Vivat 8-Seiter - Universum Verlag GmbH
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KULINARIUM vivat isst + trinkt D E L I CAT E S S EUND N TRINKEN Die vivat-Redaktion hat viel gegessen und alles Mögliche getrunken, mächtig zugenommen und alles wieder abgetanzt – nur um eine Auswahl jener Orte nennen zu können, die es wert waren, da gewesen zu sein. Hier zunächst unsere MORGENS MITTAGS NACHMITTAGS CAFE MALDANER – EINE ZEITREISE NOVA LOUNGE – NEUE PHILOSOPHIE AUS DER KÜCHE BISTRO MORITZ – EIN BANKGEHEIMNIS Hier gibt es noch das gute Kännchen Kaffee auf dem kleinen Bald gibt es die NOVA LOUNGE am Luisenplatz schon zwei Klein und vielleicht etwas zu kühl kommt das kleine Bistro – Tablett serviert und zum Frühstück das belegte Brötchen, wie Jahre, eine Mischung aus Lifestyle-Cafe, Bistro, Lounge und ebenso wie die blonde Bedienung – im großen schicken Ge- einst… Alles scheint wie es immer war. …Laufsteg. Eine Mischung, die anscheinend funktioniert. bäude der Naspa-Bank in unmittelbarer Nähe zur Fußgän- Was jedoch heute kaum noch einer weiß: früher waren es zwei Denn die schon vor der Eröffnung totgesagte lebt, füllt sich gerzone daher. Auffallend klein sind hier auch die Preise, die Cafes, die von Josefine Jeuck geführt wurden. Untrennbar und leuchtet bunt am Abend als hätten alle Bedenken nur da- auf den verschiedenen Tafeln an den Wänden zu sehen sind: schienen Opelbad-Cafe und Cafe Maldaner miteinander ver- zu beigetragen, die Lounge in Wiesbaden populär zu machen. Das Kännchen Morgentau-Tee von Ronnefeldt für 1,90 Euro, bunden. Bei schlechtem Wetter war man in der Stadt, bei gu- Lebensfroh geben sich auch die jungen italienischen Mädels der Espresso für 1,30 Euro und das Selters Wasser kostet in der tem Wetter im Bad - die Kellner ebenso wie die Gäste. Doch hinter der Bar. Für viele Grund genug dort einzukehren. Auch blauen La Culinaria-Flasche 1,20 Euro. Klein aber oho ist auch mit zunehmendem Alter der Betreiberin wurde die Doppel- wenn man – egal ob als Frau oder als Mann – den Kellner die Weinliste, die einen am Nachmittag geschickt zu dem belastung zu viel. Das Opelbad-Cafe wurde verpachtet und Guiseppe eigentlich viel besser finden muss. einen oder anderen Piffchen verführt. – Schließlich sind wir ja schließlich gab die betagte Dame auch das Maldaner aus der Zum Kulinarischen: Der illy-Kaffee ist überzeugend gut, viel- fast im Rheingau und 0,1 Liter feinsten Rieslings gehen immer. Hand. Testamentarisch ließ sie sich allerdings den Tisch rechts leicht der beste Kaffee in Wiesbaden. Schwieriger war es hier Schloss Vollrads, Georg Breuer, Spreitzer und Jakob Jung – neben der Eingangstür freihalten. Dieser musste ihr stets zur all die Zeit mit der Bewertung des Essens. Aber auch fand man alle unter 2 Euro. Das macht unmittelbar Freude. Um 20.00 Verfügung stehen und auch sonst durfte nichts verändert eine Lösung: Henry Bayer, Ex-Küchenchef von Gollners Burg Uhr ist der Spaß allerdings vorbei. Warum? Darüber sind wir werden. Betritt man heute das Cafe, weiß man, wer und was gibt sich nun in der Lounge die Ehre. Was der Gault Millau auf uns auch nicht klar, können aber auch nicht mehr richtig dar- einen erwartet – notariell beglaubigt. Drum wird es noch ei- der Burg noch mit 13 Punkten bewertete, findet hier zwar kei- über nachdenken. nige Zeit so sein, wie es immer war. ne Beachtung mehr, wir freuen uns aber trotzdem mittags für Cafe Maldaner, Marktstraße 34, 65183 Wiesbaden kleines Geld lecker zu essen. Wer das ebenso tun will, der be- Bistro Moritz achte vor allem die Mittagsgerichte an der Tafel. Moritzstraße 2, 65185 Wiesbaden Fon +49 (0)611 36405424 Fon: +49 (0)611 305214, www.cafe-Maldaner.de Frühjahrstipps. für morgens, mittags, nachmittags, abends und nachts. Öffnungszeiten: Nova Lounge Café Bar Restaurant Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 7.30 bis 19.00, Luisenplatz 2, 65185 Wiesbaden, Montag bis Freitag 10.00 bis 20.00 Uhr Sonntag von 9.00 bis 19.00 Uhr. Fon: +49 (0)611 3088775, www.nova-lounge.de In den nächsten vivat-Ausgaben gibt Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 10.00 bis 1.00, es weitere Empfehlungen. 2 vivat Freitag und Samstag 10.00 bis 2.00 Uhr. Ausgabe Frühjahr 2005 Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 3 KULINARIUM vivat trinkt Der Rheingauer von 2004 den Rheingau nicht in einem guten Licht erscheinen. Mit unserem Weingut – das gar nicht anders als teuer produzieren kann – müssen wir daher eine völlig andere Strategie fahren. Wir suchen nach Deutschland andere Länder, in denen man noch bereit ist, einen Preis zu bezahlen, der für uns akzeptabel ist. Japan, Russland und vor allem die USA sind solche Länder, in denen unser Wein mehr denn je gekauft wird. Ich war gerade in den USA mit der Konsequenz, dass es unser Flaggschiff den Höllenberg künftig Morrells Wine Bar am Rockefeller Center Was kommt nach dem Jahrhundert-Wein 2003? geben wird. Dort kostet das Glas 50 Dollar, die Flasche um die zweihundert – und trotzdem werden wir getrunken. Allerdings Von gut und günstig bis top und teuer – hat sich auch hier viel verändert. Vor dem 9/11 hätte man – Die Rheingauer Winzer Weil, Künstler, Kesseler und Ganswohl bei der Qualität, die wir momentan produzieren – schon die ganze Ernte verkauft und wir freuen uns stattdessen über ein (Schloss Vollrads) empfehlen eigene Weine und die der Konkurrenz. paar Kisten… Die Interviews führte Dirk Becker. Ganswohl (VOLLRADS): Unsere Preise sind sehr moderat. 7,90 Euro beispielsweise für den QbA , das Erste Gewächs 2003 für 20,90. Wir waren vor zehn Jahren teurer als heute, wenn man es genau nimmt und berücksichtigt, dass wir mit einer „Geiz ist geil“ heißt es, und unter demselben Motto KÜNSTLER: Ich weiß, dass es im Aldi Eiswein für circa 7 Euro KESSELER: Falls ich eine ehrliche Antwort geben darf: Ich den- selektiven Lese und 20 Prozent weniger Ernte arbeiten. Der kaufen mittlerweile 40 Prozent der Deutschen ihren gibt. Was ich nicht weiß, ist warum man den kauft. Das ist ke, man sollte die beiden Aldi-Brüder nicht gerade lieben. Sie jeweilige Preis pro Flasche ist jedoch ein ganz einfaches Wein im Discounter. Die Hälfte davon alleine bei Aldi. jenseits allen guten Geschmacks und aller Wertschätzung. Pro- suggerieren mit ihren Kampfpreisen doch dem Endverbrau- Rechenexempel. Beim Ersten Gewächs hat man bei gleicher Und andererseits gönnen sich viele – zunehmend blematischer ist meiner Meinung nach allerdings, dass diese cher, dass es auch so geht und die anderen Winzer sich durch Arbeit nur ein Drittel des Ertrages gegenüber dem normalen Amerikaner – Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete Mentalität zu einem Verlust an Kultur führt. Dieselben Men- die höheren Preise die Nase vergolden lassen. Wenn ich den Qualitätswein. Daher auch der Preis. – QbA – für mehr als sieben Euro oder die Trocken- schen sparen zum Schluss auch die Weingläser und trinken Rheingauer Riesling für 1,99 Euro im Regal sehe, halte ich das Nun kann man natürlich sagen: Dann ist eben schon der QbA beerenauslese 1999 vom Weingut Weil für 2.500 Euro. aus irgendwelchen Bechern – zumindest erzählt mir meine aber vor allem deshalb für sehr bedenklich, weil kein Mensch zu teuer – allerdings macht man damit ein völlig anderes Fass Wie passt das zusammen? Tochter manchmal solche Geschichten. mehr wissen will, was man den Winzern hier damit antut. Von auf. Es gibt Herstellungskosten und gewisse Margen – viel- Helmer (WEIL): Schon der Satz „Geiz ist geil“ ist grausam. Dumping, Existenzminimum und totaler Abhängigkeit will leicht 40 Prozent – für die Fachhändler, die auch noch was ver- Diese Kultur führt dazu, dass es bald nichts mehr von Qualität schließlich niemand etwas hören. Bleibt abzuwarten, ob Aldi dienen wollen. Beim Gutsverkauf können wir diese Händler gibt. Ich denke, dieser Satz ist aber auch ein vorübergehender den Weintrinker von morgen schafft, der dann bei mehr Kon- natürlich anschließend nicht unterbieten und so verdienen PR-Gag. Sicher sind die Preise auf Weingut Robert Weil im sumfreude sich auch dem besseren Wein zuwendet und ob auch wir unseren Teil. Verrückt ist dabei allerdings, dass viele deutschen Preisvergleich etwas höher. Wenn Sie sie aber in ei- die beiden Brüder auch in kleinen Jahren den Wein kaufen, glauben, wenn sie eine Kiste Wein kaufen, müssten sie eine nen internatonalen Vergleich stellen, so gehören wir eher ins oder ob sie es zu einer Überschwemmung des Marktes kom- weitere gratis dazu bekommen, oder bei einer Flasche und gehobene, mittlere Preissegment. Das weiß unsere Kundschaft men lassen. Selbst wenn man ihnen zugute halten würde, die Barzahlung nach Rabatt fragen. Es gibt trotz allem auch als ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis zu schätzen. kleineren Weine vom Markt zu nehmen, lässt das insgesamt andere, denen schenkt man gerne was. 4 vivat Ausgabe Frühjahr 2005 Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 5 KUNST & KULTUR vivat kauft ein objets trouvés – ODER : DAS K UNSTSCHÖNE „Ich sitz vorm Heimcomputer hier und programmier die Zukunft mir...“ wenn das nicht romantisch klingt. Heutzutage programmiert kaum jemand seine Zukunft vor dem Heimcomputer. Eher lassen wir uns vom Computer programmieren. IN DER WARENWELT SCHALLPLATTE VON KRAFTWERK KRAFTWERK das bedeutet Musikgeschichte. Vor über zwanzig Jahren machten sie sich auf den Weg in der Musik neue Maßstäbe zu setzen. Elektronische Maßstäbe. Dieses gab es bis zu diesem Zeitpunkt kaum, und erst recht nicht erfolgreich. KRAFTWERK erkannten schon früh die Faszination, aber auch die Gefahr der elektronischen Welt. Der Computerwelt. – „Finanzamt und das BKA haben unsere Daten da…“ Damals waren die Computer gerade auf den Vormarsch in die Büros beziehungsweise die Wohnzimmer der Menschen und KRAFTWERK nutzten sie konsequent – als Musikinstrumente. KRAFTWERK entlockten aber auch diversen anderen elektronischen Geräten wie Taschenrechnern lustige Töne, die sie zu ganzen Musikstücken zusammensetzten. Sie waren, ob man es glaubt oder nicht, die Pioniere der Elektronischen Musik, die sich später zu Techno, House und Elektronika wandelte. Selbst die amerikanische Hip-Hop-Szene zählt noch heute Kraftwerk zu ihren Vorbildern. In diesem Sinne: it’s more fun to compute! Um die Platte in Wiesbaden zu bekommen, geht man am Besten ins: SCHALLPLATTEN ANTIQUARIAT, Manfred Eisele, Mauergasse 15, Fon: +49 (0)611 37 35 47 BURMESTER ANLAGE Antiquarisch geht es auch auf der Taunusstraße zu, wenngleich hier das Thema Musik umso größer geschrieben werden sollte. Neben den vielen antiquarischen Geschäften, findet sich nämlich hier ganz plötzlich und unvermittelt ein Laden, der zwar kein Vinly, dafür aber den Rolls Roys unter den Musikanlagen führt. Klang im Raum steht mit edlen Lettern auf den Markisen und im Inneren befindet sich unter anderem diese Burmaster-Anlage. „Art of the Ear“ lautet ihr Versprechen und das Team von Klang im Raum sorgt mit fachkundiger Beratung dafür, dass sie dieses Versprechen auch hält. Leider hat das seinen Preis. 9.990 Euro nur für den „Basic Line”-Verstärker halten viele für zu teuer. Doch Burmester kontert: „Die Qualität bleibt bestehen, wenn der Preis längst vergessen ist.“ Wir glauben es, beschließen zu sparen… Musik im Raum, Taunusstraße 32, 65183 Wiesbaden, Fon: +49 (0)611 524648 GOLDENE BUDDHA STATUE AUS THAILAND Der Vorsatz endlich „Geld sparen zu wollen“ wird bereits jetzt wieder in Zweifel gezogen, da man schon auf dem Trottoir freundlich von diversen Buddha-Figuren angelächelt wird. Cocoon heißt der mit Blumen und sonstigen Accessoires reich dekorierte Ort in der Taunusstraße, der vor Jahren totgesagt wurde, aber heute floriert wie kein zweiter. Die wundervollen Buddha-Figuren stammen aus Thailand, Japan und China. In der vergangenen Adventszeit wurde man – ganz in streng asiatischer Tradition – neben dem milden Lächeln, mit einer Tasse Glühwein und Dominosteinen empfangen. Herzallerliebst… Wer dennoch hier sein Geld nicht ausgeben mag, wird nicht gezwungen, auch wenn es sich bei vielen Gegenständen tatsächlich um Kleinode handelt. Was man hier allemal findet – auch ohne zu bezahlen – ist Ruhe. Der Innenhof wirkt fast wie ein Steingarten. Hier mag man gerne verweilen. Aber es hilft nichts. Auch der Cocoon wird irgendwann geschlossen. Meistens ziemlich genau abends um acht. COCOON House & Garden Design Taunusstraße 55, 65183 Wiesbaden, Fon: +49(0)611 5280330 6 vivat Ausgabe Frühjahr 2005 GESCHMIEDETES KOCHMESSER AUS DAMAST-STAHL Wenn auch nicht aus Gold, so doch aus Damazenerstahl ist dieses einzigartige Messer. – allerdings war es kaum zu finden. In einem kleinen Lädchen der Faulbrunnenstraße haben wir es entdeckt. Der als „wilder Damast“ bezeichnete Stahl wird von der Schmiede Markus Balbach nach dem „Verbund-Feuerschweiß-Verfahren“ in Handarbeit aus mehr als 300 Schichten Nickelstahl gefertigt. Der Messergriff besteht aus gebeiztem Kirschbaumholz. So viel Schönheit braucht – nach der Arbeit – die richtige Pflege. Die Reinigung des Messers sollte von Hand erfolgen und die Klinge nach dem Reinigen mit säurefreiem Öl eingeölt werden, da diese nicht rostfrei ist. – Was man nicht alles tut… Zum Schärfen bietet sich dann wieder die Meisterwerkstatt Eberhardt selbst an. G. Eberhardt, Fachgeschäft für feinste Solinger Stahlwaren, Meisterwerkstatt für Reparaturen, Faulbrunnenstr. 6, 65183 Wiesbaden, Fon:0 +49 (0)611 301183 KALENDER „GRAUES HAUS“ Mal ehrlich! Klingt es vernünftig einen Kalender für 2005 im März des Jahres zu empfehlen? Eigentlich ja nicht. Wir tun es dennoch. Schließlich ist dies viel mehr als ein Kalender. Das edle Exemplar ist Kalendarium, Kochbuch, Rheingauer Geschichte und vor allem: eine Hommage an das „Graue Haus“. Das Restaurant liegt zwar im Dornröschenschlaf, die Macher und auch die Gäste von einst sind aber immer noch umtriebig. Spätestens im Dezember 2005 wissen nun auch diejenigen, die nie dort waren, warum dieser Ort nicht in Vergessenheit geraten sollte. Buchkalender Essen Wein Kultur 2005, ISBN 3-00-013955-9 EIGENES HAUS Für all jene, die das Graue Haus zwar toll fanden, aber noch viel lieber ihr eigenes Haus hätten. In der Schuppstraße 43 bis 45 entstehen vier außergewöhnliche Einfamilienhäuser in bester Wiesbadener Wohnlage. Über die großzügigen Glasfronten und den jeweils drei Terrassen genießt man in Zukunft die Abendsonne vor offenem Kamin und einen faszinierenden Blick über Wiesbaden und Sonnenberg, da das Grundstück im Hang gelegen ist. Wem der Ausblick nicht genügt, der vertritt sich die Beine im dazu gehörigen Garten, von dem aus der Kurpark direkt zu erreichen ist. Grundstück: zirka 500 Quadratmeter, Wohnfläche: zirka 207 Quadratmeter Engel & Völkers Main-Taunus GmbH, Taunusstr. 16, 65183 Wiesbaden Fon: +49 (0)611 54 100 0, Fax: +49 (0)611 54 100 29, www.engelvoelkers.com Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 7 vivat dokumentiert Dankbarkeitsgefühle tanzen mehr als tausend Gästen C O C O O N C L U B , & D I E 3 D E L U X E Z U K U N F T D E S S E I N S auf dem Weg ins Innere des Clubs voraus. Sie treten ein in elektronische Klangsphären und bisher Sommer 2004. DJ & Godfather of Techno Sven Väth thront wieder auf der Kanzel, prägt nach spektakulären Jahren im Dorian Gray und Omen erneut in Frankfurt den Begriff der internationalen elektronischen Musikavantgarde, während der CocoonClub sich selbst als „temporäre Erweiterung der real erfahrbaren Wirklichkeit“, als „avantgardistisches ungehör te akustische Dimensionen. Sounddesigner Steve Dashs Experimentierfeld für die Transformation von Raum und Wahrnehmung“ definiert. Das Werk einer Wiesbadener Agentur. In Wiesbaden spricht man selbstbewusst aber eher sachlich über ein „dreidimensionales Interface“, die „visuelle und akustische Bespielbarkeit“, über Linien, Stile, Membranwände, Tech- Huldigung an den per fekten Beat, Verbindung zwischen nik und Millionenbeträge. In mehr als zwei Jahren Planungs- und Bauphase entwickelte die Wiesbadener Agentur 3deluxe auf der Fläche von 2.700 Quadratmetern jenes holistische Gestaltungskonzept CocoonClub, das architektonische, mediale und grafische Elemente symbiotisch in einer Korrespondenz von Musik- und Designphilosophie im dreidimensionalen Raum auf einzigartige Weise miteinander verbindet. – Die Verbindung von Unverbundenem, dies war es, was 3deluxe immer wollten. Gehör und Körper, in renommier ten New Yorker Clubs 1992 von den Kommunikationsdesignern Andreas und Stephan Lauhoff sowie dem Innenarchitekten Nikolaus Schweiger gegründet und Mitte der neunziger Jahre von Dieter Brell ergänzt, verstehen sich 3deluxe heute als interdisziplinäres Team, als kreative Einheit von 20 Personen. Kunst, Architektur, Grafik-, Medien- und Produktdesign diskutieren sie fachübergreifend, der Wissenstransfer von Kunst, Natur, Wissenschaft und Technik ist Kennzeichen wie dem Twilo und dem Arc getestet. vieler Konzepte, die im entpersonalisierten Diskurs realisiert werden. Gearbeitet wird nämlich einzig in Projekt bezogen variierenden Teamkonstellationen. Der Einzelne geht auf im Ganzen. Die Wiedergabe des mit Schweiger, Brell und den Lauhoffs geführten Interviews verzichtet daher auf den Bezug zu den einzelnen Sprechern -– so just: all information of the spoken word! ENTER THE ARENA – dor t herrscht Selbstvergessenheit. Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 9 ARCHITEKTUR & DESIGN vivat dokumentiert Einst international renommierte Antiquitätenstraße, heute Szenenmeile: Die Taunusstraße Im ehemaligen Grandhotel „Rose“ residiert heute Ministerpräsident Roland Koch. A m Rande des auch in schwierigen Zeiten prospe- Damit nicht genug: Wiesbaden ist als Landeshauptstadt Sitz rierenden Rhein-Main-Gebietes gelegen, mit Tau- vieler Kammern und Verbände, Stadt der Kongresse und nus und Rheingau vor der Tür und dem Frankfur- Standort neuer Dienstleister. Da ist es mit dem Zelebrieren der ter Flughafen in komfortabler Nähe, übt die Stadt mit ihren guten, alten Zeit allein nicht getan. Mit Veränderungen ist es gut 270.000 Einwohnern nach wie vor eine hohe Anzie- jedoch so eine Sache in Wiesbaden. In der Bevölkerung hungskraft aus. Als beliebter Wohnort für besser Verdienende herrscht eine ausgeprägte Zurückhaltung, wenn es um neues sind die Miet- und Kaufpreise entsprechend hoch, auch für die Bauen geht. Glas und Stahl, klare und moderne Formen ha- nächsten Jahrzehnte wird Bevölkerungszuwachs prognosti- ben’s schwer in Wiesbaden. Manch einer meint gar, nur „ägyp- ziert. tischer Barock“ sei als Zutat denkbar. Wiesbaden ist – so der Titel eines Seminars der örtlichen Volks- Ein Bild von einer Stadt Wiesbaden, wer wollte das bestreiten, ist zweifelsohne eine schöne Stadt – und in mancherlei Hinsicht einzigartig. Gedanken zum Wiesbadener Stadtbild von Christof Bodenbach. Mit dem Zelebrieren der guten, alten Zeit allein ist es nicht getan. hochschule – eine „Perle des Historismus“. Die großartige Zeitgenössische Bau- Stadtanlage geht zurück auf den Architekten Christian Zais, kunst ist denn auch der Anfang des 19. Jahrhunderts den Auftrag erhielt, eine Klein- Mangelware in der Innenstadt. Der letzte wichtige Architek- stadt zu einer Residenz- und Kurstadt umzuplanen: Von 1800 turwettbewerb der Bauherrin Landeshauptstadt scheiterte vor bis 1900 wuchs die Stadt von 2.500 auf über 100.000 Ein- gut zehn Jahren, am – Narrhallamarsch – 11.11.1994: Die städ- wohner! Die Innenstadt mit ihren hoch verdichteten Blöcken tische Musik- und Kunstschule wollte man im Herzen der Stadt aus Klassizismus und Gründerzeit ist umgeben von ausge- bauen, ein Bürgerentscheid brachte das Projekt zu Fall. Noch dehnten Villenvierteln, gegliedert durch Parkanlagen in Ver- immer sitzt der Schock bei den Verantwortlichen tief, noch längerung der in die Stadt reichenden Taunustäler. Wenn auch heute gähnt am Dern´schen Gelände große Leere – von ei- das ursprünglich klassizistische Erscheinungsbild des 19. Jahr- nem Platz im Sinne eines gestalteten Raumes keine Spur. hunderts durch die Bauentwicklung in preußischer Zeit und die geringen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs verloren Gut acht Jahre später, Ende 2002, wurde erneut ein Wettbe- ging, wirkt das Stadtbild Wiesbadens verglichen mit anderen werb für ein prominentes Gebäude an wichtiger Stelle ein- deutschen Städten bis heute sehr einheitlich. Wiesbaden ist – deutig entschieden. Bauherr war diesmal das Land Hessen, das noch immer – eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts; Wiesba- seinen Landtagsabgeordneten und allen Bürgern ein neues den ist – noch immer – eine industriearme Verwaltungs- und Plenarsaalgebäude errichten wollte. Dieses Vorhaben schei- nicht zuletzt Wohnstadt. terte zunächst ebenfalls am Widerstand der Bürger. Nun wird endlich gebaut an der Grabenstraße: kleiner zwar, bescheidener, aber immerhin unzweifelhaft modern. 10 vivat Ausgabe Frühjahr 2005 Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 11 KÖRPERKULTUR vivat läuft M YTHOS Im Jahr 1986 gewann der griechische Schafhirte Spyridon Louis Heute ist Laufen ein Massenphänomen. machen sich regelmäßig Zehntausende auf die 42.195 km lange Strecke. M A R AT H O N den ersten olympischen Marathonlauf der Neuzeit. Bei den großen Städte-Marathons in Mainz und Frankfurt Einer davon ist unser Autor Matthias Ripp. Warum ich laufe? Um zu mir selbst zu finden? Mal im Ernst: Aber hilft das? Ich stelle mir Endorphine der Einfachheit halber Eine gewisse körperliche Fitness, zu der Laufen erheblich bei- sundheits- und Fitness-Industrie. Es hat eine Weile gedauert, Wer will das ewig gleiche Gegenüber, das einen morgens un- als kleine Liebesperlchen vor: rote, grüne, blaue und gelbe Kü- tragen kann, hilft außerdem, potentiell unangenehme Situa- aber jetzt, nach rund 2500 Jahren geht die Saat auf, und zwar ausgeschlafen im Badezimmerspiegel erwartet, wirklich so ge- gelchen, die etwas Farbe und Schwung in meine grauen Zel- tionen zu vermeiden. Etwa die Benutzung von engen Aufzü- richtig: fast jeder vierte Deutsche über 14 Jahren läuft, weiß nau kennen lernen? Um Grenzen zu überschreiten? Ja, wenn len bringen sollen. Gesehen habe ich sie aber noch nicht, und gen und das damit verbundene dumpfe Starren auf fremde die Marktforschung, und jedes Jahr werden es mehr. Sie ren- man nur wüsste, wie es drüben auf der anderen Seite aussieht. gespürt leider auch nicht. Alle anderen stehen im Supermarkt Ohrläppchen, Zehenspitzen und Aktenkoffer, bis endlich das nen über Stock und Stein, Aber am Ende ist das Benzin dort noch teurer und man kann an der Kasse immer in der richtigen Schlange, haben tolles erlösende Klingelzeichen ertönt. Wie schön ist es da doch, ent- durch Wald und Feld, bei Tag nicht mit der EC-Karte bezahlen. Blieben also noch die viel be- Wetter im Urlaub, kriegen eine Gehaltserhöhung – und haben spannt das Treppenhaus zu benutzen und in der Regel noch und mittlerweile auch bei schworenen Endorphine. Dahinter verbirgt sich „eine Sam- wahnsinnig viele Endorphine in ihrem Gehirn und der zuge- zuerst oben am Ziel zu sein. Bis zum vierten Stock sind die ei- Nacht. melbezeichnung für verschiedene körpereigene, morphinar- hörigen Anhangsdrüse. Und die schwärmen dann aus, sobald genen Füße jedenfalls das bessere Nahverkehrsmittel. tig wirkende Peptide, die im Gehirn und in der Hypophyse sich ihr Herr und Meister auf die 42.195 Kilometer lange vorkommen“, sagt der Brockhaus und belehrt mich außer- Strecke begibt, nehmen den Schmerz und lassen ihn schwe- Ob der erste Marathonläufer am Leben geblieben wäre, hät- sie laufen nicht nur, sie kau- dem, dass man die Hypophyse auch als Hirnanhangdrüse be- ben über den Asphalt, auf dass sein Fuß nicht möge stoßen te er statt der letzten Treppen hinauf zum antiken Athener fen auch: Unterhemden, zeichnet. an einen Stein. Marktplatz den Aufzug nehmen können, wird sich nicht mehr Unterhosen, Socken, lange Hosen, kurze Hosen, Jacken mit klären lassen. Wie überhaupt mit dieser Geschichte der ganze und ohne Ärmel. Dazu Bücher, Zeitschriften, Trinkflaschen, Und ich? Ich laufe, weil ich zu bequem zum gehen bin. Es dau- Mythos Marathon anfängt. In der antiken Stadt gleichen Na- Pulsmesser, Kappen gegen Sonne und Regen, Müsliriegel, ert mir einfach zu lang. Warum soll ich mehrere Stunden - um mens an der Ostküste Attikas siegte der griechische Feldherr Elektrolytgetränke – und Schuhe! Vor allem Schuhe. Schuhe ein Beispiel zu nennen - mühsam vom Nertotal auf die Platte Miltiades 490 vor Christus über die Perser. Jedoch, so hebt sind wichtig. Schuhe sind das A und O, das Alpha und Ome- wandern, wenn ich in 45 Minuten bequem hoch laufen kann? wiederum der Brockhaus mahnend den Finger: „Die Überlie- ga, der Anfang und das Ende des Laufens. Am Ende des Re- Besonders im Sommer bleiben bergauf immer wieder ein paar ferung, dass ein Läufer die Nachricht nach Athen brachte und genbogens steht für den Läufer, nein kein Topf mit Gold, son- wild strampelnde Mountainbiker auf der Strecke. Das reicht bei seiner Ankunft tot zusammenbrach, ist nicht belegt.“ Aha, dern ein Paar neuer Laufschuhe, ausgestattet mit der neuesten zwar nicht für Endorphine, aber doch für ein heimliches Grin- wahrscheinlich ist die Mär dieser heroischen Glanztat nur ein Hydrodrive-Aktivgeldämpfung, dreifacher Pronationsstütze sen. Ja, es stimmt schon, Laufen macht Laune. von sehr langer Hand geplanter Marketing-Coup der Ge- und patentierter One-Step-Ahead-Zone im Vorfußbereich. Warum ich laufe? Ich stelle mir Endorphine der Einfachheit halber als kleine Aber was noch wichtiger ist: Liebesperlchen vor. Um zu mir selbst zu finden? Ich laufe, weil ich zu bequem zum gehen bin. 12 vivat Ausgabe Frühjahr 2005 Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 13 vivat im Frühjahr „Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen. Es gibt kein richtiges Leben im falschen." vivat – Lust auf Leben „Die Wahrheiten schwinden, das Leben bleibt“ Theodor W. Adorno Minima Moralia Ein Prolog von Dirk Becker über die Bedeutung von kulturel- In diesem Kontext unterscheidet sich die Religion nicht we- lem und privatem Leben im neu begonnenen Jahrtausend sentlich von der Politik, der Arbeit oder der Wahl des richtigen Restaurants oder gar des Partners. Alles ist beliebig aus- vivat – endlich! tauschbar. Die Welt ist zum gigantischen Supermarkt gewor- Endlich wieder Frühling, endlich wieder etwas Sonne. Vielleicht den und man selbst steckt mittendrin – allerdings ohne Not- wieder ein paar (altbekannte) Gefühle - wenngleich nur am ausgang. Der Kapitalismus hat gesiegt. Aber wer hat eigent- Morgen? Von „Lust“ wollen wir vorerst gar nicht sprechen, lich verloren, da wir doch die Gewinner sind? und schon gar nicht von einer Lust auf das Leben selbst. Ich glaube der Philosophie Adornos, bin um diese Lust beraubt, „Das individuelle Leben ist eine serialisierte kapitalistische Miniaturkrise, ein Desaster, das deinen Namen trägt.“ weiß um den Betrug der Welt. „Kein richtiges Leben im falschen“, hieß es schließlich bei ihm Ende des 20. Jahrhunderts. Aber was bedeutete das heute, da selbst die kulturkritischste Gesellschaftstheorie durch die schillernde Masse an Belanglosigkeiten ihre Gleichgültigkeit erfährt? Die Intelligenz der Ar- Tennesse Williams beit, der Kunst und schließlich auch der Kultur scheint in hundert Fernsehkanälen, Magazinen und in konkurrierenden Expertenzirkeln zu enden, woran weder die Politik samt Hartz IV, V und so weiter noch die Rechtschreibreform oder der Terror Reflektiert man diese Frage in der Zeit eines miserablen Ar- der letzten Jahre, Herr Schröder, Herr Bush und auch nicht Mi- beitsmarktes und des lauter werdenden Vorwurfs eines selbst chael Moore etwas ändern konnten. verschuldeten Nichtwissens, Nichtkönnens und Nichtwollens Ist am Ende jegliche Regung – auch die intellektuelle – verge- ist die Antwort schnell gefunden: das Individuum. Als Privat- bens, all unser Wissen gleichgültig und nutzlos? Die westliche personen geboren, degenerieren die Menschen – in gewisser Gesellschaft der Jetztzeit, die sich selbst als Wissensgesellschaft Weise sogar tragisch – zu medial inszenierten Idioten. In der definierte, ist scheinbar weder fähig, ihrem tagtäglichen Tun Gegenwart des Schmunzelreporters trifft sich nun die kleine einen klar definierten Sinn zu geben, noch scheint sie ihrer Exi- Welt jener Gesellschaftsinsassen, die sich ansonsten kaum noch stenz irgendeinen Glauben überzuordnen. Vielmehr muss der- trauen das Wort „Ich“ ohne Vorbehalte in den Mund zu neh- jenige, der etwas Ähnliches sucht, oft nach Jahrzehnte langem men. Da dies aber in der Öffentlichkeit lukrativ ist, plaudern Studium der Philosophie, der Ökonomie oder des Alkohols er- hier Hausfrau und Politiker ganz selbstverständlich über die kennen, dass in dieser Welt jeder für seine Wahrheiten selbst Banalitäten „ihres“ Privatlebens, oder antworten stets mit „Ich verantwortlich ist. Dabei haben sich die Wahlfreiheiten in al- meine….“ wie pawlowsche Versuchspersonen auf die len Bereichen des Lebens immens erhöht, und mit ihnen auch schwachsinnigsten Fragen, während das tatenlose Bewusst- natürlich auch die Oppositionskosten, die darin bestehen, dass sein der matt Bestrahlten auf der anderen Seite der Realität man mit jeder Wahl zwangsläufig auf alle anderen, meist viel schon längst nicht mehr in der Lage ist, Wunsch und Idee zu besseren, Alternativen verzichten musste. produzieren. Ausgabe Frühjahr 2005 vivat 15