Gesamtausgabe als PDF - Schweizerische Ärztezeitung
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Schweizerische Ärz tezeitung Bollet tino dei medici svizzeri 41 13. 10. 2010 Bulletin des médecins suisses Editorial 1599 Das Parlament zum Thema Qualität Kos tenvergütung im Obligatorischen Krankenpflegebereich 16 02 Vom Sinn und Unsinn eines flächendeckenden Tiers payant Exper tenbefragung zur Verringerung des Tabakkonsums 1621 Reduzierung der Risiken für Raucher Inter view mit Peter Stulz 1625 «Eine philosophische Rückbesinnung auf ursprüngliche Ziele der Medizin tut not» «Zu guter Let z t» von Céline Fäh Vom «Neufi» zur Medizin – mein Weg zur Praktikantin bei der Schweizerischen Ärztezeitung Editores Medicorum Helveticorum Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services 16 32 I N H A LT FMH Tribüne Editorial 1599 Das Parlament zum Thema Qualität Ignazio Cassis Standpunkt 1616 Anmerkungen zum QMonitoring der FMH J. Babics, M. Löliger, A. Lyrer, P. Minder, W. Nef, E. Ramseyer, P.E. Schlageter et al. Gestellt wird die Frage, wie Qualität im medizinischen Bereich transparent gemacht werden soll, wenn wichtige Qualitätsfaktoren der ärztlichen Tätigkeit weder messnoch evaluierbar sind. Daniel Herren, Verantwortlicher der FMH für das Ressort Daten, Demographie und Qualität DDQ, nimmt zu diesem Problem Stellung. 1601 Personalien 1618 Passivrauchgesetze: Die Bayern haben sich gegen die spanische Konfusion entschieden Der Beitrag kommentiert neueste Entwicklungen beim Schutz vor Passivrauchen, und er schliesst mit einem Organisationen der Ärzteschaft KKA 1602 Vom Sinn und Unsinn eines flächen deckenden Tiers payant in der Schweiz Urs Stoffel Appell an die Schweizer Parlamentarier, unterschrieben von zahlreichen Ärzten: Die WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle müsse auch gegen Druck der Lobbys endlich ratifiziert werden. Verwässerungsversuche des Gesetzes zum Schutz vor Passivrauchen dürfe es nicht mehr geben. Volkswirtschaftlich sei es Unsinn, dass im «Tiers payant» alle Arztrechnungen direkt an den Krankenversicherer gehen. Sinn mache es nur für die Versicherer: Mehr Rechnungen senken den prozentualen Anteil der Verwaltungskosten. Briefe 1604 Briefe an die SÄZ FMH Services 1607 Krankenversicherung 1608 Stellen und Praxen Prävention 1621 Reduzierung der Risiken für Raucher Semira Gonseth, Isabelle Jacot-Sadowski, Jacques Cornuz Der Rauchstopp stellt für viele Raucher ein kaum zu erreichendes Ziel dar. Ist die Einschränkung des Tabakkonsums eine Alternative, die der Gesundheit zugutekommt? Die Ergebnisse einer schweizweiten Expertenbefragung geben eine recht eindeutige Antwort. I N H A LT Horizonte Zu guter Letzt Interview 1625 «Eine philosophische Rückbesinnung auf ur sprüngliche Ziele der Medizin tut not» Bruno Kesseli 1632 Vom «Neufi» zur Medizin – mein Weg zur Praktikantin bei der Schweizerischen Ärztezeitung Céline Fäh Dies sagt der Herz- und Thoraxchirurg Peter Stulz. Gemeinsam mit anderen philosophisch interessierten Ärzten gab er den Anstoss zum Nachdiplomkurs «Philosophie und Medizin» an der Universität Luzern. Im Mittelpunkt stehen vor allem die zahlreichen vom medizinisch-technischen Fortschritt ausgelösten Fragen. Streiflicht 1628 Der Normalsprecher – Teil 2 Adolf Jens Koemeda Letzter Teil der Kurzgeschichte über eine Autopanne im Tunnel. Statt Licht am Ende des Tunnels gibt es ein ziemlich überraschendes Ende der Geschichte. Buchbesprechungen 1631 L’homéopathie Bruno Ferroni «Abwechslung und immer wieder Einblicke in neue Bereiche erhalten», das reizt unsere Praktikantin am Journalismus. Ein Neufundländer und eine Comicfigur standen am Anfang ihres Wegs, der sie nun zur Medizin geführt hat – fürwahr eine Abwechslung. Weitergehen soll es mit einer fundierten publizistischen Ausbildung. Anna IMPRESSUM Redaktion Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli (Chefredaktor) Dr. med. Werner Bauer Dr. med. Jacques de Haller (FMH) PD Dr. med. Jean Martin Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Prof. Dr. med. Hans Stalder Dr. med. Erhard Taverna lic. phil. Jacqueline Wettstein (FMH) Redaktion Ethik PD Dr. theol. Christina Aus der Au Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz Redaktion Medizingeschichte PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Ökonomie Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Redaktionssekretariat Margrit Neff Redaktion und Verlag EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Internet: www.saez.ch, www.emh.ch Herausgeber FMH, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, Postfach 170, 3000 Bern 15 Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12 E-Mail: [email protected] Internet: www.fmh.ch Herstellung Schwabe AG, Muttenz Managing Editor Annette Eichholtz M.A. Marketing EMH Thomas Gierl M.A. Leiter Marketing und Kommunikation Tel. 061 467 85 49, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Delegierte der Fachgesellschaften Allergologie und Immunologie: Prof. Dr. A. Bircher Allgemeinmedizin: Dr. B. Kissling Anästhesiologie und Reanimation: Prof. P. Ravussin Angiologie: Prof. B. Amann-Vesti Arbeitsmedizin: Dr. C. Pletscher Chirurgie: Prof. Dr. M. Decurtins Dermatologie und Venerologie: PD Dr. S. Lautenschlager Endokrinologie und Diabetologie: Prof. Dr. G.A. Spinas Gastroenterologie: Prof. Dr. W. Inauen Geriatrie: Dr. M. Conzelmann Gynäkologie und Geburtshilfe: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Holzgreve Hämatologie: Dr. M. Zoppi Handchirurgie: PD Dr. L. Nagy Infektologie: Prof. Dr. W. Zimmerli Innere Medizin: Dr. W. Bauer Intensivmedizin: Dr. C. Jenni Kardiologie: Prof. Dr. C. Seiler Kiefer- und Gesichtschirurgie: Dr. C. Schotland Kinder- und Jugendpsychiatrie: Dr. R. Hotz Kinderchirurgie: Dr. M. Bittel Medizinische Genetik: Dr. D. Niedrist Neonatologie: Prof. Dr. H.-U. Bucher Nephrologie: Prof. Dr. J.-P. Guignard Neurochirurgie: Prof. Dr. H. Landolt Neurologie: Prof. Dr. H. Mattle Neuropädiatrie: Prof. Dr. J. Lütschg Neuroradiologie: Prof. Dr. W. Wichmann Redaktion Recht Fürsprecher Hanspeter Kuhn (FMH) Inserate Werbung Ariane Furrer, Assistentin Inserateregie Tel. 061 467 85 88, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] EMH Abonnemente EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG Abonnemente, Postfach, 4010 Basel Tel. 061 467 85 75, Fax 061 467 85 76 E-Mail: [email protected] «Stellenmarkt/Immobilien/Diverses» Gisela Wagner, Inserateannahme Stellenmarkt Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Jahresabonnement: CHF 320.–, zuzüglich Porto «Stellenvermittlung» FMH Consulting Services Stellenvermittlung Postfach 246, 6208 Oberkirch Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86 E-Mail: [email protected] Internet: www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15 Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12 Nuklearmedizin: Prof. Dr. J. Müller Onkologie: Prof. Dr. B. Pestalozzi Ophthalmologie: Dr. A. Franceschetti ORL, Hals- und Gesichtschirurgie: Prof. Dr. J.-P. Guyot Orthopädie: Dr. T. Böni Pädiatrie: Dr. R. Tabin Pathologie: Prof. Dr. G. Cathomas Pharmakologie und Toxikologie: Dr. M. Kondo-Oestreicher Pharmazeutische Medizin: Dr. P. Kleist Physikalische Medizin und Rehabilitation: Dr. M. Weber Plast.-Rekonstrukt. u. Ästhetische Chirurgie: Prof. Dr. P. Giovanoli Pneumologie: Prof. Dr. E. Russi © 2010 by EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, elektronische Wiedergabe und Übersetzung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Erscheint jeden Mittwoch ISSN 0036-7486 ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.) Prävention und Gesundheitswesen: Dr. C. Junker Psychiatrie und Psychotherapie: Dr. G. Ebner Radiologie: Prof. Dr. B. Marincek Radioonkologie: Prof. Dr. D. M. Aebersold Rechtsmedizin: Prof. T. Krompecher Rheumatologie: Prof. Dr. M. Seitz Thorax-, Herz- und Gefässchirurgie: Prof. Dr. T. Carrel Tropen- und Reisemedizin: PD Dr. C. Hatz Urologie: PD Dr. T. Zellweger FMH Editorial Das Parlament zum Thema Qualität Die KVG-Reform 09.053 «Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung», die der Bundesrat im Mai 2009 als Reaktion auf die Prämiensteigerungen eingereicht hat, ist gescheitert. Mit 97 Nein- zu 76 Ja-Stimmen hat eine Allianz von SP und SVP – bei Stimmenthaltung der Grünen – diese Minireform im Nationalrat (NR) bachab geschickt. Die Logik hinter dieser Kehrtwende hat nur wenig mit dem Inhalt der Reform zu tun: Der Walliser Sozialdemokrat Stéphane Rossini gab bekannt, seine Fraktion werde die Reform nicht unterstützen. Die SVP interpretierte das als Taktik, um den Druck auf das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten und um sich als Vertreter der Patienteninteressen zu profilieren. Deshalb drückte die SVPFraktion auf den roten Knopf und machte damit – in 20 Sekunden – die Arbeit von eineinhalb Jahren zunichte. Es lebe die Schweiz! Die Reform enthielt auch interessante Vorschläge wie etwa den neuen Artikel zur Qualität [1]. Die Qualität ist nach wie vor ein wichtiges Thema, sowohl auf beruflicher als auch auf politischer Ebene. Es ist ein wenig wie mit der Bibel: Alle zitieren sie, doch nur wenige haben sie gelesen. Die Definition der Qualität ist unklar, und Qualität lässt sich leicht für andere Zwecke instrumentalisieren. Mehrere parlamentarische Vorstösse verlangen die Schaffung eines nationalen Qualitätsinstituts Unabhängig vom abgelehnten Paket stellt sich die Frage, wie es um die Qualität im Gesundheitssystem steht. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des KVG wurde sie 1996 zum ersten Mal ausdrücklich im Gesetz erwähnt (Art. 58). Mit einer liberalen Haltung hatte es der Gesetzgeber den Tarifpartnern (Ärzteschaft und Versicherern) überlassen, die Qualitätsverfahren bilateral festzulegen: Damit wollte er für sie einen uneingeschränkten Spielraum gewährleisten. Zehn Jahre danach wollte das Parlament wissen, wie es um den Fortgang der Arbeiten steht, und beauftragte die Geschäftsprüfungskommission (GPK), dies zu beurteilen. Die GPK veröffentlichte am 13. November 2007 den Bericht «Evaluation über die Rolle des Bundes bei der Qualitätssicherung nach KVG» [2]. Fazit: Die Situation ist unbefriedigend! Das Qualitätsmanagement erfolgt nur fragmentiert, diskontinuierlich und ohne Sicht auf das Ganze. Darum beschloss das Parlament, dem Bundesrat die Führung im Qualitätsbereich zu übertra- gen. Am 18. Juni 2008 erklärte sich dieser dazu bereit [3]. Am 9. Oktober 2009 unterbreitete er die Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen [4]. Seither arbeitet er – über das BAG – mit mehreren Akteuren, insbesondere der FMH, an der Umsetzung dieser Strategie. Gleichzeitig wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht: die parlamentarische Initiative Heim (07.486), die von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des NR (SGK-N) in eine Motion umgewandelt wurde (10.3015); die Motion SGK-S (Sommaruga, 10.3353) und die Motion der freisinnig-demokratischen Fraktion (Cassis, 10.3450). Am 28. September 2010 hiess der Nationalrat die Motion 10.3015 mit grosser Mehrheit gut. Diese parlamentarischen Vorstösse verlangen die Schaffung eines nationalen Qualitätsinstituts, das steuern, koordinieren und vereinheitlichen soll. Derzeit laufen die Vorbereitungen für ein solches Institut. Das Kürzel HTA und der Begriff Medical Board gehören allmählich zum politischen Vokabular Auch die Wirtschaftlichkeit von medizinischen Leistungen wird debattiert. Das Kürzel HTA (Health Technology Assessment) und der Begriff Medical Board gehören allmählich zum politischen Vokabular. Die Motion der FDP-Fraktion (Cassis, 10.3451) verlangt eine nationale HTA-Agentur. Der Bundesrat hat diese Motion bereits befürwortet, das Parlament hat sich noch nicht mit ihr befasst. HTA wird neben der Qualität schon bald ein beliebtes Kürzel sein. Nun ist noch die Verbindung zwischen der Politik und den Fachleuten zu schaffen, um zu vermeiden, dass sich diese Themen auf zwei parallelen Schienen entwickeln, die sich ignorieren oder sogar bekämpfen! Die Abteilung DDQ setzt sich dafür ein, diese Verbindung zu gewährleisten. Dr. med. Ignazio Cassis Vizepräsident der FMH und Nationalrat Weitere Informationen zu den angegebenen Geschäftsnummern finden Sie auf www.parlament.ch. 1 Art. 43 6bis (neu). Versicherer können in Verträgen mit Leistungserbringern, welche die Qualität ihrer Arbeit regelmässig von einer akkreditierten Zertifizierungsstelle überprüfen lassen, einen höheren Taxpunktwert oder eine Qualitätsprämie vereinbaren. 2 BBl Nr. 38 Seiten 7793–7796 (www.admin.ch/ch/d/ff/2008/); BBl Nr. 38 Seiten 7797–7888 (www.admin.ch/ch/d/ff/2008/). 3 BBl Nr. 38 Seiten 7889–7896 (www.admin.ch/ch/d/ff/2008/). 4 http://bit.ly/cTXIzX Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1599 FMH Personalien Todesfälle / Décès / Decessi Walter Reich (1919), † 1. 5. 2010, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, 4051 Basel Peter Haefeli (1947), † 3. 9. 2010, Facharzt für Allgemeinmedizin, 4614 Hägendorf Kurt Bellwald (1919), † 16. 9. 2010, Facharzt für Allgemeinmedizin, 3006 Bern Herbert Honegger (1935), † 16. 9. 2010, 8953 Dietikon Praxiseröffnung / Nouveaux cabinets médicaux / Nuovi studi medici AG Natalie Berzins-Baltzer, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Gartenweg 12, 4310 Rheinfelden Slobodan Spasic, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Stadtweg 4, 4310 Rheinfelden Dagmar Gabriele Koppe, Praktische Ärztin, Oberdorfstrasse 4, 5621 Zufikon Ulrike Balbier, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Graben 9, 5000 Aarau Ärztegesellschaft des Kantons Luzern Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Stadt haben sich angemeldet: Dr. med. Claudia Krüger, Fachärztin für Kinderund Jugendmedizin FMH, ab 1. Januar 2011: Praxisgemeinschaft mit Dr. Philipp Trefny, Maihofstrasse 95c, 6006 Luzern Prof. Dr. med. Stefan Aebi, Facharzt für Innere Medizin und Medizinische Onkologie FMH, ab 1.1.2011: Chefarzt Medizinische Onkologie LUKS, 6000 Luzern 16 Einsprachen sind innert 20 Tagen zu richten an das Sekretariat, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, Fax 041 410 80 60. Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz Ehrungen / Distinctions Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft Am 26. August 2010 hat die Bundesärztekammer Dr. med. Max Giger «in Anerkennung seiner Lebensleistung» das Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft verliehen. Giger hat während seiner Tätigkeit im Vorstand der FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum), der Verbindung der Schweizer Ärzte, von 2000 bis Juni 2010 wesentlich dazu beigetragen, die Qualität der ärztlichen Weiter- und Fortbildung zu verbessern. In Deutschland hat Giger wichtige Impulse für die erste Evaluation der ärztlichen Weiterbildung im vergangenen Jahr gegeben und diesen Prozess aktiv begleitet. Die Auszeichnung wurde im Deutschen Ärzteblatt 2010; 107 (36) vermeldet (sh. auch www.aerzteblatt.de ’ Archiv ’ Recherche). Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz hat sich angemeldet: Dr. med. Bernhard Kipfer, Facharzt für PlastischRekonstruktive und Ästhetische Chirurgie FMH, Praxis Sihlpark, Chaltenbodenstrasse 16, 8834 Schindellegi, seit August 2010 Einsprache gegen diese Aufnahme richten Sie schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med. Hugo Brunner, Dorfstrasse 14, 6417 Sattel. Preise / Prix BE Lars Heine, Facharzt für Allgemeinmedizin, Praxis für Hausarzt- und Reisemedizin, Hohmad Privatklinik Thun, Hohmadstrasse 1, 3600 Thun Hans Sebastian Walter, Facharzt für Ophthalmologie, Jungfraustrasse 1, Postfach 197, 3800 Interlaken TI Davide Donghi, Specialista in dermatologia e venereologia, Via Livio 14, 6830 Chiasso SBAP-Preis 2010 in Angewandter Psychologie Das interprofessionelle und interdisziplinäre Team der Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Zürich, das unter der Leitung von KD Dr. Ulrich Lips steht, erhält den SBAP-Preis 2010 in Angewandter Psychologie für seine wertvolle und nachhaltige Arbeit im Dienste der Kinder, die gesichert oder vermutlich Opfer einer Misshandlung wurden oder entsprechend gefährdet sind. Durch sorgfältige Evaluation und Reflexion der eigenen Tätigkeit erbringt das Team Pionierleistungen und Schrittmacherfunktionen, die weit über Zürich hinaus wirken. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1601 KKA O R G A N I S AT I O N E N D E R Ä R Z T E S C H A F T Vom Sinn und Unsinn eines flächendeckenden Tiers payant in der Schweiz Urs Stoffel Co-Präsident der Konferenz der Kantonalen ÄrzteGesellschaften KKA/CCM Einleitung Grundsätzlich gibt es in der Schweiz im ambulanten Bereich zwei Abrechnungssysteme der Kostenvergütung im Obligatorischen Krankenpflegebereich (OKP). Diese beiden Vergütungsarten sind im KVG im Art. 42 geregelt. Das System, bei dem der Versicherte dem Leistungserbringer die Vergütung der Leistung schuldet, wird Tiers garant (TG) genannt. Die Versicherten haben in diesem Fall einen Anspruch auf eine Rückerstattung durch die Versicherung. Wenn keine anderen Vereinbarungen zwischen dem Leistungserbringer und dem Kostenträger vereinbart wurden, so gilt gemäss KVG dieses System als Regelfall. Gemäss Absatz 2 Art. 42 KVG können aber Versicherer und Leistungserbringer vereinbaren, dass der Versicherer die Vergütung schuldet. Dieses System heisst Tiers payant (TP). Mehrheitlich wird in der Schweiz nach dem System des TG abgerechnet. In den letzten Jahren kommt nun zunehmend die Forderung der Versicherer nach dem Abrechnungssystem des TP. Von der Seite der Versicherungen wird argumentiert, dass in diesem System, insbesondere durch die Einführung des elektronischen Datenaustausches (eDA) über einen Intermediär (MediData), prämienwirksam Kosten gespart werden können. Es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, wenn alle Arzt rechnungen direkt zu den Krankenversicherungen gehen Korrespondenz: Dr. med. Urs Stoffel Seestrasse 49 CH-8002 Zürich Tel. 044 286 20 20 [email protected] Seit geraumer Zeit bestehen erhebliche Differenzen zwischen den Versicherern und der Ärzteschaft über die Abwicklung des eDA im TG via die ärzteeigenen TrustCenter und im von den Versicherern geforderten TP über den Intermediär MediData, der von den Versicherern betrieben und finanziert wird. Auf diese Thematik werde ich an dieser Stelle nur kurz und vor allem zur Frage des Datenschutzes eingehen. Zahlreiche Stellungnahmen und Gegendarstellungen zur Problematik TrustCenter versus MediData wurden bereits öffentlich thematisiert [1]. In diesem Artikel möchte ich aber aus ärztlicher Sicht der Frage nachgehen, wie sinnvoll die Einführung eines flächendeckenden Tiers payant im schweizerischen Gesundheitswesen wirklich ist. Volkswirtschaftlicher Unsinn Aus Sicht der Ärzteschaft ist es ein volkswirtschaftlicher Unsinn, wenn alle Arztrechnungen automatisch und direkt zu den Krankenversicherungen gehen (System des TP). Wie wir aus verschiedenen Untersuchungen wissen, ist der Anteil von kleinen Rechnungen (unter 100 Franken) in Arztpraxen im OKPBereich sehr hoch und der TP führt deshalb nur zu teuren administrativen Umtrieben ohne jeglichen Nutzen. Im Gegensatz zum UVG-Bereich, der keinen Selbstbehalt kennt, müssen die Rechnungen im KVGBereich zuerst mit der Franchise und dem Selbstbehalt verrechnet werden. Ein grosser Anteil der im TP direkt an die Versicherung geschickten Rechnungen muss mit einer komplizierten Abrechnung dem Patienten erneut in Rechnung gestellt werden, weil ein grosser Teil der Arztrechnungen unterhalb der Franchisekosten pro Jahr liegt. Das ist Bürokratie pur und bläht lediglich den Verwaltungsapparat der Krankenversicherungen künstlich auf. Und die prämienwirksamen Kosten steigen, ohne dass irgendein gesundheitlicher Nutzen für die Versicherten generiert würde. Allerdings steigt der Umsatz der Krankenversicherungen. Und das hat aus Sicht der Versicherer den positiven Effekt, dass der prozentuale Anteil der Verwaltungskosten im Verhältnis zum Umsatz sinkt! Stärkung der Eigenverantwortung und Entlastung der Prämien Auch in den jüngsten Diskussionen des Parlaments für kostendämmende Massnahmen im Gesundheitswesen und vor allem im Zusammenhang mit der Schaffung von differenzierten Selbstbehalten wird immer wieder betont, wie wichtig die Stärkung der Eigenverantwortung für das Kostenbewusstsein der Bevölkerung sei. Es wird gefordert, dass kleine Beiträge aus der eigenen Tasche («out of the pocket») bezahlt werden sollen, so dass die Gesundheitskosten und damit die Prämien nicht unnötig belastet werden. Ein flächendeckender TP widerspricht diesen Forderungen nach Eigenverantwortung. Denn jeder Franken, der über den Betrag der Franchise hinausgeht, wird in diesem System von den Versicherungen bezahlt und wirkt sich damit direkt auf die Prämien aus. Untersuchungen mit santésuisse haben gezeigt, dass eine Differenz von bis zu 15% zwischen den gestellten Rechnungen und den bei den Versicherungen zur Rückvergütung eingereichten Rechnungen besteht. Es ist also davon auszugehen, dass bei einem Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1602 KKA O R G A N I S AT I O N E N D E R Ä R Z T E S C H A F T flächendeckenden System des TP die prämienwirksamen Kosten und im speziellen die Verwaltungskosten deutlich steigen werden. Ein flächendeckender Tiers payant widerspricht den Forderungen nach Eigenverantwortung Kostenkontrolle und Kostenbewusstsein Niemand kann eine Arztrechnung besser kontrollieren als die Patientin, an der die Leistung erbracht wurde. Die neuste Umfrage von santésuisse hat entgegen den Erwartungen ergeben, dass 70% der Patienten ihre Arztrechnungen kontrollieren. Solange die Patientin primäre Schuldnerin bleibt (TG) wird sie diese Rechnung als erste erhalten und diese (wie alle Rechnungen bei denen sie direkte Schuldnerin ist) prüfen. Wenn aber der Patient im System des TP irgendwann, wenn überhaupt, meist nachdem die Kasse längst bezahlt hat, eine Kopie der Rechnung oder die Leistungsabrechnung des Versicherers erhält, interessiert er sich nicht mehr dafür. Die Kasse hat ja längst bezahlt. Er ist sich damit auch nicht mehr wirklich bewusst, welche Kosten er ausgelöst und verursacht hat. Auch der gewünschte Anreiz zur Kosten- und Qualitätskontrolle und zum erhöhten Kostenbewusstsein geht im System des TP verloren. Datenschutz und Schutz des Bürgers vor dem «gläsernen Patienten» Durch den äusserst filigranen und differenzierten TARMED-Tarif ist der Patient heute zu weiten Teilen zum «gläsernen Patienten» geworden. Aus den detaillierten Rechnungspositionen lässt sich oft die Diagnose und damit auch die Erkrankung und sogar die Prognose der Patientin ableiten. Nach wie vor gibt es Behandlungen und Leistungen (z.B. Psychiatrie, Aids-Test, Bagatellbehandlungen usw.) von denen der Patient nicht möchte, dass die Versicherung davon Kenntnis hat (z.B. auch im Zusammenhang mit Zusatzversicherungen) und die der Patient aus der eigenen Tasche bezahlen will. Nachdem auch vom Datenschützer eine Freigabe jeder einzelnen Rechnung respektive Behandlung gefordert wird, sind die heute häufig gebrauchten generellen Entbindungen vom Datenschutz gegenüber dem Arzt (Pauschal- ermächtigung) nicht zulässig. In einem flächendeckenden TP ist die Ermächtigung der Patientin pro Rechnung nicht mehr möglich und deshalb haben wir im TP ganz generell ein klares Datenschutzproblem. Dieses Datenschutzproblem wurde mehrfach vom eidgenössischen Datenschützer in seinen Berichten moniert und er empfiehlt die Abwicklung der Arztrechnungen im TG über ein TrustCenter. An dem erst kürzlich erfolgten Treffen mit dem eidgenössischen Datenschützer hat Hanspeter Thür diese Forderungen erneut und dezidiert bestätigt. Aus seiner Sicht können die Datenschutzauflagen im TP nur erfüllt werden, wenn der Patient vor der Übermittlung der elektronischen Rechnung an den Versicherer eine Rechnungskopie erhalten hat. Wir haben im Tiers payant generell ein klares Datenschutzproblem Elektronischer Datenaustausch Seit 2004 stellt die frei praktizierende Ärzteschaft ihre Rechnungen datenschutzkonform und in elektronischer Form zum Abholen in den von den Ärzten selbstfinanzierten TrustCentern bereit. Diese Form des elektronischen Datenaustausches wurde auch ausdrücklich vom eidgenössischen Datenschützer in seinem Bericht vom Juni 2004 gutgeheissen und sogar empfohlen. Mehrere Versicherer nutzen diesen Weg des eDA seit Jahren rege, mit gutem Erfolg und zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Im Mai 2010 ist die 100-millionste Rechnung in den TrustCentern eingetroffen. Es lagern damit über eine Milliarde Datensätze in den ärzteeigenen TrustCentern. Jährlich gehen bei den TrustCentern 19 Millionen Rechnungen ein. Damit ist und bleibt das grösste Sparpotential im eDA die Nutzung der in den TrustCentern datenschutzkonform bereitgestellten elektronischen Rechnungen durch die Versicherungen. Literatur: 1 Stoffel U. Was ist uns die Datenparität wert? Schweiz Ärztezeitung. 2003;84(28):1510–1. 2 Helfer G. Tiers payant versus Tiers garant – Fragwürdiges Verhalten der Ärztegesellschaften. PrimaryCare. 2005;5(43):890–1. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1603 BRIEFE [email protected] Briefe an die SÄZ fallen insbesondere politische und tarifa rische Entscheidungen, während die Ärzte kammer andere Bereiche abdeckt (Bud get, Wahlen, Statuten; siehe dazu die Sta tuten der FMH, Art. 30 und 37 [1]). Antwort Leserbrief Dr. R. Haldemann «Wachsende Skepsis der Basis gegen die KVG-Revision» [1] Vielen Dank und herzliche Gratulation für Ihre Bemerkungen und Kritik an der «Ver bandselite der FMH». Vorstand und Ärzte kammer politisieren seit Jahren an der Basis der freiberuflichen Hausärzte vorbei und lei der auch andere Institutionen, welche unsere Interessen und Bedürfnisse vertreten sollten. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Nachdem kein Antrag auf Urabstimmung eingegangen ist, wurden die Beschlüsse der ordentlichen Ärztekammer vom 27. 5. 2010 in Kraft gesetzt (SÄZ 35/2010, Seite 1322). Die Mehrheit der Unzufriedenen sollte jetzt drin gend die «basisdemokratische Auseinander setzung» suchen mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Es ist ein Affront unseres Vorstandes, die ausserordentliche Ärztekam mersitzung vom 9. 12. 2010 jetzt schon ersatz los zu streichen. Bis zu jenem Datum wird die «steigende Zahl reformkritischer Leserbriefe» als «Ausdruck des wachsenden Misstrauens» weiter steigen und Themen zum Diskutieren gäbe es genügend. Die ausserordentliche Ärzte kammer wäre ein geeignetes Forum, sich mit Managed Care und anderen brisanten The men auseinanderzusetzen, allenfalls sogar über ein Referendum abzustimmen gegen den zu erwartenden Beschluss des Parlaments, der von der Mehrheit freipraktizierender Kolle ginnen und Kollegen so nicht erwünscht ist. Die Antwort des Präsidenten bringt keine neuen Aspekte. Sie ist die Repetition der Flos keln, die wir zur Genüge kennen. Dr. med. Bernhard Sorg, Wallisellen 1 Haldemann R. Wachsende Skepsis der Basis gegen die KVGRevision. Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(36):1378. Antwort Im Brief des Kollegen Sorg kommen verschie dene Punkte zur Sprache, von denen ich zwei aufgreifen möchte: – In den Statuten der FMH sind die Kompe tenzen der verschiedenen Instanzen unse rer Verbindung definiert. In den Kompe tenzbereich der Delegiertenversammlung Für die FMH und ihre Mitglieder hat diese Aufgabenteilung den Vorzug, dass die Delegiertenversammlung dank ihrer kur zen Sitzungsintervalle von 6 bis 8 Wochen (anstelle von 1 bis 2 Sitzungen pro Jahr) nahe am Politgeschehen ist und flexibel und rasch reagieren kann. Zudem verhin dert ihre ausgewogene Zusammensetzung die Bildung «automatischer» Mehrheiten bzw. die Dominanz einzelner Interessen gruppen. Gleichzeitig profitiert das Gre mium von der Erfahrung der Delegierten, die sich fast ausschliesslich aus den Kadern unserer Verbände rekrutieren. – In der Ärztekammer vom vergangenen 27. Mai wurde in der Tat über Managed Care diskutiert. Es wurden verschiedene Resolutionen zuhanden der Delegierten versammlung verabschiedet, entsprechend den Kompetenzen der beiden Gremien. Die Delegiertenversammlung hat diese Resolutionen wieder aufgegriffen und diskutiert, und der Zentralvorstand hat es übernommen, sie umzusetzen, sei es durch Medienarbeit, persönliche Kontakte, Briefe usw. Diese Arbeit ist nach wie vor im Gang. Wenn man sich die Kompetenzen der Ärztekammer und die Arbeit der Delegier tenversammlung vor Augen führt, lässt sich bilanzieren, dass das Thema Man aged Care die Einberufung einer ausser ordentlichen Ärztekammer mit Sicherheit nicht rechtfertigt. Ich möchte an dieser Stelle mit Nachdruck meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass in einer Demokratie die Respektierung der statutarischen Instanzen, ihrer Kompetenzen und ihrer Arbeit zentral ist. Meine Empfeh lung wäre, mit den demokratisch gewählten Delegierten das Gespräch zu suchen, ihnen die eigenen Anliegen zu schildern und an schliessend Vertrauen in ihre Arbeit und Inte grität zu setzen, anstatt die Repräsentativität der Gremien in Zweifel zu ziehen und die Aktivitäten ihrer Mitglieder zu kritisieren. Dr. med. Jacques de Haller, Präsident der FMH 1 www.fmh.ch › FMH › Rechtliche Grundlagen › Statuten Offener Brief an die SÄZ-Redaktion Zur Zensurierung unseres Artikels «Passivrauchgesetze: Die Bayern haben sich gegen die spanische Konfusion entschieden» [1] Sehr geehrte Damen und Herren Redaktoren der Schweizerischen Ärztezeitung Sie bestätigen Ihren Entscheid, dass unser Artikel zwar in der aktuellen Ausgabe der SÄZ veröffentlicht wird, dass aber die Anmerkun gen den Lesern nur indirekt in der Online Version und nicht in der gedruckten Ausgabe zugänglich sein werden. Wir betrachten dies als eine Zensurierung, da für unsern Text die Widergabe von Dokumenten der Tabakindus trie und von Parlamentsdebatten wesentlich ist und den Lesern unmittelbar verfügbar sein muss, um unsere Aussagen zu stützen. Da Sie als Redaktoren gut um die Bedeutung von wörtlichen Zitaten wissen, können Sie diese Zensurierung nicht mit dem Vorwand der Länge des Artikels bemänteln. Wir müssen daraus schliessen, dass in dieser Thematik die Redaktion der SÄZ Pressionen ausgesetzt ist, was uns ausserordentlich beunruhigt. Dies umso mehr, als vor einem Jahr, ein ähnlicher, ebenfalls von mehr als zwanzig Mitunter zeichnern eingereichter Artikel von der Publi kation eliminiert wurde mit der Forderung, ihn in einen Leserbrief umzuarbeiten. Wir kön nen Ihren Entscheid nicht akzeptieren: Erstens schaden Sie der Ärztezeitung. Diese Zei tung («von Ärzten für Ärzte») sollte Informa tionskanal unserer Korporation sein. Autoren und Leser sollten unbeschränkt miteinander über alles kommunizieren können, was mit unserem Beruf, Gesundheit und Krankheit, aber auch über die politischen Implikationen von Gesetzen und Präventionsmassnahmen zu tun hat. Die Antwort auf die Frage, wem wohl Ihre Zensurierung nützt, gibt Aufschluss, welchem Druck Sie ausgesetzt sind. Die in un serm Artikel ausgedrückte Schlussfolgerung, dass die Medien das Thema Passivrauchde batte ausblenden, findet sich in unserm eige nen Bereich erschreckend konkret bestätigt. Zweitens schaden Sie der Ärzteschaft: Die Stimm bürger Bayerns, aber auch der Schweiz haben sehr wohl begriffen, dass sie seit Jahren in diesem Bereich von ihren Politikern, von vie len «Experten» und durch das Lobbying in Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1604 BRIEFE [email protected] den Parlamenten hinter das Licht geführt worden sind. Dass das offizielle Organ der Ärzteschaft in diesen Vernebelungsmanövern mithilft, sabotiert das Vertrauen, welche die Bevölkerung in unsern Berufstand hat. Drittens schaden Sie dem Funktionieren der Demo kratie. Wir Ärzte sind die Experten in Gesund heitsfragen. Unsere von äusseren Einflüssen möglichst unabhängige Meinung sollte in der gesellschaftlichen Diskussion gehört werden, damit sich die Bevölkerung und die Entschei dungsträger ein klares Bild der Zusammen hänge machen können. Mit Ihrem Zensurie rungsentscheid haben Sie zynisch bestätigt, dass offenbar nur der (Geld)Druck bestimmt, was gesagt und wie laut dies ausgedrückt wer den darf. Wir bitten Sie, im Namen Ihrer intellektuel len Redlichkeit auf Ihren Entscheid zurückzu kommen, und unsern Artikel in deutscher und französischer Version ungekürzt mit den vollständigen Anmerkungen und den Namen aller Mitunterzeichner in einer kommenden Nummer der SÄZ abzudrucken. Dr. R. M. Kaelin, Morges, im Namen der Mitunterzeichner Die Redaktion hält fest, dass die redaktionelle Behandlung des zur Debatte stehenden Artikels nach gängigen publizistischen Standards erfolgte und sich in nichts von derjenigen aller anderen Manuskripte (rund 2000/Jahr) unterschied, die der SÄZ zur Publikation angeboten werden. Die Beurteilungskriterien für Artikel sowie die Auf gaben und Kompetenzen der Redaktion sind in den Autorenrichtlinen (www.saez.ch) beschrieben und folgen den Empfehlungen des International Com mittee of Medical Journal Editors (www.icmje.org). 1 Der genannte Artikel ist in dieser Ausgabe der SÄZ, Seite 1618–20, zu finden. Obligations du médecin Cher Collègue, C’est avec intérêt que j’ai lu votre article paru dans le BMS N° 38/2010 [1], dont le titre est «Le patient peutil exiger des prestations du médecin?» Ma question prolonge celle de votre article. Le médecin estil obligé de fournir des presta tions non urgentes au patient qui ne paie pas ses factures? Dr AndréPhilippe Méan, La ChauxdeFonds 1 Martin J. Le patient peutil exiger des prestations du médecin? Bull Méd Suisses. 2010;91(38):1504. Réponse Oui, la question que vous posez est une vraie question. Elle n’est pas que de la déontologie médicale d’ailleurs. Au plan juridique ou assé curologique, Monsieur Hp. Kuhn, juriste et Secrétaire général adjoint de la FMH, répon drait de manière plus compétente. Pour ma part, je souhaite vivre dans une société de gens responsables, qui ont le droit de bénéficier de leurs droits mais qui assu ment aussi leurs obligations. Y compris celles de payer leurs primes d’assurance, respective ment les honoraires de leur médecin. Je consi dère que, hors de situations d’urgence ou d’autres éléments contraignants pour le malade, la liberté du médecin de prendre en charge – ou pas – un patient donné est en quelque sorte l’image en miroir du droit de chacun de choisir libre ment son médecin – droit auquel le peuple suisse est attaché. Sur le principe de votre question, je réponds donc: «Dans ce cas, vous n’êtes pas tenu de fournir des prestations.» En ajoutant que, pra tiquement et là comme ailleurs, il est très sou haitable de soigner la manière. C’estàdire que cette décision du médecin de suspendre le lien thérapeutique n’intervienne pas comme un coup de tonnerre dans un ciel serein mais soit précédée, au cours de quelques semaines j’imagine, d’une discussion claire et franche, puis d’un avertissement («je renoncerai à vous suivre»…) avant qu‘une telle décision n’entre en force. Il faudrait aussi que dite dé cision ne représente pas des difficultés pra tiques majeures pour le patient. Ainsi, si le pra ticien est le seul loin à la ronde ou le seul d’une spécialité donnée, il est discutable éthi quement de refuser de voir un patient, même si ce dernier ne paie guère les factures. A relever encore que cette liberté de prin cipe du médecin ne saurait s’exercer de manière arbitraire voire discriminatoire: refu ser de prendre ou traitement, ou accepter le moins possible, les personnes de telle origine ou de telle couleur de peau, de telle tranche d’âge, de condition sociale très modeste etc... Elle ne doit pas non plus être au détriment de la prestation de soins suffisants et adéquats à la collectivité concernée. Dr Jean Martin, Echandens «La médecine, les médecins et les juges...» Bravo mille fois à l’éditorial de Jacques de Haller du 29 septembre 2010 [1]. Le libre ar bitre de sa propre personne apparaît depuis quelque vingt ans comme un droit inalié nable, on s’est battu pour lui et c’est mainte nant devenu un fondement clair et sain pour bâtir l’humanité de demain, au moins dans nos sociétés occidentales. Une belle valeur, le respect de l’autre dans ses opinions, son originalité, ses apparentes contradictions et le choix de sa destinée. Une belle école d’écoute, de tolérance et de silence pour nous les médecins (quand on y arrive!). Et aujourd’hui pour un cas particu lier, on voudrait autoritairement revenir en arrière et nourrir les gens de force d’une nour riture dont ils ne veulent pas, avec des argu ments judiciaires…? Me revient alors à l’esprit le souvenir de situations pénibles, en particu lier dans le cadre des soins intensifs où l’igno rance et le pouvoir venaient en despotes voler la dignité des patients et de leur famille. Ce temps est, ou doit être, révolu. Encore merci, Mr de Haller, pour votre prise de position et merci de nous représenter avec tant de détermination. Dr Xavier Clément, Fribourg 1 De Haller J. La médecine, les médecins et les juges… Bull Méd Suisses. 2009;91(39):1509. Die Vision von assistierter Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz Lieber Herr Imthurn Mit Interesse las ich die Thesen und Diskussi onsargumente Ihrer ExpertInnenGruppe zur Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz [1]. Aus Sicht der Schweizerischen Stiftung für sexuelle und reproduktive Gesundheit PLA NeS, die u.a. sexualpädagogischen Unterricht in allen Schulen fordert, was leider in der Pra xis noch lange nicht schweizweit umgesetzt ist, habe ich einen kritischen Kommentar zur 2. These, die lautet: Jede Frau muss wissen, dass Familienplanung ab Mitte 30 zuneh mend schwieriger wird, und die Fertilität rasch abnimmt. Und jeder junge Mann sollte über den Einfluss von Alter und Erkrankun gen auf seine Zeugungsfähigkeit informiert sein. Ich meine, Familienplanung ist ein Thema, das Mann und Frau gleichermassen betrifft und wofür beide partnerschaftlich die Verant wortung übernehmen müssen. Entsprechend formuliert wäre dann wohl die 2. These: So wohl die Frau wie der Mann müssen über Bio logie der weiblichen wie der männlichen Fer tilität Bescheid wissen und entsprechende präventive Massnahmen kennen. Christa Spycher, Ärztin, Bern 1 Bleichenbacher M, Heitlinger E, Imthurn B. Die Vision von assistierter Fortpflanzungs medizin in der Schweiz. Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(36):1373–7. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1605 BRIEFE [email protected] The Physical Examination: A lost art or still a clinical necessity? Eine Zeichnung von Anna (ANNA) [1] hat mich zu diesem Schreiben inspiriert. Zurzeit befinde ich mich mitten in der Chemothera pie auf Grund eines Coloncarcinomes nach durchgeführter, offener Hemicolectomie. Dies alles geschieht, ohne dass ich je eine umfas sende, ärztliche klinische Untersuchung hatte. Ein Hausarzt, den ich vor etwas mehr als einem Jahr wegen rezidivierenden Urininfek ten aufgesucht hatte, verordnete richtiger weise, allerdings nur nach einem Urinstatus, ein abdominales CT. Dies zeigte bezüglich der Harnwege keine Abnormalitäten. Etwa ein hal bes Jahr später stellten sich steigernde gastro intestinale Beschwerden ein. Ich konsultierte einen Gastroenterologen, eine CD des oben erwähnten CTs in der Hand. Nach Aufnahme einer durchaus befriedigenden Anamnese tas tete er kurz einen Befund, auf den ich ihn hinwies, ab und machte eine Ultraschallunter suchung. Eine Coloskopie mit Biopsie brachte die Diagnose eines Carcinoms. Der Chirurg plante, ohne Untersuchung, nach einem etwas falsch interpretierten abdo minellen CT, ausgedehnten Laboruntersuchun gen und einem EKG eine laparoskopische Hemicolectomie. Intraoperativ sah man sich aufgrund des Tumorstadiums zu einer offe nen Laparatomie gezwungen. Nach guter Anamnese, aber wieder ohne Untersuchung, setzte der Anästhesist einen Epiduralkatheter. Postoperativ kontrollierte der Chirurg regel mässig stethoskopisch die Darmgeräusche und die Narbe. Aufgrund der operativen Be funde und der pathologischen Untersuchun gen wurde, wieder ohne klinische Unter suchung, aber nach ausgedehnten Laborun tersuchungen, eine Chemotherapie eingeleitet. Ich behaupte nun, dass ein «Physical Exam» mir einiges erspart hätte. Zumindest wäre es präoperativ fraglich gewesen, ob die Opera tion tatsächlich laparoskopisch durchgeführt werden konnte. Zeit meines beruflichen Lebens habe ich vor allem in den USA, aber auch in der Schweiz Medizinstudenten und junge Ärzte in der oft etwas belächelten Rehabilitationsmedizin unterrichtet (seit drei Jahren bin ich im Ruhe stand). Von allen meinen vielen Schülern habe ich stets vor dem Beginn irgendeiner technischen Untersuchung oder Behandlung eine entweder problembezogene oder vollstän dige klinische Untersuchung verlangt, welche ich zumindest problembezogen selbst nach kontrolliert habe. Problembezogene Nach untersuchungen habe ich ebenfalls perio disch verlangt und nachkontrolliert. Ich bin der Überzeugung, dass sowohl Patienten als auch Studenten davon profitiert haben. Eine gründliche Untersuchung führt zu einer viel genaueren Fragestellung und Indikation für das weitere diagnostische und klinische Vorgehen, und unnötige Tests können vermie den werden (Max [2], Verghese and Horowitz [3]). Auch besteht die Möglichkeit, dass ein klinisch signifikantes Problem, welches den ganzen Ablauf beeinflussen könnte, entdeckt wird. Und wie bitte können wir einen klini schen Verlauf beurteilen ohne Erhebung und Dokumentation von klinischen Befunden, die periodisch nachkontrolliert werden? Ich bin mir durchaus bewusst, dass Ärzte unter zunehmendem Zeitdruck stehen und in unse rer computerisierten Welt etliche Zeit vor dem Computer verbracht werden muss. Aber: Sind wir wirklich so ausreichend technologi siert, dass wir auf eine klinische Untersuchung total verzichten können? Ich denke nicht! Dr. med. Brigitte Jann, Luzern 1 ANNA. Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(26/27):1057. 2 Max, J. The lost art of the physical exam. Yale Medicine, Winter 2009. 3 Verghese and Horowitz. In praise of the physical examination. BMJ. 2009;339: b5448. Umfrage des Kriminologischen Instituts der Universität Zürich über die Einstellung der Schweizer Bevölkerung zu Sterbehilfe und Suizidbeihilfe Am 2.9.2010 präsentierte Prof. C. Schwarzen egger vom Kriminologischen Institut der Uni versität Zürich an einer Medienkonferenz die Ergebnisse einer diesjährigen telefonischen Befragung bei 1464 Schweizern. In der Medien mitteilung der Universität Zürich wurde das Ergebnis unter anderem wie folgt zusammen gefasst: «Wie Prof. Christian Schwarzenegger bei der Vorstellung der Studie erläuterte, befürwortet eine Mehrheit der Schweizerin nen und Schweizer die Möglichkeit von Sterbe hilfe und Suizidbeihilfe. Eine Mehrheit würde auch die heute verbotene, direkte aktive Sterbe hilfe für Menschen erlauben, die an einer tödlichen Krankheit im Endstadium leiden» [1]. Ebenso soll eine Mehrzahl der Befragten der Ansicht sein, dass Sterbehilfeorganisatio nen ein würdevolles Sterben ermöglichten. In den Printmedien wurde eine bedeutende Resonanz erreicht. Der Autor selber sprach in den Konferenzunterlagen von «einer repräsen tativen nationalen Stichprobe, … die die Zu stimmung der Schweizer Wohnbevölkerung zur reellen Sterbehilfesituation» erfasse [2]. Eine kritische Prüfung der verfügbaren Unter lagen zeigt allerdings, dass die Studie erhebli che Mängel aufweist und die Schlussfolgerun gen wissenschaftlich nicht gesichert sind: – Die Ausschöpfungsquote der Befragung wird mit 63 % beziffert. Nach Lehrbüchern über die Sozialforschung sollte bei Inter viewstudien jedoch ein Rücklauf von 80– 85 % vorliegen [3]. Diese Quote wird hier deutlich verfehlt. – In den Konferenzunterlagen wird eine Un tervertretung jüngerer Jahrgänge erwähnt sowie darauf hingewiesen, dass das Thema bei Älteren sowie Personen mit Kranken oder Verstorbenen in ihrem Umfeld auf Ablehnung gestossen sei. Warum Prof. Schwarzenegger dennoch eine «weitge hende Repräsentativität» behauptet, ist unklar und wissenschaftlich fragwürdig. – Die Interviewtechnik basierte mehrheit lich auf sogenannten «Fallvignetten», welche im Grunde sehr komplexe Situa tionen darstellen, die in einem zeitlich begrenzten Telefoninterview beurteilt werden mussten. Zudem fehlt diesen Bei spielen der konkrete Erfahrungshinter grund wohl für die grosse Mehrzahl der Interviewten, etwa wenn der Fall eines Mannes mit einer tödlichen Muskel krankheit am Beatmungsgerät oder die Situation einer seit Jahren im Koma lie genden Patientin geschildert wird. – Die Befragung blendete die entscheidende Option von Palliative Care aus, was auf eine bedenkliche Einseitigkeit der Frage stellung verweist. Offensichtlich be schränkte man sich auf das Abfragen des «ExitCredos». Schon diese wenigen Einwände verweisen auf eine mangelhafte Datenqualität und metho dische Schwächen, die jedenfalls keine gesi cherten Schlüsse auf die ganze Schweizer Be völkerung zulassen. Angemessene Hinweise auf bestehende Mängel der Untersuchung, wie sie heute bei wissenschaftlichen Publika tionen Standard sind, fehlen. Suchte man hier nicht die ungestörte mediale Publizität, um vorgefassten Meinungen zum Durch bruch zu verhelfen? Im Eidgenössischen Blät terwald wurde zudem dezent verschwiegen, dass der verantwortliche Studienleiter seit sechs Jahren Mitglied der Ethikkommission von Exit ist. Hier ist ein beachtlicher Interes senkonflikt zu vermuten, der vom Autor wohl nur schwer bestritten werden kann. Es bleibt zu wünschen, dass künftig im hoch sensiblen Bereich der Sterbe und Suizidbei hilfeDiskussion mit Umfrageergebnissen sorgfältiger und verantwortungsvoller umge gangen wird. Dr. med. P. RyserDüblin, Seftigen 1 2 3 Pressedienst Universität Zürich. Was denkt die Bevölkerung? Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(37):1422. www.mediadesk.uzh.ch/articles/2010/ selbstbestimmtueberdaslebensendeentschei den/Bericht_Sterbehilfe.pdf Babbie, E. R. (2001). The practice of social research (9. Aufl.). Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1606 FMH SERVICES Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation R e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g : F M H S E R V I C E S Krankenversicherung Attraktive Angebote für FMH-Mitglieder Sparpotential von über Fr. 600.– Jeder zweite Schweizer zahlt jährlich über Fr. 600.– mehr Krankenkassenprämien, als es ihn bei der günstigsten Versicherungsgesellschaft kosten würde. Unser Krankenkassenspezialist überprüft kostenlos und unverbindlich, wie hoch Ihr persönliches Sparpotential ist und zeigt Ihnen die Spezialrabatte, die Sie in unseren Rahmenverträgen erhalten können. 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(Bitte aktuelle Policenkopie beilegen) TRIBÜNE Standpunkt Qualität in der Hausarztmedizin Anmerkungen zum Q-Monitoring der FMH Josef Babics, Markus Löliger, Astrid Lyrer, Peter Minder, Walter Nef, Esther Ramseyer, Peter E. Schlageter, Gian-Clo Serena, Peter Strohmeier, Philipp Zinsser 1 Nikolic V. Q-Monitoring – Start der Datenerfassung – Interview mit Dr. med. Daniel Herren. Schweiz Ärztezeitung. 2010; 91(4): 112–3. 2 Nikolic V, Herren D. Die Ärzteschaft sichert Qualität – und wie! Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(25):973–6. 3 Peltenburg M et al. Qualität – ein Zusammenspiel aller Kräfte im ärztlichen Umfeld. Schweiz Ärztezeitung. 2005; 86(18):1055–9. Mindmap: Leitbild Ärztlicher Qualität. www.saez.ch/mindmap.pdf 4 Ressort DDQ. Grundlagenpapier der AGQ-FMH: Qualitätstransparenz. Schweiz Ärztezeitung. 2009; 90(26/27):1037–40. Korrespondenz: Dr. med. Astrid Lyrer-Gaugler Moderatorin QZ Oberwil Allgemeine Medizin FMH Feierabendstrasse 74 CH-4051 Basel [email protected] Einleitung Im Qualitätszirkel Oberwil (QZO) arbeiten zur Zeit 10 Hausärztinnen und Hausärzte. Die Sitzungen finden monatlich statt. Bei unserer Arbeit befolgen wir die SGAM/SGIM-Richtlinien: Wir bestimmen ein praxisrelevantes Thema, überprüfen unsere Praxis und suchen allfällige Lücken und Fehler zu korrigieren, um damit unsere Arbeit zu verbessern. Die freiwillige Teilnahme am Qualitätszirkel ist für uns alle ein wichtiger, jedoch längst nicht der einzige Bestandteil unserer Qualitätssicherung in der hausärztlichen Praxis. Qualitätsmonitoring der FMH Das Ressort Daten Demographie Qualität (DDQ) der FMH hat im Februar 2010 eine Internet-basierte Umfrage zum Thema Qualitätssicherung bei Grundversorgern und Psychiatern durchgeführt [1]. Diese Umfrage hat unter den Teilnehmern unseres Zirkels Irritationen ausgelöst. – Wir haben uns darüber gewundert, welch breiten Raum die Fragen nach externen Qualitätsaktivitäten eingenommen haben. Die Umfrage liess annehmen, die FMH plane die Einführung von Zertifizierungen durch externe Anbieter ausserhalb der Fachgesellschaften. – Im Gegensatz dazu fehlte im Fragebogen die Möglichkeit zu kommentieren, welche der aufgelisteten Qualitätsaktivitäten wir für relevant halten dass es in unserer täglichen Arbeit messbare und nicht messbare Qualität gibt. Messbar ist die Qualität bei der Infrastruktur und im apparativ/technischen Bereich. So ist Qualität im Labor und beim Röntgen mit der Wartung der Geräte und externer Laborkontrolle kontrollierbar und somit «messbar». Auch bei der Infrastruktur einer Praxis sind messbare Qualitätskriterien vorhanden. Angefangen bei Trivialem, wie genügend Sitzgelegenheiten im Wartezimmer, bis zu Wichtigerem wie rollstuhlgängigem Zutritt zur Praxis. Schon hier stellt sich aber die Frage, wie wichtig das Messen von Qualität wird, wenn «Triviales» erfasst wird oder aber Wichtiges zwar erkannt, aber nicht verändert werden kann (z.B. Verkehrssituation, Anbindung an den öffentlichen Verkehr usw.). Noch problematischer erscheint uns das Messen von Qualität, wenn klare Qualitätskriterien fehlen: Erreichbarkeit, Wartezeiten, Teilnahme an Fortbildung, persönliche Vernetzung, Art der Krankengeschichte sind zwar messbar oder sie können evaluiert werden. Aber: Sagen wir mit dem «Messen» dieser Grössen wirklich etwas aus über die Qualität unserer täglichen Arbeit? Das möglicherweise wichtigste Instrument zur Erhaltung und Verbesserung der hausärztlichen Behandlungsqualität ist die Fortbildung. Sie wird von den Hausärzten dokumentiert und deklariert. Wir alle Vor allem Peer Review und CIRS im Qualitätszirkel sind gute und geprüfte Instrumente zur Entwicklung der Qualität – – und welche nicht. Wir konnten uns nicht zur Qualität der Umfrage selber äussern. Es war nicht klar ersichtlich, was die FMH mit den einmal erhobenen Daten zu tun gedenkt. Qualität sei eine Koproduktion, hält die FMH fest [2]. Nicht alle von der FMH für die Begleitung des Projektes ausgewählten «Partner» haben sich bisher durch Interesse oder durch Erfahrung mit Qualität in der Hausarztmedizin ausgezeichnet. Qualität in der Hausarztmedizin Wir haben uns deshalb entschieden, das Thema «Qualität in der Hausarztmedizin» in unserem Qualitätszirkel zu bearbeiten. Wir wollten wissen, wie wir in unserer täglichen Praxis Qualität definieren und was die Kriterien für eine gute Qualität sind. Wir haben die Literatur gesichtet und unsere eigenen Qualitätsansprüche definiert [3, 4]. Dabei stellten wir fest, bilden uns fort. Die «gemessenen» Fortbildungsstunden übersteigen bei den meisten das obligatorische Mass bei weitem. Darüber hinaus arbeiten die meisten Hausärzte in einem Qualitätszirkel mit. Diese Form der Fortbildung hat in der Schweiz vor ca. 20 Jahren Fuss gefasst und sich als eines der wichtigsten und bewährtesten Instrumente zur Qualitätssicherung in der Hausarztmedizin etabliert. Wir wissen aus Erfahrung, dass nicht die Anzahl Stunden, sondern der Inhalt der Fortbildung und dessen Implementation in die tägliche Arbeit für die Entwicklung der Qualität entscheidend ist. Erfahrungsgemäss fliesst in Vorträgen vermitteltes Wissen in geringem Umfang in die tägliche Praxis ein. Dies steht im Gegensatz zu dem in Peer Groups erarbeitetem Konsens, der in der Praxis eher umgesetzt wird. Dass in unserem Qualitätszirkel ausserdem ein Critical Incident Reporting System (CIRS) Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1616 TRIBÜNE Standpunkt Es gibt Bereiche, da ist Qualitätsmonitoring einfach. Bei der Hausarztmedizin ist dies jedoch schwieriger. 5 Ressort DDQ. Qualitätsmanagement und Zertifizierung der ärztlichen Leistungserbringung: Aufwand und Nutzen. Schweiz Ärztezeitung. 2008;89(20):838–40. 6 Zoller M, Dahinden A. Qualitätszirkel in der Schweiz: Wohin geht die Entwicklung? PrimaryCare. 2004;4(35/36):663–5. integriert ist, erachten wir als selbstverständlich. Die qualitativ grösste Herausforderung in der hausärztlichen Praxis ist die Analyse und Bearbeitung komplexer Krankheits- und Lebenssituationen, in denen sich unsere Patienten befinden. «The Fascination of Complexity – Dealing with Individuals in a Field of Uncertainty» war denn auch das Thema des Wonca-Kongresses 2009 in Basel. Die Fähigkeit zur Bearbeitung dieser Komplexität ist nicht mit einfachen und reproduzierbaren Methoden messbar. Ebenso wenig wie die Freundlichkeit des Personals, die soziale und kommunikative Kompetenz des Arztes, die Kenntnis der ständig wechselnden «guten» Behandlungspfade, die Kenntnis der «richtigen» Personen und Institutionen (wir wollen die richtigen Türen öffnen) und das Erarbeiten eines umfassenden persönlichen Netzwerkes, in dem wir arbeiten. Fazit Als Schlussfolgerung stellen wir die Frage, wie Qualität transparent gemacht werden soll, wenn die wich- Kommentar des Ressorts DDQ zum vorangegangenen Beitrag Die Qualität der Hausarztmedizin in der Schweiz ist hoch und viele motivierte und gutausgebildete Kolleginnen und Kollegen kümmern sich täglich mit viel Engagement um ihre Patienten. In der Welt des Qualitätsmanagements stellt man rasch fest, dass bei medizinischen Leistungen verschiedene Dimensionen der Qualitätsbeurteilung möglich sind. Am einfachsten zu beurteilen sind Strukturindikatoren, gefolgt von Prozessparametern. Beide können relativ gut abgebildet werden – wirklich schwierig wird es aber bei den beiden anderen Dimensionen Ergebnisqualität und Indikationsqualität. Wenn der Qualitätsnachweis in Hausarztpraxen auf das Mitmachen in Qualitätszirkeln und der Absolvierung der obligatorischen Fortbildung beschränkt wird, wird man der Komplexität der Qualität einer Patientenbehandlung nicht gerecht. Zudem sind technische Gerätekontrollen gesetzliche Vorschrift und haben mit dem eigentlichen Qualitätsmanagement wenig zu tun. Das Projekt Q-Monitoring, welches das Ressort DDQ der FMH zusammen mit den Qualitätsspezialisten der Hausarztmedizin, den Psychiatern und den Orthopäden durchgeführt hat, hat einzig zum Ziel, aufzuzeigen, welche Qualitätsaktivitäten in den ambulanten Praxen heute durchgeführt werden. Es ist der erste Schritt in einer Bestandesaufnahme solcher Aktivitäten, nicht mehr und nicht weniger, da gibt es keine «hidden agenda» tigsten Qualitäts-Faktoren nicht messbar und auch nicht zu evaluieren sind. Wir haben den Eindruck, als stünden wir mitten in einer «Qualitätsoffensive». In ihrem Positionspapier «Qualitätsmanagement und Zertifizierung der ärztlichen Leistungserbringung: Aufwand und Nutzen» [5] schreibt das Ressort DDQ der FMH, dass dem Aufwand (nämlich Kosten, Zeit, Personalaufwand usw.), der bei Qualitätsmanagement-Systemen und Zertifizierungen anfällt, ein Nutzen gegenüberstehen müsse. Weiter hält das Ressort fest: «Unseres Wissens wurden bisher weder der Nutzen der Qualitätsmanagementsysteme noch der Zertifizierung auf die Qualität der ärztlichen Leistungserbringung systematisch untersucht und erwiesen.» Das Qualitätsmonitoring des Ressorts DDQ in der Hausarztmedizin muss unseres Erachtens neu fokussiert werden. Die Ausrichtung und Beschränkung auf das Wesentliche ist dringend geboten, um hausärztliche Qualitätssicherung adäquat und relevant abbilden zu können. Permanente Fortbildung, technische Qualitätskontrollen (z.B. Röntgen, externe Labor-Resultatskontrollen), ganz besonders jedoch Peer Review und CIRS im Qualitätszirkel sind gute und geprüfte Instrumente zur Entwicklung der Qualität. Das tun wir mit Überzeugung, Elan und Freude. Die externe «Qualitätsindustrie» jedoch, eine eigentliche Art Schattenwirtschaft mit teilweise berufsfremden Akteuren, verbunden mit Bürokratie, Umtrieben und Kosten zulasten der Hausärzte, leistet unseres Erachtens keinen gesicherten Beitrag zu besserer Qualität. Quis custodiet custodes? (Juvenal 1./2. Jh. p. Chr.: Wer wird die Wächter bewachen?) der FMH. Weiterführend evaluieren wir die existierenden Qualitätsaktivitäten nach ihrer Wertigkeit und ihrem Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Die FMH versteht sich hier als Drehscheibe und Vermittlerin von bereits bestehendem Wissen und will koordinierend helfen, neue Konzepte zu erarbeiten. Q-Monitoring bringt den Fachgesellschaften insofern einen Mehrwert, dass Qualitäts-Projekte sowie die Fortbildungen in Zukunft gezielter angegangen werden können, und bestehende Lücken geschlossen werden. Für die FMH ganz wichtig sind diese Umfrageergebnisse in der Umsetzung von politischen Projekten. So fliesst zum Beispiel das Wissen aus dem Projekt Q-Monitoring direkt in die Diskussion um die Konkretisierung der Qualitätsstrategie des Bundes ein und soll helfen, unsinnige Aktivitäten zu verhindern und sinnvolle zu unterstützen. So oder so, der Druck zum Qualitätsnachweis ist auch in der Hausarztpraxis massiv gestiegen, und es ist der klare Wille des Bundes, bestehende Verordnungen wie den Artikel 22a des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), der eine Qualitätstransparenz fordert, durchzusetzen. Zu fürchten haben wir freilich nichts: Die Hausarztmedizin tut viel Gutes, wir müssen es jedoch gegen aussen dokumentieren. Dr. med. Daniel Herren, MHA, Mitglied des Zentralvorstandes der FMH, Verantwortlicher für das Ressort DDQ Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1617 TRIBÜNE Standpunkt Passivrauchgesetze: Die Bayern haben sich gegen die spanische Konfusion entschieden Die Volksabstimmung im Nachbarland zeigt erneut – wie auch die Abstimmung im Kanton Solothurn –, dass Verwässerungsversuche klarer Regeln Wirteverbände und Parlamentarier desavouieren. * Die ausführlichen Anmerkun gen mit Zusatzangaben und Hintergrundinformationen finden sich im Internet unter www.saez.ch ’ Aktuelle Nummer oder Archiv ’ 2010 ’ 41. Siehe dazu auch den Brief der Autoren an die Redaktion auf Seite 1604. Am 4. Juli dieses Jahres kam in Bayern das Volksbe gehren zum Schutz vor Passivrauchen erfolgreich zur Abstimmung. 61 % der Stimmenden entschieden sich für ein Rauchverbot im geschlossenen öffentlichen Raum; Ausnahmeregelungen, die Interpretations spielräume eröffnen, erhielten eine Abfuhr. Die Wucht der Ablehnung der Ausnahmen, die das Ge setz aushöhlen (in Solothurn waren es zwei Drittel der Stimmenden), sollte den Politikern der Schweiz zu denken geben: Die Gesellschaft hat begriffen, dass Passivrauchschutz für alle gilt; Ausnahmen sabotie ren die Regel. Genau dieses Anliegen verfolgt auch die Passivrauchinitiative der Lungenliga Schweiz, die im vergangenen Mai mit 130 000 Unterschriften bei den Bundesbehörden eingereicht wurde. belegen, dass Wirteverbände von der Tabakindustrie infiltriert worden sind [2, 3]. Die klassische Argumen tation gegen eine klare Rauchregelung, gegen die staatliche Einmischung sowie für die Entscheidungs freiheit der Betriebsinhaber, ob geraucht werden darf, findet sich in der Resolution des internationalen HoReCa (Hotel/Restaurant/Café) – Kongresses von 1995 in Hongkong [4] die von Gastrosuisse im Jahr danach wiederaufgenommen wurde [5]. Der interna tionale Kongress war von der multinationalen Philip Morris von der Schweiz aus organisiert und gespon sert worden [6], und zahlreiche Schweizer Wirte hat ten daran teilgenommen, auch der langjährige Direk tor von Gastrosuisse Florian Hew [7]. Die Glaubwürdigkeit der Parlamente Fakten Nur ein Viertel der Schweizer Bevölkerung raucht, zwei Drittel befürworten rauchfreie Gaststätten. In Graubünden, im Wallis und Tessin, wo diese schon länger rauchfrei sind, liegt die Zustimmung noch hö her. Zur Zeit gelten in 15 Kantonen Regelungen, die strenger sind als das seit dem 1. Mai geltende Bundes gesetz; die meisten sind durch Volksabstimmungen zustande gekommen, wie im Tessin, Graubünden, Wallis, Genf, Solothurn, Waadt, Uri, Freiburg, Basel, Zürich, St. Gallen. Der von diesen Passivrauchgeset zen betroffene Bevölkerungsteil macht ¾ der Bewoh ner der Schweiz aus. Studien in verschiedenen Län dern und der Schweiz belegen, dass existentielle Ängste der Wirte vor Rauchverboten unbegründet sind: Sowohl den Pubs in Irland und England als auch dem Gastronomiesektor Frankreichs und Italiens geht es rauchfrei gut. Bereits im Jahr 2004 haben die Wirte von New York, ein Jahr nach Einführung des Rauchverbotes, 8,7 % mehr Steuern bezahlt [1]*. Diese Tatsachen sollten eigentlich genügen, um Wir ten und Parlamentariern klarzumachen, dass rauch freie Räume normal sind und dass dies auch so von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Korrespondenz: Dr. med. Rainer Martin Kaelin 2, place l’HôteldeVille CH1110 Morges [email protected] Wirteinteressen … und andere Dass Wirteverbände gegen Rauchverbote kämpfen, ist eine Konstante der Passivrauchdebatte seit den 90er Jahren in den USA. Dokumente aus Industriearchiven Ausnahmen sabotieren die Regel Auch wenn man die unbegründeten finanziellen Ar gumente nicht ignorieren will, würde man von Parla menten erwarten, dass sie die Gesundheitsaspekte be rücksichtigen, wie dies schon im Bericht der Subkom mission des Nationalrates vom 1. 6. 2007 ausführlich erläutert worden war [8]. Zumal das Schweizer Bun desgericht [9], das Deutsche Bundesverfassungsge richt [10] und die internationale Tabakrahmenkon vention der WHO [11], die auch von der Schweiz unterzeichnet wurde, festhalten, dass Passivrauch toxisch ist und dass die Gesundheitsinteressen der Bevölkerung höher als mögliche wirtschaftliche Ein bussen einzuschätzen sind. Dennoch wurde der ver meintliche Rückgang der Umsätze der Restaurations branche als Argument im Bundesparlament zitiert [12, 13]. Die Abstimmungsresultate der eidgenössi schen Kammern des Jahres 2007 und 2008, die zum «Gastroboro Bundesgesetz» vom Oktober 2008 geführt hatten, lassen den Schluss zu, dass mehrere Volksvertreter gegen ihre eigene gegenüber der Presse geäusserte [14] oder in Smartvote [15] vertretene Mei nung gestimmt hatten. Es fällt dabei auf, dass die christliche Volkspartei die politische Kraft ist, die die sem Gewissenskonflikt am ehesten erliegt, wenn man dies an der Anzahl der Parlamentarier beurteilt [16, 17], die nicht gemäss ihrer zuvor deklarierten Mei nung stimmten. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1618 TRIBÜNE Standpunkt Auch in unserm Nachbarland sind solche Kräfte am Werk, wie der Werdegang des Bayerischen Volks begehrens zeigt: Die neugeformte Koalitionsregie rung CSU/FDP von Bayern beschloss im März 2009 eine Gesetzesänderung, die das mit 84% der Land tagsstimmen genehmigte Nichtraucherschutzgesetz vom 12. 12. 2007 («das beste Deutschlands») zahnlos machte, indem gewisse Betriebe als Raucherbetriebe geführt werden dürfen, wie dies in Spanien und weiterhin in der Schweiz gemäss Bundesgesetz der Fall ist. Die entstandene Rechtsunsicherheit führte zur Nichtbeachtung des Rauchverbotes. Die Ökolo gischdemokratische Partei (ÖDP) ergriff mit weiteren Organisationen, u. a. dem Ärztlichen «Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit», die Initiative für ein Volksbegehren. Die Hürden für ein Volksbegehren in Bayern sind sehr hoch: Mit dem Text (der mit dem ursprünglichen PassivrauchGesetz identisch war) mussten die Initianten 25 000 Unterschriften von Wahlberechtigten hinterlegen, um dann in zwei Wo chen zehn Prozent der Stimmberechtigten zu über zeugen, sich in die aufliegenden Unterstützerlisten einzutragen. Staunend nahm Deutschland am Jahres ende zur Kenntnis: Zwischen dem 19. November und dem 2. Dezember 2009 hatten sich rund 1 300 000 Stimmberechtigte eingeschrieben, bedeutend mehr als erforderlich. Im Juli dieses Jahres haben also die kleine ÖDP und ihre Partner mit der gewonnenen Ab stimmung den Koalitionsparteien Bayerns bewiesen, dass deren politisches Kalkül zugunsten der Tabak industrie und auf Kosten der Gesundheitsinteressen der Bevölkerung nicht aufgeht. Schlussfolgerungen Die oben geschilderten Entwicklungen lassen folgende Schlüsse zu: Erstens darf man damit rechnen, dass eingeführte und von der Bevölkerung befolgte Passivrauchgesetze keineswegs gegen Versuche der Lobby gefeit sind, die alle Möglichkeiten der Gesetzesmaschinerie benützen (wird), um sie aufzuweichen. Dies hat sich in der Schweiz im Falle Genfs, Zürichs, Solothurns, Appen zells, im Tessin und Uri bereits gezeigt. In dreien die ser Kantone (GE, SO, UR) wurde das Volk gar zweimal zur Urne gerufen. Im Falle Bayerns ist besonders stossend, dass der Aushöhlungsversuch auf eine Koalitionsabsprache der Parteien zurückgeht: Der Neubeschluss des Landtages wurde vom Gesundheits ausschuss veranlasst, der von den Parteien neu be schickt worden war [18]. Zweitens muss man annehmen, dass die Spani sche Gesetzgebung und der Flickenteppich der Rauch verbote erklärte Ziele sind, die durch das parlamenta rische Lobbying in föderalistischen Ländern wie Deutschland und der Schweiz ebenfalls erreicht werden sollen. Denn es ist bekannte Tatsache, dass die spanische PassivrauchGesetzgebung von der Bevölkerung nicht befolgt wird [19]; ihre Ausnahmen (Fumoirs müssen nur in Betrieben von mehr als 100 m2 eingerichtet werden, kleinere dürfen sich als Raucherbetriebe erklären), sorgen dafür dass man nicht weiss, was wo gilt. Die Schweizer Volksvertreter Die Schweizer Medien bleiben zu diesem Thema stumm waren sich dieser Tatsache wohl bewusst, als sie den Gesetzesentwurf zur GutzwillerInitiative debattier ten, denn die Abgrenzungsprobleme und die Un gleichheit der Betriebe waren ihnen von deren Autor selbst erläutert worden [20]. Die Rolle der Medien: schweigen Die dritte Schlussfolgerung, die man aus den darge stellten Zusammenhängen in Bayern und der Schweiz ziehen muss, stimmt am nachdenklichsten: Die Schweizer Medien bleiben zu diesem Thema stumm. In keinem Zeitungsartikel über Passivrauchschutz wird auf die Verhältnisse im benachbarten Ausland, auf die Tabakrahmenkonvention der WHO oder auf den Bayerischen Volksentscheid hingewiesen. Nir gends hat man in den Medien die Wirteforderungen oder deren Glaubwürdigkeit hinterfragt, obwohl selbst im Personalrestaurant von Philip Morris nie mand das Rauchverbot beanstandet [21]. Schon 1998 wies der damalige BAGDirektor, Prof. Zeltner, öffent lich auf die Verbindungen zwischen Tabakindustrie, Parlamentariern und der Werbeindustrie hin [22]. Das Thema ist für die Medien tabu geblieben, obwohl man ohne grosse Mühe dieselben seit Jahren gut funktionierenden Allianzen erkennen kann [23]: Im Jahre 2008 gründete der Schweizerische Gewerbever band die «Allianz der Wirtschaft für eine mässige Prä ventionspolitik», unter deren Mitgliedern sich der Schweizerische Gewerbeverband, Economiesuisse, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, Schweizer Werbung, Verband Schweizer Zigarettenfabrikanten, Vereini gung des Schweizer Tabakwarenhandels, Viscom Schweizer Verband für visuelle Kommunikation u.a. finden. Bedeutungsvoll sind hierbei die «unterstüt zenden Organisationen»: Die christliche Volkspartei CVP [24], die Schweizer Volkspartei SVP [25], Interes sengruppe Freiheit (IG Freiheit) und Swiss Cigarette, welche die Interessenverfilzung der Industrie mit den politischen Parteien verdeutlichen. Ausblick Es besteht die gut begründete Hoffnung, dass die Schweizer, wie die Bayern, mit Annahme der Volksini tiative der Lungenliga zum Passivrauchschutz ihren Parlamentariern beweisen werden, dass sie diese De batte zu ihrem Vorteil entscheiden wollen. Die über wiegende Abhängigkeit aller Medien von Werbegel dern lässt jedoch befürchten, dass der demokratische Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1619 TRIBÜNE Standpunkt Prozess und die Meinungsbildung [26] der Stimmbür ger sehr durch Wirtschaftsinteressen behindert werden wird und dass die Zigarettenfabrikanten auch weiter hin auf Parlamente und Medien Einfluss nehmen wer den, um ihre finanziellen Interessen unter Missach tung der Gesundheit der Bevölkerung zu verteidigen. Deshalb appellieren wir an alle Schweizer Parla mentarier, gegen den Druck der Lobbies die WHO Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle zu ratifizie ren und endlich ein Bundesgesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Passivrauch zu verabschieden, das seinen Namen verdient. Dr. Jürg Barben, Privatdozent, Leitender Arzt Pneumologie/ Allergologie, Ostschweizerisches Kinderspital St. Gallen Dr. Donath Marugg, Chefarzt FMH Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Samedan Dr. Heinz Borer, Leitender Arzt, Pneumologie, Bürgerspital Solothurn Dr. Marc Müller, FMH Allgemeine und Innere Medizin, Präsident des Berufsverbandes Haus- und Kinderärztinnen Schweiz Dr. Otto Brändli, Pneumologie FMH, Präsident der Lungenliga Zürich, ehemaliger Chefarzt der Zürcher Höhenklinik Wald Prof. Dr. Martin Brutsche, Chefarzt Pneumologie und Schlafmedizin, Kantonsspital St. Gallen Prof. Dr. Thomas Cerny, Präsident Krebsforschung Schweiz KFS, Chefarzt Onkologie/Hämatologie Departement Innere Medizin, St. Gallen Dr Jean-Marie Choffat, FMH Pédiatrie, ancien médécin chef de l’ Hôpital de zone Morges Prof. Dr Laurent Nicod, Médecin-chef du service de Pneumologie, CHUV, Lausanne Dr Reto Olgiati, Pneumologie et Médecine interne FMH, Délémont Prof. Dr Arnaud Perrier, Médecin chef, Service de médecine interne Hôpital universitaire Genève Dr. Max Pfenninger, FMH Pneumologie, Olten Dr. Peter Dür, Ärztlicher Direktor, Solothurner Spitäler AG Dr. Maurus Pfister, Pneumologie FMH, Ärztlicher Leiter Innere Medizin, Spital Rorschach, Kantonsspital St. Gallen Prof. Dr Jean-William Fitting, Médecin chef, Service de Pneumologie CHUV, Lausanne Dr. Franco Quadri, Capo Servizio Pneumologia, Ospedale Bellinzona et valli Dr Jean-Georges Frey, Pneumologie FMH, Médecin sous-directeur du Centre valaisan de Pneumologie, Montana, VS Dr Philippe Rieder, Médecin chef de service, Hôpital de Saint-Loup/VD Dr. Martin Frey, FMH Innere Medizin und Pneumologie, Chefarzt Barmelweid Prof. Dr Thierry Rochat, Médecin-chef, service de Pneumologie, Hôpital universitaire de Genève, Principal investigator étude SAPALDIA Prof. Dr. Jean-Michel Gaspoz, FMH Médecine interne, Chef du département de médecine communautaire et des urgences, Hôpitaux universitaires de Genève Dr. Martin Rüegger, Innere Medizin, Arbeitsmedizin FMH, Zürich Prof. Dr. Thomas Geiser, Direktor/Chefarzt Universitätsklinik Pneumologie, Inselspital Bern Dr Pierre Schmidlin, FMH Médecine générale et Psychatrie/ Psychotherapie, Sierre Prof. Dr. Jürg Hammer, Stellvertretender Chefarzt, Leiter Pneumologie und Intensivmedizin, Universitätskinderklinik beider Basel Prof. Dr. Markus Solèr, Chefarzt Pneumologie Claraspital, Präsident der Lungenliga beider Basel Dr R. M. Kaelin, Médecine interne et Pneumologie FMH, Vice-président de la ligue pulmonaire vaudoise, Morges VD Dr. Werner Karrer, Innere Medizin und Pneumologie FMH, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, Chefarzt und Vorsitzender der Klinikleitung, Luzerner Höhenklinik Montana Dr. Dr. h. c. Andreas Knoblauch, ehemaliger Präsident der Lungenliga und Chefarzt der Abteilung Pneumologie und Schlafforschung des Kantonspitals St. Gallen. Dr. Bruno Knöpfli, Pädiatrische Pneumologie FMH, Davos Platz Dr. Max Kuhn, Leitender Arzt Pneumologie, Kantonsspital Graubünden, Chur Dr Alec Martin-Achard, FMH Pneumologie Genève Dr Olivier Staneczek, Medecin interne et Pneumologie FMH, Clarens /VD Dr. Martin Tschan, Pneumologie und Innere Medizin, Laufen, BL Prof. Dr Jean-Marie Tschopp, Chef du Departement médecine interne du Centre hospitalier du centre du Valais, Sion et Médecin Directeur Centre valaisan de Pneumologie Montana Dr Hubert Varonier, Privat-docent, Pédiatrie et Allergologie FMH, Crans-Montana, VS Dr. Beat Villiger, FMH Pneumologie und Innere Medizin, FMH Rehabilitation und physikalische Medizin, Sportmedizin SGSM, CEO Schweizerisches Paraplegikerzentrum Nottwil/LU Dr Virgile Woringer, FMH Pédiatrie, médecine scolaire, Lausanne Dr. Jean-Pierre Zellweger, Privat-docent, Université Lausanne Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1620 e r g ä n z e n d e i n f O r m at i O n e n Online-Only r e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g b e i m a u t o r referenzen 1 New York City. The state of smoke free New York City. A One-Year Review. New York 2004. Zitiert in: The smoke free Europe partnership. Smoke free Europe makes economic sense. Brussels, ERS journals, 2005. 2 Fogels testimony: «Zeugenaussage vor dem Stadtrat von New York City, 6. Juni 1994. Mein Name ist Barry Fogel. Ich bin Besitzer einer Restaurantkette mit Häusern in Beverly Hills, … In 1988 wurde in Beverly Hills eines der ersten Gesetze des Landes für rauchfreie Restaurants erlassen. Dieses wurde 5 Monate später infolge des Lobbyings des Restaurantbesitzervereins von Beverly Hills widerrufen. Ich war Präsident des Vereins. Es existierte kein Restaurantbesitzerverein vor der Rauchfrei – Verordnung. Wir wurden durch die Tabakindustrie organisiert. Die Industrie half uns die Kosten unserer Gesetzesklage gegen Beverly Hills zu bezahlen. Die Industrie liess sogar einige unserer Mitglieder per Lear-Jet nach Rancho Mirage fliegen, einer anderen Stadt in Kalifornien, in welcher ein Rauchverbot erwogen wurde, damit sie gegen eine ähnliche RauchfreiVerordnung aussagen sollten. Vertreter des Tabakinstitutes waren bei einigen unserer Versammlungen zugegen. Die Tabakindustrie behauptete wiederholt, dass die Restaurants in Beverly Hills während des 5 Monate dauernden Rauchverbotes 30 % Erwerbseinbussen zu erleiden gehabt hätten. Offizielle Zahlen hingegen, welche auf den Verkaufssteuerdaten beruhten, zeigten einen leichten Zuwachs der Umsätze. Ich bedaure meine Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie. Als ich im Jahre 1991 erfuhr, dass Passivrauch Krebs verursacht, beschloss ich, alle «Jacopo’s Restaurants» 100 % rauchfrei zu machen, einschliesslich der Bar und der gedeckten Aussenbereiche. Sogar in diesem schwierigen wirtschaftlichen Klima sind unsere Verkäufe gestiegen. …» 3 Brief, Archiv von Philipp Morris (PM 2048294028), gezeichnet von Dr. Xavier Frei, Direktor von Ho.Re.Ca (Hotel/Restaurant/Café) international, Blumenrainstrasse 12, Zürich, datiert vom 30. 10. 1994, adressiert an Stig Carlson, Director Corporate Affairs Philip Morris, Lausanne: (Auszug) «… I do want to thank you once again (…) als Formsache wiederhole ich hier die Beschlüsse: 1. Philip Morris USA wird 60 000 für 1994/95 bezahlen. 2. Philip Morris Europa wird 30 000 für das Jahr 1994/95 bezahlen. 3. Über diese finanzielle Hilfe hinaus wird PM Hand bieten durch ihre Promotionsagentur (Ho.Re.Ca- News usw.)». 4 Philip Morris Dokument PM 2048253287, Hongkong 13. 9. 1995. 5 Brief von Ulrich Crettaz, Philip Morris S.A. Lausanne, an Matt Winokur, 19. 06. 1996: «… diese Resolution ist das Resultat der direkten Zusammenarbeit zwischen Philip Morris und Gastrosuisse.» 6 PM 2048239107: (Internes Dokument Philip Morris zur Planung des Kongresses) «6. Wir planen kurze zielgerichtete Untersuchungen der Haltungen von Konsumenten in Bezug auf deren Präferenzen, inklusive der Absprachen über das Rauchen in Restaurants. Ulrich Crettaz (Philip Morris S.A. Lausanne) kümmert sich (darum) mit der Hotel International und deren PR-Agentur Jäggi.» 7 Florian Hew präsidiert als «Director of the Swiss Federation for Cafés, Restaurants, and Hotels/ Gastrosuisse, Zurich» den Workshop I, am 11. 9. 1995 am HoReCa-Kongress in Hongkong. – Dieselbe Person, langjähriger Direktor von Gastrosuisse, erklärt am 4. 6. 2006 (Titelschlagzeile der Zeitung «Matin Dimanche»): «Les Suisses ne veulent pas de restaurants non fumeurs.» – Er vertritt die Wirteverbände am Hearing der Gesundheitskommission des Ständerates im Februar 2008. 8 Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 1. 6. 2007 zur parlamentarischen Initiative Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft vor dem Passivrauchen. 9 Bundesgerichtsentscheid 133 1 110 vom 28. 3. 2007 (www.bger.ch) Entscheid im Falle Slatkine und Petroz gegen den grossen Rat des Kantons Genf: «Die Schädlichkeit des Passivrauches ist durch genügend wissenschaftliche Studien bezeugt, so dass dies als dem heutigen Stand der Wissenschaft entsprechend betrachtet werden kann …». 10 Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. 7. 2008. Das Gericht gibt zwar den Klägern Recht, welche beanstandeten, dass die Passivrauchgesetzgebung zu ungerechten Beeinträchtigungen geführt hatte. Es hält aber ausdrücklich fest, dass nicht die Schutzregel zur ungleichen Behandlung der Betriebe geführt hatte, sondern die Ausnahmen von der Regel. Vergleiche «Freiheitsrechte und Rauchverbote», SÄZ 2008, Heft 48 S. 2083–4. 11 www.who.int/tobacco/framework 12 Ständeratsdebatte vom 4. 3. 2008 (Amtliches Bulletin 2008, S 28): Hess Hans (RL, OW) Präsident der Vereinigung des Schweiz. Tabakwarenhandels. «… dass in Irland nach der Einführung des Rauchverbotes (…) die Zahl der Angestellten in Hotels und Restaurants zwischen Juni 2004 und Mai 2005 um 1,6 Prozent zurückgegangen ist (…) Die Umsätze gingen zwischen April 2004 und März 2005 in Irland sogar um 4,9 Prozent zurück …» (Anmerkung des Autors: Schwankungen dieser Grössenordnung, welche wohl kaum einer Krise der Branche gleichkommen, dürften nicht nur in diesem Wirtschaftssektor häufig sein. Ausserdem verschweigt der Redner, dass die Umsatzzahlen schon vor dem Rauchverbot rückläufig gewesen waren). 13 Nationalratsdebatte vom 11. 6. 2008 (Amtliches Bulletin 2008,N) Pascal Couchepin: «Les arguments économiques ne sont pas très sérieux. Honnêtement, ils ne sont pas sérieux! Et ils ne me paraissent pas devoir l’emporter face aux arguments de santé publique.» 14 Die Zeitung «l’Illustré» vom 24. 5. 2008, stellt die 62 welschen Parlamentarier vor, von denen 56 das Rauchverbot im öffentlichen Raum unterstützen. Dennoch stimmten 15 von diesen Befürwortern gemäss elektronischer Stimmabgabe in der Abstimmung des Nationalrates vom 11. 6. 2008 für den faulen Kompromiss des aktuellen Gesetzes. Namentliche Liste der Volksvertreter in Anm.15 von «Glaubwürdigkeit II. das Minenfeld der Prävention», SÄZ 2008, Heft 38. 15 In der Abstimmung des Nationalrates vom 11. 6. 2008, stimmten 9 Nationalräte (Namen Anm. 14, SÄZ 2008, Heft 38) für den faulen Kompromiss, obwohl sie sich gegenüber Smartvote für ein Rauchverbot im öffentlichen Raum geäussert hatten. 16 In der Nationalratsabstimmung vom 4. 10. 2007 stimmten, entgegen der gegenüber Smartvote deklarierten Meinung, 4 Mitglieder der CVP und 2 Mitglieder der Freisinnigen Partei für den Gesetzesvorschlag, der Raucherbetriebe und bediente Fumoirs vorsah. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum e r g ä n z e n d e i n f O r m at i O n e n Online-Only r e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g b e i m a u t o r 17 In der Nationalratsabstimmung vom 11. 6. 2008, stimmten 5 Mitglieder der CVP, 2 Mitglieder der Freisinnigen und 2 Mitglieder der SVP für die Vorlage, welche Raucherbetriebe und bediente Fumoirs vorsah, während sie sich gegenüber Smartvote für ein allgemeines Rauchverbot im öffentlichen Raum ausgesprochen hatten. (Siehe auch Kaelin RM, Diethelm P. Support of an efficient passive smoke protection by parties and individual MP’s in the Swiss Parliament 2004–2008, Swiss Medical Weekly. 2010; Suppl. 179, 18 S.) 18 Katja Auer: «Alles andere als Sternstunden» Kommentar, Süddeutsche Zeitung, 2. 6. 2009. 19 F. Musseau: «Loi antitabac ou pas, l’Espagnol fume, où bon lui semble».Le temps 5. 8. 2009. 20 Ständeratsdebatte vom 17. 9. 2008: Gutzwiller (RL) ZH: «1. Es ist so, dass … . ein recht grosser Anteil der fraglichen Restaurants in der Schweiz unter diese Kategorie fällt. Die Schwelle von 100 Quadratmetern ist relativ hoch. 2. Hier stellt sich die Frage der Umsetzbarkeit (…) In Italien und Frankreich gibt es klare Regelungen. Es gibt keine Probleme, auch nicht für die Gastronomie. Es sind absolut gute Verhältnisse (…) Spanien hat genau diese Sonderregelung mit der Wahlfreiheit für Lokale unter 100 Quadratmetern. Dort gibt es jetzt erste Analysen, (…) dass es sehr viele Probleme gibt; Sie können es sich vorstellen. Einmal ist es eine Ungleichheit (…) Das hat die Branche nie gewollt. Die Branche hat am Anfang eine arbeitsrechtliche Regelung bekämpft, immer mit dem Hauptargument, man wolle in der Branche keine Ungleichheiten (…) Es gibt sehr viele Abgrenzungsprobleme, (…) Das ist doch keine solide Gesetzgebung.» 21 Rinny Gremaud, Le Temps, 21. 7. 2010: «La cafétéria de Philip Morris entre ‹wellness› et grande restauration». 22 Pierre Hazan, Le temps: «le patron de la santé publique dénonce la collusion entre politiques et cigarettiers», 21. 10. 1998. In einem Seminar der WHO, anlässlich der Ausstellung «Tabexpo» 1998 der Zigarettenfabrikanten in Genf, nannte Prof. Zeltner die Nationalräte Edgar Oehler, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Zigarettenfabrikanten, und Carlo Schmid, Präsident von Publicité Suisse, als Beispiele der Kollusion zwischen Parlamentariern und Industrie-Interessen. 23 www. awmp.ch 24 Sowohl die Ausnahme des Raucherbetriebes als auch die Klausel, dass das Fumoir bedient werden darf, falls der Angestellte schriftlich zustimmt, wurden in die Vorlage des aktuellen Bundesgesetzes von Politikern der christlichen Volkspartei eingebracht, von Nationalrätin Thérèse Meyer – Kaelin und Ständerat Bruno Frick. Der Vorschlag, auf den Minderheitsantrag (und nicht auf den Mehrheitsantrag) der Gesundheitskommission des Nationalrates einzutreten, geht auf Roland Borer der Schweiz. Volkspartei zurück. 25 Der Parlamentarierausflug der SVP 2008 führte die Volksvertreter in den Kanton Neuenburg. Der Anlass wurde von der Firma Philip Morris gesponsert. 26 AT Information Sommer 2010: Eine Analyse der Periode November 2009 – Februar 2010 kommt zum Schluss, dass zum Thema Passivrauchschutz in den Printmedien folgende Tendenzen dominieren: Skeptizismus, Suche nach extremen Meinungen, Unwissenheit über das Thema. Von 102 Beiträgen (Artikel, Kommentare, Leserbriefe) äusserten sich 75 negativ, 21 positiv und 6 neutral zum Passivrauchschutz, wobei oft sogar die Schädlichkeit des Passivrauchens in Frage gestellt wurde. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum TRIBÜNE Prävention Empfehlungen eines Schweizer Expertenteams Reduzierung der Risiken für Raucher Semira Gonseth a, Isabelle Jacot-Sadowski b, Jacques Cornuz c a Assistenzärztin, Policlinique Médicale Universitaire, Lausanne b Chefarzt und Klinikleiter, Policlinique Médicale Universitaire, Lausanne c Chefarzt, Prof. Dr. med., Policlinique Médicale Universitaire, Lausanne Einführung Die Rauchabstinenz erweist sich für viele Raucher als schwer zu realisierende Zielsetzung. Als Vorbereitung zum Rauchstopp ist eine langfristige Reduzierung des Tabakkonsums im Gegensatz zu einer kurzfristigen («cut down to quit») alternativ zur Abstinenz geplant. Sie bietet potenziell den Vorteil, dass das Gesundheitsrisiko individuell und global reduziert wird und sie analog zu den «vier Säulen» in der Drogenpolitik Teil einer Präventionspolitik werden kann. Für eine Reduzierung des Tabakkonsums spricht die Tatsache, dass das individuelle Risiko für Raucher von der Dauer, der Menge und der Toxizität des absorbierten Rauchs abhängt und eine Reduzie- Die Ergebnisse sprechen gegen die Reduzierung des Tabakkonsums als Strategie zur Reduktion der mit dem Rauchen verknüpften Risiken Zusammenfassung Die Rauchabstinenz erweist sich für viele Raucher als schwer zu realisierende Zielsetzung. Die langfristige Reduzierung des Tabakkonsums könnte eine Alternative zur Minderung der Gesundheitsrisiken aufzeigen. Um herauszufinden, ob ein solcher Ansatz empfehlenswert ist, haben wir mit Hilfe der DelphiMethode eine Erhebung zur Expertenmeinung unter 17 in den schweizweiten Kampf gegen den Tabakkonsum involvierten Spezialisten durchgeführt. Die Ergebnisse sprechen gegen eine allgemeine Empfehlung der Reduzierung des Tabakkonsums, vor allem da nicht nachgewiesen ist, dass sich durch sie eine signifikante Minderung der Gesundheitsrisiken ergibt. Dennoch kann eine solche Reduzierung in Sonderfällen ins Auge gefasst werden, vor allem wenn Personen mit schwerwiegenden, invalidie- Interessenkonflikt: Semira Gonseth und Isabelle Jacot-Sadowski erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. Jacques Cornuz erklärt, dass aufgrund seiner Position als mitverantwortlicher Leiter des Cipret-Waadt und Professor am Institut für Sozial- und Präventivmedizin Lausanne und der Policlinique Médicale Universitaire (PMU), Lausanne ein Interessenkonflikt gegeben ist. Im Zusammenhang mit der Organisation von Seminarien und Kolloquien für Ärztinnen und Ärzte erhielt die PMU Unterstützungsbeiträge von Pharmaunternehmen, die Nikotinersatzprodukte produzieren. Ein Teil dieser Beiträge wurde Prof. J. Cornuz vergütet. Korrespondenz: Dr. med. Semira Gonseth Poliklinik des Universitätsspitals Lausanne 44, rue du Bugnon CH-1011 Lausanne Tel. 021 314 49 45 Fax 021 314 61 06 [email protected] rung infolgedessen das Gesundheitsrisiko verringern müsste. Gemessen an den Erwartungen erweist sich die beobachtete positive Wirkung einer Reduzierung des Tabakkonsums auf die Gesundheit jedoch als sehr moderat [1–3]. Dies resultiert vor allem daraus, dass das auf den Tabakkonsum zurückzuführende Krankheitsrisiko in der Hauptsache durch die Expositionsdauer (in Jahren) beeinflusst wird. Das Kompensationsphänomen sorgt trotz Konsumreduzierung durch freiwillig oder unfreiwillig erhöhte Extraktion des Nikotins und – parallel dazu – der anderen Giftstoffe im Zigarettenrauch für einen hohen Nikotinrückstand und scheint ebenfalls eine Rolle zu spielen [4]. Selbst bei einer kombinierten Verabreichung von Nikotin in Nikotinersatzprodukten, die zu einer Verringerung des Kompensationsphänomens führen müsste, bleiben die Vorteile einer Reduzierung der Nikotinsucht ungewiss und ihre Modalitäten schlecht definiert [2]. Auch die Wasserpfeife, der Oral- oder Schnupftabak (Snus und Snuff), die rauchlose oder die Elektronikzigarette müssen einbezogen werden, um feststellen zu können, ob sie eine empfehlenswerte Alternative zur Zigarette bilden und integraler Bestandteil einer Risikoreduktionsstrategie sein können. Die Gegenargumente dokumentieren, dass der Gebrauch der Wasserpfeife dieselben Pathologien bewirkt wie die Zigarette [5] und dass der Oraltabak renden Erkrankungen (beispielsweise chronischobstruktive Bronchopneumopathie oder schwere kardiovaskuläre Erkrankungen) oder sehr nikotinabhängige Raucher (z.B. Fagerström über oder gleich 6/10) bereits erfolglos einen Entwöhnungsversuch hinter sich haben. Der Rauchstopp bleibt allerdings ein mittel- bis langfristiges Ziel. den Konsumenten einem verstärkten Krebsrisiko aussetzt [6]. Wir haben eine Meinungsumfrage unter Fachleuten durchgeführt, um herauszufinden, ob die Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst ebenfalls eine Reduzierung des Tabakkonsums oder den Einsatz neuer Tabakprodukte empfehlen können. Methodik Die Delphi-Methode dient der Ausarbeitung von Konsensempfehlungen bei unzureichenden oder divergierenden wissenschaftlichen Daten [7]. Zwanzig Schweizer Experten im Kampf gegen das Rauchen wurden kontaktiert und erhielten eine qualitative Synthese der zur Reduzierung des Raucherrisikos verfügbaren Literatur (erstellt von Isabelle Jacot- Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1621 TRIBÜNE Prävention Sadowski und Jacques Cornuz) [8], die sich auf wissenschaftliche Artikel zu diesem Thema stützte, welche die Risikoreduktion im Verbund mit der Reduzierung des Tabakkonsums betrachteten. Die Schlussfolgerungen aus diesem Bericht lassen vermuten, dass die Reduzierung des Tabakkonsums nur sehr wenig positive Wirkung auf die Gesundheit zeigt. Bei Rauchern, die zu Beginn keine Absicht hatten, mit dem Rauchen aufzuhören, kann eine Reduzierung jedoch die Chancen für eine langfristige Tabakabstinenz leicht erhöhen. Alle in diesem Bericht zitierten Studien dokumentieren im Übrigen, dass neue Tabakprodukte wie die Wasserpfeife, der Oral- oder der Schnupftabak stark gesundheitsschädigend für den Konsumenten sind. Die Experten waren gehalten, auf der Basis dieser Informationen und der jeweiligen persönlichen Meinung entweder ihre Zustimmung anhand einer Skala von 1 bis 10 zu geben oder eine der Empfehlungen zur Reduzierung des Raucherrisikos auszuwählen. In Bezug auf die Reduzierung wurde spezifiziert, dass es sich nicht um eine kurzfristige, nur einige Tage vor dem Rauchstopp eingehaltene Reduzierung des Tabakkonsums handelte, sondern um eine langfristige. Die Anonymität der Antworten war sowohl für die Teilnehmenden unter sich als auch für die Analysten gewährleistet. Das Verfahren dauerte drei Tage, in deren Verlauf die Empfehlungen nach den Antworten modifiziert und vertieft wurden, bis ein Konsensergebnis erreicht war. Der Konsens wurde willkürlich bei durchschnittlich mindestens 5,6 (bei einem Übereinstimmungsgrad von 1 bis 10) und mindestens 51% (bei den wahlweisen Antworten) festgesetzt. Die Experten konnten Tabelle 1 Berufliche Merkmale der am Delphi-Verfahren teilnehmenden Experten. Experten Arzt 1 3 2 3 3 Pflegekraft (Nichtmediziner) Klinische Tabakologie 3 3 3 3 3 3 4 3 5 3 6 3 7 3 8 9 3 10 11 3 3 12 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 13 3 14 3 3 15 3 3 16 3 17 Total Tabakprävention 3 3 58 % 3 3 3 23 % 70 % 82 % Anmerkungen machen, die bei der Ausarbeitung der Empfehlungen berücksichtigt wurden [9, 10]. Ergebnisse 17 von 20 kontaktierten Experten nahmen teil (85% Teilnahmequote), davon 7 Frauen (41%). Die beruflichen Merkmale der Experten sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die Antwortquote lag für jeden Durchlauf bei 82%. Allgemeines Die allgemeinen Empfehlungen zur Reduzierung des Tabakkonsums sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Eine Reduzierung war aus folgenden zwei Gründen nicht zu empfehlen: 1. Es lag kein Nachweis über eine signifikante Verringerung des Gesundheitsrisikos vor. 2. Es bestand das Risiko, dass unangemessene Informationen zur öffentlichen Gesundheit transportiert wurden, welche die Vermutung nahelegen, dass eine Reduzierung als Alternative zum Rauchstopp für den Erhalt der Gesundheit gelten könnte. Dennoch kann in bestimmten Fällen eine langfristige Reduzierung des Tabakkonsums ratsam sein. Sonderfälle Eine langfristige Reduzierung des Tabakkonsums ist als erste Etappe auf dem Weg zum vollständigen Rauchstopp angebracht für stark abhängige Raucher oder solche mit erheblicher Komorbidität, beispielsweise mit einer chronisch-obstruktiven Bronchopneumopathie oder einer Angiokardiopathie, Fälle, in denen sich ein kompletter Rauchstopp als nicht erfolgreich erwies. Die Reduzierung des Tabakkonsums dürfte dann maximal der Hälfte des normalen Konsums entsprechen und könnte die Chancen für einen späteren Rauchstopp eher erhöhen und gleichzeitig leichte Vorteile für die Gesundheit bringen (Tabelle 3). Die Experten sprachen sich gegen die Festsetzung eines Zeitlimits für die Reduzierung des Tabakkonsums aus (die Zustimmungsrate lag im Schnitt bei 4,1 auf einer Skala von 1 bis 10; IC = +/– 3,1, geringer Konsens). Ausserdem müsste sie von medizinischem Rat und einer Nikotinersatztherapie begleitet werden. Nikontinsubstitute wie Inhalator, Pflaster, Pastillen und Kaugummi könnten als Mono-, Bi- oder Tritherapie vorgeschlagen werden. Die Experten sprachen sich in diesem Kontext gegen den Einsatz von Bupropion oder Vareniclin aus (der Zustimmungsgrad von 1 bis 10 lag im Schnitt bei 8,3, IC = +/– 2,1). Andere Formen der Nikotingabe Die Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst sind ganz allgemein nicht befugt, Rauchern den einen oder anderen Nikotinlieferanten als Strategie zur Risikominderung zu empfehlen. Die Experten sprachen sich gegen den Einsatz von Wasserpfeifen (Shisha, Narguile) aus. Der Zu- Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1622 TRIBÜNE Prävention stimmungsgrad lag im Schnitt bei 1,3 auf einer Skala von 1 bis 10 (IC = 0,8). Dies gilt auch für nasal oder oral eingenommenen Snuff (Zustimmungsgrad 2,6 [1,5]), Snus (Zubereitung von feuchtem Tabak, oral einzunehmen) (Zustimmungsgrad 3,5 [2,7]), Elektronikzigaretten (Zustimmungsgrad 4,2 [2,6]) und rauchlosen Zigaretten (Heatbar®) (Zustimmungsgrad 3,1 [2,2]). Nach Aussage der konsultierten Experten können diese Methoden nicht als risikomindernde Alternative zur Zigarette vorgeschlagen werden. Diskussion Die Ergebnisse dieser Studie sprechen gegen die Förderung einer Reduzierung des Tabakkonsums als Strategie zur Reduktion der mit dem Rauchen verknüpften Risiken. Davon ausgenommen sind Sonderfälle, beispielsweise Raucher, die an schweren Erkrankungen leiden, die durch die Zigarette noch verschlimmert werden und bei denen eine Reduzierung des Tabakkonsums – selbst bei ungewisser Wir- kung – wünschenswert wäre. In diesen Fällen wäre die Reduzierung des Tabakkonsums mit entsprechenden Ratschlägen zur Tabakentwöhnung und zu Nikotinersatzprodukten zu begleiten. Produkte wie die Wasserpfeife, Oral- oder Schnupftabak, rauchlose oder Elektronikzigaretten sind dem Raucher, der seine Risiken durch den Konsum alternativer Produkte mindern will, nicht zu empfehlen. Diese qualitative Erhebung zur Expertenmeinung zeigt der Delphi-Technik inhärente Limiten auf [7], vor allem, was die Selektion in der Wahl der Experten anbelangt, die alle in den Kampf gegen den Tabakkonsum involviert sind, mehr oder weniger unter Ausschluss anderer Abhängigkeitsbereiche. Zu letzteren zählt insbesondere der Bereich der illegalen Drogen, für den in der Schweiz bereits vor Jahren eine Risikoreduktionsstrategie eingeführt wurde, deren mittelfristige Ergebnisse bekannt und ermutigend sind [11]. Im vorgenannten Beispiel stehen diese Risiken jedoch vor allem im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis, …). Tabelle 2 Empfehlungen zur Reduzierung des Tabakkonsums im Laufe des Delphi-Verfahrens. Empfehlungsvorschläge 1. Durchgang 2. Durchgang 3. Durchgang Die Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst können den Rauchern generell eine Reduzierung des Tabakkonsums vorschlagen. 1. Die Reduzierung des Tabakkonsums sollte nur in Sonderfällen vorgeschlagen werden. Generell ist die langfristige Reduzierung des Tabakkonsums (im Gegensatz zur kurzfristig vor dem Rauchstopp praktizierten) in bestimmten Situationen akzeptabel, vor allem für sehr kranke Raucher (chronischobstruktive Bronchopneumopathie, kardiovaskuläre Erkrankungen, …) oder stark abhängige Raucher, die bereits mehrere erfolglose Rauchstoppversuche hinter sich haben. 2. Die Reduzierung des Tabakkonsums sollte unter keiner Bedingung vorgeschlagen werden. 3. Die Reduzierung des Tabakkonsums muss allen Rauchern vorgeschlagen werden. Antwortart 1 Wahlantwort Zustimmung von 1 bis 10 Antwort 5,0 (+/– 3,1) (Durchschnitt %, IC) Zustimmung von 1 bis 10 Antwort 1: 78,6 % Durchschnitt 8,6 (IC +/– 1,9) Zustimmung Konsens, aber keine klare Empfehlung (nur 1 Wahlantwort) Konsens und klare Empfehlung Kein Konsens Tabelle 3 Sonderfälle zur Reduzierung des Tabakkonsums Fragen Zustimmungsgrad (von 1 bis 10), durchschnittlich IC Zustimmung Nur Raucher einer bestimmten Gruppe sollten eine Reduzierung des Tabakkonsums empfohlen bekommen. 8,4 2,2 Konsens und klare Empfehlung Stark nikotinabhängige Raucher, die bereits eine erfolglose Entwöhnung hinter sich haben, sollten eine Reduzierung des Tabakkonsums empfohlen bekommen. 7,3 2,4 Konsens und klare Empfehlung Raucher mit Komorbiditäten (chronisch-obstruktive Broncho8,1 pneumopathie, kardiovaskuläre Vorfälle/Angiopathie …), die bereits eine erfolglose Entwöhnung hinter sich haben, sollten eine Reduzierung des Tabakkonsums empfohlen bekommen. 2,2 Konsens und klare Empfehlung Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1623 TRIBÜNE Prävention Sollen Ärzte Nikotinersatzprodukte verschreiben, wenn ein Raucher nicht den Stopp, sondern lediglich eine Verringerung des Nikotinkonsums anstrebt? Nein, meinen die Experten – ausser bei speziellen klinischen Konstellationen. Die Stärke der Delphi-Methode liegt in einem hohen Konsens bezüglich der allgemeinen Empfehlungen (Zustimmungsgrad von durchschnittlich 8,6 auf einer Skala von 1 bis 10, +/– 1,9 im 3. Durchgang). Dies ermöglicht konkordante Empfehlungen und eine hohe Beteiligung in den drei Verfahrensdurchläufen. Verzerrungen durch das Ausbleiben von Antworten halten sich in Grenzen und die doppelte Anonymität der Beteiligten unter sich und der Analysten mindert das Beeinflussungsrisiko, respektive die bezüglich der Meinungen der Experten gegebene «Ansteckungsgefahr» [7]. Die Empfehlungen aus dieser Studie bilden daher eine solide Basis, um schweizweite Richtlinien vorschlagen zu können. Fazit und Empfehlungen Gegenwärtig wird die Reduzierung des Tabakkonsums generell nicht als Ziel an sich empfohlen. Dennoch kann sie in bestimmten Fällen eine Zwischenetappe auf dem Weg zum Rauchstopp markieren, wenn ein oder mehrere Versuche, das Rauchen aufzugeben, bereits erfolglos in Angriff genommen wurden. Dies gilt für Personen mit schwerwiegenden, Expertenteam – Chris Bolliger, Spital Tygerberg, Abteilung für Innere Medizin, Universität Stellenbosch, Kapstadt, Südafrika – Léonie Chinet, Service de la santé publique du Canton de Vaud, Schweiz – Carole Clair, Poliklinik des Universitätsspitals Lausanne, Schweiz – Arlette Closuit, niedergelassene Ärztin, Martigny, Wallis – Pascal Diethelm, OxyRomandie, Schweiz – Verena El-Fehri, Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz – Selma Ertem, CIPRET-Waadt, Schweiz – Jean-François Etter, Institut für Sozial- und Präventivmedizin Genf – Jean-Paul Humair, Poliklinik des Universitätsspitals Genf, Schweiz – Isabelle Jacot-Sadowski, Poliklinik des Universitätsspitals Lausanne, Schweiz – Chung-Yol Lee, Kantonsarztamt des Kantons Freiburg, Schweiz – Yves Martinet, Service de Pneumologie, Centre Hospitalier Universitaire Nancy Brabois, Frankreich – Bruno Meili, Krebsliga Schweiz – Corinne Wahl, CIPRET-Genf, Schweiz – Jean-Pierre Zellweger, Poliklinik des Universitätsspitals Lausanne, Schweiz – Daniele Zullino, Service d’abus de substances, Universitätsspital Genf, Schweiz invalidierenden Erkrankungen, wie beispielsweise chronisch-obstruktive Bronchopneumopathie oder schweren kardiovaskulären Erkrankungen für stark nikotinabhängige Raucher, mit einer Fagerström-Rate über oder gleich 6/10. Vor diesem Hintergrund bleibt der Rauchstopp ein mittel- bis langfristiges Ziel. Da Daten zu neuen «attraktiven» Produkten (Snus, Elektronikzigarette …) fehlen, lässt sich ihr Konsum zur Reduzierung der mit dem Rauchen verknüpften Risiken nicht empfehlen. Es wäre zu wünschen, dass entsprechende wissenschaftliche Studien durchgeführt würden, um ihre Wirkung kennenzulernen (Toxizität, Wirksamkeit in Bezug auf den Rauchstopp). Literatur 1 Meyer C et al. Intentionally reduced smoking among untreated general population smokers: prevalence, stability, prediction of smoking behaviour change and differences between subjects choosing either reduction or abstinence. Addiction. 2003;98(8): 1101–10. 2 Stead L. Lancaster T. Interventions to reduce harm from continued tobacco use. Cochrane Database Syst Rev. 2007; CD005231. 3 Hughes JR, Carpenter MJ. Does smoking reduction increase future cessation and decrease disease risk? A qualitative review. Nicotine Tob Res. 2006;8(6): 739–49. 4 Jarvis MJ et al. Nicotine yield from machine-smoked cigarettes and nicotine intakes in smokers: evidence from a representative population survey. J Natl Cancer Inst. 2001;93(2):134–8. 5 WHO Study Group on Tobacco Products Regulations, Waterpipe Tobacco Smoking: Health Effects, research Needs and Recommended Actions by Regulators. WHO; 2005. 6 Boffetta P et al. Smokeless tobacco and cancer. Lancet Oncol. 2008;9(7):667–75. 7 Keeney S, Hasson F, McKenna H. Consulting the oracle: ten lessons from using the Delphi technique in nursing research. J Adv Nurs. 2006;53(2):205–12. 8 Jacot-Sadowski I, Cornuz J. Tabac et réduction de risque. Synthèse des connaissances scientifiques. submitted; 2010. 9 Ferri CP et al. Global prevalence of dementia: a Delphi consensus study. Lancet. 2005;366(9503): 2112–7. 10 Jones J, Hunter D. Consensus methods for medical and health services research. BMJ. 1995;311(7001): 376–80. 11 Benninghoff F et al. Health trends among drug users attending needle exchange programmes in Switzerland (1994–2000). AIDS Care. 2006; 18(4):371–5. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1624 HorIzonte Interview Interview mit Peter Stulz zur Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in Philosophie «eine philosophische rückbesinnung auf ursprüngliche ziele der Medizin tut not» Im Dezember dieses Jahres beginnt an der Universität Luzern unter dem titel «Philosophie und Medizin» ein neuer nachdiplomkurs für Ärztinnen und Ärzte sowie weitere im Gesundheitswesen tätige Fachleute (siehe Kasten). Den Anstoss dazu gab ein kleiner Kreis philosophisch gebildeter Ärzte, darunter der Herz- und thoraxchirurg Peter Stulza. Im folgenden Kurzinterview äussert er sich zur ursprünglichen Idee und deren Umsetzung. Interview: Bruno Kesseli Herr Stulz, Sie haben gemeinsam mit dem im Frühling dieses Jahres verstorbenen früheren FMH-Präsidenten Hans Heinrich Brunner und ihrem Arztkollegen und Philosophen Piet van Spijk die Idee einer Zusatzausbildung in Philosophie für Ärzte entwickelt. Wie kam es dazu? Peter Stulz: Erste Ideen in dieser Richtung entstan den während meines berufsbegleitenden dreijährigen Masterstudiengangs in «Philosophie und Manage ment», den das kulturwissenschaftliche Institut der Universität Luzern seit Jahren erfolgreich anbietet. Immerhin war Philosophie seit der Antike Bestandteil der medizinischen Ausbildung – erst mit der natur wissenschaftlichen Orientierung während des positi vistischen 19. Jahrhunderts wurde das Studium der Medizin um die geisteswissenschaftlichen Dimensio nen verkürzt. Im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde deren Bedeutung aber zunehmend wieder anerkannt. Wann haben sich diese Ideen zu einem konkreten Projekt verdichtet? Im Jahr 2005 haben wir in einem gemeinsamen Sym posium mit dem kulturwissenschaftlichen Institut der Universität Luzern im Kantonsspital Luzern ver sucht, die zwei «entfernten Verwandten» – Philoso phie und Medizin – einander näher zu bringen.b Nachdem diese erste Begegnung der beiden Diszipli nen erfolgreich verlief, setzte sich eine kleine Gruppe «Gleichgesinnter» mit den erwähnten Hans Heinrich Brunner und Piet van Spijk zum Ziel, die ursprüng liche Idee in einem universitären NachdiplomStu diengang «Philosophie und Medizin» zu realisieren. a Prof. Dr. med. Peter Stulz war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 Chefarzt an der Klinik für Herz, Thorax und Gefässchirurgie des Kantonsspitals Luzern. b Die Symposiumsbeiträge finden sich im folgenden Sammelband: Stulz P, Kägi D, Rudolph E. Philosophie und Medizin. Zürich: Chronos; 2006. Keine Angst vor Philosophie – und vor Philosophen: Peter Stulz im Gespräch. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1625 HorIzonte Interview zentrierte Medizin – «disease» als pathophysiolo gisches Phänomen – dem Menschen als Person in seinem Kranksein – «illness» – nicht gerecht werden kann. Wenn eine einseitig technisch orientierte Medizin zusätzlich unter dem Diktat der Ökonomie steht, verstärkt dies die Tendenz zu einer Entmensch lichung des Patienten: eine entseelte «Lowtouch Medizin» entwickelt sich. Angesichts solcher Ent wicklungen tut eine philosophische Rückbesinnung auf ursprüngliche Ziele der Medizin not. Dies gilt eigentlich für jede Ärztin und jeden Arzt.c «Der naturwissenschaftlichmedizinisch-technische Fortschritt löst Fragen aus, die die Medizin auch in Verbindung mit dem ärztlichen ethos nicht beantworten kann» Für Peter Stulz kann die Philosophie Wesentliches zur Neudefinition des Selbstverständnisses der Medizin beitragen. c Siehe zu dieser Thematik auch: Van Spijk P. Kosten probleme in der Medizin rufen nach einer Philosophie der Gesundheit, Schweiz Ärztezeitung. 2009; 90(48):1900. d Dr. phil. Manuel Bachmann, MBA HSG, ist Studienleiter des Weiterbildungspro gramms «Philosophie und Medizin» der Universität Luzern. Die Durchführung vollzieht sich nun in enger Ab stimmung mit der Universität Luzern: Die Kurslei tung operiert im Auftrag der Kultur und sozial wissenschaftlichen Fakultät und verantwortet die Kursprogramme im Rahmen der Projektplanung des kulturwissenschaftlichen Institutes. Ärztinnen und Ärzte haben neben ihrer Kerntätigkeit heutzutage einen Wust an administrativen Aufgaben zu erledigen – dazu müssen sie sich in zunehmendem Masse mit ökonomischen Begriffen herumschlagen. Warum sollen sie nun auch noch Philosophen werden? Wir Ärztinnen und Mediziner erleben immer inten siver, dass eine extrem krankheits und läsions Hängt diese von Ihnen postulierte Notwendigkeit einer philosophischen Rückbesinnung auch mit der enormen Erweiterung des medizinisch Machbaren in den letzten Jahren zusammen? Der naturwissenschaftlichmedizinischtechnische Fortschritt löst Fragen aus, die gegenüber der Gesell schaft beantwortet werden müssen, die die Medizin aber auch in Verbindung mit dem ärztlichen Ethos nicht beantworten kann. So zwingt beispielsweise die Transplantationsmedizin zur Neudefinition des Todes, die Reproduktionsmedizin zur Neudefinition des Lebensbeginns. Die gentechnische Biowissen schaft mit ihrer masslosen Manipulierbarkeit des Menschen macht deutlich, dass die Medizin weit mehr ist als ein Fundus an Wissen und Technik. Grenzfragen und Grundbegriffe der Medizin sind «chaotisch konfiguriert». Neudefinitionen des Selbst verständnisses der Medizin sind vor diesem Hinter grund gefragt, wozu gerade die Philosophie als Kern kompetenz jeder Ärztin und jedem Arzt wichtige Hilfe leisten kann. Bei vielen Ärztinnen und Ärzten ist in der Tat ein Interesse an geisteswissenschaftlichen Themen und Fragen auszumachen, doch eher im Sinn einer anregenden und entspannenden Freizeittätigkeit. Hat sich die vertiefte Beschäftigung mit Philosophie tatsächlich befruchtend auf Ihren konkreten ärztlichen Arbeitsalltag ausgewirkt? In den zahlreichen Vorlesungen und Seminarien in Philosophie sowie persönlichen Begegnungen und intensiven Kontakten mit Philosophen habe ich zwei Qualitäten an ihnen erlebt und erfahren, die mir im praktischen Alltag im Umgang mit Patienten tatsäch lich geholfen haben – so meine ich jedenfalls. Die Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1626 HorIzonte Interview Philosophen sind ausserordentlich sprachgewandt, müssen es auch sein, denn die Sprache ist ihr Instru ment, wie für den Chirurgen sein Messer. Sie verfügen über eine sehr feine Argumentationskultur und ein breites Reflexionsangebot, setzen Standards für ver nünftiges Reden, pflegen den echten Diskurs, bringen Studierende dazu, sich – verblüfft etwa durch das platonische Höhlengleichnis – umzuwenden und die Vorurteilshaftigkeit eigener Meinungen selbstkritisch zu reflektieren. Sie fordern strenge und präzise Arbeit am Begriff, Achtsamkeit auf die Sprache, auf die Die Umsetzung des Projekts liegt mittlerweile bei der Universität Luzern – Sie selbst und Piet van Spijk sind als Dozenten weiterhin mit dabei: eine ideale Arbeitsteilung? Den detaillierten Einsatz und Beitrag von uns Ärzten werden wir mit den Philosophen noch festlegen müs sen. Sicher besteht eine wesentliche Aufgabe von uns darin, Aspekte der Philosophie auf praxisrelevante Themen zu fokussieren sowie Fragen der Medizin zu präzisieren und konkretisieren. Philosophie bewegt sich im «Generellen». Wir werden unsere Anliegen in einem grösseren Kontext darstellen müssen. Die «Die Philosophen sind ausserordentlich sprachgewandt, müssen es auch sein, denn die Sprache ist ihr Instrument, wie für den Chirurgen sein Messer» Rede und Formulierung. Unter ihrem Einfluss erfährt die eigene Kommunikationskompetenz eine deutliche Verbesserung, selbst diejenige eines Chirurgen – erstaunlich! Es geht also auch um die Vermittlung eines Instrumentariums, das im ärztlichen Alltag sinnvoll eingesetzt werden kann? Nicht das Vermitteln von Fach, Arbeits oder Leis tungswissen ist das erste Ziel der Philosophen – das tut die «Wissenschaft». Sie lehren eine Wissensform, die vielen Medizinern abhanden gekommen ist und eigentlich die wichtigste wäre: Sie vermitteln Bil dungswissen. Seinem Wesen nach ist Bildungswissen «die Einheit eines persönlichen Stils, wie man beob achtet, denkt, beurteilt und entscheidet», wie es Manuel Bachmannd in Anlehnung an Max Scheler formuliert hat. Der Blick nach innen schafft Voraus setzung, Bildungswissen zu entwickeln. Dieses Orien tierungswissen regt an, sich mit letzten Fragen des Menschseins, mit Sinnfragen auseinanderzusetzen. Dies sind doch zentrale Inhalte einer jeden Arzt PatientenBeziehung, falls man dieses sozialroman tische Begriffspaar überhaupt noch erwähnen darf! Suche nach geeigneten Medizinern, die philoso phisch versiert sind und durch Referate den Kurs bereichern könnten, wird sich als weitere Aufgabe erweisen. Wir hoffen auch, dass unsere noch kleine Kerngruppe bald eine Erweiterung durch philoso phisch interessierte Medizinerinnen und Ärzte erfah ren wird. Keine Angst vor Philosophie! Nachdiplomkurs «Philosophie und Medizin» Der neue berufsbegleitende nachdiplomkurs «Philosophie und Medizin» der Universität Luzern richtet sich an Spezialärzte und Allgemeinpraktiker, an Spitalkader und im Gesundheitswesen tätige Fachleute. Das Programm mit philosophisch und medizinisch qualifizierten Hochschuldozenten umfasst 12 Kurstage und beginnt am 2. Dezember 2010. Anmeldeschluss ist der 1. november 2010. Weitere Informationen zum Studiengang finden sich unter: www.unilu.ch › Weiterbildung › Weiterbildungskurs Philosophie und Medizin. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1627 Horizonte Streiflicht eine Kurzgeschichte in zwei teilen – teil 2* Der normalsprecher Von Adolf Jens Koemeda Ich weiss nicht, lieber Herr Jost, wie gut Sie sich in diese äusserst ungemütliche Lage einfühlen können. Die meisten Autofahrer müssen, Gott sei Dank, eine derart problematische Tunnelbefahrung nie hinter sich bringen … Sie auch nicht? Danke, dachte ich mir. So was geschieht wirklich nicht alle Tage. Moment! Wo war ich gerade … habe ich schon von dem Brand gesprochen? Langsam kommt bei mir alles durcheinander. Nein, in dem Augenblick brannte es noch nicht, davor bekam ich allerdings eine riesige Angst. Ich stand in beinahe totaler Dunkelheit – diesmal wieder hinter meinem Auto – und es wurde mir plötzlich bewusst, dass die Batterie bald leer sein könnte. Also zurück zum Wagen, nur ein paar Meter, denn hinter dem Fahrzeug lag jetzt kein Warnsignal auf dem Boden: Wenn ich wegginge, würde hier niemand schreien und den Chauffeur zum Anhalten zwingen können; ganz aufgeben durfte ich in dem Fall meinen hinteren Frühwarnposten nicht. Was hätten Sie, Herr Jost, in meiner Lage gemacht? Natürlich, diese Frage ist nicht ernsthaft gestellt … obwohl – ganz ohne Bedeutung ist sie für mich schon nicht. Ich fragte mich nämlich, ob ich richtig gehandelt hatte. Aber welche anderen Möglichkeiten hätte ich gehabt? Bitte: Würden Sie alles hinter sich lassen und zum Tunnelausgang laufen? Vier, fünf Kilometer … bei Dunkelheit? Und ohne zu wissen, ob es für Sie zwischen einem Laster und der Tunnelwand genug Platz gibt? Sicher nicht! In dem Augenblick sah ich nur eine einzige Chance: Meine Jacke ausziehen und anschliessend mein weisses Hemd; die Jacke gleich wieder anziehen und zurücklaufen … in Richtung Italien. Mir war klar: Nach etwa fünfzig Metern muss ich anhalten und warten, bis ein Fahrzeug kommt; und dann, nahm ich mir vor, dann würde ich sofort mit * teil 1 der Geschichte findet sich in der letzten Ausgabe der SÄz, Heft 40 (www.saez ‹ Archiv ‹ 2010 ‹ 40). dem Hemd winken und fuchteln, bis das Auto vor mir steht. Ja, so lautete die Theorie, praktisch verlief es leider ganz anders: Ich fror erbärmlich, neue Ideen meldeten sich, ich vertrieb sie allerdings, weil sie mir keine bessere Lösung des Kälteproblems brachten; ich wickelte mir nur mein weisses Hemd wie einen Schal um den Hals, erreichte aber nicht viel, ich fror weiter. Kein Auto am Horizont, kein Motorrad, kein Fahrzeug des italienischen Strassendienstes. Ich bin keine robuste Natur, lieber Herr Jost, obwohl mich die meisten Freunde und Bekannten so einschätzen; vermutlich wegen meiner stattlichen Körpergrösse und des dezenten Übergewichts, das leider nicht auf eine gut ausgebildete Muskelmasse zurückzuführen ist; ein Sportler war ich nie, bin es auch nicht, und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich in Zukunft auf die Seite der Turner, Faustkämpfer und Springer schlagen werde, ist recht klein. Also: sportliche Ambitionen keine, Tendenzen zu Erkältungen verschiedenster Art dagegen gross. Ziehe dich richtig an, sonst verkühlst du dich, rief mir meine Mutter, gebürtige Österreicherin, immer zu, oder zum Vater gewandt: Eugen – ja, das ist mein Vorname, Herr Jost, Sie können mich ohne weiteres so nennen – Eugen ist heute wieder ohne Schal in die Schule gegangen und ist total verkühlt nach Hause gekommen. Damals ärgerte ich mich über solche Sprüche, später übernahm ich allerdings die übertriebenen Sorgen und Ängste meiner Mutter, und Gedanken an eine mögliche, wahrscheinliche oder ziemlich sichere Verkühlung begleiteten mich oft; als Konsequenz: Ich lief häufig zu warm angezogen hinaus, schwitzte schnell, eigenartigerweise in erster Linie auf dem Rücken, wagte deshalb nicht – unterwegs zur Arbeit, zum Beispiel –, mich im Bus am Sitz anzulehnen; und kaum landete ich irgendwo, wo es ein wenig Durchzug gab … fertig! Tropfende Nase, Hustenreiz, entzündete Augen – verkühlt. Im Tunnel zog es, oh ja! Nur mit einer Jacke bekleidet, ohne Hemd darunter, ohne Pullover … lange stehst du diese Strapaze nicht durch, sagte ich mir, das ist dir doch klar! Klar war mir aber auch, dass es für mich nicht viele Alternativen gab, genau genommen, eine einzige – zurück zum Auto zu gehen, einzusteigen und zu schauen, ob ich dann weniger frieren würde … langweile ich Sie, lieber Herr Jost? In Ordnung, wie Sie meinen. Für mich ist das nämlich ein höchst emotionales Thema, für Sie dagegen, verständlicherweise, gar nicht – eher eine langatmige Situationsbeschreibung eines lädierten Mannes, den Sie kaum kennen, von dem Sie bloss wissen, dass er seit einigen Tagen auf dieser Akutstation liegt. Bitte: Ganz unrecht haben Sie natürlich nicht, ich neige in letzter Zeit tatsächlich zu etwas längeren und ausführlicheren Darstellungen; es ist allerdings, das hoffe ich, eher eine diskrete Tendenz, ein wenig stärker ausgeprägt erst jetzt, nach dem Unfall. Bereits meine Ex-Frau hatte diesen beginnenden Wandel festgestellt, und mir sofort zum Vorwurf gemacht … aber vielleicht habe ich das schon erwähnt. Sie sind, lieber Herr Jost, sicher anders, das war mir vom ersten Augenblick an klar. Und es ist gut so, denn – wenn wir beide passionierte Vielredner und Selbstdarsteller wären, wäre es nicht einfach; für uns beide nicht, und auch nicht für das Pflegepersonal, das regelmässig vorbeikommt und alles kontrolliert … ganz unter uns: für meinen Geschmack zu oft. Moment! Ich muss noch etwas präzisieren: Ich hatte immer wenig gesprochen, jahrelang, in diese Richtung hatten die systematischen Angriffe meiner Frau gezielt. Dann ging sie weg, und ich lebte plötzlich alleine – das Pendel schlug nun auf die andere Seite aus, ich kippte ins Gegenteil; ein uraltes Phänomen! Und wieder später – jetzt rede ich von der Gegenwart – kehrte alles in die gesunde Mitte zurück, wenn ich es so ausdrücken darf, in den soliden Normbereich. Jawohl, aus mir, dem grossen und oft kritisierten Schweiger ist allmählich, nach einigen Rückschlägen – kurze Plapperphasen – ein Normalsprecher geworden, Angehöriger einer raren Spezies, ja, wenn Sie so wollen, einer elitären Minderheit. Und ich bin, Herr Jost, stolz darauf. … Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1628 Horizonte Streiflicht bitte? Nein? Entschuldigung! Ich dachte, Sie wollten gerade etwas sagen. Also: Verkühlen – lieber nicht! Bei mir gibt es nämlich häufig eine Verlagerung auf die Bronchien, später kommt der Husten dazu, der in meinem Fall nicht nur die üblichen zwei, drei Wochen dauert, sondern Monate. Die Folge: Heiserkeit, unruhige Nächte und ebenfalls Fieberschübe, die mich schwächen und mir die Laune verderben; ich bin dann häufig gereizt und nörglerisch … oh ja, jetzt könnte ich noch lange von meinen verschiedenen Schwächen erzählen, ich tue es lieber nicht. Sie werden sich ohnehin Ihr eigenes Bild von mir machen, möglicherweise haben Sie es sich schon am ersten gemeinsamen Tag in diesem Zimmer gemacht. Entschuldigung, nur eine kleine Bemerkung zusätzlich: Auch wenn Verkühlungen bei mir nicht immer zu Bronchitis führen, auch dann sind sie mir äusserst unangenehm, weil sie mir das Singen verunmöglichen. Ich singe nämlich liebend gerne, müssen Sie wissen, weder im Chor noch als Solist in einer Amateur-Formation, sondern für mich alleine; bei den Gartenarbeiten, zum Beispiel, vor dem Fernseher, wenn ich den Ton ausschalte, oder im Bad. Ja, der Gesang bedeutet mir viel, obwohl ich mich gar nicht als musikalisch besonders begabten Menschen bezeichnen darf. Ich habe, lieber Herr Jost, keine ausgebildete und dennoch eine schöne Stimme, angeblich, jedenfalls sagen das Bekannte, die genug professionelle Erfahrung haben, um meine vokalen Leistungen kompetent zu beurteilen. Ganz anders aber die Exfrau! Meine gesanglichen Versuche – nebenbei: übertrieben häufig fanden sie nicht statt – waren für sie unerträglich, eine «pure Nervenstrapaze», ja, eine «grosse Qual». Eine weitere kleine Anmerkung: Sie selber war – und ist es immer noch – nur bedingt musikalisch begabt, kein Klavier, kein Gesang, bloss auf der Blockflöte bläst sie ab und zu herum. Meinen Gesang nannte sie trotzdem – passen Sie bitte auf! – «dilettieren», zum Beispiel: Gestern hast du zu viel dilettiert, fast eine Stunde lang; das Wetter war doch schön, du hättest in den Wald gehen können … nein, du bleibst zu Hause, die Fenster zu, für die Nachbarn vielleicht eine Wohltat, für mich allerdings eine ziemliche Qual. Ich sagte in solchen Situationen nicht viel und war dennoch überzeugt, dass die Einzige, die hier wirklich beunruhigend dilettierte – und zwar auf einem recht tiefen DilettantenNiveau – die Exfrau war. Ach, Schwamm dar- über. Meine damaligen Probleme sollen heute nicht unser Thema sein! Die Sorge um die Vermeidung einer Verkühlung und die Erhaltung der guten Stimme ist eine Sache; die Sorge um die Rettung des eigenen Lebens eine ganz andere. Und die spielte plötzlich die wichtigste Rolle, vor allem als mir bewusst wurde, in welcher schlimmen Lage ich mich jetzt befand. Denn: Es kam mir wieder in den Sinn, dass das Pannendreieck zuletzt vor dem Auto aufgestellt worden war; hinter dem Wagen jedoch war keine Vorwarnung installiert. Ich hatte natürlich mein weisses Hemd nicht auf dem schmutzigen Boden liegen lassen wollen, sondern hatte es mitgenommen, mich in den Wagen zurückgezogen und die riesige Gefahr, die mir dabei drohte, einfach verdrängt. Nein, so nicht! Ein PKW unter Umständen schon, aber ein Laster könnte, ohne entsprechende Vorwarnung, kaum vor meinem Wagen stoppen. Deshalb zog ich schnell mein Hemd und die Jacke wieder an, aus dem Handschuhfach riss ich die alte Europakarte heraus und sprang aus dem Auto; ich horchte – kein entferntes Brummen eines sich nähernden Fahrzeugs –, lief in Richtung Süden. Nach weiteren fünfzig Metern blieb ich stehen. Ich hielt nun die Europakarte zum Wedeln und Fuchteln bereit und schaute hie und da zurück zu meinem Wagen; die Lichter brannten normal, also keine Anzeichen einer beginnenden Batterieschwäche. Nicht die Kälte, nein, die Stille war für mich jetzt das Hauptproblem. Ich wunderte mich, denn im Alltag vertrage ich die Stille ganz gut, ich gehöre keineswegs zu jenen Menschen, die sich nur im Lärm – Heavy Metall, zum Beispiel – wohlfühlen. Bei mir zu Hause schweigt die Unterhaltungselektronik die meiste Zeit, Ausnahme: die Zwanzig-UhrARD-Nachrichten und niveauvollen MusikSendungen. Und Sie, lieber Herr Jost? – darf ich Sie überhaupt fragen? Sind Sie musikalisch? Gehen Sie oft ins Theater oder zu einem Konzert? Und die Stille? Ist sie für Sie ein Problem? Ich glaube, da sind Sie tolerant und belastbar, denn den Menschen, die gepflegt und konzentriert schweigen können, bereitet die Stille keine grossen Sorgen. Und das ist bei mir ein wenig anders. Ich rede neuerdings mehr als früher, nicht jedoch in erster Linie aus Angst vor der Stille, sondern, wie soll ich das bloss beschreiben, damit Sie mich nicht missverstehen, sondern … weil ich nicht gut zuhören kann oder genauer: nicht immer zuhören will. Tja! Lieber Herr Jost, ist Ihnen auch aufgefallen, wie viel Unsinn, ja, schrecklichen Stuss viele Menschen heutzutage erzählen? Nicht alle, nein, aber die meisten. Und es wird immer schlimmer, nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern von Monat zu Monat. Kein Wunder eigentlich, denn sie haben das Sprechen teilweise verlernt, sie bilden keine längeren Sätze mehr, von schönen Sätzen gar nicht zu reden. Und sie lesen kaum etwas Vernünftiges! Fachbücher, Manuale, ja, ja, das schon, oder den Tratsch in den Tageszeitungen oder auf Facebook; für längere Artikel oder gar Bücher reichen oft weder Geduld und Lust noch Zeit. Ob sich das wieder einmal ändern wird? Theoretisch ja, praktisch weniger, glaube ich. Was müsste passieren? Ich weiss es nicht! Die Menschen kommen mit der rudimentären «PC-Sprache» doch gut über die Runden und mit den stichwortartigen Internet-Informationen ohnehin. Moment! Wissen Sie, Herr Jost, wer sich bereits vor Jahren über den Verfall der Sprache beklagt hat? Thomas Bernhard … ach, Sie kennen diesen Dichter nicht? Entschuldigung, das überrascht mich aber. Also: Ein Österreicher, lebt nicht mehr, ein sehr eigenwilliger Autor, ein wenig aussenseiterisch und nicht von allen übertrieben geliebt; seine Aussagen sind allerdings beeindruckend, er hat häufig den Nagel auf den Kopf getroffen. Auch über die Sprache hat er sich ab und zu Gedanken gemacht; es wird immer mehr eine «völlig verwahrloste Deutsche Sprache gesprochen», schrieb er … wo stand das? Im «Kalkwerk» … oder im «Untergeher»? Egal. Die Menschen werden, behauptete er weiter, «diese völlig verwahrloste Deutsche Sprache lebenslänglich sprechen, weil sie kein Gefühl mehr für ihre Sprache haben.» Nein, lieber Herr Jost, ich werde nicht gleich so radikal, Thomas Bernhard neigte halt zu Übertreibungen … und trotzdem, diesen Autor sollten Sie bitte einmal lesen. Meine Meinung zu dem ganzen Problem ist – um jetzt endlich weiterzukommen – nun die: Man zählt empört die Arten der Tiere auf, die jedes Jahr von der Erdoberfläche verschwinden; vielleicht sollte man die gleiche Aufmerksamkeit der täglichen Verarmung unserer Sprache schenken. Sie nicken … oh ja, dass freut mich! Sie sind, stelle ich mir vor, viel mehr als ein simpler TV-Gucker und Bild-Zeitung-Konsument, Sie lesen sicher Bücher, doch, doch, das hoffe ich. Und vielleicht ärgern Sie sich wie ich darüber, dass nicht nur Briefeschreiber die Grundsätze der deutschen Gramma- Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1629 Horizonte Streiflicht tik nicht mehr beherrschen, sondern auch viele Leute in den Zeitungsredaktionen … das sieht man täglich, einfachste Komma-Regeln scheinen unbekannt zu sein, und wann man «sie» gross oder klein schreiben müsste, ebenfalls fremd. Ich sage Ihnen, Herr Jost, ich rege mich ziemlich auf, wenn ich so etwas lese … Sie ebenfalls? Sehen Sie! Und wie gehen Sie damit um? Wegschauen, schmunzeln und denken, es gibt viel wichtigere Dinge auf dieser Welt? Ja, so wäre es richtig. Das schaffe ich aber nicht! Deshalb kaufe ich seit einiger Zeit keine Zeitungen mehr. Genug. Wie kam ich überhaupt auf dieses Thema? Na ja, der verlorene Faden. Das passiert mir leider oft: Ich lasse mich leicht ablenken, vor allem, wenn ich mich aufrege; es hängt, glaube ich, damit zusammen, dass ich seit fast drei Jahren allein lebe und mich in der Dialogkunst wenig üben kann. Niemand korrigiert mich, niemand hält mir den Spiegel vor die Nase; nach fast zehn Jahren Ehe ist meine momentane Situation gar nicht problemlos. Wenn ich das Haus verlasse, ist mein Mitteilungsdrang nur mit dem Einsatz der Konzentrationskraft zu beherrschen, denn … das Bedürfnis nach Gespräch, Austausch, sogar nach einem gepflegten Streit, ist nach vielen Stunden absoluter Stille recht gross. Die meisten Freunde kennen diesen Zustand gar nicht und sie bemühen sich kaum, sich in die Haut des anderen zu versetzen. Nein, ich will mich nicht beklagen, jammern schon gar nicht … na ja, ab und zu tue ich das, leider, leider, dann verabschieden sich meine Gesprächspartner recht schnell. Zuweilen merke ich erst nach einiger Zeit, was ich da wieder angestellt habe, zurückholen kann ich natürlich niemanden, ich versuche es gar nicht; ich sage mir: Eugen, alter Junge, du hast dich wieder einmal nicht im Griff gehabt; du darfst dich also nicht wundern, dass du Solist bist und vermutlich auch bleibst. Die Menschen wollen in den meisten Fällen doch gar nicht hören, was du zu erzählen hast, sie interessieren sich letzen Endes nur für sich selber … aber das habe ich vielleicht schon vorher erwähnt, Entschuldigung! Ach, China! Sicher, da haben Sie recht, Herr Jost! Dort war es ganz anders, Jahrhunderte lang, Chinesen waren Kollektivwesen und Gruppenmenschen, jetzt allerdings nicht mehr; die Politik der Ein-Kind-Familie wird ihre üblen Folgen bald zeigen, davon bin ich fest überzeugt. Was die Chinesen betrifft, sind wir bei weitem nicht in der Zielgeraden; in zehn, zwanzig Jahren, oh ja, da werden wir noch etwas erleben! Zur Zeit beinahe eine Milliarde von verwöhnten Einzelkind-Bengeln im ganzen Land, später stehen da nur rücksichtslose Ego-Riesen, wenn auch vom typischen Kleinwuchs; ich meine, lauter narzisstische Psychopathen, die neben dem dicken Ego nichts kennen und deshalb so tapfer kämpfen – bloss für ihre eigenen Vorteile. Als vor einigen Monaten ein westlicher Journalist einen Jungen aus Peking fragte, was er wohl einmal werden wolle, hörte er: Beamter, ein korrupter … die verdienen mit grossem Abstand am meisten. Bei uns ist es ein wenig anders, eben, nur ein wenig, denke ich. Die Menschen hier haben zu viele eigene Probleme, um andere Leute kümmern will sich heutzutage kaum jemand, höchstens berufshalber als Psychologe oder Psychiater, habe ich nicht recht, lieber Herr Jost? Früher waren in diesem Segment Pfarrer zuständig … gut, sie sind es immer noch, in erster Linie auf dem Land. Auf dem Land ist allgemein manches sogar menschlicher und erträglicher als in den Grossstädten, denke ich. Das Basisgefühl ist dort halt ein wenig besser. Das «Basisgefühl», klingt ein bisschen geschraubt, finden Sie nicht? Kennen Sie aber ein anderes Wort, ein passenderes? … Schwierig, nicht wahr? Sie schweigen, Herr Jost, ich verstehe, Ihre skeptische Miene ist natürlich berechtigt, langsam muss ich mit dem Reden aufhören, sonst laufen Sie mir davon … gut, das können Sie momentan genauso wenig wie ich, leider, leider, fast zwei Wochen absolute Bettruhe hat man Ihnen aufgebrummt, Ihre eigene Aussage … Sie schweigen weiter, tja, das tun Sie eigentlich die ganze Zeit und wünschen mich, das muss ich fast annehmen, zur Hölle. Genau genommen: Dort war ich neulich – beinahe – im Tunnel, etwa tausend Meter unter der Erdoberfläche, ohne zu ahnen natürlich, dass ich bereits vor dem Höllentor stand. Weder nach vorne gab es einen Ausweg, noch nach hinten, von keiner der beiden Seiten war mit einer Rettung zu rechnen … Wie? Einen Augenblick Geduld, lieber Herr Jost! … Bitte? Eine Pause? Soll ich eine kurze Pause machen? Jetzt? … Ach nein, es lohnt sich nicht mehr! Ich bin schon fast am Ende. Also … wo waren wir? Von der Stille sprach ich, glaube ich. Ich empfand sie als bedrückend, nur die Wassertropfen und mein Atem waren zu hören; Gott sei Dank kein Autogeräusch. Die Stille und die mögliche Hölle, die Feuerhölle, waren nach wie vor meine Hauptsorge. Um nicht zu frieren, ging – nein, rannte ich fast und war überrascht vom Widerhall meiner Schritte – rannte ich zurück zum Auto, holte aus dem Kofferraum die Reserve-Wanderschuhe und lief sofort zurück zu meinem südlichen Frühwarnposten. Dort legte ich einen Schuh auf den Boden, die Landkarte mit der unbedruckten Seite darauf und belastete die Europakarte mit dem zweiten Wanderschuh. Warum? Damit das Ding durch den Tunnelwind nicht weggeblasen würde! Mit dieser Massnahme war ich zufrieden, ein kleines Erfolgserlebnis für mich, wobei … ich weiss, man überbewertet Erfolge masslos; womit man sich viel ausgiebiger auseinandersetzen sollte, das sind doch unsere Misserfolge und unsere Schlappen. Ja, ja, ich beruhigte mich allmählich und hatte das Gefühl, alles in meiner Macht Stehende getan zu haben. Nach zwei, drei Minuten ging ich wieder zum Auto und setzte mich diesmal auf den Beifahrersitz. Vielleicht habe ich Glück, dachte ich, ja, vielleicht. Falls ich aber heute noch Glück haben sollte, was habe ich dann eigentlich? Die Chance, zum Beispiel, meine Tunnel-Motorpanne zu überleben, unbeschädigt und unzerzaust aus der dunklen Röhre wieder herauszukommen? Also leben zu dürfen … ist das schon Glück? Möglicherweise. Und Sie, lieber Herr Jost? Halten Sie sich für einen glücklichen Mann? Ach, Entschuldigung, das ist eine dumme Frage, die sollte man einem Menschen auf der Intensivstation, dem eine Infusionsnadel im Unterarm steckt und dem die Atmung grosse Mühe bereitet, nie stellen; hoffentlich unterhalten wir uns einmal darüber, wenn dieses Spitalintermezzo hinter uns liegt. Und jetzt bitte zum Tunnel. Ich erwachte, fror interessanterweise nicht mehr … hatte allerdings wieder grosse Angst. War schon alles geregelt? fragte ich mich. Hatte ich alles Notwendige getan? … Ich fühlte mich schlecht, der nächste Panikzustand lauerte, ja, das spürte ich. Düstere Gedanken kamen und neue Probleme tauchten auf. Nehmen wir an, der Worst Case tritt ein: Ein Auto nähert sich, nicht ein normaler PKW, sondern ein kleiner Laster; der Bremsweg lang, ein Zusammenstoss ist nicht zu verhindern. Ich sehe das Unglück kommen, will mich retten, springe raus, renne weg … aber in welche Richtung? Falls eine Kollision nicht zu vermeiden wäre, fliesst doch Benzin aus … klar, es wird früher oder später entzündet, ein Feuer bricht plötzlich aus, in Livigno habe ich getankt, «bitte ganz füllen» hatte ich gesagt. Ich stieg aus. Das Erste: sofort feststellen, in welche Richtung der Tunnelwind blies. Es war nicht Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1630 Horizonte Streiflicht / Buchbesprechung schwierig – nach Süden, zum italienischen Ausgangsort hin. Dorthin durfte ich also nicht rennen, das Feuer wäre sicher schneller als ich. Die Folge: Flammenhölle und Flammentod. Ich lief deshalb in Richtung Norden, zum Schweizer Ausgang des Tunnels, gegen den Wind; ich rannte um mein Leben, nicht zum ersten Mal übrigens … darüber später, lieber Herr Jost, aber nur, wenn Sie sich das wünschen. Also: Ich lief an meinem Pannendreieck vorbei, blieb plötzlich stehen, kehrte zurück und holte das Warnsignal. Ich drückte es an mich wie ein Baby, rannte weiter und hoffte, mit diesem Dreieck vor meiner Brust von einem Autolenker rascher wahrgenommen zu werden. Das Brummen des Lasters hörte sich am Anfang nicht bedrohlich an, komisch, eher beruhigend, wie ein von einer Bassstimme vorgetragenes, langsames Schlaflied. Mir war jedoch nicht nach Schlafen, nach Laufen allerdings auch nicht. Der Gestank, die Auspuffgase ro- chen widerlich, der Tunnelwind blies sie wahrscheinlich schneller heran, als der Laster fahren konnte. Oder roch ich nichts, nichts Verdächtiges … war all das nur meine Einbildung, ein Nebenprodukt meines überreizten Gehirns und meiner verängstigten Seele? Ja, ja, es stimmte, meine Wahrnehmung war richtig, denn … bald sah ich die Lichter des Lastwagens: zwei gelbliche Punkte, schwach und zittrig am Anfang. Gibt es überhaupt, fragte ich mich in dem Augenblick, an der Wand noch genug Platz für mich, für eine arme Menschengestalt? Oder sollte ich lieber zurückrennen, mich hinter meinem Fahrzeug verstecken, Schutz suchen? Oder … Nun, da gab es kein «oder»! Jetzt existierten nur diese zwei Richtungen, nur diese zwei totalen Gegensätze. So ist es aber oft in unserem Leben. Und? Für welche habe ich mich entschieden? Sie werden sich wundern, lieber Herr Jost: Ich weiss es nicht mehr. Woran ich mich bloss schwach erinnern kann, ist der Wind, der Gestank und die Hitze, ja, der Schwefelatem der Hölle, die ich mir allerdings völlig anders vorgestellt hatte. gique de la vie.» Les patients demandent «d’aller avec la nature et non pas contre, … désire(nt) soutenir une vision de collaboration avec l’organisme pour l’aider à faire son travail plutôt que de lutter contre les symptômes pour les faire taire.» A maintes reprises Loutan focalise son attention sur la valeur des symptômes du patient (fièvre, douleur, verrue, écoulement, etc.): s’agit-il d’une «aberration à combattre ou d’un effort de l’organisme pour rétablir son équilibre pour retrouver la santé? … Avorter les symptômes ou accoucher de la santé?» Le paradigme mécaniste dans l’approche de la maladie avec son analyse linéaire de la souffrance du patient (avec tous les progrès qu’il apporte!) est-il aujourd’hui suffisant pour traiter le patient qui «peut et doit être considéré comme un système complexe» (Prof. H. Stalder). Loutan parle du paradigme de l’information qui doit venir compléter l’aspect mécaniste, et cite, toujours selon le Prof. H. Stalder, le désir des patients qui cherchent auprès de leur médecin «la communication (88–99 %), le partenariat (77–87 %), la promotion de la santé (85–89 %) … et la prescription (25 %)». L’approche phénoménologique, au demeurant tout aussi scientifique que la vision mécaniste, est de plus en plus souvent recherchée par les patients qui se vivent comme des êtres à part entière, «comme un composé corps esprit indissociable, comme un tout fonctionnel, incompréhensible par une analyse limitée au matérialisme médical moderne (pourtant remarquablement efficace, comme dit plus haut).» Tout comme le développement planétaire et l’écologie, la médecine de demain sera durable ou ne sera pas. Et l’approche phénoménologique de l’homéopathie uniciste (et d’ailleurs d’autres médecines complémentaires) y apporte assurément sa contribution, d’autant plus lorsqu’elle est pratiquée par des médecins également rompus à l’approche mécaniste de la maladie et de la santé. Un livre que je recommande à lire à toute personne cherchant à établir des traits d’union «entre les branches de la médecine que sont les médecines académiques d’approches explicatives et les branches complémentaires dont l’homéopathie à l’approche phénoménologique». Le style humaniste et l’humour discret de l’auteur en rendent la lecture d’autant plus agréable. Dr Bruno Ferroni, Pully Herein. Ja, herein! Guten Tag, Herr Peterhans! Wie ich sehe, geht es uns jetzt ein bisschen besser … das freut mich. Nun, ich habe eine gute Nachricht für Sie: Ab morgen sind Sie nicht mehr alleine in Ihrem Zimmer. Sie bekommen, wie Sie es sich immer gewünscht haben, einen Zimmernachbarn … ist das nicht eine schöne Nachricht? Korrespondenz: Dr. med. Adolf Jens Koemeda «Breitenstein» CH-8272 Ermatingen L’homéopathie Guy Loutan L’homéopathie uniciste – instantané sur une Médecine durable Thônex: Editions Loutan; 2010. 156 pages avec dessins. 49 CHF. CCP 17-709047-1 Dans son livre récent, le Dr Guy Loutan de Genève présente au lecteur l’homéopathie uniciste et son apport à la thérapeutique médicale de nos jours. Dans le cadre de la redéfinition générale des valeurs en ce début de millénaire, la médecine moderne à son tour n’échappe pas à son examen de conscience. Sur fond de crise financière, écologique et philosophique, elle est amenée à s’interroger sur son fonctionnement: toujours plus complexe, toujours plus spécialisée et admirablement plus performante dans le traitement de la maladie, elle oublie cependant de s’intéresser à la santé. Les «-ites» si fréquentes chez le jeune sont relayées par des «-oses», puis les «-omes» que la médecine moderne est amenée à combattre avec des traitements «anti» toujours plus onéreux aux résultats souvent mitigés. En même temps, «le public se tourne peu à peu vers une vision plus systémique, écolo- Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum 1631 ZU GUTER LETZT Vom «Neufi» zur Medizin – mein Weg zur Praktikantin bei der Schweizerischen Ärztezeitung Céline Fäh 1 «Yu-Gi-Oh» (König der Spiele) ist eine erstmals 1996 veröffentlichte Manga-Serie des japanischen Zeichners Kazuki Takahashi, die auch als Anime umgesetzt wurde. 2 «Nounours» bedeutet in der französischen Kindersprache «Teddybär», wird jedoch abgeleitet von «Nos Ours» was «Unsere Bären» bedeutet, wie die Neufundländer auch genannt werden. * Céline Fäh ist seit Anfang August 2010 Praktikantin bei der Schweizerischen Ärztezeitung im Rahmen ihrer Ausbildung zur professionellen Journalistin. Glauben Sie mir, dass meine journalistische Laufbahn auf einer Comicfigur aufbaut? Eigentlich hat alles vor vielen Jahren angefangen – und das ganz ohne Karriereplanung. Meinen ersten Artikel veröffentlichte ich mit 12 Jahren in der Zeitschrift «Yu-Gi-Oh» [1]. Damals zeichnete ich eine Comicfigur für meinen älteren Bruder und schrieb meinen ersten kurzen Text dazu, der tatsächlich abgedruckt wurde. Natürlich hat sich seither in meinem Leben einiges verändert, wobei der Zufall seine Finger ein wenig mit im Spiel hatte. Als stolze Besitzerin eines Neufundländers («Neufi») bin ich Mitglied in einem entsprechenden Hundeclub. Als die Redakteurin der bereits mehr oder weniger verwaisten Vereinszeitschrift ihren Posten aus persönlichen Gründen aufgeben musste, wurde – mehr aus Spass – vorgeschlagen, man könnte dieses Amt ja der Jüngsten im Club aufbürden. Aus Spass wurde Ernst, und ich war im zarten Alter von 16 Jahren «Chefredakteurin» der noch namenlosen Vereinszeitschrift. Tatsächlich erschien die erste Ausgabe im Januar 2009 und danach dreimonatlich in deutscher und französischer Ausführung unter dem Namen «Nounours» [2]. Die Redaktion zu führen und mich vom Artikelschreiben bis zum Austragen der Zeitschriften um wirklich alles zu kümmern, war eine richtige Herausforderung für mich. Die Redaktionsarbeit war aber auch eine ideale Ergänzung meiner Ausbildung, da ich in der Fachmittelschule den Schwerpunkt «Kommunikation/Journalismus» gewählt und mittlerweile abgeschlossen habe. Nachdem ich die Geschicke von «Nounours» seit rund 11⁄2 Jahren fast im Alleingang leite, habe ich seit kurzem ein neues Projekt. Im Rahmen meiner Maturitätsarbeit baue ich eine eigene Redaktion auf und mache parallel dazu ein Praktikum beim Schweizerischen Ärzteverlag EMH. Der Einblick in den Verlagsalltag, insbesondere in die Redaktion der Schweizerischen Ärztezeitung, wird mir für die Verwirklichung meines Projektes und für meine weitere berufliche Laufbahn bestimmt nützlich sein. Doch wie um Himmels Willen komme ich von den Hunden zur Ärzteschaft? Nun, ganz fremd ist mir diese Welt nicht. Mit zwei Ärzten als Eltern bekommt man in achtzehn Jahren doch so einiges aus dem Gesundheitswesen und dem «Ärztemilieu» mit. Nun fragen Sie sich möglicherweise, wieso ich nicht auch Ärztin werden und in die Fussstapfen meiner Eltern treten möchte. Eine Frage, die sich für mich offen gestanden nie gestellt hat: Ich finde die Medizin zwar ein sehr spannendes und auch wichtiges Gebiet, ziehe jedoch den Blickwinkel der beobachtenden und beschreibenden Journalistin dem der praktizierenden Akteurin vor. Und so versuche ich nun, im Journalismus Fuss zu fassen. Etwas vom Faszinierendsten ist für mich dabei, dass ich enorm viel Abwechslung habe und immer wieder Einblicke in neue Bereiche erhalte. Die zum Teil unregelmässigen Arbeitszeiten stören mich nicht im geringsten. Im Gegenteil – ich mag es, wenn jeder Tag anders verläuft. Vielleicht hängt es mit meiner familiären Prägung zusammen, dass ich den Kontakt zur Medizin dennoch nicht verlieren möchte, sondern auch auf diesem Gebiet etwas bewirken möchte. Meiner Ansicht nach bietet hierfür der Journalismus gute Möglichkeiten, da es heute wichtiger ist denn je, die komplexen Zusammenhänge in Medizin und Gesundheitswesen einer breiten Öffentlichkeit auf verständliche Art zu vermitteln. Zunächst möchte ich dies vor allem als schreibende Journalistin tun. Aus Spass wurde Ernst, und ich war im zarten Alter von 16 Jahren «Chefredakteurin» Erste Schritte auf diesem Weg habe ich mit der Publikation kleinerer Beiträge zu medizinischen und gesundheitspolitischen Themen bereits unternommen. Mit der Arbeit beim Schweizerischen Ärzteverlag, so hoffe ich, werde ich mein Fundament in dieser Hinsicht nun erweitern können. Meine bisherigen publizistischen Aktivitäten hatten auch den angenehmen Nebeneffekt, dass ich schon im Alter von 17 Jahren den Schweizerischen Fachjournalistenausweis erwerben konnte. Obwohl ich also in gewisser Hinsicht bereits als «Profi» gelten kann, ist mir bewusst, dass ich in Sachen Medien und Journalismus noch viel zu lernen habe. Und so ist es mein Ziel, in einem nächsten Schritt in einer anerkannten Institution eine fundierte Ausbildung zur professionellen Journalistin zu absolvieren. Wie Sie sehen, ist aus dem ungeplanten «Experiment Journalismus» nun doch eine Art bewusster Karriereplanung geworden. Ein Grossteil meines bisherigen Lebens hatte mit Journalismus, den Medien und der Medizin zu tun. Wohin die Reise führt, wird sich weisen – ganz nach dem Motto: «Das Leben mischt die Karten, aber du spielst das Spiel.» Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum Céline Fäh* 1632 ANNA www.annahartmann.net Die letzte Seite der SÄZ wird von Anna frei gestaltet, unabhängig von der Redaktion. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91: 41 Editores Medicorum Helveticorum