seitenbühne Nr. 5 - Staatstheater Hannover
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seitenbühne Nr. 5 - Staatstheater Hannover
September/Oktober 2007 kostenlos seitenbühne Das Journal der staatsoperXhannover L’Enfant et les sortilèges – Jörn Eichler, Julia Faylenbogen, Okka von der Damerau Titel: Trios Telefonischer Kartenverkauf Telefon (0511) 9999-1111 Montag bis Freitag 10 – 17.30 Uhr Samstag 10 – 14 Uhr Fax (0511) 9999-1999 Kasse im Opernhaus Mo bis Fr: 10 – 19.30 Uhr, Sa: 10 – 14 Uhr. Wir akzeptieren EC-Karte, VISA, American Express, MasterCard. Im Kartenpreis sind die Garderobengebühr und die GVH-Fahrkarte für die Fahrt zur Vorstellung und wieder nach Hause enthalten. Proszenium seitenbühne | Seite 3 Fenster auf! Es ist Herbst, die Abende werden dunkler, in den Straßen eröffnen sich neue Perspektiven. Gefüllte Bücherwände oder leere Räume, ein Mann vor dem Fernseher oder eine Familie beim Abendessen – wenn es draußen dunkel wird, gewähren die Fenster Einblicke ins Innere. Umgekehrt strahlt auch das Private nach draußen, wird die Straße gewollt oder ungewollt zum Zuschauerraum. Ob Vorhänge den Blick verwehren oder nicht, ist nur noch eine Stilfrage. Keine Stilfrage, sondern schlicht und einfach eine Frage des Geldes waren dagegen die Fenster des Opernhauses. Über 30 Jahre blieb die Fassade zum Opernplatz auf der ersten Etage dunkel: zwölf hohe Fenster, wegen drohenden Zerfalls mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, mit Holzwänden abgesichert und von innen hinter bunten Schrifttafeln oder Wolkenbildern verborgen. Der große, repräsentative Laves-Bau stand wie ein verdunkeltes Haus im Herzen der Stadt, mit Licht nur im Eingangsbereich und hinter dem Balkon. Das hat sich nun geändert. Im Rahmen des großen Sommerumbaus der Staatstheater Hannover, mit freundlicher Unterstützung der Firma Glasfischer Glastechnik, wurden im August alle zwölf Fenster ausgetauscht. So strahlt das Opernhaus in der neuen Spielzeit Abend für Abend auf den Opernplatz hinaus und öffnet seine Fenster für die Neugier der Passanten. Auch das Foyer erscheint in neuem Licht: hier weitet sich der Blick in den Himmel und in die Stadt. Möge diese neue Offenheit Sie als Publikum und uns als Musiktheatermacher in der neuen Spielzeit leiten! Nur die Bühne hat immer noch keine Fenster. Was auf ihr passiert, ist nicht im Vorübergehen zu erspähen und erschließt sich nicht mit einen flüchtigen Blick. Die Bühne braucht die Konzentration des geschützten Raumes und entfaltet ihre Faszination im gemeinsamen Blick, im kollektiven Hören und Erleben aus dem Dunkel des Zuschauerraumes. Wenn der Vorhang sich öffnet, blicken wir im übertragenen Sinne wie durch ein Fenster in eine andere Welt. Im besten Falle ist dieses Fenster jedoch durchsichtig und verspiegelt zugleich, so dass wir nicht nur das Fremde, sondern auch uns selbst darin erkennen. Seien Sie uns dazu herzlich willkommen! Swantje Gostomzyk Pressesprecherin Seite 4 | seitenbühne Oper „Alles ensteht aus Kisten …“ Regisseur Barrie Kosky über seine Inszenierung von Benjamin Brittens Peter Grimes Ulrich Lenz: Nach einem ersten Versuch mit der Operette Paul Bunyan ist Peter Grimes die erste große Oper von Benjamin Britten. Bereits bei ihrer Uraufführung wurde sie als Wiedergeburt der englischen Oper gefeiert, und sie ist bis heute sein meistgespieltes Bühnenwerk. Wie kommt ein junger Komponist – Britten war gerade mal 30, als er den Grimes komponierte – so früh zu solch einer dramatischen und musikalischen Reife? Barrie Kosky: Vielleicht indem er alles in sich aufgesogen hat, was er studieren und hören konnte. Es ist oft bemerkt worden, dass Britten mit seinem Grimes in musikalischer, dramaturgischer und auch szenischer Hinsicht – bewusst und unbewusst – eine Hommage an den von ihm überaus bewunderten Wozzeck geschrieben hat. Wie bei Berg finden sich zwischen die einzelnen Szenen der Oper eingeschobene Zwischenspiele, in einer Kneipenszene sorgt eine Gruppe Musiker auf der Bühne für die entsprechende Tanzmusik, eine alte musikalische Form wie die Passacaglia findet ihre kompositorische Verwendung usw. Und wie Wozzeck steht auch Grimes als Einzelner gegen eine ihm feindlich gesinnte Gruppe: die Bewohner seines Dorfes. Die Reihe die- ser Bezüge ließe sich noch weiter fortführen, die Parallelität ist ziemlich offensichtlich. Weniger bekannt hingegen ist, dass auch George Gershwins Folk Opera Porgy and Bess Britten bei der Konzeption seines Grimes beeinflusst hat. Obwohl er ansonsten mit der Musik Gershwins nicht so viel anfangen konnte, hat er, wie ich glaube, an Porgy and Bess sehr genau studiert, wie man eine große Volksmasse auf der Bühne musikalisch führt. In der Sturmszene (die sich ja auch bei Gershwin findet) sind derlei Einflüsse deutlich erkennbar. Außerdem liebte Britten die italienische Oper, besonders die Werke von Giuseppe Verdi. Einige der großen Ensembles in Peter Grimes klingen ein bisschen wie englischer Verdi. Schließlich sollte man auch nicht vergessen, dass Britten in den 30er Jahren seinen Lebensunterhalt zu einem großen Teil mit der Komposition von Filmmusik bestritten hat – keine schlechte Voraussetzung, um eine Oper zu schreiben. Gleich zu Beginn deiner Arbeit an Peter Grimes hast du klar gemacht, dass du in deiner Inszenierung weder ein Fischerboot noch ein Fischernetz noch das Meer auf der Bühne sehen willst. Warum nicht? Oper Es gibt Stücke, bei denen einem in den verschiedensten Inszenierungen immer wieder ganz ähnliche Bilder begegnen. In den meisten Fällen haben diese Bilder aber nichts mit dem eigentlichen Inhalt der Oper zu tun, sie sind oft nur Klischees, äußerliche Zutaten. So auch bei Peter Grimes. Fast immer gibt es dieses Netz und ein kleines Schiff. Das vermittelt mir immer so eine seltsame „folkloristische“ Fischerromantik, man hat den Eindruck, dass wir uns in einem kleinen malerischen Dorf weit weg vom Hier und Heute befinden. Aber Peter Grimes ist für mich ein hochaktuelles Stück über die gestörte Beziehung zwischen einem Einzelgänger – Grimes – und einer Gesellschaft. Und das ist nicht notwendigerweise in einem Fischerdorf des 19. Jahrhunderts anzusiedeln. Und das Meer findet man in Brittens wundervoller Musik. Man sollte nicht versuchen, mit der Genialität dieser Musik konkurrieren zu wollen. Hinter der Illustrationskraft des Orchesters bleibt jede noch so geniale Ausstattung meilenweit zurück, ähnlich wie bei Wagners Tristan und Isolde: Wer versucht, den Ozean oder das Schiff, mit dem Isolde nach Cornwall gebracht wird, realistisch abzubilden, muss zwangsläufig an Wagners beeindruckender Musik scheitern. Und wie bei Wagner ist auch bei Britten das Meer Spiegel von Seelenzuständen … Ja, obwohl ich z.B. die Sturmmusik im Ersten Akt auch nicht ausschließlich psychologisch interpretieren würde. Aber die Musik dieses Sturm-Interludes ist so großartig und so intensiv, dass man unbedingt etwas anderes auf der Bühne zeigen muss. Die Kraft des gesamten Stücks kommt meiner Meinung nach aus der unendlichen Isolation dieses Mannes, der allein gegen eine ihm feindlich gesinnte Gesellschaft steht. Im Grunde bräuchte ich also nur Grimes und diese Gesellschaft auf die Bühne zu stellen, mehr nicht. Wenn es den Menschen auf der Bühne nicht gelingt, die Intensität des Sturms oder der Hetzjagd zu vermitteln, dann habe ich einen Fehler gemacht. Meine Aufgabe ist es, diese Welt des borough, der Gemeinde, aus den Menschen heraus zu erschaffen. In all meinen Arbeiten stehen stets die Darsteller absolut im Mittelpunkt. Die Bühne kann nur gemeinsam mit dem, was auf ihr passiert, funktionieren. Ich empfinde es als äußerst problematisch, wenn das Bühnenbild in erster Linie ein Konzept repräsentiert. Monumentale, erdrückende Bühnenbilder machen mich immer misstrauisch. Ich bin nicht der erste und sicherlich auch nicht der letzte Regisseur, der von sich behauptet, dass er am liebsten auf einer leeren Bühne mit interessanten Darstellern arbeitet. Das ist auch nicht – wie so oft behauptet – eine Mode des Regietheaters, sondern so alt wie das Theater selbst: Sowohl die alten Griechen und Römer als auch Shakespeares Schauspieler im Globe Theatre haben auf einer leeren Bühne gespielt; die Aufführungen von Molières Truppe fanden in einem großen Zimmer, ohne Bühnenausstattung, statt. Die Idee einer leeren Bühne ist also alles andere als neu. Obwohl „leer“ ja eigentlich das völlig falsche Adjektiv ist. Sobald ein Darsteller auf der Bühne steht, ist sie ja nicht mehr leer … seitenbühne | Seite 5 Benjamin Britten Peter Grimes Opera in Three Acts and a Prologue (1945) In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musikalische Leitung Wolfgang Bozic Inszenierung Barrie Kosky Bühne Florian Parbs Kostüme Alfred Mayerhofer Chor Dan Ratiu Dramaturgie Ulrich Lenz Peter Grimes Robert Künzli Ellen Orford Kelly God Captain Balstrode Brian Davis Auntie Sonia Borowski-Tudor Niece 1 Hinako Yoshikawa Niece 2 Karen Frankenstein Bob Boles Jörn Eichler Swallow Young Myoung Kwon/ Tobias Schabel Mrs. Sedley Xenia Maria Mann Reverend Horace Adams Hans Sojer Ned Keene Jin-Ho Yoo/Stefan Zenkl Hobson Shavleg Armasi/ Albert Pesendorfer Premiere am 20. September, 19.30 Uhr Einführungsmatinee Sonntag, 16. September, 11 Uhr Weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit 27. und 30. September, 3., 11. und 14. Oktober, 17. und 25. November, 7. und 18. Dezember 2007 Seite 6 | seitenbühne Und auch abgesehen davon sind deine Bühnen ja nicht völlig leer, eher frei … Genau, „frei“ ist ein Wort, das mir in diesem Zusammenhang gefällt. Ich liebe freie Bühnen, auf denen sich fast nichts befindet, aber plötzlich etwas auftauchen kann. Ich hasse große konstruierte Räume, lange Treppen, überhaupt große symbolische Konstruktionen. Früher habe ich so gearbeitet, jetzt langweilt mich das. Bei Peter Grimes tauchen vor allem Holzkisten auf. Wie kam es zu dieser Idee? Ich habe mit dem Bühnenbildner Florian Parbs lange über verschiedene Möglichkeiten gesprochen. In einer ersten Idee hatten wir die Bühne mit einigen alten Autowracks bestückt. Dann war ich vier Monate lang in Australien, um ein großes Ovid-Projekt zu inszenieren. Von meiner Wohnung aus konnte ich auf den großen Hafen von Sydney sehen. Und jeden Tag sah ich diese unzähligen Holzkisten aus aller Herren Länder, die von den Schiffen geladen wurden. Ich fing an, mich zu fragen, was wohl in diesen nach außen hin sehr neutralen Kisten enthalten sein mag: Nahrung? Möbel? Diebesgut? Als ich zurück in Europa war, habe ich diese Eindrücke sofort an Florian weitergegeben. Und auf der Suche nach einem sinnfälligen, aber eben nicht zu konkreten Bild für die Arbeit der Menschen in Peter Grimes hat uns die Idee mit den Kisten immer besser gefallen. Mir ist echtes Material wie Holz oder Metall auf der Bühne immer am liebsten. Und diese Hunderte von Kisten haben fast so etwas wie eine molekulare Struktur, es ist wie Chemie. Erst ist da Oper eine einzige Kiste. Auf einmal kommen zehn oder zwanzig Kisten dazu. Eine Wand entsteht oder ein Haufen, ein Haufen aus Kisten. Und dennoch bleiben diese Kisten Kisten. Sie werden nicht zum bedeutungsschwangeren Symbol. Sie sind zunächst einmal das, was sie sind: Kisten aus Holz. Man kann auf ihnen sitzen oder stehen, sie verschieben, aufeinanderstapeln oder wegtragen. Das sieht schon so ein bisschen nach Hafen aus … Und die Sängerinnen und Sänger kommen manchmal ganz schön ins Schwitzen … Ja, in meinen Inszenierungen wird immer viel geschwitzt! Das ist sehr wichtig, denn ich glaube, man muss in diesem Stück sehr realistisch spielen. Ich baue kein realistisches Fischerdorf oder einen anderen realistischen Schauplatz. Dennoch inszeniere ich das Stück nicht abstrakt. Ich glaube, das kann nicht funktionieren. Dazu ist schon der Text zu konkret. Es ist ein psychologisches Drama mit Menschen aus Fleisch und Blut. Ein Drama über einen verschrobenen Außenseiter, den eine sich gegenseitig immer mehr aufhetzende Dorfgemeinschaft am Ende fertig macht. Und die Kisten repräsentieren das Dorf und die Arbeit seiner Bewohner. Alles entsteht aus diesen Kisten. Der australische Regisseur Barrie Kosky, zum ersten Mal zu Gast an der Staatsoper Hannover, wurde in Melbourne geboren, wo er Musik und Theater studierte. Lange Jahre war Wien seine Heimat, im Sommer dieses Jahres ist er jedoch nach Berlin umgezogen. In Australien inszenierte er King Lear mit der Bell Shakespeare Company und u.a. Nabucco und Wozzeck am Sydney Opera House. 1996 war er Künstlerischer Direktor des Adelaide Festival of The Arts und zwischen 2001 und 2005 Co-Direktor am Schauspielhaus Wien, wo er Medea, Boulevard Delirium, The Jewtopia Trilogy, Das verräterische Herz, Poppea und Hoffmanns Erzählungen inszenierte. Zu seinen letzten Arbeiten in Australien zählte im Sommer 2006 in Sydney das Theaterprojekt The Lost Echo, eine achtstündige theatralische Phantasie über Ovids Metamorphosen, bei der er als Autor, Regisseur, Musikchef und Pianist fungierte. Im deutschsprachigen Raum setzte Barrie Kosky Le Grand Macabre von György Ligeti, Figaros Hochzeit, Iphigenie auf Tauris (alle an der Komischen Oper Berlin), Monteverdis L’Orfeo (Staatsoper Unter den Linden), Lohengrin (Wiener Staatsoper), Brittens A Midsummer Night’s Dream (Bremer Theater), Der fliegende Holländer und Tristan und Isolde (Aalto Theater Essen) in Szene. Zukünftige Projekte führen ihn erneut an die Komische Oper Berlin (Kiss me, Kate von Cole Porter) und an das Aalto Theater Essen (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Kurt Weill). Oper seitenbühne | Seite 7 Weltstars zu Gast an der Staatsoper Anja Harteros im Gespräch mit der seitenbühne An drei Abenden in der Saison 2007/08 stehen renommierte Sängerinnen und Sänger der internationalen Opernszene Seite an Seite mit Ensemblemitgliedern der Staatsoper in hauseigenen Inszenierungen auf der Bühne. Den Anfang macht am 21. Oktober als erster Festlicher Opernabend Giacomo Puccinis La Bohème, mit Anja Harteros als Mimì und Roberto Aronica als Rodolfo. Der italienische Tenor Roberto Aronica ist im italienischen Fach auf allen großen Bühnen der Welt zu Hause und singt in den kommenden Spielzeiten unter anderem an der Metropolitan Opera New York sowie an den Staatsopern in Wien, Dresden und München. An seiner Seite steht mit Anja Harteros eine der erfolgreichsten deutschen Sängerinnen der jungen Generation auf der Bühne. Im Sommer 1999 gewann sie den renommierten Cardiff Singer of the World-Wettbewerb der BBC und der Welsh National Opera. Seither gastierte sie an nahezu allen renommierten Opernhäusern weltweit: in Hamburg, Berlin, Frankfurt, Dresden, München, Wien, Amsterdam, Lyon, Paris, Mailand, Tokio, San Diego und New York. Kurz vor den Sommerferien feierte die Sopranistin als Händels Alcina an der Bayerischen Staatsoper in München einen umjubelten Erfolg und wurde zudem als Bayerische Kammersängerin ausgezeichnet. Parallel nahm sie sich die Zeit, der seitenbühne ein paar Fragen zu ihrem Auftritt in Hannover zu beantworten. Was verbinden Sie mit der Musik von Giacomo Puccini? Puccinis Musik ist ungeheuer wirkungsvoll, in direkter Weise mit dem Bühnengeschehen verbunden und leicht zugänglich, so dass man sich als Zuhörer betören lassen kann und als Sänger fallen lassen darf. Ich glaube, Puccinis Musik kann auch nicht so beflissene Klassik-Hörer begeistern und sogar ermutigen, sich auch andere klassische Musikkompositionen anzuhören. Was bedeutet Ihnen speziell die Partie der Mimì? Mimì war die erste Partie, die ich ganz in einer Hochschulproduktion singen durfte und seitdem immer wieder gesungen habe bis hin zu den großen Häusern. So hat sie mich während meines gesamten Sängerdaseins begleitet und mir wunderschöne Momente geschenkt. Die junge Liebe, der große Kummer und der tragische Tod werden um so packender, je mutiger, tapferer und lebensfreudiger sie ist; und mir selbst läuft auch stets ein Schauer über den Rücken, wenn während der letzten ergreifenden Takte der Vorhang fällt … In Berlin, Bonn, Dresden, München, Wien und Florenz haben Sie in mehreren Bohème-Inszenierungen auf der Bühne gestanden – an welche Aufführung erinnern Sie sich besonders gern und warum? La Bohème ist eine der wenigen Opern, die in sogenannten Kultinszenierungen über Jahrzehnte bestehen und bei denen der Ruf nach einer Neuinszenierung fast nicht denkbar ist – so die Berliner Götz-FriedrichInszenierung, die Münchener Otto-SchenkInszenierung und die Wiener FrancoZeffirelli-Inszenierung. Natürlich erinnere ich mich besonders an diese „Leckerbissen“. Aber auch die Erfahrung in Florenz war besonders, da ich seitens des Publikums so viel Euphorie zu spüren bekam, die ich nicht erwartet hatte – sagt man doch, dass man es als Nicht-Italiener im italienischen Repertoire in Italien besonders schwer hat. Doch das hat sich bei mir nicht bewahrheitet. Waren Sie schon einmal in Hannover? Ich glaube, ich habe einmal im Rahmen des I Cestelli-Wettbewerbes 1996 in Hamburg einen Abstecher nach Hannover unternommen, kann mich aber nicht wirklich gut daran erinnern. Umso mehr freue ich mich jetzt auf die Stadt, die Menschen und das Opernhaus! Festlicher Opernabend Giacomo Puccini La Bohème Oper in vier Akten nach „La Vie de Bohème“ von Henri Murger Musikalische Leitung Jahbom Koo Inszenierung Chris Alexander Bühne Kathrin Kegler Kostüme Marie Theres Cramer Mimì Anja Harteros Rodolfo Roberto Aronica Musetta Karen Frankenstein Schaunard Frank Schneiders Marcello Jin-Ho Yoo Colline Shavleg Armasi Sonntag, 21. Oktober, 18.30 Uhr Preise: 30 bis 100 Euro. Seite 8 | seitenbühne Operette Wer sagt eigentlich, im Urlaub „Ick will mir jar nich wohlfühlen! Et is mir so lieber!“ Wilhelm Giesecke, Trikotagen-Fabrikant, Berlin Alltag – ist es nicht ein wenig seltsam, dass diesem Wort im allgemeinen Sprachgebrauch eine eher negative Konnotation zueigen ist? Der Alltag ist grau, eintönig, trist, langweilig oder gar hart. Eigentlich nie hört man jemanden vom bunten oder lustigen oder etwa vom spannenden Alltag reden. Alltag, das ist letztlich die Summe der Negativa unseres Daseins. Und doch verbringen wir die meiste Zeit unseres Lebens im Alltag und nicht in dem, was man als sein Gegenteil definieren könnte: die Ferienzeit! ist schnell entweder als seltsam oder geizig verschrieen. Schließlich kann es sich doch in unseren Breitengraden jeder leisten zu verreisen – ob er nun will oder nicht! Das ist der Zauber der Saison, sie füllt uns unsre Kassen. Und weil wir alle leben davon, woll’n wir sie leben lassen. Ferien also fast wie der tägliche Schlaf als notwendige Unterbrechung, um Kräfte zu sammeln und anschließend die Produktivität um so gesteigerter wieder fortsetzen zu können. Aber anders als im Schlaf sollen sich in den Ferien Träume realisieren, sollen sich Wünsche erfüllen, Dinge getan werden, die im Arbeitsalltag zu kurz gekommen sind, zurückgestellt wurden. Wenn das Barometer wieder Sommer macht, und wenn der Urlaub lacht, dann bin ich froh! In einem alljährlich sich wiederholenden Rhythmus fristet der Mensch der industrialisierten Welt sein Alltagsdasein, lebt auf den Urlaub hin, um sich in selbigem von den Mühen eines anstrengenden Arbeitsjahres zu erholen, um abzuschalten, auszuspannen, loszulassen und so wiederum aufzutanken für das nächste bevorstehende Arbeitsjahr. Eines scheint dabei für nahezu jedermann festzustehen: All das kann nur „anderswo“, weit weg von zuhause, weit weg eben vom grauen Alltag in Erfüllung gehen. Wie eine riesige Fluchtwelle setzt alljährlich im Sommer eine Massenbewegung nach Erholung dürstender Menschen ein – ein kollektiver Trieb, dem in nicht geringem Maße auch ein gesellschaftlicher Zwang anhaftet. Denn wer in der allgemeinen nachsommerlichen „Reiseberichterstattung“ im Büro oder im Freundeskreis nur mit „Balkonien“ aufwarten kann, hat denkbar schlechte Karten und Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein – und keen Aas dabei weiß wieso! All dies hat freilich auch wirtschaftliche Folgen: Eine immer riesiger werdende Industrie hat sich in den letzten hundert Jahren entwickelt, um die Freizeit- und Reisebedürfnisse der Millionen Urlauber jedes Jahr nicht nur zu erfüllen, sondern auch zu kanalisieren oder gar neu zu wecken. Die Reisebranche zählt mit einem Umsatz von jährlich rund 35 Mrd. US-Dollar weltweit zu den größten Wirtschaftszweigen. Höhere Umsätze werden allenfalls noch in der Auto- Operette seitenbühne | Seite 9 dass man sich erholen muss? Ralph Benatzky u.a. Im Weißen Rössl Singspiel in drei Akten (1930) und der Mineralölindustrie erzielt. Mit weltweit rund 100 Millionen Beschäftigten ist sie die größte Arbeitgeberin unter den Branchen. Für viele Regionen ist der Tourismus zur wichtigsten Beschäftigungsgrundlage geworden. Also gilt es, die Urlauberscharen mit immer neuen Angeboten und Versprechungen zu locken, denn ein überraschendes Ausbleiben der Gäste (wie es die Branche beispielsweise nach dem 11. September zu verzeichnen hatte) hat enorme wirtschaftliche Folgen. schaft ausloten, um sodann Angebote zu schnüren, die den jeweiligen Ansprüchen gerecht zu werden versprechen. Das ist der Zauber der Saison: Es gießt in allen Gassen. Das schönste Kleid verliert die Façon, kein Anzug will mehr passen. Dort steht das Glück vor der Tür und ruft dir zu: „Guten Morgen, tritt ein und vergiss deine Sorgen!“ „Die Prediger in der Kirche können das Paradies nur für die Zeit nach dem Tod versprechen. Die Tourismusindustrie bietet es bereits auf dieser Erde an.“ (R. O’Grady, Die Traumwelt des Tourismus) Dazu muss der Reiseveranstalter jedoch zunächst die durchaus unterschiedlichen Vorstellungen vom perfekten Ferienparadies seitens seiner Kund- Ausschlaggebend sind also in erster Linie die Ansprüche der Urlauber: Wünscht sich eine Mehrheit, ungestört unter Palmen am Strand zu liegen, findet sich im Reiseprospekt ein hoteleigener Strand, der durch eine entsprechende Absperrung ausschließlich für Hotelgäste und Angestellte zugänglich ist. Ist andernorts mehrheitlich eine „Kontaktaufnahme mit der einheimischen Bevölkerung“ erwünscht, werden gemeinsame Busfahrten in ein ausgewähltes Eingeborenen-Dorf mit Tanzdarbietung und der Möglichkeit, Produkte des landesüblichen Kunsthandwerks zu erwerben, angeboten. „Bei Darstellungen von Menschen außerhalb des gewohnten Kulturkreises ist Vorsicht angebracht“, heißt es in einer Empfehlung zur erfolgreichen Gestaltung von Musikalische Leitung Andreas Wolf Inszenierung Matthias Davids Bühne Marina Hellmann Kostüme Judith Peter Choreographie Melissa King Chor Dan Ratiu Drmaturgie Ulrich Lenz Josepha Vogelhuber Carmen Fuggiss Leopold Brandmeyer Roland Wagenführer Wilhelm Giesecke Frank Schneiders Ottilie Dorothea Maria Marx / Barbara Senator Dr. Otto Siedler Marco Jentzsch/ Sung-Keun Park Sigismund Sülzheimer Stefan Zenkl Professor Dr. Hinzelmann Edgar Schäfer Klärchen Ania Wegrzyn Kathi Mareike Morr Die Reiseführerin Carola Rentz Kaiser Franz Joseph II. Heinz W. Krückeberg Der Piccolo Matthias P. Beurer Premiere am 20. Oktober, 19.30 Uhr Einführungsmatinee Sonntag, 14. Oktober, 11 Uhr Öffentliche Generalprobe Donnerstag 18. Oktober, 19.30 Uhr Weitere Vorstellungen in diesem Jahr 26. und 28. (16 Uhr) Oktober, 3., 7., 9., 13., 16., 21. und 30. November, 9. (16 Uhr), 29. und 31. Dezember 2007, jeweils 19.30 Uhr Seite 10 | seitenbühne Operette los mit – denn „der Gast ist König“, bringt das Geld und sorgt für den Broterwerb. Nicht selten werden diese konträren Voraussetzungen in der Begegnung zwischen Reisendem und Bereistem verkannt: Was für den Urlauber ein einmaliges Erlebnis innerhalb seiner Freizeitgestaltung darstellt, ist für den Einheimischen eine ständige Wiederholung der gleichen, einen großen Teil seines Berufsalltags (!) ausmachenden Situation. So schön wie in Wolfgang ist’s nirgends auf der Erd’. Bei uns, da ist’s richtig, in der Stadt ist’s verkehrt. Reisekatalogen. „Sie dürfen nicht allzu fremdartig wirken bzw. vom hiesigen Schönheitsideal abweichen, weil sonst Vorurteile geweckt werden; vielleicht spielen dann auch untergründige Angstreaktionen eine Rolle.“ Entscheidend ist also nicht, ein wahres Abbild des bereisten Landes zu vermitteln, sondern einzig und allein das vorgefasste (Wunsch-)Bild des Reisenden zu erfüllen. Also singen die Gondolieri in Venedig das allseits bekannte „O sole mio“ – eine für das viel südlicher gelegene Neapel typische Canzone; Flamenco-Tänzer erfreuen den Spanien-Urlauber auch in Barcelona, einer Stadt, die mit andalusischer Folklore eben so viel zu tun hat wie Hamburg mit dem Hofbräuhaus; und bayerische Volkstanzgruppen tanzen am Wolfgangsee im Salzburger Land Schuhplattler im Tiroler Hut. Die Einheimischen freilich spielen das Spiel widerspruchs- „Die Leute haben das Jahr durch genug Gelegenheiten, sich von der letzten für die nächste Reise zu erholen.“ Ironisch, aber nicht selten wahr: Die Ferien bringen für viele Menschen nicht die gewünschte Erholung. So viele Erwartungen wurden in sie gesetzt, dass nur wenige davon erfüllt werden konnten. Der Druck, möglichst viel zu erleben, zu besichtigen, zu tun, hat den Urlaub in die drei stressigsten Wochen des Jahres verwandelt. Nur: Zuhause zugeben wird das niemand! „Erzähl mal!“, heißt es im Kreis der Kollegen nach dem Sommer. Und wer möchte da schon gerne erzählen, dass es drei Wochen nur geregnet hat, dass einen die Mücken fast aufgefressen haben, dass einem Pizza zum Halse raushängt oder dass einen das Röcheln des Flamenco-Gesangs nicht wirklich berührt hat. Das Eingeständnis einer Ferienpleite käme einem sozialen Versagen gleich! Man würde es nie zugeben, aber … vielleicht wäre ja „Balkonien“ doch erholsamer gewesen?… Ulrich Lenz Im Weißen Rössl … … am Wolfgangsee wird der alljährliche Ansturm der Touristenmassen erwartet. Aber Zahlkellner Leopold hat ganz andere Sorgen, ist er doch Hals über Kopf in die Rösslwirtin Josepha Voglhuber verliebt. Die jedoch hat ein Auge auf ihren Stammgast Dr. Siedler geworfen. Als Leopold im Liebesschmerz der Chefin seine Kellnerschürze vor die Füße wirft, ist diese in echten Schwierigkeiten. Denn in der Hochsaison ohne einen erfahrenen Zahlkellner dazustehen, ist mehr als nur geschäftsschädigend. Am Ende aber muss sie erkennen, dass es sich im Fall Leopold eben doch nicht nur um eine geschäftliche, sondern auch um eine Herzensangelegenheit handelt. Erik Charell, Ende der 1920er Jahre einer der erfolgreichsten Revue-Produzenten Berlins, hat gemeinsam mit den von ihm engagierten Autoren und Komponisten (von denen Ralph Benatzky den größten Teil beisteuerte) den Angestellten und Besuchern des „Weißen Rössls“ am Wolfgangsee in der weltberühmten Revue-Operette von 1930 theatralische Unsterblichkeit verliehen – und dabei nicht mit Seitenhieben auf den damals aufkommenden Tourismus gespart. Das vom Jodeln bis zum originalen Volkslied zelebrierte Österreichbild erweist sich letztlich als klischeehafter Verkaufsschlager, der den an- und abreisenden Touristen mit dem stets wiederholten Werbeslogan „Im Weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür!“ im Walzerrhythmus untergejubelt und im Marschrhythmus eingehämmert wird. Auch die touristische Suche nach Erholung in „gesunder Natur“ trägt durchaus zeitlose Züge – und wird wie so oft durch die Natur selbst enttäuscht, gerade im Salzburger Land nicht selten durch den berühmten Salzburger „Schnürlregen“, der den „Zauber der Saison“ empfindlich stört. Natur ja, aber bitte, ohne nass zu werden! „So ein Sommer ist ’ne Schweinerei!“ Kantinenplausch seitenbühne | Seite 11 Von Brieftauben und den richtigen Zutaten Kantinenplausch mit Brigitte Hahn Eine außergewöhnliche Frau braucht ein außergewöhnliches Leibgericht! Und so verwundert es nicht, dass das Kochrezept, das Brigitte Hahn zum Kantinenplausch mitbringt, kein Alltägliches ist: Taubensuppe. Schmunzelnd erzählt sie, dass sie dieses Lieblingsessen nicht beim Besuch eines Feinschmeckerrestaurants kennen gelernt hat, sondern durch das Hobby ihres Vaters. Denn der Vater der in Duisburg aufgewachsenen Sopranistin war wie viele Ruhrgebietler ein leidenschaftlicher Brieftaubenzüchter, der zeitweise mehr als 200 Tauben sein eigen nannte und zahlreiche Pokale gewann. Ab und zu flog eine der Tauben in den Kochtopf und die kleine Brigitte half ohne Skrupel beim Rupfen und Ausnehmen des Geflügels – bis heute ist diese prägende Kindheitserinnerung mit ihrer Liebe zur Taubensuppe verbunden. Dabei ist die Sopranistin nicht unbedingt eine leidenschaftliche Köchin. „Ich koche zwar gerne, aber ich muss mir schon einen Schubs geben.“ Im Zweifelsfall ist dieser „Schubs“ ihr siebenjähriger Sohn Franz, für den sie in Sachen Essen durchaus den ein oder anderen kindgerechten Kompromiss eingehen muss: „Gemüse nur püriert“ – so eine der dezidierten Vorstellungen des Filius, der aber auch die Taubensuppe („… die übrigens sehr gesund ist, man hat sie früher auch in Krankenhäusern verabreicht!“) schon genauso gerne isst wie seine Mutter. Ob es auch die Tauben waren, die die Sopranistin zum Singen animiert haben? Nein, daran ist Richard Wagner schuld. Ein Besuch des Tannhäuser als Siebzehnjährige mit der Schulklasse „und mir war klar: Ich will Opernsängerin werden.“ Die Intensität der Musik und des Gesangs faszinierten Brigitte Hahn nachhaltig. Zwar hatte sie bereits vorher oft und gerne gesungen, doch das Repertoire beschränkte sich auf Popmusik, die sie bisweilen auch in Diskotheken zum Besten gab. Nachdem der Entschluss zum hauptberuflichen Operngesang erst einmal gefasst war, ging alles sehr schnell. Nach Festengagements in Coburg und Mannheim wurde sie zur international gefragten Sängerin, die an Häusern wie Amsterdam, Barcelona, Mailand, München, Berlin bis Paris, Wien und Zürich gastierte. Mit ihrem Engagement in Hannover hat sich die Sopranistin seit längerem erstmals wieder fest an ein Haus gebunden – und hat dadurch nicht nur mehr Zeit für ihren Sohn, sondern bisweilen auch die Muße, den Garten zu pflegen oder eben zu kochen. „Eigentlich liegen Kochen und Singen gar nicht so weit auseinander“, sinniert Brigitte Hahn: „Denn bei beidem geht es darum, die richtigen Zutaten in der richtigen Form und Dosierung zusammenzubringen – sonst hat man am Ende eine versalzene Suppe oder einen schrillen Ton.“ Und deshalb nimmt sie die „Zubereitungszeit“ für ihre Gesangspartien sehr ernst. Sie studiert die Noten zunächst für sich alleine, ehe sie mit dem Korrepetitor arbeitet. außerdem ist ihr für den Zugang zur Rolle das Lesen über die Hintergründe des Werks nicht minder wichtig als das musikalische Studium. „Ich habe vor Probenbeginn große musikalische und szenische Erwartungen an eine Rolle. Und ich brauche die szenischen Proben, damit mir eine Partie organisch in den Körper übergeht. Die Gespräche mit dem Regisseur sind mir wichtig, um ein Verständnis von der Figur zu bekommen, das über meine Vorstellungen hinausreicht.“ Während sie momentan die Rolle der Elisabetta in Verdis Don Carlo studiert, widmet sie sich gleichzeitig auch der Vorbereitung eines Liederabends mit Wagners WesendonckLiedern sowie Werken von Mozart und Wolf. Und obwohl sie eine erfahrene Liedsängerin ist, entdeckt sie den Liedgesang, für den man andere „Zutaten“ braucht als für die Oper, neu. „Ich merke, dass für den Liedgesang eine gewisse Reife nötig ist. Natürlich singt man Lieder schon während des Studiums, aber ich kann mit meinen jetzigen Erfahrungen die Charaktere viel umfassender wiedergeben. Liedinterpretation braucht gelebtes Leben!“ Das Programm steht noch nicht bis ins letzte Detail fest. Aber man darf gewiss sein, dass es ein feines Menü werden wird, das Brigitte Hahn in ihrer Gesangsküche für das hungrige Publikum zubereitet. Sylvia Roth Taubensuppe Taube rupfen und ausnehmen. Fleisch und Innereien zusammen mit Pimentkörnern in Salzwasser geben und circa 45 Minuten köcheln lassen. Dann Pfeffer, Muskat und Suppengrün (alles außer Kohlarten) hinzugeben und nochmals 10 –15 Minuten kochen lassen. Taubenfleisch herausnehmen, von den Knochen ablösen und zerteilen. Die Brühe je nach Geschmack absieben oder nicht. Reis hinzufügen, abschmecken und genießen! Liederabend mit Brigitte Hahn Lieder von Wolfgang Amadeus Mozart, Hugo Wolf, Richard Wagner Am Flügel: Andrea Catherine Johnson 5. Oktober 2007, Historischer Saal im PelikanViertel, 19.30 Uhr Seite 12 | seitenbühne Oper „Wenn der Deckel von ganz alleine aufgeht …“ Der 1. Kapellmeister Lutz de Veer über Il prigioniero und L’Enfant et les sortilèges Zur Wiederaufnahme von Luigi Dallapiccolas Il prigioniero (Der Gefangene) und Maurice Ravels L’Enfant et les sortilèges (Das Kind und die Zauberdinge) sprach Dramaturgin Dorothea Hartmann mit dem 1. Kapellmeister Lutz de Veer. Und dann waren viele überrascht davon, zweimal so packendes Musiktheater zu erleben. Vor allem Dallapiccolas Il prigioniero hat viele direkt getroffen und berührt. Da bin ich selbst auch immer wieder gefangen, es schwingt auch in mir oft noch lange nach. Mit Luigi Dallapiccolas Il prigioniero und Maurice Ravels L’Enfant et les sortilèges dirigierst du einen Operndoppelabend, der zwei Musiktheaterwerke bündelt, die meines Wissens noch nie zusammen aufgeführt wurden. Die Premiere und fünf Repertoirevorstellungen dieser ungewöhnlichen Kombination liegen hinter dir, jetzt steht die Wiederaufnahme an. Was sind bislang deine Erfahrungen mit diesem Abend? Lutz de Veer: In den ersten Wochen nach der Premiere haben mich immer wieder Publikumsreaktionen bzw. das Feedback einiger Freunde sehr gefreut: Viele sagten, dass sie mit keiner Erwartung oder eher skeptisch in diesen Opernabend gekommen waren, weil sie die Stücke nicht kannten. Kannst du dieses „Nachschwingen“ beschreiben? Dieses Stück reißt einen emotional mit. Ich bin ein Musiker, der gern aus dem Bauch agiert, und dieses Stück liegt mir daher sehr. Die Konstruktion der Komposition rückt eher in den Hintergrund und tritt in den Dienst einer unmittelbar berührenden Aussage. Dabei geht es für mich um die grundsätzliche, ja existentielle Frage: Was den Menschen als Wesen ausmacht. In der Kunst beschäftigen wir uns ja mit Dingen, die uns im Leben berühren, mit denen wir immer wieder konfrontiert werden, aber sie sind verarbeitet, in ein Medium transformiert. Durch die Beschäftigung mit den Kunstwerken kann es uns manchmal gelingen, das in uns abzurufen, was uns speziell als Mensch ausmacht. Und das empfinde ich in dem Stück sehr stark. Was bedeutet das konkret inhaltlich in Dallapiccolas Il prigioniero? In dieser Oper werden wir ja mit einer Situation – einem totalitären System – konfrontiert, die uns in unserem Leben eigentlich nicht unmittelbar berührt. Gefangenschaft, Folter, Ungerechtigkeit und Mord passieren täglich und überall auf der Welt. Indem wir uns in der Kunst mit diesen Themen beschäftigen, ringen wir als Menschen mit ihnen, nehmen sie in uns auf und arbeiten innerlich damit. Ich glaube, dass wir, indem wir diese Dinge zeigen, als Musiker oder Theatermacher das Bewusstsein für diese Themen auf unsere Art schärfen. Du dirigierst an einem Abend zwei Opern, die musikalisch nicht unterschiedlicher sein könnten. Wie richtest du dich als Dirigent darauf ein? Stellst du dich in der Pause zwischen den Stücken um? Oper seitenbühne | Seite 13 Luigi Dallapiccola Il prigioniero (Der Gefangene) Un prologo e un atto (1949) In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Lutz de Veer Ja, ich muss mich sogar extrem umstellen. Eben weil der Dallapiccola so stark in mir nachschwingt. Ich würde sogar sagen, Il prigioniero reicht mir eigentlich für den Abend. Ich muss immer wieder aufpassen, dass die Wucht dieses Stückes mich nicht umhaut. Ravels L’Enfant et les sortilèges kommt ja in einem äußerlich sehr viel leichteren musikalischen Gewand daher. Dabei ist es ein unglaublich heikles Stück: Im Orchester gibt es viele Soli und spezielle Aufgaben für die Musiker. Und Ravel setzt darüber hinaus viele kleine Episoden aneinander, die manchmal kaum länger als eine Minute dauern. Da gilt es, sich wahnsinnig schnell auf eine Instrumentengruppe, auf eine Klangfarbe, auf einen Stil einzustellen. Und ehe man sich akklimatisiert hat, ist es schon wieder vorbei. Und dann will man ja natürlich nicht nur über die einzelnen, schnellen Auftritte und Wechsel nachdenken, sondern sich auch in die Stimmungen hineinfallen lassen können. Ist dann am Abend eine andere Form von Konzentration für L’Enfant et les sortilèges nötig – im Gegensatz zu Il prigioniero? Il prigioniero würde ich nie dirigieren, ohne das Stück nicht vorher noch einmal gründlich durchgelesen zu haben. Das muss ich allein wegen des Schwierigkeitsgrads der Partitur im Sinne von „das Stück einfach vernünftig durchdirigieren“. Und ich muss aufpassen, dass ich, obwohl das Stück so hoch emotional ist, bis zu einem gewissen Punkt mit kaltem Blut dirigiere. Also, dass ich mich nicht emotional zu sehr selbst echauffiere. Es ist besser, sich als Dirigent ein Stück weit zurückzunehmen, damit sich das Orchester auf dieser „coolen“ – sagen wir besser: nicht zu sehr emotionalen – Basis orientieren kann. Es schäumt dann schon von alleine. Ähnlich wie bei Wagner oder Strauss: Das sind ganz große Apparate, die man da bewegt. Und da ist es immer gut, sich selbst umso mehr zurück zu nehmen. Weil der Deckel von ganz alleine aufgeht und das Orchester sich dann auch viel freier fühlt. Und die Konzentration für L’Enfant et les sortilèges? Da geht es darum, Farben zu zeigen. Als Dirigent muss man hier wirklich der Farbkünstler sein und aufpassen, dass die Nuancen auch in der siebten Repertoire-Vorstellung vorhanden sind. Ravel setzt ja ein Riesenorchester ein, gebraucht es aber selten als Ganzes. Das heißt, er schafft eine große Farbpalette allein durch die unterschiedliche Instrumentation. Hier gilt es, am Abend wach zu sein für die unterschiedlichsten Kombinationen und Klangmöglichkeiten. Maurice Ravel L’Enfant et les sortilèges (Das Kind und die Zauberdinge) Fantaisie lyrique en deux parties (1925) In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Wie war der Probenprozess? Hast du beide Stücke unterschiedlich geprobt? Der Dallapiccola ist zunächst sehr schwer zu überblicken: Es gibt viele Taktwechsel, Angaben und Vortragsbezeichnungen, die alle gelesen werden wollen. Man irrt sich ständig, man hat 7/8-Takte mit ungewohnten Betonungen, die man erst einmal verstehen muss. Ravels Stück ist dagegen auf völlig andere Weise schwierig. Nicht technisch, aber wir wissen ja, dass die französische Musik nicht die leichteste Literatur für die deutschen Orchester ist: Weil wir eine andere Klangkultur haben, die vom spätromantischen Klang geprägt ist, von Sostenuto-Tönen, weil wir mit Ausdruck an den Ton herangehen, also sehr direkt spielen. In der französischen Musik ist das Gegenteil gefragt: sich in einen Klang hineinzumischen und sich nicht direkt als ein Führer in einem Klang behaupten zu wollen. Also, die Idee „ich muss präsent sein“ erst einmal über Bord zu werfen. Man muss zunächst überhaupt nicht präsent sein, vielmehr zaghaft anspielen. Dann entsteht vielleicht etwas, und es kommt eine besondere Aura zustande. Und wenn diese Aura am Abend von den vielen, vielen unterschiedlichen Instrumentengruppen gespürt wird, hat man die Chance, dass sich alles zu einem Ganzen fügt und man nach der Vorstellung sagen kann: „Ja, heute hat das Stück stattgefunden.“ Il prigioniero Die Mutter Khatuna Mikaberidze Der Gefangene Nikola Mijailović/ Lauri Vasar Der Kerkermeister /Der Großinquisitor Johannes An /Robert Künzli 1. Priester Roland Wagenführer 2. Priester Tobias Schabel Musikalische Leitung Lutz de Veer Inszenierung Andrea Schwalbach Bühne Anne Neuser Kostüme Stephan von Wedel Chor Dan Ratiu Dramaturgie Dorothea Hartmann L’Enfant et les sortilèges Das Kind Julia Faylenbogen / Barbara Senator Die Mutter, Die Libelle, Ein Hirte Gertraud Wagner Der Lehnsessel, Die Prinzessin Arantxa Armentia /Alla Kravchuk Die chinesische Tasse, Das Eichhörnchen, Die Katze Okka von der Damerau / Barbara Senator Das Feuer, Die Nachtigall Karen Frankenstein / Dorothea Maria Marx Die Fledermaus, Die Eule, Eine Hirtin Carmen Fuggiss / Hinako Yoshikawa Ein Armsessel, Ein Baum Young Myoung Kwon / Tobias Schabel Die Standuhr, Der Kater Jin-Ho Yoo / Stefan Zenkl Die Wedgwood-Teekanne, Der kleine Alte, Der Frosch Jörn Eichler / Edgar Schäfer Wiederaufnahme am 28. September Weitere Vorstellungen 10., 25. und 31. Oktober 2007 Nur vier Vorstellungen! Seite 14 | seitenbühne Ballett Neue Gesichter im Ballett Acht Tänzerinnen und Tänzer beginnen mit dieser Spielzeit neu in der Compagnie von Jörg Mannes. Aus den Niederlanden, Österreich, Frankreich, Spanien, Bulgarien, Griechenland stammen sie und wechseln aus Ballettensembles in Braunschweig, Wiesbaden, Karlsruhe, Amsterdam, Basel, Zürich und Kanada nach Hannover. Mit einem kleinen Fragebogen stellt die seitenbühne sie schon vor der ersten Ballettpremiere dieser Saison den Lesern vor. 1. Wie hat Ihre Tänzerlaufbahn begonnen? Gibt es ein Schlüsselerlebnis? 2. Was war für Sie bisher die schönste, beeindruckendste Tanz-Erfahrung? 3. Haben Sie ein Vorbild? 4. Wo haben Sie bisher auf der Bühne gestanden? 5. Haben Sie einen Lieblingsort? Amélie Appetiti Die Französin Amélie Appetiti war von 2005 bis 2006 Mitglied der Ballettcompagnie Campo in Marseille. Anschließend tanzte sie bei der kanadischen Compagnie La la la human steps. 1. Alles begann mit meinen ersten Schritten auf der Bühne des Opernhauses in Marseille: Ich war vier Jahre alt, und meine Schule organisierte ein kulturelles Programm für die Kleinen. Ich habe einen kleinen „pas de deux“ zu einer Musik aus Charlie Chaplins Film Limelight getanzt. Seitdem wollte ich tanzen und auf die Bühne zurückkehren. Deshalb haben meine Eltern mich im Alter von sechs Jahren in einer kleinen Tanzschule angemeldet – so hat alles begonnen, und bis heute wünsche ich mir nichts anderes als zu tanzen und auf der Bühne zu stehen. 2. Die beeindruckendste und schönste TanzErfahrung war für mich der Moment, als ich das erste Mal ein Solo in vollkommener Stille getanzt habe. Das war unvergesslich – da fühlte ich, dass ich selbst, mit der Interpretation von Bewegungen, in eine direkte Kommunikation mit dem Publikum treten kann, als ob mein Körper selbst Musik macht. 3. Ich habe nicht wirklich ein Vorbild, aber doch ein „Ideal“ von Vollkommenheit; und viele bekannte und unbekannte Künstler geben mir immer wieder die Idee, was ein „idealer Künstler“ sein könnte. Es ist wie ein Ziel, das den Weg meiner persönlichen künstlerischen Entwicklung leitet. Jeder Künstler ist einzigartig, mit seinen Stärken und seine Schwächen. Vollkommenheit ist ein mentales Konzept, das für mich aus all dem entsteht, was ich bei anderen Künstlern sehe. Es sind natürlich viele Tänzer, Musiker und Künstler, die ich bewundere, aber die Liste wäre zu lang, und ich hätte die Sorge, jemanden zu vergessen. 4. Ich habe bisher in Frankreich, Italien, den Vereinigten Staaten und Kanada getanzt. 5. Ich fühle mich überall auf der Welt wohl. Am wichtigsten ist mir nicht, wo ich bin, sondern was ich dort mache. Wenn ich also tanze und Menschen treffe, die mit mir arbeiten möchten, bin ich glücklich, ganz egal wo. Wendy Paulusma Wendy Paulusma stammt aus den Niederlanden, wo sie 2000 ihre Ausbildung in Amsterdam abschloss. Anschließend war sie Mitglied des holländischen Nationalballetts in Amsterdam. 1. Mit vier Jahren habe ich zu tanzen begonnen. Ich komme aus einer richtigen Ballettfamilie: Meine Großmutter leitete eine Ballettschule, so wie dann meine Mutter und jetzt meine Schwester. Mein Bruder und ich sind Tänzer geworden: er an der Bayerischen Staatsoper in München, ich in den letzten Jahren am „Het Nationale Ballet“ in Holland. 2. Meine beste Erfahrung war wohl „Europa Danse“, an dem ich im Jahr 2000, kurz vor dem Beginn meiner professionellen Tanz- Laufbahn teilgenommen habe. Seitdem haben sich mir viele Möglichkeiten geboten, Werke verschiedener Choreographen aufzuführen, so von Mats Ek, Ohad Naharin, Blanka Li oder Georges Balanchine. 3. Ehrlich gesagt habe ich kein spezielles Vorbild. Ich bewundere verschiedene Fähigkeiten verschiedener Tänzer, die ich für mich miteinander kombiniere und an denen ich mir ein Beispiel nehme. 4. Das einzige Land, in dem ich bisher getanzt habe, ist mein Heimatland Holland. Aber nun freue ich mich darauf, Deutschland zu entdecken! 5. Mein Lieblingsort ist bisher Barcelona – obwohl ich auch schon viele andere schöne Orte gesehen habe, wie Havanna in Cuba und Edinburgh in Schottland. Veselka Petrova Veselka Petrova wurde in Bulgarien geboren. Sie war Mitglied in den Ballettensembles der Staatsoper Sofia, des Theaters AltenburgGera und des Staatstheaters Karlsruhe. 1. Es gab kein spezielles Schlüsselerlebnis – meine Eltern und mein Großvater waren Balletttänzer, so bin ich mit Ballett groß geworden. 2. Einige der schönsten Rollen, die ich getanzt habe, waren Volanges in Liaisons dangereuses von Jörg Mannes, Kitty in Anna Karenina von Terence Kohler und Dirnen in Romeo und Julia von Kenneth MacMillan. 3. Ich bewundere viele Tänzer und kann mich nicht auf einen beschränken. Ballett 4. Bisher bin ich in Bulgarien, Luxemburg, Österreich, in der Schweiz und Deutschland aufgetreten. 5. Am Schwarzen Meer. Rubén Cabaleiro Campo Der Spanier Rubén Cabaleiro Campo schloss 2005 seine Ausbildung am Tanzzentrum Víctor Ullate ab. Sein erstes Engagement führte ihn zum Ballett der Staatsoper Zürich. 1. Ich habe schon immer gerne getanzt. Als kleines Kind fand ich Tänzer im Fernsehen toll und wollte einer von ihnen werden. Mit zwölf Jahren habe ich dann in einer kleinen Tanzschule mit klassischem Ballett begonnen und gemerkt, dass es das war, was ich machen wollte. 2. Eine einzelne Erfahrung kann ich nicht nennen. Denn ich fühle beim Tanzen so viel, dass selbst eine schlechte Erfahrung eine gute Erfahrung ist. 3. Auch hier kann ich nicht ein einzelnes Vorbild herausgreifen – dafür aber verschiedene Tänzer und Choreographen, von denen ich zu lernen versuche. 4. Bisher habe ich in Spanien und in der Schweiz auf der Bühne gestanden. 5. In Spanien tanze ich immer gerne, weil es meine Heimat ist. Aber auch als Tänzer am Zürcher Ballett habe ich eine große Unterstützung des Publikums für unsere Kunst empfunden. Jetzt freue ich mich auf die Chance, in Hannover zu tanzen. das sich einstellt, wenn man auf der Bühne in voller Konzentration eins mit sich, der Partnerin oder der Gruppe ist und nur den Moment genießen kann. So ein Gefühl hatte ich schon öfter, es ist immer verschieden. 3. Rudolf Nurejev. 4. Ich habe bisher in Deutschland und Frankreich getanzt. 5. Meine Lieblingsstadt ist Berlin und mein Lieblinsdorf Radnig in Kärnten, in den Bergen in Österreich. Stoimen Todorov Stoimen Todorov wurde in Sofia, Bulgarien, geboren. Er kommt über die Staatsoper Sofia, die Grazer Oper, das Theater Altenburg-Gera und das Badische Staatstheater Karlsruhe nach Hannover. 1. Als kleines Kind habe ich gerne getanzt, das hat meine Mutter gesehen und mich in einer Ballettschule angemeldet. 2. Die schönste Rollen, die ich getanzt habe, waren Valmont in Liaisons dangereuses von Jörg Mannes, Espada in Don Quijote von Jaroslav Slavicky, Vivaldis Märchen von Philip Taylor. 3. Ich habe mehrere Vorbilder, eines von ihnen ist Carlos Acosta. 4. Das waren viele Länder: Bulgarien, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Japan, Luxemburg, Spanien, Zypern – und Deutschland. 5. Am liebsten bin ich in den Bergen. Elvis Val Boris Randzio Der Österreicher Boris Randzio gehörte drei Jahre zum Ballettensemble der Oper Chemnitz, bevor er in der letzten Spielzeit an das Staatstheater Braunschweig wechselte. 1. Eine Klassenkameradin hat in einer Ballettschule getanzt, gleich neben unserer Wohnung, da bin ich mitgegangen, habe zugesehen und gedacht: „Sich nach Musik zu bewegen ist etwas Wundervolles.“ 2. Das schönste Erlebnis im Tanz ist ein von Theater, Zeit und Ort unabhängiges Gefühl, Elvis Val wurde in Spanien geboren. Nach seiner Tanzausbildung in Bilbao, Spanien, und in Stuttgart tanzte er im Víctor Ullate Ballett und am Staatstheater Wiesbaden. 1. Angefangen habe ich mit Tanzen wegen meiner Mutter: Sie wollte, dass ich Disziplin lerne … Zu der Zeit konnte ich mir nicht vorstellen, einmal professioneller Tänzer zu werden. 2. Die schönste Erfahrung war die Entwicklung vom Amateur zum professionellen Tänzer in meinem ersten Engagement in seitenbühne | Seite 15 Spanien beim Víctor Ullate Ballett. 3. Ich habe kein Vorbild, aber ich mag Tänzer wie Carlos Acosta oder Tetzuya Kumakawa. Sie inspirieren mich. 4. Bisher habe ich in Spanien, Frankreich, Holland, Polen, Norwegen, Italien, Japan, Österreich, der Schweiz, in Belgien und Deutschland getanzt. 5. Barcelona. Pantelis Zikas Der Grieche Pantelis Zikas war als Solist an der Deutschen Oper am Rhein und am Theater Basel engagiert, bevor er in diesem Sommer nach Hannover wechselte. 1. Mein Weg hat mich behutsam zu einer Tänzerlaufbahn geführt: als Kind habe ich viel Sport gemacht und mich gerne körperlich ausgetobt. Mir wurde empfohlen, auch mal Ballett auszuprobieren. Da hat mich dann die ganz andere Annäherung an die Arbeit mit dem Körper und der Musik fasziniert, die Tiefe dieser Kunstform. 2. Für mich ist noch ganz frisch in Erinnerung der Applaus nach meinem ersten Auftritt als 11-jähriger Student, es war phantastisch. Die stärkste Erfahrung in der letzten Zeit war, die Sarabande von Jirí Kylian zu tanzen. Hoffentlich werde ich in ein paar Monaten etwas noch Größeres erfahren. 3. Ehrlich gesagt habe ich keine bestimmte Person als Vorbild. Ich glaube, dass jeder seinen eigenen Weg finden und ihm folgen muss. Trotzdem bewundere ich manche Leute für das, was sie sind, und nicht nur für das, was sie erreicht haben. 4. Professionelle Verträge hatte ich in Dänemark, Deutschland und in der Schweiz. Darüber hinaus habe ich mit diesen BallettCompagnien in einigen anderen Ländern Europas Gastspiele gegeben und bin sogar zweimal für Auftritte nach China gereist. 5. Mein Lieblingsort liegt in meinem Heimatland Griechenland, wo ich regelmäßig meine Batterien auflade. Die vier Elemente sind in Balance, ahhhhhh … Seite 16 | seitenbühne Konzert „Das ist der Tod. Der ist Musik geworden.“ Hugo von Hofmannsthals Jedermann in einer Vertonung von Frank Martin im 1. Sinfoniekonzert „Jedermann! Jedermann!“, seit 1920 schallen diese Rufe während der Salzburger Festspiele über den Domhof, treffen den Angesprochenen mitten im Leben und konfrontieren ihn mit dem Tod. Hugo von Hofmannsthals Jedermann – Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes – sucht nichts weniger als eine Antwort auf die Frage: „Was bleibt vom Leben übrig, wenn man alles abzieht?“ (Hofmannsthal) Was bleibt, wenn man irdische Güter und diesseitige Genüsse abzieht, was bleibt, wenn die Truhe mit dem Mammon nicht auf die letzte Reise mitgenommen werden kann? Der das Fest des Lebens genießende Jedermann weiß keine Antwort auf diese Fragen, als ihm aus dem Nichts und unangekündigt der Tod gegenüber tritt. Mit 40 Jahren denkt er „mitten drin im besten Leben“ nicht ans Sterben. „Ganz und gar unbereit“ ist der vornehme und reiche Bürger, den Rufen ins Jenseits zu folgen, und Todesängste benebeln die Gedanken. Hier, am Übergang vom Leben zum Tod, findet sich Jedermann in einem alle bisherigen Gesetze auflösenden Grenzbereich wieder, in dem eine Frage immer mächtiger und drohender vor ihm steht: „Wer bin ich denn: der Jedermann?“ – die Frage nach dem Ich, dem eigenen Selbst, die Frage nach den Kräften, die das Ich in seinem innersten Kern zusammenhalten. In einem solchen Zwischenraum, einem der typischen Hofmannsthalschen Übergangsorte, können sich derart existentielle Gedanken des Menschen bemächtigen: Gedanken, die das Getriebe der Welt und der Panzer um das Ich sonst nicht zulassen. Ähnlich wird sich auch Claudio aus Hofmannsthals frühem lyrischen Drama Der Tor und der Tod erst an der Schwelle zum Jenseits seines Lebens bewusst: „Erst da ich sterbe, spür ich, dass ich bin.“ Im Übergang vom Leben zum Tod zerbröckeln Zusammenhänge und bislang geltende Ordnungen. Hier können sowohl der Tor Claudio als auch Jedermann zu sich selbst kommen und in einem tieferen Sinne das eigene Leben erfassen. Das eigene Leben, das in der Rückschau ein ungelebtes, ein „totes“ Leben war, nichts als ein unverbindliches Spiel. Es war Spiel aus der Distanz, das Beziehungen und Konfrontationen mit dem eigenen Ich wie mit der Welt und den Menschen nicht kannte. Der Schritt vom „Lebenstraum ins Todeswachen“ macht die Hofmannsthalschen Figuren offen und sehend – für das eigene Leben, aber auch für die Lügenhaftigkeit der Welt. Denn Jedermann muss erkennen, dass sich die Treueschwüre seiner Freunde „Ich steh dir bei bis zur letzten Stund“ angesichts des Todes in Konzert Luft auflösen. Keiner ist bereit, Jedermann zu begleiten. Keiner ist bereit, für ihn vor der letzten, göttlichen Instanz zu sprechen. „Nackt und allein“, nur begleitet von den eigenen kümmerlichen Werken und dem kaum erkennbaren Glauben, tritt er so seine letzte Reise an. Eine Reise, die sich jedoch nicht als Schritt ins Nichts entpuppt, sondern einen veränderten, sich seiner selbst und seiner Taten bewussten Menschen eine höhere Daseinsform erreichen lässt. Hofmannsthals Tagebucheintrag zu Der Tor und Tod gilt somit in gleichem Maße auch für den Jedermann: „Worin liegt eigentlich die Heilung? – Dass der Tod das erste wahrhaftige Ding ist, das ihm begegnet, das erste Ding, dessen tiefe Wahrhaftigkeit er zu fassen imstande ist. Ein Ende aller Lügen, Relativitäten und Gaukelspiele.“ So verstanden, reifen sowohl Jedermann als auch der Tor Claudio in der Begegnung mit dem Tod, der somit weniger Feindbild ist als eine dionysische Kraft, die vermeintlich Sicheres und Festes sprengen kann. Eine ähnliche Wirkung schrieb Hugo von Hofmannsthal Zeit seines Lebens der Musik zu: Im Sinne Schopenhauers vermag die Macht der Töne an Innerstes zu rühren, Unsagbares auszudrücken, den Menschen zu verwandeln und Grenzen aufzulösen. So kündigt sich der Tod in Der Tor und der Tod mit Geigenspiel an, und im frühen Gedicht Erlebnis verknüpft Hofmannsthal ebenfalls beide Kräfte: „Das ist der Tod. Der ist Musik geworden / Gewaltig sehnend, süß und dunkelglühend / Verwandt der tiefsten Schwermut.“ Wahrhaftig Musik geworden sind die Verse des Jedermann einige Jahrzehnte später in den 1943 entstandenen JedermannMonologen von Frank Martin. Der Schweizer Komponist pries geradezu hymnisch Hofmannsthals „drame poétique“, und für seine Vertonung interessierte ihn genau jener Hofmannsthalsche Übergang, die Wand- lung des Jedermann: also die „psychologische und geistige Entwicklung der Hauptperson“ und die „fortschreitende Loslösung des Jedermann von den materiellen Gütern und sein Aufstieg zur Welt des Geistes.“ In sechs vertonten Monologen zeichnet Frank Martin mit einer plastisch-farbigen Instrumentierung und expressiven musikalischen Sprache die entscheidenden Punkte in der Entwicklung Jedermanns nach: von der Angst und der Rebellion gegen den Tod über die Verzweiflung bis zur Selbsterkenntnis und Erlösung. Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ wird hier reduziert auf einige wenige Stationen und erhält durch die Loslösung von der Dramenhandlung fragmentarischen Charakter. Diese Bruchstückhaftigkeit öffnet den Raum für die Musik und vermag – ganz im Sinne Hugo von Hofmannsthals – der Begegnung des Jedermann mit dem Tod in transformierter Weise neue Intensität zu verleihen. Dorothea Hartmann 1. Sinfoniekonzert Sonntag, 7. Oktober 2007, 17 Uhr Montag, 8. Oktober 2007, 19.30 Uhr Kurzeinführung jeweils eine halbe Stunde vor dem Konzert Bernd Alois Zimmermann Sinfonie in einem Satz (1951/53) Frank Martin Sechs Monologe aus Jedermann (Hugo von Hofmannsthal) für Bariton und großes Orchester (1943/49) Johannes Brahms Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (1885) Solist Brian Davis Dirigent Wolfgang Bozic seitenbühne | Seite 17 Solist in Frank Martins Jedermann-Monologen ist der amerikanische Bariton Brian Davis, der seit Ende der 1990er Jahre zu den führenden Sängern seines Faches in Nordamerika gehört und bereits auf den Opernbühnen in New York, Chicago, Miami, Dallas, Pittsburgh, Detroit, Montréal, Cincinnati, Salt Lake City, Sarasota, Central City und Syracuse stand. Darüber hinaus war er regelmäßiger Gast der Metropolitan Opera, wo er 1999 als Melot in Tristan und Isolde unter der Leitung von James Levine debütierte. Außerdem arbeitete er mit Dirigenten wie Daniel Barenboim, Plácido Domingo und Lorin Maazel. Zu seinem Repertoire gehören Don Giovanni und Graf Almaviva, Escamillo, Scarpia, Gianni Schicchi und Marcello. Sein Europa-Debüt in Hannover zur Spielzeiteröffnung 2006/07 als Jago in Otello hat auch überregional Aufsehen erregt. Nun konnte er als festes Ensemblemitglied an die Staatsoper verpflichtet werden und ist in der Eröffnungspremiere Peter Grimes als Captain Balstrode zu erleben. Seite 18 | seitenbühne Kinder & Jugend Nach der Schule in die Oper! Über das Workshop-Angebot der Staatsoper Club XS „Die Liebe zu den drei Orangen“, Spielzeit 2006/2007 Sie gehen im Takt der Musik, laufen auf Zehenspitzen, auf der Hacke, schwingen die Arme, dehnen den Oberkörper nach rechts und links, atmen dabei leise ein und laut aus, produzieren Urlaute, schneiden Grimassen und gähnen laut. Später gibt es explosiv ausgestoßene Konsonanten-Laute und Nachsingen von Dreiklängen und Intervallen … Wir befinden uns auf der Probebühne 2 des Opernhauses mit zwölf jungen Frauen und Männern zwischen 16 und 24 Jahren. Diese Lockerungsübungen von Körper und Stimme sind der Beginn eines jeden Gesangs-Workshops, den die Sopranistin Carmen Fuggiss, langjähriges Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover, auch in dieser Saison wieder anbieten wird. „Jeder Teilnehmer, der gerne singt“, so sagt Carmen Fuggiss, die zusammen mit Jonathan Seers, einem virtuosen Begleiter und im Hauptberuf Dirigent, diesen Wochenend-Kurs leitet, „bringt etwas Eigenes an Stimme mit. Es bedarf oft nur kleiner Hilfen, um mehr daraus zu machen! Span- nend ist das, zu gucken, was jeder für ein Gesangspotential hat, welche Ausdrucksmöglichkeiten der jeweiligen Stimme noch möglich und entwickelbar sind!“ Sie sei deshalb auch sehr froh, so Fuggiss weiter, dass ihr Workshop „Klassischer Gesang“ im Angebot der musiktheaterpädagogischen Abteilung zum dritten Mal seinen Platz gefunden habe. OpuS – Oper und Schule, so heißt die Broschüre der Staatsoper Hannover, die sowohl Aktionen mit Kindern und Jugendlichen im schulischen als auch im außerschulischen Bereich anbietet. Unter dem letztgenannten, dem außerschulischen Bereich – im Heft als ‚Oper ohne Schule‘ betitelt – sucht die Abteilung Musiktheaterpädagogik den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, die jenseits der Schule, also am Nachmittag oder am Wochenende, Lust haben, ihre Freizeit mit Kursen und Workshops im Opernhaus zu verbringen. Der Gesangs-Workshop mit Carmen Fuggiss und ein weiterer mit dem Bariton und Ensemble-Mitglied Frank Schneiders gehören genauso dazu wie der Kinder- und Jugendclub der Staatsoper Hannover. Der Musiktheater-Kursus Club XL richtet sich wie schon in den vergangenen Jahren an Jugendliche von 16 bis 20 Jahren, die jenseits der Opernbühne selbst aktiv werden wollen, die Lust haben, sich durch eigene Ausdrucksformen, mit der Stimme, dem Körper und dem Einsatz von Instrumenten in szenischer und musikalischer Improvisation zu erproben. Kinder von 9 bis 12 Jahren, die Spaß an der szenischen Umsetzung einer Geschichte mit Musik haben, sind herzlich eingeladen, sich beim Club XS anzumelden. Beide Clubs beginnen mit den wöchentlichen Proben nach den Herbstferien, dauern bis zum Mai 2008 und kosten pro Teilnehmer insgesamt 30€. Betreut und geleitet werden beide Kurse von den Musiktheaterpädagoginnen Gundel Gebauer und Eva Bessert-Nettelbeck sowie einem Sänger. Und wie bei den oben genannten Gesangs-Workshops wird auch hier gelten: das Potential, die Begabungen jedes einzelnen Kindes oder Jugendlichen zu entdecken, zu nutzen und zu fördern, sodass es im Verlauf des Workshops für alle Beteiligten zu einer lustvollen Auseinandersetzung mit Musik, Sprache und Bewegung kommen kann. Wer mehr über die außerschulischen Angebote der Staatsoper wie z.B. Kindergeburtstag oder das Szenische Spiel: Begegnungen im Park wissen will, dem wird die Broschüre OpuS/junges schauspielhannover empfohlen. Sie liegt seit Juli im Kassenbereich des Opernhauses aus und kann auf Anfrage zugeschickt werden. Cornelia Kesting-Then-Bergh Information und Anmeldung unter Tel.: 0511/9999-1082 oder -1083 oder -1085 Kinder & Jugend seitenbühne | Seite 19 1. Kinderkonzert Alle Wetter! Blitz und Donner, Regen und Hagel, Schnee und Sonnenschein – Heini, der kleine Vampir, ist ganz platt, was die Musiker unter dem großen Magier Andreas Wolf alles herbeizaubern können. Da wird doch jede Wetterhexe vor Neid ganz grün im Gesicht, wenn die großen Windmaschinen heulen, Ludwig van Beethovens Gewitter lospoltert, Claude Debussy den Schnee tanzen lässt und Maurice Ravel eine zarte Morgenstimmung zaubert! Sonntag, 21. Oktober 2007, 11 Uhr Sonntag, 11. November 2007, 11 Uhr Dienstag, 13. November 2007, 11 Uhr (Schulkonzert) Niedersächsisches Staatsorchester Hannover Dirigent Andreas Wolf Mit Heini, dem kleinen Vampir (Figurentheater Marmelock) und Carola Rentz als Wetterhexe Seite 20 | seitenbühne Orchester Reingehört! Welche Musik hört ein Orchestermusiker eigentlich, wenn er nicht selbst musiziert, was legt er privat auf, zu Hause, bei einem Glas Rotwein? Welche CD liegt ihm besonders am Herzen, welche Aufnahme kann er besonders empfehlen? In der Rubrik „Reingehört!“ stellen wir Lieblings-CDs unserer Orchestermusiker vor. Stellt man Jochen Dittmann, Solotrompeter des Niedersächsischen Staatsorchesters, zur Zeit die berühmte Inselfrage, dann sind es mit Sicherheit die folgenden CDs, die er in den Koffer steckt: Der 1979 entstandene Live-Mitschnitt der 9. Sinfonie von Gustav Mahler, gespielt von den Berliner Philharmonikern unter Leonard Bernstein, gehört für den Musiker schon länger dazu. Was er an dieser Sinfonie so schätzt, weiß er genau: Die Musik Mahlers ist hier zerrissen, die Satzfolge speziell. Im ersten Satz gibt es kein Thema, das sich ausbreitet, Mahler verlässt die tradierte Form und arbeitet detailreich mit dem rhythmischen und melodischen Material. Das Fesselnde an Bernsteins Arbeit ist, „dass es ihm trotz der Kleinteiligkeit des Stückes gelingt, einen wahnsinnigen Spannungsbogen zu erzeugen“. Auch die zweite Aufnahme, James Morrisons Album Snappy Doo und insbesondere der Titel Le Belleclaire Blues, zählt schon länger zu den Lieblingen. Jochen Dittmann empfiehlt, sich den Musiker auch einmal in natura anzusehen, denn da entpuppt sich das „fleischgewordene Klischee eines Finanzbeamten“, der so aussieht als „mache er in dem Klub, in dem er spielt, hinterher noch eine Steuerprüfung“, als wahres Multitalent: Morrison spielt eigene Arrangements und neben Trompete und Posaune auch Saxophon, Euphonium und Klavier. Was den Musiker aber wirklich ausmacht, ist seine sprühende Energie. Sowohl die starke Ausstrahlung, als auch seine pure Lust am Musizieren schaffen es, die Zuhörer mitzureißen. Und wem nach Mahler und Morrison nach etwas Entspannung zumute ist, dem rät der Trompeter zur Sentimental Journey von Nils Landgren. Bei dieser jüngeren Entdeckung liebt er besonders die ersten beiden Stücke, Speak Low und Ghost in this house. Gerade die Stimme des schwedischen Musikers, der Leiter der NDR-Big Band werden wird, hat es ihm angetan: Sie erinnert an die von Chet Baker, auch wenn sie kerniger klingt. Es ist ein stimmungsvolles, inniges Album, für ruhige Stunden. Mit dieser Auswahl fühlt man sich dann auch auf der einsamen Insel wohl! Anaïs Boelicke Aufnahmen Gustav Mahler: Symphonie Nr. 9, Berliner Philharmoniker, Leitung: Leonard Bernstein (Deutsche Grammophon) James Morrison: Snappy Doo (Wea) Nils Landgren: Sentimental Journey (Act) Neue Mitglieder im Orchester Stefan Neuhäuser, Bratsche, erhielt seinen ersten Unterricht an der Musikschule des Emslandes. 1994 war er Preisträger beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Nach dem Besuch der Spezialschule für Musik „Carl-Philipp-Emanuel-Bach“ Berlin studierte er an den Musikhochschulen Hannover und Hamburg bei Thomas Selditz. Während seines Studiums in Hannover war er Stipendiat der Stiftung des Landes Niedersachsen. Nach Anstellungen beim Philharmonischen Staatsorchester Halle und den Bielefelder Philharmonikern ist Stefan Neuhäuser seit September 2007 Mitglied der Bratschengruppe des Niedersächsischen Staatsorchesters. Bernadette Hiller erhielt ihren ersten Querflötenunterricht an der Musikschule in Calw, wechselte 1998 zu Mathias Allin nach Karlsruhe und begann drei Jahre später ihr Studium an der dortigen Musikhochschule bei Renate Greiss-Armin, das sie mit Auszeichnung abschloss. Sie war Mitglied der Jungen deutschen Philharmonie und Praktikantin beim Sinfonieorchester des SWR Baden-Baden/Freiburg. Solistische Auftritte mit Orchester, CD- und Fernsehaufnahmen sowie kammermusikalische Tätigkeiten bereichern ihr breites musikalisches Betätigungsfeld. Das Niedersächsische Staatsorchester begrüßt sie ab dieser Spielzeit als Stellvertretende Soloflötistin. Ralph Ficker studiert seit 2003 Horn an der Musikhochschule Maastricht bei Will Sanders und Willy Bessems. Erste Orchestererfahrungen sammelte er im Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester, im European Youth Orchestra und im GustavMahler-Jugendorchester, sowie als Praktikant bei den Bochumer Symphonikern und als Aushilfe im Theater Mönchengladbach. Seit der Spielzeit 2007/2008 ist er als 2./4. Horn im Niedersächsischen Staatsorchester engagiert. Als Preisträger des Bundeswettbewerbs „ Jugend musiziert“ nahm Tobias Schiessler im Jahr 2000 das Posaunen-Studium bei Jonas Bylund an der HfMT Hannover auf. Er war Soloposaunist der Jungen Deutschen Philharmonie und des Gustav-MahlerJugendorchesters und studierte an der Musikhochschule Stockholm. Weitere Orchestererfahrung sammelte er als feste Aushilfe an der Staatsoper Hannover und im Norrköping Sinfonie Orchestra sowie als Soloposaunist bei den Münchner Philharmonikern, beim Orchester der Münchner Staatsoper oder dem Swedish Radio Orchestra. Seit September 2007 ist er 2. Posaunist im Niedersächsischen Staatsorchester. Aus den Werkstätten seitenbühne | Seite 21 Im Reich der Notenpulte Aus dem Alltag der Orchesterwarte Während auf der Bühne majestätisch die ersten Takte von Richard Strauss’ Also sprach Zarathustra ertönen, kommen Matthias Hartmann, Klaus Rothardt, Sorin Ticmeanu und Arne Westphal verschwitzt und außer Atem in die Kantine. Für die Probe zum 8. Sinfoniekonzert haben die vier Orchesterwarte gerade den größtmöglichen Orchesterapparat aufgebaut, der in die Konzertmuschel der Staatsoper passt. „Voller als bei Richard Strauss geht’s eigentlich nicht“, lacht Matthias Hartmann. „Da hat jetzt wirklich gar nichts mehr Platz, da könnte man höchstens noch ’ne Piccoloflöte hinter den Flügel quetschen!“ Sie arbeiten zwar im Hintergrund und für das Publikum selten sichtbar, doch ohne die vier Männer könnte weder eine Probe noch eine Vorstellung stattfinden. Denn sie walten über die gesamte Infrastruktur innerhalb des Orchestergrabens. Dazu gehört nicht nur, Stühle und Pulte der Besetzung entsprechend zu positionieren, sondern auch, die schweren Instrumente – vor allem Schlagzeug, Harfe und Kontrabässe, Flügel, Celesta oder Orgel – an Ort und Stelle zu schleppen und die richtigen Noten auf die richtigen Pulte zu legen. Wie verantwortungsvoll die Aufgaben der Orchesterwarte sind, das zeigen die Pannen, die ab und an passieren und inzwischen zu Anekdoten geworden sind, die unter großem Gelächter erzählt werden. „Einmal haben wir bei einer Vorstellung von Das Land des Lächelns unwis- send einen kaputten Gong auf die Bühne gestellt – da war dann im entscheidenden Moment leider nichts vom Gongschlag zu hören, obwohl der Musiker wie verrückt draufgehauen hat…“ Ihre Arbeitsstätte pendelt zwischen Pelikanviertel und Staatsoper, zwischen Orchestergraben und Bühne. Während die Orchesterproben im Probensaal des Pelikanviertels stattfinden, muss für die Endproben das sperrige – und oft sehr gewichtige – Instrumentarium ins Opernhaus transportiert werden. „Man muss körperlich schon sehr fit sein“, meint Arne Westphal, der privat Marathon läuft, während Klaus Rothardt – so verraten seine Kollegen schmunzelnd – in den Umbaupausen das Opernhaus zum Fitness-Studio macht: „Der rennt dann mit Sandsäcken und Hanteln die Treppen rauf und runter, sprintet um die Tische rum und macht Kniebeugen. 80 Liegestütze am Stück schafft der ohne Probleme, und das mit 62 Jahren!“ staunt Matthias Hartmann und fügt grinsend hinzu: „Ich halt mich da lieber mit Rauchen fit …“ Doch neben der physischen Seite des Berufs spielt auch die menschliche, fürsorgliche eine nicht zu unterschätzende Rolle. Davon zeugt nicht nur die große Dose mit Gummibärchen, die immer in dem kleinen Büro neben den Stimmzimmern steht und von den Musikerinnen und Musikern gerne als „Nervenfutter“ geplündert wird. „Auch Krawatten, Schlipse und schwarze Socken haben wir in Reserve, wenn einer mal wieder die Hälfte seiner Garderobe vergessen hat.“ Darüber hinaus müssen sie durch ihre unmittelbare Nähe zum Orchester auch schon mal als emotionaler Prellbock herhalten: „Wir sind die ersten, die schlechte oder gute Stimmung abkriegen. Wir merken gleich, ob die Arbeit mit einem Dirigenten gut läuft oder nicht.“ Und da sie teilweise selbst vom Fach sind (Arne Westphal ist ausgebildeter Tubist, Sorin Ticmeanu Hornist), können sie die Nöte der Musiker gut einschätzen und fühlen sich durchaus auch dafür verantwortlich, den ein oder anderen aufzumuntern. Ehe die Kaffeetassen geleert sind, ruft auch schon wieder die Arbeit: Der Bassposaunist hat sich krank gemeldet. Weil Sorin Ticmeanu nicht nur Orchesterwart, sondern auch Orchesterinspektor ist und damit die Orchester-Aushilfen organisiert, muss er schnellstmöglich dafür sorgen, dass der freie Platz besetzt wird. „Das ist ein 24Stunden-Job“, sagt er, denn eine Absage oder Krankmeldung kann jederzeit eintrudeln und dann ist schnelles Handeln gefragt. Und während Sorin Ticmeanu zum Telefon eilt, gehen seine Kollegen Richtung Bühne, um für das nächste Stück, das geprobt wird, „das große Glockenspiel auf die andere Seite zu stemmen“. Im Reich der Notenpulte ist eben immer was los … Sylvia Roth Seite 22 | seitenbühne Fundus „Bayreuth ist eine Sucht!“ Hannoperaner auf dem Grünen Hügel und anderswo Im Sommer, wenn andere ihre wohlverdienten Theaterferien genießen, zieht es manche Musiker des Niedersächsischen Staatsorchesters in den Orchestergraben des Festspielhauses Bayreuth. Ihre Leidenschaft für das Musiktheater Richard Wagners treibt sie dorthin und die besondere Atmosphäre des Festspielorchesters, das Musiker aus unterschiedlichsten Ländern versammelt. Aus Hannover folgten der Stellvertretende Konzertmeister Michael Wild und die Harfenistin Ruth-Alice Marino zum fünften Mal, Volker Droysen von Hamilton (2. Violine) zum sechsten Mal der Einladung des Grünen Hügels. Ein besonderes Jubiläum konnte in diesem Jahr István Szentpáli-Gavallér feiern: Der hannoversche Stimmführer der 2. Violinen pilgerte bereits zum 20. Mal in die Wagner-Stadt! „Bayreuth ist eine Sucht,“ gibt er zu. „Die Stimmung im Orchester ist eine ganz besondere. Viele Musiker trifft man seit Jahren immer wieder, es sind richtige Freundschaften entstanden. Und da man nicht jeden Tag Vorstellung hat, kann man sich wunderbar in der Fränkischen Schweiz erholen, beim Wandern oder Baden. Und es ist natürlich eine große Ehre, in dieser musi- kalischen Sonderklasse spielen zu dürfen.“ Für seine Treue zu den Bayreuther Festspielen wurde er in diesem Jahr dann auch geehrt, von Wolfgang Wagner höchstpersönlich! Und noch ein Mitglied der Staatsoper Hannover ist zum wiederholten Male der Droge Bayreuth erlegen: Regieassistent Charles Ebert verbrachte dort in diesem Jahr zum 16. Mal den Sommer und leitete sszenisch die Wiederaufnahme von Philippe Arlauds Tannhäuser. Von den Gastengagements unserer Regieassistenten haben wir in der April-Ausgabe der seitenbühne berichtet. Die Sächsische Zeitung feierte die Arbeit von Stefanie Bertram als Regisseurin des Musicals Kiss me, Kate in Görlitz als „riesigen Erfolg“: „Bei dieser Premiere schien alles zu passen.“ „Auftritte, Abgänge und Pointen waren genau auf den Punkt“ gebracht, und „der Applaus im Theater wollte nicht enden“. Auch Friederike Karigs Inszenierung der Kinderoper Die feuerrote Friederike im Werftparktheater in Kiel wurde als „sehr einfallsreich und spannungsvoll“ gelobt (Flensburger Tageblatt), kurz: „ein starkes Plädoyer für das Musiktheater und die Friederikes unter uns“ (Kieler Nachrichten). europaweit gastiert. Die Sopranistin Arantxa Armentia war mit der zeitgenössischen Kinderoper Dulcinea von Mauricio Sotelo in Sevilla unterwegs. Kurz vor den Theaterferien hat Tenor Marco Jentzsch am Staatstheater Karlsruhe den Rodrigo in Verdis Otello gegeben. Young Myoung Kwon, Bass, gastierte ebenfalls im Juli am Staatstheater Kassel als Haly der dortigen Produktion Die Italienerin in Algier und traf seine hannoversche Kollegin Karen Frankenstein, Sopran, als Elvira. Der serbische Bariton Nikola Mijailovic´ ist am letzten Juniwochenende in Savona als Jago in Verdis Otello eingesprungen. Im Juli hat er in Tel Aviv als Belcore (L’elisir d’amore) auf der Bühne gestanden. Albert Pesendorfer, Bass, hat Ende Juni an der Volksoper Wien (Freischütz) und in Traun bei Linz (Zauberflöte) gesungen. Frank Schneiders hat in der zeitoper Car Crash an der Staatsoper Stuttgart gastiert – einer Produktion, die für die Staatsoper Hannover entstanden ist. Und übrigens … ist die Fußballmannschaft der Staatsoper Hannover bei der Deutschen Meisterschaft im Juni in Schwerin im Achtelfinale ausgeschieden und hat schließlich den Platz 7 belegt. Die Entscheidung fiel äußerst unglücklich im Elfmeterschießen. Auch die Sängerinnen und Sänger haben in den Sommermonaten an anderen Bühnen Opernrätsel In den Nachrichten wird täglich vom globalen Terror gesprochen, auf der Opernbühne ist ein tagespolitisches Ereignis dagegen eine Seltenheit. Insofern nimmt die diesmal gesuchte Oper, die auf einer gerade mal gut zwei Jahrzehnte zurückliegenden wahren Begebenheit beruht, eine Sonderstellung im Musiktheaterbetrieb ein: Eine Gruppe palästinensischer Terroristen bringt ein Kreuzfahrtschiff in ihre Gewalt. Ein Mitglied der Besatzung wird angeschossen, dem ersten Offizier ein Gewehr an die Schläfe gesetzt, die Maschinen werden stillgelegt. Als die Situation an Bord eskaliert, stirbt ein jüdisch-amerikanischer Passagier und wird über Bord geworfen. Für den 1947 in Neuengland geborenen Komponisten dienen die tatsächlichen Ereignisse als Folie für zeitlose Fragen: Wie weit geht der Mensch für die Durchsetzung seiner Ideale? Wo liegt die Grenze zwischen Ideal und Ideologie? Und was bleibt von den Idealen, wenn sie mit Gewalt erzwungen werden? Unsere Fragen Wie heißt die Oper? Wie ihr Komponist? Unter allen richtigen Einsendungen, die uns bis zum 31. Oktober 2007 erreichen, verlosen wir 5 x 2 Karten für die Wiederaufnahme von Rossinis Die Italienerin in Algier am 15. November 2007. Schicken Sie Ihre Postkarte an: Staatsoper Hannover, Pressestelle Opernplatz 1, 30159 Hannover Die richtige Lösung des Opernrätsels der Ausgabe Juni /Juli 2007 lautete The English Cat (Die englische Katze), Komponist: Hans Werner Henze, Librettist: Edward Bond. Herausgeber: Staatsoper Hannover · Intendant: Dr. Michael Klügl · Redaktion: Dramaturgie, Öffentlichkeitsarbeit Fotos: Christian Brachwitz, Thomas M. Jauk, Cornelia Kesting-Then-Bergh, Jörg Landsberg, Gert Weigelt Gestaltung: Heinrich Kreyenberg · Druck: Steppat Druck Il prigioniero – Khatuna Mikaberidze, Lauri Vasar La Bohème – Ensemble Anatevka – Hans Sojer, Roland Wagenführer, Ensemble Duende – Keiko Nisugi, David Blázquez Anatevka – Roland Wagenführer, Hinako Yoshikawa