Das Buch - Wertschöpfung für die Wirtschaft
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Das Buch - Wertschöpfung für die Wirtschaft
Wertschöpfung für die Wirtschaft Was der öffentliche Sektor tun kann, um Unternehmen bei der Wertschöpfung durch öffentliche digitale Daten, Verwaltungsleistungen und offene Standards zu unterstützen Herausgegeben von Elisabeth Slapio, Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber in der Schriftenreihe des Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung E. Slapio, F.-R. Habbel, A. Huber (Hrsg.): Wertschöpfung für die Wirtschaft Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar. © Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt, 2013 www.vwh-verlag.de Einfache Nutzungsrechte liegen beim Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt. Eine weitere Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist nur mit Zustimmung der Herausgeber möglich. Markenerklärung: Die in diesem Werk wiedergegebenen Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenzeichen usw. können auch ohne besondere Kennzeichnung geschützte Marken sein und als solche den gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. Schriften des Innovators Club; Bd. 7 Website zum Buch: http://www.wertschoepfung-fuer-die-wirtschaft.de/ Korrektorat und Satz: Werner Hülsbusch Umschlag: design of media, Lüchow Druck und Bindung: SOWA Sp. z o. o., Warszawa Printed in Poland ISBN: 978-3-86488-051-3 Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber 8 9 1 Einführung 13 1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und Verwaltung optimieren Elisabeth Slapio 13 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen schöpfen können Franz-Reinhard Habbel 16 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement Andreas Huber 29 1.2 1.3 2 Die Rahmenbedingungen schaffen und Potenziale ausschöpfen 35 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative Entwicklung von Produkt- und Prozessinnovationen aus der Sicht von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser 35 2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein? Dirk Heckmann 46 2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung aus wissenschaftlich-technischer Sicht Odej Kao 51 2.4 Change Management in Behörden – Welche Veränderungen entstehen und wie das Management reagieren kann Michael Hokkeler 56 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung maximiert werden? Justus Lenz 61 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – Wie geht man mit Rechten um? Jan Dirk Roggenkamp 67 2.5 2.6 6 2.7 2.8 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.2 4.3 Inhaltsverzeichnis E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen Verwaltung und Wirtschaft sein kann Daniela Riedel 76 Internet der Dienste – Grundlage für das E-Government der nächsten Generation Holger Kindler 82 Strategische Ausrichtung von E-Government — Sicht der Kommune 87 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine modernisierte Verwaltung Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht 87 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft Sabine Möwes 94 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data gemeint? Wie sollten Daten bereitgestellt werden? Wolfgang Both 98 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz Gregor Kratochwill, Stefan Pawel 105 E-Government als Teil einer digitalen Stadt Willi Kaczorowski 110 Sicht von Wirtschaft und Verbänden — Anforderungen an E-Government und Open Data 117 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung? Elisabeth Slapio 117 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus Unternehmenssicht Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól 122 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0 Frank Hogrebe, Wilfried Kruse 128 Inhaltsverzeichnis 4.4 4.5 4.6 4.7 7 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als Anstoßgeber Wencke Bagger, Martin Gaedt 134 Öffentliche Beschaffung Edda Peters 140 Open Data Business? Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer 146 Crowdsourcing – das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens Sebastian Haselbeck 155 Herausgeber- und Autorenverzeichnis 163 Vorwort der Herausgeber 9 Vorwort der Herausgeber Das vorliegende Buch widmet sich der Frage, was der öffentliche Sektor tun kann, um Unternehmen bei der Wertschöpfung durch öffentliche digitale Daten, Verwaltungsleistungen und offene Standards zu unterstützen. Die Autorinnen und Autoren dieses Herausgeberbandes betrachten das Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken verändern Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung fundamental. Immer mehr geschäftliche, soziale und gesellschaftliche Aktivitäten verlagern sich ins Internet. Das Internet wird zu einem Lebens- und Wirtschaftsraum. E-Mail, Google und Mobilfunk sind für die meisten Menschen aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken. Diese Entwicklung fordert auch Politik, Verwaltung und Unternehmen heraus. Bund, Länder und Kommunen haben begonnen, die Verwaltung zu vernetzen und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Unternehmen streben danach, die Potenziale des Internets noch besser zu nutzen. Diese Entwicklung wird das Verhältnis zwischen Unternehmen, kommunalen und regionalen Organisationen und Verwaltung verändern. Das Internet eröffnet neue Wege der Kommunikation zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Auch die Wirtschaftsförderung wird sich immer mehr ins Internet verlagern. Open Data, E-Government und Web 2.0 beschleunigen diesen Prozess. Ist das Internet 1.0 ein Netz mit statischen Webseiten, in dem überwiegend Informationen angeboten werden, ist Web 2.0 ein „Netz des Mitmachens“. Immer mehr Online-Netzwerke und Diskussionsforen entstehen. Web 2.0 bringt Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung zusammen, um sich gegenseitig mit Wissen zu versorgen und gemeinsam Neues zu schaffen. Informationen werden schneller und einfacher verfügbar, wovon letztlich alle Akteure profitieren können. Das vorliegende Buch „Wertschöpfung für die Wirtschaft“ des Innovators Club soll einen Beitrag leisten, die Möglichkeiten des Web für die Wertschöpfungsprozesse der Wirtschaft aufzuzeigen. Es richtet sich an Wirtschaftsförderer, Entscheidungsträger in den Kommunalverwaltungen, Unternehmen und interessierte Bürger gleichermaßen. Neben konkreten Konzepten und Ansätzen aus der Wirtschaftsförderung und der IT-Welt legt es einen Augenmerk auf die vorhandenen Synergiepotenziale. Anhand von konkreten 10 Vorwort der Herausgeber Beispielen wird sichtbar, wie Wertschöpfung für die Wirtschaft schon heute aussehen kann. Im ersten Buchkapitel „Die Rahmenbedingungen schaffen und Potenziale ausschöpfen“ diskutieren Jana Louisa Baum, Julia Maintz und Markus Raueiser die Erkenntnisse aus der Netzwerkforschung und dem Innovationsmanagement zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von E-Governance. Dirk Heckmann erörtert die rechtlichen Grenzen von Open Government Data, die die Vorzüge der Offenheit und Transparenz infrage stellen. Der nächste Beitrag, ein Interview mit Odej Kao, klärt, was die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine gelungene Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft sind. Der Beitrag von Michael Hokkeler geht der Frage nach, welche Instrumente für ein gelungenes Change Management in der öffentlichen Verwaltung bereits da sind und welche Herausforderungen für eine nutzerorientierte Verwaltung sowohl für die Unternehmen als auch die Verwaltung selbst bestehen. Justus Lenz diskutiert, wie Beteiligung an Open Data durch Anreizmechanismen maximiert werden kann. Jan Dirk Roggenkamp skizziert die Grundlagen des deutschen Urheberrechts und beleuchtet insbesondere die „Creative-Commons-Lizenz“ als anschauliches Beispiel. Daniela Riedel schildert, wie der Internetdialog eine Brücke zwischen Verwaltung und Wirtschaft sein kann. Abschließend geht Holger Kindler der Frage nach, wie das Internet der Dienste als Basistechnologie und Software der Zukunft eine optimale Integration in Geschäftsprozesse der Unternehmen ermöglicht. Das zweite Buchkapitel „Sicht der Kommune – Strategische Ausrichtung von E-Government“ beginnt mit einem Beitrag von Ralf Huttanus und Sabine Möwes, in dem sie sich mit Beteiligungsmodellen für den mündigen Wirtschaftsbürger befassen. Dirk Furchert und Bianca Thieme zeigen anschließend auf, wie Verwaltungen mit den rasanten Entwicklungen der „Außenwelt“ Schritt halten können. Dafür muss eine effiziente Selbstorganisation im Zuge permanenter Veränderung ein Teil der Alltagskultur kommunaler Selbstverwaltung werden. Der Frage, welche Daten genau mit Open Data gemeint sind und wie diese bereitgestellt werden sollten, geht Wolfgang Both anhand des Beispieles Berlin nach. Gregor Kratochwill und Stefan Pawel erläutern schließlich anhand des Beispiels „Open-Commons-Region Linz“, wie ein freier Zugang zu digitalen Kulturgütern ermöglicht werden kann. Das dritte Buchkapitel „Sicht von Wirtschaft und Verbänden – Anforderungen an E-Government und Open Data“ beginnt mit den Anforde- Vorwort der Herausgeber 11 rungen der Wirtschaft an eine digitale Verwaltung. Elisabeth Slapio argumentiert in diesem Beitrag, dass die Akzeptanz in der Wirtschaft z.B. durch eine Erhöhung der Relevanz der Angebote für den Firmenalltag sowie eine bessere Darstellung und Vermarkung z.B. der kommunalen E-GovernmentAngebote gestärkt werden muss. Wilfried Kruse und Frank Hogrebe adressieren E-Govenment als strategischen Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft. Ihr Fokus liegt insbesondere auf Potenzialen sowie einer gemeinsamen Denkweise und Sprache vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung. Thomas Thurner, Martin Kaltenböck und Andreas Blumauer beschäftigen sich mit der ökonomischen Verwertung offener Daten und der Tatsache, dass diese einer ganz neuen Sichtweise auf die Wertschöpfungskette bedarf. Das vierte Buchkapitel „Technische Konzepte und Architekturen“ beginnt mit dem Croudsourcing-Konzept zur Erschließung lokalen Wissens. Was man darunter versteht und warum dieses wichtig für den zukunftsfähigen demokratischen Staat ist, beschreibt Sebastian Haselbeck. Willi Kaczorowski beschäftigt sich mit E-Government als Teil der digitalen Stadt. Dabei steht insbesondere die Frage der Positionierung der Kommunen im globalen Wettbewerb und die damit verbundene Wirtschaftsförderung im Fokus. Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog und Małgorzata Mochól befassen sich mit Linked Open Government Data aus Unternehmenssicht und dessen ökonomischem und kommerziellem Potenzial. Elisabeth Slapio, Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber im Sommer 2013 1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und ... 1 Einführung 1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und Verwaltung optimieren 13 Elisabeth Slapio Kurzfassung: Electronic Government sind nach der Speyrer Definition nicht nur Prozesse innerhalb des öffentlichen Sektors, sondern auch jene zwischen öffentlicher Hand und den Bürgern, der Wirtschaft und „Non-governmental organizations (NGO)“! Bürgerinteressen wurden schon früh im Zusammenhang mit Informationsportalen, dem Meldewesen, der Kraftfahrzeugzulassung etc. diskutiert. Schwieriger erwies sich das Verständnis der Politik, zwischen Verwaltung und NGOs das Angebot eines „Einheitlichen Ansprechpartners“ nach der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie umzusetzen und dadurch Dienstleistungsanbietern kurze Wege und weniger Bürokratie anzubieten. Autorin: Elisabeth Slapio ist seit 1985 in der IHK Köln tätig. Zum Verantwortungsbereich der Juristin gehören die Themen Handel, Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne der Branchenbetreuung. Zu ihren Aufgaben zählt zusätzlich die Leitung des Rechenzentrums der IHK. Druck zur Einführung von E-Government-Angeboten steigt Solche Beispiele zeigen, warum sich viele Betriebe nicht oder nur unwillig mit Fragen zu Electronic Government befassen wollen. Dennoch gibt es Gründe für Unternehmen, sich gerade jetzt in den Dialog von Wirtschaft und Verwaltung einzuschalten. In Zeiten knapper Finanzmittel in Bund, Ländern und Kommunen steigt der Druck in jeder Verwaltung, Online-Verfahren mit dem klaren Ziel der Kostensenkung und Prozessoptimierung umzusetzen. Einige der frühen IT-Projekte schienen zwar geeignet, Aufbau- und Ablauforganisation zu verbessern. Letztlich ist jedoch in vielen Verwaltungen die 14 Elisabeth Slapio Ernüchterung über Aufwand und Nutzen der Projekte eingetreten. Hauptgrund dafür ist, dass sich der Einsatz der Technik oft darin erschöpft, die papierbasierten Verwaltungsabläufe elektronisch abzubilden. Dass damit weder der Prozess vereinfacht noch der dringend erforderliche Bürokratieabbau beschleunigt wird, liegt auf der Hand. Beispiele sind einige der elektronischen Meldeverfahren zwischen Arbeitgebern und öffentlichen Stellen. Ihnen liegt eine teils unzureichende wechselseitige Prozesskommunikation zugrunde. Sie verursachen bei den Beteiligten unnötige Bürokratie und Kosten. Parallele Verfahren, wie sie z.B. bei der Kommunikation von Unternehmen und Sozialversicherung erfolgen (DEÜV-Meldeverfahren), oder das Lohn-Verfahren der Finanzverwaltung (ELSTER) lassen eine notwendige Koordinierung und ein abgestimmtes Verfahren vermissen. Der Einsatz von IT muss strategischer erfolgen Wie aber kann Electronic Government dazu beitragen, die Abläufe so zu verändern, dass sie für alle Beteiligten produktiver, leistungsfähiger, wirtschaftlicher und sparsamer werden? Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, dass der Einsatz von IT von Verwaltung und Wirtschaft strategischer erfolgt. Und dies wiederum bedeutet, dass nicht am Beginn der Prozesses der Einsatz der IT stehen darf. Stattdessen muss zuvor die erforderliche Reform des fachlichen und organisatorischen Ablaufs ebenso geklärt werden wie die des operativen und technischen Umfelds. Der Gedanke, wem eine elektronische Umsetzung nützt, kann zugunsten der verwaltungsinternen Optimierung ausfallen. Mittelbar profitieren dann auch Bürger und Wirtschaft von Verwaltungsvereinfachung und Kostensenkung. Er kann aber auch, orientiert an Mengengerüsten oder medienbruchfreien Verfahren, zur spürbaren Entlastung von Unternehmen führen, die den einfachen Zugang zu Verwaltungsleistungen immer stärker als Standortvorteil erkennen werden. Instrumente, Unternehmensbedarf zu ermitteln und den Dialog zwischen Wirtschaft und Verwaltung zu fördern, gibt es mehr als genug. Höchste Zeit für einen Dialog zwischen Wirtschaft und Verwaltung! Fazit: Unternehmensbedarf für elektronische Prozesse sollte jetzt definiert werden. Dabei müssen Verwaltungen zulassen, dass gerade bei kleinen und 1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und ... 15 mittleren Unternehmen fallweise zu prüfen ist, ob, und wenn ja, in welchem Umfang sie zur Teilnahme am elektronischen Verfahren verpflichtet werden. Es reicht nicht aus, die fehlende Prozessabstimmung generell zu kritisieren. Unternehmen oder die sie vertretenden Verbände und Institutionen haben jetzt die Chance, die heterogenen Bedarfe der Betriebe festzustellen und darauf hinzuwirken, dass detailgenaue Anforderungen an den Prozess beschrieben werden. 16 Franz-Reinhard Habbel 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung — Wie Kommunen aus dem Vollen schöpfen können 1 Franz-Reinhard Habbel Kurzfassung: Kein Bereich der Verwaltung wird durch das Internet so herausgefordert wie die kommunale Wirtschaftsförderung. Sie muss einerseits den rasanten Wandel in den Unternehmensstrukturen und der Unternehmensorganisation antizipieren und andererseits die eigenen Aufgaben und Abläufe neu gestalten. Wirtschaftsförderung 2.0 ist nicht einfach eine kommunikative Neuausrichtung. Es ist eine grundlegende Veränderung weg von Silostrukturen hin zu Netzwerken, weg von politischen Vorgaben hin zur partnerschaftlichen Mitgestaltung von Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern. Autor: Franz-Reinhard Habbel, seit 1982 Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich seit Jahren mit der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Modernisierung, E-Government, E-Democracy, Globalisierung und Internet. Digitale Wertschöpfungsketten bestimmen die Wirtschaft der Zukunft Ein der wichtigsten weltweiten Trends ist die Digitalisierung. Was digital werden kann, wird digital. Das gilt für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen. Alle Unternehmen stehen vor der Transformation zur Virtualität. Das gilt für Produkte, Dienstleistungen und Unternehmensstrukturen. Produkte werden intelligent gemacht, sie werden vernetzt und daraus ergeben sich neue internetbasierte Service-Geschäftsmodelle. Weltweite Wertschöpfungsketten bilden sich. Geforscht wird da, wo die Bedingungen optimal sind, produziert, wo die Löhne gering sind und Steuern dort gezahlt, wo die 1 Der Beitrag ist eine Aktualisierung der Veröffentlichung in dem Buch: Habbel, FranzReinhard; Stember, Jürgen (Hrsg.) (2013): Wissenstransfer zwischen Kommunen und Hochschulen. Berlin u.a.: Lit Verlag. 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 17 Sätze niedrig sind. Hinzu kommt die Ausrichtung auf den Weltmarkt. Durch die Verschmelzung von Offline und Online sind Produkte und Dienstleistungen im Prinzip überall verfügbar. Das verbessert die Absatzmöglichkeiten von Waren. Ein weltweiter Markt entsteht. Auf der anderen Seite zeichnet sich ein Trend zur regionalen Wirtschaft ab. Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung führen dazu, dass die Menschen immer mehr Produkte aus ihrer Region bevorzugen. Die regionale Wirtschaft gewinnt an Bedeutung. Die Konsumenten möchten wissen, wo Produkte hergestellt wurden, sie möchten Auskunft über verwendete Stoffe haben. Faire Produktion und fairer Handel gewinnen an Bedeutung. Die Veränderung von Lebensstilen wie zum Beispiel Nutzen statt Besitzen hat Einfluss auf die Wirtschaft. So werden Billigproduktionen zum Beispiel von T-Shirts in Bangladesch fragwürdiger. Moderne Informations- und Kommunikationssysteme oder auch soziale Netzwerke verstärken die Transparenz in der Produktion. Heimische oder regionale Wertschöpfung ist mehr als ein Trend, es ist neue Lebensweise, die ökologische und ökonomische Aspekte miteinander verbindet und zu einer Wertschöpfung durch Wertschätzung führt. Wertschätzung braucht ein Gesicht, braucht Überschaubarkeit. Die lokale und regionale Wirtschaft liefert diese neuen Elemente. Ergänzt wird diese Entwicklung durch einen weiteren Trend, den des „Selbermachens“. Kleine Manufakturen bilden sich, ihr Marketing findet weitgehend online statt. Damit finden auch Nischenprodukte ihren Markt. Für die kommunale Wirtschaftsförderung ergeben sich durch diesen Wandlungsprozess in der Wirtschaft und der Gesellschaft neue Chancen für die Belebung lokaler und regionaler Räume. Was ist neu in der Region? Wie setzen sich die Wertschöpfungsketten in einer weitgehend digitalen Welt zusammen? Welche modernen Infrastrukturen müssen Städte und Gemeinden künftig vorhalten? Welche Auswirkungen hat das Internet der Dinge auf die Wirtschaft vor Ort? Wie und wo bilden sich Start-ups? Welchen Beitrag kann die Wirtschaftsförderung im Rahmen von Unternehmensgründungen leisten? Welche Chancen ergeben sich für die Kommunen in Deutschland durch das europäische Arbeitskräftepotenzial der jungen Generation? Wie können junge Menschen insbesondere aus dem europäischen Ausland angesichts des dramatisch zunehmenden Facharbeitermangels in Deutschland zum Beispiel hier einen Ausbildungsplatz finden? Wie kann in den Kommunen ein kulturelles und kommunikatives Ambiente aufgebaut werden? Welche Merkmale muss eine Willkommenskultur aufweisen? Die Fragen könnten fortgesetzt werden. Auf die Antworten wird es ankommen. 18 Franz-Reinhard Habbel Die Wirtschaftsförderung muss künftig ihre kreativen Möglichkeiten komplett ausspielen. Das setzt u.a. eine laufende Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus. Sie müssen wissen, welche Auswirkungen neue Technologien auf Menschen und Organisationen haben. New Work, New Business, New Consumption Die zunehmende Individualisierung und Demokratisierung der Gesellschaft macht auch vor der Marktwirtschaft nicht halt. Das Internet und seine Möglichkeiten der zeit- und raumfreien Kommunikation sorgen für eine zunehmende Dezentralisierung und Kleinteiligkeit. Ob soziale Wirtschaftsförderung, die Rückbesinnung auf die Regionalität, neue Produktionsformen, die nicht auf Masse oder Economies of Scale setzen, oder Collaborative Consumption – Nachhaltigkeit, Ökologie und ein neues Gleichgewicht der Produktionsfaktoren sind mittlerweile nicht mehr nur Theorie in den Köpfen Weniger, sie verändern bereits heute unser Wirtschaftsgeschehen. Die Art und Weise, wie unser Wirtschaftskreislauf funktioniert, hat Auswirkungen auf unsere gesamte Umwelt. Die Wegwerfgesellschaft, der Raubbau an der Natur und die moderne Massenindustrie verunreinigen die Luft und das Wasser. Menschen mit prekären Lebensumständen können ihre Ideen und Talente ohne Kapital nur schlecht in eine unternehmerische Tätigkeit umsetzen und die alleinige Fokussierung der Menschen auf ihre Rolle als Konsumenten verstellt ihnen den Blick auf den Wert der Errungenschaften unserer Wohlstandsgesellschaft. Doch es gibt Zeichen dafür, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Das steigende Bewusstsein in der Gesellschaft für Ressourcenknappheit, Umweltprobleme und die stetig wachsende Ungleichheit der Lebensverhältnisse ist Ursache für dieses Umdenken. Das Internet wirkt dazu noch wie ein Katalysator. Schaut man sich mit einer gewissen Sensibilität für diese Themen in seiner Umgebung um, so gibt es besonders hier in Deutschland viele Beispiele dafür, dass Menschen die Dinge selbst in die Hand nehmen und unser Wirtschaftssystem nachhaltig beeinflussen. New Work in St. Paulis „Makerhood“ Im Hamburger Viertel St. Pauli beispielsweise läuft ein Projekt mit dem Namen „Makerhood“. Makerhood setzt sich zusammen aus dem englischen 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 19 Wort für Nachbarschaft „neighbourhood“ und dem Verb „to make“, etwas machen. Der Name ist treffend, denn das ist genau das, was in diesem Projekt geschieht. Eine neue innenstädtische Arbeits- und Produktionsform soll die Trennung von Wohnen und Arbeiten auflösen. Die „Makerhood St. Pauli“ vernetzt Menschen, welche Produkte nicht mehr einfach nur kaufen, sondern selbst erfinden und herstellen wollen. Eine kreative Nachbarschaft mit Ateliers, Werkstätten, Laboren, Wohnungen und verschiedensten Working Spaces entstand. Die Makerhood schuf einen Raum, welcher das alltägliche Wohnen, schöpferisches Gestalten und Arbeiten sowie Experimentieren miteinander verknüpft. Mithilfe von computergestützten Metall- und Holzfräsen und sogenannten 3D-Druckern können dort Unikate, Ersatzteile, die es längst nicht mehr zu kaufen gibt, Dinge, die man sich nicht leisten kann, oder ganz einfach Dinge, die es bislang nur in den Köpfen der Menschen gab, kostengünstig entwickelt werden. Die Community der Produzenten im Hamburger Kiez verschmelzen die Rollen Konsument und Produzent. Eine innovative Form des Wirtschaftens, welche sowohl auf Regionalität als auch auf dem Potenzial und den Talenten aller Beteiligten des Wirtschaftskreislaufes beruht, wird im „Makerhood St. Pauli“ zum Leben erweckt. Der aus Sachsen stammende Frontmann der „New Work“-Bewegung, der Philosoph Frithjof Bergmann, sagt in seinem Buch Neue Arbeit. Neue Kultur: „Das Rückgrat dieser neuen Ökonomie besteht darin, dass wir unablässig und Schritt für Schritt zu einer Wirtschaftsform fortschreiten, in der wir unsere eigenen Produkte herstellen!“ (Bergmann 2004). Auch Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forum, spricht von einer neuen Ökonomie, welche sich in den nächsten Jahren in ihren Grundannahmen ändern wird. Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos sprach er davon, dass die Rolle des Kapitals in mittlerer Frist durch die steigende Bedeutung der Kreativität und der Fähigkeit zu Innovation ersetzt wird. Die Talente und Ideen der Menschen werden ein noch entscheidenderer Faktor im kompletten Produktionsablauf von Gütern und Dienstleistungen (vgl. Schwab 2012). Neben dem materiellen Output der Hamburger „Makerhood“ wird dort auch ein immaterieller Output produziert. Dazu zählt der geleistete Wissenstransfer, die Vernetzung und Sensibilisierung der Nachbarschaft füreinander, der Transfer von Kompetenzen, die Demokratisierung der Produktion, die Individualisierung der Produkte und zu guter Letzt wird in der „Makerhood“ das gute Gefühl erzeugt, etwas selbst erschaffen zu haben. Durch dieses Konzept werden also nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, diese 20 Franz-Reinhard Habbel Form des gemeinsamen Produzierens stärkt auch die Innovationsdynamik aller beteiligten Akteure. Die „Maker“ inspirieren sich gegenseitig, schaukeln sich immer wieder zu neuen Produkten und Kollaborationen hoch. Die offene und hierarchiefreie Struktur des „Makerhoods“ lässt erst gar keine Barrieren für Gedanken und Kooperationen entstehen. Ein sich immer wieder mit neuen innovativen Ideen selbst bestäubendes Perpetuum Mobile wurde geschaffen. Die Dezentralität und Individualität der Philosophie dieser produzierenden Nachbarschaft ist ein Zahnrad im Getriebe der derzeitigen Veränderung des Aufbaus unserer Marktwirtschaft. Der Trend geht hin zu mehr Demokratie, einer gesteigerten Aktivität des Individuums sowie fortschreitender Dezentralisierung und – parallel zur Globalisierung – einer Rückbesinnung auf das Regionale. Globalisierung versus Regionalisierung Moderne Kommunikations- und Informationstechnologie fördert nach der Globalisierungsthese die Unabhängigkeit der Wirtschaft von geografischen Gegebenheiten oder Entfernungen. Multinationale Großunternehmen spalten ihre unternehmerischen Prozesse auf und siedeln die jeweiligen Segmente dort an, wo die entsprechenden Rahmenbedingungen günstig sind. Entwicklung und Forschung wird da betrieben, wo man auf ein dafür geeignetes Umfeld trifft: im Zentrum und der Peripherie von Technologiezentren und Universitäten in hochentwickelten Ländern wie Deutschland und den USA. Die Unternehmenszentralen und Hauptgeschäftsstellen werden in Regionen und Länder wie die Schweiz verlagert, wo die steuerlichen Rahmenbedingungen entsprechend günstig sind. Die Produktionsprozesse entstehen dort, wo die Betriebs- und Lohnkosten niedrig sind. Doch selbst in Schwellenländern steigen die Energie-, Transport- und Arbeitskosten ständig an. Bedenkt man nun noch die Risiken von langen Transportwegen, politischen Unruhen, Verständigungsproblemen, ein möglicherweise niedrigeres Bildungsniveau und Naturkatastrophen, so ist die Idee der globalen Just-in-timeProduktion ein wenig zu optimistisch gedacht. Es gibt mittlerweile genügend Beispiele von deutschen mittelständischen Unternehmen, welche unter dem psychologischen Druck der Globalisierung und dem eigenen Anspruch, immer mit den neuesten Trends mitzuhalten, mit ihrer Produktion um den kompletten Globus reisten, um am Ende wieder zu Hause in der Heimatge- 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 21 meinde anzukommen. Verlagert man einen Teil der Produktion beispielsweise nach China, sind Transportwege und Lieferzeiten zu lang, die Qualität oft nur ungenügend und die Betriebsabläufe zu kompliziert. Eginhard Vietz, Chef der Vietz Pipeline Equipment GmbH, zog aufgrund von Wirtschaftsspionage seine komplette Produktion aus China zurück. Heute wird wieder im Umland von Leipzig und Hannover gefertigt. Auch die Fackelmann GmbH & Co. KG holte ihre Produktion nach Deutschland zurück, nachdem sie erst einige Jahre zuvor in China die Fabrikation anlaufen ließ. Als Gründe werden steigende Lohn- und Transportkosten der ohnehin unflexiblen Herstellung in China genannt. Der CEO des Unternehmens, Alexander Fackelmann, ist davon überzeugt, dass in nächster Zeit mehrere deutsche Unternehmen ihre Produktion wieder in die Heimat verschiffen werden: „Der Markt hat einen dazu gezwungen, um zu überleben. Jetzt dreht sich das Rad der Geschichte wieder zurück.“ Aber sind Globalisierung und Regionalisierung wirklich ein Widerspruch oder vielmehr zwei Entwicklungen ein und desselben Prozesses? Nach Jahrzehnten des Outsourcings erlebt die regionale Wertschätzung zurzeit eine Renaissance. Welche Konsequenzen hat das nun für die Wirtschaft und das allgemeine Leben in der Region und welche Chancen ergeben sich daraus? In den eher strukturschwachen neuen Bundesländern ist zunächst einmal festzuhalten, dass sich die dortige Wirtschaft langsam aber stetig vom Schock der Umkehr des Wirtschaftssystems erholt, auch aufgrund der Lohnkosten, welche immer noch geringer als in den alten Bundesländern sind. Sorgen bereiten allerdings andere Zahlen. Laut dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft sind die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland dramatisch gering (vgl. Wissenschaftsstatistik 2012: 40). Die Unternehmen des bundesweiten Spitzenreiters Baden-Württemberg verbuchen Ausgaben im Bereich der Forschung und Entwicklung von 1.100 Euro je Einwohner. In Sachsen sind es 230 Euro, in Thüringen 200, in Sachsen-Anhalt 70 und in Mecklenburg-Vorpommern nur 60 Euro pro Einwohner. Ob dieser Rückstand in mittlerer Frist aufgeholt werden kann, ist fraglich. Abgesehen von einigen Zentren – wie Berlin, Chemnitz, Jena, Dresden und Leipzig – sind in den neuen Bundesländern die Landwirtschaft und Industrie, also die Produktion, die entscheidenden Wirtschaftsfaktoren. Die Lohnkosten stehen im Vergleich mit der Ausbildung und des Know-hows der Arbeitskräfte aus Arbeitgebersicht in einem guten Verhältnis. Das Opel-Werk in Eisenach ist auch deshalb der rentabelste und gesichertste deutsche Opel-Standort überhaupt. 22 Franz-Reinhard Habbel In gesamtdeutscher Sicht lässt sich der ländliche Raum schon aufgrund des Süd-Nord- und West-Ost-Gefälles bei bestimmten wirtschaftlichen Indikatoren nicht als eine homogene Masse betrachten, welche nur ein einziges Allheilmittel benötigt, um eine Lösung für die Probleme verschiedener Kommunen zu finden. Doch einige grundlegende Bausteine müssen überall gelegt werden, damit die Vitalisierung des ländlichen Raums in Deutschland nicht ins Stocken gerät und die Vorteile einer Regionalisierung genutzt werden können. Der Breitbandausbau ist eine tragende Säule für die zukünftige Entwicklung der Standorte auf dem Land. Vorstellbar wäre beispielsweise die Bildung von verlängerten Werkbänken für die Agglomerationsräume. Die Entwicklungsarbeit und das Design von Produkten finden im städtischen Zentrum statt und die Produktion verlagert sich, gestützt durch schnelle Gigabitleitungen, in die ländlichen Randgebiete dieser Zentren. Die Transaktionskosten bleiben dadurch überschaubar und Transportwege und -kosten fallen durch Logistikzentren, welche sich schon jetzt bevorzugt in Randgebieten ansiedeln, gering aus. Die oben beschriebene Idee des „Makerhoods“ findet nicht nur in Großstädten, sondern auch in ländlichen Räumen Anwendung. Örtliche Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe beliefern vornehmlich Kunden aus der eigenen Nachbarschaft. Die Bewohner einer Gemeinde holen sich ihren Sonntagsbraten vom örtlichen Metzger. Dieser genießt das Vertrauen seiner Kunden, der Ursprung und die Herstellung des Fleisches aus dem Supermarkt bleibt für viele Verbraucher etwas Unbekanntes und damit ein rotes Tuch. Die Regionalität von wirtschaftlichem Handeln und deren Vorteile sind also auch auf psychologische Gründe zurückzuführen. Mittelständische Unternehmen, welche schon seit Jahrzehnten in ihrer Region verwurzelt sind, schöpfen aus dem Vertrauen und den Beziehungen der beteiligten Akteure – sozusagen Wertschöpfung aus langjährigem Vertrauen. Eine flexible Produktion benötigt laut der These der zunehmenden Regionalisierung räumliche Nähe betriebsinterner und -externer Dienstleistungsunternehmen und Zuliefererbetriebe. Produkt- und Prozessinnovationen erfordern einen ständigen, persönlichen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Fertigung, Forschung und Entwicklung, Marketing, Finanzierung sowie Kontakt zu staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen vor Ort. Durch die räumliche Nähe sinken die unternehmerischen Transaktions- und Organisationskosten. Dies ist besonders bei innovationslastigen Produkten der Fall, da bei diesen noch wenig institutionalisiertes und allgemein zugängliches Wissen vorliegt. Deshalb ist für unsere technologie- 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 23 basierte Wirtschaft impliziertes (also personengebundenes) Wissen von hoher Bedeutung. Dieses Wissen kann in regionalen Netzwerken schneller fließen und übt somit positive regionale Effekte aus. Durch intensive persönliche Beziehungen, welche in regionalen Verflechtungen von mittelständischen Unternehmen naturgemäß eine größere Rolle spielen als bei multinationalen Großkonzernen, können die Informationen unserer, auf Wissen und Innovation basierenden Wirtschaft schneller fließen. Damit dieser Fluss von Wissen auch in Zukunft gesichert werden kann, ist der Breitbandausbau mit Gigabitleitungen von herausragender Wichtigkeit. Trotz dieser Regionalisierungstendenzen und der Rückbesinnung auf die Vorteile der lokalen Cluster lässt sich die in der Bevölkerung oftmals negativ besetzte Globalisierung nicht aufhalten. Warum auch? Der Erfolg unserer Mittelständler im internationalen Wettbewerb und Platz drei bei der Exportweltmeisterschaft 2011 zeigen, dass Deutschland sich nicht zu verstecken braucht und Profiteur der Globalisierung ist. Globalisierung und Regionalisierung sind dynamische Prozesse, von denen keiner weiß, ob sie einen Endpunkt haben. Kann unsere Welt vollkommen „globalisiert“ bzw. „regionalisiert“ sein? Sicher ist jedoch, dass sich diese beiden Prozesse nicht in entgegensetzte Richtungen, sondern Hand in Hand laufen. So bedingt eine globale Wettbewerbsfähigkeit die jeweilig optimale Ausschöpfung der Gegebenheiten und Stärken der einzelnen Regionen vor Ort. Die Verwurzelung in regional ansässigen, ökonomischen und sozialen Netzwerken und eine gleichzeitige weltweite Wertschöpfung macht ein erfolgreich wirtschaftendes transnationales Unternehmen aus. Ein weiterer Aspekt der Rückbesinnung auf Herkunft und Region liegt auch in der Dezentralisierung und Individualisierung des privaten Wirtschaftens. Subsidiarität und Eigenverantwortlichkeit spielen in Zeiten leerer Kassen und der damit verbundenen, nötigen Einschränkung der staatlichen Fürsorgeleistungen eine immer wichtigere Rolle. Nutzen statt Besitzen – Das Aufkommen eines neuen Verständnisses des Konsums, des Besitzes und des Gebrauchens Wer auf Facebook ist, kennt das: „Freunde“ posten, dass sie ein Loch bohren wollen und deswegen eine Bohrmaschine brauchen. „Hat jemand eine, die er mir für einen Tag borgen kann?“, lautet dann oft die Frage, welche an die 300 „Freunde“ gestellt wird. Das Erstaunliche ist, dass diese Vorgehensweise 24 Franz-Reinhard Habbel anscheinend zumeist funktioniert und man jemanden findet, der einem das Gerät borgt. Angesichts der Tatsache, dass eine Bohrmaschine bisweilen nur 15 Minuten während der gesamten Lebenszeit des Werkzeuges genutzt wird, die eindeutig bessere Lösung, als zum Beispiel 50 Euro für den Kauf einer solchen Maschine auszugeben. Ein weiteres Beispiel für die Veränderung des Konsumverhaltens ist das größte deutsche Mitfahrgelegenheit-Portal seiner Art: „mitfahrgelegenheit.de“. Grundprinzip ist, dass jeder, der eine Fahrt geplant hat und einen oder mehrere Plätze in seinem Privatfahrzeug frei hat, auf der Website von „mitfahrgelegenheit.de“ sein Angebot und seine Telefonnummer listen lässt. Andere, die auf einer Suche nach einer Mitfahrgelegenheit sind, kontaktieren dann den Bieter der Mitfahrgelegenheit und vereinbaren alles weitere dann im privaten Kontakt. Und das funktioniert gut. Seit einem Jahr sind die Seitenaufrufe auf „mitfahrgelegenheit.de“ um 30 Prozent gestiegen. An einem Tag im Mai fuhren über 4.000 Mitfahrgelegenheiten allein von Berlin ab. Verkehrspolitisch darf man die Masse des über Mitfahrgelegenheiten geregelten Individualverkehrs nicht unterschätzen, auch wenn man keine genauen Methoden zur Messung dieser Art von Fortbewegung hat. Sogar fiskalisch werden Mitfahrgelegenheiten immer bedeutender. Tagtäglich werden dort mittelweile beträchtliche Umsätze getätigt. Vergleicht man den Sozialstatus, welchen ein Auto noch vor 20 oder 30 Jahren ausstrahlte, dann hat sich diese Wirkung bis heute grundlegend geändert. Für die heutige Generation der jungen Führerscheinbesitzer ist es eher ein Übel als ein Gut, ein Auto zu besitzen. In den 80er-Jahren war es noch der Traum eines jeden 18-jährigen Mannes, sein eigenes Auto zu fahren und es jedes Wochenende auf Hochglanz zu polieren. Heute ist ein eigenes Auto für die meisten Jugendlichen, wenn sie nicht gerade im ländlichen Bereich wohnen und auf ein Auto angewiesen sind, ein Klotz am Bein. Das Geld ist knapp, Versicherung und Steuern kosten zusätzlich, das Benzin wird immer teurer und Parkplätze sind in der Stadt sowieso ein knappes Gut. Das Ende des Kulturmodells Massenmotorisierung wurde schon vor einigen Jahren eingeläutet. Ist man dennoch ab und an auf ein Auto angewiesen, gibt es (in Deutschland seit mittlerweile über 20 Jahren) das Car Sharing. In nahezu jeder deutschen Stadt gibt es Anbieter von solchen „GemeinschaftsAutos“. Die Grundidee, welche allen Formen von Car Sharing gleich ist, ist, dass ein Auto mehreren Leuten gleichzeitig bzw. dem Car-Sharing-Unternehmen gehört, es aber jeder nach gegenseitiger Absprache und Abgabe einer Gebühr nutzen kann. 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 25 Diese drei beschriebenen Beispiele stehen nur stellvertretend für den Mentalitätswechsel beim Konsum, welcher sich Collaborative Consumption nennt. Die alte Systematik hieß: kaufen, gebrauchen, entsorgen. Vor allem durch das Internet und dessen Möglichkeiten sind nun aber intelligentere Formen des Konsums möglich. Dies eröffnet Unternehmen vollkommen neue Chancen, Märkte und Geschäftsmodelle. Ganz verabschiedet von der Wegwerfgesellschaft haben wir uns sicherlich noch nicht, es findet aber zunehmend eine Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Konsumgewohnheiten, wenn auch teilweise lediglich durch einen finanziellen Zwang, statt. Grundsätzlich ist die Idee, die hinter dem Gedanken der Collaborative Consumption steht, nicht neu. Nicht alles, was man nutzen möchte, möchte man auch kaufen. Mieten war schon immer Teil des Konsumverhaltens. Die Bandbreite der Produkte und Leistungen, welche schon immer über den klassischen Mietansatz genutzt wurden ist lang: Ob Auto, Wohnungsraum, Ski für den Tagesausflug in die Berge oder der Strandkorb an der Ostsee. Der Ansatz des „Besitzes auf Zeit“ bzw. des Nutzens fremder Objekte hat nun aber durch die Möglichkeiten des Web 2.0, welche nun auch in der gesamten Breite der Bevölkerung angekommen sind, ein ganz anderes Ausmaß in quantitativer und vor allem qualitativer Hinsicht erreicht. Die größten Hürden, welche durch das Web 2.0 abgebaut wurden, liegen in der Schwierigkeit der Abwicklung von Tausch- und Leihgeschäften. Die Kommunikation der Akteure, die Informationsbeschaffung, die Zahlungsabwicklung sowie die Geschwindigkeit und Einfachheit aller Prozesse wurde durch die Möglichkeiten des Internets immens verbessert. Der amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin geht so weit, dass er sagt: „Der Austausch von Eigentum zwischen Verkäufern und Käufern – das Grundschema des neuzeitlichen Marktsystems – wird abgelöst vom kurzfristigen Zugang“ (Rifkin 2007: 11). Dies würde eine Revolution unserer Marktwirtschaft bedeuten, die unser gesellschaftliches Konzept in ihren Grundfesten erschüttern würde: aller Voraussicht nach eine Erschütterung hin zu mehr Effizienz, Nachhaltigkeit, ausgewogener Güterverteilung und Ökologie. Wir stehen also möglichen Anpassungen der ökonomischen Theorie auf der Angebots- und Nachfrageseite gegenüber. Etwas wissenschaftlicher formuliert: Wir können nicht mehr von den früher üblichen Gesetzmäßigkeiten der Konsumgüternachfrage ausgehen. Bei Einkommenssteigerungen steigt die Nachfrage bald möglicherweise nicht mehr so stark an, wie es früher 26 Franz-Reinhard Habbel üblich war. Es ist nur logisch, dass weniger gekauft wird, wenn wir immer mehr teilen, tauschen und kollaborativen Konsum betreiben. Auf der Angebotsseite kann, durch die beschriebenen Ansätze der Verschmelzung von Konsument und Produzent, womöglich nicht mehr von den bisherigen Entwicklungen der Arbeits- und Kapitalnachfrage ausgegangen werden. Das Marktgleichgewicht könnte sich also neu definieren. Natürlich geschieht das nicht alles von jetzt auf gleich, wenn sich eine solche Veränderung überhaupt einstellt. Die Gesellschaften der neuen Player der Weltwirtschaft China, Indien und Brasilien setzen auf ein klassisches Marktmodell mit klarer Rollenverteilung zwischen Produzent und Konsument. Industrie, Ressourcen, Güterproduktion, Finanzwirtschaft und eine Abhängigkeit von den großen Absatzmärkten, neuerdings auch der jeweilige Binnenmarkt, geben in der Wirtschaftspolitik den Ton an. Doch in den westlichen Gesellschaften wie USA, Mitteleuropa und Japan, welche die Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung schon seit einem Jahrhundert durchlaufen, besteht die oben ausgeführte Möglichkeit des Neu-Denkens unseres wirtschaftlichen Zusammenlebens. Allein diese Möglichkeit verpflichtet uns dazu, über Konsequenzen und Maßnahmen, welche den Übergang möglichst turbulenzfrei gestalten können, nachzudenken. Maßnahmen für eine Wirtschaftsförderung 2.0 Dass diese neue Wirtschaftsstruktur näher ist, als man zunächst meint, zeigt die weltweite Entwicklung virtueller Unternehmen. Bestes Beispiel dafür ist Berlin. In der Stadt, die in der Start-up-Szene für gezielte Förderungen bekannt ist, finden 12% der deutschen Start-up-Gründungen statt. Was als kleine Szene begann, ist seit 2008 um 44% gewachsen. Mit rund 8 Milliarden Euro erwirtschaften die Berliner Start-ups über 4% der Gesamtwirtschaftsleistung der Hauptstadt und mehr Umsatz als die Bauwirtschaft. 47.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schuf die Branche. Da das volle Potenzial des virtuellen Marktes noch nicht ausgeschöpft ist, lässt sich ein rapides Wachstum erwarten. Start-ups zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Unternehmensstruktur ganz oder teilweise dematerialisiert ist. Das schließt auch ihre Produkte mit ein. Viele virtuelle Unternehmen entwickeln Software oder Applikationen für mobile Endgeräte. Diese Produkte brauchen keine Lagerhallen oder eine umfassende Infrastruktur. Gebäude und Maschinenparks sind schon lange kein ausschließliches Zeichen für Unternehmens- 1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 27 stärke mehr. Dieser Wandel hin zur Dematerialisierung hat für die Kommunen weitreichende Folgen. Die Entwicklung führt zu einer weitgehenden Entgrenzung von Unternehmen und damit zu einem Problem für die klassische, raumbezogene kommunale Wirtschaftsförderung. Der physische Standort wird für Firmen immer unbedeutender. Forschung, Produktion und Entwicklung finden unabhängig von der Lage statt. Ortsgebundenheit gehört der Vergangenheit an. Für ein vollständig virtuelles Unternehmen besteht kein Problem, den Unternehmenssitz per Mausklick innerhalb einer Nacht an einen anderen Ort zu verlagern. Auch konventionelle Produkte und Unternehmensteile werden zusehends virtuell. Das Design von Autoteilen zum Beispiel erfolgt im Computer und nicht mehr an der Werkbank. Um möglichst effizient zu wirtschaften, greifen viele Unternehmen auf eine Vielzahl von Wertschöpfungspartnern zurück und bauen strategische Allianzen auf. Einzelne Produktions- und Dienstleistungsbereiche können so wie ein Baukastensystem ständig neu zusammengesteckt werden. Neue Technologien und die Globalisierung fördern diesen Prozess. Auf dynamischen Märkten können diese Formen der Zusammenarbeit genauso schnell wieder entstehen wie wieder zerfallen. Unternehmensführung heißt künftig auch Kooperationsmanagement. Diese Branche, genau wie auch virtuelle Teilbereiche global agierender Unternehmen, verlangt nach neuen Förderungskonzepten. Unternehmen orientieren sich bei der Wahl ihres Standortes an neuen Faktoren. Eine dieser Maßnahmen ist zum Beispiel der allgemeine Zugriff auf Verwaltungsdaten. Das Prinzip Open Data meint die Bereitstellung öffentlicher Daten der Behörden. Die Daten bergen ein ungeahntes wirtschaftliches Potenzial, das durch den Zugriff auf Verwaltungsdaten zur Verfügung gestellt werden kann. Letztendlich kann auch die Forschung mithilfe von öffentlichem Wissen innovative Lösungen zur Verbesserung des gesellschaftlichen Umfeldes beitragen. Der Schritt der Veröffentlichung von Daten verlangt auch nach einer digitalisierten Verwaltung. Schon jetzt zeigt sich vielerorts in Deutschland die Bereitschaft, das Internet in Verwaltungsprozesse zu integrieren. Digitale Formulare sind in einigen Jahren an der Tagesordnung. Auch was die Bürgerbeteiligung betrifft, wird das Internet immer mehr zum Dialogfenster mit dem Bürger. Doch auch hier zeigt sich immer mehr der Trend einer demokratisierten Gesellschaft. Auch hier liegt die Zukunft im Selbermachen. Durch Crowdfunding-Plattformen lassen sich Mitstreiter für eigene urbane Projekte finden und animieren. Somit steht es jedem frei eine Idee in seiner Kommune zu formulieren und mithilfe von anderen Bürgern die Fi- 28 Franz-Reinhard Habbel nanzierung sicherzustellen. Das führt nicht nur zu einer neuen Wahrnehmung gegenüber dem regionalen Umfeld, sondern kann auch eine wirtschaftliche Dimension erreichen. Schon im ersten Quartal 2013 lag die über Crowdfundingplattformen gesammelten Investitionssummen bei über einer Millionen Euro. Und das, obwohl Crowdfunding noch eher unbekannt ist. Welche Dimensionen Crowdfunding-Projekte annehmen können, zeigt sich in Rotterdam, wo eine Fußgängerbrücke über mehrere viel befahrene Straßen gebaut wird. Neben Privatpersonen beteiligen sich hier auch Firmen an der „Schwarmfinanzierung“. Neben dem reinen Bürgerengagement wird es künftig mehr Unternehmensengagement geben. Für die Kommunalpolitik bedeutet dies ein riesiges Potenzial an Fremdengagement. Es ergeben sich neue Chancen für Entrepreneure, die „Projektfirmen auf Zeit“ einrichten und führen könnten. Im Rahmen einer modernen Wirtschaftsförderung könnten Städte und Gemeinden gute Rahmenbedingungen für solches unternehmerische Handeln schaffen, wie zum Beispiel Unterstützung von Communities oder die Bekanntmachung von Plattformen. Auch solche Start-ups können sich durch Crowdinvesting über Bürgerbeteiligung finanzieren. Das Engagement um virtuelle Unternehmen hat also auch Vorteile für die Kommune. Je mehr sich eine Gemeinde für diese neuen Projekte öffnet, desto anziehender wirkt sie dann als Standort für weitere Unternehmen. Quellen Bergmann, Frithjof (2004): Neue Arbeit. Neue Kultur – Ein Manifest, Freiamt; zit. nach: http://www.heise.de/tr/blog/artikel/Die-Zukunft-der-Produktion-271560.html <3.9.2013> Rifkin, Jeremy (2007): Access – Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt/Main Schwab, Klaus (2012): Was nach dem Kapitalismus kommt, in: Süddeutsche.de vom 11.04.2012, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/world-economic-forum-indavos-was-nach-dem-kapitalismus-kommt-1.1329375 <3.9.2013> Wissenschaftsstatistik gGmbH im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (2012): FuE-Datenreport 2012 – Analysen und Vergleiche, Essen 1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement 1.3 29 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement 1 Andreas Huber Kurzfassung: Andreas Huber beschreibt, wie der Einsatz von Web 2.0 als Managementkonzept im öffentlichen Sektor dabei hilft, Synergien und Produktivitätsreserven in der Wirtschaftsförderung zu erschließen. Dazu zeigt er, wie Wirtschaftsförderer und Unternehmer dazu die Grenzen ihrer Organisationen überschreiten und in Netzwerken zusammenarbeiten, um ihre Stärken für die Wirtschaftsförderung zu kombinieren. Autor: Andreas Huber, Experte für Strategie- und Organisationsberatung, Wirtschaftsförderung, online-basierte Formen der Kooperation bei Web 2.0 und interkommunale Zusammenarbeit. Wirtschaftsförderung ist eine wichtige kommunale Aufgabe Für die Handlungsfähigkeit einer Kommune spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ansässiger Unternehmen eine zentrale Rolle. Erst durch eine funktionierende Wirtschaft können Steuereinnahmen entstehen, die die Kommune z.B. für soziale Leistungen verwenden kann. Zudem entstehen nur mit leistungsfähigen Unternehmen Arbeitsplätze, die den Bürgern einer Kommune das Auskommen sichern. Die Förderung der Wirtschaft ist damit eine der besonders wichtigen kommunalen Aufgaben. Eine erfolgreiche kommunale Wirtschaftspolitik stärkt das Image der Kommune und ist die beste Werbung für Investitionen vor Ort. Es ist daher im Interesse aller Kommunen, Begleiter der Wirtschaft zu sein – oder wie es der verstorbene OB Erwin aus Düsseldorf ausgedrückt hatte: „In meiner Verwaltung arbeiten nur Wirtschaftsförderer“. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen Kommunen ganz neue Möglichkeiten, die Wirtschaftsförderung noch erfolgreicher zu gestalten. Wirtschaftsförderung ist eine kommunale Funktion, bei 1 Der Beitrag wurde bereits im Sammelband „Wirtschaftsförderung 2.0“ veröffentlicht (s. www.wirtschaftsfoerderung20.de). 30 Andreas Huber der es um ein Management von Beziehungen über die Grenzen der öffentlichen Verwaltung hinaus geht. Gerade die Technologien des sozialen Internets, des Web 2.0, können Beziehungen zwischen Unternehmen und Verwaltungen völlig neu gestalten. Ein mögliches Beispiel ist die Zusammenarbeit von Unternehmen und Behörde beim Schaffen einer Wissensplattform: Informationen zur Wirtschaftsförderung in einer Region werden künftig nicht mehr nur von der Behörde kommen. Ein Unternehmen, das in dieser Region investieren will, wird künftig auf eine Wissensplattform zugreifen können, die von Unternehmen und Kommunen einer Region gemeinsam erschaffen wurde. Unternehmen erhalten so nicht nur „neutrale“ Informationen der Behörde, sondern können sich auch über die Erfahrungen anderer Unternehmen der Region informieren. Die Grenzen zwischen der Behörde als Informationserbringer und dem Unternehmen als Informationsempfänger verschwinden damit völlig. Verwaltung und Unternehmen sind nicht mehr strikt getrennte Strukturen: Unternehmen werden zum Partner der Verwaltung. Beide arbeiten zusammen und können so gemeinsam bessere Informationen zur Wirtschaftsförderung bereitstellen. Aktivierendes Grenzmanagement ist die Kombination der Stärken aller Akteure in einer Kommune Dies ist nur ein Beispiel, wie eine Wirtschaftsförderung 2.0 im Kern einen Paradigmenwechsel der Innen- und Außenbeziehungen bewirken kann, der weitreichende strategische Auswirkungen auf die Kommunikations- und Interaktionswege sowohl von Unternehmen wie auch dem öffentlichen Sektor hat. Web 2.0 wirkt wie ein Mittler zwischen den Unternehmen und den Behörden. Eine Web-2.0-Plattform stellt ein neutrales Territorium sowohl für Unternehmen wie Behörden dar. Entscheidend ist, dass diese Plattformen so gestaltet sind, dass sowohl Unternehmen wie Behörden eine gleichberechtigte Rolle spielen. In dem Beispiel des Aufbaus einer gemeinsamen Wissensplattform für die kommunale Wirtschaftsförderung kann dies bedeuten, dass eine Information des Unternehmens den gleichen Wert hat wie eine Information der Behörde. Auf diese Weise können sowohl Unternehmen wie Behörden bei Funktionen wie Information, Beratung oder Marketing ihre jeweiligen Stärken einbringen. Dieses Ergänzen der Stärken der Partner ist mit dem Begriff „aktivierendes Grenzmanagement“ gemeint. Behörden und Un- 1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement 31 ternehmen profitieren durch eine gemeinsame Anstrengung als gleichberechtigte Partner beide von einer besseren Wirtschaftsförderung („aktivierend“), indem sie die Grenzen ihrer jeweiligen Organisationen gezielt überschreiten („Grenzmanagement“). Unternehmen nutzen Web 2.0 – Kommunen müssen nachziehen Darüber hinaus ist die Beschäftigung einer Kommune mit dem Thema Web 2.0 vor allem deshalb wichtig, weil Unternehmen schon heute damit begonnen haben, die Chancen des sozialen Webs zu nutzen. Das eigentlich Neue am Web 2.0 ist, dass es einzelnen Internetbenutzern ermöglicht, auf sehr einfache Weise Inhalte zu erstellen und zu gestalten. Die Schwelle für die Mitgestaltung liegt dabei so niedrig, dass Nutzer sich sogar als unentgeltliche Informationslieferanten an der Erstellung von Internetangeboten beteiligen („User Generated Content“). So arbeiten Menschen, Unternehmen und Behörden zusammen und schaffen Werte (wie etwa bei der Web-2.0-Wissensplattform Wikipedia). Diese Möglichkeiten nutzen viele Unternehmen schon heute und verändern damit ihre Geschäftsprozesse. So hat die Firma Google mit dem aktuellen Zukauf der Firma ReCaptcha gezeigt, dass Web 2.0 sehr wohl massive Synergiepotenziale für Geschäftsprozesse ermöglicht und hier noch ungeahnte Produktivitätsreserven schlummern. „Captchas“ sind die häufig anzutreffenden „tanzenden Buchstaben“ bei Webanmeldungen auf Websites. Anstatt der „tanzenden Buchstaben“ sollen zukünftig fehlerhaft digitalisierte Teile des Google-Buch-Scans eingeblendet und durch die Erkennung Kunden ganz anderer Services digitalisiert werden. Wollte Google das mit eigenem Personal machen, wären hunderte Digitalisierer notwendig. Durch das neue Web-2.0-Konzept werden normale Internetnutzer ohne eigenen Nachteil instrumentalisiert und Google erhält die Informationen quasi kostenfrei. Dieses Beispiel ist kein Modell für den öffentlichen Sektor, aber kann verdeutlichen, wie tief in Geschäftsprozesse Web-2.0-Konzepte eingebaut werden können. In dieser Publikation geht es darum, wie die Nutzung von Web-2.0-Konzepten zukünftig Kommunikations- und Geschäftsprozesse verändern wird und wie der öffentliche Sektor hier begleitend tätig werden kann. Gerade für die Wirtschaftsförderung ist es unumgänglich zu verstehen, welche Auswirkungen diese innovative Form des Wirtschaftens auf ihre Tätigkeiten haben werden und schon haben. 32 Andreas Huber Zeitgemäße Wirtschaftsförderung wird sich sowohl mit „Web 2.0“ als zusätzliche Methode der Geschäftsprozessgestaltung von Unternehmen beschäftigen müssen als auch damit, dass die Wirtschaftsförderung selbst neue Möglichkeiten der Interaktion mit Unternehmen und anderen Verwaltungen erhält. Der öffentliche Sektor als Multiplikator, Förderer und Nutzer von Web 2.0 Hier ist der öffentliche Sektor also Multiplikator, Förderer und Nutzer von Web 2.0. Für den öffentlichen Sektor kann dies unter anderem die Nutzung von Web 2.0 zum Aufbau zusätzlicher Kundenkanäle bedeuten oder eine neue Haltung im Bezug auf eine aktive Bestandspflege. Eine Aktivierung bestehender Unternehmen für die Wirtschaftsförderung kann der Kommune ganz neue Durchschlagskraft verleihen. Web 2.0 ist einerseits dazu geeignet, Unternehmen anzusprechen, und setzt andererseits die Hürden für eine Beteiligung der Unternehmen an der Wirtschaftsförderung sehr niedrig. In diesem Sinne kann die Wirtschaftsförderung selbst zum „user-generated content“ werden – von dem die Kommune und die Gesamtheit der Unternehmen entscheidend profitieren können. Wirtschaftsförderung ist mit Web 2.0 also noch besser in der Lage, den Auftrag eines aktiven Grenzmanagements wahrzunehmen und die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Wirtschaftsförderung 2.0 bedeutet für das Management der Wirtschaftsförderung jedoch auch neue Herausforderungen. Das Beziehungsmanagement zu den Unternehmen ändert sich vor allem dadurch, dass die realen Beziehungsnetzwerke durch virtuelle Netzwerke ergänzt werden. Dadurch werden andere Anforderungen an die Kommunikationsstrategien einer Kommune nötig. Auch werden in diesem Zusammenhang andere Anforderungen an das Personal gestellt. Dabei geht es besonders um den Aufbau von Medienkompetenz in Bezug auf soziale Medien. Dieser Aufbau von Medienkompetenz durch eine Wirtschaftsförderung 2.0 trägt natürlich auch zu einem Gewinn an Reputation bei. Kommunen und Unternehmen begegnen sich in einer Wirtschaftsförderung 2.0 auf Augenhöhe. Die Kommune kann so ihr Tätigkeitsfeld ausweiten. Eine Wirtschaftsförderung 2.0 kann deshalb eine zentrale Komponente sein, um das Selbstveständnis einer Kommune als gesellschaftlichen Vordenker und Partner der Wirtschaft zu stärken. 1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement 33 Wirtschaftsförderung 2.0 erzielt mehr Reichweite und Effektivität Zusammenfassend ist der öffentliche Sektor in einer Wirtschaftsförderung 2.0 sowohl Teil als auch Förderer von Wertschöpfungs- und Kommunikationsketten. In einer Wirtschaftsförderung 2.0 werden die Aufgaben der Kommune immer mehr zu einer Netzwerkarbeit – sowohl in virtuellen und realen Netzwerken. Entlang der Strukturen dieser Netzwerke entwickeln sich Wertschöpfungsketten, die über Grenzen von Kommunen und Unternehmen hinweggehen. Damit verspricht die Wirtschaftsförderung 2.0 die Kombination von Stärken in Netzwerken. Dadurch wird der Wirtschaftsförderung durch die Zusammenarbeit vieler Akteure mehr Reichweite und mehr Effektivität verliehen. 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ... 2 Die Rahmenbedingungen schaffen und Potenziale ausschöpfen 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative Entwicklung von Produkt- und Prozessinnovationen aus der Sicht von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser Kurzfassung: Der öffentliche Sektor sieht sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, Strukturen zu schaffen, die es Bürgern ermöglichen, sich an Entscheidungsprozessen des öffentlichen Sektors zu beteiligen (vgl. Gräßer/Hagedorn 2012). Darüber hinaus erfordern Informationsgesellschaften und der hiermit einhergehende Zeitgeist eine unverzügliche Bereitstellung von Daten zum inhaltlichen Hintergrund, beteiligten Akteuren und Fortschrittsinformation zu behandelten Themen sowie von Service-Einheiten, welche die Kommunikation mit den Bürgern – auch online – zeitnah sicherstellen. Der vorliegende Beitrag skizziert Verwaltungsdienstleistungen als Produkt- und Prozessinnovationen, die kollaborativ mit den Betroffenen entwickelt werden können. Zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von EGovernance werden Erkenntnisse von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement diskutiert. Autor/innen: Jana Louise Baum studierte Wirtschafts- und Medienwissenschaft an der Universität zu Köln und der Universität Zürich, mit Vertiefungen in Medienmanagement und Kulturwissenschaft. Seit Juni 2011 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte für Medienmanagement an der Cologne Business School. Prof. Dr. Julia Maintz ist Professorin für Internationales Management und Internetökonomie sowie Leiterin des Fachbereichs Medienmanagement/Innovation an der Cologne Business School. Zuvor arbeitete 35 36 Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser sie in wissenschaftlichen und Management-Positionen zu den Themenfeldern E-Learning/E-Kooperation und virtuelle Netzwerke für Microsoft Deutschland, die Universität Bonn, das UNESCO-UNEVOC International Center und InWEnt. Prof. Dr. Markus Raueiser ist Professor für Internationales Management und Economic Geography an der Cologne Business School und Dekan des Fachbereichs International Business. Zuvor war er in Forschung und Lehre an der Universität zu Köln und der Copenhagen Business School tätig. Elektronische Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen Im E-Governance-Kontext lassen sich Kommunen und Regionen als Dienstleister für Bürger und Wirtschaft entwerfen, die über partizipative und transparente Prozesse kommunizieren, agieren und sich positionieren. Elektronische Partizipation (E-Partizipation) ist im Kontext von E-Government zu sehen. Grundsätzlich werden in der Partizipationsforschung unter den Begriffen „politische Beteiligung“ bzw. „politische Partizipation“ Tätigkeiten bzw. Handlungen verstanden, „die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen“ (Kaase 1992: 339, zit. nach Albrecht et al. 2008: 17). Gemäß der Studie des Bundesinnenministeriums (vgl. Albrecht et al. 2008) scheint es sinnvoll, Beteiligungsangebote zu betrachten, die auf der OECD-Systematik für verwaltungs- und politikseitig initiierte Beteiligungsangebote aufbauen (vgl. OECD 2001) und zudem auch solche Aktivitäten einschließen, die hauptsächlich von Bürgern, Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft ausgehen und sich an Verwaltung und Politik als Adressaten richten. Grundsätzlich werden Beteiligungsmöglichkeiten in sechs „Formen“ unterteilt, die offline und online realisiert werden können. Diese sechs im Zentrum stehenden Beteiligungsformen können wie folgt näher charakterisiert werden (vgl. Albrecht et al. 2008: 17–22): (1) Information: Angebote, die hauptsächlich auf die Bereitstellung und Erschließung von Informationen abzielen und damit eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Partizipation spielen. 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ... 37 (2) Transparenz durch Dritte: Informelle Angebote, die über Handlungen von Institutionen der Legislative oder Exekutive informieren und damit öffentliche Kontrolle ermöglichen (z.B. Wahlomat). (3) Beschwerde / Eingabe / Petition: Angebote, die es ermöglichen, Vorschläge oder Beschwerden an zur Entscheidung befugte Stellen und Behörden zu richten. (4) Konsultation: Alle Beteiligungsformen, die vorrangig das Ziel verfolgen, von den Bürgerinnen und Bürgern, von Interessengruppen sowie anderen Akteuren aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Expertise zu bestimmten Themen zu nutzen sowie Voten und Meinungen zu vorhandenen Planungen und angesetzten Entscheidungen einzuholen und anschließend abzuwägen. (5) Kooperation: Angebote, die über das Abfragen von Expertise, Präferenzen und Meinungen hinaus gehen und auf engere und oft auch längere, auch auf eine auf Einvernehmen ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen Verwaltung bzw. Politik und den Bürgern sowie den zu beteiligenden Gruppen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft abzielen und auch zu Ergebnissen führen können, die von den ursprünglichen Positionen abweichen. (6) Aktivismus / Kampagne / Lobbying: Beteiligungsformen, bei denen Einzelpersonen oder organisierte Akteure Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, Aufmerksamkeit und Unterstützung für Themen und Positionen, aber auch für partikulare Interessen zu erhalten und die damit einen Beitrag zur politischen Meinungs- und Willensbildung leisten. Für die Gestaltung der Partizipationsprozesse bieten sich vielfältige auf Informations- und Kommunikationstechnologien aufbauende Beteiligungsformate an. Folgende Werkzeuge können zur Umsetzung der Beteiligungsformate eingesetzt werden: E-Mail / Mailinglisten, Webcast (mit Feedbackfunktion), Telefon / Call Center, Online-Eingabeformular, Chat, Instant Messaging, Social Tagging, Social Rating, Quick Poll, Online-Befragung, Videokonferenz, Forum, Wiki, Social Network Sites, Online Communities, virtuelle Welten (vgl. ebd.: 17–22). Bei der Umsetzung der Beteiligungsformate unter Einsetzung der o.g. „Tools“ kann danach unterschieden werden, ob sie über mobile Endgeräte bzw. stationär von zuhause oder vom Arbeitsplatz aus genutzt werden. Motive für eine Beteiligung auf kommunaler Ebene sind besonders die Betroffenheit und erwartete Wirksamkeit des individuellen Engagements, auf Bundesebene vordergründig das persönliche Interesse am jeweiligen Thema, 38 Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser wobei eine erkennbare Einflussnahme bei Letzterem als eher gering eingeschätzt wird (vgl. Girrger/Schellong 2010: 4). Darüber hinaus gelten das Ausmaß und die Qualität des Angebots an Partizipationsmöglichkeiten als wesentliche Faktoren für die Motivation der Bürger zur politischen Beteiligung. Für die E-Partizipation gilt dies nach Gabriel und Mößner (2002: 219) sogar in noch stärkerem Maße. Eine neue Form der Partizipation von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen ist, nicht zuletzt durch die intensive und kontroverse Debatte um Verkehrs- und Stadtplanungsprojekte wie Stuttgart 21 und den Einsatz von direktdemokratischen Werkzeugen und der propagierten Open Government Policy der Piratenpartei in Deutschland in den Fokus der öffentlichen Diskussion gelangt. Von verschiedenen Seiten wird eine Ablösung von der alten politisch-gesellschaftlichen Ordnung hin zu einem neuen, partizipativen und gesellschaftsorientierten Politikbegriff gefordert, der diese Bottom-up-Bewegung als Prozess der Lösung gemeinsamer Aufgaben abbildet (vgl. Gohl 2002; Dettling 2008; Patzelt 2011; Gräßer/ Hagedorn 2012). Der vorliegende Beitrag skizziert Verwaltungsdienstleistungen als Produkt- und Prozessinnovationen, die kollaborativ mit den Betroffenen entwickelt werden können. Hierbei stellt sich die Frage, in welcher Intensität der Einfluss von Bürgern und Interessengruppen ausgestaltet werden sollte. In der extremen Ausprägung einer heterarchischen Organisationsform würde Beteiligung in selbstbestimmte Steuerung übergehen. In einer Heterarchie stehen die Einheiten einer Organisation nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern agieren gleichberechtigt. Jede Einheit besitzt gleichzeitig eine Steuerungsfunktion und kann Koordinationsprozesse beeinflussen. Zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von E-Governance werden Erkenntnisse von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement diskutiert. Kommunikations- und Lernprozesse über (digitale) soziale Netzwerke und Praktikergemeinschaften Digitale soziale Medien zeigen ein in Bezug auf Nutzerzahlen bislang ungebremstes Wachstum weltweit. Häufig bildet Kommunikation über digitale Medien soziale Netzwerkstrukturen ab oder führt zur Ausprägung bzw. Erweiterung sozialer Netzwerke. Dies gilt sowohl für Online-Netzwerke, die der beruflichen Vernetzung dienen (wie Xing oder LinkedIn), als auch für 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ... 39 Online-Netzwerke, die sich auf sozialen Austausch fokussieren (Facebook, etc.). Weiterhin werden Sites, die der Sammlung von digitaler Information (Video Sharing Sites wie YouTube, etc.) und Sites, die sich der Klassifizierung von Information über Nutzerinteressen widmen (z.B. Social Bookmarking Sites wie del.icio.us), immer einflussreicher. Digitale soziale Dienste bieten die Möglichkeit, Empfehlungen an vernetzte Personen weiterzugeben (vgl. Bry et al. 2010). Zur Stimulation des Empfehlungs- und Verlinkungsverhaltens von Internet-Nutzern entwickeln sich seit einigen Jahren kreative Ansätze und Geschäftsmodelle. So bietet beispielsweise der E-Commerce-Anbieter Lockerz seinen Kunden die Sammlung von Punkten an, wenn sie ihren sozialen Netzwerkkontakten Lockerzprodukte empfehlen bzw. infolge dieser Empfehlungen Netzwerkkontakte Kaufentscheidungen treffen. Gesammelte Punkte führen zu Preisreduktionen bei zukünftigen eigenen Einkäufen des empfehlenden Nutzers. Der Einsatz von Anreizmechanismen, um digitale Partizipation und die Weitergabe von Information zu beeinflussen, könnte auch im E-Partizipationskontext ausgebaut werden. Denkbar wären hier zum Beispiel reputationsbasierte Mechanismen, etwa die Veröffentlichung der Autoren von Vorschlägen, die später über E-Partizipationsverfahren ausgewählt werden. Kommunikation über (digitale) soziale Netzwerken zeigt sich als hochgradig produktiv zur Unterstützung von Lern- und Innovationsprozessen (vgl. Granovetter 1973; Constant, Sproull & Kiesler 1996; Burt 1992, 2004; Nooteboom 2000; Reagans/McEvily 2003; Grabher 2004; Grabher/Maintz 2007; Maintz 2010). Nach Granovetter (1973) werden insbesondere über schwache Netzwerkbeziehungen, d.h. Netzwerkbeziehungen, die durch vergleichsweise geringe Kontakthäufigkeit und Beziehungsintensität gekennzeichnet sind, besonders häufig neuartige Informationen weitergegeben, die zur Ideen- und Innovationsgeneration zwischen zuvor nicht verknüpften Gruppen von Personen führen. Im Vergleich dazu zeigen starke Netzwerkbeziehungen, gekennzeichnet durch hohe Kontakt- und Beziehungsintensität, eher die Eigenschaft der Zirkulation bereits bekannter Information. Gleichzeitig lässt sich Information besonders effizient über schwache Netzwerkbeziehungen viral verbreiten: “[W]hatever is to be diffused can reach a larger number of people, and traverse greater social distance (i.e. path length), when passed through weak ties rather than strong” (Granovetter 1973: 1366). Das Konzept der Praktikergemeinschaft („Community of Practice“) bezieht sich auf Gruppen von Individuen, die sich für ähnliche Themenfelder 40 Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser interessieren und sich informell zur Lösung von Problemstellungen bzgl. dieser Themenfelder face-to-face und/oder online treffen bzw. kommunizieren. D.h. man kann Praktikergemeinschaften als Netzwerke verstehen, deren Mitglieder über einen längeren Zeitraum in Kooperation stehen. Studien zu Praktikergemeinschaften konnten die hohe Kreativität und Problemlösungskompetenz dieser informellen Zusammenschlüsse zeigen (vgl. Brown/Duguid 1991, 2001; Wenger/Snyder 2000; Braun-Thürmann 2005). Die in Praktikergemeinschaften (häufig) stattfindenden vielschichtigen Analysen von Sachverhalten und die Tendenz zur schnellen Entwicklung relevanter Lösungsstrategien wird neben der Kompetenz der Mitglieder insbesondere mit ihrer selbstmotivierten Teilnahme an der Praktikergemeinschaft erklärt, die aus Eigeninteresse stattfindet – z.B., um eine Problemstellung zu lösen, die auch im beruflichen Kontext für sie relevant ist bzw. ein persönliches Interessensgebiet betrifft (beispielhaft für eine Praktikergemeinschaft ist z.B. die Linux-Community zu nennen). Weiterhin treffen in Praktikergemeinschaften häufig Personen aus unterschiedlichen Kontexten zusammen, die ein gemeinsames Interesse teilen – d.h. es werden unterschiedliche Kenntnishorizonte zur Problemlösung eingebracht. Kognitive Dissonanz ist durch die Möglichkeit zur Rekombination von Wissen für ihr kreatives Potenzial bekannt (vgl. z.B. Granovetter 1973). Zielgruppenorientierung durch kollaborative Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen Seit Eric von Hippel das Konzept der kollaborativen Produktentwicklung entwarf (vgl. Hippel 1976, 1978, 1986, 1994, 2005), haben viele Studien die Bedeutung der Integration von Information und Rückmeldung von der Kunden-/Anwendungsseite für zielgruppenorientierte und marktrelevante Produkt- und Prozessinnovationen bestätigt (vgl. z.B. Tapscott/Williams 2006: 77–104; Huston/Sakkab 2006). Viele Unternehmen sind den Pionieren IBM und Procter & Gamble gefolgt, in Forschungs- und Entwicklungsprozesse in entscheidendem Maße Kunden offline und online, z.B. in Form von Crowdsourcing über Internet-Communities, zu integrieren. Der Ansatz der kollaborativen bzw. offenen Produkt- und Prozess-Entwicklung erweist sich als sicher bzgl. der Entwicklung von Produkten/Dienstleistungen und Prozessen, die auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind, und darüber hinaus als effizient in Bezug auf die eingesetzten Eigenmittel. 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ... 41 Es bietet sich auch für den Bereich E-Governance an, zur Einbringung von Meinungen beteiligter Akteure partizipative – bis hin zu heterarchischen – Organisationsformen anzustreben. Hier sollte das Potenzial schneller Lernund Organisationsprozesse über persönliche Netzwerke und der Einbindung von Praktikergemeinschaften in die Entwicklung von Produkten/Dienstleistungen und Prozessen genutzt werden. Über die Etablierung partizipativer Strukturen und somit die Ermöglichung von potenziell viraler Weitergabe von Information über persönliche Netzwerke hinaus könnte über Anreizmechanismen nachgedacht werden, die Individuen bzw. Communities insbesondere zur Verbreitung, Systematisierung und Bewertung von Information motivieren könnten. Dies würde u.a. auch ermöglichen, Beteiligte in die Klassifikation großer Informationsmengen einzubinden (z.B. über Social-Ratingoder Social-Tagging-Werkzeuge). Mobilität und Ortsgebundenheit von E-Partizipation Die vierte Generation der mobilen Breitbandnetze wird in den kommenden Jahren auf internationaler Ebene eine weite Verbreitung finden. Mit der 4GTechnologie beschleunigt sich die mobile Datenübertragung entscheidend. Darüber hinaus ermöglichen 4G-Netze eine sehr stabile mobile Datenübertragung (vgl. Boztepe et al. 2010). Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach internetfähigen mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets. Mit der Verbreitung internetfähiger Endgeräte wird das mobile und spontane Abrufen von Information zu einem entscheidenden Kommunikationskanal mit Internetnutzern, der sich z.B. derzeit im mobilen Einzelhandel etabliert. Ortsgebundene Dienste können den Nutzer darüber hinaus mit ortsgebundenen Shop- und Produktinformationen versorgen. „Augmented Reality“, d.h. „erweiterte Realität“, bedeutet die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese Information kann alle menschlichen Sinnesorgane ansprechen. Besonders fortgeschritten ist die visuelle Darstellung von Informationen, d.h. die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierter Zusatzinformation oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung. Im Kontext der rapide wachsenden Verbreitung von Augmented-Reality-fähigen Endgeräten wie Smartphones und Tablets ist in den kommenden Jahren mit einer schnell zunehmenden Entwicklung und Rezeption von Augmented-Reality-Anwendungen zu rechnen (vgl. Hong/Mukherjee 2011; Mehler-Bicher et al. 2011). Gleichzeitig bieten 42 Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser mobil abrufbare und Augmented-Reality-Anwendungen großes Potenzial für E-Partizipationsverfahren. So könnten im E-Partizipationskontext digitale Informationen über Augmented-Reality-Anwendungen ortsgebunden „abgelegt“ und über die Verwendung von Augmented-Reality-fähigen Geräten abgerufen werden. D.h. es kann Hintergrundinformation zum Beispiel an Orten abgelegt werden, über die in Beteiligungsverfahren entschieden werden soll. Gleichzeitig wird die direkte Möglichkeit zur elektronischen Abstimmung gegeben. So kann elektronische Partizipation wieder an Orte gebunden werden. Kollaborative Demokratie Bisherige Ansätze zur E-Partizipation zeigen Schwächen in Bezug auf das Erreichen und die Beteiligung ihrer Zielgruppen, die Bereitstellung relevanter Angebote und die Realisierung zügiger und transparenter Auswertungsprozesse, d.h. die Implementierung effizienter Informationsmanagement-Technologien und -Strategien. Dieser Beitrag plädiert für die Einbindung von Betroffenen in die Ausgestaltung von Themenfeldern, Dienstleistungen und Prozessen von Politik und Verwaltung. Über den Einfluss von Zielgruppen kann eine zielgruppengerechte Entwicklung von Produkten/ Dienstleistungen und Prozessen sichergestellt werden. Allerdings stellt sich die Frage zur Intensität der Einbindung von Zielgruppen: Sollen sie ausschließlich Einfluss nehmen oder Entscheidungen gleichberechtigt steuern, d.h. sollte eine heterarchische Organisationsform angestrebt werden? „Dieses Publikum zerfällt im virtuellen Raum in eine riesige Anzahl von zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltene Zufallsgruppen. Auf diese Weise scheinen die bestehenden nationalen Öffentlichkeiten eher unterminiert zu werden“ (Habermas 2008: 162). Eine mögliche disproportionale Einflussnahme von Interessensgruppen, oder auch internetaffiner sozialer Gruppen, stellt eine Gefährdung demokratischer Grundprinzipien dar. Zu Realisieren ist insofern ein gleichberechtigter Einfluss aller von Entscheidungen betroffener Gruppen. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass heterarchisch organisierte Aushandlungsprozesse in chaotischen Machtkämpfen ausgetragen werden. Es wird insofern vorgeschlagen, dass Service-Einheiten in Politik und Verwaltung, die über partizipative Verfahren definiert werden, moderierende und organisatorische Funktionen wahrnehmen, um gleichberechtigte Teil- 2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ... 43 nahme sicherzustellen, d.h. eine vermittelnde und organisatorische Steuerung von (Online-) Beteiligungsprozessen übernehmen. Wichtig ist, dass diese Service-Einheiten partizipativ eingebrachte Inhalte und Strukturen repräsentieren. Es ist zu erwarten, dass sich über eine Realisierung von Strukturen einer selbstbestimmten Gesellschaft die Bereitschaft zur Partizipation entfaltet. Quellen Albrecht, S., Kohlrausch, N., Kubicek, H., Lippa, B., Märker, O., Trénel, M., Vorwerk, V., Westholm, H., Wiedwald, C. (2008). 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Einige systematische Überlegungen. In: Feld, L.P., Huber, P.M., Jung, O., Welzel, C., Wittrek, F. (Hrsg.). Jahrbuch für direkte Demokratie 2010. Baden-Baden: Nomos, S. 63–106. Reagans, R. McEvily, B. (2003). Network structure and knowledge transfer: The effects of cohesion and range. In: Administrative Science Quarterly 28: 240–267. Tapscott, D., Williams, A. D. (2006). Wikinomics. New York: Portfolio. Wenger, E., Snyder, W. M. (2000). Communities of Practice: The organizational frontier. In: Harvard Business Manager 4: 55–62. 46 Dirk Heckmann 2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein? Dirk Heckmann Kurzfassung: Offenheit, Transparenz, „gläserner Staat“: Solche Forderungen werden nicht nur von Piratenpartei oder „Netzgemeinde“ erhoben und tragen ihre Legitimität gleichsam in sich: Wer wollte gegen Transparenz (des Staates, nicht: seiner Bürger) sein, ohne sich dem Verdacht der Vetternwirtschaft, der Ineffizienz oder mangelnder Serviceorientierung auszusetzen? Und doch hat Open Government Data explizite rechtliche Grenzen. Autor: Prof. Dr. Dirk Heckmann, MdBayVerfGH, Jahrgang 1960, zählt zu den IT-Rechts-Pionieren in Deutschland. An der Universität Passau leitet er die Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik ForNet, an der Zeppelin Universität Friedrichshafen das Center for IT-Compliance and Trust. Der Inhaber des bundesweit einzigen Lehrstuhls für Internetrecht lehrt und forscht seit 15 Jahren zu Rechtsfragen der Internetnutzung, woraus u.a. sein Standardkommentar zum Internetrecht (Heckmann 2011) hervorgegangen ist. Offenheit als politisches Versprechen Open Government. Open Data. Die Forderung nach einer Öffnung der Verwaltung oder zumindest ihrer Datenbestände für den Bürger ist älter als das Internet, hat aber durch dieses an Kraft und Realisierungschancen gewonnen. So sind es heute nicht nur die Piratenpartei oder die sog. Netzgemeinde, die sich für eine offene Verwaltung oder gar den „gläsernen Staat“ stark machen. Das Versprechen nach mehr Transparenz und Informationsfreiheit gehört auch bei den etablierten Parteien zum „guten Ton“, ist Bestandteil der Parteiprogramme und politischen Konzepte von Regierung und Opposition. Transparenz und Offenheit (oft synonym, zuweilen auch differenzierend in der Verwendung) sind als politische Forderungen durchweg positiv konnotiert und haben bereits jetzt eine bestätigende normative Verankerung. Weitaus weniger diskutiert werden die Grenzen solcher Offen- 2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein? 47 heit im demokratischen Rechtsstaat. Den Forderungen nach Open Data wird dadurch aber nicht der Wind aus den Segeln genommen. Transparenz als Rechtsprinzip Dass der Staat unter den Bedingungen des Grundgesetzes „offen“ sein soll, und auch offen ist, ist nicht zuletzt eine Folge des Demokratieprinzips und dessen Umsetzung in einer „gelebten Demokratie“. Hieraus lässt sich Transparenz auch als Verfassungsprinzip herleiten. Volkssouveränität kann es in einer repräsentativen Demokratie nur geben, wenn sich Staat und Verwaltung offen zeigen und der Bürger weiß, welche Entscheidungen aus welchem Grunde ergehen. Deshalb sind Gerichtsverhandlungen in der Regel öffentlich, haben die Bürger Zugang zu den Sitzungen der Vertretungsorgane und gibt es zahlreiche Vorschriften zu Auskunftsansprüchen der Betroffenen von Verwaltungsverfahren oder Publizitätsregeln im Hinblick auf Gerichts-, Verwaltungs- und parlamentarische Entscheidungen. Die einfachgesetzlichen Ausprägungen dieses Transparenzprinzips gehen aber noch weiter, indem etwa die Darlegungslast beim Zugang der Bürger zu Verwaltungsinformationen umgekehrt wird. So muss dieser z.B. beim Umweltinformationsgesetz oder Informationsfreiheitsgesetz nicht darlegen, warum er bestimmte Daten einsehen möchte. Vielmehr muss die Verwaltung erklären, warum die Information im Einzelfall vorenthalten wird. Auch wenn diese Gesetze nicht das gesamte Verwaltungshandeln in Deutschland erfassen, zeigen sie doch die Tendenz, Staats- und Verwaltungshandeln offen zu gestalten. Open Data als informationstechnische Selbstverständlichkeit Open Data, so wie dies in aktuellen politischen Konzepten verstanden wird, klingt zunächst nach einer Selbstverständlichkeit. Staat und Verwaltung mögen alle Daten, die im Allgemeininteresse erhoben und verarbeitet werden, eben dieser Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Dies solle in bestimmten maschinenlesbaren Formaten geschehen, die eine Weiterverwendung dieser Daten ermöglichen soll. So kann es auch zu einer Veredelung der (Roh-) Daten in der Weise kommen, dass nützliche Anwendungen mit Mehrwert für die Bürger entstehen. Vor diesem Hintergrund ist Open Data auch ein Innovationstreiber, wie man am Wettbewerb „Apps für Deutschland“ sehen kann. 48 Dirk Heckmann Dass dieses Verständnis von Open Data wiederum eigene Grenzen kennt, nämlich den Ausschluss des Zugriffs auf personenbezogene Daten, Staatsoder Geschäftsgeheimnisse, unterstreicht die Selbstverständlichkeit. Genau genommen geht es darum, künftige Geschäftsprozesse der elektronischen Verwaltung gezielt auf die Transparenzerfordernisse hin zu modellieren. Früheren Einwänden wird so vorgebeugt: Die wünschenswerte Weitergabe vieler Daten kann nicht mehr mit dem Argument abgelehnt werden, die Bereinigung dieser Informationen um geschützte Anteile sei unverhältnismäßig aufwendig. Bei passender Modellierung ist eine solche Trennung von offenen und nichtoffenen Daten quasi bereits „eingebaut“. Auch fällt nun etwa das Kapazitätsargument weg, wonach die Verwaltung überfordert sei, wenn Tausende Bürger Auskunft verlangen würden. Die Information erfolgt nämlich nicht mehr in der Behörde, sondern per Remote-Zugriff auf die Verwaltungsserver. Diese stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Grenzen der Offenheit So positiv Open Data damit besetzt ist, kann es aber nicht grenzenlos gewährleistet werden. Manche Risiken, die mit einer Freigabe von Verwaltungsinformationen verbunden sein können, sind erst auf den zweiten Blick erkennbar. a) Schutz vor missbräuchlicher Profilbildung So warnt der Beauftragte für Informations- und Kommunikationstechnik der Bayerischen Staatsregierung davor, dass selbst „entpersonalisierte“ und damit anonyme Daten Rechte der Bürger gefährden können. Als Beispiel nennt er Geodaten, die zunächst sehr nützlich sein können, etwa bei der Feststellung der Hochwassergefährdung in bestimmten Regionen. Doch könnten solche Daten auch zur Geo-Referenzierung genutzt werden, indem zum Beispiel Grundbücher, Durchschnittseinkommen und andere Informationen kombiniert würden, was nachteilige Folgen (etwa bei der Beurteilung der Bonität) für betroffene Bürger haben kann. Dies spricht für sich noch nicht gegen die Aufbereitung bestimmter Geodaten in einem „Open-Data-Konzept“. Jedoch muss vor der Freigabe bestimmter Daten sichergestellt werden, dass diese nicht in einem anderen Kontext, insbesondere zur Profilbildung, missbraucht werden können. 2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein? 49 b) Schutz vor kontraproduktiver Entscheidungshemmung Transparenz hat ohne Zweifel auch eine disziplinierende Nebenwirkung. Was offen geschieht, ist sichtbar, damit kontrollierbar und steuerbar. Eine Verwaltung, die so vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit agiert, kann an Qualität und Produktivität gewinnen. Es entstehen aber auch schädliche Nebenwirkungen. Am Beispiel von Open Government: So kann etwa bei der Live-Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet die Scheu zur Wortmeldung verstärkt werden, mögen die Beteiligten einem fruchtbaren offenen Schlagabtausch aus dem Weg gehen oder die Transparenz der Sitzung durch Absprachen im Vorfeld konterkarieren. Ein solches Verhalten mag man kritisieren. Es ist aber realistisch, menschlich und kaum zu verhindern. Und es ist in einem gewissen Umfang sogar geschützt, nämlich als Bestandteil des Schutzes der Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Neutralität der behördlichen Entscheidungsfindung. Daraus wird wiederum ein Überlegungs-, Entwurfs- und Vorbereitungsspielraum hergeleitet, der eine Offenheit „zur Unzeit“ beschränkt. In ähnlicher Weise räumt auch das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ ein, nach dem ihr ein „nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich“ zusteht. Auch dies setzt dem Gedanken von Open Data Grenzen. Bei der Bereitstellung von Verwaltungsinformationen ist zu analysieren, inwieweit offene Information und Kommunikation Transparenz tatsächlich herstellt oder nicht am Ende verhindert. c) Schutz vor indirekter persönlicher Leistungskontrolle Soweit die Transparenzdiskussion mit der Forderung nach dem „gläsernen Staat“ an Stelle eines „gläsernen Bürgers“ geführt wird, wird das Dilemma sichtbar, dass Informationen „des Staates“ nicht immer streng getrennt werden können von Informationen über dessen Bedienstete. Diese mögen formal als Funktionsträger gesehen werden, deren Handeln dem Staat zugerechnet wird. Sie haben aber auch den Status als natürliche Personen mit einem geschützten Rechtskreis. Wenn nun im Rahmen umfassender Bereitstellung offener Daten Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten und die Arbeitsleistung dieser Personen ermöglicht werden, bekommen die sachlichen Daten doch wieder einen persönlichen Bezug. Zwar hat das Prinzip des Benchmarking der Verwaltung sogar Verfassungsrang erhalten (Art. 91d GG). Dies rechtfertigt aber keine unkontrollierte Analyse und Veröffentlichung von Leistungsdaten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Open Data ist also so zu gestalten, dass die berechtigten Interessen der Bediensteten gewahrt bleiben. 50 Dirk Heckmann Fazit Open Data ist wie gesehen eine informationstechnologische Selbstverständlichkeit, beruht auf einer verfassungsrechtlichen Legitimation und trägt als Konzept eines freien Informationszugangs mit rechtskonformer Datenverarbeitung bestimmte Schranken (Datenschutz, Geheimnisschutz, Sicherheit) in sich. Dabei sind aber auch schädliche Nebenwirkungen zu beachten, die sich aus den Umständen der Datenbereitstellung oder dem Kontext weiterer Datenverarbeitung ergeben können. Um solchermaßen einen Schutz vor übermäßiger Leistungskontrolle, Profilbildung oder Entscheidungshemmung zu gewährleisten, müssen entsprechende technische und organisatorische Vorkehrungen getroffen werden. Quellen Heckmann, Dirk (Hrsg.) (2011): Internetrecht : Telemediengesetz, E-Commerce, EGovernment. 3. Aufl., Saarbrücken: juris. 2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 51 2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung aus wissenschaftlich-technischer Sicht Odej Kao Kurzfassung: Was sind die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine gelungene Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft? Als gelungenes Beispiel kann die Cloud-based Infrastructures in Berlin angesehen werden und als Vorbild für andere Kommunen dienen. Autor: Prof. Dr. Odej Kao ist seit 2006 Professor an der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin. Des Weiteren leitete er das Rechenzentrum der TU Berlin und ist Projektleiter des BerlinCloud-based Infrastructures – ein Projekt zur Förderung von IT-Startups durch die nötige Infrastruktur. Prof. Kao ist Mitglied in vielen internationalen Programm-Komitees sowie in Redaktionen von Fachzeitschriften wie der Parallel Computing. Seine Forschungsgebiete sind neben dem Cloud Computing und Parallelcomputern komplexe IT-Systeme sowie Grid Computing. Welche technischen Möglichkeiten gibt es für eine verbesserte Kommunikation/Kooperation zwischen der Verwaltung und der Wirtschaft? Grundvoraussetzung für eine verbessere Kommunikation und Kooperation zwischen Verwaltung und Wirtschaft ist erstens, die eigene Organisation genau zu betrachten und zu erkennen, welche Vorgänge elektronisch umsetzbar sind, sowie zweitens, sich die nötigen Ziele zu setzen. Nicht jeder Prozess kann auf elektronischem Wege durchgeführt werden und man möchte auch nicht jeden auf diesem Wege durchführen. Zudem ist es nötig klarzustellen, dass ein Einsatz webbasierter Technologien Sachbearbeiter nicht ersetzt. Diese werden lediglich entlastet und können sich auf Rückfragen der Bürger und die Bearbeitung komplizierter Fälle konzentrieren und diese schneller bearbeiten. Auf der Basis dieser Voraussetzungen konnten viele Entwicklungen bei den technischen Möglichkeiten in den letzten Jahren beobachtet werden. Das Hauptaugenmerk hierbei liegt – insbesondere bei uns an der TU Berlin – in 52 Odej Kao der Entwicklung einer überprüfbaren und sichergestellten Kommunikation/ Kooperation. Erhält der Adressat die Daten, welche ich losgeschickt habe? Werden diese bearbeitet? Ist die Person, welche wir erwarten, auf der anderen Seite? Diese sichergestellte Kommunikation ist für die Kooperation zwischen Verwaltung und Wirtschaft ebenso wichtig wie zwischen Einzelpersonen. Manipulation wird so vorgebeugt und die Nutzer (Personen/Unternehmen) erhalten eine Sicherheit durch die Möglichkeit der Überprüfung der Wege. Ein Beispiel hierfür ist die sichere E-Mail. Diese hat zwar weiterhin technische Schwierigkeiten, dennoch ist das Prinzip dahinter von besonderer Wichtigkeit – dem Absender zu ermöglichen, seine Daten/Formulare zu verfolgen, sicherzugehen, ob diese zugestellt werden und wann diese bearbeitet werden. Ein weiteres Beispiel ist der elektronische Personalausweis, welcher in Zukunft bei der Online-Kommunikation sicherstellen soll, dass wirklich die erwartete Person am anderen Ende der Leitung ist. Diese sichergestellte Kommunikation/Kooperation ist eine Grundbedingung für die erfolgreiche Nutzung von Web 2.0. Denn so kann man Transparenz erreichen und eine asynchrone Kommunikation ermöglichen. Transparenz bedeutet, dass die Information jederzeit abrufbar und online verfügbar sind. Entweder für jedermann, wie z.B. die Betrachtung des Mietspiegels in Berlin, oder in einem Intranet für eine bestimmte Zielgruppe. Diese können die Daten ändern und sichten. Asynchrone Kommunikation nennt man die Situation, die jedermann kennt – das Erreichen der Verwaltung. Ein enges Zeitfenster von 8 bis 18 Uhr besteht hierbei für die Nutzer (Personen/Unternehmen) und die Sachbearbeiter (und zwingt beide Seiten zur synchronen, d.h. gleichzeitigen Kommunikation). Eine Online-Bearbeitung ist zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich – ebenso die Bearbeitung. Je nachdem, wann Zeit oder die Kapazität vorhanden sind, lassen sich so Anfragen, aber auch die Rückfragen bearbeiten. Wichtig hierbei ist es auch, das entgegenkommende Vertrauen der Nutzer zu stärken, indem man möglichst transparent die Entwicklung und Bearbeitung der Daten darlegt. Um den Druck auf die Sachbearbeiter nicht unnötig zu erhöhen, ist es dabei wichtig, diese „transparente Beobachtung“ nicht zu persönlich auf einzelne Mitarbeiter/Abteilungen durchzuführen. Das Land Berlin gibt z.B. durch den Eingang der Anfragen an, welche Anfragen nun bearbeitet werden. 2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 53 Wie sieht die Kooperation zwischen der TU Berlin und der öffentlichen Verwaltung aus (auf kommunaler und ggf. auf nationaler Ebene)? Die Technische Universität Berlin entwickelt als ein „verlängerter Arm“ der Verwaltung Methoden, definiert, wie die Umsetzung aussehen soll, und arbeitet Ideen aus. Die Universität ist hierbei ein geeigneter Ort, da die Studenten offen für Veränderungen und mit diesen neuen Technologien aufgewachsen sind. Der nächste Schritt für die Universität ist aber, bei diesen vielen Ideen herauszufinden, wie das Endprodukt wirklich aussieht. Welche Verpflichtungen kommen auf das neue Unternehmen zu, welche Probleme könnten bei der Umsetzung entstehen? Die Technologien sind entwickelt, aber wie umsetzbar sind diese für die breite Bevölkerung? Genau diese „Spielwiese“ ermöglicht die TU Berlin. Man versucht, Beispiele für die Unternehmen/Verwaltung „herzustellen“. Wie funktioniert das System, welche Kosten – Erstellungskosten, aber auch Wartung, Pflege und Betrieb – fallen an und welche Anzahl an Mitarbeitern werden für dieses Projekt benötigt? Neben der wissenschaftlichen Herangehensweise und der Identifizierung sowie Ausarbeitung dieser Spielwiesen ist an der TU Berlin insbesondere das Projekt Berlin-Cloud-based Infrastructures (BCI) im Fokus.Die TU Berlin wird von der Senatsverwaltung konkret für diese Arbeit unterstützt, sei es durch eine enge Kommunikation zwischen der Verwaltung und der Universität oder die finanzielle Unterstützung wie bei dem BCI-Projekt. Mit Blick auf das Projekt Berlin-Cloud-based Infrastructure: Inwiefern kann diese Infrastruktur und Plattform als Instrument der Wirtschaftsförderung dienen? Die TU Berlin hat die Entwicklung beobachtet, dass bei den Studenten der Wunsch steigt, nach dem Studium eher ein eigenes Unternehmen zu gründen, als bei einem großen Unternehmen einzusteigen. Dieses Vorgehen hat die Universität zuerst durch Tipps und Seminare unterstützt, jetzt hat sie durch das BCI-Projekt jedoch eine besondere Hilfe – insbesondere für InternetStart-ups – entwickelt. Facebook (mit seiner Gründung 2004) und Google (mit seiner Gründung 1999) hatten noch eine vergleichsweise lange Entwicklungslaufzeit, aber heutzutage ist die Entwicklung sehr viel schneller. Auch wenn webbasierte Ideen auf kommunaler Ebene entstehen, gelten diese für den gesamten Weltmarkt. Qualität und Geschwindigkeit zählen für den Erfolg – man muss weltweit der Erste sein mit der Idee. 54 Odej Kao Problematisch jedoch ist, dass die meiste Zeit – und Kosten – bei der Entstehung eines Unternehmens in den Aufbau der Infrastruktur investiert werden müssen, wie z.B. Wohnungen suchen, PCs installieren und warten usw. Hierfür hat man jedoch auf dem Weltmarkt keine Zeit. Die vorhandene Energie sollte in die Idee, in die Suche nach Investoren und die Gewinnung einer Kundengruppe eingehen. Die TU Berlin möchte daher der Gründerszene diese Aufgaben durch die Bildung einer Plattform und die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur unterstützen. Das bedeutet für die jungen Gründer: keine Sorgen mehr bezüglich der Anschaffung, Stromausfällen, Updates oder Diebstahl. Auf der Plattform kann man die Ideen entwickeln und nach außen anbieten, wie z.B. eine Website mit allein nötigen Informationen oder Anwendungen zum Herunterladen. Finanziert wird dieses Projekt von der Senatsverwaltung und EFRE und soll zunächst kostenlos angeboten werden. Entwickelt wurde das Berlin-Cloud-based Infrastructures zusammen mit Jungunternehmern und Gründungszentren. Zuhören ist dabei das wichtigste Mittel. Gemeinsam wurde die Frage beantwortet, was neu gegründete Unternehmen benötigen und wer und wie dies anbieten sowie unterstützen kann. Die TU Berlin hat sich hierbei aufgrund ihrer Kompetenz auf die Gründerszene konzentriert. Welche Schritte kann die Verwaltung unternehmen, um die eigene Kommune bzw. die eigene Region als Wirtschaftsstandort in dem Bereich webbasierte Technologien interessanter zu machen? Die Verwaltung kann eine solche Entwicklung von sich aus und allein nicht durchführen. Bzgl. BCI war die Voraussetzung der Gründerszene gegeben, aber diese existiert nicht in allen anderen Städten und Kommunen. Daher ist es wichtig, zuerst zu analysieren, was die Rahmenbedingungen der eigenen Kommune sind – dafür ist eine enge Kooperation zwischen Verwaltung und Unternehmen notwendig. Das Prinzip Zuhören gilt auch hier. Dabei ist nicht zu unterschätzen, dass meistens für – insbesondere in der Gründerszene – Unternehmen weniger die technische Unterstützung notwendig ist, sondern die richtigen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen. Die Verwaltung kann insbesondere als Vermittler tätig werden und Kontakte zwischen Investoren/Universitäten mit den Gründern herstellen. 2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 55 Cloud Computing für Kommunen – Wie sinnvoll ist dies und was muss beachtet werden? Cloud Computing kann für die Verwaltung als Impuls genutzt werden, um zu identifizieren, was man schon immer online abwickeln oder anbieten wollte. Die psychologische Hürde, die Daten wegzugeben, ist dabei weitaus beeinflussender für die Frage, ob man es macht, als die technischen Aspekte. Möglichkeiten, sich vor einem Angriff zu schützen, haben sich als wirksam herausgestellt. Die Kommune muss der psychologischen Hürde explizit entgegentreten und den so entstehenden Vorteil der steigendenden Attraktivität als Wirtschaftsstandort nutzen. Hierbei gibt es zwei Arten von Cloud Computing, welche genutzt werden könnten. Die bekanntere Public Cloud ist für jeden zugreifbar, die Private Cloud jedoch ist für Kommunen interessanter. Jede Cloud hat hierbei ihre eigene Infrastruktur für ihre eigenen Nutzer. Wie bei den Beispielen mit dem neuen Personalausweis und der sicheren E-Mail ist es hier nun wichtig, die Kommunikation/Datenübermittlung sicherzustellen. Um herauszufinden, ob und welche Art von Cloud die eigene Verwaltung einsetzen sollte, ist es nötig, zuerst die eigenen Bedürfnisse zu identifizieren. Welche Prozesse möchte ich elektronisch abwickeln, was möchte ich online nutzen und anbieten, sowie: Soll es eine Informationsplattform oder eine Anwendungsplattform sein? Im zweiten Schritt wird erst die Cloud mit der nötigen Infrastruktur entwickelt. Generell lässt sich sagen, dass Cloud Computing momentan einen neuen Impuls gibt, einige Prozesse neu durchzuführen, wie z.B. für die Wirtschaftsförderung. Routinemäßige Abfragen/Formularbearbeitungen können für Unternehmen so eine erhebliche Erleichterung darstellen. Aber vor der Technik muss erst das Ziel klar sein – denn Cloud Computing ist nur eine Technologie, auf die Nutzung dieser kommt es an. 56 Michael Hokkeler 2.4 Change Management in Behörden — Welche Veränderungen entstehen und wie das Management reagieren kann Michael Hokkeler Kurzfassung: Die Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung sind mehreren Faktoren geschuldet. Einerseits gibt die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor, wie eine unternehmensorientierte elektronische öffentliche Verwaltung gestaltet werden kann. Andererseits stellen Bürger und Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt höhere Ansprüche an die Verwaltung. Herr Hokkeler leitet her, welche Instrumente bereits bereitstehen und welche Herausforderungen bei einer nutzerorientierten Verwaltung sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Verwaltung weiterhin bestehen. Autor: Michael Hokkeler arbeitete als Referent für Medienbruchfreie Prozesse mit dem E-Postbrief bei der KGST. Aktuell ist er Senior-Experte bei der Deutsche Post AG für den öffentlichen Sektor. Einleitung Die öffentliche Verwaltung bewegt sich in einem Anspruchsumfeld, das sich ständig verändert. Die zwei wichtigsten Brennpunkte der Veränderungen waren dabei in den letzten Jahren die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die gesellschaftlichen Veränderungen insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung der Gesellschaft. EU-Dienstleistungsrichtlinie stellt hohe Ansprüche Die EU-Dienstleistungsrichtlinie beinhaltet hohe Ansprüche an die Verwaltung als Push-Faktor zur Veränderung. Die EG-DLR verpflichtet die öffentliche Hand, alle Informationen zu Verwaltungsleistungen, die für Dienstleistungsunternehmen erbracht werden, zusammengefasst und in hoher Qualität bereitzustellen. Es soll also nur ein Ansprechpartner für die Dienstleistungsunternehmen zur Verfügung stehen, der schnell und effizient die geforderten Leistungen eines Unternehmens erbringt. Innerhalb der Behörde, jedoch auch 2.4 Change Management in Behörden – Welche Veränderungen ... 57 über Behördengrenzen hinweg, müssen so Prozesse koordiniert werden, um eine optimale Kundenorientierung im Sinne eines One-Stop-Agency zustande zu bringen. Dies bedeutet, dass mit der EG-DLR Verwaltungsprozesse in ihren fachlichen Zusammenhängen über Behördengrenzen hinweg betrachtet werden müssen, um effiziente Prozesse, ausgerichtet auf einen Einheitlichen Ansprechpartner (EA), zu organisieren. Bei diesem müssen zudem ein umfangreiches Wissen über Leistungen und Abläufe vieler Behörden zur Verfügung stehen. Diese vernetzten und zusammengeführten Prozesse müssen zudem gemäß der EG-DLR in allen beteiligten Behörden klar definierten Qualitätskriterien genügen (Angemessenheit, Einfachheit, Zugänglichkeit und Fristtreue). Im Rahmen der Zusammenführung und Vernetzung sollten damit diese Qualitätskriterien handlungsleitend für Prozessveränderungen sein. Eine weitere Anforderung ist zudem, dass die Interaktionen zwischen Dienstleistungserbringer und Verwaltung elektronisch zu erfolgen haben. Damit gibt die EU-Dienstleistungsrichtlinie eine direkte Vorgabe dazu, dass EGovernment eingeführt werden soll. Große Veränderungen durch das Internet Tatsächlich ist nicht nur die EU-Dienstleistungsrichtlinie der zentrale Faktor für den zunehmenden Übergang zur elektronischen Verwaltung – wenn auch ein wichtiger. Auch das veränderte gesellschaftliche Umfeld besonders im Zuge des Siegeszuges des Internets beeinflusst massiv die zunehmende Einführung elektronischer Lösungen in der Verwaltung. Tatsächlich verändert das Internet die Gesellschaft sehr schnell. Kaum zuvor ist ein solcher für jedermann unmittelbar erlebbarer rasanter Wandel bezüglich der Nutzung von Informationstechnik vollzogen worden. Diese Revolution und die hierin steckenden Möglichkeiten beginnen den Alltag in Beruf, Freizeit, sozialem Miteinander, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu prägen und zu „technisieren“. Aus dem Internet als Kommunikationsplattform wird zunehmend ein Kommunikationsraum mit interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten und aus Nutzern werden Mitgestalter oder Mitspieler. Dabei ist die Veränderungsgeschwindigkeit enorm, sodass die Schnelllebigkeit zu einer wesentlichen Herausforderung von E-Government wird. Auch die Kommunen sehen sich steigenden Ansprüchen an die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen über das Internet gegenüber. Wer rund 58 Michael Hokkeler um die Uhr online Reisen bucht oder Bankgeschäfte erledigt, will auch Anträge unabhängig von Zeit und Ort stellen und kommunale Dienstleistungen online in Anspruch nehmen können. Für die Wirtschaft ist die Servicequalität ein Standortfaktor im ohnehin schärfer werdenden Wettbewerb der Kommunen und Regionen. Bürger und Unternehmen wollen Verwaltungsleistungen flexibel für alle Zugangswege – persönliches Erscheinen, Telefon/Handy, Fax, E-Mail, elektronische Dienste – in Anspruch nehmen. Des Weiteren sollen die Bürger Dienstleistungen „aus einer Hand“ erhalten, auch dann, wenn verschiedene öffentliche und private Leistungsanbieter an der Leistungserstellung beteiligt sind. Öffentliche Verwaltung in Netzwerken Trends in der öffentlichen Verw altung Horizontale Zusammenarbeit wird zunehmend angestrebt – Arbeiten in Netzwerken Vertikale Zusammenarbeit wird innerhalb des Verwaltungssystems eingefordert Kundenerwartungen werden bei der Prozessgestaltung berücksichtigt – Qualität, Offenheit und Transparenz, flexible Zugangswege E-Government-Lösungen werden eingesetzt und weiter entwickelt GPO 5, Dr. Birgit Anne Pickenäcker und Michael Hokkeler Seite 3 Abb. 1 Trends in der öffentlichen Verwaltung (eigene Darstellung) Die große Chance für die öffentliche Verwaltung liegt im Zwang zur Modernisierung von Strukturen. E-Government ermöglicht es durch die „EntRäumlichung“ der Verwaltung, in flexiblen Netzwerken über Verwaltungs- 2.4 Change Management in Behörden – Welche Veränderungen ... 59 und örtliche Grenzen hinaus zu denken und zu handeln. Kommunen könnten ihr Know-how bündeln und arbeitsteilig Prozesse abwickeln, z. B. könnte eine Kommune als Personaldienstleisterin für Personalabrechnung, Fortbildung o. Ä. auftreten, die andere über ein verwaltungsübergreifendes Intranet als Beschaffungsexpertin für eine ganze Gruppe von Verwaltungen in der Region. Ist und Soll der Veränderungen Tatsächlich ist die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung auf dem Weg zum Handeln in Netzwerken weniger weit gediehen als erhofft. Das Leistungsportfolio der Kommunen ist bekannt und definiert – der erste Schritt zur Entwicklung einer möglichen Zusammenführung von Prozessen. Auch die Instrumentarien und das Wissen für Prozessoptimierungen, -kooperationen und -integrationen ist vorhanden – damit könnten kooperative Leistungen im Netzwerk konzipiert und potenziell umgesetzt werden. Grundsätzlich sind auch die technologischen Grundlagen zur Umsetzung solcher Prozesse in elektronischer Form vorhanden. Woran es also nicht fehlt, sind das Wissen oder die Technik. Die größten Hemmnisse sind vielmehr im Bereich der Organisationskultur zu suchen. Eine Verwaltung, die im Netzwerk, agiert muss auch nach außen offen sein, d.h. sie sollte kooperationsfähig in der Zusammenarbeit sein. Dazu zählt auch ein gewisses Maß an Flexibilität und das Zulassen von Fehlertoleranz, weil Kooperationen z.B. mit Unternehmen schnelles und flexibles Reagieren erfordern, wenn unerwartete oder neue Situationen auftreten. Hinzu kommt auch, dass Neugier und Innovation eine neue Anforderung sein sollte, um sich auf ein verändertes Umfeld einzustellen und um mit kreativen Ideen gute Lösungen zu entwickeln. Genau an diesen Faktoren – Offenheit, Fehlertoleranz und Neugier – sollte demzufolge weiter gearbeitet werden. Auch auf Seiten der Unternehmen sollte eine solche Kooperation jedoch als eine Partnerschaft unter Gleichen verstanden werden. Denn in einem Netzwerk können Partner nur voneinander profitieren, wenn beide Seiten gemeinsam die Probleme ansprechen und angehen. Dazu muss auch die Kommunikation zwischen Unternehmen und Verwaltung besser werden. Die Verwaltung ist auf einem guten Weg. Alle Instrumente zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie sind vorhanden. Der Schlüssel liegt im eher langwierigen Verändern der Kultur in der öffentlichen Verwaltung und 60 Michael Hokkeler dem Entwickeln eines neuen Verständnisses der Kooperation zwischen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung. Auch darum ist hier ein Dialogansatz vonnöten, um die Vision einer vernetzen Verwaltung der Zukunft umsetzen zu können: Die zukünftige Verwaltung ist an Ergebnissen und optimierten Leistungsprozessen ausgerichtet. Sie betreibt ein exzellentes, kundenorientiertes Front Office im Bürgerbüro, im Call Center, über das Internetportal, in der ersten Anlaufstelle eines Fachbereichs. Die Produktion der Leistungen im Back Office erfolgt seltener als heute in der Verwaltung selbst. Vielmehr bewegt sich die Verwaltung in einem vielfältigen Geflecht von arbeitsteiligen Leistungsprozessen, von öffentlichen und privaten Akteuren. 2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ... 2.5 61 Anreizmechanismen für Open Data — Wie kann Beteiligung maximiert werden? Justus Lenz “Ordinary people, regardless of institutional affiliation or professional status, possess information – serious, expert, fact-based, scientific information – to enhance decision-making, information not otherwise available to isolated bureaucrats.” (Noveck 2008) Kurzfassung: Digitalisierung und Vernetzung verursachen eine grundlegende und dauerhafte Transformation der Gesellschaft. In Schlagwörtern wie Government 2.0, Peer Producing oder auch Open Data steckt zwar immer auch ein bisschen Hype, ein wenig Übertreibung – sie stehen aber auch für wichtige Aspekte dieses grundlegenden Wandels. Peer Producing beschreibt beispielsweise die neue internetbasierte Möglichkeit der Zusammenarbeit von vielen Menschen an kollaborativen Projekten über Raum- und Zeitgrenzen hinweg. Solche offenen Beteiligungsprojekte, die den Input vieler verschiedener Menschen bündeln können, wären vor kurzer Zeit noch nicht denkbar gewesen. Verschiedene Beispiele für erfolgreiche derartige Projekte wie Wikipedia oder Online-Petitionssysteme zeigen das Potenzial der neuen technischen Möglichkeit auf. Autor: Justus Lenz ist Research Fellow des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, arbeitet bei der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag als Referent für Haushalts- und Finanzpolitik und übernimmt Lehraufträge an der Universität Erfurt. Er hat mehrere Artikel zu den Themen E-Government und Verwaltungsmodernisierung veröffentlicht und hält netzpolitische Vorträge. Fakten zur Beteiligung im Netz Die Mitwirkung bei offenen Projekten folgt in der Regel einer Pareto-Verteilung. Eine kleine Gruppe unter den Beteiligten ist für eine große Zahl von Beiträgen verantwortlich. So beschreibt Sunstein (2006), dass bei Wikipedia nur 0,7% der Mitwirkenden – oder, in absoluten Zahlen ausgedrückt, nur 524 62 Justus Lenz Personen – mehr als die Hälfte aller Veränderungen an der englischen Sprachversion von Wikipedia vorgenommen haben. Die aktivsten 2% waren für fast dreiviertel der Veränderungen verantwortlich. Laut Osimo (2008) gilt diese Beobachtung allgemein für die Bereitschaft von Internetnutzern, aktiv Inhalte zu gestalten. Während nur ein kleiner Teil der Internetnutzer bereit ist, Inhalte selbst zu erstellen (ca. 3%), beteiligen sich mehr Nutzer mit Kommentaren und Bewertungen (ca. 10%). Die große Mehrzahl der Nutzer verwendet die neuen Inhalte dagegen nur oder trägt höchstens unintendiert Daten oder Aufmerksamkeit bei. Erstellen von Inhalten Bewertungen/Kommentare Verwendung der neuen Inhalte Unintendierte Bereitstellung von Daten/Aufmerksamkeit 3% 10% 40% 100% 100% entsprechen allen Internetnutzern (in Deutschland rund 76% der Bevölkerung). Abb. 1 Arten der aktiven Beteiligung von Internetnutzern (eigene Darstellung nach Osimo 2008) Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es bei allen Projekten wichtig, einen realistischen Maßstab zur Erfolgsmessung zu verwenden. So mag es beispielsweise schon ein großer Erfolg sein, wenn 1 bis 2% der Einwohner einer Stadt an einem Bürgerbeteiligungshaushalt aktiv teilnehmen – auch wenn die Zahl zunächst gering erscheint. Die Pareto-Verteilung gilt übrigens auch für den quantitativen Erfolg offener Beteiligungsprojekte selbst: Die Mehrzahl der Projekte erreicht eine geringere Anzahl an Teilnehmern und 2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ... 63 Beiträgen, wohingegen einige wenige Projekte wie Wikipedia durch sehr viele Teilnehmer und Beiträge geprägt werden. Anreizmechanismen zur Beteiligungsstärkung Damit ein Projekt gute Chance auf eine rege Beteiligung hat, sollten einige grundlegende Regeln bei Design und Durchführung beachtet werden. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei die Motivation der Nutzer. Sie sind zuerst von dem Wunsch getrieben, an der Erfüllung eines gemeinsamen ‚guten‘ Ziels mitzuarbeiten (vgl. Osimo 2008). Deswegen sind Formulierung und Kommunikation eines für einen offenen Beteiligungsprozess geeigneten Ziels die wichtigste Grundbedingung für den Erfolg. Ebenfalls nicht zu unterschätzende Motivationsfaktoren sind der Spaß an der Beteiligung sowie der Wunsch nach Anerkennung. Diese immaterielle Anerkennung kann z.B. durch Kommentare anderer Nutzer erfolgen oder aber auch über die Veröffentlichung von Ranglisten oder Beitragsstatistiken. Um es kurz zu sagen: Nur wenn es Menschen Spaß macht, sich an einem Projekt zu beteiligen, und sie das Gefühl haben, etwas Wesentliches zu einem ‚guten‘ Zweck beitragen zu können, kann ein offenes Beteiligungsprojekt Erfolg haben. Die freiwilllige Mitarbeit kann aber selbstverständlich auch am Eigennutz orientiert sein. Wie Hippel (2005) anmerkt, ist einer der Hauptgründe für von Konsumenten vorangetriebene Innovationen der Wunsch, diese selber nutzen zu können. Ähnliches gilt auch für Beteiligungen in anderen Bereichen – ein Umstand, der gerade bei Beteiligungsprojekten im öffentlichen Sektor stets beachtet werden sollte. Negativ beeinflusst wird die Motivation zur Mitarbeit dagegen beispielsweise durch schlechte Funktionalität und umständliche Prozesse (vgl. Shirky 2008). Bei den bisherigen Versuchen zur Gestaltung von offenen Beteiligungsprojekten hat sich auch deutlich gezeigt, dass eine zu langsame Reaktion auf Vorschläge Nutzer frustrieren kann. Deswegen sollte der Effizienz der Verwaltungsabläufe bei Einrichtung, Betrieb und Ergebnisauswertung eines offenen Beteiligungsprojektes große Bedeutung zugemessen werden. Damit schnell reagiert werden kann, muss nicht nur eine zeitlich unbegrenzte Betreuung der Seite sichergestellt sein – gerade auch nach Ende der normalen Arbeitszeiten und am Wochenende (zu diesen Zeiten ist die Beteiligung oft besonders hoch). Vor allem müssen die jeweils Verantwortlichen auch 64 Justus Lenz eine möglichst große Handlungsautonomie haben, um schnell reagieren zu können. Eine zu langsame Reaktion auf Feedback sollte auch bei der Gestaltung der Plattform für das Beteiligungsprojekt selbst vermieden werden. Ganz im Gegenteil sollte diese ständig unter Berücksichtigung des Nutzerfeedbacks verbessert werden. Ziel zu Beginn eines Projektes sollte deshalb nicht die Gestaltung der ‚perfekten‘ Plattform für den jeweiligen Beteiligungsprozess sein. Stattdessen sollte die Plattform eher als ,Eternal Beta‘ betrachtet werden, die ständig in Zusammenarbeit mit ihren Nutzern verbessert wird. Diese Prozesse müssen gerade in der Startphase schnell verlaufen, sonst werden die ersten Nutzer gleich wieder abgeschreckt. Deswegen sollte das Ziel die Gestaltung guter Prozesse für den Umgang mit dem Zustand des Eternal Beta sein. Laut Osimo (2008) wurden beispielsweise am E-Petitionsservice des britischen Premierministers1 in den ersten 48 Stunden nach der Einführung 15 bedeutende Veränderungen vorgenommen – alle aufgrund der Rückmeldungen der ersten Nutzer. Das beschriebene Vorgehen bietet zudem den Vorteil, dass eine Plattform schnell den Betrieb aufnehmen kann. Der teure Entwicklungs- und Testprozess lässt sich durch die Einbeziehung der Nutzer abkürzen und günstiger gestalten. Weiterhin lassen sich so Fehlentwicklungen wie Funktionen, die von den Nutzern nicht angenommen werden, schnell korrigieren oder sogar ganz vermeiden. Außerdem kann eine solche von vornherein auf ständigen Wandel eingestellte Plattform schneller an technische Entwicklungen und an verändertes Nutzerverhalten angepasst werden. Eine schnelle Reaktion sollte möglichst an allen Stellen das Plattformmanagement bestimmen – z.B. auch bei der Bereitstellung von Serverkapazität. Eine erhöhte Aktivität auf der Plattform ist beispielsweise nach Zeitungsartikeln oder Berichten im Fernsehen zu erwarten. Auch eine mangelnde Transparenz bei Implementierung und Begleitung der Beteiligungsprozesse kann Nutzer abschrecken, demotivieren und zu einem Abbruch der Beteiligung veranlassen. Der Betreiber des offenen Dialogs sollte deswegen möglichst alle Regeln (beispielsweise, welches Verhalten nicht toleriert wird), interne Prozesse wie Datenschutzregeln, Entscheidungen (Warum wurde ein Beitrag gelöscht?) veröffentlichen und begründen. Auch mit Informationen zur eigenen Position sollte so verfahren 1 Vgl. http://petitions.number10.gov.uk/. 2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ... 65 werden. Zudem sollte der Betreiber auch zu solchen Governance-Fragen mit den Nutzern seines Angebots in einen Dialog treten und seine Richtlinien/ Entscheidungen gegebenenfalls verbessern. Der Umgang mit persönlichen Daten der Nutzer sollte genauso transparent gestaltet werden. Technisch gesehen sind Modularität und Granularität der Aufgaben von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines offenen Beteiligungsprojekts (vgl. Benkler 2006), denn die Beteiligung erfolgt analog einer Pareto-Verteilung. Einige Mitwirkende werden bereit sein, sich sehr umfänglich zu beteiligen, während viele nur einen geringen Beitrag leisten möchten. Modularität beschreibt die Möglichkeit, ein Projekt in viele kleine Module aufzuteilen, die unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Der Grad der Granularität beschreibt die Größe dieser Module. Je besser ein Projekt in Module aufgeteilt werden kann und je kleiner der Umfang der einzelnen Module ist, desto besser eignet es sich für offene Beteiligungsprojekte. Denn dann können Mitwirkende unabhängig voneinander einzelne Module auswählen, bearbeiten und zudem auch kleine Beiträge für das Gelingen eines Projektes leisten. Allerdings müssen nicht alle Module einen geringen Umfang haben. Einzelne Beteiligte werden bereit sein, auch umfangreichere Arbeiten zu übernehmen. Fazit Offene Beteiligungsprojekte können sehr erfolgreich sein und viele Menschen zur Teilnahme und Arbeit an einem gemeinsamen Ziel motivieren. Das zeigt nicht nur das prominenteste Vorzeigebeispiel Wikipedia. Garantiert ist der Erfolg aber nicht. Er ist das Resultat guter Vorbereitung und effizienter Prozessabwicklung. Bei der Gestaltung offener Beteiligungsprojekte sollten deshalb folgende Punkte berücksichtigt werden: - klar definiertes Ziel - Modularität und Granularität - Transparenz - Eternal Beta - schnelle Reaktionen - Anerkennungsmechanismen Zur guten Vorbereitung gehört aber selbstverständlich auch die Formulierung eines realistischen Ziels für den offenen Beteiligungsprozess. Die ParetoVerteilung gilt wie beschrieben nicht nur für die Beteiligungsraten im In- 66 Justus Lenz ternet, sondern auch für die Projektgrößen selbst. Nicht jedes Projekt muss Millionen von Menschen in seinen Bann ziehen, um das anstehende Ziel zu erreichen. Beim Bürgerbeteiligungshaushalt einer mittelgroßen Stadt kann schon eine Beteiligung von 500 bis 1000 Bürgern einen großen Erfolg darstellen und wertvollen Input für Verwaltung und Politik liefern. Es lohnt sich! Weiterführende Literatur Benkler, Y. (2006). The Wealth of Networks. New Haven / London: Yale University Press. Brandtzæg, P. B. & Lüders, M. (2008). eCitizen 2.0. The ordinary citizen as a supplier of public sector information. A SINTEF-report written for the Norwegian Ministry of Government Administration and Reform. online: http://www.regjeringen.no/upload/FAD/Vedlegg/IKT-politikk/eCitizen20.pdf <3.9.2013>. Brown, J. S. & Duguid, P. (2000). The Social Life of Information. Harvard: Harvard Business School Press. Hippel, E. von (2005). Democratizing Innovation. Cambridge: The MIT Press. Müller, P. S. (2012). machiavelli.net: Strategie für unsere offene Welt. München: Scoventa. Noveck, B. S. (2008). Wiki Government: How Technology Can Make Government Better, Democracy Stronger, and Citizens More Powerful. In: Democracy, Issue #7, Winter 2008. online: http://www.democracyjournal.org/7/6570.php <21.10.2013>. Osimo, D. (2008). Web 2.0 in Government: Why and How? European Commission Joint Research Centre. online: http://ftp.jrc.es/EURdoc/JRC45269.pdf <3.9.2013>. Priddat, B. P. (2004). 2nd-order-democracy. Politikprozesse in der Wissensgesellschaft. In: P. Collin & T. Horstmann (Hrsg.), Das Wissen des Staates: Geschichte, Theorie und Praxis. Baden-Baden: Nomos, S. 72–89. Robinson, D., Yu, H., Zeller, W. P. & Felten, E. W. (2009). Government Data and the Invisible Hand. Yale Journal of Law and Technology, Vol. 11, 160–175. online: http://ssrn.com/abstract=1138083 <3.9.2013>. Shirky, C. (2008). Here comes Everybody. London: Penguin Books. Sunstein, C. R. (2006). Infotopia. Oxford: Oxford University Press. 2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – … 2.6 67 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz — Wie geht man mit Rechten um? Jan Dirk Roggenkamp Kurzinfo: Im Folgenden sollen in der gebotenen Kürze die Grundlagen des deutschen Urheberrechts skizziert werden. Sodann werden die „Creative-Commons-Lizenz“ vorgestellt und ihre einzelnen Varianten beleuchtet. Autor: Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp hat Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Universidad de Salamanca (Spanien) studiert. Gleichzeitig arbeitete er als selbstständiger Anwalt für Mandanten im IT-Bereich. Nach Fertigstellung der Dissertation wechselte er zur internationalen Anwaltssozietät Bird & Bird nach Frankfurt am Main. Im gleichen Zeitraum war Dr. Jan Dirk Roggenkamp als „Junior Expert“ für IT-Sicherheit im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der EU und Chinas aktiv. In den letzten beiden Jahren war er als Referent im Projekt „Elektronische Akten in Strafsachen“ im Bundesministerium der Justiz bei der Erarbeitung einer Novellierung der Strafprozessordnung beteiligt. Gleichzeitig war er Lehrbeauftragter an der FH Trier, der Uni Oldenburg, der FHöV Kehl und schließlich an der Polizeiakademie Niedersachsen. Urheberrecht „in a nutshell“ 1. Werke Durch das Urheberrecht werden „Werke“ geschützt. Ein Werk wird in § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (i.W. UrhG) als „persönliche geistige Schöpfung“ definiert. Durch das Merkmal der persönlichen Schöpfung wird klargestellt, dass es sich um die Schöpfung eines Menschen handeln muss. Der durch den Akt persönlicher Schöpfung hervorgebrachte geistige Gehalt gedanklicher oder ästhetischer Art muss eine wahrnehmbare Formgestaltung gefunden haben, d.h. in einer wahrnehmbaren Form zum Ausdruck gebracht worden sein (vgl. Heckmann 2011: Kap. 3.1 Rn. 36 m.w.N.). Reine Ideen oder Gedanken sind also nicht vom urheberrechtlichen Werkbegriff erfasst. 68 Jan Dirk Roggenkamp Eine eigene Schöpfung liegt schließlich nur dann vor, wenn eine gewisse „Schöpfungshöhe“ erreicht wird. Ein Werk muss – vereinfacht ausgedrückt – etwas individuell Gestaltetes sein. Es muss sich aus der Masse des Alltäglichen und von lediglich handwerklichen und routinemäßigen Leistungen absetzen. Es handelt sich hierbei nicht um eine allzu hohe Hürde. Ist die Werkhöhe erreicht, schützt das Urheberrecht einen ganzen Strauß von Werkarten. In § 2 Abs. 1 Nrn. 1–7 UrhG werden genannt: - Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; - Werke der Musik; - pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; - Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; - Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; - Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; - Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. 2. Urheber und Urheberrechte Der Urheber eines Werks, also dessen Schöpfer (§ 7 UrhG), hat umfangreiche Urheberrechte. Diese Rechte sind an keine weiteren Formalien gebunden. Sie entstehen automatisch mit dem Akt der Werkschöpfung. Erst siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers erlöschen die Urheberrechte (§§ 64, 69 UrhG). Ab diesem Zeitpunkt sind sie „gemeinfrei“, was bedeutet, dass sie von jedermann genutzt werden dürfen. Deshalb dürfen z.B. die Werke von Goethe, Schiller, Mozart und Bach durch jedermann verwendet werden. Praktisch wichtig: Urheber kann nur eine natürliche Person sein. Wenn also der für die Stadt X tätige Beamte Max Müller im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben ein Werk geschaffen hat, ist er und nicht die Stadt X Urheber. Juristische Personen können allenfalls, z.B. aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Urheber, Inhaber von Urheberrechten (sog. Rechteinhaber) werden (hierzu sogleich). 2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – … 69 Man unterscheidet bei den Urheberrechten zwischen den Urheberpersönlichkeitsrechten und den Verwertungsrechten. Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten gehört z.B. das Recht, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Werk veröffentlicht wird (§ 12 UrhG), und das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG), welches dem Urheber u.a. das Recht verleiht zu bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Die Verwertungsrechte sind Ausfluss des verfassungsrechtlichen Schutzes der Werke als Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz) des Urhebers (sog. „geistiges Eigentum“), über dessen Verwertung er selbst entscheiden darf. Dem Urheber stehen u.a. folgenden Rechte zu: - Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG), - Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG), - Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG), - Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), - Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), - Senderecht (§ 20 UrhG), - Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger, - Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). 3. Urheberrechtsschranken und Rechteeinräumung Eine Nutzung oder Verwertung des Werkes – z.B. durch Herstellung von Kopien, Verbreiten im Internet, Ausstellen, etc. – durch Dritte ist nur zulässig, wenn entweder der Urheber dem „Verwerter“ entsprechende Rechte eingeräumt hat oder eine sog. Urheberrechtsschranke greift. a. Urheberrechtsschranken Bei Urheberrechtsschranken handelt es sich um gesetzliche Einschränkungen (§§ 44a ff. UrhG) der Rechte des Urhebers für einen bestimmten Zweck. Zu diesen „privilegierten“ Zwecken gehört beispielsweise der Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch von Kopien (§ 46 UrhG) oder die Vervielfältigung von Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 UrhG – sog. Privatkopieschranke). Dem Urheber wird per Gesetz die Möglichkeit entzogen, eine bestimmte Nutzung seines Werkes – z.B. ein 70 Jan Dirk Roggenkamp Zitat in einem anderen Werk – zu untersagen. Da jede der Beschränkungen der Urheberrechte einen gesetzlichen Eingriff in das Eigentumsrecht des Urhebers darstellt, wird bezüglich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ein strenger Maßstab angelegt (zu den einzelnen Schranken ausführlich Dreier/Schulze 2008: Kommentierung der §§ 44a ff.). b. Einräumung von Nutzungsrechten / Lizenzen Während die Urheberstellung nicht übertragbar (wohl aber vererbbar, § 29 UrhG) ist, kann der Urheber Dritten Nutzungsrechte einräumen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG). So kann beispielsweise das Recht eingeräumt werden, ein Werk zu vervielfältigen oder im Internet zu verbreiten. Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich (z.B. auf einzelne Länder bezogen), zeitlich (z.B. einen begrenzten Nutzungszeitraum) oder inhaltlich (z.B. Nutzung nur als Online-Nutzung im Internet) beschränkt eingeräumt werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Für eine Nutzungsrechteeinräumung gibt es keine spezifischen Formerfordernisse. Diese kann sich insbesondere auch aus den Umständen der sonstigen Beziehung (z.B. Arbeitnehmer/Arbeitgeber-Verhältnis) ergeben. Für den Fall, dass bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet wurden, bestimmt § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG, dass sich „nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck“ bestimmt, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Das gilt auch für die Frage „ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt“ (§ 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG). c. Exkurs: Einräumung durch Arbeitnehmer / Bedienstete Die Annahme, dass ein Arbeitgeber stets ein umfassendes Nutzungsrecht an den von für ihn arbeitenden Arbeitnehmern geschaffenen Werken erhält, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (i.W. BGH) gilt, dass „ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte einräumt, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind“ (BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 209/07). 2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – … 71 Praktisch wichtig: Im Bereich der öffentlichen Hand ist dementsprechend davon auszugehen, „dass ein Beamter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend [nur] sämtliche Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. [...] Die Dienstpflichten des Beamten richten sich nach den für das jeweilige Beamtenverhältnis geltenden Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts; sie können sich aus dem übertragenen Amt, der zugewiesenen Funktion, dem behördeninternen Geschäftsverteilungsplan oder den Anweisungen des hierzu befugten Vorgesetzten ergeben. [...] Der Umfang der Verwertungsbefugnis des Dienstherrn ergibt sich aus den ihm obliegenden oder übertragenen Aufgaben“ (BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 209/07). Im zitierten Fall hatte ein niedersächsischer Landesbediensteter für das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau in Erfüllung seiner Dienstpflichten einen Entwurf einer Lärmschutzwand geschaffen. Der BGH hat dem Land ein Nutzungsrecht für den Zweck, nämlich „um damit seiner Aufgabe des Baus und der Unterhaltung der Bundesautobahnen im gesamten Landesgebiet nachkommen zu können“ zugestanden. Darüber hinausgehende Rechte – hier die Unterlizenzierung an andere Bundesländer – werden durch das Bedienstetenverhältnis nicht stillschweigend eingeräumt und sind unzulässig. Übertragen auf eine avisierte Creative-Commons-Lizenzierung von Bediensteten geschaffenen Werken ist im Einzelfall zu prüfen, ob hierzu auf Seiten der öffentlichen Hand nach dem o.G. überhaupt die notwendigen Rechte bestehen. 4. Gemeinfreie Werke Zu berücksichtigen ist, dass das Urheberrechtsgesetz bestimmte „amtliche Werke“ aus dem Schutzbereich herausnimmt. Sie sind gemeinfrei, d.h. sie dürfen – ohne dass es einer speziellen Rechteeinräumung bedürfte – von jedermann frei genutzt werden. Nach § 5 Abs. 1 UrhG handelt es sich im Wesentlichen um Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen. 72 Jan Dirk Roggenkamp Creative Commons Wie oben erwähnt, steht es dem Urheber bzw. dem Inhaber entsprechender Rechte frei, Dritten weitgehende Nutzungsrechte an Werken einzuräumen. Soll dies beschränkt und gegen Entgelt erfolgen, wird hierfür in der Regel ein individueller Vertrag zwischen Urheber und Rechteerwerber geschlossen. Möchte der Urheber respektive Rechteinhaber jedermann, also einem unbestimmten Personenkreis, umfangreiche Nutzungsrechte einräumen, wie dies z.B. im Bereich Open Content (insb. bei Texten und Fotos) der Fall ist, bietet sich hierfür die Nutzung einer sog. Open-Content-Lizenz an. Eine der bekanntesten Open-Content-Lizenzen ist die „Creative-Commons-Lizenz“. 1. Creative Commons Creative Commons (i.W. CC) selbst ist nach eigener Darstellung eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in San Francisco, „die sich dafür einsetzt, dass das Internet ein Medium für den freien Austausch von Inhalten bleibt“ (CreativeCommons 2012: FAQ). Es handelt sich bei dem CC Modell um ein dem traditionellen Urheberrecht gegenübergestelltes Modell, „das einerseits Offenheit und Teilnahme ermöglicht, andererseits aber nicht die völlige Aufgabe des Urheberrechts verlangt“ (Lapp 2007: B.II). „Creative Commons soll dem öffentlichen Interesse an einem freien Informationszugang durch die Förderung und den intensiven Austausch sowie der Verbreitung von wissenschaftlichen und künstlerischen Inhalten dienen. Wir wollen jenen Rechteinhabern helfen, die anderen großzügige Nutzungsrechte an ihren Inhalten einräumen möchten“ (CreativeCommons 2012: FAQ). Zu diesem Zweck wurde ein modulares Lizenzmodell entwickelt, welches verschiedene Stufen von „alle Rechte vorbehalten“ bis „keine Rechte vorbehalten“ enthält (vgl. Lapp a.a.O.). Praktisch wichtig: Im Gegensatz zu stark am amerikanischen Urheberrecht ausgerichteten Open-Source- bzw. Open-Content-Lizenzmodellen, bemüht sich CC um eine internationale Anwendbarkeit und Rechtswirksamkeit. Es existiert ein speziell an das deutsche Recht angepasste Fassung der CCLizenz. CC bietet sich daher für die offene Lizenzierung von „deutschen Inhalten“ an. 2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – … 73 2. Lizenzierung „how to“ Ist die Vorfrage geklärt, ob überhaupt die Berechtigung besteht, bestimmte Inhalte unter einer Open-Content-Lizenz zur Verfügung zu stellen, ist das weitere praktische Vorgehen verhältnismäßig anwenderfreundlich. a. Auswahl der Lizenz Auf der Webseite creativecommons.org findet sich nach Klick auf den Button „Choose a license“ ein Lizenzgenerator, der den Nutzer bei der Erstellung einer individuellen Lizenz unterstützt (s. Abb. 1). Abb. 1 Unterstützung bei der Lizenzauswahl (Quelle: http://creativecommons.org/choose/) Die baukastenartig zusammenstellbare Lizenz erlaubt es grundsätzlich jedermann, den lizenzierten Inhalt zu nutzen. Grundbedingung ist in jedem Fall die Namensnennung des ursprünglichen Urhebers. Eine Abwahl dieser Option ist nicht möglich. Sodann kann ausgewählt werden, ob Bearbeitungen des Werkes zugelassen sein sollen. Wird hier „Nein“ ausgewählt, ist es Dritten untersagt, das Ergebnis einer Bearbeitung des Werkes zu vervielfältigen, zu verbreiten, aufzuführen und öffentlich zugänglich zu machen (vgl. aber § 24 UrhG, der fortgilt). Der Inhalt darf daher nur unverändert oder gar nicht verwendet werden. 74 Jan Dirk Roggenkamp Es kann auch eine Bearbeitung unter der Bedingung zugelassen werden, dass „Abwandlungen unter den gleichen Bedingungen weitergegeben werden“. Das bedeutet, dass die Bearbeitung ebenfalls der CC-Lizenz unterliegen soll (sog. „share alike“). Schließlich ist auch die ausdrückliche, unbedingte Gestattung einer Bearbeitung (bzw. deren Veröffentlichung und Verwertung) möglich. Eine Beschränkung ist weiter dahingehend möglich, dass die Nutzung (insb. Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung) des Werkes nur zu nicht-kommerziellen Zwecken gestattet wird. Soll eine solche dennoch stattfinden, setzt dies eine gesonderte Vereinbarung mit den Rechteinhabern voraus (vgl. Lapp 2007: C.2). Praktisch wichtig: Die o.g. Urheberrechtsschranken (z.B. Privatkopie, Zitatrecht) bleiben von den CC-Lizenzen unberührt. Sie können nicht vertraglich ausgeschlossen werden. b. Einbeziehung der Lizenz Damit der potenzielle Nutzer eines Werkes erkennen kann, in welchem Umfang ihm Rechte eingeräumt wurden, ist das Werk entsprechend zu kennzeichnen. Auch hierfür bietet die Creative-Commons-Webseite Hilfestellungen (s. Abb. 2). Abb. 2 Hilfe bei der Formulierung (Quelle: http://creativecommons.org/choose/) 2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – … 75 Unter anderem für Webinhalte wird eine spezifische Infografik mit Symbolen für die jeweils gewählte Lizenzart sowie ein HTML-Code generiert, der auf einer Webseite im Kontext des jeweiligen Werkes eingebunden werden kann. Aber auch für andere Arten der Publikation kann (über das Dropdown-Feld „License mark“) ein entsprechender Hinweistext erstellt werden. Die jeweiligen Lizenztexte werden auf der CC-Webseite vorgehalten. Neben einer juristisch ausgearbeiteten Fassung findet sich auch eine „vereinfachte“ Variante, aus welcher auch juristische Laien schnell ihre Rechte bezüglich des Werkes ablesen können sollen. Fazit Die Lizenzierung von Inhalten unter einer CC-Open-Content-Lizenz ist verhältnismäßig einfach. Zu beachten ist, dass ein entsprechendes Vorgehen nur möglich und zulässig ist, wenn entsprechende Berechtigungen bestehen. Dies gilt es im Vorfeld für jedes Werk zu klären, um der Entstehung von (kostenintensiven) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen vorzubeugen. Die Inanspruchnahme von externem urheberrechtlichem Rat wird aufgrund der mitunter komplexen Sachlage unumgänglich sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zuführung von Open Content gerade keine vollständige Aufgabe von Urheberrechten ist. Im Gegenteil: Wird gegen die Bestimmungen der CC-Lizenz verstoßen, z.B. weil entgegen dem Willen des Rechteinhabers eine kommerzielle Verwertung erfolgt, kann dies mit den Werkzeugen des Urheberrechts unterbunden und geahndet werden. Quellen Creative Commons (2012), Deutsche FAQ (Stand 19.8.2012), http://de.creativecommons.org/faqs/ Heckmann, Dirk (2011). juris Praxiskommentar Internetrecht, 3. Aufl., Saarbrücken: juris Verlag Lapp, Thomas (2007). Open Content Lizenzen, Urheberrecht und flexibles Rechtemanagement, in: AnwaltZertifikat IT-Recht, Ausgabe 2/2007 76 Daniela Riedel 2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen Verwaltung und Wirtschaft sein kann 1 Daniela Riedel Kurzfassung: Die Stadt ist ein Verhandlungsraum. Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie nicht daran vorbei, das Internet als öffentlichen Raum für den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin zeigt, können Bürger, Blogger, Interessenvertreter gleichermaßen ihre Motive argumentativ und mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammenführen. Autorin: Diplom-Ingenieurin für Stadt- und Regionalplanung und Mitbegründerin von Zebralog e.V. Sie berät Politik, Verwaltung und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei der Konzeption und Umsetzung medienübergreifender Dialogprozesse auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene. Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“ Raum wird in unserem Sprachgebrauch als etwas selbstverständlich Gegebenes verwendet und mit Wänden und festen Grenzen verbunden. Im Gegensatz zu diesem klassischen Verständnis kann man Raum auch breiter fassen: als Vorstellungswelt, als Bedeutungssystem und in Form von Handlungsräumen. Die Stadt ist ein Verhandlungsraum, der materiell und diskursiv umkämpft ist. Die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden hängt davon ab, welche Akteure und Institutionen über die Flächen verfügen und sich letztlich durchsetzen können. Traditionell bestimmen die öffentliche Hand und zunehmend private „Landlords“ über die Stadtentwicklung. Entsteht ein neues Gebäude oder ein Park, so wird das Bild dieser Akteure in die Wirklichkeit übertragen. Sie entscheiden, wo und in welcher Form gebaut wird und in welcher Form die 1 zuerst veröffentlicht unter: http://kommune20.de/?p=218 2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ... 77 Flächen genutzt werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Gestaltung und die Benutzung des baulichen Raumes. An den Verhandlungen sind zunehmend auch andere gesellschaftliche Gruppen beteiligt. Junge Architekten- und Stadtplanerteams, Künstler, Kulturinteressierte, soziale Initiativen oder Bewohner fangen an, den Raum zu besetzen. Sie kreieren neue Verfahren und Instrumente. Dieser Handlungsspielraum wird vor allem an den gesellschaftlichen „Übergangsorten“ möglich, bei Pionier- und Zwischennutzungen. Dabei handelt es sich um ungenutzte Häuser, Flächen oder symbolische und politisch aufgeladene Orte. Ein Beispiel ist der ehemalige Palast der Republik. Diese Räume wurden durch soziale und künstlerische Sinnzuschreibungen verändert. Die verschiedenen Gruppen wollen aufzeigen, was jetzt und in Zukunft wichtig für die Stadtentwicklung ist: die Gestaltung und das Agieren im sozialen Raum. Diese neue Haltung drückt sich in einer schrittweisen Entwicklung durch Aneignung und Aktionen statt einer jahrelang vorausschauenden Planung aus. Handlungsspielräume und Diskurse, um andere städtische Lebensweisen und politischer Teilhabe auszuprobieren, werden zum entscheidenden Gestaltungselement. Für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Regionen ist es entscheidend, neben der baulichen Gestaltung auch die Bewohner an der Raumentwicklung teilhaben zu lassen und ihren Interessen Rechnung zu tragen. Das Internet als Verhandlungsraum Ursprünglich hatten Plätze, Straßen, Parks etc. die Funktion, Orte zu schaffen für die Öffentlichkeit: für Informationsaustausch und persönliche Auseinandersetzung. Mit zunehmendem technischem Fortschritt wird diese Aufgabe mehr und mehr von Medien wie dem Mobiltelefon, dem Radio, dem Fernseher und dem Internet übernommen. Ergänzend zur gebauten Realität wird das Internet zum mächtigen öffentlichen Raum der Meinungsbildung. Das Internet präsentiert eine völlig eigene Öffentlichkeit: Es lassen sich Kontakte zur Außenwelt herstellen, ohne auch nur die Wohnung zu verlassen; Information und Wissen kommen via Datenautobahn direkt in die heimatliche Stube. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich ein Prozess der Demokratisierung im Alltag der Bewohner vollzieht. Über Mailinglisten, Blogs oder Social Networks vernetzen sich die Menschen. Sie begrüßen es, von zu Hau- 78 Daniela Riedel se aus Kontakte zu knüpfen, sich mithilfe von Videos, Fotos und persönlichen Profilen zu präsentieren, Sichtweisen auszutauschen und Beziehungen aufrechtzuerhalten. Berliner Stadtentwicklungspolitik: Planen mit mehr als 1.000 Beteiligten Entscheidungen in Städten und Kommunen sind natürlich schon lange keine Einbahnstraße mehr. Politische Leitideen und städtische Entwicklungen werden über sehr verschiedene Kanäle gesteuert und kommuniziert. Dabei findet auch das Internet zunehmend Bedeutung. Die öffentliche Hand initiierte gelegentlich Online-Umfragen, moderierte Online-Dialoge oder Online-Petitionen, um die Meinung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse einzubinden. Großstädte wie Berlin, Köln oder Hamburg zeigen, dass öffentliche Expertisen über das Internet zur kreativen Ressource der Entscheidungsfindung werden können: zur Bestimmung von Qualitäten einzelner Orte, von Nutzungsanforderungen und von Gestaltungsideen für Plätze und Parkanlagen sowie für die Entwicklung von Leitbildern oder das Vorbereiten von Wettbewerbsverfahren. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin setzt bei wichtigen Entscheidungen auf eine breite Mitwirkung der Bürger. Bewährte Instrumente der Bürgerbeteiligung werden mit innovativen Methoden der elektronischen Kommunikation und einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit kombiniert. So wird ausprobiert, ob Web-Technologien (Wiki, Google Earth, GIS) und Verfahrenskonzepte (moderierte Online-Dialoge, TED-Meetings, Auswahl der verwendeten Technik und Software etc.) neue Formen von Diskursen hervorbringen und wie sie die Stadtentwicklung beeinflussen. Konzept-/Masterplan-Diskussion zur Weiterentwicklung des Kulturforums Berlin (2004/2005) Das Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz war lange Zeit ein planerisch umstrittener Ort. Durch divergierende architektonische Leitbilder in der Fachöffentlichkeit konnte bisher kein Konsens zur Platzgestaltung gefunden werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entschloss sich, 2004 einen öffentlichen Diskurs zur Entwicklung des Kulturforums in Berlin zu initiieren. 2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ... 79 Parallel zu Architekturgesprächen, Ideenwerkstätten und Vor-Ort-Veranstaltungen wurde ein moderierter Online-Dialog durchgeführt.2 Die Beteiligten konzentrierten sich in der vierwöchigen Diskussion darauf, gemeinsame Interessen her-aus zu arbeiten: Nutzungsvorschläge und Marketingstrategien zur Aufwertung des Ortes. Die Teilnehmenden konnten mittels Wikis die Diskussion mit Unterstützung der Moderation zusammenfassen. Auf diese Weise entstanden 14 Konsens-Beiträge, die der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung übergeben wurden und in den Masterplan Kulturforum eingingen. Vorbereitung und Begleitung Wettbewerb zur Parkgestaltung Gleisdreieck Die Vorstufe und Begleitung des landschaftsplanerischen Wettbewerbs für die größte noch bestehende innerstädtische Brachfläche – das Gleisdreieck – zeigte vor allem die Erwartungen und Anforderungen der Anwohner und späteren Nutzer an den späteren Park. Ziel der Senatsverwaltung war es, neben den traditionell etablierten Bürgerinitiativen auch die allgemeine Berliner Öffentlichkeit zu erreichen, die diesen großflächigen Park künftig nutzen wird. In drei Wochen moderierter Online-Diskussion auf www.gleisdreieckdialog.de besuchten 50.000 Besucher das Dialog-Angebot. 388 meldeten sich mit Mailadresse an, um 500 Vorschläge und Kommentare einzureichen. Am Ende gab es neben diesen zahlreichen Einzelvorschlägen ein gemeinsam erarbeitetes Empfehlungspapier für die Politik und Verwaltung: das gemeinsame Ergebnis. Diese Ziele, Nutzungs- und Finanzierungsvorschläge wurden zum festen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen für den landschaftsplanerischen Architektenwettbewerb. Um den Wettbewerb für die Erweiterung der Gedenkstätte Bernauer Straße zu konkretisieren, wurde ein moderierter Bürger-Dialog von Senatsverwaltung und künftigem Nutzer, dem Dokumentationszentrum Berliner Mauer, initiiert. Durch die direkte Ansprache der Anwohnenden, Grundstückseigentümer und anderen Interessensgruppen wurden relevante Gruppen von Beginn an eingebunden. 2 Vgl. www.kulturforum-dialog.de. 80 Daniela Riedel In der zweiwöchigen Online-Diskussion auf www.berlin.de/mauerdialog wurden auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge Themenschwerpunkte gebildet, die unterschiedlich in das weitere Verfahren eingebunden wurden. Die Online-Diskussion war geprägt von hoher Emotionalität und den vielfältigen Interessen im Spannungsfeld zwischen prosperierender Stadtentwicklung und bewahrendem Gedenken. Stichwortfunktionen ermöglichten ein schnelles Nachlesen und Vergleichen unterschiedlicher Beiträge. Parallel zur Diskussion im Internet wurden Mauerstreifen-Spaziergänge mit Informationsstationen initiiert. Auch Menschen, die das Internet nicht nutzen, hatten so einen unkomplizierten Zugang zum Thema. Den Abschluss bildete eine Bürgerversammlung der besonderen Art: ein TED-Meeting. Mithilfe von kleinen Fernbedienungen, sogenannten Keypads, konnte jeder einzelne Versammlungsteilnehmer per Knopfdruck anonym abstimmen. Das Ergebnis erschien sofort auf einer Leinwand und wurde von den Verantwortlichen der Senatsverwaltung und den Nutzern im direkten Gespräch resümiert. Dieses TED-Meeting leitete in die formelle frühzeitige Bürgerbeteiligung für den Bebauungsplan über. Die Beteiligung war insgesamt wesentlich größer als bei klassischen Verfahren. Innerhalb von nur zwei Wochen informierten sich fast 10.000 Website-Besucher im Online-Dialog. 1.400 Spaziergängern wurden auf den Mauerstreifzügen die Planungen nähergebracht. Ins Internet wurden über 360 Diskussionsbeiträge eingestellt. Bei dem abschließenden TED-Meeting wurden differenzierte Meinungsbilder von 60 Interessierten per Knopfdruck erfasst. Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie nicht daran vorbei, das Medium Internet für den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Es ist ein öffentlicher Raum, der sonst von anderen gesellschaftlichen Gruppen gestaltet wird. Nach dem Motto „Hier ist Platz für Ihre Meinung“ sollten Kommunen öffentliche Kommunikationsräume schaffen, um verschiedene Interessen in argumentativen Prozessen und mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammenzuführen. Bürger, Blogger, Interessensvertreter sind gleichermaßen in Online-Diskussionen gezwungen, ihre Standpunkte mit Argumenten zu untermauern, 2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ... 81 um andere zu überzeugen. Die Sachebene tritt durch die textbasierte Kommunikation in den Vordergrund. Das Wissen der Bewohner zu laufenden Prozessen wird gewonnen und genutzt. Starre Pro-Contra-Gegensätze zwischen Verwaltung und Bevölkerung brechen auf. Das Verständnis für Beweggründe und Handlungsoptionen anderer erhöht sich bei allen Beteiligten. So können Entscheidungsprozesse erleichtert und verkürzt werden. Durch große Beteiligungszahlen sind zudem die Pro-Kopf-Kosten vergleichsweise gering. Damit verbunden ist jedoch nicht nur das Aufsetzen einer Internetplattform, sondern das Online-Angebot muss eingebettet sein in ein Gesamtkonzept der Prozessgestaltung, Politik- und Konfliktberatung und einer öffentlichen Kommunikationsstrategie. Ein sinnvolles Zusammenspiel von diskursiven Elementen – im Internet und auf Veranstaltungen – und die Offenheit des Ergebnisses bilden die Grundlage für den Erfolg von Online-Dialogen. Verschiedene zentrale Stränge von kommunaler Politik werden durch EPartizipationsprojekte verbunden: - ein innovatives Dialogverfahren und Prozessgestaltung für Politik, Verwaltung und Bürger wird konzipiert und umgesetzt - das Internet wird als Kommunikationsplattform und deliberatives Verständigungsmedium für planerische Entscheidungen genutzt - Gestaltungsspielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger werden eröffnet und direkte Mitentscheidung praktiziert. - ein Interessen- und Wissensaustausch zu einem aktuellen Thema in der Stadt wird ermöglicht. Am Ende können hochwertige Ergebnisse einer großen Öffentlichkeit stehen, auf deren Basis Entscheidungen demokratischer und qualifizierter getroffen werden. 82 Holger Kindler 2.8 Internet der Dienste — Grundlage für das E-Government der nächsten Generation Holger Kindler Kurzinfo: Die Technologien, die unter dem Begriff „Internet der Dienste“ zusammengefasst werden, gelten heute als Basistechnologie für das Internet sowie die Software der Zukunft. Für das E-Government ermöglicht es maßgeschneiderte Anwendungen, die durch spezielle Schnittstellentechnologien eine optimale Integration einzelner öffentlicher Services in Geschäftsprozesse von Unternehmen ermöglichen. Damit hat das Internet der Dienste das Potenzial, die Akzeptanzund Kompatibilitätsprobleme der heutigen Generation von Software zu lösen. Autor: Der Diplom-Wirtschaftssinologe und Master of Public Policy Holger Kindler studierte Public Management, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre u.a. in Erfurt und Shanghai. Er ist momentan als Unternehmensberater tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit konzentrieren sich auf IT-induzierte Organisationsentwicklung und Innovationsmanagement im organisationalen und organisationsübergreifenden Bereich. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist ein großer Innovationstreiber der letzten Jahre und Jahrzehnte Ganz neue Wirtschaftszweige wie der Internethandel und Geschäftsmodelle rund um den Komplex „Social Media“ sind entstanden. Gleichzeitig haben sich traditionelle Industriezweige wie der Maschinenbau und die Chemieindustrie sowohl in ihren Produktionsprozessen als auch bezüglich ihrer Produkte grundlegend verändert. Beispielsweise sind Automobile ohne IKT heute kaum noch denkbar – und aufgrund veränderter Kundenbedarfe auch kaum mehr massenmarktfähig. Die Steuerung und Kontrolle von Produktionsprozessen wären schon aufgrund des entstandenen Zeitverlustes sehr viel ineffizienter. Auch die moderne Logistik wäre ohne IKT im globalen Maßstab kaum realisierbar. 2.8 Internet der Dienste – Grundlage für das E-Government der ... 83 Kurz gesagt hängen viele Produkt- wie Prozessinnovationen mit IKT zusammen oder sind direkt auf sie zurückzuführen. Als Konsequenz hat IKT in den letzten Jahrzehnten unsere Wirtschaft verändert und massiv zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen beigetragen. Unternehmen und Verwaltungen mussten jedoch auch immer wieder erfahren, dass diese Fortschritte regelmäßig massive Investitionen in Hardware und Software bedeuteten. Zudem stellten sich IT-Systeme im Alltag häufig als unausgereift heraus, waren ohne große Investitionen in die Anpassung der Systeme unzureichend auf die spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen und Verwaltungen zugeschnitten und dazu noch von Kompatibilitätsproblemen z.T. selbst innerhalb eines einzelnen Systems geplagt. Außerdem verlangten sie der Belegschaft ständige Anpassungen an immer neue, oftmals zu den alten Programmen nicht vollständig kompatiblen Anwendungen ab. Dies führte einerseits zu belasteten Mitarbeitern, andererseits zu der Notwenigkeit, relativ große IT-Support-Abteilungen zu betreiben oder extern zu bezahlen. Fortschritte der IKT im „Internet der Dienste“ Das „Internet der Dienste“ ist ein Oberbegriff eines technischen Konzepts, das darauf abzielt, gerade die oben genannten typischen IT-Probleme der Gegenwart wie mangelnde Kompatibilitäten potenziell lösen zu können. Technisch ist diese Vision heute schon zum Teil realisierbar. Cloud Computing – ein wichtiges Konzept aus dem Internet der Dienste – ist bereits weit verbreitet und im Produktportfolio aller wichtigen IT-Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Spätestens in fünf bis zehn Jahren wird das „Internet der Dienste“ wohl Realität in vielen Unternehmen und Verwaltungen sein. Das Potenzial des „Internet der Dienste“ verspricht tatsächlich viele grundlegende und signifikante Veränderungen. Infrastructure as a Service Potenziell kann das Internet der Dienste z.B. die fast gänzliche Abschaffung der lokalen Hardware bewirken. Das „Internet der Dienste“ ermöglicht es, beliebig viel Rechenkapazität je nach Bedarf extern für einen zeitlich begrenzten Zeitraum einzukaufen. Damit haben die meisten, oftmals überdimensionierten lokalen Serversysteme ausgedient. Besonders kleine Unter- 84 Holger Kindler nehmen und Verwaltungen haben damit Zugriff auf Rechnerkapazitäten wie heute nur Großunternehmen. Diese Dimension des Internet der Dienste wird häufig „Platform as a Service“ (PaaS) genannt. Software as a Service Dazu verspricht das Internet der Dienste die Bereitstellung und Nutzung von Programmen im Internet – ohne dass eine Installation auf einem lokalen Computer nötig wäre. Darüber hinaus verspricht es die vollkommen individuelle Zuschneidung der Programme auf Verwaltungs- und/oder Unternehmensbedürfnisse ohne großen Programmier- und damit Kostenaufwand. Der Vorteil ist, dass keine Standardanwendung wie Microsoft Excel für alle Prozesse verwandt wird, ob passend oder nicht – so wie es heute in quasi allen Unternehmen weit verbreitet ist. Dies funktioniert durch die Zusammenstellung kleiner, granularer, zueinander durch spezielle Schnittstellenlösungen vollständig kompatibler Softwarekomponenten. So kann mit dem Internet der Dienste für jeden beliebigen Prozess eine genau passfähige ITLösung gefunden – und jederzeit nachträglich an neue Gegebenheiten angepasst werden. Die Unternehmen müssen ihre Prozesse damit nicht mehr gemäß den Limitierungen ihrer Hard- oder Software ausrichten, wie es heute häufig der Fall ist. Im Gegenteil: Das Internet der Dienste macht es möglich, dass sämtliche IT sich nach den Prozessen ausrichtet. Weil die IT damit endlich potenziell das tun kann, was die Prozesse, Strukturen und weiteren Stakeholder eines Unternehmens oder einer Behörde wirklich erfordern, sind noch signifikantere Produktivitätsgewinne zu erwarten. Diese Dimension des Internet der Dienste wird häufig „Software as a Service“ genannt. Platform as a Service Das Internet der Dienste ermöglicht darüber hinaus die völlige Auslagerung von Betriebssystemen sowie typischer Grundlagen der Softwareprogrammierung wie Datenbanken, Runtime-Umgebungen und Entwicklungstools. Damit können auch Kleinentwickler auf dieselben Werkzeuge zurückgreifen wie bisher nur Profientwickler. Diese Dimension des Internet der Dienste wird häufig Platform as a Service genannt – gerade weil eine Plattform angeboten wird, auf der Entwicklungsaktivitäten vorgenommen werden können. 2.8 Internet der Dienste – Grundlage für das E-Government der ... 85 Chancen für Anbieter Um solche Services anbieten zu können, wird der Anbietermarkt in Zukunft völlig anders strukturiert sein. Die wichtigsten Hardwareanbieter werden die Anbieter von Rechenzentren mit sehr großen Rechenkapazitäten sein. Die Telekommunikationsunternehmen werden die Kapazität der Internetanbindungen noch breitbandiger gestalten müssen. Die Softwareprogrammierer werden vor allem mit der Programmierung granularer, kleiner Softwarekomponenten beschäftigt sein. Hinzu kommt die immens wichtige Programmierung der Schnittstellensoftware, welche die Kombinierbarkeit der einzelnen Programme gewährleistet. Andere Anbieter werden mit der technischen Integration in Geschäftsprozesse oder Endkundenprozesse befasst sein. Tatsächlich ist aber auch die organisationale Integration nicht zu unterschätzen – die Bedeutung einer akkuraten Formulierung der Anforderungen einer Behörde oder eines Unternehmens an die Software wird mit dem Internet der Dienste nämlich massiv zunehmen. Hinzu kommen die Betreiber großer Handelsplattformen, die auf übersichtliche Weise die verschiedenen miteinander kombinierbaren Einzelprogramme anbieten und Querverlinkungen zwischen den Programmen aufzeigen. Internet der Dienste für E-Government Auch für E-Government kann das Internet der Dienste eine neue Generation der Anwenderfreundlichkeit und insbesondere der Nutzerorientierung bedeuten. Mit Software-as-a-Service-Modellen könnte die Integration von EGovernment-Prozessen in Unternehmen sehr viel anwendungsfreundlicher werden. Die Behörden könnten künftig eine Reihe von modularen Services bzw. granularen Softwareeinheiten anbieten, aus denen Unternehmen wählen können. Ein Unternehmen könnte so z.B. wählen, dass es für sein Unternehmen in einem Standardprozess eine Kfz-Anmeldung und einen Handelsregisterauszug immer in Kombination braucht – und so die modularen Softwaremodule selbständig auswählen. Die zugrunde liegende Schnittstellentechnologie ermöglicht dabei eine nahtlose Einbindung der Anwendung in die Prozesse des Unternehmens – insoweit diese schon Internet-der-Dienstefähig sind. Andernfalls wäre z.B. eine browserbasierte Lösung denkbar. Für E-Government könnte das Internet der Dienste damit eine individuelle Anpassung der E-Government-Angebote der Kommunen an die Bedürfnisse 86 Holger Kindler der Unternehmen bedeuten. Letztlich könnte sich jedes Unternehmen seine eigene E-Government-Servicelandschaft von einer Internet-der-Dienste-fähigen Behörde individuell zusammenstellen – ohne Mehraufwand für die Verwaltung für jede einzelne Abfrage. Potenziell könnte das Internet der Dienste und seine Anwendungen damit viele Probleme des E-Government lösen. Themen, die im Rahmen dieses Buches aufgeworfen wurden – wie mangelnde Akzeptanz und Zielgruppenorientierung der Unternehmen – wären mit einer Internet-der-Dienste-basierten Software lösbar. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre scheint der Trend klar in die Richtung Cloud Computing und Internet der Dienste zu gehen. Daher wird es vermutlich nicht allzu lange dauern, bis die Welle der Cloud- und Internet-der-Dienste-Anwendungen auch im öffentlichen Sektor immer weiter Fuß fasst – und auch auf E-Government-Applikationen Anwendung findet. 3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ... 3 Strategische Ausrichtung von E-Government — Sicht der Kommune 3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen — Ansätze für eine modernisierte Verwaltung Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht Kurzfassung: Einst funktionierende Muster in der Verwaltung, wie festgelegte Kompetenzen und Strukturen, lösen sich teilweise auf. Entwicklungen von außen werden aktiv aufgegriffen oder vorgegeben. Open Data, App-Entwicklungen, Cloud Computing treiben den E-Government- und IT-Bereich in Behörden voran. Dafür notwendige Hausaufgaben, wie Prozessanalyse und -optimierung, sind dabei oft noch gar nicht erledigt. Schon morgen sind es neue Themen und „Baustellen“. Kommunen fühlen sich dabei stets als Getriebene. Wie aber können Verwaltungen mit der rasanten Entwicklung der „Außenwelt“ Schritt halten? Das kann nur gehen, wenn die effiziente Selbstorganisation im Zuge permanenter Veränderungen Teil der Alltagskultur kommunaler Verwaltungen wird. Oder anders ausgedrückt: wenn Kommunen einen Streckenfahrplan für Innovationen haben. Die Stadt Halle (Saale) stellt anhand der Entwicklung ihres E-Government-Masterplans dar, wie ein solcher Innovationsprozess aussehen könnte. Autoren: Dr. Dirk Furchert, Diplom-Journalist und Kommunikationswissenschaftler; Jahrgang 1969; seit 1989 Redakteur und Korrespondent für ddp und „Neue Zeit“; 1994–2004 Pressesprecher der Stadt Halle; seit 2004 Leiter des Hauptamtes; Mitglied des Arbeitskreises Organisation und elektronische Verwaltung des Deutschen Städtetages; Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen und freier Berater von Organisationen mit den Tätigkeitsschwerpunkten: Kommunikations- und Wissensmanagement, Change- und AkzeptanzManagement, E-Government, neue Medien, IT-Organisation und -Steuerung, Projektmanagement. 87 88 Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht Bianca Thieme, M. A., Jahrgang 1974, Studium der Soziologie und Erziehungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1992–1997), Ausbildung zur Referentin für Telekommunikation und Mediendesign (1997–1999), Volontariat im Presse- und Werbeamt der Stadt Halle (Saale) (2000–2001), wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Entwicklung einer Marketingstrategie für die Hochschule Merseburg“ sowie weiterer Projekte an der Hochschule Merseburg (2001–2005), seit 2007 Ressortleiterin E-Government in der Stadt Halle (Saale). Juliane Jecht, B. A., Jahrgang 1985, Studium PublicManagement / E-Government an der Hochschule Harz (Standort Halberstadt) (2007–-2010), Angestellte im Bereich E-Government / Wissensmanagement in der Stadt Halle (Saale) (2010–2011), seit 2011 Angestellte im Bereich E-Government / Prozessmanagement. Anforderungen der Wirtschaft an E-Government Nach einem Bericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (2003) erwartet die deutsche Wirtschaft von der Verwaltung vor allem, dass die angebotenen Leistungen eindeutiger und kostengünstiger in der Ausführung werden. Ressourcen wie Zeit und Geld sollen eingespart werden. Auch die Zeit- und Ortsunabhängigkeit bei der Erledigung von Verwaltungsleistungen ist ein zentrales Thema und wird immer mehr zu einem Standortfaktor. Grundsätzlich sind bei der Auswahl und Umsetzung digitaler Verwaltungsprozesse Bedürfnisse und Voraussetzungen der Kunden zu berücksichtigen. Insbesondere wenn der realisierte Online-Dienst parallel zum herkömmlichen Verfahren angeboten wird, sind Anreize für die Nutzung dieses Dienstes wichtig. Dafür ist ein gesondertes Marketingkonzept notwendig. Bestätigt werden diese Anforderungen auch in einer Studie der Hochschule Harz (2009: 16) über E-Government für Unternehmen. Hindernisse auf dem Weg zum E-Government Den Anforderungen der Wirtschaft stehen etliche Hürden gegenüber, die es der Verwaltung schwer machen, den hohen Erwartungen und Ansprüchen 3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ... 89 gerecht zu werden. So führt vor allem die hohe Komplexität im E-Government-Bereich zu einer Vielzahl von Fragen und Folgewirkungen. Diese Situation erinnert an einen typischen Schnittmusterbogen. Viele der (Teil-) Projekte, die teilweise auch miteinander verknüpft sind, liegen nebeneinander oder übereinander angeordnet und bilden offenkundige Schnittpunkte. Diese müssen vor der Umsetzung geordnet und richtig zusammengefügt werden. Die sehr komplexe Anordnung erscheint auf den ersten Blick äußerst kompliziert und unstrukturiert und es bedarf einer langen Auseinandersetzung mit den einzelnen Themen, um daraus ein „fertiges Kleidungsstück“ zu erstellen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bereich Verwaltungsmodernisierung eine große Baustelle ist, auf der an vielen Gewerken und Projekten gleichzeitig gearbeitet, aber nur wenig wirklich abgeschlossen wird. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass verbindliche Vorgaben und Richtlinien zu Umsetzungsfristen und Funktionsumfang fehlen, wie z. B. für die Behördennummer D115 oder die Einsatzmöglichkeiten des neuen Personalausweises. Hemmnisse bei der Umsetzung von E-Government-Projekten sind unzureichend definierte Prioritäten, fehlendes Fachpersonal, Existenz- und Verlustängste bei den betroffenen Mitarbeitern sowie fehlende Erfahrungen bei der Realisierung, um nur einige zu nennen. Die Autoren sehen vier große „Bremsklötze“: - Kirchturmdenken: Es findet zu wenig „Austausch“ von Erfahrungen, Wissen und Ideen sowie einheitliches Vorgehen auf kommunaler und Landesebene statt. Ressourcen und Wissen von „Experten“ werden nicht effektiv genutzt. Kommunen agieren voneinander getrennt, Bund und Land denken und agieren losgelöst von der kommunalen Ebene. Im Ergebnis gibt es viele unterschiedliche Lösungsansätze mit hohem, isoliertem Kraftaufwand (z. B. 16 unterschiedliche Einheitliche Ansprechpartner im Rahmen der EU-Dienstleistungsrichtlinie). - Kommunikationsstörungen: Innerhalb der Verwaltung, zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen und auch mit den Nutzern wird zu wenig kommuniziert. Hinzu kommen Verständigungsprobleme, wenn unterschiedliche Sprachstrukturen (Behördensprache, Fachsprache, Juristensprache, Alltagssprache) aufeinandertreffen. Zudem sind die Kommunikationswege nicht immer störungsfrei, sodass Informationen verloren gehen (z. B. innerhalb einer Verwaltung). - Versagensängste: Faktoren wie Aufgabenverdichtung, Beschleunigungstendenzen, ungenügende Thematisierung in Aus- und Weiterbildung so- 90 Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht wie persönliche Berührungsängste bewirken, dass sich Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung nicht auf der E-Government-Baustelle zurechtfinden und Angst haben, zu scheitern (z. B. im Umgang mit Web 2.0). - Ressourcenmangel: Die demografische Entwicklung bringt einen Mangel an Fachkräften auch im öffentlichen Dienst mit sich. Daher werden Projekte nicht immer optimal realisiert. Hinzu kommen das Fehlen von ausreichend finanziellen Mitteln und ein Zeitdruck bei der Realisierung durch Haushaltspläne, technologische Bedingungen, gesetzliche Regelungen, Fördermittelzusagen usw. Kommunen sehen sich angesichts dieser Rahmenbedingungen nicht selten gezwungen, Abstriche bei einer ganzheitlichen Umsetzung zu machen, wenn sie sich nicht sogar gänzlich in den Details der Komplexität des Themas verlieren. Mit einer systematischen Entwicklung von E-Government-Zielen und -Leitthemen, die sowohl aktuelle als auch zukünftige Entwicklungen und Wünsche der Kunden berücksichtigen kann, wird jedoch aus dem „Wirrwarr“ der Projekte und Aufgaben ein strategischer Innovationsplan. Verwaltungsmodernisierung mithilfe von E-Government E-Government kann nach wie vor als zentraler Motor der Verwaltungsmodernisierung in der öffentlichen Verwaltung angesehen werden. Der Masterplan der Stadt Halle (Saale) für die Jahre 2013 bis 2020 wurde deshalb ganz im Zeichen der Mobilität gestaltet. Der Grundgedanke orientiert sich an der Entwicklung neuer effizienter Mobilitätsformen, wie z. B. Elektroautos, die mit einfacher Bedienbarkeit und zukunftsorientiertem Ressourcenverbrauch Kundenwünschen entsprechen. Das sind Anforderungen, die auch die Modernisierung der Verwaltung mithilfe von E-Government erfüllen soll. Diese werden zu einer Vision für die Verwaltung 2020 zusammengefasst. Der Grundgedanke und damit Grundlage der strukturierten Form ist es, mit E-Government den Zugang zu Informationen, die Kommunikation mit der Verwaltung und das Angebot sowie die Ausführung von Leistungen einfach, effizient und elektronisch zu ermöglichen. Dabei sollen vor allem realisiert werden: - eine zukunftsorientierte, leistungsfähige Stadt, die von Bürgerschaft, Stadtrat und Verwaltung gemeinsam nachhaltig, kompetent und kreativ entwickelt wird, - eine kundenorientierte Exekutive, die auf der Basis von fundiertem Wissen, transparentem Handeln und elektronischer Dienste Bürger/-innen 3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ... - 91 und Unternehmer/-innen in allen Lebenslagen freundlich und wirksam unterstützt sowie eine ergebnisorientierte Verwaltung, die in intelligenten Strukturen, arbeitsteiligen Kooperationen und orientiert an Wertschöpfungsketten effizient arbeitet. Kreative Ideen für eine innovative Verwaltung Die Umsetzung der festgelegten Ziele, die mithilfe von E-Government erreicht werden sollen, wurde in eine strukturierte Form gebracht. U-BahnStreckenpläne geben dafür eine gute Orientierungshilfe. Auf ihnen können die Stationen (Leitprojekte) nach klaren Linien (Ziele) sortiert und der zeitliche Ablauf der Realisierung dargestellt werden. Zudem ist es auch möglich, Stationen zurückzufahren oder neue einzurichten, um veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Auch die Schnittpunkte werden anhand gemeinsamer Stationen sichtbar. Diese Darstellung ist übersichtlicher und damit auch für Außenstehende leichter zu verfolgen. Sie bringt Ordnung in den verwirrenden Schnittmusterbogen mit vielen unfertigen Baustellen. Als Leitprojekte wurden aktuelle und voraussichtliche Trends und Entwicklungen berücksichtigt, wie z. B. Cloud Computing, mobile Anwendungen, Web-2.0- und Web-3.0-Technologien usw., aber auch grundlegende Komponenten, die für das Anbieten von E-Government notwendig sind, wie z. B. Basiskomponenten, Prozessoptimierung, Standardisierung usw. Die Leitprojekte werden durch Aufgaben und konkrete Projekte unterfüttert, die sich an den Bedürfnissen und nutzbaren technischen Voraussetzungen der betroffenen Zielgruppen orientieren. Die Funktionalitäten des neuen Personalausweises, weitere zukünftige Möglichkeiten der Identifizierung und Authentifizierung sowie die rechtssichere Kommunikation mit De-Mail und vergleichbare technologische Entwicklungen nehmen einen wichtigen Stellenwert ein. Zielführende Betrachtung von Aufwand und Nutzen Besonders gewinnbringend zeigt sich die angestrebte Vereinfachung, Strukturierung und Verschlankung der Planung und Umsetzung von E-Government-Vorhaben in der entwickelten Aufwand-Nutzen-Betrachtung. Häufig wird während der Planung eines Vorhabens eine umfassende monetäre Wirt- 92 Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht schaftlichkeitsanalyse durchgeführt, die nicht selten einzige Grundlage für die entscheidende Meinung für oder gegen das Projekt ist. Ausgangspunkt für diese Analyse sind Schätz- oder Vergleichswerte aus ähnlichen Umsetzungen, die oft nicht die in dieser Kommune konkret vorliegende Situation wiedergeben. Trotzdem suggeriert die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, auch durch ihren enormen Umfang, eine Genauigkeit, die nur in Ausnahmefällen bis ins Detail vorhergesagt werden kann. Zudem ist die Erstellung kompliziert, aufwendig und zeitintensiv. Dabei wird jedoch vernachlässigt, welchen qualitativen Nutzen die Umsetzung für die Zielgruppe oder die Verwaltung eigentlich hat. Oft ist es aber gerade dieser, der eine Maßnahme erst sinnvoll erscheinen lässt. Hier setzt ein neuer, systemischer gedanklicher Ansatz an. Es geht um die Bewertung des finanziellen und qualitativen Nutzens als Entscheidungsgrundlage, wobei beides nicht zu kleinteilig begründet werden muss. Basis für das neue Modell sind das „Berechnungsmodell zu Wirtschaftlichkeit, Kosten und Nutzen von E-Government-Vorhaben“ der Firma CSP AG (2009), eine Ausarbeitung der Berliner Senatsverwaltung (2007) für Inneres und Sport zur Bewertung und Priorisierung von E-GovernmentMaßnahmen und die Bewertungskriterien für potenziell online-fähige Dienstleistungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Der grundlegende Ansatz ist eine Wirkungsanalyse in einer Balanced Scorecard mit den Dimensionen Finanzperspektive (Ziele: Effizienzerhöhung, Einsparpotenzial, Einnahmen), Kundenperspektive (Ziele: Nachfrage, leichter Zugang, leichte Handhabung, Zufriedenheit), Prozessperspektive (Ziele: organisatorischer Umsetzungsaufwand, künftige Prozessoptimierung, Produktivitätssteigerung) und die Mitarbeiterperspektive (Ziele: Nachfrage, leichter Zugang, leichte Handhabung, Zufriedenheit). Daraus resultieren verschiedene Bewertungskriterien, die ein E-Government-Projekt erfüllen kann, beispielsweise Erhöhung von Transparenz, Einsparung von Zeit, Mehrfachnutzung von Hard- und Softwarekomponenten, Verhältnis Ergebnis zu den eingesetzten Mitteln usw. Diese Kriterien werden anhand eines Fragebogens erfasst und somit der qualitative Nutzen bewertet. Die Gesamtpunktzahl, die sich aus den Antworten ergibt, entspricht einem Wert zwischen 1 und 4. Aufgrund der Angaben zu voraussichtlichen Gesamtausgaben, Betriebskosten und der indirekten oder direkten Einsparungen wird ebenfalls ein Wert zwischen 1 und 4 ermittelt, der die Wirtschaftlichkeit angibt. Beide Werte werden in eine Matrix eingetragen, die den qualitativen und monetären Nutzen darstellt (vgl. CSP 2009: 8). Eine Umsetzung ist nur erstrebenswert, wenn der Wert in den jeweils oberen Matrixbereichen liegt. 3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ... 93 Dieses Vorgehen ist, verglichen mit einer herkömmlichen Wirtschaftlichkeitsanalyse, sehr viel einfacher, strukturierter, aussagekräftiger und schneller umsetzbar. Zudem sind die Verbesserungen, die durch die Umstellung eines Verfahrens erzielt werden, einfach und anschaulich darzustellen, indem der bisherige und der zukünftige Vorgang bewertet und dann miteinander verglichen werden. Durch die Darstellung und Bewertung der Projekte in mehreren strukturierten, einfachen, leicht zu befolgenden und übersichtlichen Schemata können Mitarbeiter der Fachverwaltung die Vorzüge und Bestandteile der Verwaltungsmodernisierung im E-Government erkennen und beurteilen. Dadurch wird die Einordnung und Umsetzung von Projekten einfacher und bedarf keiner langwierigen Analyse mehr. Innovationen können schneller bewertet und deren Realisierung eingeleitet werden. Somit kann die Verwaltung mit der rasanten Entwicklung im E-Government- und IT-Bereich mithalten und die Vorzüge umfassend nutzen – ganz ohne sich im „Schnittmusterbogen E-Government“ zu verlieren. Quellen Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Hrsg.) (2007): Bewertung und Priorisierung von E-Government-Maßnahmen, online: http://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/itk/download/bewertung_und_priorisierung.pdf?start &ts=1331898996&file=bewertung_und_priorisierung.pdf <3.9.2013> Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) (Hrsg.): E-GovernmentHandbuch, Bewertungskriterien für potenziell online-fähige Dienstleistungen, 2002–2005. Bundesverband der Deutschen Industrie / Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.) (2003): E-Government: Forderung der Wirtschaft, online: http://www.giessen-friedberg.ihk.de/Geschaeftsbereiche/Standortpolitik/Anlagen/ Texte_Innovation_und_Umwelt_%28Multimedia-EC-M%29/HeinSPAnlEGovern.pdf <3.9.2013> CSP AG (Hrsg.) (2009): Konzept eines homogenen Berechnungsmodells zur Ermittlung des qualitativen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von E-Government-Vorhaben, online: http://www.egovernment.ch/dokumente/nutzenmodell/ T9_CSP.zip <3.9.2013> Hochschule Harz (Hrsg.) (2009): Forschungsbericht – E-Government für Unternehmen, online: http://egov.hs-harz.de/diwima/images/documents/eGovU_Forschungsbericht_final.pdf <3.9.2013> 94 Sabine Möwes 3.2 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft Sabine Möwes Kurzinfo: Für die Stadt Köln ist E-Government ein zentrales strategisches Thema und in ihrem Konzept zur Internetstadt Köln prominent positioniert. Besonders die Initiativen zu E-Partizipation und Open Data sind dort neben zahlreichen umgesetzten E-Government-Anwendungen tief verankert Autorin: Sabine Möwes, Leiterin die Dienststelle E-Government und Online-Dienste im Dezernat des Oberbürgermeisters der Stadt Köln. Einleitung Der wachsende Informationsbedarf und die wachsenden Erwartungen an den Dialog zwischen Kommunen, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern erfordern neue Modelle und Kommunikations- und Interaktionsmodelle und daraus folgend neue Angebote. Zahlreiche Kommunen wie auch Köln setzen die Potenziale des Internets nicht nur für die Bereitstellung von Informationen ein, sondern streben vor allem einen offenen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen an. Im Vordergrund der modernen E-Government-Initiativen stehen daher auch weniger die Potenziale zu Kosteneinsparungen und Rationalisierung, sondern die strategische Weiterentwicklung und Öffnung der Kommunen. Open Government und E-Government sind wichtige Wirtschaftsfaktoren und wichtige Investitionen in die Zukunft einer digitalen Stadt. Daher sieht die Stadt Köln E-Government als zentrale Aufgabe der Verwaltungsspitze an. Internetstadt-Konzept der Stadt Köln Das übergreifende Kölner Konzept zur digitalen Gesellschaft – in dem E-Government als ein wichtiger Pfeiler verankert ist – hat das Ziel, das Profil der Stadt im Bereich Internet wirksam zu optimieren und Köln als nationalen und internationalen Standort für Internettechnologie und Internetinfrastruktur weiterzuentwickeln. Schwerpunkte sind die Themen Internet-Kompetenz, 3.2 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft 95 Verfügbarkeit von Hochgeschwindigkeits-Internet, Ausbau der Online-Aktivitäten der Verwaltung (insbesondere im Hinblick auf das Internet als Informations- und Partizipationsinstrument für die Bürgerschaft), Wirtschaftsförderung und Forderung der internetnahen Branchen an sich. Weitere Schwerpunkte sind die Förderung des Mittelstandes durch Know-how-Transfer, Förderung neuer Arbeitsmodelle sowie die Stärkung Kölns als Ausbildungsund Wissenschaftsstandort im Bereich Internet. Open Data in Köln Mit dem Ausbau des städtischen Internet-Angebotes durch eine Weiterentwicklung hin zu mobilen Angeboten und der Öffnung der Verwaltung durch Strategien wie „offene Verwaltungsdaten“ wird dem veränderten Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger und dem damit einhergehenden gesteigerten Bedarf nach Transparenz, Beteiligung und Kooperation Rechnung getragen. Verhalten und Bedarfe sind dabei deutlich geprägt durch die Verbreitung von mobilen Endgeräten, durch das enorme Wachstum der AppEconomy sowie die verstärkte gesellschaftliche Verankerung von sozialen Netzwerken. Neben der informatorischen Grundversorgung mit Daten, ihrer Darstellung und Interpretation auf den Web-Plattformen der Stadt, stellt Köln daher die verschiedensten Informationsbestände auch als Rohdaten maschinenlesbar, dauerhaft erreichbar und flexibel nutzbar auf dem Open-Data-Portal www.offenedaten-koeln.de zur Verfügung. Der Zugang zu offenen Verwaltungsdaten schafft die Grundlage dafür, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, Unternehmen und freie Entwickler Mehrwertdienste entwickeln. Hier stehen gerade Services wie die Visualisierung vorhandener Daten oder die Entwicklung völlig neuer Angebote durch die Verbindung verschiedener Datenquellen im Fokus. Auch ein stadtweites Geoportal als zentraler und einheitlicher Zugang zu einer Auswahl von Geoinformationen der Stadt Köln ist ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie. Wirtschaft, Bürger und Verwaltungen können auf die bereitgestellten Daten zurückgreifen und sie mit eigenen Anwendungen verknüpfen. E-Partizipation und Bürgerhaushalt Die Stadt Köln setzt jedoch auch in anderen Zusammenhängen auf die Beteiligung im Netz. Auch die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen im Internet – sprich E-Partizipation – ist 96 Sabine Möwes Teil der E-Government-Strategie der Stadt. Online-Bürgerbeteiligung ergänzt die sogenannten „klassischen“ Beteiligungsformen wie Runde Tische oder Bürgerkonferenzen – gezielt eingesetzt und eingebettet in eine moderne und bürgernahe Informations- und Kommunikationsinfrastruktur der Stadtverwaltung. Die Kommunen stehen aktuell vor großen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzkrise des kommunalen Sektors und angesichts des demografischen und ökonomischen Wandels. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wird eine neue Kultur des Miteinanders benötigt. Kommunen müssen Bürgerinnen und Bürger und alle zivilgesellschaftlichen Akteure auf lange Sicht in wichtige kommunalpolitische Entscheidungen einbinden und ihnen dafür attraktive Beteiligungsangebote unterbreiten. Neben dem Bürgerhaushalt, der erstmalig 2007 durchgeführt wurde, sind dabei vor allem auch Stadtentwicklungsvorhaben und größere Bauprojekte im Fokus. Die sachgerechte öffentliche Information, Transparenz und geeignete Mitwirkungsmöglichkeiten müssen bereits im Vorfeld von Planungsentscheidungen hergestellt werden und die anschließende Umsetzung begleiten. In Köln wird das am Bürgerhaushalt erprobte Beteiligungsverfahren, das mehrfach ausgezeichnet worden ist (E-Government Award 2008, Preis NRW-Bank 2008, UN Public Service Award 2008, EPSA Award 2009), mittelfristig auf alle infrage kommenden bürgeroffenen Fachverfahren übertragen werden und E-Partizipation damit zu einem Standardangebot der Verwaltung ausgebaut werden. E-Government-Lösungen Darüber hinaus bietet die Stadt Köln ein breites Portfolio „klassischer“ E-Government-Lösungen an – d.h. die Abwicklung von Verwaltungsprozessen im Internet. Dadurch erspart die Stadt Köln Bürgern und Unternehmen schon heute viele und unnötige Behördengänge. So können etwa die Standesamtsurkunde und der Bewohnerparkausweis bestellt, die Sachstände von Pass- oder Bauanträgen abgefragt oder Kraftfahrzeuge online zugelassen werden. Das E-Government-Gesetz wird darüber hinaus weitere Onlinedienste ermöglichen. Wesentliche Erfolgsfaktoren des E-Governments bleiben zum einen die intelligente Vereinfachung und Verschlankung von Services und zum anderen die Akzeptanz der neuen Basiswerkzeuge wie 3.2 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft 97 De-Mail und eID bei Bürgern und Unternehmen. Hier gilt es überzeugende innovative Einsatzmöglichkeiten zu etablieren. Die Stadt Köln ist bereits auf dem Weg zu einer offenen digitalen Stadt – sie bindet die Zivilgesellschaft direkt in Prozesse ein und baut die Offenlegung ihrer Daten stetig aus. Sie setzt dadurch auf der breiten Grundlage des Konzeptes Internetstadt Köln auch starke wirtschaftspolitische Impulse für eine digitale Stadt. Damit ist sie mit Städten wie Berlin bei der Schaffung von Transparenz der Verwaltung einer der Vorreiter in Deutschland. 98 Wolfgang Both 3.3 Open-Data-Strategie in Berlin — Welche Daten sind mit Open Data gemeint? Wie sollten Daten bereitgestellt werden? Wolfgang Both Kurzinfo: In einem umfassenden Projektbericht legt die Stadt Berlin 39 Handlungsempfehlungen für die stufenweise Öffnung der Datenbestände vor. Nach einer Analyse der rechtlichen und technischen Situation werden Vorschläge sowie ein Stufenplan zur Umsetzung des Open-Data-Gedankens in der öffentlichen Verwaltung gemacht. Autor: Dr. Wolfgang Both, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Berlin Einleitung Das Bundesland Berlin hat sich frühzeitig auf die Öffnung seiner Datenbestände (Open Data) vorbereitet. Bereits im Frühjahr 2010 wurden gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut FOKUS Arbeiten an einer Vorstudie aufgenommen. In diesem Rahmen wurde untersucht, wie die heute dezentral vorhandenen Datenbestände zugänglich und verfügbar gemacht werden können. Ein erster Vorschlag für eine IT-Architektur wurde um eine inhaltliche Kategorisierung der Datenbestände ergänzt. Im Ergebnis wurden drei Vorschläge unterbreitet: - politisches Bekenntnis zu Open Government / Open Data - technische Umsetzung einer Daten-Cloud - Vorbereitung durch kleinere Erprobungsvorhaben Mit einem Beschluss des Berliner Staatssekretärsausschusses für die Verwaltungsmodernisierung im Frühjahr 2011 wurde den ersten beiden Empfehlungen umgehend entsprochen. Dem waren zwei weitere Aktivitäten zur Sensibilisierung und Ansprache der Öffentlichkeit vorausgegangen: Zum einen startete im Herbst 2010 mit „Apps4Berlin“ der erste App-Wettbewerb einer deutschen Stadt. Zum anderen fand ein Online-Voting zu interessierenden Datenkategorien statt. Teilnehmerzahl (mehr als 1.500 Votes) und Ergebnis bekräftigten das Interesse 3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 99 der Berlinerinnen und Berliner an einer breiten und strukturierten Datenbereitstellung. Projektgegenstand Unter dem programmatischen Titel „Von der öffentlichen zur offenen Verwaltung“ wurde die Projektarbeit aufgenommen. Gemäß Auftrag gliederte sich das Vorhaben in sechs Arbeitspakete. Neben dem Projektmanagement wurden die folgenden Fragestellungen aufgegriffen: - Bedarfs- und Potenzialanalyse - Organisationsanalyse - rechtliche Rahmenbedingungen - Geschäftsmodelle - Plattformkonzept, Technik und Standards. Im Ergebnis lagen Ende 2011 neben den Ausarbeitungen zu diesen Themen 39 Handlungsempfehlungen an Politik, Verwaltung, Recht und Technik vor, die in eine kurz-, mittel- und langfristige Perspektive gruppiert sind.1 Durch die Zusammenarbeit mit der Netzgemeinde konnten im Projektverlauf deutliche Arbeitssprünge gemacht werden. So zeigte der gemeinsam vorbereitete und durchgeführte erste Berlin Open Data Day (BODDy)2 nicht nur eine Vielfalt von mobilen Anwendungen (Apps) auf, sondern einen Arbeitsstand in anderen Projekten, die zusammengeführt den Aufbau und Start eines probeweisen Datenportalbetriebs Mitte September 2011 ermöglichten.3 Damit öffnete Berlin als erste deutsche Stadt den elektronischen Zugang zu seinen Datenbeständen über ein gesondertes Portal. Politisches Umfeld Mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten im September 2011 legte nicht nur die Piratenpartei ein Wahlprogramm vor, das die Öffnung der Datenbestände als politisches Ziel aufgriff. Diesbezügliche Aussagen sind in den Programmen aller großen Parteien enthalten. 1 Vgl. http://bln.io/bEw5i3q <3.9.2013>. 2 Vgl. http://berlin.opendataday.de <3.9.2013>. 3 Vgl. www.daten.berlin.de <3.9.2013>. 100 Wolfgang Both Diese Absichtserklärungen fanden Eingang in die Koalitionsvereinbarung und in die Richtlinien der Regierungspolitik für die neue Legislaturperiode. So heißt es im Koalitionsvertrag: … Das Open Government wird zur Förderung von Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit ausgebaut. … Die Koalition wird die Open-Data-Initiative des Landes fortsetzen und ausbauen. Dazu setzt sie sich für eine Prüfung der weitergehenden Offenlegung von öffentlichen Daten (z.B. Geoinformationsdaten) unter Wahrung des persönlichen Datenschutzes ein. Die Federführung für Open Data liegt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Wirtschaftsstaatssekretär Nicolas Zimmer sagte auf dem Berlin Open Data Day im Juni 2012: Open Data ist mir ein wichtiges Anliegen! Wie wird der Zugang zu gesamtgesellschaftlichen Informationen möglich? Wie können wir den Wert öffentlicher Informationen schöpfen und nutzbar machen? Die öffentlichen Daten sollen der Öffentlichkeit auch wieder zurückgegeben werden. Darunter verstehe ich einen diskriminierungsfreien und strukturierten Zugang zu den öffentlichen Informationen. Diese Form von Transparenz bringt eine Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens mit sich, denn die Weiterverwendung, Weiterverwertung und Anreicherung sollte nicht nur in der öffentlichen Hand stattfinden, sondern auch außerhalb. Die Datenbereitstellung ermöglicht auch eine verbesserte Partizipation, denn ein informierter Teilnehmer am politischen Dialog kann direkt einen Nutzen daraus ziehen. Nicht jeder wird die gleichen Schlüsse ziehen, aber wir haben eine gemeinsame Grundlage, über die wir diskutieren können. Wenn jemand ein Geschäftsmodell auf diesen Daten aufbaut, sodass ein Nutzer darin einen Mehrwert sieht und den dann auch bezahlt, so ist dies legitim. Die Berliner Wirtschaft soll in die Lage versetzt werden, bessere Angebote und neue Produkte zu entwickeln. Dies ist eine kostengünstige Art und Weise, aktive Wirtschaftsförderung zu bieten. Das Motto für Berlin lautet also: Transparenz, Partizipation und Effizienz. Mit der Öffnung der Datenbestände wird ein erster wichtiger Schritt in Richtung transparentes Regierungshandeln gemacht. Die Landesregierung sieht in diesem Angebot an die Bürger, die Unternehmen, die Forschung und die Medien einen Beitrag zur Weiterentwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens. Der berechtigten Erwartung nach Teilhabe kann hier auf qualifizierter Ebene entsprochen werden. 3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 101 Datenportal Mit dem Aufbau und dem Internetangebot eines Datenportals wurde ein zentraler Zugang zu den bisher verteilt vorliegenden Datenbeständen der Landesverwaltung geschaffen. Prinzip ist dabei, dass die Originaldaten bei den Bearbeitern verbleiben, dort weiterhin gepflegt und aktualisiert werden. Damit bietet das Datenportal eine gut strukturierte Vermittlung zwischen Datennutzer und Datenquelle. Um das einheitlich zu gestalten, die Daten gleichermaßen zu beschreiben und eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wurde im Projekt viel Aufwand in den Entwurf eines Metadatenschemas gesteckt. Die Metadaten beschreiben ein einzelnes Datum, einen Datensatz, hinsichtlich Titel, Quelle und Format, enthalten des Weiteren Angaben zur räumlichen und zeitlichen Abdeckung, zum Bearbeiter oder zu den Nutzungsbedingungen. Das Metadatenschema entstand nach gründlicher Auswertung bestehender Angebote, z.B. der Datenportale von London oder Wien. Es baut auf dem Dublin Core auf, einer Sammlung von Konventionen zur Beschreibung von Objekten und Dokumenten im Netz. Dadurch werden Objekte leichter auffindbar, vergleich- und verknüpfbar. Die Ablage der Metadaten (nicht des Datums selber) erfolgt in einem Datenregister. Es stellt das Backend des Datenportals dar. Im Rahmen der Vorbereitungen für das Berliner Datenportal haben wir uns für das Comprehensive Knowledge Archive Network (CKAN) der Open Knowledge Foundation, einem Open-Source-Paket, entschieden. Zum einen erlaubte uns dies eine schnelle Realisierung, zum anderen wurde CKAN bereits in anderen Städten eingesetzt. Ein Leistungsmerkmal von CKAN ist die Föderation, das heißt, die Möglichkeit der Verknüpfung unter- oder übergeordneter Aggregationsebenen von Datenbeständen. Somit können Berliner Inhalte direkt auch in übergeordneten Ebenen, wie Bund oder Europa, bereitgestellt werden. Das Schaufenster nach außen ist das Datenportal.4 Die Oberfläche ist schnell und übersichtlich mit einem Drupal-Content-Management-System gestaltet worden. Hier geht es weniger um aufwendige Gestaltung und Navigation. Denn die Datenbestände sind vorwiegend maschinenlesbar gestaltet. Vielmehr muss eine Suche schnell zum Ergebnis führen und es Maschinen ermöglichen, sich einfach durch den Datenbestand zu arbeiten. Daher ist als 4 Vgl. www.daten.berlin.de <3.9.2013>. 102 Wolfgang Both ein weiteres Merkmal in den Metadaten eine Datenkategorie vorgegeben. Diese Zuweisung beschleunigt die gezielte Suche. Gleichzeitig hilft sie dem menschlichen Besucher der Seite bei der Navigation durch das Angebot. Registrierte Datenbearbeiter können selbstständig neue Datensätze einstellen bzw. bestehende aktualisieren. Zum einen ist ein manueller Eintrag in das Datenregister möglich (hierfür liegt ein Leitfaden vor). Zum anderen bietet das CMS-Imperia-Werkzeug „SimpleSearch“ eine Exportfunktion in das CKAN-Register, mit der alle Merkmale zu den Metadaten gleich erfasst und übertragen werden. Bei Schulungen wird künftig stärker auf diese Funktionalität hingewiesen. Ummittelbar nach der Berlin-Wahl im September 2011 standen bereits die Wahlergebnisse maschinenlesbar als neuer Datensatz im Portal, bereitgestellt vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Nur eine Woche später war die „Wahl-App“ fertig, die Wahlergebnisse und Bevölkerungsdaten miteinander verknüpfte. Ergebnisse Obwohl das Angebot von der Denkmalliste über die Konjunkturdaten bis hin zu Wanderwegen im Wesentlichen aus maschinenlesbaren Rohdaten besteht, verzeichnen wir einen stetigen Besucherstrom auf unser Datenportal. Nach dem ersten Hype im September hat sich die Nutzerzahl auf werktäglich ca. 1.000 Besucher eingependelt. Der Tagesrhythmus folgt dem Sonnenstand, mittags sind also die meisten Besucher auf der Plattform. Vorrangig besucht werden die Datensätze. Da die Klickrate auf die Datensätze inzwischen höher ist als auf die Startseite, werden die Datensätze offenbar mehr und mehr von Suchmaschinen direkt gefunden. Angeregt durch den bundesweiten Wettbewerb „Apps4Deutschland“ sind neue Anwendungen mit Berliner Datensätzen entstanden. Von den über 170 Einsendungen nutzten 20 unmittelbar den Berliner Bestand. Mehrere Beiträge aus Berlin wurden auf der CeBIT 2012 ausgezeichnet. Dazu gehörten u.a. die „Weihnachtsmarkt-App“ und das Angebot des deutschen Bibliotheksverbundes unter Beteiligung des Berlin-Brandenburger Bibliotheksverbundes (KOBV). In der Zwischenzeit sind weitere Anwendungen, aufbauend auf Berliner Datensätzen, entwickelt worden und auch über das Datenportal verfügbar. Damit zeigt sich, dass eine Wertschöpfungskette von den Datenbereitstellern 3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 103 über das Datenportal hin zu Entwicklern und Kunden entsteht. Auch wenn der Umsatz pro App noch gering ist, macht es hier die Masse der Nutzer, die auf interessantes Datenmaterial über Wochenmärkte oder die Badegewässerqualität zugreifen können. Der Datenbestand ist kontinuierlich gewachsen, aus Landes- und Bezirksverwaltungen kommen stetig neue Beiträge. Gegenwärtig sind 66 Datensätze im Register eingetragen, die bis zu 20 einzelne Datensätze wie Wander- oder Radwege in einem Geodatenformat beinhalten können. Ausblick Da Weiterentwicklung und Ausbau des Angebots bisher noch Projektstatus hatten, wurde im Juni 2012 durch den Ausschuss für die Verwaltungsmodernisierung beschlossen, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen. Sie soll sich offenen Fragen der Harmonisierung rund um die Datenbeschreibung und Bereitstellung widmen und ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln. Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes sind auch Mittel bereitgestellt, um den Regelbetrieb zu finanzieren. Dazu wird in 2012 der Transfer aus dem Labor- in den Wirkbetrieb sichergestellt, sodass zum Ende des Jahres ein stabiler Portalbetrieb erfolgen kann. In den Folgejahren werden das inhaltliche Angebot sowohl quantitativ wie qualitativ ausgebaut, über Weiterbildungsmaßnahmen die Bearbeiterkapazitäten erweitert und Nutzerwünsche zu weiteren Datenbeständen berücksichtigt. Ein wichtiges Teilprojekt ist die Entwicklung und der Einsatz eines Metadaten-Harvesters, um aus bestehenden Datenbeständen (Geodaten, Gesundheitsdaten, Sozialdaten, Demografiedaten usw.) eine Sichtbarmachung im Open-Data-Portal zu erreichen. Derartige Software-Werkzeuge werden bereits vielfach eingesetzt (Bibliothekswesen), um Spezialbestände allgemein verfügbar zu machen. Manuelle Erfassung und Übertragung werden durch eine Softwarelösung automatisiert. Aus einem Register kann in ein anderes transferiert werden, sodass aufbereitete Datenbestände schneller zugänglich und nutzbar gemacht werden können. Offene Fragen gibt es vor allem im rechtlichen und technischen Umfeld der Öffnung und des freien Zugangs. So wurde in der Berliner Studie festgestellt, dass das rechtliche Umfeld durch viele Fachgesetze recht unübersichtlich und nicht harmonisch gestaltet 104 Wolfgang Both ist. Daher ist in Berlin geplant, den Punkt der Datenbereitstellung in einem übergreifenden E-Government- und Organisationsgesetz mit zu regeln Auch der Bund arbeitet an einem entsprechenden Gesetz. Einer weiteren Klärung bedürfen die Lizenz- und Nutzungsbedingungen. Wir haben uns erst einmal an der Creative Commons Licence, die auch in Wikipedia für dort eingestellte Inhalte angewendet wird, orientiert. Diese Lizenzform ist im Internet weitgehend bekannt und akzeptiert, andererseits nicht speziell für Daten ausgelegt. Hier wird zukünftig eine Weiterentwicklung und globale Harmonisierung erforderlich sein. Diese Fragen werden gegenwärtig in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesinnenministeriums bearbeitet. Ein abgestimmter Vorschlag wird an den IT-Planungsrat gehen und soll helfen, Insellösungen zu vermeiden. Erst mit der Klärung dieser rechtlichen Fragen wird ein umfassendes Angebot, ein breiter Datenstrom, ein Data-as-a-Service-Angebot entstehen, das dem o.g. Motto gerecht wird. Damit wird dann für Unternehmen und Medien eine verlässliche Datenquelle bereitstehen, die durch Aufbereitung, Verknüpfung und Anreicherung werthaltige Dienste für Kunden entstehen lässt. Die zahlreichen Beiträge bei den Apps-Wettbewerben zeigen das wirtschaftliche Potenzial. Gerade für junge Unternehmen eröffnen sich hier Chancen. Und Berlin bietet dafür Raum – im Realen wie im Virtuellen. 3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz 3.4 105 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz Gregor Kratochwill, Stefan Pawel Kurzinfo: 2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open-Commons-Region Linz“ gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern ermöglichen soll. Ein Bündel an Maßnahmen, basierend auf einer wissenschaftlichen Studie, gibt den Weg zur Umsetzung einer Open-Commons-Region vor und eine Open-Government-Data-Plattform setzt erste Impulse. Autoren: Gregor Kratochwill, Mag., seit 2008 Projektleiter des Linzer Public Space Server, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement, im Marketing und im Vertrieb. Mitarbeiter in der Volkshochschule Linz und Pädagogischer Assistent des Selbstlernzentrums der Volkshochschule und Stadtbibliothek Linz. Stefan Pawel, Mag., seit 2010 Projektleiter der Open-CommonsRegion Linz, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement von WebProjekten, im Marketing und im Vertrieb. Mitautor „Freie Netze. Freies Wissen“, „Freiheit vor Ort“ und Autor zum Thema Webwissenschaften. Von Open Source zu Open Commons am Beispiel Linz 2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open-Commons-Region Linz“ gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern verschiedenster Art ermöglichen soll. Diese Entscheidung ist im Kontext verschiedener Projekte und Beschlüsse des Linzer Gemeinderates zu sehen. Die städtische Initiative „Hotspots“ in Kooperation mit einem lokalen Provider versorgt öffentliche Plätze mit einem kostenlosen WiFi Internetzugang. Der „Public Space Server“ garantiert jeder/m LinzerIn über 14 Jahre einen kostenlosen und werbefreien Webspace von einem Gigabyte. 2009 wurden künstlerische Werke, die unter einer freien Lizenz zugänglich gemacht wurden, von der Stadt mit einem Förderbonus in der Höhe von 10% unterstützt (vgl. Forsterleiter 2011). 106 Gregor Kratochwill, Stefan Pawel Studie „Open-Source-Region Linz” Der Open-Commons-Region ist 2008 ein Beschluss des Linzer Gemeinderats vorangegangen, der die IKT Linz GmbH (städtische IT) mit einer Studie über die Möglichkeiten einer Open-Source- (OS-) Region Linz beauftragte. Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie vom Institut für Personal- und Organisationsentwicklung an der Johannes Kepler Universität. Dabei wurden in acht Arbeitspaketen Maßnahmen zur Etablierung einer Open-CommonsRegion identifiziert und beschrieben. Die empirische Grundlage stellte die Befragung von „MeinungsführerInnen“ im Großraum Linz dar. Mit dem Ergebnis, dass für ca. 50% der Befragten der Einsatz von Open-Source-Software im eigenen Unternehmen bzw. Verantwortungsbereich von Interesse ist, konnte eine positive Haltung abgeleitet werden. In diesem Kontext wurden Kostensenkungen als Hauptmotiv genannt. Die Befragten hatten eine durchwegs positive Einstellung zur regionalen Förderung derartiger Projekte sowie zum Aufbau eines OpenSource-Kompetenzzentrums in Linz (vgl. Müller 2009: 3). Für das „Funktionieren“ der Open-Commons-Region Linz wurden kritische Erfolgsfaktoren wie das Aktivitätsniveau, Innovationspotenzial, Popularität und Rechtssicherheit identifiziert. Im Bereich der Chancen und Risiken wurden Probleme wie beispielsweise eine unzureichende Lösungsmetrik für die Beurteilung von OS-Projekten bestätigt und die notwendigen projektspezifischen Bewertungen betont. Es ist vom Einsatzgebiet und von den Projektzielen abhängig, welchen Bewertungskriterien der Vorzug zu geben ist. Jene für die OpenCommons-Region Linz relevanten Ergebnisse sind: die identifizierten Stärken und Chancen zu nutzen und die Schwächen und Risiken beispielsweise in Form eines Kompetenznetzwerks zu kompensieren (vgl. Kempinger et al. 2010: 32). Die Abgrenzung der Begrifflichkeit „Open-Source-Region“ wurde im Kontext einer örtlichen Relation getroffen, in der OS-Projekte initiiert und vorangetrieben werden. Identifizierte Beispiele sind die OS-Region Stuttgart, Berlin, Nürnberg und Wien. Die Unterschiede dieser Regionen sind in den Zielen, den Trägerschaften und Organisationsformen auszumachen. Fokus dieser Regionen sind die wirtschaftliche Kooperation, Wissenstransfer, das Vorantreiben von Entwicklungen und ein volkswirtschaftlicher Nutzen. Als zwei wichtige Erfolgsfaktoren für eine OS-Region wurden ein „breiter Konsens“ sowie das Einbinden von relevanten Stakeholdern identifiziert (vgl. ebd.: 36). 3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz 107 Basierend auf drei bereits gebräuchlichen Kriterienkatalogen1 für OSProjekte wurde ein spezifischer Katalog entwickelt, der es ermöglicht, anhand von drei kaskadischen Entscheidungspunkten (Gates) ein reproduzierbares Ergebnis zu etablieren. Dieses System lässt sich in bestehende Entscheidungs- und Innovationsprozesse integrieren (vgl. ebd.: 40). Open Commons: immaterielle, digitale Gemeingüter Im Laufe der Studie wurden auf Basis der Erkenntnisse aus der Forschung, in Abstimmung mit der Stadt Linz, Anpassungen in der Ausrichtung vorgenommen, um eine Realisierbarkeit der Folgeprojekte zu ermöglichen. Die potenzielle Einschränkung durch die ausschließliche Betrachtung von „Open Source“ für diese Studie wurde zugunsten der Open Commons (OC) verworfen, um nicht auf eine Softwarediskussion reduziert zu werden. Dabei „verstehen die Verfasser unter dem Begriff ,Open Commons‘ (OC), dass ein Artefakt (Werk, Erfindung oder sonstiger Gegenstand) frei genutzt werden kann, obwohl es durch das Urheberrecht, Patentrecht oder andere gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen geschützt ist“ (Kempinger et al. 2010: 11). In einer vernetzten Informationsgesellschaft sind immaterielle, digitale Güter wie Daten, Software, Literatur-, Bild-, Ton- und Filmwerke von grundlegender Bedeutung und ebenso wichtig wie materielle Güter. Damit definiert sich auch die Rolle des Staates neu, indem er diese nicht nur verwaltet und gestaltet wie materielle Gemeingüter, sondern durch Bewusstseinsbildung, durch gesetzliche Rahmenbedingungen und durch gezielte Förderung dazu beiträgt, dass sie entstehen und sich entwickeln können (vgl. ebd.: 7). Maßnahmen zur Verankerung einer Open-Commons-Region Die Ergebnisse der Arbeitspakete wurden in sogenannte „Maßnahmenempfehlungen“ übergeleitet. Diese umfassen strategische Handlungen zur Verankerung des Open-Commons-Gedankens in der Region Linz sowie die Initiierung und Etablierung nationaler und internationaler Kooperationen und operationale Handlungen zur Organisation, Koordination und Förderung von Open-Commons-Aktivitäten im Raum Linz (vgl. Kempinger et al. 2010). 1 „Es wurden drei Ansätze identifiziert: OpenBRR, QSOS und QualiPSo“ (Kempinger et al. 2010: 37). 108 Gregor Kratochwill, Stefan Pawel Aus der Studie und den daraus resultierenden Interpretationen lässt sich rasch erkennen, dass das Thema von einer Idee zur Querschnittsmaterie einer Stadt bzw. einer Region geworden ist. Die Herangehensweise an das Thema war so gewählt, dass sowohl AkteurInnen, EntscheiderInnen, die Wissenschaft und die Verwaltung operationalisierbare Empfehlungen erhalten haben, um darauf aufbauend agieren zu können. Erster Realisierungsschritt: Open-Data-Plattform Als erster Schritt aus den Maßnahmenempfehlungen wurde Ende 2010 die Schaffung einer Einrichtung zur Unterstützung und Koordination von OpenCommons-Aktivitäten umgesetzt. Als erstes Projekt für das Jahr 2011 wurde der Aufbau einer Open-Government-Data-Plattform ausgewählt. Auf dieser Website werden Regierungs- und Verwaltungsdaten der Stadt Linz in einer maschinenlesbaren, offen lizenzierten, nicht proprietären Form dauerhaft und kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. Lucke/Geiger 2010). Die Daten werden mit der Lizenz „Creative Commons mit Namensnennung“ (CC-BY) zur Weiterverwendung und Wiederverwertung zur Verfügung gestellt. Alle Interessierten aus der Bevölkerung, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Kunst- und Kulturszene können die Daten miteinander kombinieren und daraus neue Erkenntnisse entwickeln oder neue Services und Applikationen kreieren. Auf dem Open-Data-Portal der Stadt Linz werden in der ersten Phase statistische Daten zur Bevölkerung, Wahlergebnisse, Geodaten, Veranstaltungsdaten, Echtzeitdaten des öffentlichen Verkehrs und Protokolle des Gemeinderates veröffentlicht. Mögliche Synergien im Zusammenwirken der Stadt Linz und der Open-Street-Map-Community können durch den Austausch von Geodaten für beide Seiten eine Qualitätsverbesserung des jeweiligen Datenmaterials bedeuten (vgl. Kempinger et al. 2010). Im Zusammenwirken von BürgerInnen und der Verwaltung werden in den nächsten Monaten noch weitere Daten zugänglich gemacht. Einerseits wissen die MitarbeiterInnen der Verwaltung selbst, welche Datenschätze sie betreuen, und andererseits können die Anforderungen von den Interessierten selbst vorgebracht werden. Für die Zukunft ist geplant, die relevanten Stakeholder, wie Institutionen und Unternehmen, für die Open-Data-Plattform zu gewinnen. Sie stellen weitere Daten zur Verfügung und können dadurch von den neu gewonnenen Erkenntnissen profitieren. Diese Offenheit und der entstehende Know-how-Gewinn stellen einen Standortvorteil für die gesamte 3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz 109 Region dar. Die Entwicklung neuer Anwendungen für Wirtschaft und Verwaltung können des Weiteren die Wirtschaftlichkeit von Leistungserstellungsprozessen und die Wirksamkeit der geschaffenen Leistungen steigern. Ausblick Basierend auf den neuen Technologien (Web 2.0) und Methoden (Crowdsourcing) des Internets, durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle (Open-Source-Business-Modelle) und den Austausch von offenen Daten über Organisationsgrenzen hinweg entsteht eine neue Form des Wirtschaftens und der Kooperation. Die Umsetzung der Open-Commons-Idee stellt eine wichtige Investition in die Zukunft der Region Linz dar und kann zahlreiche positive Impulse geben. Der Geist der Offenheit, der Kreativität und der Kooperation kann zu kooperativem Wettbewerb und einem Standortvorteil der Region führen. Durch den Umstand, dass Daten und damit Wissen offen zur Verfügung steht, können weitere Unternehmen angezogen werden und ebenfalls von dem Umfeld profitieren. Die Stadt Linz unterstützt diese Projekte und möchte ihren Namen als offene, web-affine Stadt noch verstärken (vgl. Forsterleitner 2011). Quellen Forsterleitner, Christian (2011): Die Open Commons Region Linz. Wie man das globale Phänomen Internet lokal gestalten und nutzen kann. In: Luger, Klaus; Mayr, Hans (Hrsg.): Stadtgesellschaft. Werte und Positionen. Linz, S. 211–221 Kempinger, Gerald; Pink, Herbert; Pomberger, Gustav; Plösch, Reinhold; Riedl, René; Schiffer, Stefan (2010): Studie Open-Commons-Region Linz: Fakten, Perspektiven, Maßnahmen. Linz. Online: http://www.schiffer.at/publications/Studie_Open_Commons_Region_Linz.pdf <3.9.2013> Lucke, Jörn von; Geiger, Christian (2010): Open Government Data: Frei verfügbare Daten des öffentlichen Sektors. Gutachten für die Deutsche Telekom AG zur TCity Friedrichshafen. Friedrichshafen. Online: http://www.zu.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf <3.9.2013> Müller, Bettina (2009): Studie OPEN SOURCE Region Linz. Dokumentation der Umfrage QE225. Linz. Online: http://www.freienetze.at/documents/ocr-studie/ AP1.pdf <3.9.2013>. 110 3.5 Willi Kaczorowski E-Government als Teil einer digitalen Stadt Willi Kaczorowski Kurzinfo: Die Stadt der Zukunft steht vor vielen neuen Herausforderungen. Die alternde Gesellschaft macht eine mobile öffentliche Verwaltung notwendig und führt durch die Digitalisierung zu weniger Arbeitskräften im öffentlichen Dienst und macht neue Dienstleistungen erforderlich. Im Bildungsbereich ist eine integrierte Bildungskette von der frühkindlichen Vorbereitung bis zur Fortbildung gefragt, die eine vernetzte Aus- und Fortbildung sowie die Integration von Immigranten leistet. Im Bereich der Wirtschaftsförderung sind die Kommunen gefordert, sich im globalen Wettbewerb stärker zu positionieren und Unternehmer im internationalen Umfeld zu fördern. Gleichzeitig zwingen die Finanzprobleme der Kommunen zu steigender Produktivität der Verwaltung bei reduzierten Kosten. Autor: Willi Kaczorowski ist seit dem 1. Juli 2003 Executive Advisor bei Cisco Systems. In der Internet Business Solutions Group (IBSG) berät er Behörden und Politik bei der Erarbeitung und Implementierung von E-Government-Strategien im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung. Zuvor war er neun Jahre bei den internationalen Beratungsgesellschaften BearingPoint (ehem. KPMG Consulting) und Cap Gemini Ernst & Young tätig. Seine berufliche Laufbahn startete Willi Kaczorowski im öffentlichen Bereich. Dort war er insgesamt acht Jahre bei den Landesverwaltungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie der EU-Kommisison beschäftigt. Willi Kaczorowski lebt in Berlin. E-Government ist mehr als nur Prozessoptimierung und Digitalisierung Die „digitale Stadt“ als Zukunftsvision begegnet diesen Herausforderungen mit verknüpften digitalen Dienstleistungen. Das Zusammenführen aller Prozesse und Anwendungen an eine zentrale Stelle, welche anhand von IP-Netzwerken vielfältige Prozesse und Felder des Stadtmanagements steuert, eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Während die Infrastruktur im Wan- 3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt 111 del ist, entwickeln sich die technologischen Anforderungen weiter. So wird im technologischen Bereich ein permanenter Internetzugang zu jeder Zeit gefordert und damit eine wachsende Breitbanddurchdringung nachgefragt. Diese neue Vernetzung ist erst am Anfang und erfordert Milliarden von neuen Endpunkten und eine zunehmende inter-maschinelle Kommunikation. Die städtischen Ressourcen werden virtualisiert und damit eine effizientere Nutzung der Infrastruktur und eine erhöhte Verfügbarkeit ermöglicht. Anhand sozialer Netzwerke und Web 2.0 können gleichzeitig personalisierte Kommunikationskanäle geschaffen und nutzergenerierte Inhalte erzeugt werden. Die neue Technologie hilft, gesellschaftliche Probleme zu lösen und eine digitale Stadt als Fortsetzung des E-Government zu schaffen. Durch die verstärkte Nutzung „grüner IT“ werden gleichzeitig die Energiewende und regenerative Energien gefördert. Abb. 1 Die digitale Stadt ermöglicht die Steuerung von städtischen Dienstleistungen über IP-Netzwerke (Quelle: go-globe.com) Die Vision der Digitalen Stadt Köln setzt sich als Leitziele operative Exzellenz, Innovationsstärkung, sozialer Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. In allen städtischen Bereichen der Verwaltung, Bildung/Forschung, Innovation/ 112 Willi Kaczorowski Arbeit, Gesundheit/Pflege, Umwelt/Energie, Verkehr sowie öffentliche Sicherheit bietet die Stadt eine IP-Services-Plattform für das Identitäts-, Informations- und Dokumentationsmanagement, für die horizontale und vertikale Vernetzung, Kollaboration, für Web 2.0 und soziale Netzwerke. Die digitale Stadt steuert städtische Dienstleistungen durch IP-Netzwerke in der Kommune und der Region. Dabei wird die neue digitale Verwaltung 2015 über neue Instrumente der Steuerung verfügen. In der internen Verwaltung ermöglichen bereichsübergreifende Vernetzung, Kollaboration, „digital natives“, Videoeinsatz, Trainings und Online-Wissensmanagement eine effizientere Kommunikation. Extern ermöglicht die digitale Verwaltung durch One-Stop-Government, Remote-Videoberatung, App-Government, E-Partizipation, Open Data, Open Government sowie Co-Produktion und Crowdsourcing eine besseres Stadtmanagement und eine umfassende Einbindung der Bürger/innen und weiterer Stakeholder. Digitale Verwaltung 2015 Verwaltung 2015 – Intern Verwaltung 2015 – Extern Ebenenübergreifende Vernetzung Collaboration Digital Natives Videoeinsatz Training Wissensmanagement Cisco IBSG © 2010 Cisco and/or its af filiates. All rights reserved. Cisco Confidential One-Stop-Government Remote Videoberatung App Government ePartizipation Open Data/Government Co-Produktion/ Crowdsourcing Internet Business Solutions Group 7 Abb. 2 Verwaltung: intern vs. extern (eigene Darstellung) Durch die Konvergenz und zentrale Steuerung aller Anwendungen ermöglicht das Konzept digitale Stadt neue Betriebs- und Steuerungsmethoden. So wird im Bereich digitales Verkehrsmanagement durch persönliche Reise- 3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt 113 Assistenz, „grüne Korridore“, Ampel-Management eine optimierte Verkehrssteuerung ermöglicht. Gleichzeitig kann durch koordinierte Videoverkehrsüberwachung, veränderbare Spuren und Fahrradmanagement die Verkehrskontrolle verbessert werden. Dies bedeutet beispielsweise die Reduzierung von Staus, die Verbesserung ökologischer Nachhaltigkeit und die Reduzierung von Umweltschäden sowie die Optimierung von Stadttransport/ -logistik. Im Bereich innere Sicherheit kann durch IP-Anwendungen wie das Polizei-Flottenmanagement, Videoüberwachung, Polizeikommunikation per PDA, Videoanalysen, automatisierte Situationseinschätzungen oder eine automatisierte, effizientere Verbrechensvorbeugung ein besserer Schutz vor Kriminalität erzielt werden. Durch eine schnellere Analyselage, verbesserte Koordination und Reduzierung menschlicher Fehleinschätzungen und Verzögerungen werden die Effizienz der Arbeit erhöht und die Einsätze effektiviert. Im ökologischen Bereich des Stadtmanagements werden durch die Prozesse der digitalen wie Echtzeit-Umweltinformation, städtische Eco-Karten, Wasser Smart Metering und Raummanagement, Abfallmanagement und Lärmbelastungskarten Emissionen/Immissionen reduziert, die Luftqualität verbessert und der Energieverbrauch reduziert. Diese neuen Möglichkeiten fördern das Umweltbewusstsein und ermöglichen ein effizientes Management von Straßen und Parks. Spezielle digitale Konzepte vernetzen Stakeholder der Digitalen Stadt in Köln Ein spezielles Konzept der Digitalen Stadt Köln ist das Smart Work Center für flexible Wissensarbeiter, welches – verkehrsgünstig am Stadtrand gelegen – gute Arbeitsplatzmöglichkeiten mit Kinderbetreuung, sozialen Diensten sowie Kollaborations-Technologien bietet. Ein weiterer Bestandteil der digitalen Stadt ist der „virtuelle BusinessDialog“ zur besseren Vernetzung der Wirtschaftsakteure. Diese Kollaborations- und Dialogplattform ist Bestandteil der städtischen Wirtschaftsförderung zur flexibleren Kommunikation nach außen. Top-Manager geben hier ihre Erfahrungen per Web-Konferenz an Studierende und BusinessStarter weiter. 114 Willi Kaczorowski Vision: Digitale Gemeinsam für ein Digitales Köln Leitziele: Operative Exellenz, Innovationsstärkung, Sozialer Zusammenhalt, Nachhaltigkeit Verwaltung/ Politik Bildung/ Forschung Innovation/ Arbeit Gesundheit/ Pflege Umwelt/ Energie Verkehr Öffentl. Sicherheit Vernetzte LebensweltIP (Arbeit, Bildung, W ohnung, Freizeit …) Städtische Services Plattform Enabler:Identitäts- ,Informations- und Dokumentationsmanagement Horizontale und vertikale Vernetzung Collaboration, Web 2.0 und soziale Netzwerke Digitale Netze für Daten, Sprache, Video – fix und mobil Cisco IBSG © 2010 Cisco and/or its af filiates. All rights reserved. Cisco Confidential Internet Business Solutions Group Abb. 3 Städtische IP-Services-Plattform (eigene Darstellung) Auch im Bereich der Integration bietet die digitale Stadt neue Möglichkeiten. In Köln wird seit einiger Zeit das „Dialog-Café“ für interkulturellen Dialog als digitales soziales Projekt umgesetzt. Diese Non-Profit-Initiative vernetzt verschiedene Gruppen aus der ganzen Welt durch VideokonferenzTechnologie und ermöglicht so, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen und zusammenzuarbeiten. 3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt 115 Dialogue Café für interkulturellen Dialog Dialog Café ist eine Non-Profit-Initiative, die durch Nutzung von Videokonferenz-Technologie zwischen verschiedenen Gruppen Menschen aus der ganzen Welt ermöglicht, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen und zusammenzuarbeiten . So wird die Welt ein besserer Ort.“ Cisco IBSG © 2010 Cisco and/or its af filiates. All rights reserved. Cisco Confidential Abb. 4 Dialog Café (eigene Fotos) Internet Business Solutions Group 116 Willi Kaczorowski 4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung? 4 Sicht von Wirtschaft und Verbänden — Anforderungen an E-Government und Open Data 4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung? 117 Elisabeth Slapio Kurzinfo: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre scheint die Umstellung auf E-Government für die Unternehmen nicht immer der richtige Weg zu sein. Elisabeth Slapio argumentiert, dass E-Government zukunftsweisend bleibt. Allerdings gilt es, die Akzeptanz in der Wirtschaft z.B. durch eine Erhöhung der Relevanz der Angebote für den Firmenalltag sowie eine bessere Darstellung und Vermarkung z.B. der kommunalen E-Government-Angebote zu stärken. Autorin: Elisabeth Slapio ist seit 1985 in der IHK Köln tätig. Zum Verantwortungsbereich der Juristin gehören die Themen Handel, Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne der Branchenbetreuung. Zu ihren Aufgaben zählt zusätzlich die Leitung des Rechenzentrums der IHK. Einleitung Die Europäische Kommission veröffentlichte den „Europäischen E-Government-Aktionsplan 2011–2015“. Er ist trotz seines Untertitels „Einsatz der IKT zur Förderung intelligent, nachhaltig und innovativ handelnder Behörden“ keine Fortschreibung bekannter Argumente zur Optimierung elektronischer Verwaltung. 118 Elisabeth Slapio Die EU beschleunigt den Ausbau der Verwaltungsmodernisierung Vielmehr ergänzt er die schon existierende „Digitale Agenda Europa“, mit der die EU-Kommission uneingeschränkten Zugang zu elektronischen Behördenleistungen sichern will. Ein ambitioniertes Ziel: Bis 2015 sollen dies 50% der EU-Bürger und 80% der Unternehmen können. Diese Vorgabe reizt zu wissenschaftlicher Begleitung, zu praktischen Vorschlägen, dies zu erreichen. Immerhin stellt die EU-Kommission fest, dass die europäischen Staaten umfangreiche Maßnahmen ergriffen haben, die Vorteile der Informationsund Kommunikationstechnologien in Europa auszuschöpfen. Doch grenzüberschreitende elektronische Behördendienste gebe es kaum. Bestünden sie, würden sie laut Kommission kaum genutzt. Gefragt ist einmal mehr nutzerorientiertes Denken: Rein interne Verwaltungsvereinfachung und Prozessoptimierung in den Behörden genügt nicht. E-Government muss deutlich mehr Nutzen für Bürger und Unternehmen haben. Die Botschaft ist eindeutig: Ab 2015 sollen die öffentlichen Verwaltungen Europas in ihren Beziehungen zu Bürgern und Unternehmen offen, flexibel und kooperativ sein. E-Government soll Effizienz und Wirksamkeit von Behördendiensten steigern. Dabei wird man verschiedenen Anwendern gerecht, maximiert den Nutzen für die Öffentlichkeit und unterstützt Europas Entwicklung zum führenden, wissensbasierten Wirtschaftsraum. Dialog mit der Wirtschaft: Welche Prozesse sollen elektronisch unterstützt werden? Doch es fehlt weitgehend an konkreten Vorstellungen, z. B. der Wirtschaft, welche Verwaltungsprozesse elektronisch unterstützt sein sollen, um Mehrwerte zu bieten. Erste Ansätze sind Dienstleistungen im Beschaffungswesen, der Justiz, im Gesundheitswesen, im Umweltbereich oder bei Melde- und Informationsverfahren, die die Mobilität erleichtern. Wenn E-Government-Anwendungen eingerichtet wurden, werden sie dennoch oftmals nicht ausreichend genutzt – trotz der zunehmenden Verbreitung des Internets und elektronischer Anwendungen bei Unternehmen und Bürgern. Eindeutig nutzen immer mehr Bürger immer häufiger elektronische Kommunikationsmittel. Web 2.0 oder Social Media öffnen ein weites Feld 4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung? 119 für zeitgemäßen Dialog zwischen ihnen und Behörden. Dies wirkt auch auf das Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden. Akzeptanz in der Wirtschaft Obwohl die technologische Entwicklung und die Verbreitung von Internettechnologien weit fortgeschritten sind, wird auch in der Wirtschaft über eine sinkende Akzeptanz für E-Government-Anwendungen diskutiert. Manche diskutieren gar, dass E-Government möglicherweise eine technologische Sackgasse sei, weil die hohen Erwartungen in der Praxis eben nicht erfüllt werden. Es gibt viele Gründe, warum sich nach vielen Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Thema E-Government-Prozesse im Alltag nicht durchsetzen konnten. Verständlich ist dies, wenn die Anzahl der Kontakte, die im privaten und unternehmerischen Umfeld mit den jeweiligen kommunalen Einrichtungen bzw. denen auf Landes- oder gar auf Bundesebene gepflegt werden, gering sind. Potenziale liegen dort, wo die elektronische Abwicklung umfangreicherer Genehmigungsverfahren oder regelmäßig wiederkehrender Vorgänge eine Arbeitserleichterung bieten. Nur eingeschränkt ist Electronic Government als Instrument der Prozessoptimierung und Mittel der Kostensenkung geeignet. Unterschätzt werden die anfänglichen Investitionen für IT-Infrastruktur und Softwareapplikationen auf der Verwaltungsseite wie auch die teils nicht unerheblichen Kosten auf der Nutzerseite. Bestes Beispiel ist dafür immer noch der für die digitale Signatur zu beziffernde Aufwand. Hinzu kommen unglückliche Begleitumstände wie etwa bei der Einführung des neuen Personalausweises, die ein kritisches Medien-Echo auslösten. Wenig imagefördernd war auch das Ende von „ELENA“, das mit erheblichen Kosten verbunden war, aber nicht die Erwartungen erfüllte. E-Government bleibt trotz der Zweifel der richtige Weg Trotzdem wäre jetzt der falsche Zeitpunkt, sich von der Idee und den Möglichkeiten von E-Government zu verabschieden. Unbestritten muss sich unsere Gesellschaft immer schneller technischen, demografischen und anderen Herausforderungen stellen. Fragen wie die der Finanzierung öffentlicher Aufgaben, ihrer Vereinbarkeit mit ökologischen Rahmenbedingungen oder 120 Elisabeth Slapio der massive globale Wettbewerbsdruck fordern, sich neu aufzustellen. Waren gestern noch kommunale Websites Antwort auf Kommunikationsportale der Wirtschaft, müssen sich heute Ordnungsämter der Herausforderung stellen, wenn Verabredungen via Facebook zur möglichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit werden. E-Government bleibt also der richtige Weg. Auch ein wirkliches Akzeptanzproblem ist angesichts der Entwicklung der Internetnutzung in der gesamten Gesellschaft nicht feststellbar. Was ist also das Hemmnis für die Fortschreibung des Siegeszuges von E-Government? Die Relevanz der angebotenen E-Prozesse ist noch zu niedrig Der Kern der Herausforderung ist die Relevanz der Angebote für die Praxis der Unternehmen und Bürger. Die Herausforderung ist, elektronische Services so anzubieten, dass sie für Unternehmen effizienter im Vergleich zum Gang zur Behörde oder zur schriftlichen Antragsstellung sind. Das ist noch nicht gelungen, wie die eher schwache Inanspruchnahme des „Einheitlichen Ansprechpartners“ zeigt. Zum anderen belegt dies die unverändert hohe Zurückhaltung der Unternehmen, befragt man sie zur Relevanz von E-Government bei der Abwicklung ihrer Verwaltungskontakte. Dies hängt auch mit dem Begriff „E-Government“ selbst zusammen: Bisher gelang es nicht, die abstrakt wirkende Bezeichnung in Bezug zur Praxis von Wirtschaft und Verwaltung zu bringen. Auch Kommunen, die schon viele Verwaltungsprozesse mit Unternehmen über E-Government abwickeln, präsentieren ihr Angebot selten leicht verständnlich. Es gibt zwar deutliche Anstrengungen, einzelne Projekte und interne Optimierungsverfahren – ebenso deutlich sind aber auch die Defizite von E-GovernmentServices, über die oft zu wenig transparent informiert wird: Vor allem die Internetauftritte der Kommunen nehmen bis heute trotz Behördenfinder und Formularserver nur selten diese Hürde. Selbstverständlich gehört zu Informationen über Genehmigungsverfahren eine Zusammenstellung, die das Verfahren und alle sonstigen Voraussetzungen beschreibt, z.B. die nötigen Unterlagen, Gebühren, Ansprechpartner für den Fall von Rückfragen etc. nennt. Dies kann aber allemal kompakt und verständnlich erfolgen. Zudem sollte sich das Verfahren medienbruchfrei elektronisch abwickeln lassen, verbunden mit interner Prozessoptimierung, um Schwachstellen zu erkennen 4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung? 121 und abzubauen. Ein Selbstversuch und die Recherche zu den Stichworten „Antrag Veranstaltung“ oder „Anmeldung Gewerbe“ seien empfohlen. Das zeigt den Status quo des eigenen E-Government-Angebots. Verständliche Darstellung könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein Kommunen sind wichtige Auftraggeber vor Ort. Aber bis heute stellen nur wenige ihre Vergabeverfahren einfach und verständlich im Internetauftritt dar. Vergaben der öffentlichen Hand wirken sich positiv auf Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb aus, sind aktive Mittelstandspolitik. Dennoch ist die Information darüber für interessierte Unternehmen nur mit hohem Aufwand zu recherchieren. So entsteht kein erkennbarer Vorteil für den Nutzer. Zusätzlicher Aufwand sowie mögliche Risiken stehen aber den Erwartungen der Europäischen Kommission entgegen. Kein Unternehmen wird – mit der bloßen Aussicht auf mehr Effizienz und Wirksamkeit von Behörderndiensten durch E-Government – seine internen Prozesse auf Kompatibilität mit den Schnittstellen elektronischen Verwaltungshandelns prüfen. Deshalb ist ein einfacher elektronischer Zugang zu unternehmensrelevanten Verwaltungsinformationen und Dienstleistungen unabdingbar. 122 4.2 Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus Unternehmenssicht Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól Kurzfassung: Durch die Identifikation einzelner Geschäftsfelder ergeben sich Indizien für das gesamte ökonomische und kommerzielle Potenzial von Linked Open Government Data (LOGD). Dies ist eine hilfreiche Methode, um sich der Frage, welches Potenzial durch die Veröffentlichung von Regierungs- und Verwaltungsdaten freigesetzt werden kann, anzunähern. Doch nicht nur die Wirtschaft ist Datennutzer, es ist in erster Linie auch die Verwaltung selbst. Das McKinsey Global Institute (2011: 54) schätzt, dass die Verwaltung in Europa bis zu 20 Prozent (300 Mrd. EUR) einsparen könnte, wenn sie Informationen transparent gestalten und professionell analysieren würde. Autoren: Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól von der ]init[ AG für digitale Kommunikation Neben den gesellschaftlichen Argumenten für und gegen mehr Transparenz verdient insbesondere der ökonomische Nutzwert einer öffentlichen Informationsinfrastruktur eine weitergehende Betrachtung. Dabei ist die kommerzielle Nutzung öffentlicher Daten prinzipiell bereits jetzt möglich, allerdings ist sie abhängig von Erlaubnis und Lieferung jeder einzelnen Behörde, die für die jeweilige Information verantwortlich ist. Dies ist besonders in föderalistischen Staaten wie Deutschland eine wesentliche Herausforderung, da bei der Entwicklung von Anwendungen mit beispielsweise Daten der Landesebene, insbesondere für den gesamtdeutschen Markt, mindestens 16 verschiedene Anträge, Ansprechpartner, Nutzungsbedingungen, Formate und ggf. Gebühren berücksichtigt werden müssen. Das Risiko, dass es zu Unstimmigkeiten kommt´, ist entsprechend hoch einzustufen – und die Motivation, jenes Risiko einzugehen, oft entsprechend niedrig. Die Notwendigkeit von offenen und vernetzten öffentlichen Daten (Linked Open Government Data) wird somit schnell deutlich, denn sonst bleibt der erhoffte ökonomische Wert für die Verwendung öffentlicher Daten – zwischen 26 und 48 Milliarden Euro für ganz Europa (vgl. MEPSIR 2006: 33) – nur graue Theorie. 4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ... 123 Deswegen müssen u.a.: a) bundesweit, eine proaktive elektronische Bereitstellung von öffentlichen Daten z.B. im Informationsfreiheitsgesetz (IFG) festgeschrieben werden, b) Infrastruktur von Formaten und Metadaten, ähnlich der INSPIRE-Richtlinie für Geodaten, auch für alle anderen Informationen im Sinne der Open-Government-Data-Prinzipien standardisiert werden sowie c) einheitliche Nutzungsbedingungen zur kommerziellen Weiter-/Wiederverwendung z.B. im Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) festgelegt werden, um Rechtssicherheit für Personen oder Unternehmen zu schaffen. Sobald rechtliche Rahmenbedingungen und technische Voraussetzungen bestehen, ist Linked Open Government Data (LOGD) für Unternehmen in vielerlei Hinsicht interessant. Diese Vielfältigkeit lässt sich am besten mittels einer Wertschöpfungskette darstellen, wobei als Grundlage die Wertschöpfungskette eines Medienunternehmens genommen werden kann (vgl. Abb. 1), da in beiden Fällen die gehandelte Ware im weitesten Sinne „Information“ darstellt. Kauf von Textbeiträgen Kauf von Filmbeiträgen Beschaffung von Werbebeiträgen Produktion von Textbeiträgen Produktion von Filmbeiträgen Platzierung von Werbebeiträgen Auswahl der Produktbestandteile Redaktionelle Bearbeitung Druck Bereitstellung von Infrastruktur für Übertragung Verkauf Übertragung Abb. 1 Wertkette in Medienunternehmen nach Wirtz (2009: 60 f.) Denn auch eine Behörde kann zur Beschaffung von Informationen privatwirtschaftliche Unternehmen beauftragen oder diese selbst erstellen (Produktion). Neben der Beschaffung existiert in Medienunternehmen das sogenannte Packaging, das die Selektion und Kombination verschiedener Inhalte und allgemein deren redaktionelle Bearbeitung umfasst. Dies ist in einer öffentlichen Verwaltung nicht anders, wenn auch in reduzierter Form. Primärdaten müssen den Anforderungen entsprechend aufbereitet und in eine (standardisierte) technische Infrastruktur überführt werden (techn. Produktion). Die entsprechende Infrastruktur ist als solches ebenfalls eine Wert- 124 Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól schöpfung, die eine spätere Distribution erst ermöglicht. Mit der Distribution ist aus Sicht der Verwaltung die Wertschöpfung beendet (vgl. Abb. 2). Aus makroökonomischer Sicht sind jedoch die Nutzer in Form von wirtschaftlichen Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen und private Entwickler der entscheidende Faktor. Schließlich wäre ohne die Aufarbeitung und Veredelung von öffentlichen Informationen der eingangs erwähnte ökonomische Wert weitaus geringer. Abb. 2 Wertschöpfungskette von LOGD in der öffentlichen Verwaltung in Anlehnung an Wirtz Geschäftsfelder und Anwendungsfälle Anhand der Phasen der dargestellten Wertschöpfungskette können potenzielle Geschäftsfelder und Anwendungsfälle sowohl im Erstellungsprozess als auch in der letztendlichen Nutzung identifiziert werden: Consulting: Übergreifend sind generell Beratungsdienstleistungen (Consulting) zu nennen, die als Geschäftsfeld bestehen. Hier können methodisches und technisches Know-how sowie organisatorische Kompetenz von der öffentlichen Verwaltung als Dienstleistung abgerufen werden, sei es zur Analyse des Themengebiets oder – bei Umsetzung – zur Vorbereitung der Teilprozesse, wie etwa die Ausgestaltung der Erfassungs- und Pflegeprozesse. Open-Data-/LOGD-Beratung ist ein zentrales Geschäftsmodell, welches bereits durch Unternehmen wie die ]init[ AG angeboten wird. 4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ... 125 Informationserstellung: Die Informationserstellung wird entweder durch die Verwaltung selbst oder in deren Auftrag durch private Dienstleister durchgeführt. LOGD kann aufgrund des notwendigen Standardisierungsprozesses qualitative Änderungen der bisherigen Erfassungsmethode mit sich bringen, sodass beispielsweise mehr nutzenorientierte Erhebung öffentlicher Daten anhand konkreter Nutzeranfragen stattfinden kann. Der Prozess der Informationserstellung ruft somit nicht unbedingt neue Geschäftsmodelle hervor, sondern sorgt eher für eine qualitative Veränderung der bisherigen operativen Handhabung. Aufbereitung: Erstellte Daten müssen in die technische Infrastruktur überführt werden (z.B. XML, RDF, Datenbank, Triple Store). Dies passiert im besten Falle bereits bei der Erhebung – sofern die bestehende Infrastruktur dies hergibt – oder in einem Zwischenschritt der Datenaufbereitung. Hierbei müssen Anreicherung und Semantifizierung erfolgen und Metadaten erstellt sowie Verknüpfungen vorgenommen werden. Ökonomische Chancen für Unternehmen liegen daher z.B. in der Verbesserung des Aufbereitungsprozesses gemäß LOGD-Prinzipien. Technische Bereitstellung: Die technische Bereitstellung betrifft im Kern Datenbanken, die erstellt und gewartet werden müssen und die ein Hosting sowie mit zunehmender Größe auch Optimierungsmaßnahmen und ein dediziertes Zugriffsmanagement erfordern. Dies sind Aufgaben, die von privatwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt werden können. Dabei trifft LOGD gleichzeitig auf andere Themen der Zeit wie Big Data oder Cloud Computing, denn große Datenmengen benötigen eine entsprechend leistungsfähige Infrastruktur. Distribution: Wurden die Informationen bis zu diesem Textabschnitt sozusagen nur „hochgeladen“, muss ebenso ein technischer Zugang zur Distribution ermöglicht werden. Dies geschieht in der Regel durch ein Webportal, welches entsprechende Informationen und Daten als Primärzugang liefert. Auch können bereits erste Visualisierungen dieser Daten in einem solchen Portal ermöglicht werden Das Wort Primärzugang verdeutlicht dabei, dass es sich hierbei um die erste Instanz handelt, durch die die angebotenen Daten veröffentlicht sind. Darüber hinaus ist es natürlich möglich, dass auch andere Portale diese Daten ebenfalls anbieten. Die Erstellung und Pflege von Daten-Webportalen stellt ein Geschäftsmodell dar und muss verschiedenen Anforderungen von Visualisierung, Anfrage- und Suchschnittstellen, stöbernden und gezielt suchenden Verwendungsmustern gerecht werden. 126 Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól Nutzung: Die Nutzung der Daten und deren Veredelung, Rekombination und Interpretation entspricht dem eigentlichen „added value“ von öffentlichten Daten. „Die EU-Kommission verspricht sich von offenen Daten einen gewaltigen wirtschaftlichen Effekt und geht davon aus, dass sie zu neuem Wachstum, neuen Jobs und neuen wirtschaftlichen Aktivitäten führen werden“ (Dax 2011), so Ton Zijlstra, Community-Stewart der von der EU-Kommission finanzierten ePSI-Plattform. Ausgehend von bisherigen Projekten haben sich folgende Anwendungsfälle bzw. Geschäftsmodelle herauskristallisiert: Sekundärzugänge: Ein Sekundärzugang bezeichnet Datenkataloge, die wiederum unter Zuhilfenahme verschiedener Primärzugänge ein umfassenderes Angebot an Daten bieten. Eine Veredelung findet beispielsweise statt, wenn unterschiedliche Primärdatensätze aufbereitet werden, sodass sie untereinander vergleichbar sind. Auch eine bessere Suchfunktion, die bessere Bedienbarkeit der Website oder entwicklerfreundlichere Schnittstellen/Formate können ebenfalls eine Veredelung darstellen. Verzeichnisdienste: Neben dem direkten Verweis auf Datensätze haben sich bereits Verzeichnisse gebildet, die umfangreich Projekte, Anwendungen und Datenkataloge erfassen, beschreiben und verlinken (vgl. Open Data Showroom1). Bisher gibt es allerdings kein „professionelles“ Verzeichnis, welches eine umfassende Übersicht beinhaltet. Für solch ein Portal könnte sich ein werbefinanziertes Geschäftsmodell anbieten. Business-Intelligence-Systeme (BI-Systeme): Das Hauptziel von BISystemen ist es, Entscheidungen des Managements mit Grafikdarstellungen, Berichts- und Recherchefunktionen und der Anbindung an kommerzielle Informationsplattformen zu unterstützen. Die BI-Branche kann von LOGD nur profitieren, da mit neuen Datensätzen, die zur Verfügung stehen, auch neue Datenverknüpfungen entstehen, wodurch umfassendere und aussagekräftigere Interpretationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln möglich sind. Das bedeutet, dass durch die Anbindung von LOGD auch die Umsatzchancen beispielsweise für Entwickler und Betreiber von BI-Systemen steigen. Auch die Verwaltungen können durch ein effizienteres Informationsmanagement profitieren und beispielsweise angepasste BI-Systeme einsetzen. Datenvisualisierung und -journalismus: Durch LOGD wird nun eine Vielzahl an Informationen veröffentlicht, die in ihrem Rohzustand noch 1 http://www.opendata-showroom.org 4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ... 127 keine gezielten Aussagen treffen. Es entsteht somit der Bedarf, diese Daten in einer Form zu visualisieren, die sie verständlicher werden lässt. Zur Datenvisualisierung ist jedoch nicht nur menschliches Know-how nötig. Die Entwicklung und Anpassung entsprechender Tools zur Visualisierung von Daten ist ein weiterer möglicher Geschäftsansatz. Damit ergeben sich hinter dem Begriff „Datenvisualisierung“ streng genommen zwei Geschäftsmodelle: die Datenvisualisierung als solche durch Journalisten/Designer (Stichwort: Datenjournalismus) und die Entwicklung von Software oder Webanwendungen, um dies in einer hochwertigen Form zu ermöglichen. Consumer-Anwendungen und Angebotserweiterungen (Plug-ins): Softwareentwicklung auf Grundlage öffentlicher Daten ist derzeit das meistgenutzte Beispiel, um den Nutzen von LOGD zu demonstrieren. Um die Ideenproduktion zu fördern, wurden daher inzwischen diverse offene Wettbewerbe wie „Apps for Democracy“, „Apps4Berlin“ oder die „Open Data Challenge“ ausgerufen, um Entwickler zu motivieren, Anwendungen für und mit Open Data zu entwickeln. Es muss aber nicht immer eine eigene Anwendung sein. Auch bestehende Anwendungen können dahingehend überprüft werden, ob eine Verwendung öffentlicher Daten eine Bereicherung darstellen kann, wodurch sich das besagte Produkt besser verkaufen könnte. Verallgemeinert kann man also eine Aussage wagen, dass Geschäftsmodelle nicht nur öffentliche Daten veredeln, sondern umgekehrt öffentliche Daten auch die bestehenden Geschäftsmodelle veredeln werden. Quellen Dax, Patrick (2011): Offene Daten: Verwaltung im Wandel. Interview mit Ton Zijlstra. Online: http://futurezone.at/netzpolitik/3641-offene-daten-verwaltungim-wandel.php <3.9.2013> McKinsey Global Institute (Hrsg.) (2011): Big data: The next frontier for innovation, competition, and productivity. Online: http://www.mckinsey.com/insights/business_technology/big_data_the_next_frontier_for_innovation <3.9.2013> MEPSIR (Hrsg.) (2006): Final Report of Study on Exploitation of public sector information. Online: http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/docs/ pdfs/mepsir/final_report.pdf <3.9.2013>. Wirtz, Bernd W. (2009): Medien- und Internetmanagement. 6. Aufl., Wiesbaden: Gabler/GWV. 128 4.3 Frank Hogrebe, Wilfried Kruse One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0 Frank Hogrebe, Wilfried Kruse Kurzinfo: Virtualisierung und Leistungsbündelung sind Grundvoraussetzungen für ein wirtschaftsorientiertes One-Stop-E-Government für Unternehmen. Der Beitrag adressiert diesen strategischen Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft und stellt – neben der Technisierung – den zukünftig nötigen Bewusstseinswandel auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0 besonders heraus. Potenziale, gemeinsame Denke und Sprache werden vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung diskutiert und bewertet. Autoren: Prof. Dr. Frank Hogrebe ist wissenschaftlicher Direktor von IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH. Im Mai 2011 übernahm der studierte Diplom-Verwaltungswirt, Diplom-Betriebswirt, Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann Prof. Dr. Hogrebe die Professur für Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung im Fachbereich Verwaltung. Wilfried Kruse ist Institutsgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH. Unternehmen im Zentrum von Verwaltungsservices Die effiziente Unterstützung der Unternehmen in Deutschland ist eine vorrangige Herausforderung, die nicht in den Kürbereich für öffentliche Verwaltungen fällt, sondern in den Kernbereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Dabei müssen alle staatlichen Institutionen der fortschreitenden Technisierung in den Unternehmen Rechnung tragen – und dies im Bewusstsein, dass die Wirtschaft in der informationstechnischen Entwicklung meist deutlich weiter fortgeschritten ist als die staatlichen Ebenen, die sie adressieren. Leistungsbündelung und Virtualisierung sind hier seit Jahren wichtige Differenzierungskriterien (vgl. Hogrebe/van Kempen/Nüttgens 2010, Nüttgens/Hogrebe 2008), die als Treiber und Anker in den öffentlichen Verwal- 4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ... 129 tungen die Richtung mitbestimmen. Unternehmen stehen hierbei im Hauptfokus von Aktion und Kommunikation, da sie die Basis der Wirtschaftskraft in Deutschland und damit des Wohlstandes einer ganzen Gesellschaft legen. Ein wirtschaftsorientiertes One-Stop-E-Government für Unternehmen ist daher zwingend, will man den Unternehmen möglichst geeignete Rahmenbedingungen bereitstellen, die sie auf dem Weltmarkt nachhaltig konkurrenzfähig machen. Zwar kann und soll die öffentliche Verwaltung unternehmerische Entscheidungen letztlich nur flankieren, jedoch müssen Behördengänge, das Finden von Ansprechpartnern oder die Einleitung und Abwicklung elektronischer Verwaltungsverfahren nach aller Möglichkeit medienbruchfrei und durchgängig online möglich sein – und nicht nur in ausgewählten Fachverfahren. Unternehmen, insbesondere deren Erfordernis nach möglichst schnellen und kostengünstigen Investitionsentscheidungen, stehen im Hauptfokus der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Auch im Interesse der Arbeitsplätze und der notwendigen Produktivität sind Unternehmen ins Zentrum von Verwaltungsservices zu stellen, wobei die Technisierung und Modernisierung durch korrespondierende Aktions- und Kommunikationskonzepte eingeleitet und durchgeführt werden sollten. One-Stop-E-Government für Unternehmen Mittels der Terminologie „One-Stop-Government“ werden „organisatorische Konzepte zur Bündelung öffentlicher Dienstleistungen an einem Ort und aus einer Hand“ (Hogrebe/Kruse/Nüttgens 2008: 355) subsumiert. „Durch eine elektronische Verfügbarkeit der Leistungspalette des One-Stop-Government wird dieses zum elektronischen One-Stop-Government, kurz ,One-StopeGovernment‘“ (ebd.: 355 f.). Nicht erst mit „Blick auf die EU-Dienstleistungsrichtlinie sollen Unternehmen auch ,aus der Ferne‘ die zur Dienstleistungsaufnahme und -ausübung notwendigen Formalitäten und Verfahren abwickeln können. Eine Virtualisierung bedingt, dass öffentliche Dienstleistungen digital und somit papierlos zur Verfügung stehen. Der Grad der Virtualisierung beschreibt dabei, inwiefern ein Anliegen aus Sicht des Kunden orts- und zeitunabhängig abgewickelt wird [werden kann]“ (ebd.: 356). Im Weiteren stellt im One-StopE-Government der Integrationsaspekt ein bedeutsames Aufgabenfeld dar. Papierloser Austausch von Daten, Diensten und Informationen bilden eine 130 Frank Hogrebe, Wilfried Kruse Grundsäule für die Kommunikation innerhalb und zwischen der öffentlichen Verwaltung und den Unternehmen. Besonders in der Korrespondenz und Ausführung von notwendigen Informationspflichten gegenüber Behörden sind aus Sicht der Unternehmen technische Angebote seitens der öffentlichen Verwaltung bereitzustellen, die elektronisch zeit- und ortsunabhängig gewährleisten – direkt aus den eigenen Unternehmenssystemen generiert –, notwendige Informationen der Verwaltung online zur Verfügung zu stellen. Hier ist der Umsetzungsstand in Deutschland noch weit entfernt von jenem in europäischen Nachbarländern (wie Österreich). Auch ist die Frage, was notwendige Informationspflichten sind, immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Denn letztlich bindet jede Informationspflicht Ressourcen im Unternehmen, die nicht direkt in den Produktions- und Leistungserstellungsprozess eingesetzt werden können, gleichwohl aber in den Kalkulations- und damit Preisstrukturen zu berücksichtigen sind. Strategischer Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft Solche unternehmensbezogenen One-Stop-E-Government-Angebote sind es, die in Zukunft einen entscheidenden „harten“ Faktor für die Standortwahl und -sicherung von Unternehmen darstellen. Besonders vor dem Hintergrund der Globalisierung von Unternehmensstrukturen und damit weltweiten Unternehmensverflechtungen stellen zeit- und ortsunabhängige elektronische Serviceangebote für Unternehmen einen – in vielen Ländern (wie Slowenien oder Österreich) bereits heute selbstverständlichen – Mehrwert für die Unternehmen dar. Denn eines darf bei allem – auch in Teilen heute (noch) berechtigten – Selbstbewusstsein und bei der aktuellen Stärke des Standortes Deutschland keinesfalls für die Zukunft in seiner besonderen Dynamik und Wachstumsfähigkeit in den Hintergrund treten: Die Innovationsdynamik weltweiter, besonders asiatischer Märkte mit einer nach Hochtechnologie strebenden, übergroßen und hochmotivierten Masse von demnächst bestausgebildeten Hochschulabsolventen – allein in China und Indien –, die zudem noch lange Jahre in Zukunft (viele Jahre) zu vergleichsweise geringen Kosten produzieren können! Diese schließt bereits heute auf vielen Wirtschaftsfeldern einen Preiswettbewerb mit europäischen und deutschen Produkten und Dienstleistungen (fast) aus. Umso wichtiger ist es daher, dass nicht Zuständigkeitsfragen und 4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ... 131 -wirrwarr die staatlichen Ebenen „lähmen“, sondern zielgerichtete ebenenund regionenübergreifende Konzepte und Lösungen (vgl. Habbel/Huber 2010) sowie zügige und ergebnisorientierte Handlungsweisen möglichst „flächendeckend“ Einzug halten. One-Stop-E-Government für Unternehmen ist in diesem Kontext ein entscheidender strategischer Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren drastisch an Wert gewinnen wird, wenn es denn gelingt, ihn konsequent zu entwickeln und im täglichen Kommunikationsprozess zwischen Wirtschaft und Verwaltung als „Normalität“ und „Standard“ zu etablieren. Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0 Stellt sich die Frage, warum bisher in der Fläche unternehmensbezogene Verwaltungsleistungen immer noch nicht virtuell zugänglich sind, sondern sich auf Teilbereiche und partielle „Leuchtturmprojekte“ reduzieren. Fragt man Entscheidungsträger, die seit vielen Jahrzehnten in Verwaltung und IT tätig sind, nach den Gründen, zeigt sich folgendes Bild: Es fehlt (immer noch) an der nötigen Sensibilität (und damit Priorität), die digitale Verwaltung wirklich in den Fokus von Investitionen und Entscheidungen zu stellen. Hier ist ein radikaler Bewusstseinswandel nötig auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0. Wird in den Versionierungen 2.0 und 3.0 (vgl. Kruse 2011, Krause 2008) auf die medienbruchfreie und integrative Interoperabilität fokussiert, so kommt durch „Verwaltung 4.0“ die personalspezifische Komponente, das zum Erfolg eines solchen Prozesses in den Köpfen, insbesondere in den öffentlichen „Führungsetagen“ auf allen föderalen Ebenen notwendige „Changemanagement“ und damit der notwendige Bewusstseinswandel, systematisch in den Fokus. Es gilt, von der bisher immer noch eher statischen Verwaltungshaltung strategisch und im Tagesgeschäft zu „automatisierter“ und „elektrifizierter“ Ergebnisdynamik zu „mutieren“! Dass dabei immer der Rahmen unserer Rechtsordnung zu wahren ist, versteht sich von selbst. Dies schließt einen solchen Wandel auf breiter Ebene aber nicht aus und sollte nicht länger als „Ausrede“ zahlreicher „Gestriger“ zugelassen werden, die die Konkurrenzdynamik in Asien bisher nicht wirklich und auch nicht persönlich kennen- und fürchten gelernt haben! 132 Frank Hogrebe, Wilfried Kruse Es geht letztlich nicht um die Frage, welche technische Komponente gerade noch fehlt oder für welchen Dienstleister man sich konkret entscheiden möge. Entscheidend ist vielmehr, dass in den Köpfen der Entscheider die Notwendigkeit von kooperativen Projekten und Zielen zum Nutzen aller Beteiligten in den absoluten Vordergrund treten. Die digitalen Verwaltung 4.0 vereint Potenziale, gemeinsame Denke und Sprache. Ressort- und Gebietsdenke müssen überwunden werden, mit Blick auf den sich täglich verschärfenden globalen Wettbewerb und den uns in die nächsten Jahren mit großer Wucht treffenden demografischen Herausforderungen, die Kooperationen, Innovationen und Kreativpotenziale auch im Verwaltungssektor unausweichlich und zwingend notwendig werden lassen – wenn nicht Wachstum und Investitionen gehemmt und gefährdet werden sollen und damit langfristig der Wohlstand einer ganzen Gesellschaft. Quellen Habbel, Franz-Reinhard; Huber, Andreas (Hrsg.) (2010): Wirtschaftsförderung 2.0. Erfolgreiche Strategien der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verwaltung und Politik in Clustern und sozialen Netzwerken. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch. Hogrebe, Frank; Kruse, Wilfried; Nüttgens, Markus (2008): One-Stop-eGovernment für Unternehmen: Ein Bezugsrahmen zur Virtualisierung und Bündelung öffentlicher Dienstleistungen am Beispiel der Landeshauptstadt Düsseldorf. In: Bichler, Martin (Hrsg.): Proceedings der Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI) 2008, Garching, 26.–28. Febr. 2008. Berlin: Gito, S. 353–364. Hogrebe, F.; van Kempen, B.; Nüttgens, M. (2010): Elektronische Verfahrensabwicklung von G2B-eServices: Vorgehensmodell und Anwendungsfall zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. In: Schumann, M.; Kolbe, L. M.; Breitner, M. H.; Frerichs, A. (Hrsg.): Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI) 2010, Göttingen, 23.–25. Febr. 2010. Göttingen: Universitätsverlag, S. 1411–1422. Krause, R. (2008): Verwaltung 3.0 – Die Verwaltung erfindet sich neu. Managementerfahrungen bei der Integration der deutschen Außenwirtschaftsförderung. 13. Ministerialkongress. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Kruse, W. (2011): E-Government-Strategien in der öffentlichen Verwaltung. Kongress e-nrw. Online: http://www.e-nrw.info/icc/e-nrw/nav/569/binarywriterservlet?imgUid=1ec36c20-d802-431e-66d1-e917b988f2ee&uBasVariant=111111111111-1111-1111-111111111111 <24.10.2013>. 4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ... 133 Nüttgens, M.; Hogrebe, F. (2008): Vollvirtualisierung am Beispiel des öffentlichen Sektors: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. In: Nüttgens, M. (Hrsg.): Arbeitsberichte zur Wirtschaftsinformatik der Universität Hamburg, Nr. 1 / Juni 2008. 134 4.4 Wencke Bagger, Martin Gaedt Regionales Empfehlungs-Recruiting — Die öffentliche Hand als Anstoßgeber Wencke Bagger, Martin Gaedt Kurzinfo: Trotz Web 2.0, Social Media, Online Recruiting und zwei Jahrzehnten World Wide Web nutzen viele Unternehmen, vor allem KMU, noch immer nicht die Potenziale des Internets, um potenzielle Mitarbeiter anzusprechen und für sich zu begeistern. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Debatte eines Fachkräftemangels ist dies für einzelne Unternehmen existenzbedrohend.Zudem liegt in gängigen Rekrutierungsprozessen eine enorme Verschwendung vor, die bisher nicht erkannt wurde. Die öffentliche Hand kann hier im Rahmen der Wirtschaftsförderung eine Vorreiterstellung einnehmen und sich als modern und innovativ positionieren – mit der Anregung zu Empfehlungs-Recruiting sowie der Initiierung regionaler Talentpools. Autoren: Wencke Bagger (Jg. 1982) fand über den Talentpool zur Younect GmbH und ist dort für Online-Redaktion und Marketing verantwortlich. Zudem ist die Diplom-Kauffrau als freiberufliche Redakteurin tätig, vorrangig zum Thema Bewerbungsprozesse. Martin Gaedt (Jg. 1968) ist Gründer und Geschäftsführer der Younect GmbH. Seit 2007 hinterfragt er Unsinnigkeiten im Bewerbermarkt und etabliert neue Wege. Er berät und unterstützt Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Karriereseite, coacht Personalverantwortliche und Berufssuchende, unterrichtet Dienstleistungs-Marketing und Innovationsmanagement und unterstützt Politik und Verwaltung regional mit Lösungen zur Stärkung des Arbeitsmarktes vor Ort. Verteilungsproblem auf dem Arbeitsmarkt Viele Unternehmen klagen über zu wenig Bewerbungseingänge und die Schwierigkeit, geeignete Fachkräfte zu finden. Doch nicht alle sind davon in demselben Maße betroffen. Bekannte Unternehmen erfreuen sich, trotz viel diskutiertem Fachkräftemangel, noch immer an ausreichend Interessierten. Es sind die unscheinbaren Regionen und Firmen, die von Talenten nicht gefunden werden. Wo die einen genug haben, haben die anderen zu wenig – 4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ... 135 ein Verteilungsproblem, das mithilfe der öffentlichen Hand behoben werden könnte. Ungenutztes Potenzial in Rekrutierungsprozessen In gängigen Rekrutierungsprozessen liegt eine enorme Verschwendung vor: Gute Kandidaten, die nicht eingestellt werden konnten, werden fortgeschickt. Oft entscheiden nur Nuancen im Einstellungsprozess über Zu- oder Absage; abgelehnt heißt nicht gleichzeitig ungeeignet. Die zweit- und drittplatzierten Bewerber stellen also ein bisher stark vernachlässigtes Potenzial dar, das ungenutzt verloren geht – für Unternehmen sowie für Verwaltungen und damit für ganze Regionen. Einige Unternehmen, gerade solche, die aufgrund räumlicher Nähe oder Branchenähnlichkeit in gutem Kontakt stehen, versuchen das oben genannte Verteilungsproblem zu bewältigen, indem sie sich gegenseitig Daten und Unterlagen von Bewerbern, die sie nicht einstellen konnten, zuspielen. Der Ansatz ist richtig, nur wird hierbei – ohne Einverständnis des Bewerbers – gegen das Datenschutzgesetz verstoßen. An diesem Punkt könnte die öffentliche Hand unterstützend eingreifen und der Wirtschaft ein Instrument liefern, mit dem ein standardisiertes und datenschutzrechtlich korrektes Weiterempfehlen von Bewerbern ermöglicht wird, um somit der Verschwendung des Potenzials guter zweit- und drittplatzierter Bewerber entgegenzutreten. Mit regionalen Talentpools können Kommunen ansässigen Unternehmen ein Instrument an die Hand geben, mit dem diese ihren Mitarbeiter-Bedarf effizient und effektiv decken können. Gleichzeitig können Kommunen ihren Bürgern durch die entstehende Vernetzung vermehrt zu Jobs verhelfen und so Abwanderung vermeiden. Regionale Talentpools Ein regionaler Talentpool stellt ein webbasiertes, geschlossenes Netzwerk dar, das Empfehlungs-Recruiting ermöglicht (vgl. Younect 2013): Verschiedene Unternehmen bzw. Organisationseinheiten einer Region oder Branche sind an einen von der Kommune initiierten Talentpool angeschlossen und empfehlen sich gegenseitig gute Bewerber weiter, die z.B. aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht eingestellt werden konnten. 136 Wencke Bagger, Martin Gaedt Gute Kandidaten erhalten anstatt der gängigen Absage eine E-Mail-Einladung in einen regionalen Talentpool. Nimmt der Bewerber die Einladung an, erstellt er ein Profil und präsentiert sich somit gleichzeitig allen angeschlossenen Unternehmen bzw. Organisationen. Die Talentpool-Partner werden via E-Mail über neue Empfehlungen informiert, können geeignete Kanndidaten kontaktieren und bei Interesse zu einem Vorstellungsgespräch einladen. So wird das bisher ungenutzte Potenzial an Fachkräften optimal zugänglich und nutzbar gemacht. Diese mögliche, von der öffentlichen Hand angeregte Kooperation zwischen Kommune, Unternehmen und Bürgern könnte auf einer Online-Plattform stattfinden, die ohne Software-Installation durch einfache Registrierung zugänglich ist. Abb. 1 Funktionsweise des Talentpools (Quelle: Younect) Wertschöpfung für die Wirtschaft Verwaltungsmodernisierung bedeutet nicht nur, E-Government aufzubauen und einzusetzen, sondern innovative Problemlösungsstrategien zu erarbeiten 4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ... 137 und diese der Wirtschaft zugänglich zu machen. Mit der Initiierung regionaler Talentpools und der Motivation zu Empfehlungs-Recruiting im Unternehmensverbund eröffnet die öffentliche Hand Unternehmen und Fachkräften vielfältige Potenziale. Employer Branding Empfehlungs-Recruiting in standardisierter Form ist neu und mutig, beinhaltet es doch einen Wertewandel: • Die Leistung guter, aber abgelehnter Kandidaten wird durch die Weiterempfehlung honoriert und gewertschätzt, statt mit einer Standardabsage missachtet. • Unternehmen einer Region werden zusammen mit der Verwaltung als Teil einer gemeinsamen Wertschöpfungskette anerkannt, statt als Konkurrenten mit einer „Jeder gegen Jeden“-Mentalität. Ein solch innovativer Ansatz stärkt sowohl die Arbeitgebermarke ansässiger Unternehmen als auch das Image der Region. Unternehmerisches Netzwerken und optimale Nutzung gegebener Potenziale wirkt authentisch und zukunftsweisend und damit attraktiv für Fachkräfte. Gesicherte Qualität durch Vorselektion Der herkömmliche Rekrutierungsprozess ist langwierig und hält gerade in KMUs oft vom Tagesgeschäft ab. Durch Empfehlungs-Recruiting mittels Talentpool werden Informationsaufwand und Entscheidungsrisiko im Vorfeld für Personaler reduziert, denn Empfehlung bedeutet Vorauswahl. Unternehmen kennen die Anforderungen an Bewerber und können gut einschätzen, ob sie geeignet und damit empfehlenswert sind. Viele Personalverantwortliche bemängeln nicht nur die weniger werdenden Bewerbungseingänge, sondern auch eine nachlassende Qualität der Bewerbungen (vgl. StepStone 2013). Mit der Initiierung regionaler Talentpools kann die öffentliche Hand dazu beitragen, dass die Wirtschaft schneller an geeignete Fachkräfte kommt. Kostenoptimierung Über den Talentpool lassen sich gezielter geeignete Kandidaten aufspüren und ansprechen. Daher führt Empfehlungs-Recruiting dazu, dass die Kosten z.B. bzgl. Anzeigenschaltung und Auswahlprozess reduziert werden können. Außerdem verpuffen die Investitionen für HR-Maßnahmen nicht in dem Moment, in dem ein Bewerber eingestellt wird, sondern sie verteilen sich 138 Wencke Bagger, Martin Gaedt noch auf die zweit- und drittplatzierten Kandidaten. Wichtige Erkenntnisse über Bewerber, die im Auswahlprozess gewonnen werden konnten, werden nicht länger verworfen, sondern sinnvoll weitergenutzt. Hidden Champions werden sichtbar Viele KMUs sind den potenziellen Fachkräften schlichtweg unbekannt, auch die in Deutschland zahlreich angesiedelten Hidden Champions. Empfehlen Unternehmen ihre zweit- und drittplatzierten Bewerber in den Talentpool weiter, erreicht der Kandidat mit seinem Profil insbesondere auch die Unternehmen, die er entweder nicht kannte oder bei denen er sich aufgrund mangelnder oder falscher Informationen nicht beworben hätte. Gerade da mittelständische Unternehmen nicht mit den Werbeetats großer Unternehmen mithalten können, ist der Talentpool für sie ein willkommenes RecruitingInstrument. Unterstützung im War for Talents Unternehmen werden sich zunehmend bei Fachkräften bewerben müssen. Viele haben damit ein Problem, es fällt ihnen schwer, ihre bisher überlegene Position aufzugeben und die Seite zu wechseln. Durch die Initiierung regionaler Talentpools unterstützt die öffentliche Hand Unternehmen dabei, selbst die besten Kandidaten zu gewinnen, anstatt teure Headhunter beauftragen zu müssen. Die öffentliche Hand als Anstoßgeber und Innovationsträger Die Kommune liefert die Idee, setzt Impulse und stellt den Rahmen bereit, in dem Empfehlungs-Recruiting in der und für die Region stattfinden kann. Sie kann der Wirtschaft den Anstoß geben, sich als Teil einer Wertschöpfungskette zu verstehen, gemeinsam die Potenziale des Arbeitsmarktes zu nutzen und damit die gesamte Wirtschaft zu stärken und zu stabilisieren. Indem die Verwaltung der Wirtschaft ein Instrument zur MitarbeiterRekrutierung in Form eines webbasierten Netzwerkes zur Verfügung stellt, vermittelt sie Unternehmen und Bürgern, dass sie modern und zeitgemäß agiert, und stärkt damit das Vertrauen in die Verwaltungsarbeit. Zudem stellt der Ansatz regionaler Talentpools als vernetzende IT-Lösung eine völlig neue Herangehensweise dar. Die Verwaltung kann sich damit als Trendsetter und Innovationsträger positionieren. 4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ... 139 Quellen StepStone (Hrsg.) (2013): Online-Umfrage Jobsuche 2013. Online: http://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/presse/loader.cfm?csModule=security/getfile&pageid=31703 <3.9.2013> Younect (Hrsg.) (2013): Empfehlungs-Recruiting: Die standardisierte und datenschutzrechtlich korrekte Weiterempfehlung guter Bewerber. 140 4.5 Edda Peters Öffentliche Beschaffung Edda Peters Kurzinfo: Mittels elektronischer Verwaltungsverfahren können die Herausforderungen modernenr Verwaltungsarbeit besser bewältigt werden. Beschaffung ist einer der großen Verwaltungsprozesse und kann besonders gut elektronisch unterstützt werden: Durch die Verwendung von Beschaffungsplattformen werden eingereichte Angebote besser vergleichbar, das Management des Entscheidungsprozesses wird transparenter und einfacher und die Kommunilation mit den zahlreich einzubindenden Stellen wird sehr vereinfacht. Autorin: Edda Peters ist seit 1987 Geschäftsführerin der subreport Verlag Schawe GmbH. Edda Peters engagiert sich seit langem aktiv für den E-Government-Standort Deutschland und ist Mitglied zahlreicher Initiativen und Verbände. Eine ihrer Maximen ist, alles das, was das Unternehmen erwirtschaftet, wiederum in Technik, Technologie und MitarbeiterInnen zu investieren. Ein Resultat: subreport gehört zum Kreis der „TOP 100“, den 100 innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand. Weltspitze in Sicht? Haushaltskonsolidierung, Nachhaltigkeit, Wissensmanagement, Partizipation und vieles andere mehr: Die Kommunen in Deutschland werden mit Forderungen aus Politik und Wirtschaft nur so überhäuft. Der wachsende Wettbewerb der Regionen im europäischen und globalen Kontext und die damit verbundenen Anforderungen machen die Arbeit auch nicht gerade einfacher. Und die Bundesregierung hat weitere ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll deutsches E-Government an der Weltspitze stehen. So mancher der Verantwortlichen vor Ort fragt sich da: Ist das alles überhaupt noch zu bewältigen? Und von wem eigentlich? Ist womöglich, gerade angesichts von Stellenabbau und demografischem Wandel, Kapitulation die einzige Option, die bleibt? Es gibt einen Weg aus der Misere. Denn (gute) E-Government-Lösungen können einen großen Beitrag dazu leisten, die Herausforderungen zu bewälti- 4.5 Öffentliche Beschaffung 141 gen. Sie helfen dabei zu sparen, zusammenzuarbeiten, mehr zu wissen, einfach mehr zu erreichen. subreport CAMPUS steht exemplarisch für solche zukunftsweisenden – weil vernetzte und vernetzende – Lösungen. Ohne ist unverzeihlich Der elektronische Austausch von Informationen zwischen Kommunen und Unternehmen entwickelt sich auf manchen Gebieten viel besser, als oft angenommen wird. Deutlich wird das am Beispiel der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge. In Deutschland werden jährlich Aufträge mit einem Volumen von bis zu 350 Milliarden Euro vergeben. In der EU liegt der Anteil öffentlicher Aufträge am Bruttoinlandsprodukt bei mehr als 1,6 Billionen Euro – ein interessanter Markt also, für Unternehmen jeder Branche. Denn die öffentliche Hand kauft alles ein – von Lebensmitteln, Schulbüchern und Betten über Werbung, Computer und Seminare bis hin zu Bekleidung und Bauleistungen. Die elektronische Vergabe als Nachfolger des herkömmlichen Papierverfahrens gilt dabei als Referenzgebiet des E-Government. Denn neutrale Prozesskostenanalysen öffentlicher Auftraggeber, die mit der E-VergabePlattform subreport ELViS arbeiten, belegen: Eine mittlere Kommune spart alleine durch den Download der Vergabeunterlagen pro Vergabeverfahren zwischen EUR 750,00 und EUR 1000,00. Professor Heckmann von der Universität Passau betonte daher erst kürzlich beim Kölner Vergabetag 2012, dass die elektronische Vergabe durchaus ein Motor für E-Government werden kann – so wie E-Government ein Motor für die Verwaltungsmodernisierung. Und da diese wiederum die Grundlage für ein zeitgemäßes Gemeinwesen ist, ist seines Erachtens „vergeben ohne Internet eben unverzeihlich“. Natürlich hat er Recht. Und bald zwölf Jahre nach ihrer Einführung sollte die elektronische Vergabe heute genau deshalb zum Pflichtprogramm der öffentlichen Beschaffung gehören. Auch wenn es ganz soweit noch nicht ist, in letzter Zeit passiert eine ganze Menge. Alleine die E-Vergabe-Plattform subreport ELViS hat in Bezug auf die Zahl der elektronischen Ausschreibungen eine Steigerung von 31,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Es geht also wirklich voran. Und Brüssel verleiht dem Thema auch noch neuen Schwung. 142 Edda Peters EU zeigt Ehrgeiz Am 20.04.2012 hat die Europäische Kommission eine Strategie vorgestellt, die den Ausbau von E-Vergabe-Plattformen beschleunigen und den Steuerzahler erheblich entlasten will. Bis Mitte 2016 soll die elektronische Vergabe europaweit zum Standard öffentlicher Vergabeverfahren werden. Auch EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier ist der Überzeugung, dass sich durch die elektronische Auftragsvergabe ein beträchtliches, bisher noch ungenutztes Potenzial für die EU-Wirtschaft erschließen lässt. Die Beschaffungsverfahren werden erleichtert, Verwaltungsaufwand und Kosten reduziert, die Beteiligung von kleineren und mittleren Unternehmen erhöht, die Qualität gesteigert und die Preise gesenkt. Das alles stimmt. Nur: In manchen europäischen Ländern wirkt das elektronische Beschaffungswesen auf Unternehmen wie ein AusschreibungsBabylon. In Deutschland beispielsweise unterscheiden sich elektronische Vergabeplattformen von Kommune zu Kommune, von Land zu Land und von Ministerium zu Ministerium. Dieser Flickenteppich – bestehend aus etwa 60 verschiedenen Plattformen – ist für bundesweit agierende Unternehmen ein Grund, sich nicht oder kaum an der E-Vergabe zu beteiligen. Denn es bedeutet für sie: Registrierung an 60 Plattformen, Pflege der eigenen Daten auf 60 Plattformen, unterschiedliche Technik, Oberflächen und Geschäftsmodelle. Das ist für kaum eine Firma attraktiv. Es muss also etwas getan werden für die Interessen der Unternehmen – damit E-Vergabe die Akzeptanz der Bieter auch in der Breite findet und alle Beteiligten endlich das Geld sparen, das sie der herkömmliche Papierweg Tag für Tag kostet. Auch hier jedoch gibt es gute Nachrichten. Vernetzen, die Erste Falsch ist es (wie immer), nach der ultimativen Lösung zu rufen, der staatlich verordneten Standardplattform. Technologischer Stillstand wäre die unvermeidbare Folge. Viel besser ist, vorhandene und künftige E-Vergabe-Plattformen über Adapter miteinander zu verbinden, ihnen beizubringen, miteinander zu sprechen. Interoperabilität heißt das Stichwort und ist Gegenstand und Ziel des Projektes XVergabe der Bundesregierung. XVergabe soll dem E-Vergabe- 4.5 Öffentliche Beschaffung 143 Babylon durch Interoperabilität endlich ein Ende setzen. Wir haben diese Initiative von Anfang an aktiv unterstützt. Ein wichtiges Datum nach vielen Jahren Arbeit war der 26.06.2012. An diesem Tag wurde den Experten der EU-Kommission in Brüssel ein von uns mit Unterstützung von Fraunhofer FOKUS auf der Basis der XVergabe-Spezifikationen entwickelter Adapter vorgestellt, der es Bietern ermöglicht, mit nur einem Werkzeug viele verschiedene E-Vergabe-Plattformen zu nutzen. Exemplarisch wurde der Kommission demonstriert, wie mit dem subreport-Adapter Informationen von der E-Vergabe-Plattform des Bundes abgerufen, Vergabeunterlagen heruntergeladen und Angebote abgegeben werden können. Die Vorführung war ein großer Erfolg für die XVergabe und damit die EVergabe in Deutschland, kein Zweifel. Und subreport geht sogar noch weiter. Vernetzen, die Zweite Nomen est omen: Mit „XVergabe de Luxe“ liegt schon heute ein Werkzeug vor, das noch mehr Möglichkeiten als XVergabe bietet. Denn XVergabe de Luxe ist eingebettet in einen größeren Zusammenhang. Dieser Zusammenhang heißt subreport CAMPUS. CAMPUS ist das neue Systemangebot für Wirtschaft und Verwaltung – für Beschaffung, Information und Zusammenarbeit. Es ist dieses Umfeld, das XVergabe de Luxe so attraktiv macht. Konkret: subreport CAMPUS vernetzt Auftraggeber und Unternehmen mehr, als es jemals der Fall war. So präsentieren Unternehmen ihr Leistungsprofil in den Lieferantendatenbänken des Portals. Und auf der anderen Seite finden Auftraggeber hier bewährte oder neue Unternehmen. Denn wer wirtschaftlich beschaffen will, braucht eben leistungsfähige, kompetente und erfahrene Firmen. Die ausgewählten Lieferantendaten können sofort für elektronische Beschaffungsvorhaben genutzt werden. Und zwar nicht nur dann, wenn man damit arbeitet, sondern auch dann, wenn man die Plattform eines ganz anderen Anbieters benutzt. Diese neue Softwareverfahren stehen also für Vernetzung in einer neuen Dimension, Vernetzung im Quadrat sozusagen. Erst im November 2012 hat die Bundesbeauftragte für IT, Cornelia Rogall-Grothe, wieder betont: Dass Deutschland derzeit noch nicht zu den fortschrittlichsten E-Government-Nationen gehöre, liege an der fehlenden Vernetzung der bestehenden E-Government-Angebote. Fakt ist damit: Vernetzung durch und mit XVergabe de Luxe ist nicht nur die Chance, unter 144 Edda Peters vollständiger Wahrung des Wettbewerbs die Nachteile einer zersplitterten Vergabelandschaft aufzuheben, E-Vergabe endlich auch in der Fläche für Bieter attraktiv zu machen sowie Wirtschaft und Verwaltung viel Zeit und Geld zu sparen. Es ist auch die Chance, mit E-Government „made in Germany“ im europäischen Vergleich wichtige Akzente zu setzen. Vernetzen, die Dritte Nicht nur die Lösungen sollen sich vernetzen können, auch die Menschen. Denn sattsam bekannt ist, dass die deutsche Bevölkerung schrumpft und altert. Darüber hinaus wird seit über zwei Jahrzehnten im öffentlichen Dienst durch Privatisierungen und pauschale Stellenkürzungen Personal abgebaut. Fachkräfte und Ingenieure stehen deshalb zunehmend seltener zur Verfügung. Mit weniger Geld und weniger qualifiziertem Personal bessere Dienstleistungen in einem noch größeren Einzugsgebiet erbringen: Auf diese Formel lässt sich in etwa die Aufgabe bringen, die von den Verwaltungen nicht nur in Deutschland zu lösen ist. Das gilt natürlich auch für die öffentliche Beschaffung mit ihren etwa 13.000 Auftraggebern in Deutschland. Öffentliche Arbeitgeber müssen also Antworten finden, mit steigendem Altersdurchschnitt, Wissensverlust durch das Ausscheiden Älterer, durch fehlenden Nachwuchs und fehlende Fachkräfte umzugehen. Nur wie? IT-Planungsrat und Bitkom sind sich einig: Diese Frage lässt sich beantworten, indem man den Einsatz von Systemen vorantreibt, die die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen fördern. Denn so bekommen Kommunen endlich Hilfsmittel an die Hand, um das (noch) vorhandene, aber überall verteilte Wissen zu entdecken, zu verteilen und zu vernetzen. Unser Softwareverfahren ist deshalb viel mehr als eine innovative E-Government-Lösung für Beschaffung: Es ist auch eine E-Government-Lösung für Zusammenarbeit – eine Lösung, die die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Auftraggebern verbessert und die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen untereinander erleichtert. Ein Stichwort in diesem Zusammenhang heißt Auftraggeber-Forum. Hier haben Beschaffer – erst- und einmalig in Deutschland – die Möglichkeit, auf das geballte Wissen einer Expertenrunde von Auftraggebern zuzugreifen. Hier tauschen sie sich mit Kollegen aus bei der fachgerechten Aufbereitung von Vergabeunterlagen, unterstützen sich bei komplexen Ausschreibungen 4.5 Öffentliche Beschaffung 145 gegenseitig und profitieren vom Wissen anderer. Mit anderen Worten: Vernetzung heißt Zukunft. Die Spitze kommt in Sicht Es gibt noch viel zu tun, soviel ist sicher. Es geschieht allerdings auch viel. Und es gibt eine Menge guter Beispiele, wie Wirtschaft und Verwaltung den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gerecht werden können. Mit Lösungen wie unserem Softwareverfahren lässt sich die politische Idee E-Government in der virtuellen Welt erfolgreich umsetzen. Und Lösungen wie die unsere können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Ziel der Bundesregierung Wirklichkeit werden zu lassen: mit deutschem E-Government im Jahr 2020 an der Weltspitze zu stehen. 146 4.6 Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer Open Data Business? Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer Kurzinfo: Die ökonomische Verwertung offener Daten bedarf einer neuen Sicht auf die Wertschöpfungskette: Herkömmliche Datenverwertungskonzepte werden abgelöst durch neue Modelle und neue Spieler entlang des ,open data life cycles‘. Die neuen Märkte, die neuen Business Cases und die völlig veränderten Rahmenbedingungen sind die Herausforderungen auf dem Weg hin zu den Milliardenprognosen des noch jungen und kleinen Sektors. Autoren: Thomas Thurner gründete 2002 gemeinsam mit weiteren Radiomacher/innen das Spin-out „Team Teichenberg“, das sich mit Audiodatenbanken, E-Learning, Audio- und Videostreaming und infolge als eine der ersten österreichischen Plattformen mit Podcasting beschäftigte. Seit 2008 ist Thurner bei der Semantic Web Company tätig. Martin Kaltenböck studierte Kommunikationswissenschaften, Angewandte Psychologie und Marketing an der Universität Wien. 2000 war er Mitbegründer der punkt.netServices GmbH, einem österreichischen, auf Informations- und Wissensmanagement sowie Enterprise-2.0-Lösungen spezialisierten Softwareunternehmen. Er ist geschäftsführender Teilhaber der Semantic Web Company und als CFO zuständig für Finanzen und Organisation. Andreas Blumauer hat Betriebsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Technischen Universität Wien studiert und startete seine Karriere als Software-Entwickler für Finanzdienstleister. 2001 war er Mitgründer der punkt.netServices, einem auf Enterprise2.0-Lösungen spezialisierten Software–unternehmen, und beschäftigt sich seitdem mit semantischen Technologien und WissensmanagementSystemen. Open Data Business – ein Blick auf das Ökosystem An Verwaltungsdaten wird verdient. Das ist nicht erst seit den Ankündigungen der zuständigen EU-Kommissarin – Neelie Kroes – evident. Ob es 4.6 Open Data Business? 147 die von ihr angekündigten 40 Milliarden Euro jährlich sein werden, kann man bezweifeln, doch der konzentrierte Blick auf den Open-Data-Markt lässt die eine oder andere Goldgrube vermuten. Doch beginnen wir beim Status quo, beginnen wir bei jenen Feldern, bei denen jetzt schon gutes Geld mit Daten gemacht wird. Allen voran sind das die Firmen- und Ediktdatenbanken, sogenannte Auskunfteien. Auskunfteien verdienen Geld mit dem Verkauf von Wirtschaftsinformationen und mit der berechneten Wahrscheinlichkeit von Zahlungsausfällen. Diese Informationen spielen nicht nur bei einer Kreditvergabe innerhalb einer Bank oder anderer Kreditinstitute eine Rolle, sondern auch im gesamten Wirtschaftsverkehr. Und bereits die Basisdaten für diese Datenprodukte werden rege gehandelt, vom Staat und von privaten Unternehmen. So recherchierte Konrad Lischka (2011) für den Spiegel, dass für einen der großen Verlage im angesprochenen Bereich 2009 Einnahmen von 33 Mio. Euro mit einer Umsatzrendite 28% erzielt werden konnten. Das ordnet den Datenhandel bei den mittleren Verlagshausgrößen ein – also kein Nebenthema. Abb. 1 The impact matrix (Quelle: MEPSIR 2006) Die im Zuge der Evaluierung der ersten Public-Sector-Information-Richtlinie der EU in Auftrag gegebene MEPSIR-Studie (Measuring European Public Sector Information Resources 2006) ordnet die Geschäftsmodelle bei Open Data in drei Felder ein: „the closed shop“, „the battlefield“ und „the playground“. Der eingangs beschriebene Datenhandel mit Rechtsinformationen gehört dem gesicherten „closed shop“ an, wo etablierte Datenbroker 148 Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer Exklusivverträge mit Regierungsstellen vereinbaren und über ein gesichertes Geschäftsmodell (Kundensegment) eine entsprechende Rendite erzielen können. Zu diesen „sicheren Banken“ in der Datenwirtschaft gehören laut MEPSIR auch noch Grundbuchdaten und Unternehmensregister. Verlassen wir den gesicherten Bereich der „closed shops“, so stoßen wir auf die „battlefields“ der Datenwirtschaft. Der Bereich ist gekennzeichnet durch erhebliche ökonomische Erwartungen und durch das Auftreten mehrerer Datenverwerter mit ähnlichen Datenprodukten. Anbieter von topografischen Daten (POIs, Orthofotos, Höhenprofilen, etc.) sind hierbei ebenso zu benennen wie die Wetterdienstleister. Im letztgenannten Bereich konkurrieren 20 Privatanbieter um den privaten deutschen Wettermarkt, der nach Angaben des Verbands der Deutschen Wetterdienstleister ca. 40 bis 50 Millionen Euro schwer ist (vgl. Fründt 2012). Wetterkatastrophen und extreme klimatische Änderungen machen die Datenprodukte der Wetterdienstleister auch abseits der klassischen Wetterprognose interessant. Vorwarndienste, Langzeitprognosen und Business Intelligence gehören inzwischen zu den Datenportfolios dieser Unternehmen. Das Geschäft mit dem Wetter boomt. Schließlich sind da noch die „playgrounds“ im Datengeschäft. Wenn die EU-Kommission nun mit einer revidierten PSI-Richtlinie neue kommerzielle Potenziale heben will, adressiert sie genau diesen Bereich. Viele Datensätze sind frei verfügbar, z.T. noch nie einer Verwertung außerhalb der Verwaltung zugängig gewesen und liegen in unterschiedlicher Qualität und Verfügbarkeit vor. Die Entwicklung von Datenprodukten ist hier äußerst risikoreich, weil kaum gesicherte Kundensegmente, kaum aufbereitete Marketingstrategien und vor allem keine erfolgreichen Basisprodukte verfügbar sind. Dieser Bereich ist mehrfaches Neuland, da hier erstmals B2C-Datenprodukte entwickelt werden, die sich zum größten Teil auch noch auf ohnehin frühen Märkten behaupten müssen. Die mobilen Anwendungen (mobile apps), die sich auf Open Data stützen, haben zwar oft begeisternde Verbreitungs- und Nutzungszahlen, können aber den ROI kaum sichern, da sie nur allzu oft als Gratisprodukt abgegeben werden (müssen). Neues Leben entlang des Life Cycles Big Data, Linked Data, Open Data – der Datenmarkt ist augenscheinlich in Bewegung und im Umbruch. Nicht zuletzt durch die Initiativen der Regierungen Obama, Brown/Cameron sowie der EU-Kommission ist die Dynamik 4.6 Open Data Business? 149 bei Open Data eine spürbare, die auch den Life Cycle von Datenprodukten neu definiert. Sowohl in der öffentlichen Verwaltung, den privaten Unternehmungen, als auch beim Verbraucher ergeben sich neue Vorortungen entlang der Wertschöpfungskette – ein Prozess, der in den letzten Jahren oft zu beobachten war, wenn sich Branchen neuen Internet-affinen Geschäftsmodellen zuwenden. Abb. 2 veränderte Wertschöpfung (Quelle: Blumauer/Thurner 2012) Mit Unternehmen wie Data Market (www.datamarket.com) und Factual (www.factual.com) treten nun Unternehmen in Erscheinung, die als Intermediär zwischen öffentlicher Verwaltung und Datenverarbeiter auftreten. Der „Data Broker“ übernimmt dabei Funktionen der öffentlichen Verwaltung, die diese nur schwer oder mit hohen Transaktionskosten bewerkstelligen kann. In einem Ökosystem, in dem die Anzahl der Teilnehmer/innen stark steigt, ist Platz für ausdifferenzierte Arbeitsteilung: - Umwandlung und Vereinheitlichung unterschiedlicher Datenquellen zu einem einheitlichen Datenvorrat - Verwendung von Industriestandards - garantierte Datensicherheit und Datenverfügbarkeit mit vereinbarten SLAs1. Diese vom Data Broker übernommenen Aufgaben sind für eine funktionierende Wertschöpfung bei Open Data wesentlich, um beim datenverwertenden Unternehmen entsprechende Datenprodukte entwickeln zu können. Die Kon1 Service Level Agreement (SLA) = Dienstgütevereinbarung (DGV) 150 Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer zentration der Datenverwerter auf Kundenbedürfnisse, Produktinnovationen und vor allem auf deren eigenen Kernbereich (Domain Knowledge) sichert zielgenauere Kundenansprache, ausdifferenzierte und für die jeweiligen Teilmärkte besser zugeschnittene Datenprodukte und technische Lösungen auf Basis gemeinsamer Standards und Netzwerke. Mit dem Auftreten von Data Brokern wie Data Market und Factual (vgl. Woods 2012) bekommt diese neue Wertschöpfung ein konkretes Gesicht und vor allem auch ein bezifferbares ökonomisches Gewicht, wenn z.B. Factual – mit einer Investitionssumme von 25 Mio. US-Dollar ausgestattet – sich der Gründung der dritten Niederlassung in Asien widmet. Die veränderte Wertschöpfung bei Open Data findet auch an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden statt. In der traditionellen Datenwirtschaft ist das Abonnement ein weitverbreitetes Vertriebsmodell. In diesem Fall werden an einen beschränkten Kundenkreis der Datenzugang oder die Datenauffrischung entgeltlich weitergegeben. Der Zugang zu einem bestimmten Register (z.B. Topografiedaten) oder die regelmäßige Einspeisung von Daten in Kundensysteme (z.B. Wetterdaten) wird mit exklusiven Nutzungsrechten versehen. Anders nun der Umgang mit offenen Daten: Wesentlich ist dabei, dass die Nutzung der Daten nicht mehr in exklusiven Verträgen geregelt werden kann und zumeist auch noch (zur nicht-kommerziellen Verwendung) kostenfrei im Rahmen der neuen Open-GovernmentData-Projekte von den Verwaltungen bereitgestellt werden. Das Datenunternehmen befindet sich also bei Open Data in direktem Wettbewerb mit Hobby-, Gratis- und Verschenkprodukten, die sich aus demselben Datenvorrat speisen. Dementsprechend greifen bloße Daten-Abonnements im Sinne eines Wiederverkaufs nicht mehr. Sich derart verändernde Businessmodelle sind in der Internetökonomie inzwischen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Eine der Antworten auf das Gratisdilemma sind Freemium-Konzepte, wie sie 2006 Risikokapitalgeber Fred Wilson beschrieben hat: „Biete deinen Dienst gratis an, möglicherweise mit Werbeeinblendungen oder vielleicht auch nicht, gewinne viele Kunden auf effiziente Weise durch Mundpropaganda, Werbepartner, Platzierung in Suchmaschinen usw., und biete dann deinem Kundenstamm zu einem Aufpreis Zusatzleistungen oder eine erweiterte Version deines Dienstes an“ (Wilson 2006). Das Kunstwort Freemium beschreibt eine stufenweise Bepreisung, beginnend bei „Gratis“ und endend bei „Premium“. Viele Internetfirmen benutzen Freemium als Geschäftsmodell, so z. B. Skype, Flickr, XING und auch bereits Datenbroker 4.6 Open Data Business? 151 wie Factual und Datamarket sowie Medienhäuser wie die NY Times bei deren Open-Data-Angeboten. Business? Bei Daten eine Frage der Technik Spätestens bei der konkreten Ausgestaltung des Datenangebotes als Freemium zeigt sich, wie wichtig die technologische sowie die architektonische Umsetzung des erfolgreichen Datenunternehmens ist. Möchte man Daten in unterschiedlich bepreisten Datenpaketen und -produkten handeln, dann muss technisch sichergestellt werden, dass die Datennutzung durch den Kunden der jeweils abgegoltenen Quantität und Qualität entspricht. Nur wenn die Vereinbarungen mit dem Kunden bzgl. Abfragegeschwindigkeit, Abfrageumfang und Service-Level technisch auf deren Einhaltung (Überschreitung) überprüfbar sind, können unterschiedlich bepreiste Datenpakete- und -produkte überhaupt gehandelt werden. Abb. 3 Freemium-Modell bei Data Market (Quelle: www.datamarket.com, 2012) Die direkte Anbindung des Datenangebotes an die Applikationen der Datenkunden erlaubt es, Verrechnungsdaten angekoppelt an Nutzungszahlen bzw. Nutzungsintensitäten zu erhalten. Effizient in diesem Sinn ist daher die Verwendung von APIs (application programming interface), die jede Anfrage des End-Users über die Software des Dienstanbieters direkt an die Bereitstellungsschnittstelle des Datenanbieters weiterleitet. API-Keys wiederum 152 Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer sind dann vereinbarte Schwellen, bis zu der Datenabrufe innerhalb eines bestimmten Preispaketes angeboten werden. Diese Schlüssel können nun gehandelt werden und erlauben es, preislich gemischte Datenangebote (Freemium bis Premium) anzubieten. Ist die Verwendung von APIs eine Vorbedingung für erfolgreiches Datenwirtschaften im Open-Data-Zeitalter, so ist die einfache Anschlussfähigkeit dieser APIs an die Software der Dienstanbieter ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Schlussendlich werden jene Datenanbieter mit standardisierten APIs größere Kundensegmente erschließen können, als jene, die nur komplizierte und geschlossene Andockmöglichkeiten an ihre Daten zulassen. Großes Geld aus kleinen Märkten? Wohl kaum ... Folgt man den politischen Positionspapieren, so wird besonders der Kombination von Open Data mit Anwendungen für den Mobiltelefonmarkt großes Potenzial zugeschrieben. So sollen aus den neu in Umlauf gekommenen Datenvorräten der öffentlichen Verwaltung mobile Services für den Endverbraucher (Apps) werden. Der Markt mit mobilen Apps hängt jedoch wesentlich von einem möglichst großen Kundenpotenzial ab. Diese in sog. AppStores gehandelten Produkte sprechen nur kleine Segmente bzw. Teile dieser Segmente an. Wenn nun eine durchschnittliche App um ca. 1,80 EUR zu verkaufen ist und nur 12% der Nutzer überhaupt kostenpflichtige Apps verwenden, so kann man sich für eine durchschnittliche deutsche Stadt einfach ausrechnen, dass bei einem Kundenkreis für eine Open-Data-Anwendung bloß einige tausend Stück abgesetzt werden können. Das bedeutet, dass wir hier von Potenzialen von einigen tausend Euro für eine App sprechen können. Erst die Verbreitung ein und der selben App in mehreren Städten macht den kommerziellen Absatz von Apps wirtschaftlich attraktiv. Kann z.B. eine App zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer nicht nur in Berlin, sondern zusätzlich auch in London, Zürich und Wien benutzt und bezogen werden, sind wirtschaftlich interessante Erträge aus dem App-Vertrieb zu erreichen. Solange also offene Verwaltungsdaten individuell, nach eigenen Gutdünken von jeder Stadt, jedem Land und jeder Regierungsstelle unterschiedlich in Format, Metadaten und Einheiten in Insellösungen bereitgestellt werden, ist weder der Markt noch sind die anvisierten Umsatzzahlen zu erreichen. Normierung, Interoperabilität und Harmonisierung der ausgegebe- 4.6 Open Data Business? 153 nen Verwaltungsdaten ist daher oberstes Gebot, bevor überhaupt ein vitaler App-Markt denkbar ist. Handlungsempfehlungen Mit Open Data sind große wirtschaftliche Erfolge denkbar. Der Markt ist jedoch noch jung und befindet sich im Umbruch. Während die bisherigen Geschäftsmodelle immer mehr von den Entwicklungen der Onlineökonomie angegriffen werden, sind neue Businessmodelle noch nicht ausgereift und belastbar. In dieser Situation gibt es einige Faktoren zu beachten, die über die tatsächliche ökonomische Kraft dieses aufkeimenden Sektors entscheiden werden: • Zunahme der Beachtung von Open Data in der Wirtschaft (Unternehmen, SMEs, EPUs, NGO & NPO, Verbände) • Aus- und Aufbau einer kritischen Marktgröße für Datenprodukte durch eine gestärkte nationale und internationale Kooperation im Bereich Open Data (Data Interchange) • Modelle der gesicherten und qualitätsgeprüften Datenabgabe im Sinne der ökonomischen Verwertbarkeit durch Unternehmen (SLA, CC) • gesicherte technologische Lösungen durch die Nutzung von Linked Open Data (LOD) • Offenheit für neue Produkte und Verwertungen entlang der Wertschöpfungskette proaktiv fördern • Aufnahme von Open Data Business in die staatlichen Politiken inkl. einer ausreichenden Finanzierung. Quellen Fründt, Steffen (2012): Gute Geschäfte mit schlechtem Wetter, in: Welt am Sonntag, 27.05.12, online: http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article106382090/ Gute-Geschaefte-mit-schlechtem-Wetter.html <3.9.2013> Lischka, Konrad (2011): Jura-Datenbanken So verdienen Finanzinvestoren am Verkauf deutscher Urteile, in: Der Spiegel Online, 12.04.2011, online: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/jura-datenbanken-so-verdienen-finanzinvestoren-am-verkauf-deutscher-urteile-a-755813.html <3.9.2013> Measuring European Public Sector Resources (2006), zit. nach: http://wiki.linkedgov.org/index.php/The_economic_impact_of_open_data <3.9.2013> 154 Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer Wilson, Fred (2006): The Freemium Business Model, 23. März 2006, online: http://avc.blogs.com/a_vc/2006/03/the_freemium_bu.html <13.9.2013> Woods, Dan (2012): How Factual is Building a Data Stack for Business, in: Forbes, 19.04.2012, online: http://www.forbes.com/sites/danwoods/2012/04/19/how-factual-is-building-an-data-stack-for-business/ <3.9.2013> 4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 155 4.7 Crowdsourcing — Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens Sebastian Haselbeck Kurzinfo: Dieser Beitrag erfasst den Modebegriff „Crowdsourcing“ als Prozessmodell und beleuchtet, was man darunter versteht und warum dieser wichtig für den zukunftsfähigen demokratischen Staat ist. Zusätzlich soll erklärt werden, wie sich Crowdsourcing in neue Gesamtansätze einfügt und welche positiven Auswirkungen dies haben kann. Am Ende folgen Ratschläge zur Umsetzung und ein Ausblick – mit einem klaren Appell an den Mut zur Offenheit. Autor: Sebastian Haselbeck ist derzeit Community Manager des Internet und Gesellschaft Collaboratory in Berlin. Er war an der Organisation des Open Government Camp Berlin 2011 beteiligt und Gründer des Projekts „Gläserner Staat“. Studiert hat Herr Haselbeck an der Universität Regensburg Politikwissenschaft und Amerikanistik mit einem anschließenden Master-Studium an der Willy Brandt School of Public Policy (Uni Erfurt). Für das Collaboratory ist er im Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland und sitzt im Advisory Board der Social Media Week Berlin. Mit Crowdsourcing lokales Wissen erschließen – vom Modebegriff zur Miteinander-Verwaltung Seit dem Aufkommen des sogenannten Mitmach-Web, dem Web 2.0, und dem Heranreifen von nachhaltigen Modellen zur Vernetzung und Modernisierung in Politik und Verwaltung gehört es zur Königsdisziplin, aus dem Verbraucherbereich bekannte Konzepte wirksam auf den öffentlichen Sektor zu übertragen. Da das Internet es erlaubt, mit minimalsten Kosten theoretisch jeden zu erreichen, neuartige offene Wertschöpfungsketten zu integrieren und effizienter zusammenzuarbeiten, gilt Crowdsourcing als schlummernder Riese unter den neuartigen Governance-Konzepten. Der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung, transparenteren Regierungsabläufen, Informationsfreiheit und ef- 156 Sebastian Haselbeck fektiveren Verwaltungsleistungen macht das Thema wichtig vor allem für Verwaltungsebenen mit Bürgernähe – also die Kommunen. Was ist Crowdsourcing? In The Wisdom of the Crowds schreibt James Surowiecki “The public, it turns out, is pretty smart” (2004: 13). Das verstreute Wissen der „Massen“ quasi „anzuzapfen“ ist das Ziel vieler Verfahren mit Crowdsourcing-Charakter. Der Begriff hat dabei seinen Ursprung im „Outsourcing“, bei dem Arbeitsleistung nach billigeren Standorten verlagert wird. Beim Crowdsourcing werden Arbeitsprozesse in gewisser Weise auch abgegeben, aber an eine unbestimmte „crowd“, die gleichzeitig Teilhabe am Prozess hat, also beispielsweise die betroffenen Bürger. Es handelt sich dabei um eine Demokratisierung von Denk-, Arbeits- oder Problemlösungsprozessen. Ähnliche Ansätze gibt es im Finanzbereich: Das Crowdfunding beispielsweise beschreibt internetgestützte Finanzierungsmodelle. Im Kern geht es darum, die Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel zu nutzen, um jeden an Verfahren beteiligen zu können, auch das kleinste Mikro-Wissen zu erfassen, Probleme dort anzupacken, wo sie entstehen oder ihnen begegnet werden kann. Dabei ist es meist die Summe der ansonsten nur unökonomisch zu fassenden Partikularinteressen oder verstreuten Nischen-Experten – also der sogenannte „long tail“ (nach Chris Anderson), der in vielen Bereichen so potenzialträchtig ist, da es nun kaum mehr mit Kosten verbunden ist, diesen „long tail“ zu erreichen. Kommunen arbeiten schon sehr lange mit Crowdsourcing. Jede Form der breit angelegten Bürgerbeteiligung ist eine Anwendung davon. Die Grundannahme dabei ist, dass eine Verwaltung mit geringen Ressourcen nicht alles wissen kann, aber dafür jeder Einzelne, der eine Gemeinschaft ausmacht, ein Experte in speziellen Themen ist. Eltern mit Kindern sind Experten in der Beurteilung von nahe gelegenen Spielplätzen, Radfahrer mit Smartphones der effizienteste Kanal zur Meldung von Schlaglöchern, usw. Die Wikipedia lebt unter anderem davon, dass auch zu Nischenthemen unglaublich viel Information lesbar aufbereitet ist, weil die Summe weltweit verstreuter Experten zu diesem Thema zusammen eine vor dem Internet schwer zu erfassende und zu kanalisierende Autorenquelle war. Ist es effizienter, eine Online-Plattform bereitzustellen, auf der jeder Bürger Verschmutzung, Graffiti, Schlaglöcher oder kaputte Lampen per Mobiltelefon melden kann; oder 4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 157 sollen Angestellte der Stadtverwaltung 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche alle Ecken der Stadt patrouillieren? In gewisser Weise stellt Crowdsourcing eine Idee dar, bei der Wissen und Arbeitsprozesse über Hierarchien und Distanzen – egal welcher Art – dezentral erfasst werden und die alte Zwei-Wege Kommunikation Verwaltung – Bürger durch clevere Verbesserungen erweitert wird. Crowdsourcing ist ein Modebegriff, eine Idee von neuartigen Prozessmodellen, die uns dabei hilft, Abläufe und Lösungswege ganz neu zu gestalten. Crowdsourcing ist kein Produkt, keine Schablone und vor allem kein Teufelszeug – sondern ein Leitgedanke für den Hinterkopf zur Konzeption der zukunftsfähigen Verwaltung. Warum ist Crowdsourcing wichtig? Crowdsourcing ist nicht nur ein spannender Ansatz, um Geschäfts- und Verhaltenslogiken des Web 2.0 auf den öffentlichen Sektor zu übertragen, sondern es hat auch das Potenzial, wichtige gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen. Zum einen ist eine Lastenverteilung natürlich ein Effizienzgewinn. Nicht nur gibt es durchaus Anwendungen, die am Ende auch mit einer Arbeitsentlastung auf Seiten der Verwaltung einhergehen, sondern in vielen Fällen haben verteilte Bürgerbeteiligungsverfahren schon intelligentere Haushaltspläne hervorgebracht. Wie und für was Mittel verwendet werden, ist oft relevanter für den Bürger, als wie viel Mittel verwendet werden. Politik unter Einbeziehung aller stellt auch sicher, dass keine toten Winkel entstehen, dass Dienstleistungen diejenigen erreichen, für die sie entworfen werden, und fördert Wissen und Standpunkte zutage, von denen man sonst nur erfahren hätte, wenn täglich alle Bürger „Briefe schreiben“ würden. Damit verbunden ist es zum zweiten essenziell, dass wir uns zu einem Miteinander-Modell hin bewegen. Die althergebrachten Kanäle des zivilgesellschaftlichen Engagements und der politischen Partizipation sind nicht ausreichend für die Komplexität des täglichen und öffentlichen Lebens und Wirtschaftens. Eine gewisse Politiker- und Parteienverdrossenheit (ich rede bewusst nicht von einer Politikverdrossenheit) sowie die tägliche Frustration von Bürgern mit dem bürokratischen Apparatus „made in Germany“ stellen eine Handlungszwang dar, mehr Einbindung in Prozesse, mehr gegenseitigen Informationsaustausch und mehr Relevanz im Verwaltungshandeln herzustel- 158 Sebastian Haselbeck len. Entscheidungen von oben finden weniger Akzeptanz als solche, die auf direkter Kooperation mit allen jeweils Betroffenen vor Ort beruhen – als Lösungen, die mitunter mit deren Einwirkung zusammen entworfen wurden (man spricht auch vom „Multi-stakeholder“-Modell). Zum dritten eröffnet Crowdsourcing Wege in eine Stärkung der bürgerschaftlichen Willensbildung, von Zivilcourage und politischer Bildung. Der Weg vom passiven Bürger, der Politik und Dienstleistungen konsumiert, zum aktiven Staatsbürger, der die Politik mitgestaltet und in Gemeinschaft Probleme löst, ist ein harter, aber wichtiger Weg. Ihn zu bestreiten, macht moderne Technologie einfacher, aber den notwendigen kulturellen Wandel dafür erledigen wir nicht durch die Installation von Websites. Wie reiht sich Crowdsourcing in ein Open-Government-Gesamtkonzept ein? Es wurde eingangs erwähnt, dass Crowdsourcing sich einreiht in ein politisches Gesamtmodell, eine neue Idee von Staatlichkeit und Gemeinschaft, einem „Open Government“ (offenem Regierungs- und Verwaltungshandeln) oder präziser noch „Open Governance“. Damit ist eine recht abstrakte Vorstellung unserer Demokratie gemeint, die offener, partizipativer, kooperativer, effizienter und transparenter gestaltet ist und somit die Bedürfnisse ihrer Bürger und die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besser gewachsen ist als das Jahrhunderte alte klassische preußische Verwaltungsmodell – und die Politik mit ihren prä-industriellen Charakteristika. Demokratie lebt von einem offenen, informierten Diskurs, der heute noch von staatlicher Geheimniskrämerei und mangelnden Schnittstellen zwischen Bürokratien und Bürgern gelähmt wird. Ein moderner, effizienter Staat braucht neue Lösungswege, effektivere Dienstleistungen, direktere Kommunikationswege und Beteiligungsmöglichkeiten, wenn er seine Relevanz und Wirkung bewahren will. Bürokratieabbau, E-Government, neue Informationsfreiheitsgesetze, Bürgerbeteiligungsverfahren und Open Data sind wichtige Dimensionen einer neuen Offenheit. Crowdsourcing stellt auf Anwendungsseite ein Governance-Modell dar, welches auf Miteinander setzt, Inklusion stärkt und Problemlösungen granular und greifbar macht – sowohl für die Verwaltung als auch den Bürger. Wenn ich heute ein Schlagloch per Mobiltelefon melde und Tage später eine Kurznachricht erhalte, das Schlagloch würde morgen repariert – vielen Dank 4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 159 für meine Mithilfe –, dann habe ich als Bürger eine völlig andere Stellung im System – anstatt keinen Einblick zu haben, warum welche Straßen und Brücken erneuert werden, auf Basis welcher Entscheidungen, während sich das Schlagloch vor der Garageneinfahrt mit jedem Regenschauer vergrößert. Open Government ist mehr als eine andere Informationspolitik, es ist eine Zustandsbeschreibung für einen kollaborativen Staat, dessen Einzelteile die Individuen sind, egal ob außerhalb oder innerhalb der Behördenmauer. In einer Zeit, in der wir unsere Facebook Freunde besser kennen als unsere Nachbarn, ist eine Stärkung der lokalen Zusammengehörigkeit aus politischen Gründen umso wichtiger. Wie kann man es umsetzen? Die große Frage ist nun, wie sich Crowdfunding beispielsweise auf kommunaler Ebene implementieren lässt. Die Kernfrage vor dem „wie“ ist jedoch das „ob“ bzw. „wozu“. An erster Stelle muss immer die Überlegung stehen, vor welchen Herausforderungen eine Gemeinschaft steht und welche Mittel geeignet sind, diese anzugehen. Crowdsourcing ist zum einen kein Allheilmittel und zum anderen keine Patentlösung oder Werkzeug, sondern ein demokratisches Prozessmodell mit vielerlei Ausprägungen, viele davon Experimente. Zu beachten ist, dass Prozesse, die eine Verwaltung zum Bürger hin radikal öffnen, nicht funktionieren können ohne gleichzeitige radikale Optimierungen innerhalb der Verwaltung selbst. Selbstverständlich passen innovative webbasierte Plattformen nicht zu einer Verwaltung, die mit der neuen Form an Input nicht umgehen kann. Dienstleister mögen diverse Bürgerbeteiligungslösungen schnell anbieten können und kümmern sich meist auch um deren Betreuung und Auswertung, doch eine nachhaltige, langfristige Verschränkung der Crowd mit der Verwaltung funktioniert nur bei einer Modernisierung „innerhalb sowie außerhalb des Rathauses“. Die Kernaufgabe auf Umsetzungseben ist folglich, funktionierende Schnittstellen zwischen behördeninternen und -externen Vorgehen zu schaffen, mit denen sich der politische und bürokratische Kreis schließt – und nicht nur punktuell Öffnung vorgaukelt. Das gilt sowohl für die Ebene der IT (ist die Infrastruktur noch aus den 90ern?) als auch die Ebene der Kultur (was sagen die Mitarbeiter zu der radikalen Umwälzung?). Ist sichergestellt, dass eine Kommune gerüstet ist dafür, sich zu einer Miteinander-Gemeinschaft zu entwickeln, braucht es 160 Sebastian Haselbeck eine Implementierung der Lösung auf technischer Ebene, Management-Ebene und Bürger-Ebene. Auf technischer Ebene ist eine nachhaltige, interoperable Lösung (offene Schnittstellen und Formate als Kern) mit einfacher Bedienbarkeit für alle Beteiligten am wichtigsten. Auf Management Ebene ist sicherzustellen, dass der Kulturschock keine politischen Reibungen verursacht und der Entscheidungsprozess die neuen Mechanismen verinnerlicht. Letztendlich entscheidet der Bürger über Erfolg oder Misserfolg des Crowdsourcing. Die Akzeptanz, Einfachheit und vor allem das Feedback über unmittelbaren Nutzen aus den neuen Mechanismen werden über deren Verbreitung und Nutzung entscheiden. Nicht ohne Grund sind manche der besten Beispiele für Crowdsourcing solche, bei denen der Einzelne sogar Spaß daran hat mitzuwirken, und bei denen Erfolgserlebnisse unmittelbar sind (siehe das Beispiel mit dem Schlagloch). Vergessen werden sollte dabei nicht, dass in der Vergangenheit innovative Projekte (z.B. aus dem E-Government-Bereich) gescheitert sind, weil man Sonderfälle teuer digital implementiert hat, während die regelmäßigen, üblichen Interaktionen zwischen Bürger und Verwaltung unangetastet blieben. Hinzu kommt, dass Akzeptanz keine Einbahnstraße ist und die erste Zielgruppe von neuen Verfahren die eigenen Mitarbeiter sind. Es sollen schon Produkte gescheitert sein, weil der Firmenchef sie selbst nicht benutzt hat. Fazit Die oben beschriebenen Aspekte von Crowdsourcing sollen auf zwei Kernargument hinweisen: Eine „smarte“ Verwaltung von heute versucht, verstreutes lokales Wissen und Potenzial auszuschöpfen. Außerdem können crowdbasierte Ansätze nur im Zusammenspiel mit nachhaltiger Verwaltungsreform vor dem Hintergrund eines „Open Government“ sein – und bedürfen gemeinsame IT und Strukturreformen auf allen Ebenen. Crowdsourcing gliedert sich ein in ein Gesamtkonzept einer modernen Verwaltung und Politik, bei der eine neue Dimension von Zusammenarbeit und Bürgernähe unmittelbare Erfolge hervorbringen kann. Gerade auf lokaler Ebene sind bestehende Prozesse und institutionelle Strukturen oft noch überschaubar und vergleichsweise leicht zu reformieren. Bürger und Mitarbeiter sollten in diesen Prozess aktiv mit eingebunden sein, um das Resultat am Ende mit zu tragen. Dabei ist eine Entscheidung für oberflächliche und kurzlebige Bür- 4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 161 gerbeteiligungsprojekte das klare Todesurteil für jede nachhaltige Entwicklung. Wichtig für Fortschritt im öffentlichen Sektor ist es, den Mut zu haben, sich kulturell zu öffnen sowie Risiken in Kauf zu nehmen – und es ernst zu meinen mit den zukunftsweisenden Reformen. Der öffentliche Sektor von morgen ist ein Ökosystem aus den verschiedensten Werkzeugen, Schnittstellen und Prozessen technischer und nicht-technischer Art. Die Institutionen, die es verstehen, sich auf Offenheit und Vernetzung einzulassen, werden bald feststellen, dass schon die Unterscheidung Crowd und NichtCrowd höchst arbiträr war und die Technik das kleinste Problem ist. Quellen Surowiecki, James (2004): The Wisdom of the Crowds. London: Little/Brown. 162 Sebastian Haselbeck Herausgbeber- und Autorenverzeichnis 163 Herausgeber- und Autorenverzeichnis Herausgeber Elisabeth Slapio ist Geschäftsführerin des Bereiches, Handel, Tourismus, Informationstechnik- und Kommunikationstechnik mit dem Aufgabenschwerpunkt Branchenbetreuung der Bereiche; zurzeit mit dem Aufgabenschwerpunkt Branchenbetreuung des Einzel- und Großhandels, der Handelsvertreter, der Gastronomie, Touristik, Freizeit sowie der Informations- und Kommunikationstechnik, des Weiteren Leitung eines internen Rechenzentrums und allgemeines Informationsmanagement. Sie vertritt die IHK in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien. Sie hat Jura studiert. Vor ihrer Tätigkeit bei der Industrie- und Handelskammer zu Köln war Frau Slapio u. a. an der Universität Köln sowie in verschiedenen Anwaltskanzleien tätig. Franz-Reinhard Habbel, seit 1982 Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich seit Jahren mit der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Modernisierung, E-Government, E-Democracy, Globalisierung und Internet. Andreas Huber, Experte für Strategie- und Organisationsentwicklung. Begleitet Organisationen dabei, Prozesse und Wertschöpfungsketten zu optimieren und unterstützt Kultur- und Bewusstseinswandel bei Führungskräften und Mitarbeiterschaft. Autoren Andreas Blumauer hat Betriebsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Technischen Universität Wien studiert und startete seine Karriere als Software-Entwickler für Finanzdienstleister. 2001 war er Mitgründer der punkt. netServices, ein auf Enterprise-2.0-Lösungen spezialisiertes Softwareunternehmen, und beschäftigt sich seitdem mit semantischen Technologien und Wissensmanagement-Systemen. 164 Herausgeber- und Autorenverzeichnis Dr. Wolfgang Both, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Berlin Dirk Furchert, Dr., ist Amtsleiter am Amt für Kommunikation, Datenverarbeitung und Zentrale Dienste der Stadt Halle (Saale). Mitglied des Arbeitskreises Digitales Rathaus des Deutschen Städtetages, Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen, Autor mehrerer Veröffentlichungen. Dr. Dirk Furchert berät darüber hinaus Organisationen und Menschen in Veränderungsprozessen sowie in Fragen des Organisationscontrollings und arbeitet als Coach und Kommunikationsberater. Er hat in Leipzig Journalistik studiert und im Fach Kommunikations- und Medienwissenschaft promoviert. Sebastian Haselbeck ist derzeit Community Manager des Internet und Gesellschaft Collaboratory in Berlin. Er war an der Organisation des Open Government Camp Berlin 2011 beteiligt und Gründer des Projekts „Gläserner Staat“. Studiert hat Herr Haselbeck an der Universität Regensburg Politikwissenschaft und Amerikanistik mit einem anschließenden Master-Studium an der Willy Brandt School of Public Policy (Uni Erfurt). Für das Collaboratory ist er im Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland und sitzt im Advisory Board der Social Media Week Berlin. Prof. Dr. Dirk Heckmann, MdBayVerfGH, Jahrgang 1960, zählt zu den ITRechts-Pionieren in Deutschland. An der Universität Passau leitet er die Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik ForNet, an der Zeppelin Universität Friedrichshafen das Center for IT-Compliance and Trust. Der Inhaber des bundesweit einzigen Lehrstuhls für Internetrecht lehrt und forscht seit 15 Jahren zu Rechtsfragen der Internetnutzung, woraus u.a. sein Standardkommentar zum Internetrecht hervorgegangen ist. Prof. Dr. Frank Hogrebe ist wissenschaftlicher Direktor von IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH. Im Mai 2011 übernahm der studierte Diplom-Verwaltungswirt, Diplom-Betriebswirt, Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann Prof. Dr. Hogrebe die Professur für Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung im Fachbereich Verwaltung. Willi Kaczorowski ist seit dem 1. Juli 2003 Executive Advisor bei Cisco Systems. In der Internet Business Solutions Group (IBSG) berät er Behörden und Politik bei der Erarbeitung und Implementierung von E-Government-Strategien Herausgbeber- und Autorenverzeichnis 165 im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung. Zuvor war er neun Jahre bei den internationalen Beratungsgesellschaften BearingPoint (ehem. KPMG Consulting) und Cap Gemini Ernst & Young tätig. Seine berufliche Laufbahn startete Willi Kaczorowski im öffentlichen Bereich. Dort war er insgesamt acht Jahre bei den Landesverwaltungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie der EU-Kommisison beschäftigt. Willi Kaczorowski lebt in Berlin. Martin Kaltenböck studierte Kommunikationswissenschaften, Angewandte Psychologie und Marketing an der Universität Wien. 2000 war er Mitbegründer der punkt.netServices GmbH, einem österreichischen, auf Informations- und Wissensmanagement sowie Enterprise-2.0-Lösungen spezialisierten Softwareunternehmen. Er ist geschäftsführender Teilhaber der Semantic Web Company und als CFO zuständig für Finanzen und Organisation. Prof. Dr. Odej Kao ist seit 2006 Professor an der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin. Des Weiteren leitete er das Rechenzentrum der TU Berlin und ist Projektleiter des Berlin-Cloud-based Infrastructures – ein Projekt zur Förderung von IT-Start-ups durch die nötige Infrastruktur. Prof. Kao ist Mitglied in vielen internationalen Programm-Komitees sowie in Redaktionen von Fachzeitschriften wie der Parallel Computing. Sein Forschungsgebiete sind neben dem Cloud Computing und Parallelcomputern komplexe IT-Systeme sowie Grid Computing. Holger Kindler ist seit 2007 an der Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt. Der Diplom-Wirtschaftssinologe und Master of Public Policy studierte Public Management, Sinologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre u.a. in Erfurt, Shanghai und Bloomington, Indiana. Er ist momentan als selbstständiger Unternehmensberater tätig und auf internationale Wirtschaftspolitik, strategisches Marketing und IT-Strategie spezialisiert. Gregor Kratochwill, Mag., seit 2008 Projektleiter des Linzer Public Space Servers, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement, im Marketing und im Vertrieb. Mitarbeiter in der Volkshochschule Linz und Pädagogischer Assistent des Selbstlernzentrums der Volkshochschule und Stadtbibliothek Linz. Wilfried Kruse ist Institutsgründer und geschäftsführender Gesellschafter von IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH. Bis März 2012 war Herr Kruse Beigeordneter der Landeshauptstadt Düsseldorf (a.D.). Der gelernte Diplom-Verwaltungswirt ist ak- 166 Herausgeber- und Autorenverzeichnis tuell Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister in NRW und Leiter der Enquête-Kommission „Handlungskonzept Demographie“ der Stadt Neuss am Rhein. Justus Lenz ist Research Fellow des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, arbeitet bei der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag als Referent für Haushaltsund Finanzpolitik und übernimmt Lehraufträge an der Universität Erfurt. Er hat mehrere Artikel zu den Themen E-Government und Verwaltungsmodernisierung veröffentlicht und hält netzpolitische Vorträge. Justus Lenz hat an den Universitäten Bayreuth, Erfurt und Valladolid Philosophy & Economics und Public Policy studiert. Stefan Pawel, Mag., seit 2010 Projektleiter der Open-Commons-Region Linz, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement von Web-Projekten, im Marketing und im Vertrieb. Mitautor „Freie Netze. Freies Wissen“, „Freiheit vor Ort“ und Autor zum Thema Webwissenschaften. Edda Peters ist seit 1987 Geschäftsführerin der subreport Verlag Schawe GmbH. Edda Peters engagiert sich seit langem aktiv für den E-GovernmentStandort Deutschland und ist Mitglied zahlreicher Initiativen und Verbände. Eine ihrer Maximen ist, alles das, was das Unternehmen erwirtschaftet, wiederum in Technik, Technologie und MitarbeiterInnen zu investieren. Ein Resultat: subreport gehört zum Kreis der „TOP 100“, den 100 innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand. Dr. Jan Dirk Roggenkamp hat Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Universidad de Salamanca (Spanien) studiert. Gleichzeitig arbeitete er als selbstständiger Anwalt für Mandanten im IT-Bereich. Nach Fertigstellung der Dissertation wechselte er zur internationalen Anwaltssozietät Bird & Bird nach Frankfurt am Main. Im gleichen Zeitraum war Dr. Jan Dirk Roggenkamp als „Junior Expert“ für IT-Sicherheit im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der EU und China aktiv. In den letzten beiden Jahren war er als Referent im Projekt „Elektronische Akten in Strafsachen“ im Bundesministerium der Justiz bei der Erarbeitung einer Novellierung der Strafprozessordnung beteiligt. Gleichzeitig war er Lehrbeauftragter an der FH Trier, der Uni Oldenburg, der FHöV Kehl und schließlich an der Polizeiakademie Niedersachsen. Herausgbeber- und Autorenverzeichnis 167 Thomas Thurner gründete 2002 gemeinsam mit weiteren Radiomacher/innen das Spin-out „Team Teichenberg“, dass sich mit Audiodatenbanken, E-Learning, Audio- und Videostreaming und infolge als eine der ersten österreichischen Plattformen mit Podcasting beschäftigte. Die 2001 von Herrn Thurner ins Leben gerufene Genossenschaft osAlliance wurde 2006 von der Telekom Austria mit der Gestaltung und Abwicklung des Innovationshubs „net culture lab“ beauftragt. Seit 2008 ist Herr Thurner bei der Semantic Web Company tätig und bringt hier sein Know-how als Koordinator des Bereichs Transfer sowie in Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit ein. Überdies ist der Autor im Bereich Open Data Strategies mit Community Building sowie für diverse Consulting-Projekte in der stetig wachsenden Linked-Open-Government-Data-Landschaft tätig. 168 Herausgeber- und Autorenverzeichnis Herausgbeber- und Autorenverzeichnis 169 Weitere Schriften des Innovators Club im vwh-Verlag F.-R. Habbel /A. Huber (Hg.): Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik Neue Formen der Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger 2008, Hardcover, 196 S., ISBN 978-3-940317-36-0, 27,50 € Rezension von Dr. J. Hofmann (Fraunhofer IAO) in HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik (Nr. 265): Das Werk vermittelt einen kurzweiligen Überblick über die Möglichkeiten des Web 2.0 im kommunalen Bereich […]. [Das] durchaus lesenswerte Buch [bildet] den tatsächlichen Status des Einsatzes von Web 2.0 gut ab: viele Experimente, sehr gute Ideen, aber noch keine große Anzahl überzeugender und nachhaltiger Geschäftsmodelle. Man darf gespannt sein, was sich hier in den nächsten Jahren als überlebensfähig und erfolgreich herausstellen wird. F.-R. Habbel /A. Huber (Hg.): Wirtschaftsförderung 2.0 Erfolgreiche Strategien der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verwaltung und Politik in Clustern und sozialen Netzwerken 2010, Hardcover, 308 S., ISBN 978-3-940317-68-1, 29,90 € – zzt. vergriffen; Neuauflage in Planung – H. Fritzlar /A. Huber /A. Rudl (Hrsg.): Open Source im Public Sector: günstiger, sicherer, flexibler Was der öffentliche Sektor von dem Zukunftstrend lernen kann 2012, Hardcover, 192 S., ISBN 978-3-86488-013-1, 25,90 € Die Autoren zeigen auf, warum Open Souce gerade im öffentlichen Sektor eine gute Wahl sein kann und welche Vorteile in puncto Sicherheit, Unabhängigkeit und Verlässlichkeit sich ergeben. Die Bandbreite der Themen erstreckt sich von verwaltungswissenschaftlichen/betriebswirtschaftlichen Betrachtungen über die Bedeutung von Cloud Computing und Open Data im Public Sector bis hin zu konkreten Praxisbeispielen zum Einsatz von Open Source in Stadtverwaltungen, Schulbehörden und Forschungseinrichtungen. F.-R. Habbel / S. Vanasco (Hg.): Wellenreiter Kommunale Politik im Kontext von digitalen Meinungsimpulswellen 2012, Hardc.., 110 S., 978-3-86488-025-4, 19,80 € GuttenPlag, ACTA oder der „Bud-Spencer-Tunnel“ haben gezeigt, dass sich Bürger zunehmend im Internet um Teilnahme und Teilhabe bemühen – überregional, aber auch direkt vor Ort. Hunderttausende sprechen sich – etwa via Facebook, Twitter oder YouTube – innerhalb kurzer Zeit gegen ungeliebte Gesetze, Politiker oder Unternehmen aus. Und sie erwarten unmittelbare Reaktionen auf ihren Unmut. Die Nutzung des Internets hat so das Potenzial, politischer und lokaler zu werden. Es stellt sich damit auch für Kommunen die Frage, wie sie mit diesen Meinungsimpulswellen umgehen sollen. H. Schneider / H.-H. Herbers (Hg.): Kommunale Bürgerkommunikation Konzeptionelle Grundlagen – Empirische Befunde – Kommunale Praxis 2013, Hardcover, 226 S., ISBN 978-3-86488-040-7, 27,80 € Einwohner werden für viele Kommunen zunehmend zum Engpass einer zukunftsfähigen Entwicklung und rücken so ins Zentrum des Stadtmarketings. Gleichzeitig haben sich die Beteiligungsanforderungen der Bürger erhöht und traditionelle Kommunikationskanäle an Reichweite verloren. Diese Gemengelage war Ausgangspunkt eines mehrjährigen Forschungsprojektes. Im Zentrum standen dabei zwei Fragen: „Wie kommunizieren Kommunen mit ihren Bürgern?“ und „Wie könnten sie besser mit den Bürgern kommunizieren?“. Der Sammelband beantwortet diese Fragen auf Grundlage umfassender empirischer Untersuchungen sowohl aus Sicht der Kommunalverantwortlichen als auch der Bürger. Darüber hinaus berichten Autoren aus der kommunalen Praxis. S. Költzow / J. Kwaschik / P. Palm: Die wandlungsfähige Verwaltung Wandelgestalter, Potenzialentdecker und Beziehungsmanager für die Städte und Gemeinden von Übermorgen 2013, Hardc., Großformat, 192 S., 978-3-86488-044-5, 29,80 € „Das vorliegende Buch dokumentiert ein einzigartiges Projekt der Zusammenarbeit zwischen zwei Stadtverwaltungen und einem studentischen Team. Es zeichnet sich durch einen optimistischen und erfrischenden Blick ‚von außen‘ auf die Arbeit in den Rathäusern aus.“ Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des DStGB Weitere Titel aus dem vwh-Verlag (Auszug) Reihe „Web 2.0“ F. Renz: Praktiken des Social Networking 2007, 21,90 €, 978-3-9802643-6-5 S. Munz/J. Soergel: Agile Produktentwicklung im Web 2.0 C. Noack: Crossmedia Marketing 2007, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-11-7 Innovative, IKT-orientierte Konzepte für Suchmaschinen als Brücke zwischen Offline- und Online-Kommunikation 2010, 33,50 €, ISBN 978-3-940317-78-0 U. Großmann/I. Kunold (Hg.): Smart Energy 2010 C. Mörl/M. Groß: Soziale Netzwerke im den Energiesektor der Zukunft Internet Analyse der Monetarisierungs- (Tagung, FH Dortmund, 29. Okt. 2010) möglichkeiten und Entwicklung eines integrierten Geschäftsmodells 2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-22-3 2010, 24,50 €, ISBN 978-3-940317-79-7 T. Seeber: Weblogs – die 5. Gewalt? die Zukunft der Energiewirtschaft (Tagung, FH Dortmund, 11. Nov. 2011) 2011, 23,50 €, ISBN 978-3-86488-004-9 2008, 25,50 €, ISBN 978-3-940317-23-0 U. Großmann/I. Kunold (Hg.): Smart Energy 2011 Smart Grid oder J. Moskaliuk (Hg.): Konstruktion und Kommunikation von Wissen mit Wikis U. Großmann/I. Kunold (Hg.): Smart Energy 2012 Smart Grid oder 2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-29-2 die Zukunft der Energiewirtschaft J. Brinning: Persönliches Publizieren im (Tagung, FH Dortmund, 22./23. Nov. 2012) Web 2.0 2008, 27,50 €, 978-3-940317-32-2 2012, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-030-8 Hutter: Watchblogs: Medienkritik 2.0? U. Großmann/I. Kunold/C. Engels 2009, 27,90 €, 978-3-940317-12-4 (Hg.): Smart Energy 2013 Wie smart H. Frohner: Social Tagging ist Deutschland im europäischen Kontext? 2010, 26,90 €, ISBN 978-3-940317-03-2 R. Bauer: Die digitale Bibliothek von Babel Über den Umgang mit Wissensressourcen im Web 2.0 2010, 26,90 €, ISBN 978-3-940317-71-1 J. Jochem: Performance 2.0 (Tagung, FH Dortmund, 14./15. Nov. 2012) 2012, 24,50 €, ISBN 978-3-86488-055-1 in der Reihe „E-Collaboration“ M. Groß/A. Hiller (Hg.): Leadership in Distributed Organisations G. Franz: Die vielen Wikipedias Beherrschung der Distanz in verteilt agierenden Unternehmen (Kongressband, Tagung Lüneburg, Feb. 2007) 2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-7-2 Vielsprachigkeit als Zugang zu einer globalisierten Online-Welt 2011, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-002-5 Reihe „E-Humanities“ G. Vogl: Selbstständige Medienschaffende in der Netzwerkgesellschaft Zur Mediengeschichte der Flashmobs 2011, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-98-8 R. Sonnberger: Facebook im Kontext medialer Umbrüche 2012, 29,50 €, ISBN 978-3-86488-009-4 J. Brailovskaia: Narzisstisch und sensationssuchend? Eine Studie zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und OnlineSelbstdarstellung am Beispiel von studiVZ 2013, 24,50 €, ISBN 978-3-86488-039-1 Reihe „E-Business“ J. S. Günther: Erfolgreiches Onlinemarketing mit Google 2008, 43,90 €, ISBN 978-3-940317-26-1 S. Sobczak/M. Groß: Crowdsourcing 2008, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-38-4 C. Russ: Online Crowds Massenphänomene und kollektives Verhalten im Internet 2010, 31,50 €, ISBN 978-3-940317-67-4 C. Potzner: Chancen und Risiken der Arbeit im E-Business Eine arbeitswissenschaftliche Untersuchung von Organisationsformen und Aufgabeninhalten an B2B-Arbeitsplätzen 2010, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-70-4 M. Janneck/C. Adelberger: Komplexe Software-Einführungsprozesse gestalten: Grundlagen und Methoden Am Beispiel eines Campus-Management-Systems 2012, 26,90 €, 978-3-940317-63-6 Grundlagen u. Bedeutung für d. E-Business H. Kohle: Digitale Bildwissenschaft 2010, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-61-2 2013, 16,80 €, ISBN 978-3-86488-036-0 Reihe „Multimedia“ J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik A. Blessing: Personalisiertes E-Learning „Interaktive Systeme“ (Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2010) 2010, 31,50 €, ISBN 978-3-940317-72-8 C. Lehr: Web 2.0 in der universitären Lehre 2012, 27,90 €, ISBN 978-3-86488-024-7 J. Wagner/V. Heckmann (Hg.): Web 2.0 im Fremdsprachenunterricht J. Sieck (Hg.): Wireless Communication and Information (Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2010) 2010, 22,90 €, ISBN 978-3-940317-81-0 J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik „Multimediale Systeme“ (Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2011) 2011, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-95-7 J. Sieck (Hg.): Wireless Communication and Information (Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2011) 2011, 27,90 €, ISBN 978-3-8648-000-1 A. Frotschnig/H. Raffaseder (Hg.): Forum Medientechnik – Next Generation, New Ideas (Beiträge der Tagungen 2010 und 2011 an der FH St. Pölten) 2011, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-005-6 2012, 29,90 €, ISBN 978-3-86488-007-0 2012, 27,50, ISBN 978-3-86488-022-3 E. Blaschitz et al. (Hg.): Zukunft des Lernens Wie digitale Medien Schule, Aus- und Weiterbildung verändern 2012, 23,50 €, ISBN 978-3-86488-028-5 U. Höbarth: Konstruktivistisches Lernen mit Moodle - 3. Aufl. 2013, 31,50 €, ISBN 978-3-86488-033-9 A. Klampfer: E-Portfolios als Instrument zur Professionalisierung in der Lehrerund Lehrerinnenausbildung 2013, 27,90 €, ISBN 978-3-86488-034-6 M. Hielscher: Autorentools für multimediale und interaktive Lernbausteine Architektur und Einsatzszenarien von J. Sieck/R. Franken-Wendelstorf (Hg.): LearningApps.org Kultur und Informatik 2013, 26,50 €, ISBN 978-3-86488-041-4 „Aus der Vergangenheit in die Zukunft“ C. Koenig: Bildung im Netz (Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2012) 2012, 28,50 €, ISBN 978-3-86488-016-2 J. Sieck (Hg.): Wireless Communication and Information (Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2012) 2012, 26,90 €, ISBN 978-3-86488-029-2 A. Frotschnig/H. Raffaseder (Hg.): Forum Medientechnik – Next Generation, New Ideas (Beiträge der Tagung 2012 an der FH St. Pölten) 2012, 26,50 €, ISBN 978-3-86488-031-5 R. Franken-Wendelstorf/E. Lindinger/ J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik „Visual Worlds & Interactive Spaces“ (Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2013) 2013, 28,50 €, ISBN 978-3-86488-045-2 Analyse und bildungstheoretische Interpretation der neuen kollaborativen Praktiken in offenen Online-Communities 2013, 31,90 €, ISBN 978-3-86488-042-1 Varia nestor Handbuch Eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung 2009, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-48-3 Langzeitarchivierung von Forschungsdaten Eine Bestandsaufnahme 2012, 29,90 €, ISBN 978-3-86488-008-7 Leitfaden zum Forschungsdaten-Management Handreichungen aus dem WissGridProjekt 2013, 15,80 €, 978-3-86488-032-2 weitere Schriftenreihen des vwh-Verlages Reihe „E-Learning“ (s. www.vwh-verlag.de): D. Schirmer et al.: Studieren als Konsum - Typo|Druck Veralltäglichung und Degendering von E- - AV-Medien Learning 2011, 27,90 €, 978-3-940317-83-4 - Game Studies C. Biel: Personal Learning Environments - Medientheorie - Medienwirtschaft als Methode zur Förderung des - Schriften zur selbstorganisierten Lernens 2011, 24,90 €, ISBN 978-3-86488-001-8 - Informationswissenschaft Aktuelle Ankündigungen, Inhaltsverzeichnisse und Rezensionen finden sie im vwh-Blog unter www.vwh-verlag.de. Das komplette Verlagsprogramm mit Buchbeschreibungen sowie eine direkte Bestellmöglichkeit im vwh-Shop finden Sie unter www.vwh-verlag-shop.de.