M. Reich - Universität Heidelberg
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M. Reich - Universität Heidelberg
Miriam Laura Reich ERASMUS–Erfahrungsbericht Université de Poitiers 2014/2015 I. Vor Reiseantritt 1. Allgemeine Vorbereitungen Nach Erhalt der Zusage des ERASMUS-Stipendiums muss zunächst das vorläufige LearningAgreement ausgefüllt werden. Das Kurs-Angebot der Universität (la liste des cours ouverts aux étudiants internationaux) findet man auf der folgenden Internetseite http://droit.univpoitiers.fr/relations-internationales/etudier-a-poitiers/. Für (fast) jede Vorlesung erhält man 3 ECTS-Punkte und für die dazugehörigen TDs (Arbeitsgemeinschaften) nochmals 3 ECTSPunkte. Die abschließende Auswahl der Kurse wird allerdings erst in Poitiers festgelegt, da sich erst anhand des Vorlesungsplans feststellen lässt, ob sich die gewählten Kurse überschneiden (sehr wahrscheinlich) und neu ausgewählt werden muss. Weiter bietet die Universität-Poitiers verschiedene Zertifikate an, die jeweils unterschiedliche Pflichtvorlesungen und Prüfungen voraussetzen, nähere Informationen dazu finden sich im livret d’accueil, das auf der oben genannten Internetseite heruntergeladen werden kann und auch ansonsten einige hilfreiche Informationen enthält. Außerdem werden für die ersten organisatorischen Schritte in Poitiers ca. 5 Passbilder und eine internationale Geburtsurkunde (muss bei der Stadtverwaltung des Geburtsortes beantragt werden) benötigt. Es ist auch eine Art Haftpflichtversicherung für die Wohnung oder das Wohnheimzimmer erforderlich, diese wird in Frankreich bei Eröffnung des Bankkontos abgeschlossen. 2. Wohnungssuche Bereits Mitte/Ende Juni erhält man vom Büro für Internationale Beziehungen eine Mail mit einer großen Auswahl an Wohnheimplätzen oder Privatwohnungen, so dass es kein Problem ist eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Auch kann man sich zunächst für einen Wohnheimplatz entscheiden und sich während dem Semester auf die Suche nach einer Wohnung oder Wohngemeinschaft machen. Ich habe im Wohnheim Marie Curie in einem chambre-3-fonctions mit eigenem Bad und Gemeinschaftsküche gewohnt. Die 9 m³ Zimmer sind nicht sehr groß, bieten aber genügend Stauraum und lassen sich mit Dekoration sehr gemütlich einrichten. Das Wohnheim liegt nicht im Stadtzentrum, sondern zwischen Innenstadt und Campus, ist aber über die Buslinie 11 und 2 relativ gut vernetzt. Vor allem der große Supermarkt E. Leclerc liegt nur 10 Gehminuten entfernt. Am wichtigsten war für mich jedoch, dass ich im Wohnheim gleich zu Beginn viele Kontakte knüpfen konnte und unglaublich nette und hilfsbereite Studenten aus aller Welt kennengelernt habe. Miriam Laura Reich 3. Anreise Die Fahrt nach Poitiers ist sowohl mit dem Zug, als auch mit dem Reisebus sehr gut möglich. Mit dem Zug kann man über Paris oder über Straßburg fahren, wobei es weniger stressig und anstrengend ist in Straßburg umzusteigen. In Paris muss grundsätzlich der Bahnhof gewechselt werden und es gibt in der Métro (Linie 4) hauptsächlich normale Treppen, so dass es bei Anreise mit zwei Koffern umständlich wird. Bei meiner An- und Abreise bin ich allerdings mit dem Auto gefahren, wodurch ich die Möglichkeit hatte so ziemlich alles (Bettwäsche, Geschirr, Drucker, Fahrrad etc.) mitzunehmen. Dadurch war ich bestens für 9 Monate in Frankreich ausgestattet, konnte mir die Kosten für die Anschaffung sparen und meine Abreise im Juni mit einem Urlaub an der Atlantikküste verbinden. Daher kann ich jedem, der die Möglichkeit hat sich nach Poitiers bringen und abholen zu lassen und eventuell eine Reise am Ende plant, nur empfehlen mit dem Auto anzureisen, weil man vor Ort einfach besser ausgestattet ist und dadurch vieles erleichtert wird. II. Erste Schritte in Poitiers Angekommen bin ich direkt an meiner Wohnadresse im Wohnheim Marie Curie. Dort wurden im Sekretariat die ersten Formalien (Kaution, Bürgschaft, Mietvertrag, Bestätigung des Wohnsitzes, etc.) geklärt und danach konnte ich gleich mein Zimmer beziehen. Die Zimmerübergabe in den Wohnheimen ist allerdings grundsätzlich nur unter der Woche möglich. Wer am Wochenende anreisen möchte, muss sich ein Zimmer in der Jugendherberge oder im Hotel mieten. Danach bin ich zum zentralen Bureau des relations internationales, um mich anzumelden und mich über die weiteren Schritte zu informieren. Anschließend geht es zum Bureau des relations internationales der juristischen Fakultät (Gebäude A 1, 3. Stock). Dort erhält man bei Madame Maude Trambouze die Anfangsbescheinigung und alle weiteren Informationen, die für das Studium und die Wahl der Vorlesungen notwendig sind. Im Anschluss daran wurde ich zur allgemeinen Fakultätsverwaltung (Gebäude A1, 1.Stock) geschickt, wo ich zunächst einen Termin zur Einschreibung erhielt. Bei der Einschreibung erhält man den Studentenausweis und zahlt einmalig 10 Euro, um für die Teilnahme am Sportangebot berechtigt zu sein. 1. Transport Wem, wie den meisten ausländischen Studenten, kein Auto zur Verfügung steht, ist in Poitiers mit dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Wer allerdings regelmäßig zwischen Campus und Innenstadt pendeln muss, ist auf Bus und/oder Fahrrad angewiesen, da man von der Innenstadt zum Campus 45 bis 60 Minuten zu Fuß braucht. Auch Einkäufe lassen sich mit Fahrrad und Bus wesentlich leichter erledigen. Dauerfahrkarten können im Vitalis-Büro in der Innenstadt erworben werden, eine 6-Monats-Fahrkarte kostet 153 Euro und eine Jahreskarte 200 Euro. Fahrräder können in einem der Fahrradverleihe gemietet werden. Ich selbst hatte zwar auch ein Fahrrad, habe dieses aber nur sehr selten genutzt, da mir Poitiers zu hügelig und der Straßenverkehr zu chaotisch war. Besonders lohnt es sich auch gleich zu Beginn eine Carte Jeune bei der französischen Bahngesellschaft SNCF für einmalig 50 Euro zu kaufen. Damit erhält man immer zwischen 25 - 60 % auf den Fahrpreis, auch bei sehr kurzfristigen Buchungen. Außerdem bietet die Miriam Laura Reich SNCF ein 3-Tages-Ticket an, mit dem bis zu 5 Personen für 35 Euro mit allen Regionalzügen nach la Rochelle fahren können. 2. Bank Die Eröffnung eines französischen Bankkontos ist unumgänglich und wird gleichzeitig mit der Wohnungs-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Gleich zu Beginn erhält man im zentralen Bureau des relations internationales Flyer mit Angeboten der verschiedenen Banken, die sich letztlich aber nur geringfügig unterscheiden. Mein Konto hatte ich bei der BNP-Parisbas, welches ich auch unkompliziert am Ende des Aufenthaltes schließen konnte. 3. CAF Auch ausländische Studenten erhalten bei der CAF (Caisse d’Allocations familiales) einen Wohngeldzuschuss. Dieser wird nach Höhe der Miete berechnet und beträgt bei einer Miete von 231 Euro für ein chambre-3-fonctions ca. 90 Euro. Dieser Betrag wird direkt an den Vermieter überwiesen und von der Miete abgezogen. Beantragen lässt sich das Wohngeld über ein Internetformular oder direkt im Gebäude der CAF in Poitiers. Wohnheimbewohner bekommen zu Beginn des Wintersemesters im Sekretariat Hilfe beim Ausfüllen des Antrags. Der Antrag sollte noch vor Ende September gestellt werden, da der Zuschuss erst ab dem Monat nach Beantragung berechnet und gezahlt wird. Im Anschluss an den Antrag müssen nach Aufforderung weitere Dokumente (Kopie des Personalausweises, der Krankenversicherungskarte und der internationalen Geburtsurkunde) per Post an die CAF geschickt werden. Wenn es hierbei zu Schwierigkeiten oder Verzögerungen kommt, ist es am einfachsten mit der Buslinie 2 zum Gebäude der CAF zu fahren und vor Ort alle Unterlagen abzugeben und nachzufragen, welche Dokumente oder Nachweise noch zu erbringen sind. III. Universität 1. Allgemeines Die 1431 gegründete Université de Poitiers ist eine der bekanntesten und ältesten Universitäten Frankreichs für den Fachbereich der Rechtswissenschaften. Das Hauptgebäude der juristischen Fakultät (A1) befindet sich auf dem Universitätscampus außerhalb der Innenstadt. Im Gebäude befinden sich auch die Fakultätsverwaltung, die Fakultätsbibliothek und eine kleine Mensa. Hauptsächlich finden hier die Licence (Bachelor)Vorlesungen und TDs statt. Die Veranstaltungen der Masterstudenten finden im Stadtzentrum statt. Sowohl die Fakultätsbibliothek, als auch die allgemeine Universitätsbibliothek sind wesentlich kleiner als in Heidelberg. Am Wochenende ist die Fakultätsbibliothek geschlossen und auch ansonsten sind die Öffnungszeiten und Ausleihfristen deutlich kürzer als man es aus Heidelberg gewöhnt ist. Im Allgemeinen wird mit Büchern nur wenig und ergänzend gearbeitet, auch Gesetzestexte werden nicht mit in die Vorlesung genommen und ergänzend beschriftet, sondern werden bei Bedarf vom Professor vorgelesen oder im Internet nachgelesen. Das liegt daran, dass der Lehrschwerpunkt auf den Vorlesungen liegt und das Mitgeschriebene das Miriam Laura Reich Hauptarbeitsmaterial bildet. Während der 3-stündigen Vorlesung wird wortwörtlich mitgeschrieben, was der Professor diktiert oder vorliest. Für viele Klausuren, besonders in den unteren Semestern, wird auch fast wörtlich auswendiggelernt. Leider beziehen nur wenige Professoren die Studenten aktiv mit Diskussionen und Fragen in die Vorlesung ein. Ganz besonders am Anfang ist man daher auf die Hilfsbereitschaft und die Aufschriebe der französischen Studenten angewiesen. Diese sollte man allerdings möglichst früh darauf ansprechen, da nicht alle Studenten ihre Unterlagen gerne weitergeben und manche Aufschriebe auch unvollständig oder nicht nachvollziehbar sind. Nur wenige Professoren stellen für ausländische Studenten auch ein Skript zur Verfügung. 2. Lehrveranstaltungen Im ersten Semester habe ich meine Vorlesungen entsprechend der Anforderungen des Certificat d’initiation au droit francais gewählt: Droit civil (L1), Droit constitutionnel (L1) und dazugehöriges TD, Introduction historique au droit (L1) und Libertés et droits fondamentaux (L3) und habe ergänzend an der Vorlesung Organisations européennes (L2) teilgenommen. Der Schwerpunkt der ersten zwei Zivilrechtssemester liegt leider anders als in Heidelberg auf dem Familienrecht. Die Vorlesung behandelt daher die weniger spannenden Themen Lebensanfang- und ende, Namensrechte und Wohnsitzwahl. Daher würde ich bei erneuter Wahl die Vorlesungen der Licence 2 mit Schwerpunkt Vertragsrecht bevorzugen. Auch die Vorlesung Introduction historique au droit ist eher monoton, allerdings wird von Monsieur Veillon am Ende ein Skript ausgeteilt, das das Erarbeiten des Prüfungsstoffes deutlich erleichtert und rechtliche und geschichtliche Zusammenhänge interessant darstellt. Zu empfehlen sind die Vorlesungen von Monsieur Mbongo Droit constitutionnel und Libertés et droits fondamentaux und die Vorlesung Organisations européennes von Monsieur Correia. Beide Professoren weichen von der normalen Diktiermethode ab, diskutieren über aktuelle Ereignisse und beziehen die Studenten in die Vorlesung mit ein. Monsieur Mbongo teilte den internationalen Studenten sogar ein separates Skript zur Prüfungsvorbereitung aus. Das dazugehörige TD in Verfassungsrecht ist - meiner Meinung nach - allerdings gewöhnungsbedürftig. Zu Beginn jeder Stunde wird ein 15-20 minütiger Wissenstest geschrieben, der selbstvorbereitete und auswendiggelernte Themen beinhaltete und anschließend benotet wurde. Grundsätzlich wird die Mitarbeit in den TDs benotet und fließt in die Gesamtnote mit ein. Während der restlichen 1 ½ Stunden müssen Referate über bestimmte Verfassungsthemen und daraus resultierende Fragen und Probleme gehalten werden. Erasmus-Studenten sind davon während des ersten Semesters ausgenommen und können anstelle eines Referates eine Hausarbeit schreiben. Am Ende des Semesters wird außerdem eine 3-stündige Klausur geschrieben. Die Vor-/Erarbeitung von Klausur und Hausarbeit ist sehr zeitaufwendig und sollte nicht unterschätzt werden, allerdings macht man hierdurch erhebliche sprachliche Fortschritte. In den anderen Vorlesungen müssen mündliche Prüfungen abgelegt werden, die mit verhältnismäßig wenig Aufwand gut zu bestehen sind. Für das zweite Semester habe ich mich für die Vorlesungen Droit civil (L1), Droit constitutionnel (L1), Droit de l’Union Européenne (L3), Economie politique (L1) und Miriam Laura Reich Relations internationales (L1) entschieden. Sehr gerne hätte ich in diesem Semester mehr Vorlesungen aus den höheren Semestern und Master gewählt, aber leider bauen die meisten der Vorlesungen auf dem Inhalt des Wintersemesters auf und überschneiden sich zeitlich häufig mit den Kursen der unteren Semester. Die Vorlesung Droit de l’Union Européenne von Monsieur Correia und auch Verfassungsrecht bei Monsieur Mbongo waren wieder sehr interessant und einmalig. Damit nicht zu vergleichen sind die Vorlesungen Economic politique und Relations internationales, sie sind gut geeignet um politisches Hintergrundwissen zu erwerben. 3. Sprachkurse Zu Beginn jedes Semesters finden an der Fakultät Lettre et Langue (A2) zentrale Einstufungstests (1 ½ bis 2 Stunden) statt. Hierfür sollte man sich zuvor im Sekretariat des Centre de Francais Langue Étrangère anmelden. Ohne Anmeldung ist eine Teilnahme grundsätzlich auch möglich, solange noch Plätze im Saal frei sind. Entsprechend dem erreichten Sprachniveau kann man sich im Sekretariat der Fakultät Lettre et Langue (A2) in die verschiedenen Kurse (Hörverstehen, Leseverstehen, schriftlicher Ausdruck, Grammatik, Präsentation/Kommunikation oder Kultur) einschreiben. Besonders die Kurse schriftlicher Ausdruck und Grammatik (Niveau B2) sind lohnenswert, da diese eine ideale Vorbereitung für eine Hausarbeit und offizielle Schreiben bieten. Zudem können am Centre FLE die französischen Sprachzertifikate DELF und DALF erworben werden, die Prüfungen hierfür finden Ende März und Ende Mai statt. 4. Sport (SUAPS) Das Sportangebot der Universität ist sehr vielfältig und bietet auch Wochenendausflüge zum Ski oder Kanu fahren, Klettern, Segeln und Surfen an. Nach einmaliger Zahlung von 10 Euro kann man sich pro Semester für 3 Sportkurse anmelden. Die Teilnahme an Wochenendausflügen ist unbegrenzt, allerdings müssen die Kosten für Unterkunft und Anreise selbst gezahlt werden. Bei der Anmeldung zu den sehr beliebten Wochenendausflügen, Kletter- und Fitnesskursen muss man sich beeilen, da diese zu Beginn jedes Semesters schnell ausgebucht sind. Wer nicht seekrank wird und la Rochelle gerne von einer anderen Perspektive aus sehen möchte, sollte sich auf gar keinen Fall ein Segelwochenende entgehen lassen. IV. Leben in Poitiers Poitiers ist mit 90.000 Einwohnern eine eher kleine und ruhige Stadt in Westfrankreich. Dennoch hat vor allem die auf dem Berg gelegene Altstadt mit ihren vielen kleinen Gassen, Fachwerkhäusern, Kirchen und dem zentralen Platz vor dem Hôtel de Ville viel Charme und Charakter. Neben kleineren Geschäften, Restaurants und Cafés gibt es auch ein Einkaufszentrum und ein Kino. Besonders im Frühling und Sommer finden auf dem Platz vor dem Hôtel de Ville immer wieder Festivals und Veranstaltungen statt, die Leben in die Stadt bringen. Kurz vor Weihnachten wird dort ein kleiner Weihnachtsmarkt aufgebaut mit einer kleinen Eisfläche zum Schlittschuhfahren. Wer in Poitiers Wald und Wiesen vermisst, wird im Parc Blossac oder im Stadtteil St. Benoît den perfekten Ausgleich finden. Miriam Laura Reich Außerdem ist Poitiers der ideale Ausgangspunkt für Städtereisen oder Kurzausflüge ans Meer. Poitiers liegt direkt an der TGV-Strecke Paris-Bordeaux, so dass die beiden Großstädte in nur 1 ½ bis 2 Stunden erreicht werden können. Andere schöne Städte wie Nantes, Orléans, Tours, Limoges, Angoulême, die Hafenstadt la Rochelle und die Schlösser im Loiretal sind in wenigen Stunden zu erreichen und auf jeden Fall einen Besuch wert. Nicht weit von Poitiers befindet sich auch der große Freizeitpark Futuroscope, der reduzierte Studentenpreise anbietet. Im vergangenen Jahr war es auch noch bis Ende Oktober sehr warm, so dass ich viele Ausflüge schon während des Wintersemesters machen konnte.