. Langsam verwischten die Grenzen der Kommunikationswege. Das Oszillieren zwischen Virtuellem und Realem begann, in der Sprache des Web 2.0 könnte man es als Mash Up bezeichnen. Vielfach war das, was ich nur online kommuniziert hatte, ein Thema auf der Straße oder dem Fußballplatz. Oder umgekehrt wurde das, was ich bei einer Veranstaltung von mir gegeben hatte, online hinterfragt. Für den Wahlkampfalltag zeigt sich schnell der Vorteil des Internets: Während ich tagsüber Präsenz zeigte oder von Haus zu Haus ging, konnte ich in den Nachtstunden Mails beantworten, Texte für die Homepage verfassen und Online-Kontakte pflegen oder neue Mitstreiter auf elektronischem Weg motivieren. Damit ließ sich die kurze Zeit bis zur Wahl optimal ausnutzen. 12 Christoph Meineke Je näher die Wahl rückte, desto größer wurde der Kreis derer, die ich erreicht hatte. Die Spannung stieg, wie viele Stimmen ich holen könnte und ob es für den Schlüssel zum Rathaus reichen sollte. IV. Tipps für den Umgang mit dem Web 2.0 Gerade für die politische Kommunikation wird das Web 2.0 elementare Bedeutung bekommen. Im Internet lassen sich Informationen kurzfristig und ohne namhafte Investitionen einem größtmöglichen Kreis an Interessierten zugänglich machen. Zugleich lassen sich diese so streuen und archivieren, dass sie auffindbar bleiben und weitergenutzt, kommentiert, in einer Debatte entwickelt werden können. Durch Interaktion und Vernetzung wird eine soziale Struktur mit ihren Verbindungen und Rückkopplungen aufgebaut, die dem Bürger eine aktive Rolle zuweist. Der Informationsfluss vom Bürger zum Politiker kann dabei ebenso neuartig gestaltet werden wie der vom Repräsentanten zu seinen Wählern. Reizvoll ist, dass im Konzert der Meinungen das Web 2.0 eine besondere Bandbreite der Präsentation bietet: Sei es durch ein den klassischen Forumskommentar, eine Bildstrecke, einen Hörbeitrag (Podcast) oder gar ein Video. Für den Kommunalpolitiker entwickelt sich der Umgang mit dem Web zum Handwerk. Es ist ein Muss, die Präsenz im Internet überzeugend zu gestalten – nicht nur mit einer eigenen Homepage. Wichtig ist, dass auch der Ratskandidat oder Bürgermeister, die Stadträtin oder der angehende Landrat zum „Prosument“ wird – und das nicht nur im Wahlkampf. Auf die richtige Mischung aus Beobachten und Mitmachen kommt es an. Zunächst ist es wichtig, ein Gespür für das zu bekommen, was sich im Virtuellen tut. Welche Netzwerke und Foren gibt es, welche Akteure tummeln sich auf welchen Plattformen? Kurzum: Welche Community hat sich rund um die Kommune gebildet? Das Web 2.0 ist eine GraswurzelBewegung. In Blogs und Foreneinträgen finden sich spontan geschriebene Meinungen, die vielfach mit seismographischer Genauigkeit die Rezeption von Themen ebenso wie das Aufkommen öffentlicher Debatten abbilden. Zum anderen bedarf es gezielter Präsenz, um neuartige Formen des Dialoges mit dem Bürger zu suchen und aufzubauen. Es muss nicht gleich ein eigener Blog oder der regelmäßige Podcast sein. Erste Erfahrungen aus Deutschland, Österreich, Schweiz und den USA zeigen, dass diese Anfänge noch zaghaft sind und sich erst langsam Lösungen zur überzeugenden Prä- 1.1 Kommunalwahlkampf 2.0 – Erfahrungen und Tipps 13 sentation mit den Mitteln des Web 2.0 entwickeln. Das Erfolgsrezept für den richtigen Internetauftritt scheint eine Mischung guter, dauerhafter, aktueller Basisinformation über die Person und ihre politischen Ziele zu sein, gepaart mit einem positiven Überraschungseffekt, der neugierig macht. Die Basisinformation des Repräsentanten lässt sich auf vielerlei Weise darstellen: die eigene Homepage, die eines politischen Ortsverbandes, der Stadt. Ergänzende Möglichkeiten geben auch Netzwerke wie Xing oder Facebook. Die Möglichkeiten des Web 2.0 können dabei – gewollt oder ungewollt – weitaus bedeutender sein als eine gut gemachte Homepage. Das Bild des Kandidaten oder Repräsentanten wird durch Suchmaschinen zusammengetragen. Da es Versatzstücke aus personenbezogener und Sachdiskussion sind, finden sich diese auf diversen Plattformen von einer Vielzahl an Urhebern. Dritte, durchaus auch Kritiker, erfüllen bei der Informationsleistung meist die Funktion eines Bürgen, den es bei subjektiv und selektiv wiedergegebener Auskunft auf der eigenen Homepage nicht gibt. Entscheidend ist der aktive Schritt in die lokale Community. Dort können zielgruppengenau Meinungsbilder abgefragt werden. Auch kann die eigene Arbeit erläutert werden und vor allem bei kritischen Entscheidungen dem Bürger näher gebracht. Der schnellste Weg in den Kreis der Nutzer führt über das Mitwirken in einer Forumsdebatte. Gern gesehen ist auch ein Beitrag zu einem Online-Medium oder auf einer Vereins-Homepage. Reden und Gastauftritte lassen sich als Podcast wiedergeben – als eigenes Angebot oder durch die besuchte Institution. Auch Stolpersteine lauern im Netz: Vorsicht ist bei der Wahl der Sprache geboten. Die Zahl der Politiker, die sich mit salopp gekünstelter Jugendsprache ins Herz der Zielgruppe schreiben wollen, steigt ebenso schnell wie die Anzahl all jener, die sich darüber lustig machen. Nach dem Motto ganz oder gar nicht, sorgt ein halbherzig geführter Blog für Unmut. Informationen, die nicht auf dem neuesten Stand sind, werfen schnell ein schlechtes Licht auf den nachlässigen Urheber. Wer sich für unregelmäßige Information entscheidet, sollte lediglich gewichtige Themen kommunizieren. Dazu lassen sich die Mitteilungen in einer Art Nachrichtenticker auf Homepages unterbringen. Durch sogenannte Feeds wie Atom oder RSS erhalten Abonnenten bei jeder neuen Nachricht eine kurze Info, bei deren Anklicken sie auf die Homepage mit der eigentlichen Meldung gelangen. Gute Blogs sind rar – schon gar die Kommentare dazu. So sammelt sich schnell Unsachliches wie Unflätiges. Dass ein Politiker sich im Blog mitteilt, wird noch lange Zeit die Ausnahme bleiben. Doch wenn er sich dafür ent- 14 Christoph Meineke scheidet, so muss er sich Zeit nicht nur für Gedanken nehmen, sondern zugleich für Pflege der Plattform. Kritik ist häufig nicht mehr mit einem Sender verbunden, sondern der Kritiker verbirgt sich in der großen Masse der Internetnutzer. Nicknames in Foren oder schwer zuzuordnende IP-Adressen, Verschleierung statt Bekenntnis zur eigenen Meinung, laden dazu ein, Gerüchte zu verbreiten. Nur rasche Reaktion bremst ihr Aufkommen und Wandern. Augenmerk sollte zudem auf der passiven Präsenz liegen – auch wenn diese kaum zu beeinflussen ist. Suchmaschinen bilden das Gedächtnis des Netzes. Im virtuellen Raum sammelt sich ein Sediment an Informationen, aus dem sich das Bild des Repräsentanten kleinteilig und nachhaltig zusammensetzt. Dies sollte zumindest als Grundlage zur Selbstreflektion und nachdenklichen Kritik am eigenen Wirken dienen. V. Versuch und Fehler Vieles im neuen Web entwickelt sich evolutionär und experimentell. Doch es ermöglicht Bürgerkontakt auf vielfältige Weise, der sich konstruktiv nutzen lässt. Auch wenn zunächst das Prinzip noch Versuch und Fehler heißt, in meinem Fall führte es zum Erfolg: Rund ein halbes Jahr nach Beginn des Wahlkampfes durfte ich mein Amt als jüngster hauptamtlicher Bürgermeister Niedersachsens antreten – auch dank des Web 2.0. 1.2 Public-Citizen-Partnership 1.2 15 Public-Citizen-Partnership: Ein Programm für die Zukunft der Bürgerbeteiligung Felix Oldenburg Kommunen brauchen ihre Bürger, Unternehmen und Stakeholder nicht nur als Wähler, Steuerzahler und Anspruchsgruppen, sondern als Partner zur Gestaltung des Wandels vor Ort. Mit diesem Anspruch konnten Beteiligungsverfahren in der Vergangenheit oft nicht mithalten: für die Bedürfnisse politischer Entscheider zu akademisch, methodenorientiert, langsam und kleinkariert. Der Beitrag zeigt eine in die Zukunft reichende Roadmap von integrierten Offline- und Online-Kooperationsprozessen, die mit niedrigeren Barrieren, medial inszeniert und professionell gesteuert auch große und bisher schwer mobilisierbare Zielgruppen in Partnerschaften einbinden können. I. Herausforderung „Wandel gestalten, Bürger als Partner gewinnen“ „Ich habe begonnen, mich für Politik zu interessieren, als die Politik begonnen hat, sich für mich zu interessieren“, sagt die Mutter von vier Kindern, die zuvor nie mit Politik zu tun hatte. Vor zwei Jahren war ihre Telefonnummer zufällig von einem Computer ermittelt worden, und sie erhielt einen Anruf von den Organisatoren eines europaweiten Bürgerbeteiligungsverfahrens. Nach einigem Zögern sagte sie zu und erarbeitete mit über 3.000 ebenso ausgewählten Menschen in 21 Sprachen konkrete politische Empfehlungen. Sie erhielt die Gelegenheit, gleich mehrmals mit Europäischen Kommissaren und auf Konferenzen zu Hause und in Brüssel zu sprechen. Jedes Mal wurde sie selbstbewusster. Heute ist sie in ihrem Heimatort politisch aktiv und arbeitet im Büro eines Abgeordneten mit. Für ihre Politiker vor Ort ist sie nicht mehr anonym, nicht mehr ein Bruchteil einer Meinungsumfrage oder ein Stimmzettel alle vier Jahre. Sie ist zur Partnerin geworden. Kommunen müssen heute oft aus wenig viel machen. Knappe Kassen, wegfallende Stellen auf der einen Seite, immer größere Aufgaben auf der anderen. Da kann die Beteiligung von Bürgern als eine Aktivität außerhalb des mandatierten Kernbereichs schon einmal wie ein Luxus aussehen – allen- 16 Felix Oldenburg falls brauchbar als Maßnahme zur Zeitgewinnung bei den typischen strittigen Stadtgestaltungsthemen oder für einen harmlosen Leitbildprozess im Wahlvorfeld. Kluge Kommunalpolitiker wissen: Bürgerbeteiligung ist kein Selbstzweck, und kann mehr sein als dekorative Symbolpolitik. Bürgerbeteiligung ist ein Hebel zur Gestaltung von Themen, die sich mit dem Mandat eines Bürgermeisters und den Ressourcen einer Kommunalverwaltung allein nicht bewältigen lassen. Und davon gibt es mehr als genug. Und was für die Beteiligung von einzelnen Bürgern gilt, gilt erst recht für die Einbindung von Bürgergruppen, Unternehmen und anderen Institutionen. Für gelingende Beteiligung haben sich aus der mittlerweile 13-jährigen Erfahrung von IFOK sechs Grundregeln ergeben. Bürgerbeteiligung ist erfolgreich, ... 1. ... wenn ein legitimierter Akteur die Initiative ergreift, … (Also nicht: sich selbst organisierende Prozesse ohne Mandat und klare Aufgabenstellung.) 2. ... um eine nicht bereits gelöste Frage zu beantworten. ... (Also nicht: Manipulation durch Scheinpartizipation, bei der die Entscheidungen schon getroffen sind.) 3. ... und dazu alle wesentlichen betroffenen Interessen an einen Tisch holt, ... (Also nicht: Willkürlicher Ausschluss von Interessen oder einseitige Abwälzung der Lasten einer Problemlösung auf nicht beteiligte Dritte. 4. ... um sie durch einen moderierten Dialog ... (Also nicht: ohne professionelles Handwerkzeug und ohne klare Ergebnisperspektive.) 5. ... auf eine gemeinsame Antwort und/oder gemeinsames Handeln zu verpflichten ... (Also nicht: Ergebnisse, die unverbindlich sind und bleiben.) 6. ... und diese Antwort umsetzt und in Entscheidungsprozesse einbringt. (Also nicht: Als Bypass der formal vorgeschriebenen Verfahren.) Warum also ist Bürgerbeteiligung noch lange kein Mainstream, noch kein Standardinstrument, mit dem Kommunen systematisch ihre Zukunftsherausforderungen bewältigen? Dafür gibt es gute Gründe, die sich in den Problemen vieler konventioneller Ansätze der Bürgerbeteiligung finden. Erst wenn wir diese überwinden, wird Bürgerbeteiligung für kommunale Entscheider mit politischen Zwängen zu einer realistischen und attraktiven Alternative zu „politics as usual“. II. Probleme der Bürgerbeteiligung 1.0 1.2 Public-Citizen-Partnership 17 Mit den praktischen Ansprüchen gewählter Politiker konnten Beteiligungsverfahren in der Vergangenheit oft nicht mithalten – zumal sie oft von akademischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren angeboten wurden, die sich nicht allein auf den politischen Mehrwert für den Auftraggeber verpflichten ließen: Die resultierenden Verfahren waren oft für die Bedürfnisse politischer Entscheider zu akademisch, methodenorientiert, langsam und kleinkariert. Wenn sich einige Dutzend Bürger auf eine offene Einladung in einem Hinterzimmer treffen und miteinander ein Gutachten schreiben, dann ist das bestenfalls ein nützlicher Input von vielen für die Politik – und darf auch nicht mehr als das sein. Auf dem Weg zum Bürger als Partner müssen alle Akteure der Bürgerbeteiligung in eine neue Phase eintreten und sich dabei auch von lieb gewonnenen und lange eingeübten Positionen verabschieden: Wir brauchen adaptive Prozesse mit flexiblen Rollen, deren Ziele je nach politischer Herausforderung festgelegt werden – statt dem ewigen expliziten oder impliziten Anspruch auf Entscheidungsmacht, der die Bürgerbeteiligung 1.0 so oft in die Nähe der Befürworter direkter Demokratie gerückt hat. Wir brauchen die Einbindung breiterer und auch schwer mobilisierbarer Zielgruppen – statt der immer gleichen engagierten und demographisch homogenen „üblichen Verdächtigen“. Wir brauchen eine drastische Erweiterung des Methodenrepertoires, sowohl im Veranstaltungs- als auch im Online-Bereich, und besonders in der nahtlosen Verknüpfung beider Bereiche – statt dem Festhalten an dem Dogma der Methodenreinheit und den „method wars“. III. Public-Citizen-Partnership: Die Zukunft der Bürgerbeteiligung Die Bausteine für diese Zukunft gibt es bereits, sie müssen nur für jede kommunale Herausforderung angepasst und neu kombiniert werden – und zwar meist nicht im Web 2.0 allein, sondern im klugen Zusammenspiel möglichst vieler Kommunikationskanäle. Im Veranstaltungsbereich wird heute meist noch mit Stift und bunten Pappkarten moderiert. Nur die Anwesenden können sich beteiligen, und die Auswertung dauert lang. Das entspricht nicht den Kommunikationsbedürfnissen der meisten Zielgruppen, und so beteiligen sich nur diejenigen, die Zeit haben und sich in einer solchen Gruppendiskussion wohl fühlen. Elekt- 18 Felix Oldenburg ronisch unterstützte Moderation auf Whiteboards ermöglicht in Zukunft auch die Beteiligung von Teilnehmern per Internet von zu Hause aus, und die Ergebnisse können unmittelbar und transparent elektronisch weiter verwendet werden. Technologie ermöglicht noch mehr: So können statt Kleingruppen auch Hunderte und Tausende Bürger gleichzeitig an produktiven und hoch öffentlichkeitswirksamen Dialogen beteiligt werden. An moderierten Tischgruppen diskutieren Teilnehmer nach einem genau vorbestimmten Regieplan ein Problem, geben Ideen über ein Computernetzwerk live an ein Redaktionsteam weiter, das immer wieder Zusammenfassungen im Plenum zur elektronischen Abstimmung stellt. So können große Gruppen innerhalb kurzer Zeit gemeinsame Ergebnisse unter klaren Rahmenvorhaben erarbeiten. In Deutschland haben Bürgerkonferenzen mit dieser Methode 2007 den Deutschen PR-Preis gewonnen, und in New York wurde so die Bebauung von Ground Zero geplant. Im Bereich Web 2.0 gilt es, das Potenzial der Technologien weit jenseits von Foren und Blogs zu nutzen, die meist nur eine Online-Abbildung von etwas sind, das offline besser funktioniert. Die Leitfrage zum Einsatz von Web 2.0 sollte sein: Was können wir im Internet tun, was wir offline nicht tun können? Von StudiZV und Facebook kann man lernen, wie sich Social Communities dynamisch mit ihren Benutzern entwickeln und immer wieder neue Interaktionsmöglichkeiten, Themen und Ziele erschließen können. Gerade auf kommunaler Ebene können sich Online-Communities ja auch reale Gruppen wie Schulklassen, Elternkreise, Handwerkskammern oder Rentnergruppen beziehen. Überall, wo solche Gruppen entstehen, können sie Schnittstellen in elektronische Bürgerbeteiligung erhalten. Und: Das Web 2.0 ist gerade dadurch ausgezeichnet, dass es verschiedenste Kommunikationskanäle und -quellen dynamisch miteinander verbinden kann. Bürgerbeteiligung im Web 2.0 sollte nicht nur am heimischen Computer, sondern auch per SMS-Abstimmungen über das Mobiltelefon oder beim Stehtisch in der Fußgängerzone Interaktionsmöglichkeiten bieten. Last but not least: Web 2.0 muss in der kommunalen Bürgerbeteiligung vor allem endlich klug mit Offline-Veranstaltungen verbunden werden. Gerade auf der kommunalen Ebene ist diese Verbindung so nahe liegend und doch so wenig genutzt. Das zentrale Ziel sind integrierte Online-OfflineVerfahren, an deren vielfältigen und aufeinander aufbauenden Beteiligungs- 1.2 Public-Citizen-Partnership 19 chancen sich breite Zielgruppen beteiligen, um dynamisch in einem vorgegebenen Rahmen Engagement zu mobilisieren. morgen heute 80er und 90er Methoden und Technik Offline > Kleingruppenverfahren (<100 Teilnehmer), konventionell moderiert Großgruppenverfahren (Hunderte und Tausende Teilnehmer), TEDAbstimmungen, Redaktionsnetzwerk, Whiteboard-Moderation mit InternetAnschluss Community-Verfahren (sehr große, verteilte Teilnehmergruppen) Integrierte Offline-Online-Verfahren Kollaborative Wissensentwicklung Dynamische Themen-Communities Social Communities Online > Dialogforen, Blogs, Chats Integration Offline-Online Multiple Beteiligungsformen, z.B. Veranstaltungen, Internet, SMS, Fernseh- / Radioshows mit Call-In Abb. 1.2 -1 Die Evolution der Bürgerbeteiligung (Quelle: eigene Darstellung) In der Summe dieser Technologiebausteine werden große, dynamische und verteilte Teilnehmergruppen eingebunden – in eine gemeinsame Problemlösung oder eine Mobilisierung für kommunales Engagement. Man stelle sich eine Art „Publikumsjoker“ für kommunale Entscheider vor, mit dem sie sich jeweils die Weisheit der Vielen einholen können, oder eine kurzfristige Ad-hoc-Beteiligung von Engagierten, um schnell Ressourcen für eine kommunale Aufgabe zu aktivieren. Statt Bürgerbeteiligung nur unter eingedämmten kommunalen Laborbedingungen zuzulassen, brauchen Deutschlands Kommunen Politiker, die Führung neu verstehen: Als attraktive Einladung an Bürger zur politischen Partnerschaft und Teilhabe, mit Methoden der nächsten Generation. Um die großen Themen der Kommunen zu gestalten, die sich allen Durchführungsanordnungen und Verwaltungsrichtlinien entziehen. Die Entscheider, die dieses Potenzial als erstes nutzen, werden mit Bürgerbeteiligung endlich auch politisch gewinnen. Literatur Meister, H.-P.; Oldenburg, F. 2008: Beteiligung – ein Programm für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Heidelberg: Springer. 20 Tatjana Brode 1.3 Online-Videos in der politischen Kommunikation Tatjana Brode Im Internet kann potenziell jeder seinen eigenen Fernsehkanal betreiben: Die Kosten für Produktion und Verbreitung von „Bewegtbildern“ sind vergleichsweise niedrig. Für die Politik besteht darin nicht nur ein neues PR-Instrument, sondern eine Chance, Bürger stärker an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Videobasierte Bürgermedien leisten einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs. I. Videos als Kommunikationsform Gegenüber dem Fernsehen haben Videos im Internet eine ganze Reihe von Vorteilen für die Nutzer: die Unabhängigkeit von Sendezeiten, die Pausentaste, eine größere inhaltliche Vielfalt, die Verfügbarkeit von Zusatzinformationen ohne Medienbruch, den Rückkanal für Kommentare, die Nutzung variabler Abspielgeräte. Entscheidend ist jedoch, dass die Produktion und Verbreitung von Bewegtbildern nur noch ein Bruchteil dessen kostet, was zum Betreiben eines Fernsehsenders nötig ist. Mit Videokamera und Schnittsoftware kann potenziell jeder Videos produzieren, zur weltweiten Veröffentlichung reicht inzwischen ein Internetzugang. Die Verbreitung von journalistischen Video-Inhalten ist damit nicht mehr den Fernsehsendern vorbehalten. Website-Betreiber aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen bieten Bewegtbilder an: Unternehmen präsentieren ihre Produkte oder schulen ihre Mitarbeiter per Video, NGOs verdeutlichen ihre Ziele (Greenpeace TV), junge Bands stellen sich vor, Vereine zeigen Highlights ihrer Arbeit, Institutionen übertragen Konferenzen und Vorträge etc. Auch die Politik präsentiert sich zunehmend in Bewegtbildern, vom Bundestags-TV über persönliche Ansprachen bis zum Wahlkampf auf YouTube. 1.3 Online-Videos in der politischen Kommunikation II. 21 Videoplattformen und Podcasts Für die Bereitstellung von audiovisuellen Inhalten im Internet haben sich verschiedene Modelle entwickelt. Die Übertragung von Videodaten über das Netz wird als Web TV bezeichnet, die Datenübertragung erfolgt durch das sogenannte „streaming“. Damit die Übertragung funktioniert, wird eine Netzwerkverbindung zwischen Streamingserver und dem PC des Nutzers aufgebaut. Der Vorgang der Datenübertragung besteht aus dem Empfangen und gleichzeitig Wiedergeben der Videoinhalte. Videoplattformen bieten ihren Nutzern kostenlos an, Videos allen Internetusern verfügbar zu machen. Sie stellen die dafür nötige technische Infrastruktur bereit. Um sich in riesigen Anzahl von Videoclips zurechtzufinden, werden die Videos verschlagwortet und können so durchsucht werden. Zentral ist die Kommentarfunktion, Nutzer bewerten und kommentieren die Inhalte. Ein weiterer Vorteil: die Videos können in andere Websites eingebunden und von diesen aus abgespielt werden. Podcasts wiederum sind Serien von Medienbeiträgen (Audio oder Video) im Netz. Abonniert man einen Podcast, prüft eine Software regelmäßig, ob neue Beiträge vorliegen und lädt diese automatisch herunter. Der Nutzer spielt die Dateien dann lokal auf dem Computer oder einem mobilen Endgerät wie dem iPod ab. Ein Podcast ist vergleichbar mit einer Sendung, die immer neue Folgen anbietet. III. Videonutzung im Netz Das wichtigste Informationsmedium der Deutschen ist nach wie vor ist das Fernsehen. Unter den jüngeren ist das Internet inzwischen jedoch auf Platz 2 vor Radio und Presse geklettert. Mehr als ein Drittel, 38,7%, der 14- bis 64Jährigen in Deutschland nutzt das Internet täglich (Allensbacher Computerund Technik-Analyse ACTA, 2007). Das sind 19,3 Mio. Bürger. Parallel dazu ist die Zahl der Breitband-Anschlüsse an das Internet gestiegen, auf 17 Mio. bis Ende 2007. Damit lassen sich nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Bewegtbilder problemlos anschauen. Die Kosten für die Datenübertragung sinken stetig. Die Übertragung von Videos über das Netz ist somit entscheidend komfortabler und günstiger geworden. 34% der Deutschen nutzt mittlerweile Videos im Internet, Tendenz steigend (Onlinestudie von ARD und ZDF, 2007). 22 Tatjana Brode Vorreiter sind die Jüngeren: Unter den 14–18-Jährigen sind es 69%, also fast dreimal so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt. In der Altersgruppe 40–49 Jahre sind es beispielsweise 24%. Die Generation, die mit den digitalen Medien aufgewachsen ist, lebt anders mit dem Internet als die meisten Älteren. Das Durchschnittsalter der Besucher von Video-Plattformen liegt laut ACTA bei 22 Jahren (zum Vergleich: Blogs – 25 Jahre, Nachschlagewerke – 30, Politik-Nachrichtensites – 40). Auch die Veröffentlichung eigener Videos scheint noch eine Domäne der Jüngeren zu sein, hierbei liegt das Durchschnittsalter bei 18 Jahren. IV. Potenziale für die Politik Obwohl bei der Nutzung von Online-Videos die Unterhaltung dominiert, kann ihr Einsatz für die politische Willensbildung zumindest einer Teilöffentlichkeit sinnvoll sein. Prinzipiell eröffnet das Internet neue Möglichkeiten für die Politik. Es existiert ein direkter Kommunikationskanal zwischen politischen Entscheidern und Bürgern – ohne die Filter der „Gatekeeper“ wie in den klassischen Medien. Politische Inhalte werden im Netz derzeit erster Linie in Form von Texten und Bildern dargestellt, inzwischen gewinnen aber auch audiovisuelle Medien an Bedeutung. Videos gewähren vielen Bürger einen leichteren Zugang zu einem Thema als Texte. Politiker-Homepages, -Blogs oder -Podcasts erlauben darüber hinaus eine stärkere Personalisierung der Entscheidungsträger. Prominentes Beispiel für einen Politiker-Podcast ist der von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach eigenen Aussagen war sie damit die erste unter den Regierungschefs. Seit Juni 2006 veröffentlicht sie wöchentlich ein neues Video, in dem sie zu aktuellen Themen Stellung nimmt. 10.800 Euro kosten eine Folge laut Bundespresseamt, wöchentlich greifen rund 200.000 Nutzer darauf zu (Stand: Oktober 2007). Vorteil für die Politiker ist, dass sie ihre Arbeit ungefiltert vermitteln können. Hinzu kommen aber zwei wesentliche Bestandteile des Web 2.0: Die Möglichkeit der Vernetzung und die der Partizipation der Bürger, beispielsweise in Form von Kommentaren. Informationen über politische Entscheidungsprozesse können online zeitnah und in beliebiger Ausführlichkeit veröffentlicht werden, die Transparenz selbst in „Nischenthemen“ steigt. Sitzungen oder öffentliche Auftritte lassen sich technisch unkompliziert per Video ins Internet übertragen. 1.3 Online-Videos in der politischen Kommunikation 23 Die Bürger haben jederzeit – je nach Bedarf und Interesse – die Möglichkeit, auch von zu Hause an Stadtrats- oder Ausschusssitzungen teilzunehmen, dies kann auch zeitversetzt erfolgen. Zumindest bei stark umstrittenen Themen in der Kommunalpolitik ist eine Videoübertragung ein positives Signal an die Bürger und macht unterschiedliche Positionen nachvollziehbar. V. Die Nutzer als Produzenten Informationen, Dokumentationen und Kommentare zum aktuellen Geschehen per Video werden im Netz nicht nur von offizieller Seite, sondern gerade auch von den Nutzern selbst produziert. Sie eröffnen Möglichkeiten der individuellen Meinungsäußerung und des Wissensaustausches. Die Bandbreite der Themen ist dabei enorm, die Qualität der Beiträge heterogen. Diese jedoch als bloßes „mediales Rauschen“ abzutun, würde bedeuten, weite Teile gesellschaftlicher Interessenslagen zu ignorieren. Gerade auf kommunaler Ebene, so zu sagen vor der eigenen Haustür, ist das Wissen der Bürger groß. Das Internet schafft unzählige themenbezogene Kanäle, in denen sich Gleichgesinnte treffen. Ein Beispiel: Die Website hartplatzhelden.de ist Deutschlands erste Community-Plattform für Amateurfußballer. Kreisligisten können Videomitschnitte aus ihren Spielen veröffentlichen, gegenseitig bewerten, das „Tor des Monats“ küren und miteinander in Kontakt treten. 2.000 Videos sind in den eineinhalb Jahren seit dem Start im November 2006 hochgeladen worden. Was ist das Besondere? Steffen Wenzel, einer der Gründer von hartplatzhelden.de, erklärt: „Wir schaffen einen Raum für Selbstdarstellung unter seinesgleichen. Menschen möchten im Internet ihr ‚normales‘ soziales Umfeld erweitern.“ Gerade im kommunalen Bereich sind die Themen oft für eine kleine Bevölkerungsgruppe hochgradig relevant, während sich andere nicht dafür interessieren. Das Internet ermöglicht, dass sich einzelne Gruppen eigene Diskursräume schaffen. Bürgerinitiativen, Vereine, lokale Interessensgruppen können sich themenspezifisch miteinander vernetzen. Für die Kommunalpolitik ist es wichtig, diese Inhalte zu beobachten, um Interessenlagen einzelner Bevölkerungsgruppen besser wahrzunehmen. 24 VI. Tatjana Brode Bürgerjournalismus zu politischen Themen Eine Stimme, die sich im Netz zu politischen Themen äußert, kommt aus Berlin und gehört Markus Beckedahl, der das Blog netzpolitik.org betreibt. Seine Themen sind Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter. Seit 2006 experimentiert er mit dem Video-Podcast Netzpolitik TV, in dem er Interviews und Dokumentationen veröffentlicht. Manche von ihm produzierte Folgen sind 10.000 Mal abgerufen worden, andere ca. 500 Mal. „Es hat schon Charme, wenn man seinen eigenen Fernsehkanal hat“, sagt Beckedahl. Generell kommt es ihm darauf an, einen tieferen Einblick in Politikfelder zu geben. „Wir geben Experten die Möglichkeit, ausführlicher zu argumentieren als in den klassischen 15 Sekunden. Und damit sind die Podcasts auch ein wenig Weiterbildung für die Nutzer.“ Er ist aber auch realistisch, was die User seines Blogs betrifft: „Man nicht zu viele Erwartungen in neue Kommunikationsformen legen. Es gibt Teile der Gesellschaft, die sich auch weiterhin nicht für Politik interessieren werden.“ Für die Interessierten aber sind Angebote wie Netzpolitik TV durchaus hilfreich in der Debatte und Bewertung politischer Prozesse. Bürgermedien sind nicht mehr nur das Knusperwerk auf dem Kuchen der öffentlichen Meinungsbildung, sondern ein wichtiger Bestandteil neben den klassischen Massenmedien. Für Politiker sind sie zunehmend eine interessante Plattform, um Bürger an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. 1.4 Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover 1.4 25 Interview zu Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil wendet sich in regelmäßigen Abständen per Video an die Einwohnerschaft der niedersächsischen Landeshauptstadt und diskutiert in monatlichen Fernsehsendungen über Stadtpolitik. Seit September 2007 sind seine Podcasts im Netz, seit Anfang 2008 wird das TV-Format „Wir reden über Hannover“ ausgestrahlt. Rund 140.000 Besuche verzeichnete allein die eigens dafür eingerichtete Website in acht Monaten. Eine Erfolgsgeschichte? Frage: Herr Oberbürgermeister Weil, warum haben Sie sich für einen Video-Podcast entschieden? Weil: Mit dem Podcast möchte ich die Einwohner besser erreichen. Das Interesse an Politik allgemein ist in den vergangenen Jahren gesunken. Beispielsweise geht die Wahlbeteiligung dramatisch zurück, ich registriere eine gewisse Politikmüdigkeit. Da ist es umso wichtiger, neue Wege zu gehen. Dieser Baustein in meiner Kommunikationsstrategie richtet sich auch insbesondere an Menschen, die nicht mehr regelmäßig Zeitung lesen, sondern die sich über das Internet informieren. Hinzu kommt, dass audiovisuelle Angebote an Bedeutung gewinnen, neben dem Fernsehen schauen viele, insbesondere in den jüngeren Generationen, inzwischen Videos online. Frage: Und wie kommt das Angebot bei den Nutzern an? Weil: Die Nutzerzahlen steigen stetig, der Bekanntheitsgrad wächst. Immerhin muss sich ein solches Angebot erst etablieren, es ist ja durchaus nicht selbstverständlich, dass ein Bürgermeister einen Podcast anbietet. Dazu kommt, dass wir uns bewusst den Jugendlichen nicht anbiedern, sondern authentisch bleiben wollen. Daher sind wir bisher nicht dahin gegangen, wo der „Hype“ ist, wo sich die jungen Leute tummeln. Zum Beispiel YouTube: Wir prüfen noch, ob dort nicht auch das richtige Umfeld für unser Angebot sein könnte. 26 Interview Frage: Gibt es Reaktionen von den Bürgern? Weil: Ja, wir bekommen häufig Nachfragen zu den einzelnen Folgen. Viele per Mail, manche per Telefon und mitunter auch welche per Post. Frage: Können Sie uns bitte etwas über die Produktionskosten verraten? Weil: Wir produzieren die Podcasts inhouse, daher sind die Kosten nicht hoch. Wir haben vor sechs Jahren eine kleine Videokamera angeschafft, die wir dafür nutzen. Ein Mitarbeiter kennt sich glücklicherweise ausgezeichnet mit Schnittsoftware und Technik aus, der produziert die Videos. Sogar die Musik und das Videomaterial für den recht ansprechenden Vorspann wurden im Rathaus komponiert bzw. produziert. Es ist wichtig, dass sich jemand in die Materie einarbeitet, damit das Ergebnis stimmt. Man braucht jedenfalls keine großen Agenturen, bei denen eine Folge vielleicht Tausende Euro kostet. Frage: Für welche Themen eignet sich das Format Ihrer Erfahrung nach besonders? Weil: Erfolgreich sind lokale Themen, die direkt das tägliche Leben der Bürger betreffen. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: das Rauchverbot, die Einführung der Umweltzone oder das – zumindest in Teilen der Bevölkerung umstrittene – Vorhaben der Firma Boehringer-Ingelheim, in Hannover ein Europäisches Tierimpfstoffzentrum zu errichten. Wenn ein Thema den Menschen unter den Nägeln brennt, wird es natürlich auch von den Medien aufgegriffen. Dann merken wir sofort an den Zugriffszahlen, dass das Interesse am Podcast steigt. Frage: Was sind Ihre weiteren Pläne, wie wird sich das Angebot entwickeln? Weil: Wir arbeiten derzeit an einer Verbesserung des Formats: Bisher werden die Videos beinahe ausschließlich an meinem Schreibtisch aufgenommen; in Zukunft werden wir mit Hilfe neuester „Bluescreen-Technik“ im Hintergrund Bilder, Filme oder Informationstafeln passend zum jeweiligen Thema einblenden, um so den Inhalt visuell überzeugend aufzuwerten – ähnlich wie bei Reportagesendungen im Fernsehen. Frage: Kommen dann auch die Bürger zu Wort? Weil: Die Podcasts aus dem Rathaus sind ein Kommunikationsangebot des Oberbürgermeisters. Darüber hinaus bieten wir im Zusammenarbeit mit 1.4 Online-Videos im Einsatz: Das Beispiel Hannover 27 dem örtlichen Fernsehsender h1 ein monatliches Format mit dem Titel „Wir reden über Hannover“ an, bei dem ich mich im Rahmen von jeweils einstündigen Themensendungen den Fragen von zwei Journalisten stelle; währen der Sendung können Einwohner direkt anrufen oder sich mit Fragen, Kritik und Anregungen per Fax oder Mail zur Wort melden. In einer weiteren Sendereihe diskutiere ich mit Experten. Frage: Wo sehen Sie künftige Handlungsfelder im Bereich Web 2.0? Weil: Zunächst müssten wir uns auf eine Begriffsdefinition einigen, denn aus meiner Sicht ist der Begriff „Web 2.0“ nur ein Jargonausdruck zu Zwecken des Marketings – niemand weiß wirklich, was er bedeutet. Generell sehe ich in den kommenden Jahren für alle Altersgruppen eine ungebremste Zunahme der Bedeutung des Mediums Internet und dessen universelle Möglichkeiten. Daher wird es für die kommunalen Verwaltungen wichtig sein, ihre Kommunikationswege und Dienstleistungen konsequent auf dieses Medium auszurichten, ohne dabei die hergebrachten Wege zu vernachlässigen. Die Stadt Hannover nimmt hier bundesweit eine Vorreiterrolle ein, da sie mit ihrem modernen Informations- und Kommunikationsangebot schon jetzt sogenannte Web-2.0-Anwendungen anbietet. Das Interview führte Frau Tatjana Brode. 28 Reinhild Haacker 1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen beim Aufbau eines lokalen Internetmagazins Reinhild Haacker Welche Chancen bietet das Internet für neue Formen der Bürgerbeteiligung? In einem Dorf bei Hamburg entstand 2007 ein lokales Internetprojekt – unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen. Ergebnis: Das Internet eröffnet die Kommunikationsebene für eine neue Bürgergeneration. Ohne engagierte Menschen, die als lokale „Web-Alphatiere“ Kontinuität und Vielfalt garantieren, geht es aber nicht. I. Wo das Netz zum Greifen nahe ist Ein Wort vorab: Vom Begriff „Web 2.0“ – so treffend er sein mag – soll auf den nächsten Seiten nicht die Rede sein. Xing, Flickr, StudiVZ: was für eine bestimmte Gruppe von Menschen inzwischen wie selbstverständlich zum Aufrechterhalten des Soziallebens gehört, klingt für viele User des im Folgenden beschriebenen Projekts eher nach Schokoriegeln oder chinesischen Kartenspielen. Die lokale Welt, in der im Jahr 2007 „Wir in Wentorf“ entstand, ist von virtuellen Lebensformen weit entfernt. Hier, kurz hinter der Stadtgrenze Hamburgs, gibt es die wahre Welt. Fast wöchentlich werden die Probleme des 11.600-Seelen-Ortes nicht beim Chat, nicht im Forum, sondern höchstpersönlich im zweiten und zugleich obersten Stockwerk des Rathauses diskutiert. Sollte der lokale Sportverein Gesundheitskurse anbieten? Sollte auf dem Marktplatz ein Cafe gebaut werden? Sollten man die Standorte für Papierund Glascontainer überdenken? Darüber wird gestritten – persönlich, in Ausschüssen, Fraktionssitzungen oder während des Smalltalks auf der Straße. Im Schriftverkehr zwischen Bürger, Parteien und Verwaltung regiert das Papier, im kommunalen Entscheidungsprozess stemmt sich ein starres Verfahrensschema gegen die inzwischen bereits gängige Kommunikation per E-Mail. 1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 29 II. Lücken im lokalen Netz Wentorf ist zugleich ein Beispiel dafür, dass das Internet sich in kommunalen Bereichen mit Eigendynamik schwer tut. Während man mit wenigen Klicks die wichtigsten Probleme der Bundespolitik zu googlen vermag, ist es im lokalen Bereich zuweilen schwierig, über das Internet ein aktuelles Bild über lokalpolitische Themen zu erhalten. Diese Lücke wollte „Wir in Wentorf“ schließen. Es handelte sich um eine private Initiative der Autorin, die in dieser Zeit unter anderem als freie Journalistin für Spiegel Online im Einsatz war. Die Theorie: Was bundesweit erfolgreich ist, kann auch auf lokaler Ebene funktionieren – und sollte langfristig durch Werbung Geld einbringen. Nur die erste Hälfte der Theorie erfüllte sich tatsächlich. Aktuell ruht die Seite auf Grund anderer beruflicher Verpflichtungen der Initiatorin. Denn während die Information durch das Internet ein hohes Maß an Resonanz hervorrief – eine wirtschaftliche Tragfähigkeit ergab sich zunächst daraus nicht. Der folgende Text beschäftigt sich allerdings unabhängig von der Finanzierung mit den Fragestellungen: • Was kann ein lokales Internetmagazin bieten? • Wie werden User zu Machern? • Wie wird Qualität und Akzeptanz gewährleistet? III. Das Projekt „Wir in Wentorf“ Drei Grundsätze wurden als inhaltliche Ziele des im März 2007 gestarteten Internetmagazins „Wir in Wentorf“ formuliert: 1. Aktuelle Information 2. Service 3. Interaktion Aktuelle Nachrichten dominieren die Startseite von „Wir in Wentorf“. Eine übersichtliche Navigation, einheitliche Farbgebung und eine nicht zu komplexe Seitengestaltung sollen dem Leser einen Überblick über aktuelle Themen liefern. Aktuelles aus Polizei, Wirtschaft und Politik, Termine, Flohmarkt – etwa dreimal wöchentlich wurde die Startseite von „Wir in Wentorf“ aktualisiert, auch einen Newsletter gab es. Das Angebot erfreute sich wachsender Beliebtheit: Während sich in den ersten Wochen nur wenige Nutzer auf den 30 Reinhild Haacker Seiten verliefen, steigerte sich die Nachfrage binnen drei Monaten auf rund 3.700 Besucher und 8.600 Seitenanfragen monatlich. Lächerlich klein war die Ausbeute im Verhältnis zu manch anderer Nachrichtenseite – wenn man allerdings bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt nur die rund die Hälfte des Ortes an das DSL-Netz angeschlossen war, erstaunte jedoch die Zahl der unterschiedlichen IP-Adressen, von denen aus die Seiten aufgerufen wurden. Im Monat wurde die Seite von bis zu 2.000 Rechnern aufgerufen. Auch im Ausland nutzen offensichtlich ehemalige oder urlaubende Wentorfer die Nachrichten-Seite für Informationen aus der Heimat. „Wir in Wentorf“ wurde in den vergangenen Monaten sogar aus Thailand, Kanada, USA, Türkei und Großbritannien geklickt. Der am weitesten entfernte Besucher kam aus Chile. IV. Lokale Berichterstattung und Aktualität Was löste den Feuerwehr-Großalarm im Ortszentrum aus? Wie kam die Aufführung des gestrigen Theaterstücks an? Gelingt der Weltrekord des Friseurs im Dauer-Haarschneiden? User von „Wir in Wentorf“ oftmals weitaus früher über lokale Geschehnisse informiert, als die Leser der heimischen Lokalzeitung, die einmal wöchentlich eine Seite über den Ort zusammenstellte. Entscheidungen aus dem Rathaus landeten zumeist am nächsten Tag bei „Wir in Wentorf“, ebenso bilderreiche Berichte von Veranstaltungen. Dank der reichhaltigen Arbeit der Pressesprecher von Polizei, Parteien, Sportvereinen und organisierten Gruppen bestand die Arbeit im Wesentlichen aus der journalistischen Aufbereitung von Fremdmaterial. Viele Texte und Bilder landeten täglich in der Mailbox von „Wir in Wentorf“, sodass eine Verarbeitung von Themen zügig erfolgen konnte. Beispiele sind: • Zwei Plattfüße, zwei Promille – da war der Führerschein weg. Polizei stoppt betrunkenen Autofahrer in Wentorf (http://www.wir-in-wentorf.de/news/0704betrunkener.htm) • Trotz Schwächeanfalls und zerschnittener Finger: Nico hat’s geschafft. 300 Frisuren in 24 Stunden: Nico Petrillo brach eigenen Weltrekord (http://www.wir-in-wentorf.de/news/070613nico2.htm) • Drei Brände und ein Baum halten Feuerwehr in Atem. Vier Einsätze am Sonntag/Feuer in Kellerraum am Wischhoff (http://www.wir-in-wentorf.de/news/0704braende.htm) 1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 31 • V. Baustellen-Chaos: Dreiste Autofahrer fahren über Gehweg. Viele Einbahnstraßen-Sünder – Verstärkte Kontrollen angekündigt (http://www.wir-in-wentorf.de/news/070712wentorfer.htm) Service Das tägliche Wetter, Veranstaltungskalender, Ausflugstipps, TagesmutterAdressen, Links – Der Service-Aspekt ist bei „Wir in Wentorf“ ein wesentlicher Faktor. Informationen über die Gemeinde und Aktivitäten von Senioren machten für viele User das Internet für die tägliche Information greifbar. VI. Interaktivität und politische Mitbestimmung Der Blick auf diverse Foren im Internet verleitet zu dem Eindruck, des Bürgers innigstes Bedürfnis sei die permanente Einflussnahme auf das Weltgeschehen, indem er der Nachwelt seine Meinung kundtut. Ein Blick auf Wikipedia zeigt auch, dass Menschen offensichtlich ehrgeizig genug sind, ihr Wissen über berühmte Persönlichkeiten, geschichtliche Ereignisse oder technische Zusammenhänge weiter zu geben. Das Schreiben von Beiträgen über Probleme „vor der Haustür“ ist damit jedoch nicht vergleichbar. Die Resonanz auf den Aufruf, Beiträge für „Wir in Wentorf“ zu schreiben, lag bei knapp über Null. Dass den Aufrufen zum Schreiben eines Beitrags so gut wie niemand folgte, könnte am zu greifbaren Umfeld liegen: Dort, wo der User nicht nur ein anonymer Spitzname wie „Hans58“ oder „Der-zu-spät-Geborene“ ist, sondern ein Nachbar, Vereinskollege und Vorgartenbesitzer mit E-MailAdresse, fühlt er sich im ausschließlich passiven Medienkonsum auf der sicheren Seite. Allerdings entwickelte sich bei „Wir in Wentorf“ über die Monate ein Phänomen, das durchaus als neue Form der Interaktion verstanden werden kann. Die Seite wurde für viele Bürger zum verlängerten E-Mail-Briefkasten der Gemeindeverwaltung. Kinderunfreundliche Verkehrsknotenpunkte, Fehlende Mülleimer für Hundekotbeutel oder gefühlte Ungerechtigkeiten beim Umgang mit Behörden: Mancher, der sich von Problemen betroffen fühlte, bat „Wir in Wentorf“ um Hilfe. Viele Themen erledigten sich mit dem Verweis auf die E-Mail-Adresse des Bürgermeisters – oder landeten als Aufmacherthema bei „Wir in Wentorf“. 32 Reinhild Haacker Bei den wenigen Ausnahmen, die für die Allgemeinheit interessante Beiträge für „Wir in Wentorf“ beisteuerten, handelt es sich um einen bestimmten Typus von Menschen: Männer und Frauen unterschiedlicher Altersgruppen, die im Schreiben von Texten eine Bestätigung finden und die darin eine hochwertige Plattform zum sinnvollen Einsatz der seltenen Ressource Zeit sahen. Beispiele sind: • Krach um VHS-Kurse – Funkstille zwischen Reinbek und Wentorf. Gesundheitsangebote und Zuschüsse für Volkshochschule in der Diskussion (http://www.wir-in-wentorf.de/news/070621vhs.htm) • Beutel sollen Tretminen-Problem lösen. Finanzausschuss diskutiert über Ausgabe von Hundekotbeuteln (http://www.wir-in-wentorf.de/news/ 071004hundekot.htm) • Künstler ziehen Bilanz: Nächste Kulturwoche im Gespräch. Viele Höhepunkte, viele Besucher, viel Begeisterung (http://www.wir-in-wentorf.de/ archiv/news/070508kulturwoche.htm) • Null Bock auf Mitbestimmung? Keiner kam zur Anhörung für Jugendliche. Junge Leute sollen zur Casinopark-Bebauung mitreden/Aufforderung kam nicht an (http://www.wir-in-wentorf.de/news/070629mitbestimmung.htm) VII. Der User erzieht sein Netz Anders als bei einer Tageszeitung, in der die scheinbar einzige Einflussnahme auf die redaktionellen Inhalte im Abbestellen eines Abonnements oder im Schreiben eines Leserbriefes liegt, sind Online-User ihren Machern so nah wie bei keinem anderen Medium. Sie sind ein Teil des Mediums, Dies bekommen die Redakteure von Onlinemagazinen tagtäglich zu spüren: Rechtschreibfehler, inhaltliche Ungenauigkeiten oder mögliche Einseitigkeit eines Textes – schonungslos gehen Millionen von Lesern täglich als Wächter der Qualität im Internet ans Werk und sorgen für eine permanente Optimierung. Anders als beim schwarz auf weiß gedruckten, unveränderbaren Wort einer Zeitung liegt eine große Chance: Der Leser gewinnt ein Vertrauen zu einem Medium, in das er permanent eingreifen kann. Die so entstehende „Schwarmintelligenz“ ist zwar kein nachprüfbarer Garant für Qualität, sie bietet aber allemal eine subjektiv höhere Qualität, die beim Blick auf einige Zeitungen am Markt nicht in diesem Maße gewährleistet ist. 1.5 Journalismus 2.0: Erfahrungen b. Aufbau eines lokalen Internetmagazins 33 Wie tief das Misstrauen des Lesers in Richtung in Richtung unabhängiger Berichterstattung sitzt, zeigt übrigens die anfängliche Skepsis gegenüber „Wir in Wentorf“. „Wer steckt dahinter?“, lautete die häufigste Frage von Usern, die parteipolitische Vereinnahmung oder einen hinterhältigen Werbezweck witterten. VIII. Gesucht: Lokale „Web-Alphatiere“ Das Internet ist das Medium der Zukunft – auch auf kommunaler Ebene. Das große Interesse der Leser an „Wir in Wentorf“ zeigt dies, wenngleich es eine Reihe von Hemmnissen gibt, die eine flächendeckende Verbreitung von lokalen Internetprojekten behindern. Lokale Zeitungsverlage üben Druck auf ihre Anzeigenkunden aus, wenn es um die Verteilung von Werbebudgets geht. Wirtschaftlich tragfähige, tagesaktuelle und unabhängige Lokalmagazine, die zugleich auf lokale Werbekunden setzen, gibt es nur wenige. Für gängige Web-Werbeformen sind die Klick-Umsatzzahlen gerade bei kleineren Gemeinden zu gering. Um in einer Gemeinde ein vielfältiges, lokales Internet-Angebot aufrecht zu erhalten, reicht es nicht, Menschen zum Schreiben von Beiträgen a la Wikipedia aufzurufen. Gefragt sind Menschen, für die es selbstverständlich ist, dass kommunalpolitische Themen per Blog der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden und die per Diskussionsforum im Netz eine öffentliche Meinungsbildung zu lokalen Themen fördern. Nur solche „Web-Alphatiere“ können langfristig eine neue Form von Demokratie entwickeln, die dann auch die erreicht, die sich derzeit nicht aktiv um kommunalpolitisches Wissen bemühen. Noch treten die Vorreiter lokaler Netizens eher selten in Erscheinung. Zurzeit sind diese Personen in erster Linie politisch aktiv. In der Zukunft könnten aber die logische Folge von Flickr, Xing, und StudiVZ sein, wenn die zurzeit noch junge Teilnehmerschar sozialer Netzwerke mit den Schulproblemen der eigenen Kinder oder einer geplanten Schnellstraße vor dem heimischen Vorgarten konfrontiert werden. Im optimalen Fall sind solche „Alphatiere“ in einem Bürgerportal qualifizierte Journalisten, die die Bürger als Moderator durch die Berichterstattung zur öffentlichen, Diskussion ermuntern oder eben einfach nur objektiv informieren. 34 1.6 David Weinberger Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go? David Weinberger It’s helpful every now and then to remember that “Web 2.0” started as a bit of a joke. The American publisher, Tim O’Reilly was sitting around with some friends, talking about how much the Web had changed over the past few years. In a moment of lightness, someone suggested that it was as if the Web were a software product that had gone to a new release level. For the public sector, there’s an important truth in the term “Web 2.0”, but its jokiness can also mislead us. The truth of “Web 2.0” is that the Internet is about us, manifested in wikis, blogs, social networks, and the rest of what gives us voice. But we are misled if we think that the act of giving the Web a discrete number “2.0” is anything more than a joke. O’Reilly was right to point out that that things had really changed since the Web first was invented. The Web had become more interactive. But many take the “2.0” too literally, acting as if Web 1.0 was only about corporate and media sites. In fact, from the first moment that Tim Berners-Lee hyperlinked two pages together, the Web has been about users connecting to one another and being creative together. What has driven the Web from the beginning has been the enthusiasm of users getting to talk to the world and to one another. It’s gotten easier over time for users to do so, but it is simply a misreading of history to cede Web 1.0 to commercial interests. Users built and shaped the Web from its outset. This would just be an argument over history, except that we keep making the same mistake. Right in the middle of “Web 1.0”, around 2000, the media fairly consistently reported on the Web as if it were mainly a new business opportunity. This did not square with the everyday experience of the millions of people on the Web. We weren’t there primarily to have a better shopping experience. We were there to talk in our own voices about what mattered to us, and to connect with others. The fact that we keep forgetting that the Web is not merely a new place to conduct business, a new way to deliver entertainment, or a new way to run a government indicates that something more is going on. Our traditional institutions seem to need to keep telling themselves over and over that nothing much has changed. They want to believe that they 1.6 Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go? 35 are the ones who make the Web important, and what we the users do is merely cute, amateurish, and trivial. But that gets it backwards. What we users and citizens are doing together on the Web is exactly what makes it important and even transformative. Governments and businesses are ultimately going to have to learn from what we do for ourselves rather than insisting that we need the heavy hand of the traditional institutions to guide us. So, what is it that users do on the Web that is so transformative? Individual sites and acts may be trivial, but their breadth and creativity indicate the depth of the change. The Web isn’t a software product, designed for some purpose. So, we can’t meaningfully fill in the phrase “The Web is for ____” like the way we can say that a word processor is for writing and a home finance package is for paying bills. The Web is more like a second world, one that touches the first world at every turn, in which we get to do everything that world allows. It’s limited to what we can do with bits, of course, just as the real world is limited to what can be done with atoms. But that leaves open a field for innovation as broad as any in our history. The first practical consequence of this for municipalities is the importance of lurking. The word “lurk” in English has a connotation of voyeurism and spying from the shadows, but when applied to the Internet, it means simply to watch carefully for a good long time before acting. Ultimately, it means to be open to learning. And it implies that you are watching a culture sufficiently different that it’s best to observe before making judgments. Lurking is crucial. But it would be naive to insist that because the Web is a world of open possibility, nothing at all can be said about it. The Web is essentially hyperlinked and permission-free, and that does give rise – not inevitably – to a particular ethos. For example, because anyone can post anything, usually quite easily, we tend to post more, rather than less, faster rather than after careful reflection, in public rather than behind locked doors. Because the Web is hyperlinked, we are as interested in connections as in content. We express ourselves by what we link to. Because we can always link to a page and offer commentary, the value moves off of individual pages and towards the nexus of links. And because anyone can hyperlink to anything – using both the Web’s openness and its hyperlinked structure – it’s all a big mess. The messiness of the Web is perhaps its oddest facet, especially when looked at from a government’s point of view. Governments are orderly, and their orderliness flows from the top. The Web doesn’t have a top. It resists 36 David Weinberger tops. It makes fun of tops. It is a chaos of connections. It is as messy as a democracy of engaged and argumentative citizens. That conflict of topologies – the orderly, top-down hierarchy meeting the messy upswell from beneath – will determine the shape of government going forward. We don’t know what that shape will be because we haven’t finished inventing yet, and because this is a political struggle the outcome of which is essentially unknowable. But, if the Web continues to be important, its two chief characteristics – its openness and hyperlinked nature – will be at the heart of what emerges. Let us assume, then, that as municipalities wrestle with how to use the Web to serve their citizens, those municipalities will honor, respect and preserve the openness and connectedness that are at the heart of the Web. After all, those Web values are also essential values in a democracy. So, how can municipal governments manifest those values on and through the Web? For example, to serve openness, a municipality should make sure that its citizens have access to the Internet, just as they have access to electricity. That access should be ubiquitous, not only because it’s convenient to be able to get your email while in a public park, but because unequal access perpetuates economic and class divides. Openness also implies access to information. Municipalities should make sure that all public documents are available online. In fact, as the cost of recording is dropping quickly, why not put every meeting up on the Web, where anyone can see it? Openness also requires that public information be available in open, public formats. This material is too important to be left in proprietary data formats that can be rendered unreadable by a private company’s bankruptcy ... or its decision to move its product to its next revision level. Likewise, “This page best viewed with Internet Explorer” should never show up on a government Web page. The hyperlinked, connected nature of the Web also brings about certain expectations of municipalities. We want not just to receive bundles of information electronically. We want to connect to it, to enhance it, to share it, to make it our own. Making information available in standard formats enables us to “mash it up”, incorporating it into our own projects, and perhaps surfacing unexpected relationships. More important, the connected nature of the Web enables us to connect to one another, forming groups “ridiculously easily”, as Clay Shirky puts it. Where communications from the government traditionally have been one-to- 1.6 Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0? Where does the trip go? 37 many, increasingly we citizens will be hyperlinking ourselves into quick committees and discussion groups. Municipal governments should therefore assume that what they’re telling us will not stay with any one individual reader but will be the topic of conversation for a group of us who will talk it over and perhaps act on it. One-to-many becomes one-to-many-groups. But the connectedness of the Web means that we don’t just want to get carefully crafted messages from our government. The Web’s connections are direct and personal, from my desktop to yours. We want our government officials to engage with us directly and personally. It may be through blogs or emails or any of the other new forms of rhetoric we’re inventing, but the Web’s connectedness means that we want to hear people talk in their own voice, and enter in conversation with us. The Web’s openness and connectedness do not exhaust all of the Web’s characteristics, of course. The Web also enables efficiencies, such as letting citizens fill out forms on line rather than by queueing at city offices. And some tasks that are difficult for small groups of officials to do are quite easy if distributed across the willing populace. For example, citizens can report burned out bulbs on street lamps via the Web through their mobiles. Then there are wikis, user-based news aggregators such as Digg, micro-blogging services such as Twitter, and whatever will be invented tomorrow, any of which might turn out to be tools useful to municipal governments. But that’s the point. Because the Web is open, we can’t predict what will be invented. Because it’s connected, inventions can have enormous social effects. Because it’s open and connected, it is highly likely that the most important innovations in municipal governments’ use of the Web will come from the Web, not from municipal governments. Which is simply to say that perhaps the most misleading aspect of Web 2.0 is the implication that the Web is developed in some orderly fashion that leads from version 1 to version 2 to version 3. The Web’s creativity is too chaotic for that. It moves ahead with millions of small steps. There’s just no telling what we will come up with, but whatever we do will be “ours”, as surely as our government and our democracy is intended to be. 38 David Weinberger 2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie? 2. Web 2.0 in der Politik — Grenzen und Chancen 2.1 Blogs — Motoren für die Demokratie? 39 Sarah Genner Blogs eignen sich als schnelle, billige Publikations- und Austauschpattform für alle politischen Akteure: Bürger, Politiker, politisch aktive Gruppen und Behörden. Die besonders dynamischen Websites vermögen jedoch als „Nischenöffentlichkeiten“ überwiegend internetaffine und ohnehin politisch aktive Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Blogs sind weder tauglich für Massenkommunikation noch als Heilmittel gegen Politikverdrossenheit. I. Zwischen Euphorie und Entsetzen Blogs sind dynamische und leicht handhabbare Websites, deren Popularität seit Ende der 1990er Jahre exponentiell zugenommen hat. Sie verkörpern die Web-Generation 2.0. Blogs werden immer wieder als demokratische Heilsbringer gefeiert. Verkörpern sie auch eine Politik-Generation 2.0? Tatsächlich ermöglicht die vereinfachte Technik, Texte und Bilder sehr schnell und kostengünstig im Internet zu publizieren. Ähnlich wie zu Anfangszeiten des Internets weckt dies große Hoffnungen auf mehr demokratische Partizipation, auf mehr Transparenz und auf Möglichkeiten, die Pressezensur zu umgehen, die in manchen Staaten existiert. Immer wieder mahnen jedoch Skeptiker, mit dem Internet vergrößerten sich bereits bestehende gesellschaftliche Spaltungen. Die sozialen Ungleichheiten im Zugang zur Öffentlichkeit verstärken sich aus dieser Sicht sogar. „Digitale Kluft“ ist das Schlagwort der technikkritischen Beobachter. Sowohl Euphorie wie auch Entsetzen sind in Bezug auf Blogs fehl am Platz. Ein Blick in die Mediengeschichte zeigt, dass die Einführung jedes neuen Mediums von Ängsten und Hoffnungen begleitet wurde, die aus späterer Sicht übertrieben wirken. Die breite politische Öffentlichkeit verändert 40 Sarah Genner sich durch Blogs insgesamt wenig: weder eine „demokratische Revolution“ noch der „Untergang der Demokratie“ ist zu erwarten. II. Keine Mobilisierung, eher verstärkte Ungleichheiten Vier Thesen sind im Zusammenhang mit Internet und Demokratie besonders beliebt. Nur die Verstärkungsthese hält jedoch einer genaueren Überprüfung stand. Die Mobilisierungsthese Die optimistische Mobilisierungsthese geht davon aus, dass sich durch die „demokratischen Potenziale“ von Blogs und des „Mitmachnetzes“ tatsächlich mehr Bürger politisch mobilisieren lassen. Blogs sind aus dieser Sicht „Motoren der Demokratie“. Diese Annahme wurde bereits in mehreren Studien widerlegt (z.B. Paetzolt 2006). Vielmehr lässt sich feststellen: Das Internet steigert nicht das Interesse an politischer Partizipation, aber politische Partizipation steigert das Interesse am Internet. Die Verstärkungsthese Die kritische Verstärkungsthese besagt, dass das Internet soziale Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang zum breiten öffentlichen Diskurs eher noch verstärkt. Politische Blogger sind überdurchschnittlich gut gebildete, politisch aktive Männer (Drezner/Farell 2004). Eine Untersuchung von BlogNennungen in Schweizer Printmedien zeigte deutlich, dass Blogs im Zusammenspiel mit Massenmedien nicht in erster Linie eine „Gegenöffentlichkeit“ für in Mainstreammedien unterrepräsentierte Bevölkerungsanteile bieten. Blogs verschaffen sogar eher jenen zusätzliche Aufmerksamkeit, die bereits vor dem Internet eine privilegierte Stimme im öffentlichen Diskurs hatten: Blogs von Journalisten, Politikern und Parteien erhalten deutlich mehr Aufmerksamkeit als solche von Privatpersonen (Genner 2007). Die Verstärkungsthese konnte durch die Erhebung deutlich bestätigt werden. Die Verdrängungsthese Die Verdrängungsthese verweist darauf, dass traditionelle Medien durch neue Medien gleichsam ersetzt werden. Das bereits vor vielen Jahrzehnten formulierte „Rieplsche Gesetz“ – Neue Medien verdrängen die alten nicht. – scheint sich jedoch auch in Bezug auf Blogs zu bewähren. In der Wissenschaft ist man sich einig, dass eine Gegenüberstellung von politischer Be- 2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie? 41 richterstattung in Blogs und klassischem Journalismus kaum sinnvoll ist (Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007; Schmidt 2006). Viele Blogs sind inzwischen in Online-Portale klassischer Printmedien eingebunden und werden von professionellen Medienschaffenden geführt. Blogs und klassische Medien stellen eher komplementäre als konkurrierende Informationsangebote dar. Die Framentierungsthese Anhänger der Fragmentierungsthese befürchten, dass durch eine Explosion der Informationskanäle die politische Öffentlichkeit zersplittert. Dadurch würde die Bedeutung der öffentlichen Debatte in Massenmedien abnehmen und die Basis für demokratische Entscheidungsfindung schwinden. Damit würden sich Blogs als „Bremsen der Demokratie“ entpuppen. Dafür lassen sich jedoch kaum Hinweise finden. Zwar existieren Millionen von Blogs, die meisten aber finden weder große Beachtung noch sind sie politisch relevant. Obwohl die Zahl der Blog-Leser steigt (gemäß der ARD/ZDF-Online-Studie für Deutschland waren es 2007 rund 11% der Internetuser), entfalten Inhalte aus dem Internet in der Regel erst dann eine Breitenwirkung, wenn sie von Mainstream-Medien aufgegriffen werden. Fernsehen, Zeitungen und Radio werden als Quellen politischer Information mit deutlichem Abstand weit häufiger genutzt als das Internet. Die gesellschaftlichen Selektions- und Orientierungsfunktionen der Massenmedien haben in keiner Weise ausgedient. Sie sind in der zusätzlichen Informationsflut sogar eher noch wichtiger geworden. Weit häufiger als auf andere Blogs nehmen zudem viele Blogs auf Online-Artikel von Mainstream-Medien Bezug, die sie kommentieren. Eine Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Blogs ist somit kaum zu erwarten. III. Politische Wirkungen von Blogs USA mit Vorreiterrolle Diskussionen um demokratische Potenziale von Blogs entstanden zunächst in den USA. Beispiele sind die „Warblogs“, die nach 9/11 aus erster Hand berichteten oder der von Bloggern erzwungene Rücktritt des US-Senators Trent Lott, der wiederholt rassistische Aussagen gemacht hatte. Zwei USJournalisten verloren ihren Job aufgrund falscher Behauptungen, die von Blog-Netzwerken aufgedeckt worden waren. Ein Präsidentschaftskandidat vermochte 2004 über sein Blog Wahlspenden in Millionenhöhe zu sammeln. 42 Sarah Genner Blogs fordern Pressezensur heraus In diversen Fällen fanden brisante politische Informationen über Blogs an der staatlichen Medienzensur vorbei Eingang in westliche Mainstreammedien, so zum Beispiel in Iran, Ägypten und China. Regelmäßig finden jedoch in diesen Ländern Verhaftungen von „Cyberdissidenten“ statt, die regierungskritisches Material in Blogs veröffentlicht haben. Anonyme irakische Blogs berichteten aus dem Irakkrieg unabhängiger als die amerikanischen „embedded journalists“. Blogs überwachen Massenmedien Weil die Berichterstattung von Medien über Medien wegen Verlagsinteressen oft voreingenommen ist, haben sich Blogs als eine Art korrigierende Instanz der Printmedien als besonders geeignet gezeigt. Im deutschsprachigen Raum ist BILDblog.de besonders erfolgreich. Er findet allerdings hauptsächlich in der Medienbranche selbst starke Beachtung. Nischenblogs interagieren mit Massenmedien Seit in der Schweiz 2007 eine breite Debatte über die starke deutsche Einwanderung entflammte, zitieren Deutschschweizer Mainstream-Medien regelmäßig Jens Wiese, der sich seit 2005 täglich auf blogwiese.ch mit der Thematik Deutsche in der Schweiz auseinandersetzt. Auf die Medienberichte reagierte er wiederum im Blog, wo Interessierte per Kommentarfunktion weiter diskutierten. Mit krusenstern.ch bietet der Schweizer Journalist Jürg Vollmer ein qualitativ herausragendes Informationsangebot zu Russland und der Ukraine. Seine Beiträge bieten nicht nur deutschsprachigen Russlandkorrespondenten einen reichen Informationsfundus. Lokale Blogs im Fokus In der internationalen Presse fand das BondyBlog.fr 2005 große Beachtung. Das Westschweizer Magazin L’Hebdo hatte während der Unruhen in den französischen Vorstädten Kontakt zu Jugendlichen im Pariser Vorort Bondy gesucht und das Blog eingerichtet, das später zur Publikationsplattform diverser französischer Vorstädte wurde. In der Schweizer Gemeinde Arlesheim ist die Forderung nach einer Tagesschule über zwei lokal verankerte Blogs lanciert worden. Über die Kommentarfunktion der Blogs hatte sich eine digitale politische Debatte entwickelt, die von der Basler Zeitung und einer Partei aufgegriffen wurde. 2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie? 43 In der Gemeinde Birsfelden bloggt der Gemeindepräsident regelmäßig über Themen der Lokalpolitik. Auch der Zürcher Gemeinderatspräsident teilt sich in seinem persönlichen Blog über seine politische Arbeit mit. Es ist nicht bekannt, wie stark und von welchen Bevölkerungsschichten diese Blogs gelesen werden. Zu erwarten ist jedoch, dass diese Informationsangebote in erster Line von politisch überdurchschnittlich interessierten und zudem internet-affinen Bevölkerungsgruppen genutzt werden. Blogs sind ideal für kleinere Öffentlichkeiten Was für die internationale oder nationale politische Öffentlichkeit irrelevant sein kann, mag auf lokaler Ebene von Interesse sein. Ähnlich wie Regionalzeitungen eignen sich Blogs z.B. auf Gemeindeebene, oder können dank der kostengünstigen Publikationsform dort eine Öffentlichkeit herstellen, wo die Produktion einer Lokalzeitung bisher zu teuer war. Dass Inhalte im Internet im Gegensatz zu Printmedien („Push-Medien“), die nach Hause geliefert werden, stets gezielt abgerufen werden müssen („Pull-Medium“), ist für deren Verbreitung ein erschwerendes Element. IV. Die Grenzen politischer Blogs Voraussetzungen zum politischen Bloggen sind neben Zeit, finanzieller Absicherung und technischer Affinität auch ein gewisser Hang zur öffentlichen Selbstdarstellung sowie der Wunsch, sich politisch zu äußern. Die zentrale Einschränkung des politischen Einflusses von Blogs ergibt sich aus der knappen Ressource Aufmerksamkeit. Wer wenig Zeit hat, nutzt bevorzugt gebündelte Informationen auf Papier, im Fernsehen oder im Radio. Nur wenige Internetuser mixen sich gerne täglich einen persönlichen Informationscocktail aus verschiedenen Blogs zusammen. Durch das Einbinden von Blogs in Online-Portale klassischer Medien verwischen sich die Grenzen zwischen Mainstream-Medien und Blogs. Zudem relativiert sich das vielfach postulierte „Durchbrechen des Publikationsmonopols der Massenmedien dank Blogs“ stark. Transparenz ist zwar grundsätzlich ein erwünschtes Element in Demokratien, in denen Blogs uneingeschränkt genutzt werden. Gleichwohl existiert mit der Möglichkeit, anonym zu veröffentlichen, auch das Risiko, falschen Gerüchten und unerwünschten Verleumdungen Vorschub zu leisten. Zusätzlich ist der Effekt beobachtbar, dass durch die unübersichtliche Masse an 44 Sarah Genner digitaler Information Transparenzchancen ungenutzt bleiben: Je mehr Stimmen sich im Internet über Blogs erheben, desto irrelevanter ist schließlich die einzelne. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der jeweiligen Glaubwürdigkeit. V. Digitalisierung der Politik Blogs bieten allen möglichen politischen Akteuren – von Privatpersonen, Parteien über Hobby- und Vollblutpolitiker hin zu staatlichen Organisationen – die kostengünstige Möglichkeit, eine Publikations- und Austauschplattform zu betreiben. Hochkarätige politische Informationen von offizieller Seite und von professionellen Medienschaffenden sind zunehmend im Netz abrufbar. Genauso wird auch Wahlkampfpropaganda und -gegenpropaganda, Stammtischgespräche und politischer Small Talk ins Internet transportiert. Allein die Digitalisierung und öffentliche Zugänglichkeit macht vieles davon kaum politisch relevanter als zuvor. Neu ist vielmehr, dass jede Äußerung bloß ein Mausklick voneinander entfernt liegt, rund um die Uhr zugänglich und digital archiviert ist. Dass sich online ganz andere, insbesondere viel demokratischere Strukturen etablieren als offline, ist nicht zu erwarten. Ob es überhaupt wünschenswert ist, dass sich möglichst viele an der breiten politischen Debatte beteiligen, ist umstritten. Bereits gut vernetzten Personen gelingt es mit Blogs noch einfacher, Informationsnetzwerke aufzubauen. Gänzlich ungeeignet sind Blogs jedoch, um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen oder um aus Politikverdrossenen Politikbegeisterte zu machen. Eine lokale Politik, die zu Informations- und Kommunikationszwecken auf Blogs zurückgreift, hat diese „digitale Kluft“ zu berücksichtigen. 2.1 Blogs – Motoren für die Demokratie? 45 Literatur ARD/ZDF-Online-Studie für Deutschland 2007. Das Erste (http://www.daserste.de/service/studie.asp, 23.9.2008). Drezner, D.W.; Farell, H. 2004: The Power and Politics of Blogs (http://www.utsc.utoronto.ca/~farrell/blogpaperfinal.pdf, 23.9.2008). Genner, S. 2007: Politik 2.0 – sind Blogs Motoren oder Bedrohung für die Demokratie? Diplomarbeit, Universität Zürich (http://politikblogs.files.wordpress.com/2007/12/politik-20.pdf, 23.9.2008). Neuberger, C.; Nuernbergk, C.; Rischke, M. 2007: Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration? – Eine Forschungssynopse zum Wandel der Öffentlichkeit im Internet, in: Media Perspektiven 2/2007. Paetzolt, M. 2006: Demokratie Reloaded? – Das demokratische Potenzial politischer Weblogs im deutschsprachigen Raum, Diplomarbeit, Universität Bamberg (http://derganznormalewahnsinn.twoday.net/files/Diplomarbeit-MatthiasPaetzolt/, 23.9.2008) Schmidt, J. 2006: Weblogs. Eine kommunikationssoziologische Studie. Konstanz: UVK. 46 Markus Klima / Rafael Wawer 2.2 Diskurs 2.0 — Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit Markus Klima und Rafael Wawer Im Vergleich zu Blogs und Foren muss eine zeitgemäße Diskursmaschine 2.0 das volle Spektrum technischer Möglichkeiten abdecken. Sie soll ein Thema nicht nur fallbezogen wie eine Homepage mit Texten, Bildern oder Videos präsentieren. Sie lassen sich als neue Medien begreifen, die öffentliche Diskussionen einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich machen – und zwar insofern, als dass die Herkunft, das Geschlecht, der Lebenslauf oder der Wohlstand des Teilnehmers ihn zum ersten Mal in der Geschichte nicht daran hindern, seine Ansicht medienwirksam und beinahe kostenlos kundzutun. I. Commonplace Books und Hypomnema Diskurs ist die Mechanik des Sichmitteilens. In der Zeit von Aristoteles mögen Marktplätze ausgereicht haben, um in hitzigen Debatten die Belange eines griechischen Stadtstaates zu diskutieren. In einem Staat aus Millionen von Bürgern jedoch findet zur besseren Archivierung und Transparenz des Dialoges der Diskurs schriftlich statt. Am Anfang waren daher Bücher das verbreitete Medium, darauf folgten Zeitungen und Zeitschriften, und während des letzten Jahrhunderts Radio, Film und Fernsehen. Die Vermittlerschicht, welche die Information an die Öffentlichkeit ohne literarische Ambitionen trug, wurde der Journalismus. Totalitäre Regime nutzten jene Transmitterschicht aus, um sich einer propagandischen Indoktrination zu bedienen. Diese klassische Form der Medien hatte ihre goldene Ära im 20. Jahrhundert. Der 1984 verstorbene Philosoph Michel Foucault, Erfinder des modernen Diskursbegriffes, kritisierte die zunehmende Macht der selektiven Medien, um darüber zu beraten, wie eine demokratische Gesellschaft am öffentlichen Diskurs teilhaben könne (dazu Yoo 1993). Einer von Foucaults letzten Beiträgen erschien 1983 mit dem Titel „Über sich selbst schreiben“. Darin erzählt Foucault von „Commonplace books“ und „Hypomnema“. 2.2 Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit 47 Commonplace books waren so etwas wie mittelalterliche Foren. Aus Mangel an billigem Papier stellte England während des 15. Jahrhundert. öffentliche Bücher zu Verfügung. In diesen fanden sich Zitate, Briefe, Poesie, aber auch anregende Kommentare, Petitionen und medizinische Empfehlungen. Die ursprüngliche Idee, andere teilhaben zu lassen, verlor sich mit der Zeit und mit dem Aufkeimen des Buchdrucks und der Papierherstellung gerieten die Commonplace books in Vergessenheit. Im Römischen Reich soll eine weitere Form des öffentlichen Schreibens existiert haben. In die Hypomnema schrieben Autoren, welche sich als zwar schreibend, aber nicht künstlerisch verstanden, welche persönlich aber nicht privat Bücher verfassten, die wiederum öffentlich ausgestellt waren. Ihre Beiträge handelten von Krankheit, Mystik und Philosophie, aber auch Politik. Sie verwiesen untereinander und führten schriftlich Konversation, die jedem einsehbar war. Der einzige Nachteil auch hier waren die Kosten, weswegen Hypomnema nur von reichen Patriziern betrieben wurden. Einer ihrer berühmtesten Vertreter war der römische Kaiser Marcus Aurelius, der von 161 bis 180 neuer Zeitrechnung regierte. Er würde heute fälschlicherweise als Schriftsteller interpretiert, so Foucault. Aurel beschrieb persönliche Erlebnisse und anderntags führte er Krieg gegen die Parther und Germanen. Nach Foucault hätte das Christentum ihn also missverstanden, da es alles Privatschriftliche bis in die Moderne hinein auf Memoiren, die nach dem Ableben des Autors publiziert werden, verschob oder als Kunst interpretierte. Die Idee von Autoren, die keine Künstler waren, aber dennoch für die zeitgenössische Öffentlichkeit persönlich schrieben, wurde damit undenkbar und ging für unsere Gegenwart verloren. II. Blogs als persönliches öffentliches Schreiben Mit der Revolution des Internets jedoch, der nach dem Buchdruck beachtlichsten medialen Entdeckung, entstanden zunächst der E-Mail-Verkehr, dann Mailinglisten, Foren zur Klärung von Fragen sowie erste Webtagebücher die noch mit einfacher HTML-Seitenprogrammierung realisiert wurden. Blogs wurden zu einem Phänomen. Während Foren der Erörterung von Fachfragen dienen, agieren Blogs als persönliche „Journale“ privater Personen, die Teil der Öffentlichkeit werden. Von Anfang an haftete den Blogs etwas Unprofessionelles an. So wurden Blogger als Teil des „Grassroots Journalism“ (Gillmor 2004) bezeichnet. Ein Blog ist schließlich schnell kon- 48 Markus Klima / Rafael Wawer struiert, einfache Anwendungen ermöglichen binnen weniger Schritte, Teil der Öffentlichkeit zu sein (siehe dazu auch den Beitrag „Ein Blog in fünf Schritten“ in diesem Band). Mit dem Aufkommen der neuen Software schwoll die Anzahl von Blogs auf 200 Millionen an (Randow 2006). Nicht alle Blogs handeln von Ausflügen und Mahlzeiten. Es entstanden beispielsweise „Warblogs“, die quasi in Echtzeit Bilder, Links und Texte über das Geschehene publizieren – manchmal sogar aus dem Krisengebiet selbst. Ein Autor der Süddeutschen Zeitung vom 29.11.2001 betitelte seinen Artikel schon „Privat ist öffentlich ist privat“, bevor der Begriff Web 2.0 überhaupt bekannt war. Für Rebecca Blood (2005) sind Blogs daher die „demokratischen Medien“ der Gegenwart, da die neuen Medien von Personen und Gruppen betrieben werden können, denen der direkte Zugang zu traditionellen Medien verwehrt bleibt. Um einen Blog zu betreiben, sind kaum technische Kenntnisse nötig. Auch der politische Diskurs erfährt damit eine neue, barrierefreie Dimension. Die neue Vermittlerschicht sind nicht mehr nur Redaktionen, sondern zunehmend Blogger, die mit Blogs an der Öffentlichkeit partizipieren. Mercedes Bunz (2000) nannte einst das ganze Phänomen „Internet“ eine Diskursmaschine. Der Begriff ist jedoch zu weit gegriffen. Diskursmaschinen sind die Werkzeuge, also die Mitteilungsapparate der Blogger, User, Menschen diesseits der Bildschirme und Steckdosen. III. Gesucht: die zeitgemäße „Diskursmaschine“ Im Vergleich zu Blogs und Foren muss eine zeitgemäße Diskursmaschine 2.0 jedoch das volle Spektrum technischer Möglichkeiten abdecken. Sie soll ein Thema nicht nur fallbezogen wie eine Homepage mit Texten, Bildern oder Videos präsentieren. Wie ein Forum besteht vielmehr die Notwendigkeit, die Vernetzung von Artikeln und Nutzern, Kommentare sowie Moderatorfunktionen zu implementieren. Anders als bei Foren ermöglicht eine echte Diskursmaschine den Autoren einen Artikel-Blog, der sich wiederum in den Gesamtdiskurs „einklinkt“. Moderatoren betreuen Teilnehmer einer Diskursmaschine, indem ein Kommentar zum Artikel werden kann, der wiederum neue Kommentare und Ideen speist. Es entsteht ein Dialog in Echtzeit. Gleichwohl sollte eine Diskursmaschine dafür Sorge tragen, dass Diskurse in Etappen zu Lösungen kommen, um „Meilensteine“ von Vorschlägen und Lösungsansätzen zu schaffen, um Leser wie Moderation nicht mit einer „nebulösen“ Kommentarflut zu ermüden. Eine Eigenschaft, die Zeitungen, 2.2 Diskurs 2.0 – Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit 49 Büchern et cetera in der gleichen Zeitspanne verwehrt bleibt. Wie ein natürliches Gespräch folgt eine Internet-gestützte Diskussion der Argumentationsrhetorik. Beiträge werden zur weiteren Auswertung digital zur Verfügung gestellt. Ein Beispiel ist das Berliner Tempelhof-Entwicklungsprojekt „Tempelhofer Freiheit“ 2008, bei dem eine Agentur Vorschläge zur Planung auf Realisierungsmöglichkeiten hin auswertet. Abb. 2.2-1 Tempelhof-Entwicklungsprojekt (Screenshot) Quelle: http://www.berlin.de/flughafen-tempelhof (erstellt am 4.10.2008) Für Kommunen und Unternehmen ergeben sich daraus vielseitige Ansätze. Durch eine Diskursmaschine bekommt eine Führungsposition ein Gesicht, eine Stimme, wird lebendig, wenn sie als Blog genutzt wird. Der bekannteste bloggende CEO ist Jonathan Schwarz, Präsident von Sun Microsystems. Oder es werden interne Blogs, Foren, Instant-Messenger und Wikis angelegt. Man vertraut auf interne Wikis, welche abteilungsrelevante Informationen, Hilfen, Dokumentationen und Tipps gut zugänglich über eine Intranetseite verfügbar machen. Zu den Nachteilen des CEO-Blogs gehören die Erwartungen an den Autor (Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit), die schnell umschlagen können in aus dem Zusammenhang gerissene Kritik. Denn wer lesen kann, kann noch lange nicht schreiben. Davon bleiben Intranets einer Organisation allerdings meist unberührt. „Customer-Blogs“ sind keine Seltenheit mehr, und es finden sich darunter „Supportblogs“, „Serviceblogs“, „Kampagnenblogs“, „Themenblogs“, „Pro- 50 Markus Klima / Rafael Wawer duktblogs“ und „Krisenblogs“. Und um Bürger an den politischen Diskurs zu binden, verlagert man Bürgerbeteiligungsverfahren und -entscheidungen idealerweise in eine umfassende Diskursmaschine – nicht nur in ein simples Web-Forum. IV. Eine neue Öffentlichkeit? Für Bowman und Willis (2003) sind dies Anzeichen für eine neue Öffentlichkeit: “The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the progress of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.” Man könnte auch sagen, dass die digitale Gegenwart die Renaissance der Commonplace books, der Hypomnema ist, oder aber, dass sie Teil einer neuen dynamischen Öffentlichkeit und ihrer Mechanik ist. Wenn Worte zu Sprache geronnene Gedanken sind, so sind Diskursmaschinen die neuen Medien, die öffentliche Schriftdiskurse einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich machen – und zwar insofern, als dass die Herkunft, das Geschlecht, der Lebenslauf oder der Wohlstand des Teilnehmers ihn zum ersten Mal in der Geschichte nicht daran hindern, seine Ansicht medienwirksam und beinahe kostenlos kundzutun. Literatur Yoo, J. 1993: Diskursive Praxis diesseits von Letztbegründung und Positivität. Zur Kritik des Diskursbegriffes bei Jürgen Habermas und Michel Foucault, Frankfurt am Main: Lang. Gillmor, D. 2004: We the media – Grassroots Journalism By The People, For The People, Sebastopol: O’Reilly Media. Randow, G. von 2006: Es bloggen die Blogger im rauschenden Netz, in: Die Zeit, 09.03.2006. Blood, R. 2002: We’ve got blog. How weblogs are changing our culture, Cambridge: Perseus. Bunz, M. 2000: Das Netz als Diskursmaschine, in: Telepolis, 26.06.2000. Bowman, S., Willis, C. 2003: We Media. How audiences are shaping the future of news and information (http://hypergene.net/wemedia, 16.07.2003). 2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ... 2.3 51 E-Partizipation — Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung durch Neue Medien Steffen Albrecht und Hilmar Westholm Die Studie „E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft im E-Government“ untersucht den Stand und die Perspektiven der E-Partizipation in Deutschland. Besonders auf der kommunalen Ebene finden sich viel versprechende Projekte zur Bürgerbeteiligung durch Neue Medien, allerdings auch Verbesserungspotenziale durch höhere Verfahrenstransparenz und stärkere Vernetzung. Der Beitrag verdeutlicht die Relevanz von E-Partizipation und stellt gelungene Beispiele für die Nutzung der Neuen Medien vor. I. Relevanz von E-Partizipation Web 2.0, das „Mitmachnetz“ (Fisch/Gscheidle 2008), wird häufig mit Partizipation in Verbindung gebracht, der aktiven Beteiligung der Nutzer. Im Unterschied zum reinen Konsumieren von Inhalten werden die User in die Produktion einbezogen. Dadurch tragen sie nicht allein zu deren Verbesserung bei, sondern entwickeln auch ein größeres Interesse und eine engere Bindung an das Angebot. Ähnliches wird auch von der politischen Partizipation erwartet, der Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungen. Im Informationszeitalter nutzen sowohl die Verwaltung als auch die Bürger dafür immer häufiger das Internet. Man spricht von E-Partizipation. Sie bildet heute einen festen Bestandteil der E-Government-Aktivitäten der Verwaltung. Insbesondere Kommunen können E-Partizipationsangebote nutzen, um formell vorgeschriebene Beteiligungsverfahren effizient durchführen zu können und um solche Gruppen stärker für das Gemeinwesen zu interessieren, die bislang zwar an Online-Kommunikation, nicht aber an Entscheidungen in ihrer Kommune teilnehmen. In diesem Beitrag stellen wir den Entwicklungsstand der E-Partizipation dar, diskutieren ihre Chancen und Risiken und zeigen an Beispielen guter Praxis, wie Kommunen E-Partizipationsangebote für die Kommunikation mit ihren Bürgern und für deren Einbeziehung in Planungs- und Entscheidungs- 52 Steffen Albrecht / Hilmar Westholm prozesse nutzen können. Der Beitrag fasst Ergebnisse der Studie „E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am EGovernment“ zusammen, die das Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib) und Zebralog im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren erstellt haben (Ifib/Zebralog 2008). II. Entwicklungsstand der E-Partizipation in Deutschland Nach ersten Experimenten zur Bürgerbeteiligung über elektronische Medien in den 1970er Jahren gab die Verbreitung des Internets ab den 1990er Jahren der E-Partizipation Auftrieb. In Deutschland wurde sie zunächst im Rahmen von Forschungsprojekten auf der kommunalen Ebene erprobt. Heute liegt der Schwerpunkt noch immer auf der kommunalen Ebene und die Zahl der Angebote hat deutlich zugenommen. Gemessen an der Gesamtzahl entsprechender Planungen und Entscheidungen wird jedoch nur ein Bruchteil der Möglichkeiten ausgeschöpft. Das „Herzstück“ der E-Partizipation stellen in Deutschland OnlineKonsultationen dar, d.h die Beteiligung durch Befragung oder Diskussion zu politischen Angelegenheiten. Hier wird vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene ein nach internationalen Maßstäben hoher Standard erreicht. Allerdings findet nur in Ansätzen eine systematische Bündelung der Angebote statt, sodass es den Bürgern schwer fällt, Beteiligungsmöglichkeiten überhaupt zu erkennen. Angebote zur Eingabe von Petitionen oder Beschwerden über das Internet finden sich vorwiegend auf der Bundesebene. Hier nimmt der Deutsche Bundestag mit dem E-Petitionssystem eine internationale Vorreiterrolle ein. Im Bereich der Informationsangebote kann allgemein ein sehr hoher Standard festgestellt werden. Der Maßstab sind in diesem Bereich themenbezogene Portale, die Informationen aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammenführen und nutzerfreundlich aufbereiten, wie dies beispielhaft durch das Umweltinformationssystem Portal U verwirklicht wird. Echte Kooperationen von Bürgern und Verwaltung über das Internet finden sich dagegen nur selten. Dies ist zum einen auf die hohen Anforderungen an Initiatoren sowie Adressaten entsprechender Angebote zurückzuführen, zum anderen auf die relativ geringe Verbreitung solcher Verfahren insgesamt. Gerade auf der kommunalen Ebene kann das Internet hier aber gewinnbringend eingesetzt werden, wie Beispiele aus der Stadtplanung 2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ... 53 (Stadionbad Bremen) bzw. der Konfliktmediation (Flughafen Wien-Schwechat) zeigen. Besonderes Interesse verdienen Angebote nichtstaatlicher Organisationen, da ihre Aktivitäten zum einen technisch sehr fortschrittlich sind, zum anderen auf Lücken im staatlichen Angebot hinweisen. Bei der Herstellung von Transparenz (z.B. Abgeordnetenwatch) oder der Meinungsbildung (1000fragen) agieren nichtstaatliche Organisationen häufig als Vermittler zwischen Bürgern und Verwaltung. Die große Resonanz auf ihre Aktivitäten (bislang mehr als 20.000 Fragen an Bundestagsabgeordnete bei Abgeordnetenwatch) belegt einen entsprechenden Bedarf auf Seiten der Bevölkerung. III. Bewertung im internationalen Kontext Insgesamt kann auf der Basis der Ergebnisse festgestellt werden, dass in Deutschland zwar einige „Leuchtturmprojekte“ existieren, die Diffusion in die Breite und vor allem die institutionelle Einbindung von E-Partizipationsverfahren jedoch stark verbesserungswürdig sind. Zudem mangelt es an Transparenz und Responsivität, da oft nicht kommuniziert wird, zu welchem Zweck beteiligt wird, was mit Ergebnissen geschieht und ob mit einer Reaktion von Politik und Verwaltung gerechnet werden kann. Im internationalen Kontext belegt Deutschland in punkto E-Partizipation daher keinen Spitzenplatz. Unter den westlichen Industrienationen nehmen hier insbesondere die USA, Kanada, Neuseeland sowie in Europa Großbritannien, Dänemark und Estland eine Vorreiterrolle ein. Sie stellen zum Beispiel Informationen über das Verwaltungshandeln in übersichtlicher Form und leicht zugänglich zur Verfügung (sogenannte Electronic Reading Rooms in den USA) und haben Online-Konsultationen auf nationaler Ebene fest institutionalisiert, wobei die unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten in Portalen zusammengefasst werden (z.B. in Großbritannien, Dänemark und Estland). IV. Chancen und Risiken der E-Partizipation Die Voraussetzungen für E-Partizipation auf der Ebene der Zugangsmöglichkeiten und des Nutzungsinteresses sind in Deutschland gleichwohl nicht schlecht. Fast zwei Drittel der Bevölkerung nutzen zumindest gelegentlich das Internet, gut die Hälfte verfügt über Breitbandanschlüsse. In der nach- 54 Steffen Albrecht / Hilmar Westholm wachsenden Generation hat das Internet eine nahezu vollständige Verbreitung gefunden. Auch in den Behörden kann die technische Ausstattung als gut bezeichnet werden. Eine Repräsentativbefragung im Rahmen der Studie „E-Partizipation“ ergab gute Voraussetzungen auch auf der Nachfrageseite. Knapp 25% der Befragten gaben an, im Internet politische Informations- oder Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen. Im Vordergrund steht dabei die Beschaffung von politischen Informationen, die kommunale Ebene folgt nach dem Bund an zweiter Stelle. Allerdings ist auf kommunaler Ebene der Wunsch nach Einflussmöglichkeiten am stärksten ausgeprägt (bei 79% der Bürger, FGWT 2004). Demgegenüber bestehen Risiken darin, dass E-Partizipation ihre positiven und erwünschten Effekte, das Vertrauen der Bevölkerung in politische Institutionen zu stärken, nicht erzielen oder wieder verlieren kann, wenn • die Ergebnisse nicht tatsächlich Planungen und Entscheidungen beeinflussen, • die Verwendung von Beiträgen nicht von Anfang an für alle sich Beteiligenden und für Beobachter deutlich wird, • mit E-Partizipation eher Marketing betrieben wird anstatt Lernprozesse zu erlauben, • die Effekte nicht später auch nachvollziehbar dokumentiert werden und • die Beteiligungsmöglichkeiten nicht in Folgeprozessen fortgesetzt werden. Es sind häufig verwaltungsinterne Barrieren, die den Erfolg von E-Partizipationsangeboten gefährden. Beteiligungsprozesse liegen oft quer zu den etablierten Kommunikationsstrukturen der Verwaltung, die Finanzknappheit der öffentlichen Hand ist ein weiterer Faktor. Dank der über zehnjährigen Tradition der E-Partizipation in Deutschland liegen aber viele dokumentierte Erfahrungen vor, mit deren Hilfe sich die Risiken vermeiden lassen (z.B. Stiftung Mitarbeit/Initiative eParticipation 2007). V. Wie kann E-Partizipation genutzt werden? Beispiele guter Praxis Wie die Chancen der E-Partizipation genutzt und die Risiken dabei vermieden werden können zeigen abschließend drei ausgewählte Beispiele guter Praxis, die – neben vielen weiteren – in der Studie „E-Partizipation“ identifi- 2.3 E-Partizipation – Erfolgreiche Ansätze der Bürgerbeteiligung ... 55 ziert wurden. Zwei der Beispiele verdeutlichen unmittelbare Anwendungsmöglichkeiten der E-Partizipation im kommunalen Bereich, ein drittes Beispiel zeigt auf, welches Potenzial in der Vernetzung von Aktivitäten über einzelne Kommunen hinweg liegt. Zukunft Stadionbad Bremen (www.stadionbad.bremen.de) Die Online-Diskussion zur Zukunft des Stadionbads war Teil eines umfangreichen Kooperationsprozesses zur Sanierung des meistbesuchten Freibads in Bremen. Kern des Verfahrens war ein Kreis von Repräsentanten relevanter Gruppen, der kooperativ und unter Konsultation der breiteren Öffentlichkeit ein Konzept für die Zukunft des Bades entwickelte. Das Internet wurde außer zur Informationsverbreitung für eine Online-Diskussion zu offenen Punkten der Entscheidung genutzt (Kubicek et al. 2007). Gute Praxis: Der Beteiligungsprozess zeichnete sich durch das Zusammenspiel von Medien (Tageszeitungen, Internet, Face-to-face), unterschiedlichen partizipativen Methoden (Patenkreis, Vor-Ort-Besichtigungen, Zukunftsfest, Anwaltsplanung etc.) sowie die Einbindung von Jugendlichen und Senioren aus. Über die sehr weit gehende Zuweisung von Entscheidungskompetenzen an den Repräsentantenkreis kam dem Prozess eine hohe politische Relevanz zu. Online-Bürgerpanel Bristol (GB) (www.askbristol.com) Beim Online-Bürgerpanel Bristol handelt es sich um eine Mischform aus Konsultationen und Petitionen, die sich unter anderem durch den Einsatz von Web-2.0-Formaten von vergleichbaren Angeboten abhebt. Das Portal berichtet über politisch-administrative Entscheidungen in Bristol und ermöglicht, diese zu beeinflussen. Hierfür können die Besuchenden an Diskussionen teilnehmen, eine Petition starten bzw. zeichnen oder an Befragungen teilnehmen. Wichtige Ratssitzungen werden als Video-Podcast veröffentlicht. Verwaltung und Politik verpflichten sich, die Ergebnisse der Konsultationen zu berücksichtigen. Gute Praxis: Das Portal bietet den Bürgern eine Vielfalt verschiedener Zugänge zum Entscheidungsfindungsprozess. Neben Informationen und Konsultationen werden auch Petitionen angeboten. Durch die Einbindung von Mobilkommunikation und Elemente einer Online-Community werden außerdem speziell Jugendliche angesprochen. De facto wird das Portal allerdings vor allem von Personen mittleren und höheren Alters genutzt. 56 Steffen Albrecht / Hilmar Westholm International Center of Excellence for Local E-Democracy, ICELE (GB) (www.icele.org) ICELE stellt kein e-Partizipationsangebot dar, sondern bot als Kompetenzund Vernetzungszentrum praxisbezogene Beratung und Lösungen für die lokale Politik und Verwaltung, um die E-Partizipation in Großbritannien zu fördern. Das Zentrum arbeitete bis 2008 vor allem durch Information und Vernetzung von Akteuren in den Verwaltungen, bot aber auch Tools zur Nutzung in E-Partizipationsprojekten an. Gute Praxis: Das Zentrum verdeutlichte die Ambitionen der britischen Regierung auf dem Gebiet der E-Partizipation. Es bündelte verschiedene nationale Projekte und stellte eine zentrale Anlaufstelle für Beratung und Information zu diesem Thema bereit. Der Fokus auf Kommunen entspricht dem erhöhten Bedarf an Partizipationsmöglichkeiten auf dieser politischen Ebene. Ein entsprechendes, auf die Verhältnisse in Deutschland angepasstes Kompetenznetzwerk zur Unterstützung und Verbreitung von E-Partizipation in Deutschland wurde als Kooperationsprojekt von Bund und Kommunen in der Studie „E-Partizipation“ zur baldigen Umsetzung empfohlen. Literatur Fisch, M.; Gscheidle, C. 2008: Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys, in: Media Perspektiven 7/2008, 356-364. Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH (FGWT) 2004: Politische Partizipation in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, November 2003, Mannheim: Forschungsgruppe Wahlen. Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib); Zebralog 2008: „E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government“. Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Bremen: Institut für Informationsmanagement Bremen. (http://www.ifib.de/dokumente/ifib-zebralog_e-partizipation.pdf, 23.9.2008) Kubicek, H., Lippa, B., Westholm, H., Kohlrausch, N. 2007: Medienmix in der lokalen Demokratie. Die Integration von Online-Elementen in Verfahren der Bürgerbeteiligung. Abschlussbericht an die Hans-Böckler-Stiftung, Bremen: Institut für Informationsmanagement Bremen. OECD 2008: Citizens as partners. Information, consultation and public participation in policy-making, Paris: OECD. Stiftung Mitarbeit; Initiative eParticipation (Hg.) 2007: E-Partizipation – Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge zur Demokratieentwicklung von unten, Bd. 21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit. 2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider 2.4 57 E-Inklusion — Chancen für E-Government-Entscheider Björn Niehaves und Michael Räckers Der Digital Divide bedeutet, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen das Internet und Web 2.0 in gleichem Maße nutzen, und ist nach wie vor ein Fakt in vielen Ländern Europas, so auch in Deutschland. Der Beitrag diskutiert mögliche Ansatzpunkte, wie E-Government-Entscheider dazu beitragen können, „elektronisches Regieren“ in Deutschland inklusiver, d.h. teilhabender zu gestalten. I. E-Inklusion als demokratische Aufgabe Web 2.0 bietet die Chance, das Kommunikationsverhalten mit der öffentlichen Verwaltung grundlegend zu hinterfragen. Dies bedeutet für die Verwaltung jedoch auch, dass allen Bürgern Chancen eingeräumt und Hilfestellungen angeboten werden sollen, von diesen neuen digitalen Interaktionsformen gleichermaßen zu profitieren. Hier erklärte die Ministerkonferenz der EU im Juni 2006, dass die digitale Integration von online unterrepräsentieren Bevölkerungsgruppen (bspw. ältere Menschen, Menschen in dünn besiedelten Gebieten, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau) verstärkt vorangetrieben werden muss. Eine solche E-Inklusion-Strategie hat auch die Bundesregierung im Rahmen des Regierungsprogramms E-Government 2.0 aufgegriffen und als Schwerpunkt-Aktionsfeld herausgestellt. Dennoch ist der Digital Divide, d. h. die in Teilen digitale Spaltung der Gesellschaft, trotz zahlreicher Anstrengen, nach wie vor ein Fakt in vielen Ländern Europas. Es gibt zahlreiche spezifische Probleme, die dazu führen, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen nicht in der Form wie der Durchschnitt der Bevölkerung in dieser Informationsgesellschaft integriert sind. Nutzungszahlen und der Nutzerstrukturen zeigen, dass eine „digitale Exklusion“, d.h. die Nichtnutzung von Online-Dienstleistungen, vor allem ein kundenseitiges anstatt angebotsseitiges Problem darzustellen scheint (Grönlund et al. 2007). Insbesondere ältere Menschen, Menschen ohne Arbeit und 58 Björn Niehaves / Michael Räckers Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau nutzen das Angebot an EGovernment-Dienstleistungen im Moment unterdurchschnittlich (Europäische Kommission 2006; Ferro et al. 2007). Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, welche möglichen Ursachen für eine bislang unzureichende Inklusion vor allem im E-Government gegeben werden können und welche Chancen sich hier für E-Government-Entscheider bieten. II. Nutzung von Online-Services in Deutschland Ausgangspunkt ist die Annahme, dass eine Vielfalt von Faktoren wie bspw. Kosten, Qualifikation oder Vertrauen existiert, welche die Nutzung von EGovernment durch die Bürger beeinflusst. Diese Faktoren liegen zum Teil im Einflussbereich auch kommunaler E-Government-Entscheider. Um eine detaillierte Analyse dieser Faktoren durchzuführen, soll die Nutzung verschiedener Arten von Online-Dienstleistungen miteinander verglichen werden: 1. Internetnutzung allgemein, 2. E-Commerce, d. h. auch transaktionale Nutzung kommerzieller OnlineAngebote, 3. Informationsabfrage im E-Government, bspw. nach Öffnungszeiten und 4. E-Government-Transaktionen, bspw. die elektronische Steuererklärung. Tab. 2.4-1: Nutzung von Online-Dienstleistungen in Deutschland (Angaben bezogen auf die Nutzung in den „letzten 3 Monaten“) Gesamtbevölkerung Internetnutzung E-CommerceNutzung Informationsabfrage im EGovernment E-GovernmentTransaktionen Quelle: Eurostat 2007 Bürger in Bürger mit geringem dünn besieBildungs- delten Gebieten niveau 61% 65% Bürger ohne Erwerbstätigkeit 66% 69% Senioren (im Alter von 55 bis 74 Jahren) 37% 38% 15% 29% 35% 31% 28% 12% 17% 22% 29% 9% n.a. 5% 8% 7% 2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider 59 III. Kontrastierung der Nutzung von Online-Services Aus Ausgangspunkt der Kontrastierung der Nutzungsdaten von OnlineServices kann in diesem Zusammenhang die Gesamtbevölkerung (100%) als Maximalpotenzial aller Nutzer betrachtet werden. Bisher nutzen nur 9% dieser Gesamtbevölkerung E-Government für Transaktionen (innerhalb des gegebenen Zeitrahmens). Die Beantwortung der Frage, warum 91% der Bevölkerung kein transaktionsbezogenes E-Government nutzen, bedarf der vertiefenden Analyse. Dabei lassen sich vier Inklusionslücken feststellen. Lücke A (Gesamtbevölkerung – Internetnutzung) Die erste Diskrepanz betrifft die Gesamtbevölkerung und den Teil, der das Internet nutzt. Menschen in dieser Lücke nehmen nicht an der Informationsgesellschaft teil, da ihnen als Grundvoraussetzung der Internetzugang fehlt. Nur 69% der Gesamtbevölkerung Deutschlands haben (innerhalb der letzten drei Monate) das Internet genutzt. Folglich haben 31% der Bevölkerung das Internet während dieses Zeitraums nicht benutzt. Die folgenden Aspekte bieten Anhaltspunkte, um solche Inklusionsdiskrepanzen zu interpretieren: • Infrastruktur: Es werden verschiedene Sachverhalte diskutiert, welche die Verfügbarkeit der Infrastruktur beeinflussen könnten. Zum Beispiel ist eine Internet- und Breitbandverbindung in einigen unterbevölkerten Gebieten nicht vorhanden (die Internetnutzung in dünn besiedelten Gebieten beträgt 65%, verglichen mit 69% im Durchschnitt). • Zugänglichkeit: Aus sozialer und sozio-demographischer Perspektive auf Inklusion beeinflusst das Alter und der Bildungsgrad die Internetnutzung. Beispielsweise nutzten Senioren nur in 37% aller Fälle das Internet, Bürger mit geringer Bildung in 61% (verglichen mit 69% im Bevölkerungsdurchschnitt). Lücke B (Internetnutzung – E-Commerce-Nutzung) Die Personen dieser zweiten Lücke erfüllen die grundsätzliche Voraussetzung des Internetzugangs. 69% der Gesamtbevölkerung nutzen das Internet, aber nur 38%, um Waren zu kaufen oder zu bestellen (E-Commerce). Daraus ergibt sich, dass 31% der Bevölkerung online waren, jedoch keine E-Commerce-Dienste nutzten. Die folgenden Aspekte könnten Ansatzpunkte für Interpretationen dieser Inklusionslücke bieten: • Sicherheit, Vertrauen, Komplexität: Neben solchen Faktoren, die die Infrastruktur und die Zugänglichkeit betreffen (siehe oben), spielen auch Punkte wie Sicherheit, Vertrauen und Komplexität der Dienste bei der 60 Björn Niehaves / Michael Räckers Nutzung von E-Commerce eine Rolle (Aldridge et al. 1997). E-Commerce bedingt normalerweise finanzielle Transaktionen und monetären Aufwand, wofür häufig Kreditkartendaten, Sicherheitsmechanismen, persönliche Daten usw. bereitgestellt werden müssen. Hier nutzen beispielsweise 55% der gesamten Onliner E-Commerce, während dies nur bei 47% der Onliner mit geringer Bildung der Fall ist. Darüber hinaus nutzten nur 41% der Senioren, die online sind, E-Commerce-Angebote während der letzten drei Monate. Lücke C (E-Commerce-Nutzung – Informationsabfrage im E-Government) Menschen in dieser Lücke führen E-Commerce-Transaktionen aus und besitzen hier die notwendigen Qualifikationen, komplexe Online-Services in Anspruch zu nehmen. Allerdings nutzen sie keine E-Government-Dienstleistungen. Während 38% aller Deutschen das Internet für E-Commerce-Dienste nutzen, haben es nur 28% genutzt, um Informationen von Verwaltungswebseiten zu erhalten. Daraus ergeben sich 10% der Bevölkerung, die bereit sind, E-Commerce zu nutzen, das Internet aber nicht für die Informationsgewinnung im E-Government nutzen. Die folgenden Aspekte könnten Anhaltspunkte bieten, um diese Inklusionslücke zu interpretieren: • Marketing und Marktfähigkeit: Neben den oben genannten Faktoren könnten Marketing und Marktfähigkeit elektronischer Verwaltungsdienstleistungen die Nichtnutzung von E-Government beeinflussen. Während kommerzielle Dienste gewöhnlich häufiger in Anspruch genommen werden als Verwaltungsdienstleistungen, geben immer noch 21% der deutschen Bevölkerung als Grund für die Nichtnutzung in diesem Bereich an, dass die gewünschten Dienste nicht verfügbar oder schwierig zu finden seien. Während das kommerzielle Internet sich bereits entwickelt hat und das technologische Potenzial nutzt, fehlen den Angebote des öffentlichen Sektors immer noch solche „Killerapplikationen“. Auch in Hinblick auf Web 2.0 ergeben sich hier Potenziale. • Persönlicher Kontakt: 48% der Bevölkerung nutzen nach eigenen Angaben E-Government-Dienstleistungen aufgrund eines fehlenden persönlichen Kontakts nicht. Interpretationen könnten sein, dass (a) E-Commerce-Dienste heutzutage etablierter sind und als angemessen sicher aufgefasst werden, (b) E-Government-Dienste ein heikleres Gebiet für die Bürger sind und/oder (c) E-Government-Dienste und ihre zugrunde liegenden Prozesse als sehr komplex und undurchschaubar wahrgenommen werden. 2.4 E-Inklusion – Chancen für E-Government-Entscheider 61 Lücke D (Informationsabfrage im E-Government – E-Government- Transaktionen) Vielen Menschen ist zwar das Vorhandensein von E-Government-Angeboten bewusst, denn sie verwenden es als Informationsquelle, sie führen jedoch kein transaktionales E-Government durch. 28% der deutschen Bevölkerung nutzen E-Government zur Informationsgewinnung, während nur 9% in diesem Zeitraum online Transaktionen durchführten. Dadurch ergeben sich 19%, die sich „umschauen, aber nichts kaufen“. Die folgenden Aspekte könnten Ansatzpunkte bieten, um solche Inklusionsdiskrepanzen zu interpretieren (West 2004): • Sicherheit und Komplexität der Dienste: Während Faktoren der Sicherheit und der Dienstkomplexität im Rahmen des transaktionalen ECommerce (38% Nutzung) diskutiert wurden, scheinen diese Punkte transaktionsbasiertes E-Government in viel stärkerer Weise zu beeinträchtigen (nur 9% Nutzung). Hier nennen 40% der Bevölkerung Bedenken bezüglich der Datensicherheit als den Hauptgrund dafür, dass sie E-Government nicht nutzen. Die Komplexität der Dienste, die in 24% der Fälle genannt wurde, spielt eine ähnlich wichtige Rolle im Nichtnutzungsverhalten. • Kosten: Hand in Hand mit Sicherheitsaspekten im E-Government gehen Kosten, die ein wichtiger Grund für die Nichtnutzung sind. Das trifft vor allem auf transaktionsbasierte Dienste zu, die im Verwaltungsumfeld strenge Authentifizierungs- und Autorisierungsmechanismen erfordern. Während E-Commerce oft nur auf ein Passwort oder Kreditkartendaten vertrauen und E-Banking häufig eine PIN- und TAN-Methode benutzt, erfordert transaktionsbasiertes E-Government (in Deutschland) in den meisten Fällen eine elektronische bzw. digitale Signatur. Investitionskosten bezüglich der benötigten Ausrüstung scheinen eine Hauptsorge für Senioren und Menschen aus dünn besiedelten Gebieten zu sein, die Kosten als Grund für die Nichtnutzung von E-Government 1,27 bzw. 1,22 Mal häufiger nannten als im Bevölkerungsdurchschnitt. IV. Zusammenfassung und Ausblick Die Analyse der Inklusionslücken in Deutschland ergibt ein differenzierteres Bild: Bedenken bezüglich der Komplexität der Dienstleistungen, Datensicherheit und Kosten werden als Hauptgründe für die Nichtnutzung genannt. 62 Björn Niehaves / Michael Räckers Diese Gründe wurden sogar überproportional oft von Rentnern, Menschen aus dünn besiedelten Gebieten und Arbeitslosen genannt. Doch welche Maßnahmen können ggf. auch auf kommunaler Ebene angegangen werden? Um Bürger dazu zu bringen, Transaktionen zu nutzen, scheinen Maßnahmen notwendig zu sein, die auf die allgemeine Bevölkerung abzielen, aber auch Maßnahmen, die die Bedürfnisse der speziellen Gruppen des Digital Divide berücksichtigen. So ergeben sich für Kommunalverwaltungen Handlungsmöglichkeiten, die allgemeine Internetfähigkeit der Bevölkerung zu erhöhen, bspw. durch Infrastrukturmaßnahmen oder auch praxiserprobt Internetkurse mit Kinderbetreuung für Alleinerziehende. Speziell im E-Government ist ein Zusammenspiel von Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene erforderlich. Zwar sind einerseits ggf. (bundes- oder landes-) rechtliche Regelungen zu hinterfragen (bspw. sind im Rahmen von OnlineBank-Transaktionen zumeist nur PIN-TAN-Verfahren im Einsatz und keine elektronische Signatur erforderlich), aber auch das Design (bspw. Lebenslagenkonzepte oder intelligentes, prozessorientiertes Redesign) oder das durchgängige Marketing kommunaler E-Government-Dienstleistungen können ihren maßgeblichen Beitrag zur E-Inklusion leisten. Literatur Aldrige, A., White, M.; Forcht, K. 1997: Security considerations of doing business via the internet: Cautions to be considered, in: Internet Research 7(1), 9–15. Europäische Kommission 2006: Revisiting e-inclusion. From vision to action, Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities. Eurostat 2007: Statistics on households/individuals and the information society, Luxemburg: Eurostat. Ferro, E.; Gil-Garcia, J.R.; Helbig, N. 2007: The digital divide metaphor: Understanding paths to literacy, in: Wimmer, M.A.; Scholl, J.; Grönlund, A. (eds.), Electronic Government. Lecture Notes in Computer Science 4656, Berlin/Heidelberg: Springer, 265–280. Grönlund, A.; Hatakka, M.; Ask, A. 2007: Inclusion in the e-service society – investigating administrative literacy requirements for using e-services, in: Wimmer, M.A.; Scholl, J.; Grönlund, A. (eds.), Electronic Government. Lecture Notes in Computer Science 4656, Berlin/Heidelberg: Springer, 216–227. West, D.M. 2004: E-government and the transformation of service delivery and citizen attitudes, in: Public Administration Review 64(1), 15–27. 3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte 3 Potenziale in ausgewählten kommunalen Handlungsfeldern 3.1 Haushaltsplanung 2.0 — E-Partizipation über Bürgerhaushalte 63 Oliver Märker und Josef Wehner Die Entwicklung des Internets hin zu interaktiven und gemeinschaftsfördernden Funktionen lässt sich politisch als Chance einer erweiterten Einbeziehung der Bürgerschaft in Belange der Politik begreifen. Unter den derzeit kommunal praktizierten Beteiligungsverfahren haben diejenigen zur Haushaltsplanung eine herausragende Bedeutung. Dabei müssen sich nicht nur die Bürger beteiligen. Auch die Verwaltungen sind entsprechend gefordert. In Köln hat sich die Ausgangsidee bewährt, ein Verfahren zu konzeptualisieren, dass den Bürger vorrangig als Ideen- und Vorschlagsgeber zur Wirkung kommen lässt. I. Einleitung Von Anfang an wurde mit dem Internet die Erwartung verbunden, dass es dem Einzelnen mehr Freiräume gewähren wird, sich aktiv in das mediale Geschehen einzumischen. War zu Beginn das Internet für die meisten seiner Nutzer primär ein Informationsmedium, da nur relativ wenige in der Lage waren, eigene Inhalte ins Netz zu stellen, so bieten heute viele Dienste jedem die Chance, auf relativ einfache Weise entweder selbst oder mit anderen zusammen Texte, Bilder und Videos zu erstellen und zu verändern, sich darüber auszutauschen und auf diese Weise auch zu vernetzen. Übersetzt auf das Feld der Politik lässt sich diese Wende des Internets hin zu interaktiven und gemeinschaftsfördernden Funktionen als Chance einer erweiterten Einbeziehung der Bürgerschaft in Belange der Politik begreifen. Galten die Massenmedien noch als Garanten einer hierarchischen Beziehung zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft, in der nur wenige organisierten Akteure die öffentliche Agenda bestimmen und alle anderen sich mit 64 Oliver Märker / Josef Wehner einer Publikumsrolle begnügen müssen, so gelten vor allem die mit dem Begriff Web 2.0 assoziierten Möglichkeiten der Kooperationen und Vernetzung als entscheidende Voraussetzungen dafür, dass zukünftig die Bürger nicht länger nur periodisch als Wähler bzw. Dienstleistungsempfänger adressiert werden, sondern auch als Ratgeber und Ideengeber berücksichtigt werden können. Die Vorstellung vom Internet als Ort der Partizipation und gemeinsamen Problemlösung konkretisiert sich gegenwärtig vor allem in den Kommunen (Märker/Wehner 2007). Besonders hier, wo es um Probleme und Herausforderungen geht, die sich immer weniger im politischen Alleingang bewältigen lassen, und wo gleichzeitig die Wege zwischen Politik, Verwaltung und Bürger noch die kürzesten sind, finden sich viele Ansätze zur praktischen Umsetzung elektronsicher Partizipation (E-Partizipation). Tatsächlich nimmt die Zahl der Kommunen zu, die nicht nur den Bürger stärker einbeziehen wollen in die Lösung ihrer Probleme, sondern auch die dafür erforderlichen Verfahren durch das Internet unterstützen wollen. II. E-Partizipation in der Haushaltsplanung Unter den derzeit kommunal praktizierten Beteiligungsverfahren ragen diejenigen zur Haushaltsplanung hervor. Die Kassen der Kommunen sind leer, es muss immer häufiger zwischen gleichwertigen Projekten entschieden werden und die Konsequenzen der entsprechenden Entscheidungen sind für alle Bürger spürbar. Es macht deshalb für die Kommunen Sinn, den Bürger gerade in die Haushaltsplanung stärker als bisher einzubinden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Einführung von Bürgerhaushalten, ein zweiter, diese mit elektronischen Beteiligungsangeboten zu unterstützen (siehe z.B. http://www.buergerhaushalt.de). Bürgerhaushalte werden in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre erprobt (Bertelsmann Stiftung und Innenministerium NRW 2004). Die grundlegende Idee dieser Verfahren ist, die Schwerpunkte des kommunalen Haushaltes transparent zu machen, um dadurch um Verständnis für die prekäre finanzielle Situation und damit verbundene unpopulärere Entscheidungen zu werben. Darüber hinaus sollen durch Befragungen und Diskussionsveranstaltungen Vorschläge der Bürger eingeholt werden, um so eine zusätzliche und breitere Informationsgrundlage für die politisch-administrativen Haushaltsberatungen zu schaffen (http://www.buergerhaus- 3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte 65 halt.org/beispiele/wichtig-ist-der-mut-zur-offenheit-interview-mit-dem-politiker-rolf-knoefel-aus-bergheim/). Der Schwerpunkt der „Bürgerhaushalte der 1. Generation“ lag hauptsächlich auf der Information der Bürgerschaft. Die „Bürgerhaushalte der 2. Generation“ versuchen nun verstärkt die Expertise der Bürgerschaft in die Beratungsprozesse der Politik und Verwaltung zu integrieren. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Konsultation der Bürger. Und dies geschieht vor allem durch die Nutzung online-moderierter Foren und anderer „Mitmachtechnologien“ (Web 2.0). Durch sie werden neue Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, zwischen den Bürgern und im Dialog mit den Fachverwaltungen kooperativ Vorschläge zu entwickeln, zu bewerten und auch zu hierarchisieren (Märker/Nitschke 2008). III. Nicht nur der Bürger, auch die Verwaltung muss sich beteiligen Wer nun glaubt, es reiche aus, zu den bewährten Verfahren des Bürgerhaushalts die Internettechnologie lediglich hinzuzuaddieren, um ein erfolgreiches Beteiligungsprojekt durchzuführen, verkennt die Herausforderungen, die sich mit dem „Generationenwechsel“ verbinden. Elektronisch unterstützte Bürgerhaushalte zeigen geradezu exemplarisch, dass der Einsatz digitaler Medien eine Reform der Bürgerbeteiligung von Grund auf darstellt. Zuallererst muss die Politik einen Auftrag zur Beteiligung geben, verbunden mit einer glaubwürdigen Zusage, Ergebnisse des Verfahrens auch berücksichtigen zu wollen. Ohne eine solche Selbstverpflichtung der Politik und einen erkennbaren Nutzen werden sich die Bürger selbst in Fragen der Haushaltsplanung, die mit einschneidenden Konsequenzen für viele verbunden sein kann, nicht motivieren lassen, das Beteiligungsangebot wahrzunehmen. Auch ist darauf zu achten, dass die Verfahren nicht mit den Selbstbestimmungsrechten der Bürger kollidieren. Bürgerbeteiligung darf nicht in den Verdacht des Aushorchens des Bürgers umschlagen. Des Weiteren muss die Verwaltung wissen, wie sie den Beteiligungsprozess in ihre internen Abläufe integrieren will, denn Beteiligungen beanspruchen nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch personelle Kapazitäten, um das Verfahren planen und betreuen, in vorhandene Planungsprozesse integrieren und bereits vorhandene Prozesse anpassen zu können. Ferner ist die Verwaltung gut beraten, dem Verfahren eine technische Plattform zu verschaffen, die für verschiedene Beteiligungsformate und Verfah- 66 Oliver Märker / Josef Wehner ren einsetzbar, das heißt „mandantenfähig“ ist. Bevor entschieden wird, ein Beteiligungsverfahren wie den Bürgerhaushalt durchzuführen, sollte überlegt werden, für welche weiteren Fragestellungen Bürgerbeteiligungen überhaupt sinnvoll sind und wer für die Planung und Betreuung der Verfahren zuständig sein soll. In einem entsprechenden „Geschäfts- und Betreibermodell“ kann dann festgelegt werden, wer im Rahmen welcher Verfahren wie zu beteiligen ist, wer der Anwender eines Verfahrens bzw. Nutzer der Verfahrensergebnisse sein soll, und wer schließlich für die Planung und Durchführung des Verfahrens verantwortlich sein wird. Fehlen solche Strukturierungen, werden die anstehenden Probleme nicht besser gelöst, sondern umgekehrt eher verschärft. Kurz, es bedarf einer Strategie, in der die Potenziale und die für ihre Realisierung erforderlichen rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen für einen verwaltungsübergreifenden Einsatz online-gestützter Beteiligungsverfahren identifiziert werden. Hat man die Wege gefunden, eine Beteiligungsplattform in die kommunalen Verwaltungssysteme technisch-organisatorisch zu integrieren, können nicht nur die im Rahmen des Bürgerhaushaltsverfahrens für Finanzen zuständige Stadtkämmerei, sondern auch andere Fachressorts ihre Aufnahmefähigkeit für Bürgerwissen und -meinungen durch die Möglichkeiten elektronisch unterstützter Beteiligungsverfahren steigern. Zu denken ist dabei etwa an Projekte der Stadtentwicklungsplanung, die von einer rechtzeitigen wie effizienten Einbeziehung der Bürger profitieren können. Dies wird nicht schlagartig alle Planungs- und Bausünden einer Stadt verhindern, aber in vielen Fällen wie ein Frühwarnsystem dabei helfen, Planungsfehler rechtzeitiger zu erkennen und die Zustimmungsfähigkeit entsprechender Entscheidungen zu fördern. Vorstellbar sind auch thematisch und zeitlich unbegrenzte „Mitmachangebote“ wie Beschwerdeeingabe- und -verfolgungssysteme wie z.B. der Dienst Fixmystreet in Großbritannien (Ifib/Zebralog 2008; siehe dazu auch den Beitrag von Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann). Und warum sollte eine Stadt ihre Plattform nicht auch anderen benachbarten Städten anbieten? Eine solche mandantenfähige Plattform könnte schließlich auch zur Selbstbeobachtung der Verwaltungen genutzt werden, nämlich dann, wenn Bürgerfeedback sich auf Verfahren des E-Government und letztlich auch auf E-Partizipation selbst bezieht und so zur Modernisierung der Verwaltung beiträgt. So gesehen sind Online-Bürgerhaushalte immer einzubetten in ein umfassendes E-Partizipation-Rahmenkonzept, das selbst wiederum – soweit die entsprechenden Verfahren von staatlicher Seite initiiert und betreut werden – 3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte 67 als integraler Bestandteil des Ideen- und Wissensmanagements einer kommunalen Verwaltung insgesamt zu verstehen ist. IV. Der Kölner Bürgerhaushalt 2008 als wegweisendes Beispiel Werden die hier angesprochenen Voraussetzungen beachtet, steigen die Erfolgswahrscheinlichkeiten für einen Bürgerhauhalt oder andere elektronisch unterstützter Beteiligungsangebote. Dies zeigt das Beispiel Köln. In einer Situation, in der die Verwaltung mit den vielfältigen Herausforderungen noch unvertraut war, die eine Online-Bürgerbeteiligung mit sich bringt, in der es nicht nur Promotoren und Befürworter des Verfahrens gab, sondern auch Skeptiker und Gegner, und in der auch noch die Mehrheit der Bevölkerung an die neuen Möglichkeiten elektronischer Beteiligung erst einmal herangeführt werden musste, sollte das Beteiligungsverfahren auch für ungeübte Bürger einfach zu bedienen sein und diese ermutige, eigene Beiträge zu formulieren und fremde zu kommentieren; gleichzeitig sollte der Beteiligungsprozess den Druck auf Politik und Verwaltung nicht zu groß werden lassen. Man entschied sich deshalb für ein elektronisches Vorschlagseingabeverfahren, das der Verwaltung erlaubt, eine konsultative Beziehung zum Bürger aufzubauen (http://www.stadt-koeln.de/buergerhaushalt). Bürger konnten Spar- oder Ausgabevorschläge zu den Themen „Sport“, „Grünflächen“ und „Straße, Wege und Plätze“ machen. Jeder Vorschlag zu diesen Themen, auf welchen Wegen er auch immer eingereicht wurde (per Post, Tastatur oder Anruf im Call-Center der Stadt), gelangte auf die Plattform und war dort für jeden einsehbar. Wer sich als Teilnehmer registrieren ließ, hatte dort außerdem die Möglichkeit, Vorschläge zu kommentieren und zu bewerten. Am Ende des Verfahrens wurde zu jedem Thema eine Liste mit den hundert am besten bewerteten Vorschlägen erstellt. Die Vorschlagslisten wurden nach Beendigung der Beteiligungsphase an die Verwaltung übergeben, die sich verpflichtet hatte, jeden dieser dreihundert Vorschläge fachlich zu prüfen und alle sich daraus ergebenden Änderungen in Form eines „Veränderungsnachweises Bürgerhaushalt“ dem Rat der Stadt Köln zu übergeben. Am Ende des Verfahrens hatten sich trotz der Themenbegrenzung über 10.000 Bürger registriert, um über 4.700 Vorschläge und über 9.000 Kommentare einzugeben sowie über 52.000 Bewertungen abzugeben. Ebenso beeindruckend ist, dass alleine die Vorschläge 700.000 Mal von 100.000 verschiedenen Besuchern aufgerufen wurden. Die meisten Beiträge zeichnen 68 Oliver Märker / Josef Wehner sich durch ihre lebensweltliche Nähe aus: Die Teilnehmer berichten von Problemen und Missständen, die sie auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, beim Besuch der nächst gelegenen Grünanlage oder bei der Nutzung von Sportanlagen beobachten. Die Beteiligungszahlen und die Qualität vieler Beiträge, stimmen zuversichtlich. Kein Verfahren zuvor hat auch nur vergleichbare Zahlen erreicht. Vor allem die „Verkehrsdichte“ auf der Plattform dokumentiert das starke Interesse an dem Verfahren, was sich erfreulicherweise auch in der starken Präsenz des Themas in den lokalen Medien widerspiegelte. Von Anfang an wurde der Bürgerhaushalt in Presse und Rundfunk aufmerksam verfolgt, was sicherlich rückwirkend auch die öffentliche Wahrnehmung des Verfahrens unterstützt haben dürfte. V. Nach dem Bürgerhaushalt ist vor dem Bürgerhaushalt Im Kölner Bürgerhaushalt hat sich die Ausgangsidee bewährt, ein Verfahren zu konzeptualisieren, dass den Bürger vorrangig als Ideen- und Vorschlagsgeber zur Wirkung kommen lässt und ihn darüber entscheiden lässt, welche Vorschläge er eher oben oder unten in der Bewertung sehen möchte. Manchem dürfte diese Lösung nicht weit genug gehen, weil stärker Web-2.0orientierte Modelle zum Bürgerhaushalt den Bürger als einen gleichberechtigten Partner anerkennen. Diese Kritik verkennt jedoch nicht nur die technischen und organisatorischen Herausforderungen, die sich mit einem Verfahren wie dem Bürgerhaushalt für eine Stadt der Größenordnung von Köln verbinden, und deren Bewältigung über die Nachhaltigkeit eines Bürgerhaushalts entscheiden. Sie übersieht auch die bereits in einem konsultativen Beteiligungsformat angelegten Chancen einer Neuordnung der Beziehungen zwischen Bürger, Politik und Verwaltung. Denn bereits mit ihr werden Verwaltung und Politik durchlässiger für Themen und Vorschläge der Bürger. Nicht nur, weil Verwaltung und Politik sich verpflichtet haben, eingehende Vorschläge zu prüfen und aufzugreifen, sondern weil das gesamte Verfahren der Bürgeranhörung eine zuvor unbekannte Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewinnt. Die Bürger können jetzt die behördliche Verarbeitung der von ihnen eingereichten Vorschläge weiterverfolgen und – zusammen mit den lokalen Medien, die im Umgang der Stadt mit den Vorschlägen ein neues spannendes Thema sehen – bei einer aus ihrer Sicht unbefriedigenden Beachtung wiederum öffentlich Druck auf die Politik ausüben. Schon während des Kölner Verfahrens zeigte 3.1 Haushaltsplanung 2.0 – E-Partizipation über Bürgerhaushalte 69 sich, dass der Bürgerhaushalt in der massenmedialen Öffentlichkeit Resonanz findet. Zeitungen und Presse berichteten täglich über das Verfahren und sorgten so für die erforderliche öffentliche Aufmerksamkeit. All dies bedeutet nicht, dass Beteiligungsformate bzw. Plattformen, wie sie in Köln und in anderen Städten zu beobachten ist, die erfolgreich OnlineBürgerhaushalte anbieten, nicht verbesserungsfähig seien. Auch wenn, wie das Beispiel Köln zeigt, die Forderung nach einer Einbettung des Bürgerhaushalts in die Binnenstruktur ihrer Verwaltung von Anfang ernst genommen wurde, befinden sich die Kommunen gegenwärtig noch in einer Phase, in der sie mit ihren Verfahren noch experimentieren und ihre Erfahrungen in weitere Anpassungen und Veränderungen einfließen lassen. Angefangen von den Funktionalitäten der Verfahren über die technische Unterstützung der redaktionellen Arbeiten bis hin zum Workflow der Auswertung der Ergebnisse – in all diesen Hinsichten werden auch zukünftig weitere Anstrengungen vonnöten sein, um die Idee der Bürgerbeteiligung im kommunalen Kontext nachhaltig zu verankern. Die Kommunen sollten sich dieser Aufgabe nicht im Alleingang stellen, sondern ihre Möglichkeiten nutzen, Erfahrungen auszutauschen, um Lern-, Standardisierungs- und Qualitätssteigerungseffekte zu erzielen. Eine Rahmenbedingung dürfte jedoch konstant bleiben: Die Möglichkeiten, durch Internettechnologien die Bürger zu beteiligen, werden immer davon abhängen, inwieweit Politik und Verwaltung bereit sein werden, sich als Promotoren der Beteiligungsidee zu verstehen. Das Ziel kann also nicht sein, einseitig technischen Potenziale auszuschöpfen, sondern die Technik durch Verfahren so in Wert zu setzen, dass sie in den Routinebetrieb der Kommunen übernommen werden und so das Mitmachen der Bürgers nicht ins Leere laufen lassen. Literatur Bertelsmann Stiftung und Innenministerium NRW 2004: Kommunaler Bürgerhaushalt: Ein Leitfaden für die Praxis. Strategien für die Zukunft vor Ort, Gütersloh/Düsseldorf: Bertelsmann Stiftung/Innenministerium NRW. Institut für Informationsmanagement Bremen (Ifib); Zebralog 2008: E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government. Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern (http://www.e-konsultation.de). 70 Oliver Märker / Josef Wehner Märker, O.; Nitschke U. 2008: Bürgerhaushalt als Rahmen einer Beteiligungskultur, in: Ködelpeter, T.; Nitschle, U. (Hg.): Jugendliche planen und gestalten Lebenswelten. Partizipation als Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel, Wiesbaden: VS-Verlag, 129–142. Märker, O.; Wehner, J. 2007: E-Participation – Gewinnung bürgerschaftlicher Expertise zur Qualifikation von Planungs- und Entscheidungsprozessen, in: Zechner, A. (Hg.), Handbuch E-Government. Strategien, Lösungen, Wirtschaftlichkeit und Impact (http://www.zebralog.de/pdf/MaerkerWehner_de.pdf, 23.9.2008). 3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 71 3.2 Haushaltsplanung 2.0 — Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? Maren Lübcke und Rolf Lührs Immer mehr Kommunen binden die Bürger in die Haushaltsplanung aktiv ein und nutzen dafür auch das Internet: Aktuelle Beispiele sind Potsdam oder Köln. Mit Hamburg und Freiburg haben zwei deutsche Großstädte gezeigt, dass Web-2.0-Ansätze erfolgreich zur bürgernahen Haushaltsdiskussion eingesetzt werden können. Auch für kleinere Kommunen lohnt es sich, die Möglichkeiten des Internets für die aktive Beteiligung der Bürger zu nutzen. I. Einführung Mit der Idee der Bürgerhaushalte sind hohe Erwartungen verknüpft. Seit der erfolgreichen Einführung 1989 in Porto Allegre (Brasilien) können Bürger über die Aufstellung öffentlicher Haushalte diskutieren bzw. sogar abstimmen. Bürgerhaushalte dienen dazu, die Glaubwürdigkeit der Politik zu erhöhen, das Wissen der Bürger vor Ort effektiver zu Nutzen und neue Wege des Dialogs zwischen diesen beiden Gruppen in Zeiten angespannter Haushaltssituation zu initiieren (Nitschke/Marwede 2004). In Deutschland spielen Beteiligungshaushalte bisher in erster Linie auf kommunaler Ebene eine Rolle. So betont Thilo Sarazzin, Vorsitzender der Konferenz der Finanzminister, dass durch die unmittelbare Betroffenheit der Bürger ein partizipativer Ansatz für Kommunen sinnvoll sei. Dies könne für Länderetas mit ihrer anderen „verfassungsrechtlichen Stellung“ aber nicht im gleichen Umfang gelten (Sattler 2008). Abgestimmt bzw. diskutiert werden kann über einen bestimmten Teil des Etats oder über den gesamten Haushalt. In der Regel bleibt die Diskussion über die Einnahmen und über die Erhebung von Steuern außen vor, die Bürger diskutieren vornehmlich über die Ausgabenseite. Bürgerhaushalte können in Form von Umfragen, Bürgerversammlungen und Internetbefragungen durchgeführt werden. Die Idee der Bürgerhaushalte ist nicht unmittelbar mit Neuen Medien verbunden, sie gewinnt aber durch sie zusätzlich an Bedeutung. Werden klassi- 72 Maren Lübcke / Rolf Lührs scherweise Internetseiten nur zur statischen Informationsaufbereitung eingesetzt, bekommt durch den Einsatz eines Online-Haushaltsrechners ein Bürgerhaushalt eine ganz eigene, ansprechende Qualität. Kern ist eine Internetplattform, die Bürgern die Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung ermöglicht. Die Anwendung bildet auf der Basis echter Zahlen einen konkreten Haushalt ab. Alle Bürger können nun ihre eigenen Haushalte aufstellen und die Ausgangsbudgets so verändern, wie sie es für richtig halten. Die einzige fest im System verankerte Spielregel lautet, dass die zur Verfügung stehende Gesamtsumme nicht überschritten werden darf. Dahinter steckt ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Indem sich die Bürger intuitiv und spielerisch dem kommunalen Haushalt nähern, bekommen sie ein Gefühl für die Möglichkeiten und Grenzen der Haushaltsplanung. Die Nutzer erfahren, was es bedeutet, unter Bedingungen knapper Ressourcen und gesetzlich vorgeschriebener Leistungen politische Wunschvorstellung zu realisieren. Die Städte, Länder und Kommunen erhalten im Gegenzug mehr Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung. Im Folgenden werden die Ergebnisse von zwei im Internet realisierter Beteiligungshaushalte vorgestellt. Hamburg ist bisher der einzige 2.0-Haushalt, der auf Landesebene durchgeführt wurde. Wie im zweiten Fallbeispiel Freiburg durften die Bürger hier über den Gesamthaushalt beraten. In Freiburg wurde zudem der Haushalt unter geschlechterspezifischen Aspekten (Gender Budgeting) diskutiert. II. Das Verfahren Die Beteiligungshaushalte in Hamburg und Freiburg wurden mit Hilfe des DEMOS-Verfahrens realisiert. Dieses Verfahren besteht aus einer Beteiligungsmethodologie, einer Plattform für Onlinediskussionen sowie dem Haushaltsrechner. DEMOS ermöglicht es, im Rahmen von Online-Diskussionen Experten-, Bürger- und Politikdiskurse miteinander zu verzahnen. Dabei greift das DEMOS-Verfahren auf bewährte Methoden aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung zurück. So werden qualitative und quantitative Auswertungsmethoden eingesetzt, um die Komplexität einer sich dynamisch entwickelnden Diskussion so zu reduzieren, dass der Verlauf auch dann nachvollzogen werden kann, wenn die Beiträge nur selektiv gelesen werden. Dafür werden die Ergebnisse den Teilnehmenden in Form von Zu- 3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 73 sammenfassungen, Umfrage- oder Abstimmungsergebnissen oder als gemeinsam weiterzuentwickelnde Wikis präsentiert (mehr zum DEMOS-Verfahren in Lührs/Hohberg 2007a). Zentral für den Haushaltsrechner ist die Aufteilung des öffentlichen Haushalts in verschiedene Produktbereiche, die mit detaillierten Informationen ergänzt werden. Der Anteil der jeweiligen Bereiche am Gesamtetat des Haushalts wird durch eine Tortengrafik dargestellt. Die Teilnehmenden können nun den entsprechenden Posten mehr oder weniger Geld zuweisen. Das Budget darf jedoch nicht überzogen werden. Darüber hinaus haben die Beteiligten die Möglichkeit, jede Veränderung in einem Textfeld zu kommentieren und zu begründen. In Freiburg wurden diese Begründungen in ein eigenes Forum eingespeist und konnten dort wie andere Beiträge auch gelesen und diskutiert werden. III. Hamburg Der Bürgerhaushalt Hamburg wurde auf Grundlage des DEMOS-Konzeptes unter dem Titel „Was wollen wir uns leisten? Bürgerbeteiligung an der Hamburger Haushaltsplanung“ im Zeitraum 18.4.–12.5.2006 unter der Adresse www.hamburg-haushalt.de durchgeführt (ausführlich dazu Lührs/Hohberg 2007b) Ziel dieser Diskussion war es, die Bürger nach ihren Einstellungen und Meinungen zu befragen, konkrete Einsparungsvorschläge zu entwickeln und eine breite Diskussion zur Hamburger Haushaltslage zu initiieren. Auf der Plattform waren die insgesamt 34 Produktbereiche des Hamburger Haushalts dargestellt. Mit einem Schieberegler konnten die jeweiligen Einzeletats um bis zu 50% reduziert bzw. erhöht werden. Um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen, entwarf die TuTech Innovation GmbH im Vorfeld eine detaillierte PR-Kampagne, die unter anderem die Einbeziehung von Prominenten vorsah. Während der vierwöchigen Diskussion registrierten sich 2.870 Benutzer, die 2.138 individuelle Haushalte aufstellten und kreativ und konstruktiv diskutierten. Insgesamt wurden 38 konkrete Entwürfe zu einzelnen Haushaltsbereichen entwickelt, die von alternativen Hafenerweiterungsstrategien über eine Ressourcen schonende Verwaltung bis hin zur „Entrümpelung des Schilderwaldes“ reichten. Als Experten stellten sich Rüdiger Kruse (Haushalts- und 74 Maren Lübcke / Rolf Lührs Finanzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion) sowie die Universitätsprofessoren Dietrich Budäus (Public Management) und Dieter Läpple (Stadt- und Regionalökonomie) zur Verfügung. IV. Freiburg Der Beteiligungshaushalt in Freiburg zeichnete sich durch ein übergreifendes Konzept aus, das die Säule „Online-Haushaltsrechner“ mit einer Stadtkonferenz kombinierte sowie durch eine repräsentative Umfrage ergänzte. Darüber hinaus erhielt der Beteiligungshaushalt eine thematische Fokussierung. Es ging darum, den Haushalt unter Aspekten des Gender Budgetings wahrzunehmen und damit die Öffentlichkeit für das Anliegen der Chancengleichheit von Männern und Frauen zu sensibilisieren. Der Beteiligungshaushalt wurde im Rahmen des Programms „Chancen = Gleichheit“ der Landesstiftung Baden-Württemberg realisiert. Das Ziel ist, die Chancengleichheit von Frauen und Männern in verschiedenen Lebensbereichen durch modellhafte und innovative Praxis- und Forschungsprojekte zu fördern. Die Ergebnisse des Beteiligungshaushalts sollen in die Beratungen des Gemeinderates über den Doppelhaushalt 2009/2010 einfließen. Basierend auf den Zahlen von 2005 wurden 25 unterschiedliche Haushaltsposten 13 Produktbereichen zugeordnet. Die Haushaltsposten konnten in beliebigen Schritten verändert werden, im Unterschied zu Hamburg war es auch möglich, einzelne Posten ganz auf 0 zu setzen oder Ausgaben zu verdoppeln. Der Freiburger Bürgerhaushalt lief im Zeitraum 7.4.–9.5.2008 unter der Adresse www.beteiligungshaushalt.freiburg.de. Es registrierten sich 1.862 Nutzer, die insgesamt 1.291 Haushalte einreichten. 757 Beiträge wurden verfasst, die Eingang in 16 Themenwikis fanden. Am 24.4.2008 diskutierte Prof. Christine Färber zur Bedeutung des Geschlechts für den Finanzhaushalt mit den Nutzern. Davor hatten bereits Annette Schubert und Clemens Heidenreich von der Stadt Freiburg die Fragen der Bürger zum Beteiligungshaushalt beantwortet. V. Die Teilnehmer Sowohl in Hamburg als auch in Freiburg wurden die Teilnehmenden zu Beginn gebeten, einige persönliche Angaben zu machen. An beiden Diskussionen beteiligten sich mehr Männer als Frauen. In Hamburg war dies besonders 3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 75 deutlich mit einem Verhältnis von 85% zu 15%. In Freiburg lag der Frauenanteil mit 38,5% deutlich höher. Frauen Männer 90 85 80 70 61,5 in Prozent 60 50 40 38,5 30 20 15 10 0 Freiburger Haushaltsdiskurs Hamburger Haushaltsdiskurs Abb. 3.2-1 Geschlecht der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg und Freiburg (Quelle: Hamburger und Freiburger Beteiligungsverfahren) Die Altersstruktur der Teilnehmenden weist sowohl interessante Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Während sich die durchschnittliche Hamburger Bevölkerung relativ ähnlich zu der Freiburgs verteilte, und in beiden Diskussionen die bis 25-jährigen und über 64-jährigen deutlich unterrepräsentiert waren (sie stellten in beiden Diskussionen zusammen nur 18% im Unterschied zu 42% in der Bevölkerung), war die Gruppe der 40- bis 64jährigen in Freiburg mit 50,7% in der Mehrheit, während in Hamburg diese mit 51,1% von den 25- bis 39-jährigen gestellt wurde. Darüber hinaus zeigt die Datenanalyse, dass für beide Haushaltsdiskurse in erster Linie eine Bevölkerungsgruppe mit vergleichsweise hohem Bildungsstand gewonnen werden konnte. Etwa 75% der Teilnehmenden in Hamburg verfügten über eine (Fach-) Hochschulreife oder hatten ein (Fach-) Hochschulstudium abgeschlossen, in Freiburg lag der Anteil dieser Gruppe sogar bei 85%. 76 Maren Lübcke / Rolf Lührs Freiburger Bevölkerung 2006 Freiburger Beteiligungshaushalt 2008 Hamburger Haushaltsdiskurs 2006 Hamburger Bevölkerung 2005 60,0 51,1 50,7 Verteilung in Prozent 50,0 40,0 32,7 30,9 30,0 20,0 25,0 15,7 15,2 11,1 10,0 5,0 30,6 24,7 18,3 15,9 13,3 8,4 33,1 8,2 4,9 3,0 1,9 0,0 unter 18 18 - 24 25 - 39 40 - 64 65 und älter Altersgruppen Abb. 3.2-2 Altersstruktur der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg und Freiburg (Quelle: Hamburger und Freiburger Beteiligungsverfahren) VI. Die Prioritäten der Bürger Sieht man von den unterschiedlichen Zuschnitten der Haushaltsposten in Hamburg und Freiburg ab, so setzten die Bürger der beiden Städte sehr ähnliche Prioritäten, wie sie die zukünftigen Mittel in ihren Städten verwendet sehen wollen. So sprachen sich in Hamburg die Teilnehmenden für eine Aufstockung der Etats in den Bereichen Schule (auf 110%) und Kindertagesbetreuung (auf 111%) aus. Auch der Wissenschaft wurde ein etwas größeres Budget (107%) zugestanden. Der Bereich der Schulen sollte auch in Freiburg mit 111% die deutlichste Etataufstockung erfahren. Sehr eng beieinander lagen zudem die Bereiche „Soziale Hilfe + Kinder-, Jugend-, Familienhilfe“ mit einem plus von 108%, „Volkshochschulen, Bibliotheken, kulturpädagogische Einrichtungen“ mit 107% und „Sport und Bäder“ mit 106%. Interessanterweise ergibt sich auch eine große Ähnlichkeit bei den Sparvorstellungen der Bürger – sieht man einmal von den Unterschieden zwischen einem kommunalen und einem Länderhaushalt ab. Von Einsparungen besonders betroffen in Hamburg waren die Finanzbehörde mit verbleibenden 79% des ursprünglichen Etats, der Produktbereich Bauordnung und Hochbau mit 81% sowie das Landesamt für Verfassungsschutz mit 82%. Inwiefern die Hamburger ihren Haushalt im Detail zu konsolidieren oder umzuverteilen versuchen, zeigen die entwickelten Wikis. Die 38 erarbeiteten Vorschläge sind vielschichtig, lassen sich aber in drei große Bereiche eintei- 3.2 Haushaltsplanung 2.0 – Symbolische Politik oder echte Mitbestimmung? 77 len: konkrete Einsparpotenziale, Maßnahmen zur Schaffung von Mehreinnahmen und langfristige investitionsbasierte Verbesserungsstrategien. In Freiburg sah sich der Bereich Wirtschaft und Tourismus den stärksten Einsparungen ausgesetzt (77%). Nennenswert sind zusätzlich die Bereiche Stadtentwicklung und Sicherheit und Ordnung mit je 89% des ursprünglichen Budgets. Sehr kontrovers und nahezu über den gesamten Zeitraum der Online-Diskussion hinweg wurde in Freiburg das Thema der Theatersubventionen diskutiert. VII. Resümee Trotz des schwierigen und komplexen Themas ist die Durchführung von Online-Bürgerhaushalten keine Seltenheit mehr. Die hier vorgestellten Beispiele stellen jedoch Besonderheiten dar. Zum einen hat die Diskussion in Hamburg gezeigt, dass Beteiligungshaushalte auch auf Länderebene erfolgreich eingesetzt werden können. Dabei ist deutlich geworden, dass eine Integration der ansonsten doch eher getrennt verlaufenden Experten-, Bürger- und Politikdiskurse im Rahmen einer solchen Internetdiskussion durchaus gelingen kann, wurde doch das Engagement der Experten und Politiker mit sehr positiver Resonanz belohnt. Freiburg zeigt, dass die Diskussion über öffentliche Haushalte nicht allgemein geführt werden muss, sondern erfolgreich thematisch gerahmt werden kann. Zwar stand das Thema Gender Budgeting nicht unbedingt im Mittelpunkt der haushaltspolitischen Diskussion. Die relativ hohe Beteiligungsquote von Frauen spricht jedoch für den Erfolg dieser Schwerpunktsetzung. Die Gesamtauswertung der Haushaltsentwürfe verdeutlicht, dass die Bürger sparwillig sind. Insgesamt sollten 3,2% des ca. 10 Mrd. umfassenden Gesamtbudgets, das der Stadt Hamburg 2005 zur Verfügung stand, eingespart werden, in Freiburg summierten sich die Haushaltsveränderungen auf Einsparungen von immerhin 1% des Gesamtetats auf. Mit Hamburg und Freiburg haben zwei deutsche Großstädte gezeigt, dass Web-2.0-Ansätze erfolgreich im öffentlichen Bereich eingesetzt werden können. Aber auch für kleinere Kommunen lohnt es sich, die Möglichkeiten des Internets für die aktive Beteiligung der Bürger zu nutzen. Der hier vorgestellte Haushaltsrechner ist ein kostengünstiges und effektives Instrument zur Realisierung internet-basierter Bürgerhaushalte. So kann der Haushaltsrech- 78 Maren Lübcke / Rolf Lührs ner leicht in bestehende kommunale Webseiten integriert oder mit anderen interaktiven Angeboten wie bspw. Bürgermeister-Blogs, kombiniert werden (mehr Informationen dazu unter www.buergerhaushalt-online.de). Literatur Lührs, R., Hohberg, B. (2007a): familiendiskurse.de, in: Stiftung Mitarbeit & Initiative eParticipation (Hg.): E-Partizipation. Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge zur Demokratieentwicklung Nr. 21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit, Bonn, 30–53. Lührs, R., Hohberg, B. (2007b): Was wollen wir uns leisten? Hamburger Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an der Haushaltsplanung, in: Stiftung Mitarbeit & Initiative eParticipation (Hg.): E-Partizipation. Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge zur Demokratieentwicklung Nr. 21, Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit, 54–72. Nitschke, U.; Marwede, M. 2004: Chancen kommunaler Entwicklungszusammenarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15–16, 33–38. Sattler, K.-O. 2008: Abstimmen im Rotstift-Bezirk, in: Das Parlament Nr. 09–10, 25.2.2008. 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 3.3 79 Kulturmanagement 2.0 — Kommunales Kulturmarketing im Internet Simon A. Frank Wirft man einen Blick in die aktuellen Fachpublikationen, so ist häufig zu lesen, dass die Übertragung der Web-2.0-Ideen auf das Marketing einer „Revolution“ gleicht. Ob dies wirklich der Fall ist bleibt fraglich, fest steht jedoch, dass die Entwicklung zum Web 2.0 einige neue, interessante Möglichkeiten eröffnet hat. Exemplarisch werden im Folgenden (nach einigen kurzen Überlegungen zur Planung von OnlineMarketing-Maßnahmen) drei Beispiele vorgestellt, die einen kleinen Eindruck davon geben sollen, wie Web-2.0-Anwendungen (Blogs und Podcasts, Community- und Suchmaschinen-Marketing) neue Impulse für das kommunale Online-Kulturmarketing geben können.1 I. Kulturmanagement und Online-Kulturmarketing Internet-Marketing ist gerade im Zusammenhang mit kommunalem Kulturmarketing nicht als losgelöste Aufgabe oder Funktion zu sehen, sondern muss als ein Instrument innerhalb des Marketing-Management-Prozesses und der Öffentlichkeitsarbeit verstanden werden (siehe dazu u.a. Klein 2005). Erst wenn die entsprechenden Marketingstrategien, wie inhaltliche Zielsetzung, Zielpräzisierung (z. B. durch ein Mission Statement) festgelegt und entsprechende Analysen durchgeführt worden sind, kann über den Einsatz der Marketinginstrumente, zu dem das Internet zu zählen ist, entschieden werden. Auf die strategische Planung, die eine zentrale Rolle spielt und die häufigste Ursache für das Scheitern von Online-Marketingmaßnahmen ist, kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, es existieren dazu aber eine Vielzahl an Arbeiten, die sich eingehend damit beschäftigen (Klein 2005; Hörner 2006; Schmahl 2007). Festzuhalten bleibt, dass vorab ein trag1 Auf „klassische“ Instrumente des Online-Marketings (wie etwa Bannerwerbung oder Newsletter-Marketing) wurde im Folgenden mit Absicht verzichtet (dazu ausführlich Frank 2008), ebenso auf das für das Web 2.0 wichtige Konzept des user-generatedcontent (UGC), auf das aufgrund anderer Artikel in diesem Sammelband nicht detailliert eingegangen wird. 80 Simon A. Frank fähiges Konzept entwickelt werden sollte, in dem Fragen wie „An wen richten sich die Internet-Marketing-Aktivitäten?“ und „Welche Ziele sollen erreicht werden (z.B. Markenpflege, Neukundengewinnung, Adressgewinnung, Bindung des vorhandenen Kundenstamms etc.)?“ beantwortet werden sollten (Hohn 2004: 173 ff.; Hörner 2006: 63 f.). Bevor im nächsten Abschnitt einzelne Instrumente vorgestellt werden, sei noch auf zwei wichtige Punkte bei der Umsetzung hingewiesen: Für die erfolgreiche Planung von Internet-Marketing-Aktivitäten empfiehlt es sich, auf die speziell für diesen Bereich konzipierten Methoden des Online- oder WebProjektmanagements zurückzugreifen, um bei der Ressourcen-Planung und dem Budget den Überblick zu behalten (Friedlein 2002, Kaiser 2007). Für die Auswertung, Analyse und das Marketing-Controlling ergeben sich durch das Internet vielfältige neuen Möglichkeiten (Log Analyse, Cookies, Google Analytics etc.), die im Folgenden nicht weiter erwähnt werden können; auch hier kann nur auf weiterführende Literatur verwiesen werden (Heindl 2003; Kaiser 2007: 312 ff.). II. Web-2.0-Anwendungen für das Online-Kulturmarketing Eine Übersicht aller Web-2.0-Marketinginstrumente kann in diesem Rahmen leider nicht gegeben werden, dies wäre durch die ständigen Änderungen und Neuerungen in diesem Bereich auch ein schwieriges Unterfangen. Stattdessen sollen im Folgenden anhand von drei Beispielen exemplarisch die neuen Möglichkeiten des Web 2.0 aufgezeigt werden. Kulturmarketing mit neuen Technologien Neben neuen Geschäftsmodellen steht Web 2.0 auch für einige neue (und wiederentdeckte) Softwaretechnologien, Programmier- und Markup-Sprachen wie Ajax, Webservices, Ruby, iCalendar und Atom. RSS ist eine der bekanntesten Technologien, die untrennbar mit der Web-2.0-Idee verbunden ist. Es handelt sich dabei um ein elektronisches Nachrichtenformat, das es dem Nutzer ermöglicht, die Inhalte einer Website (oder Teile davon) zu abonnieren, d. h. automatisch regelmäßig informiert zu werden, wenn sich der Inhalt einer Website ändert oder neue Meldungen vorhanden sind. Im Unterschied zu E-Mails geht die Initiative nicht von dem Websitebetreiber, sondern von dem Empfänger aus. Neue Inhalte werden automatisch von der Website des Anbieters auf das RSS-fähige Endgerät (einen PC oder aber 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 81 auch andere Geräte wie MP3-Player oder Handy) geladen. Der Abonnent solcher RSS-Feeds hat zudem die Möglichkeit, die Informationen nach individuellen Kriterien vorsortieren zu lassen. So kann man beispielsweise auf der Website des Deutschlandfunks nur die Kulturnachrichten als RSS-Feed abonnieren. Sobald auf dem Online-Angebot des Deutschlandfunks eine neue Nachricht aus dem Kulturbereich veröffentlicht wird, erhält der Abonnent des RSS-Feeds eine entsprechende Information. Für das kommunale Kulturmarketing sind RSS-Feeds ein äußerst interessantes Instrument, vor allem, da dafür nur ein sehr geringer technischer Aufwand notwendig ist. Trotzdem bieten Städte und Gemeinden noch viel zu selten (Kultur-) Nachrichten auch im RSS-Format an und lassen so die Möglichkeiten dieser automatisierten und standardisierten Verteilung von Nachrichten im Internet ungenutzt. Aber nicht nur Textbeiträge sind mit RSS abonnierbar. Der Deutschlandfunk stellt einen großen Teil der im Radio gesendeten Beiträge ebenfalls per RSS-Feed als Audio-Datei zur Verfügung. Besitzt man einen MP3-Player oder ein neueres Handy, wird diese Datei automatisch übertragen, der Audiobeitrag ist somit auch unterwegs verfügbar und kann jederzeit abgerufen werden – eine Form des radio on demand. Werden die Audio- oder Videobeiträge gezielt für das Internet produziert, spricht man von Podcasts. Ursprünglich sind damit von Amateuren gedrehte, zwei- bis fünfminütige Audio- oder Videobeiträge gemeint, die auf privaten Websites veröffentlicht werden. Schnell wurde dieses Format jedoch von der Medien- und Werbebranche aufgegriffen und findet inzwischen nahezu überall Einsatz. Neben dem von Spiegel Online unterstützten Ehrensenf (www.ehrensenf.tv) zählt wohl auch Angela Merkels wöchentliche Video-Ansprache auf www.bundeskanzlerin.de zu einem der bekanntesten Podcasts. Für das Kulturmarketing lässt sich ein solches Format produktiv einsetzen, wie etwa das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA) demonstriert: Seit September 2005 veröffentlicht das Museum monatlich einen Podcast mit dem Namen „SFMOMA Artcast“, der mit Bild und Ton über aktuelle Ausstellungen informiert, beispielsweise durch Interviews mit Künstlern oder Kuratoren. Diese monatliche Videobotschaft ist inzwischen vielfach ausgezeichnet worden, z.B. mit dem Muse Award 2006, und wird deshalb von vielen amerikanischen Museen in ähnlicher Form angeboten. Auch in Deutschland gibt es bereits vereinzelt Experimente mit dieser Art des Online-Marketings, z. B. von dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, dessen Konzept eines Kultur-Podcasts durchaus auf kommunales Kulturmarketing übertragen werden könnte. Es handelt sich um den „Skythen 82 Simon A. Frank Podcast“ für die Ausstellung „Königsgräber der Skythen“, Juli bis Oktober 2007 (http://www.skythen-podcast.de; für eine ausführliche Darstellung der Potenziale von RSS und Podcasts siehe u.a. Alby 2007: 73 und Weibel et al. 2007). Suchmaschinen-Marketing im „Long Tail“ Search Engine Marketing (SEM) ist ein Bereich, mit dem sich Webentwickler und Online-Marketing-Experten bereits seit einigen Jahren beschäftigen. SEM ist deshalb auch nicht ausschließlich dem Web 2.0 zuzuordnen, steht jedoch in direktem Zusammenhang mit der „Long Tail“-Theorie, die man als ein Pfeiler des Web-2.0-Konzepts bezeichnen kann und deshalb unbedingt hier erwähnt werden soll. Die „Long-Tail“-Theorie wurde von Chris Anderson in einem Artikel im Wired Magazine im Herbst 2004 erstmals vorgestellt (http://www.wired.com/wired/archive/12.10/tail.html) und in einer kurz darauf erschienen Monographie (Anderson 2006) weiterentwickelt. Anderson beschreibt darin seine Vorstellung der zukünftigen Entwicklung des Internets, die er durch Beobachtung des Marktes und der fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft gewonnen hat. Anderson stellt die These auf, dass die Zukunft des Unterhaltungsmarkts nicht mehr wie bisher durch den Verkauf einiger weniger Hits an der Spitze der Bestsellerlisten bestimmt wird, sondern dass der neue Markt in den Millionen von Nischen, die sich hinter den Bestsellern entwickelt haben, liegen wird. Durch das Internet, so Anderson, ist es nun möglich, diese Nischenprodukte effektiv zu verkaufen, da es durch die Technik des neuen Mediums sozusagen keine Einschränkungen in der Größe der Produktpalette gibt. Um ein Beispiel zu nennen: Eine amerikanische Buchhandelskette führt im Durchschnitt etwa 100.000 Titel, wobei hier natürlich nur Bücher in die Regale gestellt werden, die als gut verkäuflich gelten. Der Online-Buchhändler Amazon, der etwa 3,7 Millionen Titel im Angebot hat, macht jedoch nur etwa ein Viertel seiner Umsätze mit diesen 100.000 meist verkauften Titeln. Der größte Umsatz wird mit den restlichen 3,6 Millionen Büchern gemacht – zum größten Teil Fachbücher und „exotische“ Titel, die teilweise nur alle paar Jahre bestellt werden und deshalb in einer Buchhandlung mit teuren Regalplätzen nicht wirtschaftlich vertrieben werden könnten. Im Internet ist dies möglich, da durch die Bereitstellung von Content wie Produktfotos, Textauszüge, Bewertungen etc. nur zu vernachlässigende Kosten entstehen. Visualisiert man dieses Kaufverhalten der Internetnutzer, indem man auf die Y-Achse die Anzahl der Verkäufe 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 83 und auf der X-Achse die Produkte nach Reihenfolge ihrer Verkaufsstatistik zeichnet, wird der „Rattenschwanz“, der „Long Tail“, sichtbar, der in den letzten Jahren immer mehr gewachsen ist. Anderson beobachtet zudem dieses „Long-Tail“-Phänomen nicht nur bei Online-Buchhändlern, sondern auch in vielen anderen Branchen. Ein kurzes Beispiel aus dem Museums-Bereich, dass sich jedoch ebenso auf kommunales Kulturmarketing übertragen lässt, soll zeigen, warum der „Long-Tail“ im Bereich Suchmaschinenoptimierung für Kulturmarketing eine wichtige Rolle spielt: Für die Planung einer Städtereise konsultieren laut des Verbandes Internet Reisevertrieb inzwischen 68% der Deutschen das Internet (Stand 2007). Immer weniger nehmen einen klassischen (Kultur-) Reiseführer zur Hand, aus dem bisher hauptsächlich die „Kulturtipps“ entnommen wurden. Die Informationsbeschaffung sieht inzwischen meist anders aus. Für die Reiseplanung wird die Suchmaske einer Suchmaschine wie Google oder Yahoo aufgerufen. Dort werden dann die dem Interesse entsprechenden Suchworte eingegeben, beispielsweise „moderne Kunst (in) Stuttgart“. Bietet ein Reiseführer in der Regel eine überschaubare Anzahl an Empfehlungen („Die fünf bekanntesten Museen Stuttgarts“), so liefert die beschriebene Suchanfrage bei Google 1,7 Millionen Treffer (Oktober 2007). Und während an der Spitze der Liste eines Reiseführers vermutlich die Staatsgalerie oder das Kunstmuseum zu finden wären, sind diese zwei Institutionen bei Google unter den ersten hundert Treffern nicht zu finden, obwohl in beiden Häusern zu diesem Zeitpunkt beachtliche Ausstellungen moderner Kunst zu sehen waren. Die Suchergebnisse auf den ersten Plätzen waren jedoch Websites kleinerer Galerien und eher unbekannter Künstler. Die Ursache ist offensichtlich: Durch die Suchmaschinen hat der Benutzer nicht nur Zugriff auf die „Bestseller“, sondern auch auf die „exotischen“ Angebote, den „Long Tail“. Die Trefferliste der Suchmaschine, die Ergebnisse nach anderen Gesetzen sortiert als der Reiseführer, ermöglicht damit eine andere Auswahl an Möglichkeiten. Was vor fünfzehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ist nun nicht mehr auszuschließen: Es ist durchaus möglich, dass der Reisende sich für den Besuch einer kleinen privaten Galerie eines „Hobbykünstlers“, die er durch Google zufällig entdeckt hat, entscheidet und nicht für die „Highlights der Moderne“ in der Staatsgalerie, die er per Google gar nicht gefunden hatte. Dieses Beispiel veranschaulicht, warum es von entscheidender Bedeutung ist, in Suchmaschinen präsent und gut platziert zu sein. Mit der Frage, wie man in Suchmaschinen optimal gefunden wird, beschäftigt sich das Suchma- 84 Simon A. Frank schinen-Marketing. Unter Search Engine Optimization (SEO) versteht man die Technik, die Inhalte der eigenen Website optimal, d. h. „suchmaschinenfreundlich“ zu präsentieren, um ein optimales Ranking (Platzierung) in den Suchmaschinen zu erreichen (wegen eines Marktanteils von über 90% insbesondere bei Google). Da die Suchmaschinenbetreiber ihre Daten durch Softwareprogramme, sogenannte Crawler oder Searchbots, automatisiert erstellen, ist es von höchster Wichtigkeit, dass die eigene Website nicht nur für das menschliche Auge, sondern auch für diese Softwareprogramme äußerst „attraktiv“ ist. Vereinfacht kann man sagen, dass man dafür Sorge tragen muss, dass der XHTML-Quelltext der Website „maschinenlesbar“ ist, insbesondere für die relevanten Keywords (Schlagworte). In dem oben genannten Beispiel wurde möglicherweise versäumt, das Keyword „moderne Kunst“ ausreichend suchmaschinenfreundlich in den Programmcode zu integrieren. Dass deshalb die zwei Museen in Google nicht gleich gefunden wurden bzw. schlecht platziert waren, kann noch weitere Gründe haben (wie beispielsweise der „Bekanntheitsgrad“ einer Website, der Google Page Rank). Die Alternative oder Ergänzung zu Suchmaschinen-Optimierung ist die Suchmaschinen-Werbung, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll (Frank 2008: 560 f.; Alby 2007: 156 ff.). Blog- und Community-Marketing Während es in vielen Branchen bereits üblich ist, Marketing in OnlineCommunities zu betreiben, ist dies im Kulturbetrieb (insbesondere im kommunalen Marketing) noch eher selten zu beobachten. Wichtig ist dabei, dass nicht einfach nur Werbung in den Communities geschaltet wird, sondern dass sich die Institution produktiv an der Community beteiligt, indem diese interessanten Content für die Online-Gemeinschaft liefert. Als ein Beispiel könnte man die Aktivitäten des MoMA in YouTube nennen, die zeigen, wie dies für einen Kulturbetrieb aussehen könnte. Für diese bekannte VideoCommunity, auf der täglich über sechzigtausend Videos von den Mitgliedern eingestellt werden und etwa 100 Millionen Videos angesehen werden, produziert das New Yorker Museum regelmäßig spezielle Filme und stellt diese, wie die anderen Mitglieder der Community, kostenlos zum Betrachten zur Verfügung. Diese kurzen, ca. fünfminütigen Filme, die beispielsweise den Aufbau einer Ausstellung dokumentieren, Auszüge aus Vorträgen zeigen oder im Stil von Musik- oder Werbeclips auf aktuelle Ausstellungen hinweisen, unterscheiden sich nicht von den Videobeiträgen der anderen YouTube- 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 85 Mitglieder. Das MoMA beteiligt sich also an dem Videotausch- und Kommunikationsprozess der Community. YouTube-Benutzer, die nach Clips mit Stichworten wie „New York“ und „art“ suchen, stoßen so auf die Filme des MoMA. Anders als bei Werbung werden die Benutzer nicht dazu genötigt, die Videos zu sehen, sondern betrachten diese freiwillig. Das geschieht häufiger, als man glauben möchte: Ein Video, das von Mai bis Oktober 2007 auf eine Ausstellung Richard Serras aufmerksam machte, wurde beispielsweise über 65.000 Mal angesehen. Die Communtiy-Funktionen, die das Kommentieren und Bewerten von Videos ermöglichen, können zudem ausgewertet werden, um die Response der Community einzuschätzen. So schreibt eine YouTube-Userin als Kommentar zu einem MoMA-Video: “it’s great that this museum doesn’t mind giving art lovers a look into their art work unlike other museums that don’t even allow you to take photography”. Die Begeisterung lässt erahnen, welche Potenziale in einem produktiven Engagement in Communities stecken, die täglich Millionen Menschen nutzen. Da die Produktionskosten für solche Internet-Videos durch die stetig günstig und trotzdem immer leistungsfähiger werdenden Kameras immer geringer werden, sind Videos auch für kommunales Marketing mit kleinen Budgets eine Option. Regelmäßige zwei- bis fünfminütige Videobotschaften aus dem Kulturamt von geplanten oder durchgeführten Veranstaltungen oder Interviews mit (prominenten) Personen sind jedoch noch die Ausnahme, obwohl darin – gerade in Verknüpfung mit Plattformen wie YouTube oder MyVideo – große Potenziale stecken. Ähnlich wie bei Communities ist in Deutschland auch Zurückhaltung bei Blogs zu beobachten: Im Vergleich zu anderen Ländern wird hier mit dem Thema auch noch sehr zögerlich umgegangen. Ende 2005 kannten 57% der befragten Führungskräfte europäischer Unternehmen den Begriff „Blog“ noch gar nicht (Eck 2006: 202). Ganz anders in den USA, wo 2005 die „Blogosphäre“ (die Gesamtheit aller Blogs) schon als ein wichtiges Element für das Marketing erkannt worden ist (Eck 2006: 204). Da die Erstellung und Veröffentlichung von Blogs von diversen Anbietern kostenlos angeboten werden, kann prinzipiell jeder, der über einen Internet-Zugang verfügt, einen Blog erstellen und sich als Laien-Journalist betätigen. Die Betreiber der Blog-Suchmaschine Technorati schätzen, dass es derzeit etwa 1,2 Milliarden Blogs weltweit gibt und täglich etwa 1,6 Millionen Blog-Beiträge erstellt werden. In Deutschland wird die Zahl der Blogs auf etwa 300.000 geschätzt; bekannte Blogs wie das BILDblog, Spreeblick oder Don Alphonsos Blogbar haben bis zu 50.000 Leser pro Tag (Eck 2006: 86 Simon A. Frank 204). Blogs unterscheiden sich von normalen Websites technisch und inhaltlich in einigen Punkten, wie etwa die einfache Verlinkung durch Permalinks, die Vernetzung untereinander durch Blogrolls, die RSS-Feed-Fähigkeit und die Analyse von Zitaten durch den Trackback. Für eine detaillierte Beschreibung kann nur auf die Literatur verwiesen werden kann (Alby 2007: 22ff und Eck 2006: 201 ff.). Die interessanteste Funktion von Blogs ist jedoch, dass die Beiträge in dem Blog von jedem Leser kommentiert werden können, sodass ein Blog also in zweifacher Hinsicht User Generated Content ist. Wichtig ist auch darauf hinzuweisen, dass die meisten Blogger dies als Hobby betreiben und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Da Werbung auf Blogs in Deutschland eher verpönt ist, können selbst die Stars der Szene kaum von ihren Blog-Aktivitäten leben. Ursprünglich beschäftigten sich Blogs mit Internet-Themen und persönlichen Befindlichkeiten, doch schnell entwickelten sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Blog-Formen wie etwa Watchblogs (die Medien und Firmen kritisch beobachten), Litblogs (die sich mit Literatur beschäftigen), Edublogs (von oder für Studierende), Fotoblogs (die weniger Text und mehr Fotos veröffentlichen), Corporate Blogs (geführt von Firmen) und viele andere (Alby 2006: 21). Aus Sicht des Marketings sind nun vor allem zwei Aspekte interessant: Zum einen das Blog-Monitoring und zum anderen das Corporate Blogging. Genau wie die Marktbeobachtung zählt für Unternehmen das Beobachten der Blogosphäre, das Blog-Monitoring bereits heute zur Pflicht (Eck 2006: 204). Durch die Vernetzung der Blogs entsteht eine neue „digitale“ Öffentlichkeit im Internet. Die Diskussion in der Blogosphäre beeinflusst gleichzeitig die Meinungsbildung in der traditionellen Öffentlichkeit. Zwar liest die Masse der Deutschen (noch) keine Blogs, aber gerade von Journalisten und anderen Meinungsmachern werden Blogs genau beobachtet. Bemängelt eine Person in ihrem Internet-Tagebuch die Qualität eines Produkts, das vor kurzem gekauft wurde, kann dies durch die Vernetzung der Blogs ungeahnte Folgen haben. Ein Blog-Eintrag schlug beispielsweise 2004 solche Wellen, dass die betroffene amerikanische Firma Kryptonite das im Blog bemängelte Produkt vom Markt nehmen musste und ein Schaden von zehn Millionen Dollar entstand (Oetting 2006: 174). Für Kulturbetriebe ist es deshalb besonders wichtig, Blogs mit kritischen oder themenspezifischen Inhalten zu beobachten. Genau wie ein Kulturbetrieb die lokale Presse beobachtet, sollten Theateroder Museumsblogs unter die Lupe genommen werden, wenn man sich an 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 87 der „digitalen“ Meinungsbildung beteiligen möchte (z. B. www.museumblogs.org und www.theaterblogs.de). Für Kaufentscheidungen von Produkten benutzen bereits 95% aller Internet-User Websites und Blogs, um sich über Vor- und Nachteile zu informieren (Eck 2006: 203). Für den Kulturbereich gibt es noch keine genauen Zahlen, jedoch ist anzunehmen, dass eine ähnlich große Zahl vor dem Kartenkauf oder Museumsbesuch das Internet konsultiert. Neben der Beobachtung der Blogosphäre kann der Einsatz eines Blogs als Publikationskanal eine interessante Option darstellen. Unternehmen in anderen Branchen setzen solche Corporate Blogs bereits erfolgreich ein (einige Beispiele siehe Eck 2006 und Alby 2007: 21 ff.). Wichtig ist dabei, dass ein Corporate Blog als solches gekennzeichnet ist und offiziell mit der Website des Unternehmens verlinkt ist. Als Autoren der Blogs fungieren in der Regel nicht die Mitarbeiter der PR-Abteilung (zumindest offiziell), sondern „interessante“ Personen des Unternehmens, die in ihrem Blog Einblicke jenseits von alltäglichen Pressemeldungen geben können, d.h. Vorstandsvorsitzende, Leiter der Forschungsabteilung oder aber auch ein Fließbandarbeiter. Die Tagebuchform erzeugt einen persönlichen Bezug und lädt zum Meinungsaustausch mit dem Unternehmen ein, zudem wird damit ein hoher Grad an Glaubwürdigkeit erzeugt – weil anders als in einer Pressemeldung oder auf dem „offiziellen“ Teil der Website nicht im Werbedeutsch, sondern ganz „leger“ und offen kommuniziert wird. Für den Kulturbereich lässt sich dieses Modell durchaus übertragen. In einem Museums-Blog kann beispielsweise vor und während einer Sonderausstellung regelmäßig über den Fortschritt der Planung und den Aufbau berichtet werden, möglicherweise sogar vom Kurator selbst. In der Phase vor der Ausstellung kann, wenn mit dem Blog die Spannung zum Ausstellungsbeginn erhöht wird, hohe Aufmerksamkeit erzeugt werden. Während der Ausstellung kann dann ein Blog als Plattform für Interessierte fungieren, die nach dem Museumsbesuch die eigene Erfahrung dem Museum und den anderen Bloglesern mitteilen möchten. Zu bedenken ist, dass hier auch negative Stimmen zu Wort kommen können. Zwar lassen sich Beiträge einfach löschen. Sinnvoller ist es jedoch, auf diese Kritik zu antworten, denn gerade für offene und kritische Diskussionen sollte in einem Corporate Blog Platz sein, um die Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. In den USA gibt es eine Vielzahl von Museen, die Blogs für diese Zwecke einsetzen. Ein Beispiel ist Projekt „Eye Level“ des Smithsonian American Art Museum in Washington D. C. (http://eyelevel.si.edu/). In Deutschland ist dies noch eher selten zu beobach- 88 Simon A. Frank ten, ein Beispiel ist das Blog „Tagwerke“ des Museums für Kommunikation in Frankfurt. Auch für andere Bereiche, etwa Theater, Oper oder das kommunale Kulturmarketing eignet sich ein Blog als Marketinginstrument. Hier könnte etwa der (Kultur-) Bürgermeister, der künstlerische Leiter oder ein beteiligter Künstler in den Wochen vor der Veranstaltung regelmäßig in einem Blog von den Vorbereitungen (beispielsweise den Proben oder der Kommunikation mit den Künstlern) berichten. Diese einfache und interessante Marketing-Maßnahme wird in Deutschland ebenfalls noch viel zu selten genutzt. III. Perspektiven Auch wenn hier in der gebotenen Kürze nur einige Möglichkeiten angedeutet werden konnten, die das Web 2.0 bietet, haben sich darin bereits einige Anwendungsbereiche für das Online-Kulturmarketing gezeigt. Und selbst wenn die ein oder andere hier vorgestellte Web-2.0-Anwendung sich nur als kurzlebiger Hype erweisen wird und in ein oder zwei Jahren vergessen ist, ist zu betonen, dass trotzdem die Beschäftigung und das Experimentieren mit diesen aktuellen Mitteln für Akteure im kommunalen Kulturmarketing unerlässlich ist. In einem alten chinesischen Sprichwort heißt es treffend: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die andern Windmühlen. Das Web 3.0, 4.0 und 5.0 ist bereits in Sicht und jeder, der heute bereits beginnt, zumindest die Fundamente für Windmühlen zu bauen, muss sich vor zukünftigen Entwicklungen nicht fürchten. Literatur Alby, T. 2007: Web 2.0. Konzepte Anwendungen Technologien, München. Alby, T.; Karzauninkat, S. 2007: Suchmaschinenoptimierung. Professionelles Website-Marketing für besseres Ranking, München. Anderson, C. 2006: The Long Tail. Nischenprodukte statt Massenmarkt. Das Geschäft der Zukunft, München. Bischopinck, Y. von; Ceyp, M. 2007: Suchmaschinen-Marketing. Konzepte, Umsetzung und Controlling, Berlin. 3.3 Kulturmanagement 2.0 – Kommunales Kulturmarketing im Internet 89 Eck, K. 2006: Weblogs in der Kundenkommunikation, in: Schwarz, T.; Braun, G. (Hg.), Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, Waghäusel, 201–215. Friedlein, A.; Riedlberger, Peter 2002: Web-Projektmanagement. Systematisches Vorgehen bei der Planung Realisierung und Pflege von Websites, Heidelberg. Frank, S.A. 2008: Kulturmarketing im Internet, in: Klein, Armin (Hg.): Kompendium Kulturmanagement, 2. Auflage, München, 555–578. Heindl, E. 2003: Logfiles richtig nutzen. Webstatistiken erstellen und auswerten, Bonn. Hohn, B. 2004: Internet-Marketing und -Fundraising für Nonprofit-Organisationen, Wiesbaden. Hörner, T. 2006: Marketing im Internet. Konzepte zur erfolgreichen Online-Präsenz, München. Kaiser, S. 2007: Projektfahrplan für erstklassige Websites. Checklisten für die Konzeption Entwicklung und Wartung, Heidelberg. Klein, A. 2005: Kultur-Marketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, München. Oetting, M. 2006: Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, in: Schwarz, T.; Braun, G. (Hg.), Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, Waghäusel, 173–200. Schmahl, D. 2007: Moderne Online-Marketing-Methoden. Affiliate Marketing, Suchmaschinen Marketing, Viral Marketing und Web 2.0, Saarbrücken. Schwarz, T.; Braun, G. 2007: Leitfaden Online Marketing. Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert, Waghäusel. Weibel, P.; Diemand, V.; Mangold, M. (Hg.) 2007: Weblogs, Podcasting und Videojournalismus. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen, Hannover. 90 Sascha Armutat / Christiane Geighardt 3.4 Personalmanagement 2.0 — Chance oder Risiko Sascha Armutat und Christiane Geighardt Mit einer Befragung unter ihren Mitgliedsunternehmen ist die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) der Frage nachgegangen, für welche Aufgaben Personalmanager bereits von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die das Web 2.0 ihnen bietet. Die Studie zeigt, dass bislang erst wenige Vorreiter Web-2.0-Anwendungen nutzen. Die Mehrheit der befragten Personalmanager ist den neuen technischen Möglichkeiten gegenüber jedoch aufgeschlossen und erwartet, dass das Thema Web 2.0 für das Personalmanagement an Bedeutung gewinnen wird. I. Relevanz des Web 2.0 für das Personalmanagement Wikis, Blogs und Social Networks – im Web 2.0 gestalten die Nutzer selbst die Inhalte des Internets. Sie generieren Inhalte, präsentieren sich, knüpfen Kontakte, tauschen Informationen aus und verändern damit unbemerkt das Personalmanagement: Die Informationsdichte des neuen Internets bietet ungeahnte Chancen für das Personalmarketing und für die Rekrutierung. Die Grundprinzipien der Selbststeuerung und der Interaktivität eröffnen vor allem der Personalentwicklung und dem Wissensmanagement neue Wege. Auswirkungen auf das Personalmarketing Das Personalmarketing kann von dem Nutzerverhalten der potenziellen Bewerber profitieren. Beispielsweise kann das Unternehmen gezielt Jobangebote auf zielgruppenspezifischen Seiten platzieren oder Bewerbern anbieten, sich nach ihrem eigenen Informationsbedarf über das Unternehmen zu informieren (z. B. über Podcasts oder Corporate Blogs). Die Kehrseite der Medaille: Unternehmen werden mit Bewertungen konfrontiert, die ihr Bild als Arbeitgeber in der Öffentlichkeit prägen und auf die sie keinen Einfluss nehmen können. Mitarbeiter bloggen über Firmeninterna oder äußern sich auf Arbeitgeberbewertungsseiten im Netz über Führungskräfte, Arbeitsbedingungen und Unternehmenskultur. Ein Beispiel ist KUNUNU (www.kununu.de). 3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko 91 Auswirkungen auf die Personalrekrutierung Die Personalrekrutierung kann sich den Selbstoffenbarungstrend des Web 2.0 zunutze machen. Zum einen lassen sich aus der Vielzahl von Online- Communities wie StudiVZ gezielt potenzielle Bewerber identifizieren. Die Profile, mit denen sich Nutzer dieser Communities präsentieren, bieten hierfür oftmals interessante Ansatzpunkte. Zum anderen ergeben die Spuren, die die potenziellen Bewerber im Netz hinterlassen, ein interessantes Gesamtbild von der Person des Kandidaten – manchmal vorteilhaft, manchmal auch zu deren Ungunsten, wenn sie etwaige „Jugendsünden“ offenbaren. Dieses Background-Checking bringt Personalmanager nicht selten in Gewissensnöte, wenn sie entscheiden müssen, was ein im Web dokumentiertes unrühmliches Party-Ende über die Eignung einer Bewerberin aussagt. Und was die Entdeckung anrüchiger Chat-Aktivitäten eines Bewerbers über dessen Führungspotenzial aus? Auswirkungen auf die Personalentwicklung Die Personalentwicklung kann sich interaktiver Lernportale bedienen, um virtuelle Lernprozesse anzuregen: Gruppenarbeiten, Videokonferenzen, Informationsaustausch im Rahmen von internetbasierten Lernsituationen sind kein Problem. Mit Hilfe von Audio- und Video-Podcasts lassen sich Informationen authentisch, multimedial und einprägsam vermitteln. Das stellt allerdings höhere Anforderungen an diejenigen Personen, die die Lernprozesse begleiten: Neben ihren fachlichen Kompetenzen benötigen sie zunehmend mediendidaktische Fähigkeiten. Und die Investitionen in derartige Plattformen sind nicht zu unterschätzen. Auswirkungen auf das Wissensmanagement Das Wissensmanagement kann mit Hilfe von firmeninternen und externen Wikis auf ein neues Niveau gebracht werden. Bei diesen Wikis handelt es sich um Wörterbücher, die von den Nutzern kontinuierlich erstellt und verbessert werden. So lassen sich Erfahrungen dokumentieren und zu einem jederzeit aktuellen kollektiven Wissensbestand des Unternehmens bündeln. Vorteilhaft ist die Bereitschaft gerade jüngerer Mitarbeitergenerationen, solche Instrumente zu nutzen. Häufig existieren jedoch noch immer kulturelle Vorbehalte gegen ein derartiges Teilen von Wissen. Deutlich wird, dass das Web 2.0 die klassische Personalarbeit gründlich auf den Kopf stellt: Es ergeben sich neue Informationsquellen, neue Anwen- 92 Sascha Armutat / Christiane Geighardt dungsmöglichkeiten und neue Anforderungen an die handelnden Personalmanager. II. Status quo: Web 2.0 im Personalmanagement Mit einer Befragung unter ihren Mitgliedsunternehmen hat die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) untersucht, für welche Aufgaben Personalmanager bereits die neuen technischen Möglichkeiten nutzen. An der Befragung, die Ende 2007 durchgeführt wurde, haben sich 55 Unternehmen beteiligt. Die Befragungsergebnisse sind in der Ausgabe 1/2008 der DGFP-Workingpaper-Reihe PraxisPapiere ausführlich dokumentiert (www.dgfp.de/ praxispapiere). Nutzt Ihr Unternehmen Web-2.0-Anwendungen... ja noch nicht, können wir uns aber vorstellen 22 ...für das betriebliche Wissensmanagement? ..., um potenzielle Bewerber auf das Unternehmen aufmerksam zu machen? ...für die betriebliche Weiterbildung? 71 18 73 13 74 5 78 ..., um Informationen über Bew erber zu gew innen? 16 ..., um sich darüber zu informieren, wie (ehemalige) Mitarbeiter oder Bewerber über Ihr Unternehmen berichten? 16 0% 8 n=50 78 16 ..., um das Arbeitgeberimage des Unternehmens zu pflegen? 6 n=49 74 11 ...für das Projektmanagement? ...für die betriebliche Berufsausbildung? kommt für uns nicht in Frage 66 51 20% 40% 33 60% 80% 11 n=46 11 n=45 13 n=46 17 n=41 18 n=50 n=45 100% Abb. 3.4-1 Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im Personalmanagement (Quelle: DGFP 2008) Web 2.0 noch längst nicht in allen Personalabteilungen angekommen Die Studie zeigt, dass bislang erst wenige Vorreiter im Personalmanagement die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen. Je nach Personalaufgabe schwankt deren Anteil erheblich. So setzen immerhin bereits 22% der untersuchten 3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko 93 Unternehmen Web-2.0-Anwendungen für ihr betriebliches Wissensmanagement ein. Bei der Anwendung der Web-2.0-Tools für die betriebliche Berufsausbildung zählen hingegen nur fünf Prozent zu den Vorreitern. Die Mehrheit der befragten Personalmanager zeigt sich den neuen technischen Möglichkeiten gegenüber jedoch aufgeschlossen: Ungefähr drei von vier Befragungsteilnehmern nutzen die neuen Tools zwar noch nicht, können sich aber vorstellen, das in Zukunft zu tun. Ein differenziertes Bild ergibt sich bei genauerer Betrachtung der einzelnen Web-2.0-Anwendungen und ihrer Leistungsfähigkeit für den Einsatz im Personalmanagement. Web-2.0-Anwendungen im Personalmarketing und in der Personalrekrutierung Um Informationen über (potenzielle) Bewerber zu gewinnen, nutzen alle acht Unternehmen, die dafür bereits auf Web-2.0-Anwendungen zurückgreifen, Online-Communities. Vier Unternehmen recherchieren in Blogs und zwei Unternehmen in Wikis. Betrachtet man die Unternehmen, die zu diesem Zweck noch keine Web-2.0-Anwendungen einsetzen, zeigt sich ein ähnliches Bild: Die meisten dieser Unternehmen (86%) können sich vorstellen, in Online-Communities nach Informationen über (potenzielle) Bewerber zu suchen. 59% halten Wikis für eine grundsätzlich geeignete Informationsquelle. 55% können sich vorstellen, aus Blogs Informationen über Bewerber zu gewinnen. Im Web 2.0 werden die Nutzer zu Gestaltern: Ehemalige, derzeitige oder potenzielle Mitarbeiter eines Unternehmens informieren sich nicht mehr nur passiv, sondern gestalten das Arbeitgeberimage des Unternehmens durch ihre Äußerungen in Online-Communities, Blogs etc. aktiv mit. Sechs Personalmanager berichten, dass sie Web-2.0-Anwendungen bereits nutzen, um sich darüber zu informieren, wie sich (ehemalige) Mitarbeiter oder Bewerber über ihr Unternehmen äußern. Vier Personalmanager informieren sich in Online Communities, jeweils drei in Blogs und Wikis. Auch bei den Personalmanagern, die sich vorstellen können, künftig zu überprüfen, wie Mitarbeiter oder Bewerber das Unternehmen im Internet darstellen, stehen Online-Communities als Informationsquelle an erster Stelle (90%), gefolgt von Blogs (68%) und Wikis (47%). Ein weiteres Anwendungsgebiet ist das Employer Branding. Von sechs Unternehmen, die Web-2.0-Anwendungen zu diesem Zweck bereits aktiv nutzen, greifen vier auf Online-Communities zurück; jeweils zwei nutzen 94 Sascha Armutat / Christiane Geighardt Corporate Blogs beziehungsweise unternehmensexterne Blogs. 34 Unternehmen wenden noch keine Web-2.0-Tools an, um ihr Arbeitgeberimage zu pflegen, können sich aber vorstellen, dies in Zukunft zu tun: 83% halten dabei Onlin-eCommunities für ein geeignetes Tool; jeweils zwei Drittel sehen Potenzial in Corporate Blogs beziehungsweise Corporate Podcasts. Um die Aufmerksamkeit potenzieller Bewerber zu wecken, setzen acht Unternehmen bereits die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 ein. Alle acht Unternehmen nutzen zu diesem Zweck Online-Communities; zwei Unternehmen wenden sich an potenzielle Bewerber in der virtuellen Welt von Second Life und jeweils ein Unternehmen greift auf Wikis oder Blogs zurück. Die Personalmanager, die sich grundsätzlich vorstellen können, potenzielle Bewerber mit den Mitteln des Web 2.0 auf ihr Unternehmen aufmerksam zu machen, setzen mehrheitlich auf Wikis, Corporate Podcasts und Online-Communities (jeweils 68%) sowie auf Corporate Blogs (64%). Web-2.0-Anwendungen in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung Für die betriebliche Berufsausbildung nutzen bisher erst zwei der untersuchten Unternehmen Web-2.0-Anwendungen. Beide arbeiten mit Corporate Blogs und jeweils eins mit einem Corporate Wiki beziehungsweise mit einem Corporate Podcast. Im Unterschied dazu setzt die Mehrheit der Unternehmen, die die Nutzung des Web 2.0 in der betrieblichen Berufsausbildung bislang nur in Erwägung ziehen, auf Corporate Online-Communities (76%). 72% können sich die Nutzung von Corporate Podcasts, 60% die Nutzung von Corporate Wikis und 56% die Nutzung von Corporate Blogs vorstellen. Fünf Unternehmen setzen beim Thema betriebliche Weiterbildung bereits auf das Web 2.0. Jeweils drei Unternehmen nutzen dafür Corporate Wikis, Corporate Blogs und Corporate Online-Communities. Corporate Podcasts kommen in zwei Unternehmen zum Einsatz. Ähnlich fällt das Urteil der Unternehmen aus, die für die betriebliche Weiterbildung eventuell künftig die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen möchten: Je zirka 70% dieser Unternehmen können sich vorstellen, auf Corporate Wikis, Corporate Blogs oder Corporate Online-Communities zurückzugreifen. Web-2.0-Anwendungen im betrieblichen Wissens- und Projektmanagement Die bislang stärkste Verbreitung der Web-2.0-Anwendungen findet sich im Bereich des betrieblichen Wissensmanagements. Hier setzen schon neun der untersuchten Unternehmen auf die neuen technischen Möglichkeiten. Dabei greifen sie schwerpunktmäßig auf Corporate Wikis (fünf Unternehmen) und 3.4 Personalmanagement 2.0 – Chance oder Risiko 95 Corporate Online-Communities (vier Unternehmen) zurück. Jeweils drei Unternehmen nutzen für ihr Wissensmanagement unternehmensexterne Wikis, Corporate Blogs oder unternehmensexterne Online-Communities; je zwei Unternehmen verwenden unternehmensexterne Blogs oder Corporate Podcasts. 79% der Unternehmen, die gegenüber Web-2.0-Anwendungen für das Wissensmanagement grundsätzlich aufgeschlossen sind, können sich vorstellen, dafür Corporate Wikis einzusetzen; Potenzial wird auch Corporate Blogs (69%), Corporate Online-Communities (62%) und Corporate Podcasts (52%) zugeschrieben. Für das Projektmanagement greifen fünf der untersuchten Unternehmen bereits auf das Web 2.0 zurück. Sie verwenden dafür unterschiedliche Tools. Drei Unternehmen setzen Corporate Wikis ein, zwei Unternehmen nutzen Corporate Online-Communities und jeweils ein Unternehmen verwendet für das Projektmanagement einen Corporate Blog beziehungsweise Corporate Podcasts. Corporate Wikis stehen auch bei den Unternehmen, die sich vorstellen können, Web-2.0-Tools in Zukunft für das betriebliche Projektmanagement zu nutzen, an erster Stelle (70%). Fast zwei Drittel dieser Unternehmen sind offen für Corporate Online-Communities und 61% sind Corporate Blogs gegenüber aufgeschlossen. III. Fazit Die Befragung hat ergeben, dass nicht jedes Web-2.0-Tool für jede Aufgabe des Personalmanagements geeignet ist. Während virtuelle Welten wie die Avatare-Siedlung Second Life für das Personalmarketing interessant sein können, eignen sie sich nach Einschätzung der befragten Personalmanager wenig für die betriebliche Aus- und Weiterbildung oder das Wissens- und Projektmanagement. Online-Communities dagegen haben augenscheinlich das Potenzial, das Personalmanagement in diversen Aufgabenfeldern zu unterstützen. Sie werden bei den befragten Unternehmen für das Personalmarketing, für die betriebliche Aus- und Weiterbildung, das Wissens- sowie Projektmanagement genutzt. Auch Blogs und Podcasts kommen bereits sowohl für das Personalmarketing als auch für das Wissensmanagement und die betriebliche Weiterbildung zum Einsatz. Das Potenzial von Wikis und Tagging beziehungsweise Social Bookmarking sehen die Befragten dagegen primär im Wissens- und Projektmanagement sowie in der Aus- und Weiterbildung. 96 Sascha Armutat / Christiane Geighardt Mit den neuen Web-2.0-Anwendungen eröffnen sich interessante, aber noch weitgehend ungenutzte Perspektiven für das Personalmanagement. Das gilt sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für Wirtschaftsunternehmen. Denn auch in letzteren nutzen bislang erst einige wenige Vorreiter Web-2.0Anwendungen. Unabhängig von der Branche, der Größe und Form einer Organisation – fest steht, dass Personalmanager ihre Augen vor dem User Generated Internet nicht verschließen können und dürfen. Das tun sie auch nicht, wie die DGFP-Studie zeigt: Die deutliche Mehrheit der befragten Personalmanager (92%) erwartet, dass das Web 2.0 in den nächsten drei Jahren für das Personalmanagement an Bedeutung gewinnen wird. Literatur Deutsche Gesellschaft für Personalführung DGFP (Hg.) 2008: Web 2.0 – Chance oder Risiko für das Personalmanagement?, Düsseldorf. Jäger, W.; Jäger, M.; Frickenschmidt, S. 2007: Verlust der Informationshoheit, in: Personal 2/2007, 8–11. Spies, Rainer 2008: Corporate Blogs zwischen Authentizität und Marketing. Die neue Lust am Bloggen, in: Personalführung 3/2008, 30–36. 3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet 97 3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster und Fixmystreet Rüdiger Berg, Stefan Göllner und Georg Trogemann Unter dem Titel „Unortkataster Köln“ wird eine kartenbasierte, multimediale Web 2.0 Plattform entwickelt, auf der sich Bürger mit verbesserungswürdigen Orten ihrer Stadt diskursiv auseinandersetzen können. Das Unortkataster ist ein Experiment, das Bürgern ein direkt demokratisches Beteiligungsinstrument für Stadtentwicklung an die Hand geben will und umgekehrt Akteuren der Verwaltung ermöglichen soll, vom Wissen und der Kreativität der Bürger zu profitieren. Fixmystreet ist ein artverwandtes Projekt in England aus dem Jahr 2007. I. Einleitung Die Weiterentwicklung des Internets zu einem „Mitmachnetz“ hat auch die Hoffnung einer stärkeren Beteiligung und Anteilnahme des Bürgers an politischen Prozessen erneut entfacht. An der Kunsthochschule für Medien Köln wird unter dem Titel „Unortkataster Köln“ eine kartenbasierte Internet-Plattform entwickelt, auf der sich die Bürger Kölns mit städtischen Orten auseinandersetzen können, die aus ihrer Sicht einer Aufwertung bedürfen. Das Unortkataster ist eine webbasierte Software, die sich zum Ziel gesetzt hat, Bürgerwissen und -engagement und partizipative Web-Technologien zu verknüpfen. Es handelt sich um ein Experiment, um die Chancen neuer Technologien und deren Umsetzung in Nutzen stiftende Anwendungen auszuloten. Bei seiner Akzeptanz kann es als Werkzeug direkter Demokratie genutzt werden, insbesondere für die vereinfachte und verbesserte Lösung von Problemen und Konflikten im lokalen Kontext kommunaler Verwaltung. Die Anwendung ermöglicht den Bürgern, Orte als sogenannte „Unorte“ zu markieren und in einem konsultativen Verfahren Kritik und Verbesserungsvorschläge für mangelhafte Situationen im Kölner Stadtbild vorzubringen, zu dokumentieren und zu diskutieren. „Unorte“ ergeben sich dabei aus gestalterischen Defiziten, funktionalen Missständen bis hin zu pflegebedingten Mängeln. 98 Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann Die web-basierte Plattform wird durch das EU-Forschungsprojekt „Citizen Media“ unterstützt, im Rahmen dessen Web-2.0-Technologien erprobt werden, die einen gesellschaftlich relevanten, thematischen Fokus verfolgen und den Bürger bei der einfachen Erstellung qualitativ hochwertiger Inhalte unterstützen. Der partizipativen Software-Entwicklung wird dabei eine besondere Bedeutung zugemessen: es ist erklärtes Ziel, potenzielle Nutzer frühzeitig in die unterschiedlichen Entwicklungsphasen einzubeziehen. Schon zu Beginn der Software Konzeption wurden deshalb Beteiligungsverfahren eingesetzt, um ein Software-Design zu erarbeiten, das möglichst adäquat auf die spezifischen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten ist. Um qualifizierte Ansprechpartner für diesen Prozess zu gewinnen, wurden frühzeitig „Lead-User“ kontaktiert. Dabei handelt es sich um Menschen, die spezielle Kenntnisse über die lokale Lebenssituation in Kölner Stadtteilen haben. So wurde eine Gruppe von Kölner Architekten und Teilnehmern des Arbeitskreises „Bild der Stadt“ des Kölner Leitbildprozesses („Leitbild Köln 2020“) in die Entwicklung einbezogen, auf deren Anregung der PlattformTitel „Unortkataster“ zurückgeht. Das Potenzial, das sich in sozialen Netzwerken für die Moderation kritischer und reflexiver Kommunikationsprozesse auf lokalpolitischer Ebene verbirgt, ist noch weitgehend ungenutzt. Das Unortkataster setzt an diesem Defizit an und stellt eine Plattform bereit, die Bürgern ermöglicht, Inhalte mit lokalem Bezug zu hinterlegen und zu diskutieren. In dieser Weise sollen politische Entscheider ein besseres Verständnis über akute infrastrukturelle Probleme erhalten, um auf dieser Grundlage angemessene Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. II. Städtische Gemeinschaft versus globalisierte Online-Community Seit Beginn des Internets ist die „community“ ein wichtiger Schlüsselbegriff für die webbasierte Softwareentwicklung. Wenn man die städtische Gemeinschaft und Online-Communities vergleicht, ergeben sich einige Unterschiede. Online-Communities definieren sich über einen Themenfokus, die Würdigung der Beiträge der Mitglieder untereinander und eine spezifische, auf die geteilten Inhalte bezogene Kommunikation. Eine virtuelle Community ist ortlos: der thematische Fokus verbindet die Teilnehmer auch über regionale Beschränkungen hinweg. Lokale Communities hingegen definieren sich zu- 3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Die Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet 99 erst durch den gemeinsam geteilten Ort. Darüber hinaus bilden sich ebenso thematisch bedingte Beziehungen, die jedoch immer wieder in der räumlichen Begegnung ihre Bestätigung finden müssen. Es besteht in einer lokalen Community immer auch eine unfreiwillige Notwendigkeit zur Kommunikation. Die gemeinsame Nutzung von Orten wirft Konflikte auf, die von den Entscheidern nur angemessen gelöst werden können, wenn eine Verständigung über die konkreten Defizite stattfindet. Die bestehenden Beteiligungsverfahren erfordern jedoch ein starkes zeitliches Engagement, das deshalb von vielen Bürgern nicht aktiv wahrgenommen wird. Im Internet wird die Hemmschwelle teilzunehmen deutlich herabgesetzt: Anonymisierung und Abwesenheitskommunikation ermöglichen es, bequemer und unkomplizierter aktiv zu werden. Da sich die Bürger nicht mehr nur der virtuellen oder nur der lokalen Community zugehörig fühlen, macht es keinen Sinn mehr, beide als voneinander getrennt zu betrachten. Das Unortkataster generiert seinen Mehrwert aus der Verbindung der beiden Community-Strukturen: obwohl die Beteiligung an der Kartierungsanwendung online stattfindet, ist doch die genaue Beobachtung von Orten und die gleichzeitige Teilnahme anderer Menschen in der Umgebung notwendig, damit eine relevante Kommunikation entstehen kann. Wer nur mit unzureichendem lokalen Wissen einen Unort deklariert, wird in der Folge nicht genügend Mitstreiter und Aufmerksamkeit finden, um eine kritische Masse zu versammeln, die die Veränderung einer Situation anregt. III. Glokalisierung? Ein Effekt der gegenwärtigen Globalisierung ist der mit ihr einhergehende Bedeutungszuwachs des Lokalen, der als Glokalisierung beschrieben wird. Gerade wegen der Undurchschaubarkeit globaler Abläufe gewinnen die Orientierung und das Engagement im Lokalen für viele Personen an Bedeutung. Dadurch rücken auch die realen Orte und ihre Eigenheiten wieder stärker in den Fokus. Dieser Effekt wird in Europa dadurch verstärkt, dass Nationalstaaten ihre Kompetenzen sowohl an die EU als auch subsidiär an Kommunen abgeben. Für die Städte und Gemeinden bedeutet dies, dass ihre Aufgaben zunehmen und ggf. eine Überforderung eintritt. Es ist zu erwarten, dass die von den Bürgern initiierten und getragenen Selbsthilfepotenziale und sozialen Netze, die schon früher soziale Risiken aufgefangen haben und die durch den Sozialstaat zurückgedrängt wurden, wieder an Bedeutung und 100 Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann Akzeptanz gewinnen werden. Bürgerschaftliches Engagement ergänzt damit kommunale Leistungen oder ersetzt diese sogar. Hierbei können Wikis, Blogs und community-Software Unterstützung leisten, wenngleich keine Software das Engagement, Interesse und die Solidarität ersetzen kann. IV. Karten als Beteiligungsinstrumente Der Kartograph Philippe Rekacewicz hat darauf hingewiesen, dass es objektive Karten ebenso wenig geben kann wie objektive Statistiken. Karten enthalten per se Deutungsmuster und Abgrenzungen. Das Unortkataster setzt genau auf diese politische Aussagekraft von Kartierungen und funktioniert damit ganz anders als das städtische Kataster: geographische Präzision und statistische Genauigkeit ist hier zweitrangig. Das dem Unortkataster zugrunde liegende Kartenmaterial von Google unterliegt keiner konstanten Aktualisierung und die Beiträge der Teilnehmer keiner Zensur. Der Informationsgehalt einer kollaborativ erstellten Karte ist nur dann sinnvoll zu deuten, wenn eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung ihrer Inhalte und der Struktur ihrer Teilnehmer stattfindet. Die Verknüpfung von CommunityInhalten und einer Karte bietet die Chance, die im Internet ortlosen Inhalte und Teilnehmer wieder an physische Orte anzubinden und an der Auseinandersetzung über die Nutzung und Gestaltung dieser Orte zu beteiligen. Die Karte erhält im Verlauf der Benutzung eine Informations-Ebene, die gelesen werden kann und neben der räumlichen Verknüpfung auch Aktualität und zeitliche Distanz der Inhalte zueinander dokumentiert. Eine statische Karte kann sich so zu einem dynamischen Dokumentationsmedium entwickeln, auf dessen Grundlage über die Ausstattung und Verwendung von Orten entschieden werden kann. Aus der Perspektive der Verantwortlichen entsteht ein Bild öffentlicher Meinung, das einen hohen Anschauungsgrad besitzt und unterschiedlichste Lesarten zulässt. 3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet V. 101 Konzept und Funktionalitäten des Unortkatasters Wer die Website www.unortkataster.de besucht, sieht zunächst eine Karte Kölns, über die sich alle weiteren Funktionen der Anwendung erschließen. In vier Kategorien sind Marker gesetzt, die von den Teilnehmern am Portal verortet wurden. Besucher der Seite gelangen über diese Marker zu den angehängten Inhalten. Eine mit der Karte verbundene Zeitleiste ermöglicht die Filterung der dargestellten Markierungen in einem variablen Zeitrahmen. Orte zu denen ein Inhalt ergänzt wird, werden auf dieser Zeitleiste aktualisiert, Orte, die nicht mehr von Interesse sind werden ausgeblendet. Zum einen können so aktuelle von älteren Beiträgen unterschieden werden, gleichzeitig erschließt sich über die Zeitleiste aber auch die Archiv-Funktion des Unortkatasters und der Zugriff auf bereits nicht mehr aktiv behandelte Orte und gelöste Probleme. Zur Vereinfachung der Navigation dient eine Viertel-Karte. Sie erlaubt eine einfache Fokussierung auf die Bezirke Kölns. Dieser Aspekt ist wichtig, da Bürger Probleme in der Stadt zunächst im Hinblick auf die eigene Wohnumgebung wahrnehmen. In den Detailansichten eines Unortes findet sich ein Forum-Modul, eine Medien-Galerie für Fotos, Videos und Audiodateien sowie ein Bereich mit Bewertungsfunktionen. Karten und Listen-Ansicht Angemeldete Benutzer können neue Unorte auf der Karte hinzufügen, an Diskussionen teilnehmen oder audiovisuelle Inhalte zu bestehenden Unorten ergänzen. Das Anlegen eines Unorts eröffnet die Diskussion unter den angemeldeten Teilnehmern und fordert Reaktionen heraus. Die Beteiligung an bestehenden Unorten ist auf verschiedenen Ebenen möglich: durch Zustimmung oder Ablehnung (Poll), über Textbeiträge und die Bewertung von Kategorien im Bewertungsbereich. Ein Instrument zur thematischen Fokussierung bietet der zu jedem Unort angebotene RSS-Feed: neue Beiträge zu einem Unort sind damit gezielt und einfach nachzuverfolgen. Das Unortkataster will kein Meckerkasten sein, Kommentare zu Unorten können von den Benutzern als Verbesserungsvorschläge deklariert werden, die produktive Vorschläge zur Lösung eines Problems enthalten. VI. Unortkataster – eine Art Fixmystreet? Das Unortkataster ist mit dem britischen Internetdienst Fixmystreet verwandt, der den Arbeitsaufwand und die zeitlichen Abläufe lokaler Verwal- 102 Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann tungen effizienter gestalten soll, indem infrastrukturbezogene Einzelanfragen von Bürgern auf eine öffentliche Plattform verlagert werden. Die Plattform ermöglicht dem britischen Bürger landesweit Probleme seiner näheren Umgebung zu kartieren, bereits gemeldete Missstände zu erkennen und bei Bedarf auf Textbasis mit anderen Bürgern zu diskutieren. Die Anwendung ermöglicht dem Bürger gleichzeitig die Kontrolle dessen, was die über 400 teilnehmenden Verwaltungen auf ihre Eingaben hin unternehmen. Die zuständige lokale Verwaltung erhält die Problembeschreibung und -verortung von öffentlichen Missständen in der Umgebung des Bürgers bereits wenige Minuten nach dessen Eintrag, die Kommunikation findet automatisiert zwischen Plattform und Verwaltung statt. Für die Rückmeldung gelöster Probleme zeichnet sich die community der Mitwirkenden der Plattform, durch Eintrag auf der Plattform wiederum selbst verantwortlich. Die Entwicklung von Fixmystreet wurde durch einen Zusammenschluss von 15 lokalen Verwaltungen und Interessensgemeinschaften mit einem öffentlichen Budget von nur 10.000 Pfund initiiert. Ein Jahr nach Start der Plattform zeichnet sich eine rege Nutzung sowie die effiziente und zeitnahe Beseitigung von Mängeln im öffentlichen Raum ab. Die Problemfelder der Nutzer von Fixmystreet konzentrieren sich im Wesentlichen auf klar zu definierende und kurzfristig abzuschaffende Mängel im Bereich des nachbarschaftlichen Umfeldes, wie beispielsweise defekte Straßenbeleuchtung, Mängel und Pflege öffentlicher Bodenfläche und Beseitigung von wildem Schutt. Davon unterscheidet sich das Unortkataster maßgeblich. Nicht die umgehende Beseitigung des öffentlich empfundenen Mangels steht im Vordergrund, sondern der bürgerliche Austausch und die Diskussion als Basis demokratischer Lösungsfindung für komplexe lokale Probleme, wie Veränderungen von Architektur oder Infrastruktur. Das Ergebnis der öffentlichen Diskussion ist dabei nicht das direkte Ziel, ihre Analyse kann jedoch frühzeitig Hinweise auf bürgernahe Lösungen liefern. Gleichzeitig kann die Verwaltung selbst Lösungsvorschläge einbringen, um deren Tragfähigkeit und Akzeptanz frühzeitig auszuloten. Zur Unterstützung dieses Meinungsbildungsprozesses stellt das Unortkataster Web-2.0-Funktionalitäten zur Verfügung. Beispiele sind Abstimmungen („Voting“) oder die mediale Anreicherung von Diskussionen durch den Bürger („User Generated Content“) über Foto- und Videobeiträge. Durch eine Zeitleiste kann zusätzlich der Diskussionsverlauf nachverfolgt werden. 3.5 Öffentliche (Un-) Ordnung 2.0: Beispiele Unortkataster u. Fixmystreet 103 VII. Ziele und Chancen des Unortkatasters Das Unortkataster stellt ein Verfahren bereit, das die Beteiligung von Bürgern in Fragen der Stadtentwicklung ermöglicht und zur Dokumentation akuter Missstände aufruft. Die technischen Anforderungen an die Benutzer sind gering. Das Verfahren bietet zusätzlich die Chance, gerade eine jüngere Zielgruppe aktiver in die politische Gestaltung lokaler Lebensräume einzubeziehen, für die das Internet ein alltägliches Kommunikationsmedium darstellt. Wer an einem Ort lebt und arbeitet, hat zum einen ein besonderes Interesse an einer Verbesserung unbefriedigender Zustände, zum anderen kann er aufgrund seiner unmittelbaren Betroffenheit Vorschläge entwickeln, wie eine Situation verbessert werden könnte. Dieses Wissen fehlt den politischadministrativ Verantwortlichen. Die Kommunikation zwischen Bürgern und Administration kann langfristig verbessert werden, wenn erreicht wird, dieses ortsbezogene Wissen ergebnisorientiert auszutauschen. Das Unortkataster ermöglicht ein darauf abgestimmtes Diskursmanagement. Durch die Plattform kann ein neuer Informationskanal in die Prozesse der betroffenen Organisationseinheiten eingeführt werden. So können z.B. Verantwortliche der Stadtentwicklung, Verkehrsplanung, Entsorgung oder Grünpflege vom Wissen und von der Kreativität der Bürger profitieren. Über das Wissen des Einzelnen hinaus sind auf einer Karte auch Dynamiken ablesbar, die sich erst aus der Summe unterschiedlicher Beiträge ableiten lassen: so lassen Ansammlungen von Unorten eventuell Aussagen über die Beteiligung der dort lebenden Bewohner zu, es kann sich aber auch ein Hinweis auf eine besonders problematische Situation ergeben. Um das indirekt entstehende kollektive Wissen verstehen zu können sind geostatistische Visualisierungen geplant, die als zusätzliche Informationsebenen die Karten ergänzen werden. Intelligente Such- und Vergleichsfunktionalitäten können dazu beitragen, aus der Summe von Einzelbeiträgen Tendenzen zu erkennen, die von punktuell diagnostizierten Problemen zu Lösungsansätzen in größerem Maßstab führen. Das Unortkataster ist als Langzeitexperiment konzipiert. Es soll als ein Instrument dienen, das den Prozess der ortsbezogenen Auseinandersetzung kontinuierlich und dauerhaft begleitet. Langfristig entsteht so ein Archiv von Problemlösungen, auf das bei zukünftigen Entscheidungen zurückgegriffen werden kann. Dazu bedarf es zunächst einer intensiven Community-Arbeit, die schließlich zu einer regelmäßigen Beteiligung der Bewohner führen soll- 104 Rüdiger Berg / Stefan Göllner / Georg Trogemann te. In der noch ausstehenden Phase der Veröffentlichung werden deshalb gezielte Anstrengungen unternommen, um das Unortkataster und die Auswirkungen seiner Kommunikation auch im realen Raum der Stadt sichtbar zu machen. Denn erst wenn die Kommunikation im virtuellen Raum auch im realen Raum Spuren hinterlässt, kann von einem Erfolg der Applikation gesprochen werden. Die Möglichkeit, unzensiert auf lokale Probleme hinzuweisen, wurde im Entwicklungsprozess von Beteiligten immer wieder auch kritisch beurteilt, da die Möglichkeit einer politischen Vereinnahmung der Anwendung nicht ausgeschlossen werden kann. Ziel sollte deshalb sein, nach den zunächst involvierten Spezialisten bald einen breiten Querschnitt von Bürgern als Anwender zu gewinnen. Wenn dieser plattformbasierte Dialog letztlich Folgen für lokalpolitische Entscheidungen hat, wäre das Unortkataster dem Anspruch gerecht geworden, ein zeitgemäßes Instrument für mehr Demokratie zu sein. 3.6 Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung 3.6 105 Immobilienmanagement 2.0 — neue Formen der Kundenbetreuung Alexandra Decker Immobilienmanagement im kommunalen Bereich kann sich nicht nur auf das Verwalten und Vermarkten von Immobilien hinsichtlich eines kostenorientierten Einsatzes der Immobilie beschränken, sondern muss sich auch um die Entwicklung einer „gesunden“ sozialen Struktur innerhalb eines Bestandes kümmern. Online-Communities für Mieter eröffnen ganz neue Formen des sozialen Quartiersmanagements und können zudem für einen innovativen Kundenservice eingesetzt werden. Der Artikel beschreibt diese neue Art des Dialogs zwischen Mieter und Vermieter. I. Einleitung Gerade im kommunalen Bereich kann sich Immobilienmanagement nicht nur auf das Verwalten und Vermarkten von Immobilien in Bezug auf einen langfristigen und kostenorientierten Einsatzes beschränken. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften haben ein vielfältiges Interesse an dem Erhalt beziehungsweise der Entwicklung einer „gesunden“ sozialen Struktur innerhalb eines Bestandes. Gefordert ist aber in Zeiten angespannter städtischer Haushalte nicht nur klassisches Quartiersmanagement zur Förderung solcher Strukturen, sondern neue innovative und visionäre Ideen im Hinblick auch auf eine effektivere Immobilienbewirtschaftung. Ein gesundes, gewachsenes und soziales Miteinander in Wohnanlagen wirkt sich nicht nur positiv auf den Wert der Immobilie aus, sondern erspart der gesamten Kommune soziale Probleme und kann sogar die lokale Wirtschaft fördern. Dies ist heute im Zuge der Anonymisierung und Vereinsamung der Menschen durch wachsende Singlehaushalte in allen Altersstufen eine große Herausforderung. Insbesondere die Vermittlung von Sicherheit und Vertrautheit in ihrer jeweiligen Umgebung hat zunehmende Bedeutung. Wie sieht das soziale Netzwerk der Zukunft aus? Hat die geographische Nachbarschaft in Zeiten des Internets überhaupt noch eine Zukunft? Wie kann das Internet für das soziale Quartiersmanagement eingesetzt werden? 106 Alexandra Decker Und welche Chancen ergeben sich dadurch für Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften, ihrem oft unmodernen Touch zu entkommen und sich damit einer neuen Mieterklientel zu erschließen? Eine Internetpräsenz mit Web-2.0-Features bietet für das Immobilienmanagement neben einer modernen und zukunftsoffenen Außendarstellung in erster Linie drei wichtige Vorteile: • Implementierung wirtschaftlicher Prozess-Strukturen im Immobilienmanagement (Objekt- und Mieterbetreuung), insbesondere durch kostengünstige Kommunikationsformen und -wege; • Effizientes Quartiersmanagement: Die Mietergemeinschaft als OnlineCommunity im Netz; • Gezieltes und ebenfalls kostengünstiges Bestandskunden-Marketing. II. Effektive Kundenbetreuung Schon sehr früh hat die Immobilienbranche das Internet als Vertriebsweg entdeckt. Nicht nur auf Immobilienportalen kann ein Wohnungsinteressent gezielt nach passenden Objekten suchen, sondern auch die Wohnungsanbieter selbst bieten auf ihren Webseiten Suchmasken an und haben ihr gesamtes Portfolio an vermarktungsrelevanten Wohnungen hinterlegt. Das Internet als Kommunikationsmedium im Kundenservice dagegen ist bei vielen Unternehmen unterentwickelt und beschränkt sich oftmals auf FAQ- und GlossarSeiten. Anträge auf bauliche Veränderungen oder die Änderung der Bankverbindung werden nach wie vor per Telefon und Fax kommuniziert oder persönlich in den wöchentlichen Sprechstunden vorgetragen. Mithilfe von Web-2.0-Lösungen können nun Prozesse im Immobilienmanagement entwickelt werden, die ein hohes Einsparungspotenzial mit sich bringen. Dies kann wie folgt aussehen: Innerhalb eines Log-in Bereiches, in den ein Nutzer nur durch seine Authentifizierung als Mieter gelangen kann, werden auf ihn zugeschnittene Informationen bereitgehalten, die bisher nur durch personalintensive Anfragen, persönlich oder telefonisch, herausgefunden werden konnten. Diese gezielte Kommunikation, durch eindeutige Zuordnung und Identifikation auf Grund des Log-In-Vorgangs, kanalisiert Anfragen vorab. Sie können teilweise automatisiert bearbeiten und bieten dem Mieter von Öffnungszeiten und Telefonzeiten unabhängige Informationskanäle. Mängelmeldungen, Anträge auf bauliche Veränderungen etc. werden über E-Formulare gesteuert, die dann entweder direkt an den zuständigen Mitarbeiter 3.6 Immobilienmanagement 2.0 – neue Formen der Kundenbetreuung 107 geleitet werden oder, wenn Backend-Architektur und das Ressourcenplanungssystem dementsprechend aufgebaut sind, direkt in dieses sogenannte ERP (Enterprise Resource Planning) übertragen werden und dort Prozesse auslösen. III. Nachbarschafts-Community Der Log-In Bereich kann nun im Sinne einer klassischen Web-Community ausgebaut werden. Zutritt haben weiterhin nur Mieter der eigenen Bestände. Analog anderer sozialen Netzwerke im Web haben registrierte Mieter ein Profil angelegt und können nun untereinander kommunizieren. Sie entscheiden dabei selbst, wann und ob sie ihre Identität preisgeben und wann und ob sie ihre Interaktion aus dem virtuellen Bereich herauslösen wollen. Durch Angebote wie zum Beispiel einem Suche/Biete Marktplatz können Mieter mit anderen Mietern auf Grund eines konkreten Anlasses in Kontakt treten. Informationen, wie Name und Adresse, werden auch hier in der ersten Kontaktphase nicht preisgegeben, erst durch den direkten Mailverkehr können sich Mieter einander offenbaren. So kann zum Beispiel ein Mitglied einen Sportpartner auf diesem Weg suchen und finden. Diese virtuellen Begegnungsstätten soll aber nur Portal beziehungsweise Vorstufe für ein soziales Miteinander in der realen Welt sein. Im Sinne eines sozialen Miteinanders kann hier die Hemmstufe für das Anbieten von ehrenamtlichen Diensten in der Nachbarschaft herabgesetzt werden. Dieses virtuelle Offerieren ist unkompliziert, spontan und transparent für den, der eine Dienstleitung anbietet, aber auch für den, der eine solche Dienstleistung annehmen will. Quartiersmanagement entsteht hier durch die Bewohner selbst und kann sich zu einem lebhaften nachbarschaftlichen Miteinander entwickeln. Die Unternehmen brauchen dabei allenfalls lenkend und unterstützend tätig werden, können aber auch gerade in den Anfängen durch Aktionen wie die Organisation eines Mieterfestes untersützen. Ihre Aufgabe soll aber in erster Linie die Administration und Pflege des Community-Bereichs sein und diesen durch immer neue und interessante Features attraktiv zu halten. Die Leistungen sind nicht zuletzt notwendig, um innerhalb der Vielzahl der sozialen Netzwerke, die heute für alle Lebensbereich nutzbar sind, bestehen zu können. 108 IV. Alexandra Decker Marketing Da sich auch im Immobilienbereich langfristige Kundenbeziehungen auf den Unternehmenserfolg positiv auswirken, sind die registrierten Mieter im Netz eine transparente Zielgruppe für Customer Relationship Marketing. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Beispiele dafür sind „Mieter-werben-Mieter“ Maßnahmen oder Mieterprivatisierungsangebote. Auch hier liegen die Vorteile in der Kosteneffizienz und der gezielten Ansprache. Etabliert sich die Online-Community innerhalb einer Mieterschaft, kann dieses Medium sogar perspektivisch viele kostenintensive Marketing-Maßnahmen einsparen. Mit Newslettern werden die Mieter allgemein über Unternehmensaktivitäten informiert. Diese personalisierten Ansprachen können auch zielgruppenspezifisch, basierend auf den Informationen, die im Profil hinterlegt sind, ausgerichtet sein. V. Perspektiven Die hier aufgezeigten Möglichkeiten einer Social Community im Immobilienmanagement beinhalten Chancen der Weiterentwicklung und Effizienzsteigerung in vielfältiger Hinsicht. Trotzdem darf natürlich nicht vergessen werden, dass die Gewinnung von Mitgliedern und die Etablierung der Community in der Anfangsphase Marketingmaßnahmen erfordert, die Mieter mit dem neuen Medium vertraut machen und den Kundennutzen kommunizieren. Zudem leben Communities von Weiterentwicklung und Anpassung an Trends. Nach der Erstimplementierung muss an dieser Attraktivität kontinuierlich gearbeitet werden. Auch eine permanente Überwachung durch einen Community Manager, der negative Strömungen und Tendenzen erkennt, analysiert und lenkt, ist unabdingbar. Eine positive Bestandsentwicklung in sozialer Hinsicht durch eine gelebte Nachbarschaft – im Netz und daraus sich entwickelnd „auf der Straße“ –, insbesondere bei problematischen Beständen, wirkt sich nachhaltig positiv auf die Wertentwicklung des Portfolios aus und kann klassisches Quartiermanagement unterstützen und perspektivisch sogar ersetzen. Zudem zeigt eine Internetpräsenz mit den aufgezeigten Features, dass es sich um ein Wohnungsunternehmen handelt, dass sich zukunftsweisenden Technologien nicht versperrt und sich damit nach außen als modernes und offenes Unternehmen positionieren kann. 3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ... 3.7 109 Stadtentwicklung 2.0 — Kommunale Entscheidungen durch öffentliche Diskussionen im Internet Anina Böhme und Daniela Riedel Die Stadt ist ein Verhandlungsraum. Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie nicht daran vorbei, das Internet als öffentlichen Raum für den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin zeigt, können Bürger, Blogger, Interessenvertreter gleichermaßen ihre Motive argumentativ und mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammenführen. I. Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“ Raum wird in unserem Sprachgebrauch als etwas selbstverständlich Gegebenes verwendet und mit Wänden und festen Grenzen verbunden. Im Gegensatz zu diesem klassischen Verständnis kann man Raum auch breiter fassen: als Vorstellungswelt, als Bedeutungssystem und in Form von Handlungsräumen. Die Stadt ist ein Verhandlungsraum, der materiell und diskursiv umkämpft ist. Die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden hängt davon ab, welche Akteure und Institutionen über die Flächen verfügen und sich letztlich durchsetzen können. Traditionell bestimmen die öffentliche Hand und zunehmend private „Landlords“ über die Stadtentwicklung. Entsteht ein neues Gebäude oder ein Park, so wird das Bild dieser Akteure in die Wirklichkeit übertragen. Sie entscheiden, wo und in welcher Form gebaut wird und in welcher Form die Flächen genutzt werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Gestaltung und die Benutzung des baulichen Raumes. An den Verhandlungen sind zunehmend auch andere gesellschaftliche Gruppen beteiligt. Junge Architekten- und Stadtplanerteams, Künstler, Kulturinteressierte, soziale Initiativen oder Bewohner fangen an, den Raum zu besetzen. Sie kreieren neue Verfahren und Instrumente. Dieser Handlungsspielraum wird vor allem an den gesellschaftlichen „Übergangsorten“ mög- 110 Anina Böhme / Daniela Riedel lich, bei Pionier- und Zwischennutzungen. Dabei handelt es sich um ungenutzte Häuser, Flächen oder symbolische und politisch aufgeladene Orte. Ein Beispiel ist der ehemalige Palast der Republik. Diese Räume wurden durch soziale und künstlerische Sinnzuschreibungen verändert. Die verschiedenen Gruppen wollen aufzeigen, was jetzt und in Zukunft wichtig für die Stadtentwicklung ist: Die Gestaltung und das Agieren im sozialen Raum. Diese neue Haltung drückt sich in einer schrittweisen Entwicklung durch Aneignung und Aktionen statt einer jahrelang vorausschauenden Planung aus. Handlungsspielräume und Diskurse, um andere städtische Lebensweisen und politischer Teilhabe auszuprobieren, werden zum entscheidenden Gestaltungselement. Für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Regionen ist es entscheidend, neben der baulichen Gestaltung auch die Bewohner an der Raumentwicklung teilhaben zu lassen und ihren Interessen Rechnung zu tragen. II. Das Internet als Verhandlungsraum Ursprünglich hatten Plätze, Straßen, Parks etc. die Funktion, Orte zu schaffen für die Öffentlichkeit: für Informationsaustausch und persönliche Auseinandersetzung. Mit zunehmendem technischem Fortschritt wird diese Aufgabe mehr und mehr von Medien wie dem Mobiltelefon, dem Radio, dem Fernseher und dem Internet übernommen. Ergänzend zur gebauten Realität wird das Internet zum mächtigen öffentlichen Raum der Meinungsbildung. Das Internet präsentiert eine völlig eigene Öffentlichkeit: es lassen sich Kontakte zur Außenwelt herstellen, ohne auch nur die Wohnung zu verlassen. Information und Wissen kommen via Datenautobahn direkt in die heimatliche Stube. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich ein Prozess der Demokratisierung im Alltag der Bewohner vollzieht. Über Mailinglisten, Blogs oder Social Networks vernetzen sich die Menschen. Sie begrüßen es, von Zuhause aus Kontakte zu knüpfen, sich mit Hilfe von Videos, Fotos und persönlichen Profilen zu präsentieren, Sichtweisen auszutauschen und Beziehungen aufrecht zu erhalten. 3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ... 111 III. Berliner Stadtentwicklungspolitik: Planen mit mehr als 1.000 Beteiligten Entscheidungen in Städten und Kommunen sind natürlich schon lange keine Einbahnstraße mehr. Politische Leitideen und städtische Entwicklungen werden über sehr verschiedene Kanäle gesteuert und kommuniziert. Dabei findet auch das Internet zunehmend Bedeutung. Die öffentliche Hand initiiert vereinzelt Online-Umfragen, moderierte Online-Dialoge oder Online-Petitionen, um die Meinung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse einzubinden. Großstädte wie Berlin, Köln oder Hamburg zeigen, dass öffentliche Expertisen über das Internet zur kreativen Ressource der Entscheidungsfindung werden können: zur Bestimmung von Qualitäten einzelner Orte, von Nutzungsanforderungen und von Gestaltungsideen für Plätze und Parkanlagen sowie für die Entwicklung von Leitbildern oder das Vorbereiten von Wettbewerbsverfahren. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin setzt bei wichtigen Entscheidungen auf eine breite Mitwirkung der Bürger. Bewährte Instrumente der Bürgerbeteiligung werden mit innovativen Methoden der elektronischen Kommunikation und einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit kombiniert. So wird ausprobiert, ob Web-Technologien (Wiki, Google Earth, GIS) und Verfahrenskonzepte (Moderierte Online-Dialoge, TED-Meetings, Auswahl Technik und Software etc.) neue Formen von Diskursen hervorbringen und wie sie die Stadtentwicklung beeinflussen. Konzept-/Masterplan-Diskussion zur Weiterentwicklung des Kulturforums Berlin (2004/2005) Das Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz war lange Zeit ein planerisch umstrittener Ort. Durch divergierende architektonische Leitbilder in der Fachöffentlichkeit konnte bisher kein Konsens zur Platzgestaltung gefunden werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entschloss sich, 2004 einen öffentlichen Diskurs zur Entwicklung des Kulturforums in Berlin zu initiieren. Parallel zu Architekturgesprächen, Ideenwerkstätten und Vor-Ort-Veranstaltungen wurde ein moderierter Online-Dialog durchgeführt (www.kulturforum-dialog.de). Die Beteiligten konzentrierten sich in der vierwöchigen Diskussion darauf, gemeinsame Interessen heraus zu arbeiten: Nutzungsvorschläge und Marketingstrategien zur Aufwertung des Ortes. Die Teilnehmenden konnten mittels Wikis die Diskussion mit Unterstützung der Moderation 112 Anina Böhme / Daniela Riedel zusammenfassen. Auf diese Weise entstanden 14 Konsens-Beiträge, die der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung übergeben wurden und in den Masterplan Kulturforum eingingen. Vorbereitung und Begleitung Wettbewerb zur Parkgestaltung Gleisdreieck Die Vorstufe und Begleitung des landschaftsplanerischen Wettbewerbs für die größte noch bestehende innerstädtische Brachfläche – das Gleisdreieck – zeigte vor allem die Erwartungen und Parkanforderungen der Anwohner und späteren Nutzer. Ziel der Senatsverwaltung war es, neben den traditionell etablierten Bürgerinitiativen auch die allgemeine Berliner Öffentlichkeit zu erreichen, die diesen großflächigen Park künftig nutzen wird. Abb. 3.7-1 Spaziergänger formulieren Ihre Ideen zur Parkgestaltung. Die Moderation unterstützt beim Eingeben. (Quelle: Riedel – Zebralog) In drei Wochen moderierter Online-Diskussion auf www.gleisdreieckdialog.de besuchten 50.000 Besucher das Dialog-Angebot. 388 meldeten sich mit Mailadresse an, um 500 Vorschläge und Kommentare einzureichen. Am Ende gab es neben diesen zahlreichen Einzelvorschlägen, ein gemeinsam erarbeitetes Empfehlungspapier für die Politik und Verwaltung: das Gemeinsame Ergebnis. Diese Ziele, Nutzungs- und Finanzierungsvorschläge wurden zum festen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen für den landschaftsplanerischen Architektenwettbewerb. Vorbereitung B-Plan und Wettbewerb für die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße (2006) Um den Wettbewerb für die Erweiterung der Gedenkstätte Bernauer Straße zu konkretisieren, wurde ein moderierter Bürger-Dialog von Senatsverwal- 3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ... 113 tung und künftigem Nutzer dem Dokumentationszentrum Berliner Mauer initiiert. Durch die direkte Ansprache der Anwohnenden, Grundstückseigentümer und anderen Interessensgruppen wurden relevante Gruppen von Beginn an eingebunden. In der zweiwöchigen Online-Diskussion auf www.berlin.de/mauerdialog wurden auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge Themenschwerpunkte gebildet, die unterschiedlich in das weitere Verfahren eingebunden wurden. Die Online-Diskussion war geprägt von hoher Emotionalität und den vielfältigen Interessen im Spannungsfeld zwischen prosperierender Stadtentwicklung und bewahrendem Gedenken. Stichwortfunktionen ermöglichten ein schnelles Nachlesen und Vergleichen unterschiedlicher Beiträge. Parallel zur Diskussion im Internet wurden Mauerstreifen-Spaziergänge mit Informationsstationen initiiert. Auch Menschen, die das Internet nicht nutzen, hatten so einen unkomplizierten Zugang zum Thema. Abb. 3.7-2 Besucher und Teilnehmer des Online-Dialoges informieren sich bei den Mauerstreifzügen über die Geschichte und Zukunft des Ortes und stimmen auf dem TED-Meeting über Prioritäten ab. (Quelle: Riedel – Zebralog) Den Abschluss bildete eine Bürgerversammlung der besonderen Art: ein TED-Meeting. Mit Hilfe von kleinen Fernbedienungen, sogenannten Key- 114 Anina Böhme / Daniela Riedel pads, konnte jeder einzelne Versammlungsteilnehmer per Knopfdruck anonym abstimmen. Das Ergebnis erschien sofort auf einer Leinwand und wurde von den Verantwortlichen der Senatsverwaltung und den Nutzern im direkten Gespräch resümiert. Dieses TED-Meeting leitete in die formelle frühzeitige Bürgerbeteiligung für den Bebauungsplan über. Die Beteiligung war insgesamt wesentlich größer als bei klassischen Verfahren. Innerhalb von nur zwei Wochen informierten sich fast 10.000 Website-Besucher im Online-Dialog. 1.400 Spaziergängern wurden auf den Mauerstreifzügen die Planungen näher gebracht. Ins Internet wurden über 360 Diskussionsbeiträge eingestellt. Bei dem abschließenden TED-Meeting wurden differenzierte Meinungsbilder von 60 Interessierten per Knopfdruck erfasst. IV. Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie nicht daran vorbei, das Medium Internet für den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Es ist ein öffentlicher Raum, der sonst von anderen gesellschaftlichen Gruppen gestaltet wird. Nach dem Motto „Hier ist Platz für Ihre Meinung“ sollten Kommunen öffentliche Kommunikationsräume schaffen, um verschiedene Interessen in argumentativen Prozessen und mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammen zu führen. Bürger, Blogger, Interessensvertreter gleichermaßen sind in Online-Diskussionen gezwungen, ihre Standpunkte mit Argumenten zu untermauern, um andere zu überzeugen. Die Sachebene tritt durch die textbasierte Kommunikation in den Vordergrund. Das Wissen der Bewohner zu laufenden Prozessen wird gewonnen und genutzt. Starre Pro-Contra-Gegensätze zwischen Verwaltung und Bevölkerung brechen auf. Das Verständnis für Beweggründe und Handlungsoptionen anderer erhöht sich bei allen Beteiligten. So können Entscheidungsprozesse erleichtert und verkürzt werden. Durch große Beteiligungszahlen sind zudem die Pro-Kopf-Kosten vergleichsweise gering. Damit verbunden ist jedoch nicht nur das Aufsetzen einer Internetplattform, sondern das Online-Angebot muss eingebettet sein in ein Gesamtkonzept der Prozessgestaltung, Politik- und Konfliktberatung und einer öffentlichen Kommunikationsstrategie. Ein sinnvolles Zusammenspiel von diskursiven Elementen – im Internet und auf Veranstaltungen – und die Of- 3.7 Stadtentwicklung 2.0 – Kommunale Entscheidungen ... 115 fenheit des Ergebnisses bilden die Grundlage für den Erfolg von OnlineDialogen. Verschiedene zentrale Stränge von kommunaler Politik werden durch EPartizipationsprojekte verbunden: • ein innovatives Dialogverfahren und Prozessgestaltung für Politik, Verwaltung und Bürger wird konzipiert und umgesetzt • das Internet wird als Kommunikationsplattform und deliberatives Verständigungsmedium für planerische Entscheidungen genutzt • Gestaltungsspielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger werden eröffnet und direkte Mitentscheidung praktiziert. • ein Interessen- und Wissensaustausch zu einem aktuellen Thema in der Stadt wird ermöglicht. Am Ende können hochwertige Ergebnisse einer großen Öffentlichkeit stehen, auf deren Basis Entscheidungen demokratischer und qualifizierter getroffen werden. 116 Anina Böhme / Daniela Riedel 4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune 4 Web-2.0-Anwendungen und ihre Einsatzmöglichkeiten 4.1 Kommunalverwaltung 2.0 — auf dem Weg zur Bürgerkommune 117 Peter Jakobs-Woltering Kommunen setzen das Internet heute sehr unterschiedlich ein. Während manche Städte und Gemeinden eine Webseite primär als Schaufenster in die Welt nutzen, sehen einige Kommunen im Internet eine Chance zur echten Interaktion mit der Bevölkerung und ihren Partnern unterschiedlicher Sektoren. Der Beitrag gibt anhand von Beispielen aus Arnsberg, Bonn, Friedrichshafen und Unna einen Eindruck davon, wie sie funktionieren kann, die zukunftsfähige „Kommunalverwaltung 2.0“. I. Zukunftsfähigkeit als Herausforderung Die Themen Kinder und Familie, Migration und Integration, Sicherheit und Ordnung sowie Schule und Bildung sind zunehmend in den Fokus kommunaler Entscheider und Verwaltungsverantwortlicher gerückt. Gerade in diesen Kontexten haben sich die Anforderungen stark verändert, sodass es bei der öffentlichen Hand liegt, zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die zu bewältigenden Aufgaben zu schaffen. Gleichwohl erscheinen die Handlungsspielräume der Kommunen insgesamt begrenzt. Auch wenn wachsende Gewerbesteuereinnahmen der letzten Jahre sich positiv auf die Haushaltskassen ausgewirkt haben, ist die Haushaltslage in den Kommunen angespannt. Hinzu kommen Leistungserwartungen des Bundes und der Länder, ohne dass Organisations- und Finanzierungsfragen hinreichend geklärt sind. So müssen die Kommunen beispielsweise mehr Feuerwehrleute einsetzen oder ein Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren gewährleisten. Die Umsetzung eines Luftreinhalteplanes mit Umweltzonen bringt ebenfalls steigende Kosten mit sich. 118 Peter Jakobs-Woltering Zusätzliche Konsequenzen für die Kommunalverwaltungen bringt die Globalisierung der Wirtschaft. Eine adäquate Standortqualität hinsichtlich Infrastruktur und Wertschöpfungskette sowie ein effektiver Bürgerservice entscheiden über die kommunale Zukunftsfähigkeit. Hochwertige, bedarfsorientierte und transparente Dienstleitungen sind gefragt, obgleich das öffentliche Management aufgrund jahrelanger Einstellungssperren mit weniger Mitarbeitern auskommen muss. II. Kommunale Erfolge durch neue Technologien Aktuelle Beispiele aus der Praxis zeigen, wie ausgewählte Kommunen sich den verändernden politischen Anforderungen durch den Einsatz neuer Technologien stellen, die T-Systems bedarfsgerecht entwickelt und umsetzt. Arnsberg: Elternservice von Geburt bis Berufsschule „Wir brauchen einen Elternservice für Kinder von der Geburt des Kindes bis zum Eintritt in die Berufsschule“ fordert der Arnsberger Bürgermeister HansJosef Vogel. „Obwohl immer mehr Eltern nach der Geburt ihre Kindes wieder arbeiten wollen oder müssen, gibt es in Deutschland keine qualifizierte Babysitterservices, die bürgerschaftlich organisiert und von den Kommunen unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund sind wir in Arnsberg mit einem Babysitternetzwerk gestartet. Wir bieten Eltern die Möglichkeit, Babysitter nach bestimmten Qualifikationen auszusuchen.“ Angebot und Nachfrage werden in dem Arnsberger Netzwerk über eine Online-Plattform koordiniert, wobei die jungen Eltern ihr Anforderungsprofil für die gesuchte Kraft spezifizieren. Zugelassen sind nur qualifizierte und geprüfte Babysitter mit entsprechender Ausbildung. In dieser Weise haben nicht zuletzt Neubürger die Möglichkeit, schnell einen verlässlichen Babysitter zu finden. Sie müssen sich nicht auf die sogenannte „Mund-zu-MundPropaganda“ verlassen. Zudem sind die lokalen Kindertageseinrichtungen in die Phase des Kennenlernens eingebunden, um das gegenseitige Vertrauen von Eltern, Kind und Betreuungsperson zu fördern. Ein weitere Funktionalität besteht – „Ebay lässt grüßen“ – aus der Möglichkeit der gegenseitigen Bewertung von Babysittern und Eltern. Aufbauend auf den Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Services ist TSystems aktuell mit der Aufgabe betraut, in Arnsberg eine online-basierte Vermittlung von Tagesmüttern zu entwickeln. Im Vordergrund steht der 4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune 119 Aufbau eines Netzwerkes mit Qualitätskriterien und individuellen, passgenauen Lösungen. Damit unterstützt T-Systems schon jetzt die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angestrebte Entwicklung einer neuen Tagesmütterkultur zugunsten der Familien mit kleinen Kindern. Darüber hinaus ist die e-Schülerhilfebörse geplant. Damit will die Stadt Arnsberg die Familien dabei unterstützen, die schulischen Ergebnisse der Kinder und Jugendlichen über eine individuelle Förderung zu verbessern und eine Vernetzung der Bildungslandschaft aus Schule, Volkshochschule und Lernenden erreichen. Arnsberg e-Veranstaltungsmanagement Die Stadt Arnsberg kann noch in einem zweiten Kontext als Vorreiter für neue Technologien in den Kommunalverwaltungen gelten. „Unsere Erfahrung ist, dass ein zielgruppenorientiertes Veranstaltungsmanagement als Standortfaktor zunehmend an Bedeutung gewinnt“, betont Bürgermeister Vogel. „Wir haben uns deshalb das Ziel gesetzt, die Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger und den Tourismus durch ein attraktives Freizeitangebot noch mehr zu steigern.“ So kommen zu dem Arnsberger Kunstsommer mittlerweile Künstler und Gäste aus ganz Europa. Die Bevölkerung dagegen ist vor allem stadtteilorientiert, sodass gemeinsame kulturelle Veranstaltungen ein Zusammenwachsen der Stadtteile fördern sollen. Als Kuratorenstadt möchte Arnsberg darüber hinaus den Veranstaltern viele Organisationsfragen abnehmen. Mit Unterstützung von T-Systems professionalisiert die Verwaltung daher gerade ihr Veranstaltungsmanagement, wobei möglichst viele Abläufe optimiert und in elektronische Verfahren übersetzt werden. Daraus ergibt sich eine Reihe von Vorteilen, wie z.B. die Beschleunigung von Anmeldeverfahren, die Speicherung von Anfragen auf Wartelisten sowie die Einbindung von Feedbackmöglichkeiten zum Verfahren wie zur Stadt Arnsberg insgesamt. Damit lässt sich die Attraktivität des Kulturstandorts gezielt verbessern. Bonn: Kindergartenanmeldung online Die Stadt Bonn ist dabei, das Anmeldeverfahren für Eltern, die einen Kindergartenplatz suchen, wesentlich zu erleichtern. Da die Suche nach einem freien Platz für die Dreijährigen häufig eine „Zitterpartie“ ist, kommt es nicht selten vor, dass Kinder an mehreren Kindertageseinrichtungen angemeldet 120 Peter Jakobs-Woltering werden. Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann kennt einen Fall, in dem Eltern ihr Kind an 21 Kindergärten anmeldeten. Eine vernünftige Bedarfsplanung war für die Stadt nahezu unmöglich. Erschwert wird diese Planung zusätzlich durch die unterschiedlichen Anmeldestandards der städtischen, kirchlichen und freien Träger. Nun werden die 196 Kindertageseinrichtungen in Bonn miteinander vernetzt. Damit verbunden wird die Anmeldung standardisiert und zentralisiert. Parallelanmeldungen an verschiedenen Kindergärten kann es so nicht mehr geben. Da per Knopfdruck der Anmeldestand festgestellt werden kann, hat die Stadt jederzeit einen Überblick über unversorgte Kinder. Die Eltern haben die Möglichkeit, in Frage kommende Einrichtungen zu recherchieren und erhalten Informationen anhand einheitlicher Kriterien. Nach einer vorläufigen Online-Anmeldung erfolgt die endgültige Anmeldung im Kindergarten ebenfalls online über das System. Dabei werden die neuen mit dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) verbundenen Anforderungen berücksichtigt. Für die Kindergärten besteht die Möglichkeit der Verlinkung ihres Internet-Auftritts zur weiteren Informationsbereitstellung. Friedrichshafen: Bildungsplattform Edunex In der T-City Friedrichshafen werden schrittweise die Schulen mit der internetbasierten Lernplattform Edunex ausgestattet. Ziel ist es, statt traditionellem Frontalunterricht und der einseitigen Wissensvermittlung aus Büchern Lerninhalte multimedial zu gestalten und damit die Schulstunden erlebbar werden zu lassen. Die gemeinsam mit Lehrern entwickelte Plattform ermöglicht individuelles Lernen, Gruppen- und Partnerarbeit, aber auch projektorientiertes Arbeiten im Klassenverband und über die Schulgrenzen hinaus. Dabei greift Edunex auf das Wissen von Bibliotheken und Medienanbietern, auf Fachmodule der Schulbuchverlage Cornelsen, Westermann und Klett sowie auf Internet-Inhalte zu. Einzige Voraussetzung sind PCs oder Notebooks mit breitbandigem Internetanschluss. Die Einsatzmöglichkeiten der Lernplattform sind vielseitig. So verteilen Lehrer über Edunex Aufgaben, stellen Hausaufgaben und bewerten die Einsendungen ihrer Schüler. Internationale Partnerschulen können sich über Videokonferenzsysteme zusammenschalten und so einen grenzüberschreitenden Fremdsprachenunterricht anbieten. Wird ein Schüler krank, so kann er sich von zu Hause aus problemlos mit seinem PC oder Laptop via Internet in den Unterricht einklinken. Eine Übersetzungshilfe erleichtert Lernenden mit 4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune 121 Migrationshintergrund, dem Unterricht zu folgen. Auch Lehrern macht Edunex das Leben leichter: Sie verwalten Kurse und Klassen und erstellen mit dem System Lernpläne, die individuell auf den Wissensstand einzelner Schüler ausgerichtet und natürlich wieder verwendet werden können. Offiziell starteten T-Systems und Friedrichshafen Edunex auf der CeBIT 2008. Mittlerweile sind fünf Schulen mit dem Zugang zu den multimedial aufbereiteten Lerninhalten der elektronischen Bildungslösung ausgestattet. Die Schulen planen deren Einsatz in allen Klassen und Unterrichtsfächern. In Hessen arbeiten außerdem künftig rund 100 Schulen mit Edunex. Bereits seit mehreren Jahren bewährt ist der Edunex-Einsatz in ca. 600 Schulen in Nordrhein-Westfalen. Schulen in weiteren Bundesländern werden in den nächsten Monaten folgen. Siegburg: Optimierung des Außendienstes Auch in der Binnenverwaltung halten neue Technologien Einzug. Die Kreisstadt Siegburg legt im Rahmen der Verwaltungsreform einen wesentlichen Schwerpunkt auf die Optimierung des Außendienstes. Von den rund 500 Mitarbeitern der Stadt sind rund 20% im Außendienst beschäftigt. Es kommt nicht selten vor, dass zwei bis drei Fachkräfte zeitgleich in derselben Straße unterwegs sind und sogar nahezu identische Aufgaben übernehmen. Eine Koordinierung fehlt. „Warum soll nicht eine Polizeihostess in der Lage sein, Schlaglöcher und Bruchholz aufzunehmen. Warum soll nicht ein Vollstreckungsbeamter die Reparatur klappernder Kanaldeckel anstoßen“, fragt sich Bernd Lehmann, Co-Dezernent für zentrale Dienste und Bürgerservices der Stadt Siegburg. „Wir müssen unseren Außendienst effizienter einsetzen und von dem Spartendenken wegkommen. Mit einer mobilen Steuerung wird dies erheblich erleichtert“, folgert er. In einem ersten Schritt setzt die Stadt Mobiltelefone zur Erfassung von Verkehrsverstößen ein. Dabei werden wichtige Daten wie Autokennzeichen, Tatvorwurf und Ortsangabe in den tragbaren Minicomputer eingegeben. Diese werden online an den Server des Rathauses gesandt und stehen sofort zur Verfügung. „Die Vorteile liegen auf der Hand“ fasst Bernd Lehmann zusammen. „Medienbrüche aufgrund von Übertragungsfehlern entfallen, durch einen Plausibilitätscheck werden Falscheingaben schnell entdeckt. Der Sofortausdruck am falsch geparkten Auto erspart Versandkosten des Tickets. Es können wichtige Informationen an sämtliche Mitarbeiter gleichzeitig fließen. Die Lösung ist modular erweiterbar, z.B. zur Bereitstellung von Dienstplänen.“ 122 Peter Jakobs-Woltering Zusätzlich will das Dezernat für zentrale Dienste und Bürgerservices die Außendienstmitarbeiter in die Lage versetzen, Anliegen und Beschwerden der Bürger aufzunehmen, Verwaltungsprozesse sofort anzustoßen und den Bürger sofort mit zufrieden stellenden Antworten versorgen zu können. Aktuell sind die Verantwortlichen dabei, diese Kommunikationswege und das notwendige Wissensmanagement aufzubauen. Unna: e-Procurement Für den Einkauf von Verbrauchsartikeln haben in den Kommunen ebenfalls neue Zeiten begonnen, ermöglicht durch den Einsatz neuer Lösungen. Durch papiergestützte Verwaltungsabläufe war die Beschaffung bisher mit erheblichem Aufwand verbunden. Die tatsächlichen Kosten waren selten bekannt. Dezentrale Ressourcenverantwortung führte zur Fragmentierung von Einkaufstrukturen, Beschaffungsvorgänge liefen parallel und unabhängig voneinander. Lieferantenvielfalt, umfangreiche Artikelsortimente und unterschiedliche Preise sind die Folge. Mangels aussagekräftiger Leistungsverzeichnisse waren die Vergabestellen im Bereich der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) nicht in der Lage, alle benötigten Leistungen zur Ausschreibung zu bringen. Die Kreisstadt Unna startete im Oktober 2006 mit der Einführung eines elektronischen Einkaufssystems in der Verwaltung. „Bereits nach drei Monaten wurden die Warenkataloge Büromaterial, Toner/Tinte und Papier frei geschaltet“ resümiert Uwe Kornartz, Fachdezernent in Unna. „Nach einer kurzen Schulung der Mitarbeitenden konnten die elektronischen Bestellungen nahezu ohne Störung abgewickelt werden. Aufgrund der guten Erfahrungen mit der neuen Bestellstrategie wurde Anfang 2007 der Warenkatalog Hygiene in das System eingepflegt. Die 21 Schulen der Kreisstadt wurden Anfang 2008 in das System integriert.“ Das Outsourcing von Einkaufsdienstleistungen, ohne Kompetenzverlust, ist für Verwaltungen effektiv, nachhaltig und kostengünstig umsetzbar. Klare Vorgaben von Abläufen, Definitionen verwaltungsinterner Kompetenzen und Rollen sind ein Schwerpunkt bei der Einführung. Durch Vereinfachung, Beschleunigung und Verschlankung der Prozessabläufe (Lager, Logistik, Personal) ergibt ich eine nachhaltige Kostensenkung im operativen Tagesgeschäft. Eine Reihe von Beispielen in den Verwaltungen zeigen bereits, dass webbasierte Technologien, umfassende Services sowie praxisorientiertes Know-how die Einführung einer auch lokal angepassten EProcurement-Strategie schnell und einfach möglich machen. 4.1 Kommunalverwaltung 2.0 – auf dem Weg zur Bürgerkommune 123 III. Kommunalverwaltung 2.0? Im kommunalen Kontext wird das Internet heute sehr unterschiedlich eingesetzt. Während manche Städte und Gemeinden eine Webseite primär als Schaufenster in die Welt nutzen, sehen einige Kommunen im Internet eine Chance zur echten Interaktion mit der Bevölkerung und ihren Partnern unterschiedlicher Sektoren. Hier liegt die Chance von Web 2.0 für die Verwaltung und zugleich auch die Herausforderung. Deutschland benötigt eine „Kommunalverwaltung 2.0“. Dabei geht es nicht nur darum, Weboberflächen um Foren, Blogs, Podcasts, Wikis oder gar Chats zu erweitern. Es geht vielmehr um einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die Organisation der Verwaltung online-basiert optimiert wird. Da die Kommunalverwaltung zu ca. 75% aus Binnenprozessen besteht, sind neben den Abläufen, die Bürger und Wirtschaft anstoßen, auch die internen Vorgänge zu optimieren und zu elektronifizieren. Gerade durch die Optimierung der Binnenprozesse werden Einsparungen erzielt. Darüber können sowohl der Finanzhaushalt entlastet als auch neue Bürger- und Wirtschaftsservices bezahlt werden. Der Nutzen für die Kommune ist offensichtlich: nicht zuletzt wird sie neben einer Kosteneinsparung als moderner Dienstleister wahrgenommen. Die Beispiele aus Arnsberg, Bonn, Friedrichshafen und Unna geben einen Eindruck davon, wie sie funktionieren kann, die zukunftsfähige „Kommunalverwaltung 2.0“. 124 4.2 Anke Domscheit Klimarettung 2.0 — „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit „Windows Live“ Anke Domscheit Der Beitrag verdeutlicht anhand von zwei Anwendungsbeispielen, dass das Web 2.0 kleinen und mittleren Kommunen den Weg in modernes E-Government öffnet – und zwar mit dem Einsatz von Standardsoftware. Die Umsetzung erfordert weder Mehrjahrespläne noch sprengt sie den kommunalen Haushalt. I. Interaktivität erfordert neue Technologien Bürger wünschen sich heute mehr Transparenz und mehr Partizipationsmöglichkeiten. Demgegenüber wüssten kommunale Entscheider gerne mehr über die Meinung ihrer Wählerschaft, um politische Entscheidungen besser zu priorisieren. E-Government mit Web-2.0-Angeboten kann hierfür ein Schlüssel sein. Interaktive Kommunikationsformen, die für Web-2.0-Anwendungen typisch sind, verlangen nach neuen Technologien, die eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen haben. Diese müssen den Usern ermöglichen, selbst zum Editor von Web-Inhalten zu werden – und dies womöglich gleichzeitig und in großer Zahl. Sie wollen miteinander kommunizieren, Inhalte austauschen, Meinungen, Wünsche und Kritiken äußern, und zwar in einer sicheren Umgebung, zu jeder Tageszeit und von jedem Ort – natürlich auch mobil. Auf einer einzigen dynamischen Web-2.0-Seite finden sich heute Daten aus Quellen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichster Art. Früher statische Städtehomepages zeigen heute lebendige Mash Up-Seiten, gefüllt mit Text, Fotos, Videos und allen Arten Daten und Fakten, sei es zum aktuellen Stadt-Wetter (mit Webcam) nebst Vorschau, dem Blog des Bürgermeisters, Videos lokaler Events – wie Prominentenbesuche, Karnevalsfeiern oder Stadtfeste, RSS-Feeds zu Bauvorhaben, Verkehrsstörungen oder Beschlüssen der Stadtverordneten, historischen Berichten und aktuellen Veranstaltungen, Informationen für die Wohnbevölkerung, Touristen, Junge und Alte – bis hin zu Bürgerdiensten, wo die internet-affine Bürgerin die Hundesteuer und Knöllchen online zahlt, der schon legendäre portugiesische Friseur sein künf- 4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ... 125 tiges Berliner Gewerbe online anmeldet und diese administrativen Prozesse mit den Fachanwendungen der eigenen Verwaltungen und möglicherweise mit denen von Behörden auf Landes- und Bundesebene integriert sind (wenn wir die Umsetzung der EU Dienstleistungsrichtlinie einmal vorweg nehmen). Alles das soll natürlich einfach und fehlerfrei funktionieren, bezahlbar sein und sicher. All dies verlangt viel von Technologie – insbesondere einen hohen Grad an Standardisierung, um das Zusammenspiel der verschiedenen multimedialen Inhalte mit aller Arten Herkunft problemfrei zu ermöglichen. Leistungsfähige Standardsoftware kann diese Anforderungen erfüllen und ist gleichzeitig so einfach angelegt, dass auch kleinere Städte und Kommunen sich ihre Blogs und Wikis ebenso wie Foto- und Videodatenbanken anlegen können, oder Standortinformationen mit Satellitenbildern verknüpfen – alles mit ein paar Tastenklicks. In den nachfolgenden Fallbeispielen wird beschrieben, wie einzelne Software-Werkzeuge diesen Anforderungen gerecht werden und Web 2.0 in der Praxis ermöglichen. Dabei handelt es sich um Standardsoftware oder frei verfügbare Microsoftprodukte, die nachfolgend kurz beschrieben werden. Virtual Earth (www.virtualearth.com): Virtual Earth stellt eine zoom-fähige Karte der Erde dar, mit 2D Ansicht (Kartenansicht), 3D Ansicht (Satellitensicht) sowie einer Vogelperspektive (3D gekippt), mit Pinpoint Funktionen zum Markieren und Kommentieren bestimmter Standorte. Sie dient zur eigenen Information oder ist freigegeben für andere User. Virtual Earth kann mit anderen Daten verknüpft werden und ermöglicht dann u.a. Anwendungen wie Fixmystreet, über die Bürger Probleme mit der materiellen Infrastruktur ihres Wohnumfelds melden können. Virtual Earth wird in beiden nachfolgend beschriebenen Fallbeispielen eingesetzt. Windows Live (www.windowslive.com) Bei Windows Live handelt es sich um ein kostenfreies Angebot für alle Bürger, das über eine Live ID den Zugang zu einer Reihe Diensten ermöglicht, die aktive Web-2.0-User benötigen. Zu diesen Diensten zählen u.a. ein EMail-Konto mit 5 GB Speicherplatz, Instant Messaging, ein eigener Kalender für Termine und Verabredungen eigene virtuelle Speicher für Daten sowie für Foto- und Videoalben, bei denen man selbst entscheiden kann, ob man sie anderen, der ganzen Welt oder niemandem zugänglich machen möchte. Au- 126 Anke Domscheit ßerdem gibt es einen Blog-Bereich, der wie auch die Fotoalben nicht nur am Computer sondern zusätzlich mobil beschrieben werden kann. Windows Live wird im zweiten Fallbeispiel Elektronische ID verwendet. II. Bürgerfeedback ergänzt EU-Daten: www.eyeonearth.eu (Case Study) Die Europäische Umweltagentur (EUA) hat im Sommer 2008 ein ehrgeiziges Vorhaben gestartet: 500 Millionen Europäer sollen in Echtzeit Umweltinformationen über elektronische Landkarten zur Verfügung gestellt werden – mit der Möglichkeit, selbst diese Informationen zu ergänzen. Für die Direktorin der Agentur, Jacqueline McGlade, ist dies ein notwendiger Schritt: „Unsere Umwelt wird natürlich durch massive globale und nationale Faktoren beeinflusst, aber sie wird auch beeinträchtigt durch die täglichen Aktivitäten – egal wie klein sie sein mögen – jedes einzelnen europäischen Bürgers. Wenn wir alle Anstrengungen koordinieren wollen, um echte Verbesserungen zu erreichen, müssen wir neue Wege finden, um Bürger zu informieren und einzubinden bei einem Thema, das für unsere gemeinsame Zukunft von höchster Wichtigkeit ist.“ Für das geplante Global Overservatory for Environmental Change ist eine moderne, Web-2.0-fähige Technologie ein kritischer Faktor, um das Ziel zu erreichen, das daraus besteht, politischen Entscheidern sowie Bürgern qualitativ hochwertige Informationen ausreichend und in einer Form bereit zu stellen, die es ihnen ermöglicht, sinnvolle Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Umwelt zu treffen – oder von politischen Entscheidern auf lokaler und nationaler Ebene zu verlangen. Die EUA wird in einem Online-Portal Umweltindikatoren veröffentlichen, darunter Daten zur Wasserqualität, zu Verschmutzungen in Luft und Boden sowie zum Ozongehalt. Alle Daten werden in eine zoomfähige Weltkarte integriert, in der Details bis auf Straßenniveau zugänglich sind – ein Detailgrad, wie er bisher im Umweltmonitoring nicht existierte. Die dafür erforderlicher Datenmenge kann die EUA nicht mehr allein zur Verfügung stellen. Hier werden Beobachtungen von Millionen Menschen genutzt, die ihre konkreten Erkenntnisse im Portal für alle User bereitstellen. Auch Mitglieder der vielen lokalen und regionalen Umweltschutzverbände oder Vereine zum Schutz einheimischer Tiere und Pflanzen können künftig ihre Daten in das Portal einstellen und so regionenübergreifend Zustand und Veränderung von Ökosystemen erkennbar machen. 4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ... 127 Abb. 4.2-1 Eyeonearth.eu (Landkartensicht) (Quelle: Microsoft) Ende Juli ging die erste Stufe von eyeonearth.eu live. Auf einer Virtual Earth-Weltkarte sind vorerst Wasserqualitäten europäischer Strände abrufbar. Durch Zoomen sind einzelne Strände und ihre offiziellen Bewertungen der Wasserqualität sichtbar – ergänzt um die (inoffiziellen) Bewertungen von Bürgern, die sich vor Ort eine Meinung zur Wasserqualität gebildet haben. Die nachfolgende Abbildung zeigt Ostseestrände auf Rügen in Satellitensicht mit aktuellen Wasserqualitäten (August 2008) sowie mit den Daten vergangener Jahre. 128 Anke Domscheit Abb. 4.2-2 Eyeonearth.eu: Ostseestrände auf Rügen (Quelle: Microsoft) Transparenz schaffen über Sachverhalte mit politischer Relevanz und hohem Interesse auf Seiten der Bürger – das ist ein Hauptzweck von Web-2.0Anwendungen im E-Government. Eyeonearth.eu zeigt, wie Transparenz die Entscheidungen in einzelnen Kommunen beeinflussen kann, da Umweltdaten auf Gemeindeebene der breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Es werden jedoch nicht nur die lokalen Daten sichtbar, sondern damit gleichzeitig vergleichbar mit den Daten anderer Gemeinden und Regionen. Die Auswirkungen von Unfällen oder industriellen Aktivitäten, die die Umwelt verschmutzen, werden erkennbar an ihren Folgen für Wasser, Luft und Boden und wie sich diese im Laufe der Zeit verändern. Eyeonearth.eu stellt nicht nur aktuelle sondern auch historische Daten vergangener Jahre bereit und macht so sowohl positive als auch negative Veränderungen transparent. Jede Nutzergruppe kann einschätzen, welche Konsequenzen ein Ortswechsel – ob temporär (z.B. ein Urlaub) oder auf Dauer angelegt (Umzug oder Ansiedlung von Unternehmen) – für die eigene Gesundheit oder die von Angehörigen bzw. (falls es sich um das Management eines Unternehmen handelt) von Mitarbeitenden haben kann. Bürger können besser einschätzen, welche Folgen unsaubere Unternehmen der Region auf ihre Lebensqualität haben und mit mehr Informationen als bisher Fragen und Forderungen an ihre politischen Vertretungen stellen. Damit hat eyeonearth.eu das Potenzial, ein starkes europäisches Instrument zu werden, um positive Veränderungen zu beschleunigen und den Klimawandel zu stoppen. 4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ... 129 III. Elektronische ID in Mailand und an der University of Pennsylvania (Case Study) Mailand, zweitgrößte Stadt in Italien (1,2 Mio Einwohner), und die Universität von Pennsylvania (20.000 Studierende) haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Dennoch wird durch beide die gleiche Basistechnologie genutzt, um Einwohnern bzw. Studierenden mit Web-2.0-Funktionalitäten auszustatten und eine engere Bindung zwischen Verwaltung und Bürgern respektive zwischen Universität und Studierenden zu ermöglichen. An der Universität in Pennsylvania sah man sich auch hierzulande bekannten Problemen ausgesetzt: veraltete Technik, unzufriedene Studierende und wenig Ressourcen, um diesen Umstand zu beheben. Mit der 2007 erfolgten Bereitstellung von kostenlosen Windows Live IDs für ihre Studierenden und der damit verbundenen Verlagerung des E-Mail-Betriebs auf einen externen Dienstleister konnte man in kürzester Zeit die Leistungen für Studierende verbessern und ihrem Ruf nach zeitgemäßen Werkzeugen für die Online-Kooperation und -Kommunikation gerecht werden. Dazu gehörten nicht nur eine E-Mail-Adresse mit der Endung der Universität und hinreichend Speicherplatz auch für größere Multimedia-Anhänge, sondern auch Instant Messaging für die schnelle Kommunikation per Chat – mit Text, Audio (VoIP) oder sogar Video. Die Zusammenarbeit und Vernetzung wird erleichtert durch • Kalender, in denen gemeinsame Termine angelegt und verschickt werden können (auch durch die Universität), • Skydrives (virtuelle Speicherplätze), in denen Studierende Daten für sich selbst oder für den Zugriff durch bestimmte Gruppen ablegen können, z.B. wenn sie gemeinsam an einem Projekt arbeiten, • Blog-Bereiche, in denen Studierende Texte, Bilder und Videos veröffentlichen können, und • eine direkte Kontaktmöglichkeit der Universität mit ihren Studierenden auch über ihre Studienzeit hinaus. Die E-Mail-Adresse [email protected] bleibt auch nach Studienende gültig und kann dann der Alumnipflege dienen. Anders als in Pennsylvania, wo der Wunsch nach mehr Web-2.0Funktionalitäten eher von den Studierenden selbst geäußert wurde, kam in Mailand die Idee von den Stadtvätern und -müttern. Man suchte nach einer Möglichkeit, die Akzeptanz der Bürger für E-Government-Dienste der Stadt 130 Anke Domscheit zu verbessern und – analog zu Pennsylvania – eine engere Bindung zu den Einwohnern zu erreichen. Die Windows Live ID für alle Bürger ab 15 Jahre wird seit März 2008 nach nur 2,5 Monaten Umsetzungszeit unter dem Titel „Mailand Semplice“ (Mailand ganz einfach) angeboten und wie in Pennsylvania enthält sie EMail-Adressen, die eine Verbindung zum Dienste-Anbieter enthalten: [email protected], Mailboxen, Skydrives als virtuelle Speicherplätze, Instant Messaging auch mit Internet-Telephonie, Kalender, gemeinsam nutzbare Speicherbereiche sowie Blogs, in denen Bürger sich einander mitteilen können. Dennoch steht das Vorhaben von Mailand in einem anderen Kontext. Die Stadt fasst unter dem Programmnamen Mailand Semplice verschiedene Vorhaben der Verwaltungsmodernisierung und des Bürokratieabbaus zusammen. Mailand wollte bürgernäher werden und die Lebensqualität der Bürger verbessern. Es folgte der Beschluss, mehr dezentrale Bürgerbüros zu schaffen, ein Call-Center mit rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit zur Verfügung zu stellen und ein neues Portal aufzubauen, das den Einwohnern der Stadt neue Dienste bietet, die mit der zu diesem Zweck bereitgestellten digitalen Bürger-Identität genutzt werden können. Die Angestellten der Stadt werden die Live IDs der Bürger als bevorzugten und zertifizierten Kommunikationskanal verwenden, der auch über mobile Endgeräte abrufbar ist. Bürger-E-Mails, die zertifiziert von einer Mailand Semplice ID kommen, werden von der Stadt bereits jetzt als vollwertige schriftliche Kommunikation anerkannt. Weitere Web-2.0-Dienste sind auf der Basis der Live ID möglich und bereits geplant, u.a. Newsletter der Stadt und Versand von Informationen mit öffentlichem Interesse (Alerts), Verkehrs- und Stauinformationen, Stadtpläne mit Baustellen, Stadtentwicklungsvorhaben, Umleitungen auf der Basis von Microsoft Virtual Earth. Künftig wird die Entwicklung personalisierbarer Web 2.0 Angebote für die Bürger von Mailand im Fokus stehen. IV. Web 2.0 mit Standardsoftware öffnet kleinen und mittleren Kommunen den Weg in modernes E-Government Zwei Aspekte werden durch die beschriebenen Fallbeispiele deutlich. Erstens erfordert die Umsetzung von Web-2.0-Komponenten in der Verwaltung weder Mehrjahrespläne noch sprengt sie den kommunalen Haushalt. Beim Einsatz von Standardsoftware bleiben Kosten kontrollierbar, die Interoperabilität 4.2 Klimarettung 2.0 – „Virtual Earth“ und elektronische IDs mit ... 131 der Produkte ist sehr hoch. Expertise für die Integration von MicrosoftSoftware an die Anforderungen einzelner Kommunen ist bei Tausenden Microsoftpartnern verfügbar, das Angebot ist dadurch umfassend, der Wettbewerb hoch und Kosten werden einfach vergleichbar. Kleine und mittlere Kommunen können dadurch leichter mit den E-Government-Angeboten großer Städte Schritt halten: ein Faktor mit wachsender Bedeutung für die Zufriedenheit der Bürger. Gerade bei jungen Bürgern ist der Anspruch an das Web hoch – sie erwarten von ihrer Kommune Partizipation und Transparenz, wie sie sie von Amazon und YouTube kennen. Zweitens werden mehr und mehr Web-2.0-Angebote für das E-Government auf überregionaler Ebene bereitgestellt, die für Kommunen Chancen und Risiken bergen und auf deren Inhalte Kommunen wenig Einfluss haben. Am Beispiel www.eyeonearth.eu wird diese Entwicklung deutlich. Es werden qualitative Standortfaktoren mit Relevanz für Bürger sowie Unternehmen transparent, die im Vergleich zu anderen Kommunen zu einer Verbesserung oder Verschlechterung der relativen Attraktivität eines Standortes führen können – je nach Umweltqualität. Entscheider in Kommunen können jedoch die auf www.eyeonearth.eu frei verfügbaren Informationen ihrerseits für die Priorisierung von Investitionen oder politische Entscheidungen nutzen und damit diese qualitativen Standortfaktoren zum Vorteil der Gemeinde mindestens mittelfristig beeinflussen. 132 4.3 Willi Kaczorowski Soziale Netzwerke in Behörden Willi Kaczorowski Web 2.0 bietet die Chance, die bisherige Kommunikation, die in Behörden wie in Unternehmen eher von der Spitze zur Basis erfolgte, im Wechselstromverfahren zu organisieren. Darüber hinaus hat es großes Potenzial für das Wissensmanagement. Der Beitrag zeigt am Beispiel Cisco auf, dass sich in Kommunalverwaltungen die Einführung sozialer Netzwerke lohnt – nicht zuletzt, weil jüngere Generationen von ihren künftigen Arbeitgebern attraktive Arbeitsplätze erwarten. I. Web 2.0 – Mehr als eine technische Weiterentwicklung Web 2.0 steht für eine neue Phase der Internet-Entwicklung: weg von der reinen Ansammlung von Webseiten, hin zu einer neuen Plattform, die mehr Interaktion unter den Nutzern erlaubt. Es ist mehr als eine technische Weiterentwicklung. Der Begriff steht für alles, was sich im Netz und um das Netz herum weiter entwickelt hat, seien es wirtschaftliche Aspekte, seien es soziale Phänomene wie Partizipation. Oder wie der Verleger Tim O’Reilly, in dessen Umkreis der Begriff Web 2.0 im Jahre 2005 geprägt wurde, meint: Web 2.0 sei „ein Medium, das durch mehr Nutzerbeteiligung, Offenheit und Vernetzungseffekte gekennzeichnet ist“. Der Einsatz von Web-2.0-Anwendungen und die Bildung sozialer Netzwerke werden die öffentliche Verwaltung und die Politik auf allen Ebenen erheblich verändern. Besonders betroffen ist die Kommunalverwaltung, weil hier die Interaktionen zwischen Bürger und Verwaltung am intensivsten sind Abbildung 4.3-1 zeigt, welche Grundprinzipien für Web 2.0 entwickelt wurden, welche Technologien hauptsächlich zum Einsatz kommen und welche Auswirkungen die Umsetzung dieser Grundsätze und Technologien auf den öffentlichen Dienst in Deutschland haben. Web 2.0 hat mehrere Facetten. Zum einen steht es für ein offenes Technologiekonzept, das in der Lage ist, die Vernetzung von Personen, Daten und Dingen besser, einfacher und kostengünstiger voranzutreiben. Zum anderen ergibt sich daraus auch ein Organisationskonzept für eine vernetzte Welt, in der jeder etwas zum Organisationszweck beitragen kann. Ziel ist es, das vorhandene Wissen in der Organisation, organisationsübergreifend und hierar- 4.3 Soziale Netzwerke in Behörden 133 chiefrei neu zu erschließen. Insoweit ist der konsequente Einsatz von Web2.0-Elementen ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer innovativen und vernetzten Verwaltung. Dazu gehört auch eine wesentliche engere Zusammenarbeit in Echtzeit. Grundsätze Werkzeuge Aktiv statt Passiv Soziale Interaktion: Das Netz sind wir Rich-Media Einsatz Blogs Podcasts/Vodcasts Soziale Netzwerke Wikis Social Bookmarking Unified Communication ..... Offene Technologie Technologisch: Beta-Prinzip RSS Feeds Mesh Technologie AJAX .... Je mehr mitmachen, desto größer das Angebot Permanentes Feedback Auswirkungen Erhöhung sozialer Innovationsfähigkeit Mehr Partizipation Bessere Erschließung vorhandenen Wissens Grenzüberschreitende hierarchieunabhängige und vernetzte Information/ Kommunikation Echtzeit-Kommunikation Reduzierte Kosten/ Höhere Effektivität Abb. 4.3-1 Web 2.0 – Die neue Generation des Internets (Quelle: Cisco) Um Web-2.0-Technologien anwenden zu können, benötigt es nur einen breitbandigen Internetzugang und die Bereitschaft, in dieses „Mitmachnetz“ Zeit und Energie zu investieren. Gerade die jüngere Generation hat sich diese neuen Werkzeuge bereits erschlossen. Nach der jüngsten Befragung von TNS Infratest beteiligt sich bei den 14- bis 29-Jährigen bereits jeder Dritte (4,3 Mio. Personen) aktiv an mindestens einem Web-2.0-Angebot. Dies hat auch Auswirkungen auf die Interaktion zwischen Staat und Gesellschaft. Es lassen sich vier Interaktionsgruppen unterscheiden. Politik–Wähler / Wähler–Politik Unter Einsatz neuer Technologien (Blogs, Podcasts, Videos, Konsultationen, etc.) informieren die Politiker ihre Wähler jenseits der Wahlkämpfe wesentlich regelmäßiger und umfangreicher und treten durch Web-2.0-Technologien mit ihnen in einen intensiveren Austausch. Es bilden sich soziale Netzwerke, die die Politiker unterstützen und sich untereinander vernetzen, Spenden sammeln oder sich mit dem politischen Gegner auseinandersetzen. 134 Willi Kaczorowski Behörde–Bürger / Bürger–Behörde Im Mittelpunkt steht hier die Frage, wie die Verwaltung durch Web-2.0Einsatz transparenter, schneller und kostengünstiger die Bedürfnisse der Bürger aufnehmen und in Verwaltungshandeln umsetzen sowie neues Vertrauen schaffen kann. Behörde–Mitarbeiter / Mitarbeiter–Behörde Web-2.0-Technologien helfen mit, die Interessen, die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter neu zu organisieren und fruchtbar zu machen. Der Einsatz von Web-2.0-Werkzeugen wie Wikis oder Blogs setzt Innovationspotenzial frei, weil aus dem „Wissen der Vielen“ Neues entstehen kann. Dies wird vor allem auch durch neue webbasierte „Kollaborationswerkzeuge“ unterstützt. Bürger–Bürger Web 2.0 versetzt Bürger in die Lage, sich in sozialen Netzwerken selbst zu organisieren, in Eigenregie öffentliche Aufgaben zu übernehmen oder einen Innovationsbeitrag zu leisten. Öffentliche Informationsbereitstellung und Web-2.0-Technologien kommen hier zusammen um soziale Innovationen zu fördern. II. Behördeninterne Kommunikation als Anwendungsfeld Einige Beiträge dieses Buches konzentrieren sich auf die externen Auswirkungen der Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgern/Unternehmen. Dabei wird leicht übersehen, dass ein wesentliches Web-2.0-Einsatzpotenzial in der internen Kommunikation und der Zusammenarbeit zwischen Behörde und Beschäftigten liegt. Bereits jetzt setzen Behörden vereinzelt Werkzeuge zur Verbesserung der inneren Kommunikation und des Wissensmanagements ein. Meistens fehlt es jedoch an einer Gesamtstrategie, die die Elemente Mitarbeiterführung, Organisation, Personal und Technologie beinhalten Im Folgenden soll zunächst anhand des Technologieunternehmens Cisco aufgezeigt werden, welche Vielfalt an internen Web-2.0-Anwendungen möglich sind und bereits eingesetzt werden. Anschließend wird erörtert, welche Schritte Behörden unternehmen können, um das volle Potenzial von Web 2.0 für sich zu erschließen. 4.3 Soziale Netzwerke in Behörden 135 III. Vielfalt der Anwendungen 2006 hat Cisco eine grundlegende Veränderung in seiner Organisationsphilosophie vorgenommen. Wie bei den meisten Unternehmen und Behörden war die Steuerung durch die Spitze und das dazugehörige Controlling (Command and Control) das vorherrschende Organisationsprinzip. Um Marktveränderungen schneller zu erkennen und flexibler darauf reagieren zu können sowie die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter besser erkennen und nutzen zu können, entschied sich das Unternehmen für eine Ablösung des Prinzips „Command und Control“ hin zu mehr Autonomie und Selbstorganisation in sich immer wieder neu zusammenzusetzenden Teams. Die für diesen Organisationsstrategiewechsel erforderlichen neuen Kommunikationsund „Kollaborationswerkzeuge“ bietet Web 2.0. Am Anfang stand der Aufbau eines „Communication Center of Excellence“ (CcoE). Es ist in das Intranet des Unternehmens integriert. Mehr als 10% der Mitarbeiter greifen täglich auf diese Seite zu, um sich über alle Aspekte von Web 2.0 im Unternehmen zu informieren. Ständig werden hier neue Konzepte und Werkzeuge vorgestellt. Eine sehr aktive Wiki-Gemeinde diskutiert leidenschaftlich über diese neuen Entwicklungen. Für jedes neue Tool gibt es den gleichen Erklärungsansatz: • Kurzbeschreibung, • Überblick, • Best Practices, • Einsatzmöglichkeiten, • Wie beginnen?, • Diskussionsforum. Dabei geht das CCoE von den Alltagsbedürfnissen der Nutzer aus. Will ein Mitarbeiter zum Beispiel Wissen mit Kunden und Partnern teilen findet er im CCoE alles Wesentliche zu externen Blogs, Podcasts, Videocasts sowie virtuelle Welten wie Second Life oder andere Communities. Hat er dagegen ein virtuelles Meeting zu moderieren, findet er Informationen zu virtuellen Konferenzen mit oder ohne Anwendungsteilung, vom Laptop gestartete Videound Telekonferenzen bis hin zum umfassenden Einsatz der TelepresenceTechnologie. 136 Willi Kaczorowski Abb. 4.3-2 Communication Center of Excellence (Quelle: Cisco) Anhand einzelner Beispiele soll der Einsatz von Web-2.0-Werkzeugen in der internen Kommunikation und (virtueller) Zusammenarbeit bei Cisco verdeutlicht werden. • Blogs gehören inzwischen zum Standard. Waren die Blogs der ersten Phase nur textbasiert, so werden inzwischen zunehmend Videoblogs eingesetzt. Sowohl der weltweite Cisco-Chef John Chambers als auch der deutsche Geschäftsführer Michael Ganser kommunizieren und diskutieren mit den Mitarbeitern per Videoblog. Dabei nehmen sie ihre Videos mit der Kamera ihres Laptops selbst auf. • Mit C-Vision wurde eine Plattform geschaffen, die ähnlich wie das weltweit verbreitete YouTube funktioniert. Hier stellen Mitarbeiter ihre Videos, Fotos oder Podcasts ein, verlinken sie untereinander oder kommentieren sie. So entsteht ein persönliches weltweites Netzwerk der Mitarbeiter, die gleiche Interessen haben, sich meistens jedoch persönlich nie begegnet sind. • Ciscopedia heißt eine Anwendung, die gerade im Entstehen ist. Ähnlich wie bei Wikipedia soll hier eine Enzyklopädie des Unternehmens-internen Wissens entstehen, an der jeder mitschreiben kann. • Bemerkenswert ist auch die Umgestaltung des elektronischen Mitarbeiterverzeichnisses (Directory). Seit wenigen Wochen ist es Teil des CiscoWissensmanagements, sodass hier jeder Mitarbeiter aufführen kann, in welchem Bereich er Spezialwissen beisteuern kann. • Beim Innovationsmanagement greift Cisco ebenfalls auf Web-2.0-Anwendungen zurück. I-Prize ist ein Werkzeug, in dem Ideen für neue Pro- 4.3 Soziale Netzwerke in Behörden 137 dukte und Services eingegeben werden, die dann auch kommentiert und bewertet werden können. • Mit I-Safe wurde in Deutschland ein Wiki geschaffen, damit Ideen zur Kostensenkung für von allen Mitarbeiter erarbeitet und bewertet werden können. So entsteht auch Transparenz über die Umsetzung dieser Ideen. Neben diesen Web-2.0-Werkzeugen steht bei Cisco die hierarchieübergreifende und teamübergreifende Zusammenarbeit im Vordergrund. Hierfür wurde mit WebEx eine Plattform zur Verfügung gestellt, die browserbasiert funktioniert und auf der in virtuellen Besprechungen mit Dateienaustausch, Videokommunikation und Instant Messaging die breite Palette moderner netzbasierter Kommunikation und Zusammenarbeit zum Einsatz kommt. Für Videokonferenzen mit Kunden oder Partnern hat Cisco mit TelePresence eine Anwendung im Angebot, die es erlaubt, virtuelle Videokonferenzen abzuhalten, bei der sich die Gesprächspartner in voller Lebensgröße mit hervorragender Tonqualität in einem virtuellen Raum begegnen. IV. Erste Schritte für Behörden Bei der Erarbeitung einer Strategie für den Einsatz von Web 2.0 müssen vier Elemente gleichrangig beachtet werden. 1. Führung/Strategie: Die Behördenleitung muss die strategischen Ziele vorgeben und selbst ein regelmäßiger Nutzer von Web-2.0-Applikationen sein. Erst als Cisco Chef John Chambers seinen Videoblog mit seiner kleinen Laptop-Kamera selbst gestaltete, setzte sich dieses Web-2.0Werkzeug durch. 2. Personal: Obwohl bei den jüngeren Beschäftigten Erfahrungen mit Web2.0-Werkzeugen vorliegen dürften, müssen die übrigen Beschäftigten umfassend informiert und geschult werden. Dieser Aufgabe dient das CCoE. 3. Organisation: Sollen wesentliche Web-2.0-Anwendungen wie Blogs oder Wikis in die Behörde eingeführt werden, sollten sie in die Ablauforganisation integriert sein. 4. Technologie: Die technologischen Voraussetzungen für den Web-2.0Einsatz sind oft einfach herzustellen, da es sich vielfach um frei verfügbare Open Source Software handelt. Besondere Hürden stellen häufig der Datenschutz, die IT-Sicherheitsbestimmungen der Behörden oder manchmal der fehlende Breitbandzugang dar. 138 Willi Kaczorowski Nun muss die öffentliche Verwaltung nicht gleich die gesamte Palette möglicher Web-2.0-Anwendungen einsetzen. Je nach den zu verfolgenden strategischen Zielen empfiehlt sich ein erster Fokus auf drei Anwenderbereiche zu legen: Kommunikation, Wissensmanagement und Zusammenarbeit. Web 2.0 bietet die Chance, die bisherige Kommunikation, die in Behörden wie in Unternehmen eher von der Spitze zur Basis (top-down) erfolgte, im Wechselstromverfahren zu organisieren. Der Einsatz eines Blogs vom Minister oder Bürgermeister macht für die Mitarbeiter sein Denken und Handeln transparent. Wenn sie mit einem eigenen Beitrag reagieren können, käme eine neue Art der Interaktion zustande. Auch die Videokommunikation ist ein geeignetes Mittel, diese Interaktion zu verstärken. Großes Potenzial bietet Web 2.0 für das Wissensmanagement. Das Erfassen, Aufbereiten, Kommentieren und Bewerten von Wissen über Wikis ist sicher eine der ersten Anwendungen, die einer Behörde in Betracht kommen. Wikis stehen auch im Mittelpunkt eines Ideenmanagements. Ob es sich um Ideen für neue Bürgerdienste oder Einsparmöglichkeiten handelt: mit Wikis wird das interne Verwaltungshandeln auch für die Beschäftigten transparent. Darüber hinaus sollte auch über die Verknüpfung der elektronisch zugänglichen Mitarbeiterverzeichnisse mit einem Expertenverzeichnis nachgedacht werden. So entstehen über Abteilungs- und Dezernatsgrenzen hinweg neue soziale Netzwerke in der Behörde, die auch auf externe Experten erweitert werden können. Die Chancen die Web 2.0 bietet werden nur dann voll ausgenutzt, wenn auch Veränderungen in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander und mit anderen Behörden oder Kunden einbezogen werden. Dazu ist eine Plattform erforderlich, die über den Browser oder über Server zu erreichen ist. Über diese Plattform können sich Teams räumlich unbegrenzt sowie organisations- und hierarchieübergreifend in virtuellen Besprechungen treffen, gemeinsam an Dokumenten arbeiten oder große Dateivolumen austauschen. Der Einsatz von Videotechnologie erhöht in der Regel auch die Effizienz solcher virtuellen Besprechungen. Die öffentliche Verwaltung steht in den nächsten Jahren vor einem Generationswechsel, dessen größte Herausforderung der drohenden Mitarbeitermangel sein wird. Will die öffentliche Verwaltung den Wettbewerb um die besten Talente gewinnen, sollte sie schnell eine interne Web-2.0-Strategie erarbeiten. Denn jüngere Menschen werden von ihren künftigen Arbeitgebern attraktive Arbeitsplätze erwarten. Dazu gehört auch der Einsatz von Web 2.0 und sozialen Netzwerken. 4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol 4.4 139 Gemeinde 2.0 — Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol Arno Abler Das Projekt vivomondo, das derzeit in der Stadt Wörgl/Tirol umgesetzt wird, zielt auf kommunale Online-Bürgerbeteiligung im denkbar weitesten Sinn in Politik und Verwaltung (E-Politics, E-Government) und verfolgt konsequent die Regionalisierung des Internets. Dabei werden Wikis, Blogs, Social Networks und zahlreiche weitere Web-2.0-Komponenten eingesetzt. I. Web 2.0 als folgenreicher Mythos Das „Web 2.0“, das im Jahr 2004 erstmals so genannt wurde und heute von jedermann zitiert wird, ist in Wahrheit ein Mythos. Es gibt keine neu veröffentlichte Version des Internets wie bei einer Software, wo man diese Nummerierung zur Kennzeichnung einer neuen – meist wohl verbesserten – Programmversion kennt (siehe dazu auch den Beitrag von David Weinberger in diesem Band). Und obwohl niemand in der Lage ist, diesen Begriff exakt zu definieren, hat sich ein breiter Konsens unter Insidern durchgesetzt, was denn nun das Neue am Web 2.0 ist. Als ganz zentraler Faktor gehört dazu die aktive Erstellung und Betreuung der Inhalte durch alle Nutzer anstatt ausschließlich durch zentrale Redaktionen, in unserem Fall durch Gemeinden. Das Web 2.0 erweitert die bisherige Relation „Einer zu Viele“ in Richtung „Viele zu Viele“. Im Kommunalbereich hat man von diesen Veränderungen bisher nur wenig gespürt. Die Information der Bürger durch die Verwaltungsorgane und die Politik steht nach wie vor im Vordergrund. Das Web wird als Mitteilungsplattform gesehen, wo Ansprechpersonen, Amtszeiten und wichtige Termine für den interessierten Bürger zu finden sind. Natürlich muss ein kommunaler Webauftritt diese Anforderungen bewältigen, aber man spricht ja bei den Ausstattungsmerkmalen eines neuen Autos auch nicht mehr davon, dass es vier Räder und ein Lenkrad hat. 140 II. Arno Abler E-Government & Co. Hinter den Kulissen denken Entwickler, Juristen und Beamte bereits sehr intensiv über E-Government – konkret: den Workflow elektronischer Akten – nach. Damit wird in nächster Zeit enormes Rationalisierungspotenzial in den Gemeinden freigesetzt und die Bearbeitung der Verwaltungsprozesse wesentlich transparenter und effizienter. Dabei handelt es sich um einen wichtigen, aber auch mühsamen Schritt, der keiner Gemeinde in den nächsten Jahren erspart bleiben wird. Das spannende 2.0-Attribut dabei wird der Zugang des Bürgers zu seinen Akten und Verfahren über das Internet werden. Aber E-Government ist noch nicht einmal „die halbe Miete“. Eine Gemeinde besteht ja nicht nur aus der öffentlichen Verwaltung. Die weiteren Akteure, die sich im 2.0-Szenario zu Wort melden, sind die Politiker, die Wirtschaft und die Bürger selbst. Die Werkzeuge zur Einbindung all dieser kommunalen Mitspieler in eine gemeinsame Gemeindeplattform sind bereits geeicht und poliert. Sie stehen heute bereits zur Verfügung. Die wichtigsten sind Blogs, Wikis, Social News und Social Communities. Blogs Die Möglichkeit, die Beiträge durch die Leser zu kommentieren, macht Blogs zu einem ausgezeichneten Forum, um mit dem Autor zu diskutieren. Obwohl Blogs derzeit meist durch private User und langsam auch Unternehmen zur Kommunikation genutzt werden, wird dieses Instrument in Zukunft vor allem Politikern auf allen Ebene helfen, mit ihren Bürgern in direkten Kontakt zu treten, Meinungen zu erforschen, eigene Entscheidungen zu erläutern und das Ohr ganz nah am Volk zu halten. Neben Bürgermeisterblogs an der Front der kommunalen Meinungsvielfalt werden künftig vor allem die Gemeindeverwaltungen als Institution in Gemeindeblogs abseits politischer Sperrfeuer aktuelle Entwicklungen veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Denn: Das Web 2.0 wird die Rahmenbedingungen politischen Entscheidens massiv verändern. Der Kontakt von Amtsträgern zu den Menschen wird unmittelbarer und die Verantwortung für transparente Entscheidungen steigt. Der Bürger ist bestens informiert und bringt sich über die neuen Kanäle noch aktiver ein als bisher. Er wird mehr an Kommunikation fordern, akzeptiert aber auch zunehmend die Komplexität der Entscheidungsprozesse. 4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol 141 Wikis Regional- oder Stadtwikis bieten künftig alle erdenklichen Informationen von Bürgern für Bürger über das unmittelbare Lebensumfeld an. Diese erreichen aufgrund der lediglich lokalen Bedeutung üblicherweise nicht die hohen Relevanzkriterien der bekannten Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sie sind aber für die Bewohner vor Ort mindestens gleich wichtig wie die Details zum Eiffelturm. Woher kommt der Name meiner Straße? Welche Vereine gibt es hier und was wird dort gemacht? Welche Sehenswürdigkeiten bietet meine Heimatgemeinde? Welche historischen Ereignisse waren hier in der Gegend prägend? Welche bekannten Persönlichkeiten hat meine Stadt hervorgebracht? Welche überlieferten Kochrezepte, Bräuche und Traditionen gibt es in dieser Region? Fragen wie diese und noch viele mehr kann niemand besser beantworten als das Kollektiv aller Bewohner vor Ort. Sie bewahren in Summe das gesamte Wissen einer Gemeinde oder Region und können es Dank der neuen Möglichkeiten in der 2.0-Gemeinde endlich auch zusammentragen und für alle zugänglich machen. Jeder weiß ein bisschen, und alle zusammen wissen alles, was es zu wissen gibt. Social News Das Werkzeug der Social News ist den herkömmlichen Massenmedien naturgemäß ein Dorn im Auge, kann es ihnen doch langfristig „die Butter vom Brot nehmen“. Durch das „Mitmachnetz“ ist heute jeder in der Lage, interessante Neuigkeiten ohne den Umweg über Pressekonferenzen oder PRAussendungen selber zu veröffentlichen. Gerade im kommunalen, nachbarschaftlichen Bereich ist vieles interessant, das den Eingang in die Lokalzeitung aus Platzgründen nicht findet. Das Kinderfest im städtischen Kindergarten, die Meisterschaft des ansässigen Keglervereins, das Firmenjubiläum des Bäckermeisters an der Ecke oder die kurzfristige Verkehrsbehinderung durch eine Straßensanierung finden nur selten Niederschlag in den Printmedien, wären aber wohl für die Nachbarschaft schön zu lesen. Das Web 2.0 bietet Raum für all diese Berichte aus erster Hand sowie das Werkzeug, sie ohne große Streuverluste nur den jeweiligen Interessenten zu zeigen. Die Community der User entscheidet selbst, welche Beiträge wichtig, hochwertig oder einfach nur lesenswert sind, und befördert diese durch ihre 142 Arno Abler Bewertungen in den Aufmerksamkeitsfokus der Öffentlichkeit. Die übrigen versinken dagegen in das ewige Vergessen. Social Networks Netzwerke sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer mehr Leute kennt, hat mehr Chancen, Probleme zu lösen, Interessen zu vertreten, Meinungen zu beeinflussen, Wissen zu erlangen oder einfach nur Freunde zu finden. Die Königsklasse der 2.0-Gemeinde hat mit globalen Portalen wie XING, StudiVZ oder Facebook bereits etliche erfolgreiche Vorbilder. Der Clou am lokalen Ansatz ist aber, dass auch virtuelle Netzwerke vor allem dort Sinn machen, wo man die geknüpften Kontakte in die reale Welt übertragen kann. Was nützt mir ein Kontakt nach Australien außer für gelegentlichen Online-Tratsch und die Vervollständigung der ozeanischen Briefmarkensammlung? Der wahre Nutzen eines virtuellen sozialen Netzwerks zeigt sich dann, wenn man sich auch auf einen Kaffee treffen, gemeinsame Interessen leben und zusammen Projekte umsetzen kann. All diese Werkzeuge bieten sich einer modernen Gemeinde grundsätzlich bereits, allerdings unstrukturiert und kaum zugeschnitten auf lokale Anforderungen. Es gibt frei verfügbare Wiki-Software, Blog-Portale, Content-Management-Systeme, um News zu schreiben und zu verwalten und auch die genannten sozialen Netzwerke, in denen man Leute nach ihrer Wohnsitzgemeinde suchen kann. Aber all das zusammen kompakt für eine einzelne Gemeinde gab es bisher noch nicht. Sie sehen, ich verwende das Imperfekt, weil ich nun die Lösung des Problems vorstellen werde. III. vivomondo Gemeinsam haben wir in der Tiroler Kleinstadt Wörgl (www.woergl.at) das Regionalportal vivomondo entwickelt. Es bündelt neben den Standardanforderungen an einen barrierefreien, kommunalen Webauftritt alle verfügbaren Informationen von Bürgern, Vereinen, Institutionen, Verwaltung und Politik dort, wo sie gebraucht werden und sinnvoll genutzt werden können – nämlich direkt beim Interessensmittelpunkt des Benutzers. Das ist im Normalfall sein Wohnsitz, kann aber auch der Arbeitsplatz oder vorübergehend das Urlaubsdomizil sein. vivomondo ist ein Wort aus der Kunstsprache Esperanto und bedeutet etwa „das Leben der Welt“. Jedem einzelnen Element – ob Wiki, Blog, News- 4.4 Gemeinde 2.0 – Das Beispiel der Stadt Wörgl in Tirol 143 beitrag, Veranstaltung, Foto, Kleinanzeige, Unternehmen oder Benutzer – sind dabei fixe Geokoordinaten zugeordnet. Dadurch sind die Antworten auf alle an das System gestellten Fragen sofort sinnvoll nutzbar. Beispiele sind: • Wo kann ich einen Golfschläger kaufen? – Die Antwort ist die Auflistung aller Anbieter von Golfausrüstungen in der Reihenfolge ihrer Entfernung von meiner Wohnung. • Was gibt es Neues im Sport? – Die Sportereignisse in einem frei wählbaren Umkreis in der Reihenfolge ihrer Aktualität sind das praktisch nutzbare Ergebnis. • Wer von meinen Freunden ist gerade online? – Die Antwort ist eine Karte meiner Gemeinde, auf der die derzeit aktiven Mitglieder meines Netzwerks angezeigt werden, mit denen ich sofort in Kontakt treten kann. • Ich möchte am Abend ein Konzert besuchen! – Der Terminkalender zeigt alle Konzerte von heute in einem Umkreis, der mir für die Anfahrt gerade noch zumutbar erscheint. Alle Einträge können von den Bürgern bewertet (Rating) und verschlagwortet (Tagging) werden, sodass sich dadurch einerseits ein objektives Bild der Qualität der Beiträge ergibt. Andererseits wird die Auffindbarkeit der Informationen für andere Benutzer erleichtert. Das vivomondo-System (www.vivomondo.com) steht ab sofort allen Gemeinden des deutschen Sprachraums zur Verfügung und wird ständig weiter entwickelt. Es stellt den Anspruch, die zahlreichen Anforderungen einer Kommune an das Internet so weit wie nur möglich zu erfüllen. Anfragen richten Sie bitte an den Autor dieses Artikels. Finanziert wird das Portal durch die ansässigen Wirtschaftsbetriebe, welche hier einen geringen jährlichen Beitrag leisten, um ihre Angebote lokal und individuell fokussiert kommunizieren zu können. Nachdem alle Einträge des vivomondo-Systems in Datenbanken verwaltet werden, ist bereits eine semantische Suche in Ansätzen möglich. Doch dieser Aspekt führt uns bereits zum Web 3.0 – und ist eine andere Geschichte. 144 4.5 Wilhelm Bielert Bluetooth — Das mobile Informationsangebot für Kommunen Wilhelm Bielert Mit Hilfe von b-LAN, einer serverbasierten Technologie, die mit jedem Bluetooth-fähigen Handy funktioniert, ist es möglich, für den Nutzer kostenlose multimediale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Dies eröffnet Kommunen und anderen Anwendern die Möglichkeit flexibler Informationsbereitstellung mit einer Rückkoppelung an das Web 2.0. I. Bluetooth in der kommunalen Kommunikation Die Kommunen haben in den letzten Jahren massive Anstrengungen unternommen, um ihren Bürgern wichtige Informationen zu jeder Zeit online verfügbar zu machen. Das Internet-Angebot der Städte und Gemeinden ist mittlerweile in der Regel sehr gut ausgebaut. Der Bürger findet nicht nur Informationen, Adressen und Öffnungszeiten von Ämtern und öffentlichen Einrichtungen online, sondern auch alle Formulare sowie Verweise auf Hilfeseiten und Foren. Mit dem b-LAN-Bluetooth-System werden diese Inhalte jetzt mobil. Sie erreichen den Bürger direkt und kostenfrei auf seinem eigenen Mobiltelefon. Bluetooth ist eine drahtlose Kurzstreckenfunktechnologie. Ein BluetoothSender, der mit dem Internet verbunden ist, erkennt alle Bluetooth-fähigen Geräte (Handys, Palms, Laptops etc.) die sich in seiner Reichweite, im Regelfall zwischen 10 und 30 m, befinden. Diesen Geräten bietet der Sender dann verschiedene Multimediainhalte nacheinander zum kostenlosen Download an. Da es sich hierbei um eine direkte Verbindung zwischen Sender und Telefon handelt, entstehen keine Kosten für den Empfänger. Der Sender ist über das Internet mit einem speziellen Server verbunden, auf dem die zu versendenden Inhalte vorher hinterlegt wurden. Durch die relativ geringe Reichweite der Bluetooth-Technologie lässt sich sehr leicht ein ortsgebundener Themenbezug herstellen. Durch die Anbindung an den Server kann genau festgelegt werden, welche Inhalte wo in welcher Reihenfolge versendet werden. Alles, was dafür nötig ist, ist eine bestehende DSL-Internetverbindung. 4.5 Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen 145 In der Bluetooth-Zone, dem Bereich, der von einem Sender abgedeckt wird, spricht der Sender automatisch die erkannten Geräte wie Mobiltelefone oder Laptops an und der Bürger hat immer die Möglichkeit, die Inhalte anzunehmen und auf seinem mobilen Endgerät zu betrachten, oder die Annahme zu verweigern. Wenn der Bluetooth-Sender als Teil eines bestehenden Netzwerkes eingerichtet wird, ist er leicht so zu konfigurieren, dass für das Netzwerk keinerlei Gefahr besteht, da der Sender selbst von den Endgeräten nicht angesprochen werden kann. Die Multimedia-Inhalte Grundsätzlich gilt, alles, was auf den mobilen Endgeräten benutzt und angezeigt werden kann, kann über Bluetooth versendet werden. Die am häufigsten versandten Dateien sind technisch gesehen Bilder. Ob es sich dabei um Fotos, etwa der lokalen Sehenswürdigkeiten oder die Aktion unterstützender Hotels und Restaurants oder um Gutscheine für lokale Einzelhändler oder Einrichtungen (z.B. Kinos, Schwimmbäder) oder Stadtpläne oder Informationen handelt, computertechnisch gesehen sind dies alles Bilddateien, die auf dem Handy ohne Probleme angezeigt werden können. Ähnlich verhält es sich mit Audiodateien. Klingeltöne, vollständige Musikstücke, Podcasts oder Sprachdateien können in hervorragender Tonqualität als mp3-Datei auf die Endgeräte versendet und dort direkt geöffnet werden. Eine Möglichkeit mit direktem Mehrwert für die Nutzer sind Videoclips. Diese Bewegtbilder haben einen großen Unterhaltungsfaktor und bieten genau wie Bilder und Audiodaten ein enormes Kreativpotenzial, und den Möglichkeiten ihrer Einbindung in die mobilen Kampagnen der Kommunen sind in kreativer Hinsicht kaum Grenzen gesetzt. Darüber hinaus bietet das System auch die Möglichkeit, komplexe Anwendungen über Bluetooth zu versenden. Dies können etwa digitale Museumskataloge, Stadtführer, Veranstaltungskalender oder Shopping-Guides sein. Nach dem Versand über Bluetooth werden diese, in der Regel Javabasierten Anwendungen auf den Mobiltelefonen installiert und können sofort benutzt werden. Solche Anwendungen können themenbezogen nach den individuellen Wünschen der Kommunen realisiert werden. Postiver Nebeneffekt dieser modernen Form des mobilen Marketings ist, dass der Benutzer die Inhalte mitnimmt und sie dann per Bluetooth weiter an seine eigenen Kontakte verteilt. II. Anwendungsmöglichkeiten 146 Wilhelm Bielert Die Anwendungsmöglichkeiten für das Bluetooth-System im Bereich der Kommunen sind nahezu unbegrenzt. Da jeder Inhalt versendet werden kann, der auf den Mobiltelefonen darstellbar und benutzbar ist, bieten sich hier zahllose Möglichkeiten, an verschiedenen Punkten einen ortsgebunden Themenbezug mit hohem Mehrwert für die Bürger und Gäste herzustellen. Im Bereich der Ämter und städtischen Einrichtungen können z.B. wichtige Informationen, Bekanntmachungen und Hinweise versendet werden. In Museen und Ausstellungen können vor Ort Audioinformationen als Podcast an die Besucher versendet werden, die man sonst nur über das Internet beziehen kann. Über verschiedene Menüs ist beispielsweise auch eine Sprachauswahl für ausländische Gäste und Besucher realisierbar. Auf Flughäfen, Bahnhöfen, Busbahnhöfen und an anderen zentralen Orten können digitale Stadtführer mit zusätzlichen Informationen zu Hotels und Restaurants, der Geschichte der Stadt, Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Veranstaltungen oder Fahrplänen und Informationen an die Besucher und Gäste versendet werden. Für die Möglichkeit, komplexe Anwendungen über Bluetooth zu versenden, bieten sich gerade im Bereich der Museen, Ausstellungen Tourismus und Verkehr unzählige Anwendungen. Ob digitaler Ausstellungskatalog, städtischer Hotelführer, Fahrplan, Katalog der Sehenswürdigkeiten oder umliegenden Naherholungsgebiete, den denkbaren Anwendungen im kommunalen Bereich sind kaum Grenzen gesetzt. Durch das serverbasierte Design der Technologie lässt sich das gesamte System ohne weiteres nach den Vorstellungen der Kommune konfigurieren. Im Hintergrund läuft ein sogenanntes Content-Management-System, welches bestimmt, welche Inhalte den Bürgern und Gästen über welche Sender zu welcher Zeit in welcher Reihenfolge angeboten werden. Das System ist nicht nur technisch nach den Bedürfnissen der Kommune konfigurierbar, auch das optische Erscheinungsbild ist den Vorstellungen und Wünschen komplett anpassbar und kann leicht in einem eventuell bereits bestehenden Corporate Design der Stadt gehalten werden. Synergieeffekte Neben dem Vorteil der Kostenfreiheit für die Empfänger bietet die Anwendung des Systems zahllose Möglichkeiten für Synergieeffekte mit lokalen Unternehmen. Hotels und Restaurants sind dabei nur zwei Beispiele aus der Tourismusbranche, mit denen sich beim Versand z.B. von Gutscheinen oder gesponserten Informationen deutliche Synergieeffekte erzielen lassen. 4.5 Bluetooth – Das mobile Informationsangebot für Kommunen 147 Auch hier gilt, genau wie beim Versand der verschiedenen Inhalte, den kreativen Ansätzen und Ideen der kommunalen Entscheidungsträger sind in Sachen Kooperationen und Synergien kaum Grenzen gesetzt. Das System ist als offenes und skalierbares System entwickelt worden, dass sich den individuellen und speziellen Bedürfnissen seiner Anwender anpasst. Ein weiterer Vorteil des Bluetooth-Systems liegt in seiner hohen Skalierbarkeit und den umfangreichen Statistiken und Auswertungen, die es bietet. Damit lassen sich der Erfolg und die Wirkung der durchgeführten BluetoothKampagnen messen und auswerten. Über Statistik-Tool lässt sich genau feststellen, welche Dateien wie oft versendet wurden, wie viele Items in welchen Bluetooth-Zonen versendet wurden etc. Diese Rückkopplung eröffnet dann die Möglichkeit, die Reichweite und den Erfolg des Systems durch Veränderung bestimmter Faktoren zu erhöhen. III. Perspektiven Mit der Bluetooth-Technologie steht den Kommunen und Gemeinden ein hochmodernes und innovatives Werkzeug zur Verfügung, um gezielt Informationen und Multimedia-Inhalte an Bürger und Gäste zu versenden. Dieses Versenden ist nicht nur voll automatisiert und schnell, es ist darüber hinaus auch kostenlos. Anders als beim Zugriff auf das mobile Internet oder WAP-Portale entstehen keine Kosten. Ob auf Ämtern, im Schwimmbad, im Museum, am Bahnhof oder an der Touristeninformation, die Gemeinden und Kommunen erreichen hier die Besucher und Bürger direkt auf ihrem wichtigsten persönlichen Kommunikationsmittel, dem Mobiltelefon. Und das Ganze schnell, kostengünstig und umweltfreundlich, da der Gast den Stadtplan auf seinem Telefon mitnimmt. Darüber hinaus lassen sich die zu versendenden Inhalte schneller und günstiger aktualisieren als herkömmliche Printpublikationen. Alles was für den Einsatz des Bluetooth-Systems notwendig ist, ist eine bestehende DSL-Internetverbindung. Die Bluetooth-Sender und die ServerInfrastruktur werden von einem externen Dienstleister gestellt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei Bedarf zukünftig einen Rückkanal integrieren zu können, entweder über eine Interaktion des Nutzers vor Ort mittels Handy oder zeitlich versetzt per Internet. Dadurch sind der Integration von Anwendungen in bereits bestehende oder geplante Web-2.0Anwendungen keine Grenzen gesetzt. 148 4.6 Svenja Ohlemann / Alexander Olek Bildung 2.0 — mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern Svenja Ohlemann und Alexander Olek Inphorms ist eine Bildungscommunity, die Eltern, Lehrer und Schulen untereinander vernetzt und sie in ihren individuellen Bedürfnissen rund um den Schulalltag unterstützt. Hauptziel von Inphorms ist es, Transparenz in der Bildung zu schaffen und einen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Bildung in Deutschland zu leisten. I. Gute Bildung als gemeinsame Herausforderung Nie war das öffentliche Interesse für Bildung so groß, die Zweifel am deutschen Schulsystem so stark und gleichzeitig der Wille zur Veränderung so präsent wie heute. Kommunen wissen um die Bedeutung guter Bildung, wenn es um die Entscheidung junger Familien und Unternehmen geht, sich dort anzusiedeln. Gleichzeitig leiden viele ländliche Regionen durch den demographischen Wandel und den Wegzug junger Familien unter einem Rückgang der Schülerzahlen. Daraus folgen in vielen Fällen die Zusammenlegung von Schulen und die Teilung von Ressourcen insbesondere im Personalbereich. Ein häufiges Problem: Verwaltungsangestellte an Schulen sind nicht selten für mehrere Standorte gleichzeitig zuständig, deren Sekretariate folglich immer nur abwechselnd persönlich besetzt sind. In der Zwischenzeit fehlt der persönliche Ansprechpartner für Eltern, Lehrer und Schüler. Als Folge eingeschränkter Ressourcen muss der Verwaltungsaufwand in den Schulen in kürzerer Zeit von weniger Personen bewältigt werden. Dabei zeigt sich oft, dass durch fehlende Transparenz innerhalb der Schule immer wieder die gleiche Arbeit von verschiedenen Personen mehrmals gemacht wird. Beispielsweise werden Schülerdaten, wenn sie an anderer Stelle in der Schule benötigt werden, jedes Mal neu eingegeben bzw. aktualisiert, da Sekretariat, Lehrer und schulinterne Dienstleister oft über keine gemeinsame Datenbank verfügen. 4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 149 Ein anderes Problem: junge Pädagogen stehen vor der Herausforderung, Unterrichtsmaterial und -erfahrung für ihre eigenen Klassen zu sammeln und suchen gerne den Erfahrungsaustausch mit „gestandenen Lehrkräften“. Diese wiederum sind an frischen Ideen und Lernkonzepten interessiert. Jedoch gründen und etablieren sich schulübergreifende Netzwerke und Materialbörsen erst seit dem Aufkommen des Web 2.0, welches hauptsächlich durch die interaktive Generierung von Inhalten durch User funktioniert. Eltern sind durch Medienberichte und Erzählungen anderer Eltern oftmals verunsichert und suchen nach Wegen, ihre Kinder im Schulalltag besser begleiten zu können. Ein Einblick ins Klassenzimmer und damit das Wissen über die Inhalte und die Aktivitäten in der Schule fehlen häufig, sodass Eltern verunsichert sind über die Qualität der Bildung. II. Vernetzung zwischen Schulen, Lehrer und Eltern Kommunen, Schulen und Eltern haben ein gemeinsames Ziel, nämlich die Verbesserung der Bildung. Dafür bedienen sie sich getrennt voneinander zunehmend des Internets. Informationsportale für Eltern, Tauschbörsen für Lehrer und Online-Programme für Schulen „versorgen“ die Akteure separat voneinander und geben nur vereinzelt die Möglichkeit der interaktiven Vernetzung. Derweil steht die soziale Vernetzung via Internet neben der Generierung von Wissen und Inhalten durch Internetnutzer selbst im Vordergrund der Web-2.0-Philosophie. Weil für alle Nutzergruppen zusätzliche Transparenz von Nöten ist, kann eine Web-2.0-Bildungsplattform auf der jede Gruppe einen für sie bestimmen Bereich und zusätzlich Raum zum Austausch mit anderen Nutzergruppen findet, Schüler nachhaltig fördern. III. Funktionen und Netzwerk Inphorms ist eine Bildungscommunity, auf der alle Bildungsakteure – Schulen, Lehrer und Eltern – unabhängig von ihrem Standort und Aufgabenbereich zusammenkommen können. Darüber hinaus das System Funktionen an, die auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Gruppen zugeschnitten sind. Ein Beispiel ist die Unterrichtsvorbereitung von Lehrern. 150 Svenja Ohlemann / Alexander Olek Die Interaktivität spielt sowohl bei der Vernetzung als auch bei den verschiedenen Anwendungen eine maßgebliche Rolle. Im Gegensatz zu früheren Internetseiten erstellen User heute Informationen selbst, teilen sie und bewerten jene anderer Mitglieder. Die Mitglieder können je nach ihrer Funktion drei Hauptbereiche nutzen, um sich gegenseitig zu unterstützen und auszutauschen. Virtuelle Schulverwaltung Mittels der Online-Schulverwaltung Inphorms-ClassSpace können Schulen alle im Schulalltag relevanten Informationen (Stundenpläne, Termine, Schülerakten etc.) zentral und elektronisch verwalten und mittels Schnittstellen an andere in der Schule verwendete Programme (z.B. Bibliothekssoftware, Buchhaltung) weitergeben. Durch die zentrale Datenbank werden Arbeitsvorgänge, wie Adressaktualisierungen, nur noch einmal durchgeführt, Redundanzen vermieden und wertvolle Zeit gespart. Gemäß ihrer Zugriffsrechte können Schulleitung, Sekretariat und Kollegium auf die aktuellsten Daten zugreifen und fächer- bzw. themenübergreifend bearbeiten. Virtuelles Lehrerzimmer Im virtuellen Lehrerzimmer finden sich Funktionen zur modernen Unterrichtsvor- und -nachbereitung inklusive einem exklusiven Austausch unter Pädagogen. Die Aufschlüsselung der Lehrpläne in einzelne Themeninseln und die daran angebundene Datenbank mit Lehrinhalten gibt hilfreiche Empfehlungen und Einblicke, wie andere Pädagogen ihren Unterricht vorbereiten, und neue Ideen sowie konkrete Unterstützung bei der Zusammenstellung des eigenen Materials. Lehrer können in diesem Bereich eigene Beiträge einstellen (z.B. Projektvorschläge, Arbeitsblätter) und das Material anderer Nutzer bewerten. So entsteht eine Web-2.0-typische Selbstkontrolle und Qualitätssicherung. Gut bewertete und oft benutzte Unterrichtsinhalte erscheinen ganz oben, schlechte befinden sich am Ende der Liste. Virtuelles Klassenzimmer Der dritte Bereich der Bildungscommunity, das virtuelle Klassenzimmer, richtet sich an Lehrer und Eltern jeweils einer Klasse und ermöglicht einen regelmäßigen Austausch zu aktuellen Lerninhalten, Terminen der Klasse (z.B. Wandertage) und Freizeitaktivitäten. Ziel ist es, den Eltern einen „Blick ins Klassenzimmer“ zu erlauben und sie damit stärker in den Schulalltag 4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 151 ihrer Kinder mit einzubeziehen. Eltern erhalten durch die Redaktion der Community sowie durch die Klassenlehrer oder andere Eltern Empfehlungen, wie sie ihre Kinder nach der Schule pädagogisch wertvoll, nämlich thematisch an die Unterrichtsinhalte angelehnt, unterstützen und beschäftigen können. Mit der Information der Eltern und ihrer Einbindung gewinnen Lehrer zusätzliche Unterstützung in der Bildungsarbeit. IV. Web 2.0 macht Bildung überall verfügbar Erhebungen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass im Jahr 2007 bereits über 84% der 24–55-jährigen (Hauptgruppe der Eltern und Schulmitarbeiter) bereits das Internet nutzten. Damit zeigt sich, dass über webbasierte Anwendungen Informationen für alle Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden können. Neu bei Inphorms ist in dieser Form der Fokus auf das Thema Bildung, denn es spricht in seiner Konzeption alle Akteure der Bildung an: Lehrer als Pädagogen, Schulen als Orte des Wissens, Direktoren und Sekretariate als „Bildungsmanager“ sowie Eltern als Beziehungsmotivatoren/-unterstützer. Dennoch können alle Funktionen einer Nutzergruppe (z.B. das Klassenzimmer für Eltern) ohne die Interaktion der anderen (also Lehrer und Schule) genutzt werden, da sich die Eltern gegebenenfalls untereinander informieren können. V. Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene Besonders in ländlichen Regionen bietet das Internet neue Wege für Schulen, sich auch über weite Distanzen regelmäßig auszutauschen. Auch für Städte mit starken Profilunterschieden und damit hohem Wettbewerb zwischen einzelnen Schulen bietet Inphorms wesentliche Vorteile. Die Wahrnehmung der Eltern, welche Schule einen guten Ruf hat, ist oft sehr subjektiv und hat die Ursachen eher in der mangelnden Kommunikation der Schule als an der schlechten Qualität. Durch Transparenz werden Schulen mit wenig ausgebildetem Profil unterstützt und erreichen langfristig einen höheren Qualitätsstandard. Für Kommunen bietet die Online-Schulverwaltung Inphorms-ClassSpace einen Hauptansatzpunkt, um die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Schulen zu fördern. 152 Svenja Ohlemann / Alexander Olek Die Online-Anwendung ermöglicht einen Datenabgleich, sowie die elektronische Überführung der Schülerakten von der Grundschule zur weiterführenden Schule. Damit ergeben sich z.B. bessere Möglichkeiten zur gezielten Förderung durch die Lehrer, denn Beobachtungen wie etwa Lernschwächen oder Hochbegabungen, die bereits in der Grundschule festgestellt werden, können in der weiterführenden Schule sofort aufgegriffen werden und verbessern dadurch die Zukunftschancen der Kinder der Region. Darüber hinaus können die Ressourcen in der Kommune noch besser genutzt werden: beispielsweise hat eine Sekretärin, die für mehrere Schulen verantwortlich ist, natürlicherweise aber immer nur an einer Schule präsent sein kann, über die Community die Möglichkeit, jederzeit auf alle „ihre“ Schulen zuzugreifen. Das sonst leere Sekretariat ist somit immer virtuell besetzt. VI. Die Kommunen als innovative Bildungsstandorte Durch die gezielte Vernetzung der Schulen, Lehrer und Eltern einer Kommune kann der Bildungsstandard innerhalb der Gemeinde und damit ihr Ruf als Bildungsstandort signifikant gesteigert werden. Gerade für die Ansiedlung internationaler Unternehmen oder Fachbetriebe, die auf Fachleute angewiesen sind, ist das lokale Bildungsangebot ein Entscheidungsfaktor. Kommunen können demzufolge auch ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit durch eine vernetzte Nutzung der vorhandenen Bildungsressourcen langfristig steigern. Insofern fördern Web-2.0-Lösungen, wie sie die eine Bildungscommunity bietet, durch Ressourcenteilung, Information und Austausch auch im Bereich Schule die Entwicklung von Regionen und erzeugt einen Unterschied für die Zukunft des einzelnen Kindes, aber auch einer ganzen Stadt. Der Nutzen des Einzelnen führt damit zum Nutzen Aller. 4.6 Bildung 2.0 – mehr Kooperation zwischen Lehrern, Schülern u. Eltern 153 154 Daniela Riedel / Rafael Wawer 5 Tipps für den Umgang mit Web 2.0 5.1 Ein Blog in fünf Schritten Daniela Riedel und Rafael Wawer Ein Politiker, der für das Bürgermeisteramt kandidiert, entschließt sich kurzerhand, zusätzlich zu der eigentlichen Kampagne ein Blog zu initiieren. Er will damit seinen Konkurrenten etwas Überraschendes entgegen setzen und andere Wählerstimmen erreichen. Die Umsetzung ist leicht. Es sind nur fünf Schritte nötig. Schritt 1: Ziel und Konzept des öffentlichen Blogs definieren Nach kurzer Beratung wird dem Kandidaten klar, dass öffentliche Blogs auch Politik sind. Wer A sagt, muss auch B sagen. Jedes Wort ist politisch und kann durch einen findigen Journalisten nach Jahren zitiert werden. Die Frage lautet daher zunächst, wie und warum der Kandidat persönliche Einblicke gewähren und welche Inhalte er einstellen will. Hier kann man sich an dem Vorstandsvorsitzenden der Software-Firma Sun orientieren: blogs.sun.com/jonathan. Seit Jahren führt Jonathan Schwartz einen Corporate Blog und verleiht dem Unternehmen durch seine persönliche Schreibe ein Gesicht. Schritt 2: Schreibstil anpassen und Redakteur bestimmen Emily Gould, eine sehr erfolgreiche Bloggerin der New York Times, äußerte kürzlich, dass das Private den Leser dazu animiert, die Person zu verstehen oder sich mit ihren Ansichten eingehend auseinanderzusetzen. Demgegenüber provoziert das Unpersönliche schnell Anfeindungen. Dadurch gewinnt der Autor an privater Authentizität, die in der Regel zu einer höheren Anerkennung führt als verbrauchte Reden und „Politikersprech“. Schritt 3: Für ein Blogsystem und dessen Community entscheiden Nachdem der Kandidat ein Konzept ausgearbeitet hat, entschließt er sich für die Blog-Community blogger.com. 5.1 Ein Blog in fünf Schritten 155 Tab. 5.1-1: Blog-Communities und Blog-Software (Auswahl) Blog-Communities blogger.com livejournal.com blog.de twoday.net Blog-Software wordpress.com textpattern.com Schritt 4: Blog einrichten Um die Community nutzen zu können, benötigt man ein Mail-Konto. Gehen wir daher einmal die Schritte durch, die für einen eigenen Blog notwendig sind, und kehren dann zu unserem Kandidaten zurück. • Nun rufen wir blogger.com auf und informieren uns ggf. unter „Was ist ein Blog?“. • Oben rechts tragen wir, sofern nicht bereits angemeldet, das neue MailKonto zur Authentifizierung ein. Nach der Anmeldung folgen wir dem Link: „Blog jetzt erstellen“. • In „1. Angaben speichern“ wählen wir einen Blog-Anzeigenamen unseres Nutzers, der zu unserem Profil passt. Sagen wir: „Orator“. • In „2. Benennen Sie Ihr Blog“ wählen wir „Testblog“ für die Adresse „testblog.blogspot.com“. Blogger warnt uns, dass „testblog.blogspot. com“ belegt ist, deshalb wählen wir „orator-testblog.blogspot.com“ und drücken „Weiter“. • In „3. Wählen Sie eine Vorlage“ (Layout), entscheiden wir uns für ein klassisches Layout in Grün. • „Ihr Blog wurde erstellt!“ und ist unter der Adresse „orator-testblog. blogspot.com“ über die Adressleiste des Browsers erreichbar. Damit ist bereits nach wenigen Minuten ein leerer Blog angelegt. Schritt 5: Inhalte einstellen Anders als Zeitungen sind Blogs kostenlos abrufbar. Ob ein Text lesenswert ist, entscheidet sich binnen sekundenkurzer Klicks. Kommen wir also zu den Inhalten. Wenn wir unter blogger.com angemeldet sind, rufen wir die neue Adresse „orator-testblog.blogspot.com“ nun testweise auf. Oben im Fenster erscheint eine Liste an Funktionen. Darunter befindet sich der Knopf „Neuer Post“, den wir hochgespannt drücken. 156 Daniela Riedel / Rafael Wawer Ein Beitrag (Post) kann jetzt geschrieben werden. Wir kopieren zwei Texte von Marc Aurel, und drücken jeweils „Post veröffentlichen“. Zwei Einträge wurden angelegt. Das war’s! Die Seite hat Inhalte und kann von überall aus der Welt eingesehen sowie von Suchmaschinen gefunden werden. Sie kostet den Autor nichts. Nach einer Woche des Testens, des Vertrautmachens mit Bloggersprech und der Community beschließt unser Kandidat schließlich eine echte deDomain bei Blogger.com zu schalten. Damit ist sein Blog nicht unter der Subdomain-Adresse „orator-testblog.blogspot.com“ aufrufbar, sondern unter, sagen wir, „meforbuergermeister.de“. Hierzu folgt man den Anweisungen unter „Einstellungen“ in „Veröffentlichung“ und „Kostenloser Hosting-Service von Blogger“. Nach ein paar Tagen finden die Crawler einer Suchmaschine den Blog. Wer danach den Namen des Kandidaten bei einer Abfrage verwendet, gelangt, je nach Popularität des Blogs, und mit jedem Aufruf öfter, auf den offiziellen Blog unseres Kandidaten. Blogs erfreuen sich ihrer Beliebtheit, da sie sehr schnell, kostenlos und ohne technische Kenntnisse erstellt werden können. Steht die Umgebung einmal zur Verfügung, ist es nun am Kandidaten, das Blog mit lebendigen Inhalten zu füllen, die interessant und lesbar sind. Denn ein Blog ist schneller weggeklickt als eine altehrwürdige Zeitung. Emily Gould nennt ihr Blog zum Beispiel „Emily Magazine“. Damit stellt sie sich in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Ein Blog kann wie eine Online-Zeitung des Kandidaten geführt werden. Welche Möglichkeiten der Kandidat letztlich mit seiner „Diskursmaschine“ verwirklicht, liegt in seinen Händen. Während eines Interviews erwähnt unser Kandidat, dass er, um der Bürger und Leser willen, einen persönlichen öffentlichen Blog gründete, der wie eine private Kolumne konzipiert ist. Binnen weniger Tage besuchen mehr als zehntausend Menschen seinen Blog, und der Feuilleton, der bloggende Politiker nicht gewohnt ist, sorgt für die journalistische Resonanz. Ob die Publicity dem Politiker nützt, und ob er sie zu seinen Gunsten einsetzt, hängt nun ab von seinem Geschick – sowohl verbal als auch schriftlich. Fakt ist jedoch, dass er einen direkten Kanal zur Öffentlichkeit gefunden hat. 5.2 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors 5.2 157 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors Andreas Huber Einer der aktivsten Bereiche des Web 2.0 ist die Blogosphäre. Ein Blog als öffentlich zugängliches Tagebuch lässt sich ohne viel Aufwand einrichten und pflegen, sodass er den idealen Einstieg in die Welt des Web 2.0 bietet. Um den eigenen Blog aus der Masse der Internettagebücher herauszuheben, sollten jedoch einige Punkte berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Studie für IBM hat der Managementprofessor David C. Wyld auf Basis einer breiten Analyse von Positivbeispielen zehn praktische Tipps für das Bloggen von Führungskräften des öffentlichen Sektors zusammengestellt. Tipp 1: Definieren Sie sich und Ihren Standpunkt Am Anfang jedes Blogs sollte deutlich gemacht werden, wer diesen schreibt und zu welchem Zweck (Themen, Zielpublikum, etc.). Beliebige Einträge ohne erkennbaren Zusammenhang führen schnell zu Desinteresse bei Lesern und hinterlassen keinen guten Eindruck. Tipp 2: Machen Sie es selbst Lassen Sie Ihren Blog nicht von anderen schreiben. Selbstverständlich sollte für die grafische Gestaltung und die technische Umsetzung jede nötige Hilfe in Anspruch genommen werden. Doch um Authentizität zu gewährleisten und das Interesse der Leser zu fesseln, sollten Sie Ihre Blog-Einträge unbedingt selbst verfassen. Tipp 3: Nehmen Sie sich die Zeit Bevor Sie einen Blog ins Leben rufen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie sich für einen erfolgreichen Blog regelmäßig Zeit nehmen müssen, um Blog-Einträge zu verfassen und auf Kommentare zu reagieren. Falls die Kommentare zudem redaktionell ausgewählt werden sollen, benötigen Sie zusätzliche Zeit oder müssen einen Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betreuen. Für die Sicherstellung eines stetigen Informationsflusses sollten Sie in Ihrem Terminplan regelmäßig feste Zeiten einplanen und bei längerer Abwesenheit einen Gast-Blogger einladen. Denn in der Blogosphäre wan- 158 Andreas Huber dern Nutzer bereits nach einer kurzen Phase der Inaktivität zu anderen Blogs ab. Tipp 4: Schreiben Sie regelmäßig Eng verbunden mit den vorangegangenen Hinweisen ist der Tipp, regelmäßig neue Inhalte in Ihrem Blog zu veröffentlichen. Wenn Sie nicht stetig aktuelles und vor allem interessantes Material veröffentlichen, wird sich die Leserschaft schnell von Ihrem Blog abwenden. Tipp 5: Seien Sie großzügig Langweilen Sie Ihre Leser nicht mit selbstbezogenen Einträgen und Eigenlob. Auf diese Weise werden Sie Ihre Leser bald verlieren. Machen Sie Ihren Blog dagegen zu einer Plattform für Ihren Zuständigkeitsbereich, Ihre Mitarbeiter, Ihre Familie (bis zu einem gewissen Grade) usw. Nutzen Sie die Möglichkeit einzelne Personen in Ihrem Bezirk herauszuheben und Ihren Arbeitsbereich sowie aktuelle Aktivitäten vorzustellen. Verteilen Sie Lob und weisen Sie auf die Bedürfnisse von Menschen in schwierigen Situationen hin. Kurzum, tun Sie gutes mit Worten. Tipp 6: Legen Sie sich eine dicke Haut zu Bloggen ist sicherlich keine Beschäftigung für Zartbesaitete. Neben durchdachten und klugen Anmerkungen werden Sie auch Kommentare erhalten, die sich nicht veröffentlichen lassen. Während einige Nutzer Ihnen überschwängliches Lob zukommen lassen werden, melden sich immer auch scharfe Kritiker zu Wort. Tipp 7: Prüfen Sie Ihre Einträge auf Rechtschreibung Dieser Punkt sollte eigentlich selbstverständlich sein, doch in der Praxis trifft man immer wieder auf Blog-Einträge mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Diese Art von Fehlern hinterlässt nicht nur einen schlechten Eindruck bei den Lesern, sondern lenkt auch von der eigentlichen Botschaft der Einträge ab. Tipp 8: Schreiben Sie nicht zu detailverliebt Auch wenn eine gewisse Offenheit zu den Grundeigenschaften eines Blogs zählt, sollten Sie diese nicht übertreiben. Nutzen Sie den Blog als Fenster zu Ihren Gedanken und Ihrer Arbeit, doch verschonen Sie Ihre Leser mit detaillierten Auflistungen ihrer Mahlzeiten. 5.2 Zehn Blogging-Tipps für Führungskräfte des öffentlichen Sektors 159 Tipp 9: Berücksichtigen Sie Multimedia Für einen erfolgreichen Blog ist das regelmäßige Schreiben von interessanten und gut geschriebenen Einträgen lediglich der Grundbaustein. Zu einem überdurchschnittlichen Blog zählt darüber hinaus auch eine einfach zu handhabende und ansprechende Benutzeroberfläche. Als Ergänzung des geschriebenen Inhaltes sollten zudem Audio- und Videoangebote eingebunden werden. Dabei ist es nicht unbedingt nötig sofort eigene Pod- und Vodcasts zu produzieren. Es können zu Beginn auch einfach frei verfügbare externe Inhalte ohne großen finanziellen und zeitlichen Mehraufwand in den eigenen Blog integriert werden. Tipp 10: Seien Sie ein Blogging-Student Machen Sie es sich zu einer regelmäßigen Gewohnheit, täglich in anderen Blogs zu stöbern. Finden Sie Ihre persönlichen Favoriten, sowohl zu politischen als auch zu nicht politischen Themen, und abonnieren Sie diese mit Hilfe von sogenannten Feed-Readern. Diese Programme ermöglichen es Ihnen, neue Einträge in den von Ihnen ausgewählten Blogs in einem einzelnen Fenster zu verfolgen, ohne jeweils die verschiedenen Blogs einzelnen aufrufen zu müssen. Auf diese Weise bleiben sie nicht nur auf dem Laufenden in den ausgewählten Bereichen, sondern erhalten auch wertvolle Anregungen für die Gestaltung des eigenen Blogs. 160 5.3 Stefan Schulz Glossar Stefan Schulz AJAX: Abkürzung für „Asynchronous →JavaScript and →XML“. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die es Betreibern von Webseiten ermöglicht, Inhalte nicht nur statisch, sondern mit dynamischen, vom Nutzer steuerbaren Merkmalen auszustatten, wodurch die Benutzerfreundlichkeit erhöht wird. Atom: →RSS Backend: ein aus der Informatik entliehener Begriff, der den nicht-öffentlichen Bereich einer Webseite bezeichnet. Hier können Veränderungen an Inhalt und Design vorgenommen werden, die im →Frontend erscheinen. Das Backend einer Webseite wird über den →Browser bedient und ermöglicht dadurch eine sehr einfache Handhabung. Beta-Prinzip: im Namen von Internetdiensten verweist die Erweiterung Beta auf das Entwicklungsstadium. Moderne Internetdienste verstehen ihre Services nicht als Produkte, sondern als Projekte, die auch nach Markteinführung kontinuierlich weiterentwickelt werden. Während Alpha-Versionen allein den Entwicklern und einem Testpublikum zur Verfügung stehen, ist eine Beta-Version für gewöhnlich bereits für einen öffentlichen Nutzerkreis vorgesehen. Blog: Kurzform für den Begriff „Weblog“, der auf der Kreuzung von „World Wide Web“ und „Log“ (engl. für Logbuch) basiert. Ein Blog beruht auf Softwaretechnologie, die einfaches, schnelles und vermehrt multimediales Publizieren im Internet ermöglicht. Die Inhalte eines Blogs ergeben sich durch kontinuierlich veröffentlichte Beiträge, die für gewöhnlich chronologisch sortiert angezeigt werden. Blogs werden gemeinhin als „persönliche Nachrichtenticker“ oder „Online-Tagebücher“ bezeichnet, thematisieren oftmals aber auch unpersönliche, gesellschaftlich relevante Themen. Die Beiträge können in der Regel kommentiert werden, sodass es sich bei Blogs um eine besondere Form des →UGC handelt. Blogosphäre: Bezeichnung für die Gesamtheit aller →Blogs. Die Blogosphäre zeichnet sich besonders durch ihre intensive interne Vernetzung aus, die darauf beruht, dass direkte und gegenseitige Verweise zwischen Blogs technisch sehr einfach umgesetzt werden können. 5.3 Glossar 161 Bluetooth: Technologie, die drahtloses Kommunizieren über kurze Distanzen ermöglicht. Sie wurde entwickelt, um kabelgebundene Systeme zu ersetzen. Bluetooth ermöglicht kabellose Verbindungen zwischen Computern, Eingabegeräten, Mobiltelefonen, Freisprecheinrichtungen und vielem mehr. Inzwischen wurden auch Standards entwickelt, die beispielsweise kabelfreie Musikübertragung ermöglicht Browser: (auch „Internetbrowser“ oder „Webbrowser“) Software, die auf dem Anwendungsgerät eines Internetnutzers läuft. Ein Browser ermöglicht den Zugang zu Internetseiten. Beispiele sind Internet Explorer, Firefox, Safari oder Opera. CMS: Abkürzung für „Content-Management-System“ (engl. für Inhalteverwaltungssystem). Ein CMS ist eine Software, welche die einfache inhaltliche und grafische Administration von Webseiten ermöglicht. Crawler: Software, die selbstständig Webseiten besucht und Informationen über deren Inhalte sammelt. Diese Sammlungen von Inhalten werden in einem Katalog zusammengestellt. Bei Suchanfragen durch Internetnutzer wird nicht auf das Internet, sondern nur auf den Katalog zugegriffen. Diese Vorgehensweise beschleunigt das Durchsuchen des Internets. Digital Divide/Digitale Kluft: gesellschaftliches Phänomen, das mit der sogenannten Wohlstandsschere zwischen Arm und Reich vergleichbar ist. Bei der „digitalen Kluft“ ist jedoch nicht das Einkommen oder das Vermögen das zentrale Kriterium, sondern die Möglichkeit zur Teilhabe an digitaler Kommunikation, wie etwa dem Internet. E-…: Vorsilbe für Namen von Verfahren und Tätigkeiten, die mittlerweile elektronisch erfolgen. „E“ ist heute weitgehend mit „Online“ gleichzusetzen. Die Vorgänge, die in dieser Weise beschrieben werden, sind nicht prinzipiell neu, sondern werden durch technologische Unterstützung vollzogen. Beispiele hierfür sind E-Mail, Online-Banking und E-Learning. Echtzeit-Kommunikation: Kommunikation, die ohne technologiebedingte Verzögerung stattfindet. Echtzeit setzte lange die physische Anwesenheit der Beteiligten voraus. Durch Telefon, Fernsehen und Internet konnte diese Beschränkung überwunden werden. Feed-Reader: Software, die den einfachen Zugang zu den Inhalten einer oder mehrerer Webseiten ermöglicht. Viele Webseiten stellen ihre Inhalte nicht nur in einer grafischen Form dar, sondern veröffentlichen auch einen →RSS-Feed, der allein die Inhalte, nicht aber die Gestaltung der Webseite erfasst. Feed-Reader ermöglichen den benutzerfreundlichen Zugang zu diesen Inhalten. 162 Stefan Schulz Forum: Stätte der Begegnung und des Austauschs. Online-Foren verfolgen dieses Ziel im Internet. Durch ihre Struktur, die einfaches Thematisieren und Kommentieren jeglicher Sachverhalte ermöglicht, dienen sie sowohl der Begegnung als auch dem Austausch. Wenn Online-Foren spezifische Inhalte behandeln, gelten sie oftmals als →Online-Community. Frontend: Bereich einer Webseite, der öffentlich und sichtbar ist. Der Begriff stammt aus der Informatik. Die Inhalte des Frontend werden über das →Backend administriert. HTML: Abkürzung für „Hypertext Markup Language“ und Bezeichnung für eine standardisierte Form der Darstellung von Inhalten des Internets. HTML wurde vorrangig für die Darstellung in →Browsern entwickelt und stellt die Grundlage des World Wide Web dar. Instant Messaging: (engl. für „sofortige Nachrichtenübermittlung“) schnelle und unmittelbare Form der elektronischen Kommunikation dar. Dieser Technik wird oft zugesprochen, die E-Mail abzulösen, bedient jedoch ein anderes Kommunikationsbedürfnis als E-Mail. Instant-Messaging-Dienste informieren die Teilnehmer für gewöhnlich darüber, ob die Kommunikationsteilnehmer gerade online und verfügbar sind. Instant Messaging stellt schriftliche →Echtzeit-Kommunikation dar, die jedoch im Gegensatz zum Chatten, nicht in grundsätzlicher Öffentlichkeit stattfindet. JavaScript: Programmiersprache (nicht zu verwechseln mit „Java“), die hauptsächlich für kleine Aufgaben konzipiert ist. Sie erlaubt das Ausführen von Software im →Browser eines Internetnutzers. JavaScript ist als Ergänzung zu mächtigeren Internet-Programmiersprachen wie etwa →PHP zu verstehen. Es wird oft zu Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit angewendet. Killerapplikation: Bezeichnung für eine Anwendung, die auf besonders hohe Resonanz bei den Nutzern stößt und als Innovation gilt. Killerapplikationen haben das Potenzial, neuen Technologien durch besonders nützliche Anwendungen zum Durchbruch zu verhelfen. Die SMS gilt beispielsweise als eine Killerapplikation des Handys. Label: →Tag Long Tail: von Chris Anderson geprägter Begriff, der darauf verweist, dass im Internetzeitalter Nischenprodukte einen größeren Stellenwert gewinnen und Spitzenprodukte an Status verlieren. „Long Tail“ bezeichnet dabei Produktlinien jenseits von „Top-100“ und Bestsellerlisten. Begründet wird dies durch neue Zugriffsmöglichkeiten der Nutzer sowie durch die Expansion eines möglichen Kundenstammes in einer globalisierten Welt. 5.3 Glossar 163 Mash Up: (engl. für „vermischen“) Kunstform, in der Werke durch die Neukombination bestehender Werke geschaffen werden. In der Musik ist dieses Phänomen seit Längerem unter dem Begriff Medley bekannt. Durch neue Technologien gewinnt diese Form der Kunst auch in Filmen, Texten und Bildern an Bedeutung. Das Internet und neue Softwaretechnologien gelten als Triebfedern dieser Entwicklung. Massenmedien: Kommunikationsmöglichkeiten, die auf Verbreitungstechnologien beruhen, welche Zugang zu einem nicht definierten, aber als „groß“ angenommen Publikum ermöglichen. Dazu zählen Bücher, Zeitschriften und das Fernsehen. Durch die Entwicklung des Internets besteht erstmals die Möglichkeit, innerhalb eines Massenmediums wechselseitig zu kommunizieren. Medienbruch: Situation, in der eine Information ihr Medium wechseln muss, um weiter verarbeitet werden zu können. Medienbrüche gelten als hinderlich und sollen möglichst vermieden werden, etwa durch grundsätzliche Digitalisierung und weit reichende Standardisierung. News-Aggregator: Internetdienste, die Meldungen verschiedener Nachrichtenseiten zusammenstellen und auflisten. Die Ordnung der Liste ergibt sich durch Bewertungen der Internetnutzer. Viel- und hochbewertete Nachrichtenmeldungen führen die Listen an. News-Aggregatoren erlauben einen schnellen Überblick über die Nachrichtenlage. Online-Community: Oberbegriff für alle Formen von Gemeinschaften, die im Internet entstehen. Dazu zählen →Foren, →Blogs, Spiele und alle weiteren nutzerorientierten Plattformen. Online-Communities zeichnen sich häufig durch eine bestimmte thematische Ausrichtung aus oder konzentrieren sich auf die Veröffentlichung einer bestimmten Medienform, z. B. Foto- oder Videocommunities. Open Source: frei zugängliche Software. Für gewöhnlich stellt Software ein Produkt dar, das unternehmerisch produziert und per Lizenz verkauft wird. Die Open-Source-Bewegung verfolgt nicht in diesem Maße marktwirtschaftliche Ziele. Open Source gilt als Lizenz-Standard, der die Softwareentwicklung den Interessen einzelner Unternehmen entzieht. Dadurch sind jedoch Finanzierungsschwierigkeiten allgegenwärtig. Peer-to-peer: (peer, engl. für Gleichgestellter) besondere Form digitaler Vernetzung. Für gewöhnlich wird Internetverkehr über Server organisiert. Beim Peer-to-Peer-Verfahren, verbinden sich die Computer der Benutzer nicht zu Servern, sondern direkt miteinander. Diese Form der Vernetzung kann für die Dynamik und Geschwindigkeit eines Netzwerks sehr vorteilhaft sein. 164 Stefan Schulz PHP: Abkürzung für „Personal Home Page Tools“. PHP ist eine Programmiersprache, die vielen dynamisch erzeugten Webseiten zugrunde liegt. PHPSoftware wird auf einem Server ausgeführt und liefert einem Benutzer dynamisch erzeugte Inhalte (Bilder, Grafiken, Webseiten) zurück, die sich in einem Webbrowser darstellen lassen. PHP wird häufig in Verbindung mit Datenbanken verwendet. Podcast: digitale Audioaufnahme, die gemeinhin als „konserviertes Radio“ gelten. Im Gegensatz zum Radio wird jedoch nicht dauerhaft gesendet. Eher stellt ein Podcast „eine Sendung“ dar, die nach ihrer Aufzeichnung zum Hören bereitgehalten wird. Poll: geht als Begriff auf „Polling“ zurück. „Polling“ bezeichnet zyklische Statusabfragen in der Informatik. Im Internet wird ein „Poll“ oftmals als Bezeichnung für kleine Umfragen bzw. Abstimmungen benutzt. Für gewöhnlich besteht ein „Poll“ aus einer direkten Frage und mehreren Antwortmöglichkeiten. Das Ergebnis der Abstimmung kann vom Nutzer direkt angesehen und über die Zeit verfolgt werden. Prosuming: Wortkreuzung aus „Production“ und „Consuming“. Sie bezeichnet einen Prozess der Produktion, in den die Konsumenten direkt einbezogen sind. Für gewöhnlich trifft eine Ware erst als Produkt auf den Konsumenten. Beim Prosuming werden beide Akteure auf unterschiedliche Weisen zusammengeführt. Beim Prosuming steht vor allem das Lernen des Produzenten im Fokus. Rich Media: Modebegriff, der die Multimedialität einzelner Internetanwendungen bezeichnet. Rich Media verweist dabei vor allem auf Bilder, Videos und Musik, die normale Textinhalte innerhalb von Webseiten anreichern. RSS: ursprünglich Abkürzung für „Rich Site Summary“ (engl. für „ergiebige Webseiten-Zusammenfassung“) und gilt heute als Abkürzung für „Really Simple Syndication“ (engl. für „besonders einfache Syndikation“). RSS ist eine spezielle Form, die Inhalte einer Webseite darzustellen. Die Ziele sind, unnötiges Design zu vermeiden und einen besonderen, für →Feed-Reader lesbaren Standard zu erfüllen. Im Zusammenhang mit Blogs ermöglicht RSS dem Nutzer, neue Einträge ihn interessierender Blogs zu „abonnieren“ und eine große Menge an Inhalten übersichtlich strukturiert angezeigt zu bekommen. Search Engine Marketing: (SEM, engl. für „Suchmaschinenmarketing“), auch bekannt als „Search Engine Optimizing“ (SEO, engl. für „Suchmaschinenoptimierung“); Strategie, eine Webseite so zu gestalten, dass sie in Suchmaschinen bessere Ergebnisse erzielt. Da die genaue Funktionsweise von 5.3 Glossar 165 vielen Suchmaschinen unter Verschluss gehalten wird, gilt dies als schwieriges Unterfangen Searchbot: →Crawler Server: Computer, der im Gegensatz zum Personal Computer (PC) nicht zur direkten Bedienung konzipiert ist. Server werden als Datenspeicher oder Datenverteiler benutzt und über PCs angesprochen. Sie sind die Hardwaregrundlage des Internets. Der Begriff kann jedoch auch Software bezeichnen, die Aufgaben der Informationsverwaltung übernimmt. Social Bookmarking: Kunstwort und Oberbegriff für das Verlinken von Webseiten. Social Bookmarks sind Internetdienste, die darauf ausgerichtet sind, andere Nutzer auf beliebte bzw. interessante Webseiten hinzuweisen. Der Begriff „social“ verweist auf die anderen Nutzer, für die man solche Webseiten-Hinweise hinterlässt. Social Network: Internetdienst, der vorrangig der Pflege und dem Aufbau sozialer Netze der Nutzer dient, und das Internet als unterstützende Technologie benutzt. „Social“ verweist dabei auf den Aspekt, dass die Technologie selbst in den Hintergrund und die Interaktivität hervortreten soll. Social Networks stellen zurzeit eine Boom-Branche im Internet dar. Die tatsächliche Relevanz für den Alltag der Nutzer ist jedoch bisher ungeklärt. Syndikation: Form der lizenzierten Weitergabe von Information, die es einem Empfänger erlaubt, erhaltene Information zu bearbeiten und weiterzugeben. Als Syndikation wird beispielsweise der Informationsfluss zwischen Nachrichtenagenturen und Zeitungen bezeichnet. Im Internet wird der Begriff ähnlich verwendet. Webseiten, die eine Form der Syndikation ihrer Inhalte per →RSS-Feed anbieten, verzichten oftmals auf ein spezifisch-angepasstes Lizenzmodell. Tag: Schlagwort, über das Inhalte im Internet bzw. auf einer Webseite schneller aufgefunden werden können. Es kann sich als nützlich erweisen, Bilder, Texte, Filme oder Musik zu „taggen“ (bzw. zu „labeln“). In den meisten →Online-Communities und →Social Networks ist diese Form der Verwaltung von Inhalten jeglicher Art Standard. UGC: Abkürzung für „User Generated Content“ und Bezeichnug für eine neue Form der Produktion von Inhalten, die den Nutzer als Inhaltelieferant explizit mit einbezieht bzw. gänzlich auf seinen Tätigkeiten beruht. UGC ist Basis vieler Internetdienste wie Foto- und Video-Communities (→Social Community), →Foren, →Blogs und →News-Aggregatoren. 166 Stefan Schulz Vodcast: Begriff, der manchmal benutzt wird, um ein Video-Podcast zu bezeichnen (→Podcast). Er ist jedoch nicht die Regel. Web 2.0: Begriff, der maßgeblich durch den Verleger Tim O’Reilly geprägt wurde, der diesen 2005 in einem Artikel konkretisierte („What Is Web 2.0. Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software“). Das „Web 2.0“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Nutzer in sein Zentrum gerückt ist. Bei der Aussprache von „Web 2.0“ wird die letzte „0“, der Punkt vor ihr jedoch nicht mitgesprochen. „Web zwei null“ nimmt damit Bezug auf die gängige informationstechnologische Praxis, die Verlaufsform einer Entwicklung anzuzeigen. Mittlerweile ist es nicht unüblich, in bestimmten Kontexten bereits von „Web 2.5“ oder „Web 3.0“ zu sprechen. Im Internet trifft man zudem auf den Begriff „Web 0.0“. Er bezieht sich auf Menschen in gesellschaftlich wichtigen Positionen, denen vorgeworfen wird, die Relevanz des Internets zu unterschätzen. Wiki: Software, die das Prinzip des →UGC in idealtypischer Form umsetzt. Wikis können für gewöhnlich von jedem Besucher inhaltlich verändert und ergänzt werden. Dabei treten alle Nutzer gleichrangig auf. Die inhaltlichen Veränderungen können über den Zeitverlauf nachvollzogen und rückgängig gemacht werden. Für den Fall des „verbalen Vandalismus“ können zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zugeschaltet werden. xHTML: Abkürzung für „Extensible Hypertext Markup Language“. xHTML ist eine Weiterentwicklung von →HTML. XML: Abkürzung für „Extensible Markup Language“ und Bezeichnung für eine standardisierte, „maschinenlesbare“ Form der Darstellung von Inhalten. Durch die Standards wird gewährleistet, dass sich Inhalte auf unterschiedlichen Anwendungsgeräten gleich verhalten. Beispiele für XML-Sprachen im Datenverkehr des Internets sind →RSS oder →HTML. 5.4 Kommentierte Linkliste 5.4 167 Kommentierte Linkliste BILDblog (www.bildblog.de) Blog Bei BILDblog handelt es sich um einen Watchblog (der Begriff ist semantisch angelehnt an „Watchdog“, engl. für „Wachhund“.) Er wird von mehreren Journalisten betrieben, welche die Berichterstattung der „Bild-Zeitung“, der „Bild am Sonntag“ sowie deren Onlineangebot „Bild.de“ durch das Nachweisen von Fehlern kritisch kommentieren. Seit Juni 2004 online, lesen heute knapp 50.000 Internetnutzer täglich die Einträge auf BILDblog. Nicht selten werden Unstimmigkeiten bei Bild.de, welche am Erscheinungstag von BILDblog kritisiert werden, noch am selben Tag auf Bild.de korrigiert. Blogger (www.blogger.com) Bloghostservice Der bereits 1999 gegründete Dienst ermöglicht es Internetnutzern, auf einfache Weise zu bloggen. Blogger.com übernimmt die Administration der BlogSoftware und stellt als Host Speicherplatz zur Verfügung. Die Nutzer können sich damit allein auf ihre Inhalte konzentrieren. 2003 wurde Blogger.com von Google gekauft. Seitdem ist der Dienst kostenlos. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Bloghostservices wie: „livejournal.com“, „blog.de“, „twoday.net“, „wordpress.com“ oder „textpattern.com“. Delicious (www.delicous.com) Social Bookmarking Delicious wurde 2003 gegründet und erlaubt es Nutzern interessante Webseiten in einer öffentlichen Linkliste zu hinterlegen. Die Verwaltung der Linkliste erfolgt vorrangig über Tags. Dienste dieser Art erfreuten sich Beliebtheit und fanden viele Nachahmer. In Deutschland ist vor allem Mister Wong (www.mister-wong.com) bekannt. Seit 2005 gehört Delicious zu Yahoo. Digg (www.digg.com) News-Aggregator Digg wurde 2004 gegründet und funktioniert ähnlich wie ein Social-Bookmarking-Service. Interessante Webseiten und andere Inhalte des Internets können per Link gespeichert und getaggt werden. Der Clou ist jedoch, dass das Nutzerverhalten aller ausgewertet wird und besonders häufig verlinkte 168 5.4 Kommentierte Linkliste Seiten gekennzeichnet werden. Dadurch lassen sich beliebte Inhalte in einfacher Weise ausfindig machen. Das Prinzip der benutzerzentrierten Nachrichtenaggregation ist völlig neu, das außerhalb des Internets keine Entsprechung findet. Weitere bekannte News-Aggregatoren sind: www.yigg.de (deutsch) und www.reddit.com (engl.) Facebook (www.facebook.com) Soziales Netzwerk Facebook wurde 2004 von dem damaligen Harvardstudenten Mark Zuckerberg gegründet. Nachdem 2005 ein milliardenschweres Kaufangebot von Yahoo zurückgewiesen wurde, bezahlte 2007 Microsoft für 1,6% der Anteile 240 Mio. Dollar. Facebook ist damit als einer der wenigen großen Web-2.0Dienste noch eigenständig. Es gilt als besonders innovatives, werthaltiges und am schnellsten wachsendes soziales Netzwerk. Flickr (www.flickr.com) Fotoportal Das 2002 in Kanada gegründete Unternehmen ermöglicht es Nutzern auf einfache Weise Bilder und mittlerweile auch kurze Filme online zu präsentieren. Flickr gilt als einer der ersten Onlinedienste, der konsequent auf das Prinzip des „User Generated Content“ setzte. So war es seit Beginn einfach, Bilder zu kommentieren oder mit Stichworten zu versehen. Nach und nach wurden Features wie „Geotagging“, das Zuweisen von Bildern und Orten, oder themenspezifisches Gruppieren implementiert. Flickr ist einer der ersten Web-2.0-Dienste. Seit 2005 gehört das Portal zu Yahoo. MySpace (www.myspace.com) Soziales Netzwerk MySpace wurde 2003 gegründet und 2005 für 580 Mio. Dollar von Rupert Murdoch gekauft. Es ist mit über 230 Mio. Nutzern das aktuell größte Onlinenetzwerk der Welt. MySpace ist vor allem bei Musikern beliebt, da sich Musik und Videos sehr einfach präsentieren lassen. StudiVZ (www.studivz.de) Soziales Netzwerk StudiVZ ist ein soziales Netzwerk, das sich wie sein Vorbild Facebook vorrangig an Studenten richtet. StudiVZ bietet die Möglichkeit Profile zu erstellen, die sich mit Bildern und Informationen befüllen und auf einfache Weise 5.4 Kommentierte Linkliste 169 untereinander vernetzen lassen. StudiVZ gilt als erstes größeres deutsches soziale Online-Netzwerk und wurde im Frühjahr 2007 von Holzbrinck für einen unbekannten zweistelligen Millionenbetrag gekauft. StudiVZ expandierte in verschiedene europäische Länder und gründete in Deutschland die weiteren Netzwerke „SchülerVZ“ und „MeinVZ“, um seine Marktstellung auszubauen. Wikipedia (www.wikipedia.de) Lexikon Die Wikipedia versteht sich als Online-Pendant gängiger Lexika. Ihre Besonderheit ist, dass jeder Leser als Autor tätig werden kann. Inhalte können von jedermann ergänzt und verändert werden. Eine redaktionelle Betreuung der Inhalte wird von einer ehrenamtlich tätigen und lebendigen Community übernommen. Die Struktur der Wikipedia ermöglicht einen hohen Grad an Aktualität. Besonders in Deutschland wird die Wikipedia von einer anhaltenden Qualitätsdebatte begleitet, die der neuen und unbekannten Herangehensweise dieses Lexikons geschuldet ist. Xing (www.xing.com) Soziales Netzwerk Das 2003 unter dem Namen OpenBC (Open Business Club) gegründete soziale Online-Netzwerk Xing zielt vor allem auf die berufliche Vernetzung seiner Mitglieder ab. Xing ist eine der wenigen Internetdienste, die für ihre unbeschränkte Nutzung Gebühren ihrer Mitglieder verlangt und als Aktiengesellschaft börsennotiert ist. YouTube (www.youtube) Videoportal Das im Frühjahr 2005 gegründete Videoportal YouTube ist die erste und damit älteste Möglichkeit für jedermann, im Internet eigene Videos zu präsentieren. YouTube wurde im Herbst 2006 für über 1.3 Mrd. Euro von Google gekauft und ist seitdem ein Dienst des Suchmaschinenbetreibers. Der Erfolg von YouTube, das den Markt noch immer mit Abstand dominiert, führte zur Gründung einer Vielzahl weiterer Videoportale im Internet. Die im deutschen Raum Bekanntesten sind „myvideo.de“ und das zur RTL Group gehörende „clipfish.de“. XVI Autorenverzeichnis Autorenverzeichnis Abler, Arno, 1962, Bürgermeister der Stadt Wörgl (Tirol, Österreich) sei 1997. 1995 Gründung der Firma netwing als ersten flächendeckenden Internet- Anbieter Tirols, 1998 Initiierung der österreichischen Dachorganisation ISPA (Internet Service Providers Austria), Steuerberater, Abgeordneter zum Tiroler Landtag (2003–2008), 2007 Gründung der Firma vivomondo. Kontakt: [email protected] Albrecht, Steffen, 1972, Projektleiter bei Zebralog e. V., Berlin, Promotion über politische Online-Diskurse an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Schwerpunkte: Politische Kommunikation, Online-Diskurse, akt. Publikation: Wie verändern neue Medien die Öffentlichkeit? Eine Untersuchung am Beispiel von Weblogs im Bundestagswahlkampf 2005, in: Stegbauer, C., Jäckel, M. (Hrsg.), Social Software. Wiesbaden 2008, 95–118 (gemeinsam mit M. Lübcke und R. Hartig-Perschke). Kontakt: [email protected] Armutat, Sascha, Dr., 1971, Leiter des Referats Arbeitskreise der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). In dieser Funktion koordiniert er unter anderem die praxisorientierten Forschungsaktivitäten der DGFP, wirkt als Moderator an verschiedenen DGFP-Expertengruppen mit und gibt die DGFP-Schriftenreihe heraus. Gastdozent an der Universität Potsdam. Kontakt: [email protected] Berg, Rüdiger, seit 1998 selbständiger IT-Berater und seit 2007 EU-Projekt Manager an der Kunsthochschule für Medien Köln. Studium der Elektrotechnik und Informationstechnologie an der RWTH Aachen. Diplom 2004. Forschungsinteressen: kundenorientierte Produktentwicklung, Qualitäts- und Anforderungsmanagement im Rahmen von IT-Anwendungen. Kontakt: [email protected] Bielert, Wilhelm, Dr., Geschäftsführer der SolidGround GmbH in Berlin; seit Mitte der 1990er Jahre im Bereich Online-Marketing, Mobile Communication und Web 2.0 tätig und hat seitdem erfolgreich eine Reihe ausländische Firmen bei ihrer Ansiedlung in Deutschland unterstützt. Der gegenwärtige 5.4 Kommentierte Linkliste 171 Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Umsetzung neuer b-LAN-Technologien und deren Verknüpfung mit dem Web 2.0. Kontakt: [email protected] Böhme, Anina, Architektin und Planerin, seit 2001 Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin. Zuvor arbeitete sie als Wissenschaftliche Assistentin an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus am Lehrstuhl für Bau- und Planungsrecht und freiberuflich in verschiedenen Architekturbüros in Dresden und Berlin. Sie war als Projektleiterin für das Bebauungsplanverfahren Bernauer Straße verantwortlich für die Konzeption und Durchführung des Mauerdialoges. Seit Februar 2008 ist sie Persönliche Referentin der Senatsbaudirektorin von Berlin. Kontakt: [email protected] Brode Tatjana, freie Produzentin und Informationsarchitektin für digitale Informationsangebote im Bereich Politik, Kultur und Medien (u.a. Produktion von Web-Videos). Zu ihren Kunden gehören das Innenministerium, das British Council, T-Systems. Stationen: Studium Kulturelle Kommunikation, OnlineRedakteurin für n-tv und CNN, Aufbau der Website der Bundeszentrale für politische Bildung. Kontakt: [email protected] Decker, Alexandra, M.A., studierte Rhetorik und englische Literatur an der Universität Tübingen, arbeitete dann fast sechs Jahre in der Werbung, bevor sie 2007 in das Marketing einer großen Immobilienfirma wechselte. Sie betreut dort den Online-Bereich und ist zurzeit an der Entwicklung einer WebCommunity für Mieter beteiligt. Kontakt: [email protected] Domscheit, Anke, seit Februar 2008 Director Government Relations bei Microsoft Deutschland. In dieser Rolle entwickelt sie Partnerschaften mit Bundesund Landesverwaltungen sowie kommunalen Netzwerken in Deutschland zum Ausbau von E-Government. Zuvor war sie Projektleiterin für IT-Strategieprojekte im Business Technology Office von McKinsey sowie in verschiedenen Positionen bei der IT-Beratung Accenture beschäftigt. Kontakt: [email protected] Frank, Simon A., M.A., 1975; Studium der Literatur, Philosophie und Ethnologie in München, Mitarbeiter am IT-Zentrum Geisteswissenschaft der LMU XVI Autorenverzeichnis München, parallel dazu Fachhochschulstudium der Informatik; seit 2004 freiberuflicher Berater für Kultur- und Bildungseinrichtungen (www.Frank-ITBeratung.de); seit 2006 außerdem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturmanagement der Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. Kontakt: [email protected] Geighardt, Christiane, 1976, Referentin für empirische Studien bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). In dieser Funktion führt sie regelmäßig Befragungen unter den Mitgliedsunternehmen durch. Sie hat an der Universität Bielefeld Diplom-Soziologie mit den Schwerpunkten Organisations- und Personalwesen sowie Methoden der empirischen Sozialforschung studiert. Kontakt: [email protected] Genner, Sarah, M.A., 1982, Studium der Politik-, Sprach- und Publizistikwissenschaft in Zürich. 2008 schloss sie mit einer Diplomarbeit über Blogs und Demokratie ab. Im Austauschsemester in Berlin begann sie über Zürich und Berlin zu bloggen. Sie ist Mitarbeiterin von NZZ campus, dem Hochschulmagazin der Neuen Zürcher Zeitung. Kontakt: [email protected] Göllner, Stefan, seit 2004 selbständiger Kommunikationsdesigner, seit 2007 EU-Projekt-Manager an der Kunsthochschule für Medien Köln. Studium der Landschaftsplanung an der TU Berlin 1996–2000. Studium Kommunikationsdesign an der FH Düsseldorf, Diplom 2006. Forschungsinteressen: Art und Design Research, Geo-Informationssysteme, raumzeitliche Prozesse. Kontakt: [email protected] Haacker, Reinhild, Dipl.-Journ., 1973, erlernte das journalistische Handwerk als Lokalredakteurin in ihrer Heimatstadt Rheine. Nach dem Studium der Journalistik (Diplomarbeit: „Der Kölner Zeitungskrieg“, Marktzutritt kostenloser Tageszeitungen) folgten Stationen bei der Nachrichtenagentur Reuters und Spiegel Online. Dort ist sie seit 2008 als Redakteurin tätig. Ihr Beitrag enthält eine kritische Auseinandersetzung mit den Erfahrungen eines lokalen Community-Projekts, das sie unabhängig von ihrer Tätigkeit bei Spiegel Online betrieben hat. Kontakt: [email protected] Autorenverzeichnis XVII Habbel, Franz-Reinhard, seit 1982 Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich seit Jahren mit der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Habbel ist Mitglied verschiedener Beiräte u. a. Mobile Media des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie Vorstandsmitglied der Werkstatt Deutschland e.V. Berlin und der European Society for eGovernment e.V. Bonn. Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge im In- und Ausland zu den Themen Modernisierung, E-Government, E-Democracy, Globalisierung und Internet. Kontakt: [email protected] Huber, Andreas, 1972, Managing Partner bei der Public-Sector-Beratung Public One mit Sitz in Berlin und Essen. Zuvor Berater bei der Bertelsmann-Stiftung Gütersloh und bei PLS RAMBØLL Management Hamburg (Bereich „Strategie und Organisation“). Experte für Strategie- und Organisationsberatung, internationales Projektmanagement, interkommunale Zusammenarbeit sowie online-basierte Formen der Kooperation. Aktuelle Publikationen: Regional Governance – Erfolg durch neue Formen überörtlicher Zusammenarbeit (hrsg. zusammen mit R. Kleinfeld und H. Plamper), Göttingen 2006; Public Merger – Strategien für Fusionen im öffentlichen Sektor (hrsg. zusammen mit S. A. Jansen und H. Plamper), Wiesbaden 2004; Positionspapiere für den Innovators Club. Kontakt: [email protected] Jakobs-Woltering, Peter, Dr., 1960, Leiter des Consulting der T-Systems Business Services GmbH. Zuvor war er bei Kienbaum Unternehmensberatung tätig und hatte Führungsfunktionen im Bereich Marketing und Vertrieb bei otelo, Metro und T-Mobile inne. Studium der Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften. Promotion an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Diverse Veröffentlichungen im Bereich der Verwaltungsreform. Kontakt: [email protected] Kaczorowski, Willi, 1957, Director Public Sector in der Internet Business Solutions Group von Cisco Systems. Aktuelle Publikation (als Hrsg.): Connected Government, Essays from Innovators, London 2005; zahlreiche Zeitschriftenaufsätze zu Verwaltungstransformation und E-Government. Kontakt: [email protected] XX Autorenverzeichnis Klima, Markus, Dr., Politikwissenschaftler, Promotion in Soziologie über die Evolution von Diskursmaschinen im Internet. Seit 2002 Gesellschafter der Berliner Firma Binary Objects, die sich auf die Entwicklung und Implementierung von Software für Online-Bürgerbeteiligung spezialisiert hat. Berater für Medien- und IT-Politik für internationale Auftraggeber aus dem IT-Sektor. Kontakt: [email protected] Landsberg, Gerd, Dr., 1952, seit 1996 Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Nach dem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn war er zunächst Assistent an der Universität Bonn. Von 1981 bis 1989 Richter am Landgericht Bonn bzw. im Justizministerium in Düsseldorf, danach Referent im Bundesministerium der Justiz mit dem Schwerpunkt des internationalen Umweltrechts. Ernennung zum Richter am OLG Düsseldorf im Jahre 1991, ein Jahr später Wahl zum Beigeordneten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Kontakt: [email protected] Lübcke, Maren, Soziologin, Mitarbeiterin in der Abteilung Interaktive Kommunikation bei der TuTech Innovation GmbH Hamburg. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Hamburg-Harburg hat sie die Grundideen und das Konzept von DEMOS mitentwickelt, eine interaktive und innovative Internetplattform zur aktiven Einbeziehung der Bürger in politische Gestaltungsund Entscheidungsprozesse. Derzeit promoviert sie zum Thema Kommunikative Anschlussnahme in online Diskursen. Kontakt: [email protected] Lührs, Rolf, Dipl.-Soz., Leitung der Abteilung Interaktive Kommunikation bei der TuTech Innovation GmbH Hamburg (seit 2003). Davor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Technikbewertung und Technikgestaltung an der TU Hamburg-Harburg. Rolf Lührs beschäftigt sich seit 1999 mit dem Bereich „elektronische Demokratie“. Kontakt: [email protected] Märker, Oliver, Dr., Zebralog e.V., Beratung von Politik, Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen bei der Konzeption und Umsetzung elektronisch unterstützter Beteiligungsangebote auf kommunaler, regionaler (Haushalts-, Stadt- und Regionalplanung) und nationaler Ebene (Petitionen und Konsultationen). Zu seinem Aufgabenfeld gehören weiterhin die Moderation Autorenverzeichnis XIX von Online-Dialogen und die Durchführung sozial-wissenschaftlicher Studien und Gutachten zum Themenbereich E-Partizipation. Kontakt: [email protected] Meineke, Christoph, 1979, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen (Deister), Studium der Volkswirtschaftslehre in Wien, Friedrichshafen und St. Gallen. Mit seinem Wahlsieg im Jahr 2006 wurde er jüngster hauptamtlicher Bürgermeister in Niedersachsen. Er promoviert an der Priv. Univ. Witten/Herdecke. Kontakt: [email protected] Niehaves, Björn, Dr., European Research Center for Information Systems, Universität Münster; Studium der Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaft, Promotion im Bereich Wirtschaftsinformatik und E-Government. Er leitet den Bereich Public Sector am European Research Center for Information Systems (ERCIS) und hat dort auch die Durchführung der Studie „EInclusion – Digitale Integration durch E-Government“ (2008) für das Bundesinnenministerium verantwortet. Kontakt: [email protected] Ohlemann Svenja, 1981, befasste sich bereits während ihres internationalen Management-Studiums mit Online-Medien. Als Ansprechpartnerin für Schulen und öffentliche Institutionen versteht sie deren Bedürfnisse und setzt diese konzeptionell auf Inphorms.de um. Kontakt: [email protected] Oldenburg, Felix, 1976, IFOK (Institut für Organisationskommunikation) in Berlin. Er leitet hier den Bereich New Governance. Zuvor arbeitete er als Gründer eines Internet-Startup sowie als Managementberater bei McKinsey&Company in London. Zuletzt erschien von ihm „Beteiligung – ein Programm für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ (mit Hans-Peter Meister). Kontakt: [email protected] Olek, Alexander, Dr., 1969, beschäftigt sich als Mitbegründer der bilingualen PHORMS-Schulen und Vater von vier Kindern seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Bildung. Als Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Bildungslandschaft in Deutschland entwickelte er die Inphorms-Bildungscommunity. Kontakt: [email protected] XX Autorenverzeichnis Räckers, Michael, MScIS, European Research Center for Information Systems, Universität Münster; Studium der Wirtschaftsinformatik. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeiten arbeitet er in den Bereichen E-Government und Prozessmodellierung und vereint diese beiden Felder im Forschungsprojekt PICTURE, in der eine Modellierungsmethode für die öffentliche Verwaltung entwickelt wird. Er hat maßgeblich an der Studie „E-Inclusion – Digitale Integration durch E-Government“ mitgewirkt. Kontakt: [email protected] Riedel, Daniela, Diplom-Ingenieurin für Stadt- und Regionalplanung und Mitbegründerin von Zebralog e.V. Sie berät Politik, Verwaltung und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei der Konzeption und Umsetzung medienübergreifender Dialogprozesse auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene. Sie leitete für Zebralog die Projekte Online-Dialog Kulturforum, Gleisdreieck, Mauerdialog und den Dialog zur Nachnutzung des Flughafens Tempelhof. Seit August 2007 ist sie Geschäftsführerin von Zebralog. Kontakt: [email protected] Schulz, Stefan, 1983, studiert Soziologie an der Universität Bielefeld. Er ist Fachmann für die zielgruppenspezifische Umsetzung von Web-2.0-Anwendungen und u.a. Mitgründer der Plattform „Sozialtheoristen“, auf der v.a. junge Bielefelder Soziologen gemeinsam daran arbeiten, sozialwissenschaftliche Konzepte zur Erklärung aktueller Phänomene fruchtbar zu machen. Kontakt: [email protected] Trogemann, Georg, Professor für Experimentelle Informatik an der Kunsthochschule für Medien Köln (seit 1994). Studium der Informatik und Mathematik in Erlangen, Promotion 1990. Gesellenprüfung als Schreiner 1977. Von 1997 bis 1999 sowie 2004 bis 2006 Prorektor für Forschung und Infrastruktur. Forschungsinteressen: Art und Design Research, Interface Cultures, Theorie der Artefakte. Kontakt: [email protected] Wawer, Rafael. Ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift PNG. Heute freier Journalist und Entwickler in Berlin. Kontakt: [email protected] Wehner, Josef, PD Dr., Fraunhofer Institut Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS); dort verantwortlich für Projekte mit Unternehmen und öf- Autorenverzeichnis XXI fentlichen Einrichtungen zum Themenfeld E-Partizipation. Er ist außerdem Lecturer an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Seine Lehrgebiete sind Technik-, Medien- und Kommunikationssoziologie. Kontakt: [email protected] Weinberger, David, 1950, Fellow am Berkman Center for Internet and Society, Harvard School of Law; aktuelle Publikation: Everything is Miscellaneous: The Power of the New Digital Disorder. Kontakt: [email protected] Westholm, Hilmar, Dr. rer. pol. habil., 1958, Senior Guest Scientist am Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien. Vorher Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib) und Projektleiter der Studie für das BMI, Schwerpunkte: Governance, E-Partizipation; aktuelle Publikation: Medienmix in der Bürgerbeteiligung. Die Integration von Online-Elementen in Beteiligungsverfahren auf lokaler Ebene, Berlin (edition sigma) 2008 (i. E., gemeinsam mit H. Kubicek und B. Lippa). Kontakt: [email protected] XXII Autorenverzeichnis Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abb. 1.2-1: Die Evolution der Bürgerbeteiligung 19 Abb. 2.2-1: Tempelhof-Entwicklungsprojekt (Screenshot) 49 Abb. 3.2-1: Geschlecht der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg und Freiburg 75 Abb. 3.2-2: Altersstruktur der Teilnehmenden an den Beteiligungsverfahren in Hamburg und Freiburg 76 Abb. 3.4-1: Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im Personalmanagement 92 Abb. 3.7-1: Spaziergänger formulieren Ihre Ideen zur Parkgestaltung. Die Moderation unterstützt beim Eingeben. 112 Abb. 3.7-2: Besucher und Teilnehmer des Online-Dialoges informieren sich bei den Mauerstreifzügen über die Geschichte und Zukunft des Ortes und stimmen auf dem TED-Meeting über Prioritäten ab. 113 Abb. 4.2-1: Eyeonearth.eu (Landkartensicht) 127 Abb. 4.2-2: Eyeonearth.eu: Ostseestrände auf Rügen 128 Abb. 4.3-1: Web 2.0 – Die neue Generation des Internets 133 Abb. 4.3-2: Communication Center of Excellence 136 Tab. 2.4-1: Nutzung von Online-Dienstleistungen in Deutschland (Angaben bezogen auf die Nutzung in den „letzten 3 Monaten“) 58 Tab. 5.1-1: Blog-Communities und Blog-Software (Auswahl) 155 Autorenverzeichnis XXI XXII Autorenverzeichnis Weitere Titel aus dem vwh-Verlag in der Reihe „E-Learning“ E. Abfalterer: Foren, Wikis, Weblogs und Chats im Unterricht 2007, 24,90 €, ISBN 978-3-9802643-3-4 K. Himpsl: Wikis im Blended Learning Ein Werkstattbericht 2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-5-8 in der Reihe „Multimedia“ Institut für Multimediatechnik (Hg.): 2. Kongress Multimediatechnik Wismar 2007 (Kongressband) 2007, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-15-5 J. Sieck/M. A. Herzog (Hg.): Wireless Communication and Information M. H. Hornbostel: E-Learning und Didaktik Didaktische Innovationen in (Beiträge der WCI-Tagungen 2006 u. 2007) 2008, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-27-8 Online-Seminaren 2007, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-00-1 in der Reihe „Game Studies“ J. Pacher: Game. Play. Story? U. Höbarth: Konstruktivistisches Lernen mit Moodle Praktische Einsatzmöglichkeiten in Bildungsinstitutionen 2007, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-08-7 T. Bernhardt/M. Kirchner: E-Learning 2.0 im Einsatz „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog-Caster 2007, 31,90 €, ISBN 978-3-940317-16-2 A. Schett: Selbstgesteuertes Lernen Lerntagebücher in einem Blended-LearningSzenario in der Sekundarstufe I 2008, 27,50 €, ISBN: 978-3-940317-25-4 S. Dreer: E-Learning an berufsbildenden Schulen Möglichkeiten zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens 2008, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-28-5 H. Ernst: Mobiles Lernen in der Praxis Handys als Lernmedium im Unterricht 2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-30-8 in der Reihe „Schriften zur Informationswissenschaft“ R. Kölle: Java lernen in virtuellen Teams Kompensation defizitärer Rollen durch Simulation (HI; Bd. 47) 2007, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-17-9 Computerspiele zwischen Simulationsraum und Transmedialität 2007, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-10-0 H. Witzmann: Game Controller Vom Paddle zur gestenbasierten Steuerung 2007, 25,90 €, ISBN 978-3-940317-14-8 S. Schwingeler: Die Raummaschine Raum und Perspektive im Computerspiel 2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-24-7 T. Rittmann: MMORPGs als virtuelle Welten Immersion und Repräsentation 2008, 26,50 €, ISBN 978-3-940317-20-9 B. Rapp: Selbstreflexivität im Computerspiel Theoretische, analytische und funktionale Zugänge zum Phänomen autothematischer Strategien in Games 2008, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-35-3 R. Seda: Interactive Storytelling im Computerspiel Adventure Games im Spiegel polymedialer Einflüsse Erscheint Okt./Nov. 2008 in der Reihe „Medienwirtschaft“ C. Frahm: Die Zukunft der Tonträgerindustrie R. Kuhlen: Erfolgreiches Scheitern – 2007, 24,90 €, ISBN 978-3-9802643-8-9 eine Götterdämmerung des Urheber- S. Huber: Neue Erlösmodelle für rechts? (HI; Bd. 48) Zeitungsverlage 2008, 39,90 €, ISBN 978-3-940317-21-6 2007, 27,90 €, ISBN 978-3-9802643-9-6 Autorenverzeichnis XXI in der Reihe „Medientheorie“ in der Reihe „Web 2.0“ T. Liebig: Social Software im Mar- T. Schindl: Räume des Medialen keting Studenten-Weblogs als Instrument Zum spatial turn in Kulturwissenschaften des Hochschulmarketings 2007, 19,90 €, ISBN 978-3-9802643-4-1 und Medientheorien 2007, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-13-1 E. Tinsobin: Das Kino als Apparat F. Renz: Praktiken des Social Networking Eine kommunikationssoziologi- Medientheorie und Medientechnik im Spiesche Studie zum online-basierten Netzwerken am Beispiel von openBC (XING) 2007, 21,90 €, ISBN 978-3-9802643-6-5 gel der Apparatusdebatte 2008, 24,90 €, ISBN: 978-3-940317-18-6 S. Munz/J. Soergel: Agile Produktentwicklung im Web 2.0 Von der Ephemerisierung des Kommunikationsbegriffs zu einer allgemeinen Theorie der Beförderung 2008, 25,90 €, ISBN: 978-3-940317-19-3 2007, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-11-7 C. Mörl/M. Groß: Soziale Netzwerke im Internet Analyse der Monetarisierungsmöglichkeiten und Entwicklung eines integrierten Geschäftsmodells 2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-22-3 I. Gurschler: Transportmodalitäten H. Hillgärtner: Das Medium als Werkzeug Plädoyer für die Rehabilitierung eines abgewerteten Begriffes in der Medientheorie des Computers 2008, 30,90 €, ISBN: 978-3-940317-31-5 T. Seeber: Weblogs – die 5. Gewalt? in der Reihe „E-Business“ Eine empirische Untersuchung zum emanzipatorischen Mediengebrauch von Weblogs J. S. Günther: Erfolgreiches Online2008, 25,50 €, ISBN 978-3-940317-23-0 marketing mit Google J. Moskaliuk (Hg.): Konstruktion u. Erscheint Nov. 2008 Kommunikation v. Wissen mit Wikis in der Reihe „E-Collaboration“ 2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-29-2 M. Groß/A. Hiller (Hg.): Leadership J. L. Brinning: Persönliches Publiin Distributed Organisations Beherrschung der Distanz in verteilt zieren im Web 2.0 Zur Herausbildung dynamischer Öffentlichkeitssphären und publizistischer Vielfalt 2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-32-2 in der Reihe „Typo | Druck“ C. Bouchon: Infografiken 2007, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-07-0 M. Liebig: Browser-Typografie Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schrift im WWW Erscheint ca. Nov. 2008 agierenden Unternehmen (Kongressband) 2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-7-2 in der Reihe „AV-Medien“ K. Herrmann: Produzieren in HD Produktionstechnische und wirtschaftliche Aspekte von HDTV-Produktionen 2007, 22,90 €, ISBN 978-3-940317-05-6 D. Schreier: Film und Rhythmus 2008, 18,90 €, ISBN 978-3-940317-34-6 Aktuelle Ankündigungen, Informationen und Rezensionen finden sie im vwhBlog unter www.vwh-verlag.de. Das komplette Verlagsprogramm mit ausführlichen Buchbeschreibungen sowie eine direkte Bestellmöglichkeit im eigenen Online-Shop finden Sie unter www.vwh-verlag-shop.de.