Rebecca Clarke, Komponistin im Wandel der Zeit_fomat_v1_docx
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Rebecca Clarke: Komponistin im Wandel der Zeit Masterarbeit Klaudia Tandl BA BA Matrnr.: 0810077 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Institut 7 – Gesang Masterstudium Gesang V 066 735 Betreuerin: Dr.phil. M.A. Christa Brüstle Graz, am 29.02.2016 INHALTSVERZEICHNIS 1 EINLEITUNG ........................................................................................ 1 2 LEBEN UND WERK DER BRATSCHISTIN UND KOMPONISTIN REBECCA CLARKE .................................................................................................... 4 2.1 BIOGRAPHIE................................................................................................................................ 5 2.2 WERK ....................................................................................................................................... 16 2.2.1 Lieder ............................................................................................................................... 16 2.2.2 Instrumentalwerk ............................................................................................................. 20 2.2.3 Chormusik........................................................................................................................ 22 2.3 ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................................................ 23 3 FRAUEN IM ÖFFENTLICHEN KONTEXT UM DIE JAHRHUNDERTWENDE ...... 25 3.1 REBECCA CLARKE .................................................................................................................... 29 3.2 ETHEL SMYTH .......................................................................................................................... 38 3.3 ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................................................ 44 4 REBECCA CLARKE UND DIE ENGLISH MUSICAL RENAISSANCE ................. 48 4.1 WAS IST DIE ENGLISH MUSICAL RENAISSANCE? ..................................................................... 48 4.2 REBECCA CLARKE UND DIE ENGLISH MUSICAL RENAISSANCE ............................................... 56 5 STILISTIK UND KOMPOSITORISCHE ENTWICKLUNG REBECCA CLARKES ... 64 5.1 THE CLOTHS OF HEAVEN ......................................................................................................... 67 5.2 THE SEAL MAN......................................................................................................................... 74 5.3 TIGER, TIGER ............................................................................................................................ 90 6 WAS HÄTTE REBECCA CLARKE KOMPONIERT, HÄTTE SIE EIN GRÖßERES WERK VERTONT? ......................................................................................... 100 7 ZUSAMMENFASSUNG ........................................................................ 105 8 LITERATURVERZEICHNIS.................................................................. 108 Kurzfassung: Rebecca Clarke: Komponistin im Wandel der Zeit Die vorliegende Masterarbeit setzt sich mit dem Leben und dem Werk der britischen Komponistin und Bratschistin Rebecca Clarke (1886-1979) auseinander. Es wird der Frage nachgegangen, warum Clarke als namhafte Komponistin nie ein orchestrales Werk vertonte, obwohl viele Indikatoren für die Gegebenheit ihrer kompositorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sprachen. Hinweise hinsichtlich ihrer Kompetenzen lassen sich nicht nur in ihren Memoiren, sondern auch in ihren vielen qualitativ hochwertigen Stücken finden. Die Ursachen für ein fehlendes orchestrales Werk in Clarkes Schaffen sind Thema dieser Arbeit und u.a. darauf zurückzuführen, dass ihr als Frau kreatives Schaffen gesellschaftlich aberkannt war, ihr ausreichend finanzielle Unterstützung fehlte und zwei Weltkriege samt deren wirtschaftlichen Folgen ihre Schaffensperiode überschatteten. In dieser Arbeit wird darüber hinaus der Begriff der English Musical Renaissance erläutert und Rebecca Clarkes Verbindung zu dieser Strömung sowie ihr Nutzen daraus besprochen. Eine Gegenüberstellung der Zeitgenossinnen Ethel Smyth und Rebecca Clarke soll einen weiteren Einblick in die Lebensrealitäten von Komponistinnen während der English Musical Renaissance geben. Trotz ihrer Vorreiterinnenrolle geriet Clarke nach ihrem Tod in Vergessenheit. Eine stetige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Clarkes Werk seit den späten 1970er Jahren hat zu zahlreichen Veröffentlichungen von wissenschaftlichen Schriften geführt, die in dieser Arbeit herangezogen werden. Abstract: Rebecca Clarke: Female Composer in Transition This master thesis deals with the life and work of the British composer and violist Rebecca Clarke (1886-1979). It investigates the question of why Clarke as a renowned composer never set an orchestral work to music, although many indicators spoke of the condition of her compositional skills. Notes with regard to her skills can be found not only in her memoirs, but also in its many high quality pieces. The causes of a missing orchestral work in Clarke's work are subject of this work and, inter alia, due to the fact that her creative work was socially withdrawn as a woman, she lacked sufficient financial support and two world wars, including their economic consequences overshadowed her creative period. In this work the concept of English Musical Renaissance also gets explained and Rebecca Clarke's connection to it, as well as her benefits out of it. A comparison of the contemporaries Ethel Smyth and Rebecca Clarke intended to provide an insight into the realities of composers during the English Musical Renaissance. Despite its pioneering role Clarke ran after her death into oblivion. A steady academic debate Clarkes work since the late 1970s has led to numerous publications of scientific papers, which are used in this work. Danksagung: Ich möchte mich bei meiner Betreuerin Christa Brüstle für die motivierenden Worte und die hilfreichen Anregungen bedanken, die es mir ermöglichten in einer sehr chaotischen Zeit diese Arbeit fertig zu stellen. Sie waren immer da für mich wenn ich Fragen hatte. Danke. Ich möchte mich bei meiner lieben Freundin Anna bedanken, die mir nicht nur mit Rat und Tat zu Seite stand, sondern auch durch viele fachliche Diskussionen neue Perspektiven aufzeigte. Weiters möchte ich mich auch bei meinem Lebenspartner Manuel bedanken, der mir nicht nur den Raum und viele hilfreiche computerbezogene Tipps gab, sondern viel Verständnis aufbrachte durch mein letztes Mastersemester hindurch. Danke, dass du mir gezeigt hast, wie man in einer sehr chaotischen Lebensphase die eigenen Energien einteilt um Ruhe zu bewaren. Der frische Kaffeeduft jeden Morgen war mein Antrieb in einen neuen Tag. 1 Einleitung Ausgehend von der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich 1870 veränderte sich das politische und wirtschaftliche Gefüge in ganz Europa. Eine Nationalisierung der einzelnen Staaten, allen voran Deutschland, machte sich in Europa breit. Die politische Verbindung Englands mit Deutschland durch die Heirat zwischen der englischen Königin Viktoria und dem deutschen Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha endete spätestens mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Bis dahin galt Deutschland (vor allem Leipzig und München) als musikalisches und kulturelles Zentrum. Viele MusikerInnen, vor allem aus dem englischen Sprachraum, brachten daher deutsche Traditionen ins Heimatland. Auch MusikerInnen aus Deutschland fanden aufgrund ihrer angesehenen Ausbildung sehr einfach Anstellungen in englischen Orchestern. Eine „Verdeutschung“ Englands führte soweit, dass Deutschland behauptete, England wäre ein „Land ohne (eigene) Musik“. Um diesem Vorurteil ein Ende zu bereiten, fanden in England große Anstrengungen statt, um das eigene Land Deutschland, Frankreich und ganz Europa gegenüber wettbewerbsfähig zu machen und die Hauptstadt London als weiteres musikalisches und kulturelles Zentrum mit eigener, nationaler Musik zu etablieren. Henry Cole und George Grove waren treibende Kräfte und gründeten in enger Zusammenarbeit mit dem Königshaus im Zuge der Aufarbeitung der englischen Musikgeschichte die RAM (Royal Academy of Music) und das RCM (Royal College of Music) in London. Hier wurden erstmals englische MusikerInnen und KomponistInnen ausgebildet. Durch die industrielle Revolution und den Aufschwung der Mittelschicht war ab Mitte des 19. Jahrhunderts mehreren Menschen der Zugang zu Bildung möglich. Die Ausbildung fand unter der Herrschaft Königin Viktorias unter einer sozial ungleichen Gewichtung der Geschlechter statt. Buben und Mädchen wurden getrennt voneinander unterrichtet und auch inhaltliche Unterschiede im geschlechtsspezifischen Lehrplan bestanden. Auch innerhalb der Familie wurden Buben und Mädchen unterschiedlich erzogen. Da Frauen als Ehefrauen für einen reibungslosen Ablauf des Familienalltags zu sorgen hatten und ein beruflicher Werdegang gesellschaftlich nicht akzeptiert wurde, wurde die Ausbildung von Mädchen intellektuell und fachlich weniger anspruchsvoll gestaltet und in der Folge schlechter bewertet als die von 1 Buben. Für die Frau galt die Ehe und Mutterschaft als Ziel ihres Daseins.1 Trotz all der gesellschaftlichen Hindernisse gab es Frauen (im Falle der vorliegenden Arbeit liegt die Konzentration auf Musikerinnen und Komponistinnen), die sich gegen das herrschende Gesellschaftssystem kämpferisch in der Öffentlichkeit zeigten (wie z.B. die in dieser Arbeit vorgestellte Ethel Smyth), aber auch solche, die ein zurückgezogenes Leben bevorzugten und sich subtiler den Herrschaftsstrukturen durch ihr musikalisches Schaffen widersetzten. Solch eine Frau war Rebecca Clarke, die im Zentrum dieser Arbeit steht. Clarke war die erste Studentin der berühmten Kompositionsklasse Sir Charles Stanfords am RCM, in die sie 1907 aufgenommen wurde. Clarke eignete sich dort den Brahms-Stil als kompositorische Grundlage an und die stete Pflege und Beachtung des englischen Erbes der Folklore, dem sie ihr ganzes kompositorisches Schaffen treu blieb. Clarke feierte bereits in ihren Studienjahren am RCM erste kompositorische Erfolge mit einer einsätzigen Sonate für Violine und Klavier und dem Stück Danse Bizarre für zwei Violinen. Nach ihrer Studienzeit nahm Rebecca Clarke 1919 (Cellosonate) und 1921 (Klaviertrio) am Berkshire Kompositionswettbewerb in den USA teil und erlangte zweimal den zweiten Platz. Die Reaktion auf die Tatsache, dass der zweite Platz von einer Frau erreicht wurde, teilte Elisabeth Sprague Coolidge – Gönnerin Clarkes und Gründerin der Kompositionswettbewerbe – Clarke mit den Worten mit: „Sie hätten ihre Gesichter sehen sollen als sie sahen, dass es von einer Frau stammte!“2 Mit diesen beiden Stücken betrat Rebecca Clarke das Terrain größerer, komplexerer musikalischer Formen (dreisätzige Sonatenform). Ein Vorurteil Frauen gegenüber war jedoch, dass sie geistig nicht in der Lage wären, komplexe Musiken zu vertonen. Clarke und viele andere widerlegten dieses Vorurteil. Um die Jahrhundertwende und im Zuge des Ersten Weltkrieges begannen sich Frauen immer mehr zu emanzipieren und sich für ihre Rechte einzusetzen. Auch diesen Strömungen (Women‘s Social and Political Union – „Suffragetten“) wird in dieser Arbeit Raum gegeben, da sie im unmittelbaren Zusammenhang mit Clarkes Möglichkeiten und Grenzen standen. Clarkes Geschichte zeigt auf, wie schwer es Frauen gefallen sein musste, sich in einer patriarchal dominierten Gesellschaft durchzusetzen, noch dazu in einer Berufssparte ohne fixes Einkommen. Diese gesellschaftlichen, ungleichen Bedingungen in der damaligen Zeit für Frauen und Männer, aber auch der Wandel, in dem sich Frauen in der englischen 1 Vgl. Kohnen, Daniela, Rebecca Clarke, Komponistin und Bratschistin, in: Deutsche Hochschulschriften, Nr. 1157, Verlag Dr. Markus Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach1999, S. 13. 2 Johnson, Christopher: Introduction to the Trio for piano, violin and cello by Rebecca Clarke. Da capo Press New York 1980. 2 Gesellschaft bewegten, werden im 2. und 3. Kapitel der vorliegenden Arbeit anhand Rebecca Clarkes Leben, Werk und Arbeitsbereiche sowie der damaligen gesellschaftlichen Möglichkeiten von Frauen vorgestellt. Um einen Einblick in die Situationen ihrer Zeitgenossinnen zu gewähren, werden die Biographie und das Werk von Ethel Smyth im 3. Kapitel in Augenschein genommen. Ein Überblick über einige musikalische Beispiele Clarkes wird im 4. Kapitel gegeben, analysiert und besprochen. Es werden des Weiteren Clarkes Vorbilder und Einflüsse gestreift. Rebecca Clarke, die neben ihrem Komponistinnendasein hauptsächlich Bratschistin war, war eine der ersten sechs Frauen, die eine feste Anstellung im Londoner Queen‘s Hall Orchestra 1912 erhielt. Ihre Karriere als Bratschistin wird in der vorliegenden Arbeit nur zweitrangig erörtert, da ihr Schaffen als Komponistin im Vordergrund steht. Die vielen Lieder Clarkes, die neben ihren bekannteren Instrumentalwerken den Hauptteil ihres Schaffens ausmachen und in dieser Arbeit hauptsächlich betrachtet werden, sind teilweise in Vergessenheit geraten. Die Ursache liegt nicht nur bei Rebecca Clarke selbst, auch die rechtliche Situation der Verwaltung ihres Nachlasses spielt hier eine große Rolle. Den Kern dieser Arbeit stellt das sechste Kapitel dar. Da Rebecca Clarke, die als Komponistin und Bratschistin eine gesellschaftliche Außenseiterinnenrolle einnahm, keine größeren Werke komponierte, stellt sich die Frage, welches Werk sie komponiert hätte, wäre ihr Leben anders verlaufen. Der Frage, ob Rebecca Clarke ein Produkt der English Musical Renaissance ist, wird ebenso nachgegangen wie der Frage, ob ihr dies den Weg für eine internationale Karriere als Bratschistin und Komponistin verstellt oder geebnet hat. Um diesen Fragestellungen nachzugehen, wird auf Publikationen von vielen, vor allem in der Genderforschung tätigen Musikwissenschafterinnen, allen voran von Dr. Liane Curtis (A Rebecca Clarke reader, A Case of Identity: Rescuing Rebecca Clarke, Clarinet and Viola Featured in Rebecca Clarke's 1941 Duett), aber auch Daniela Kohnen, Bryony Jones oder Deborah Stein Bezug genommen, sowie auf die Dissertation von Marin Ruth Tollefson Jacobson Stylistic development in the choral music of Rebecca Clarke, oder das Lexikon Musik und Gender, herausgegeben von Annette Kreutziger-Herr und Melanie Unseld. Weiters wurden Informationen von der Website http://mugi.hfmt-hamburg.de/ sowie http://www.rebeccaclarke.org/ herangezogen. 3 2 Leben und Werk der Bratschistin und Komponistin Rebecca Clarke Rebecca Clarkes Leben erscheint wie eine von einem Schleier überzogene Geschichte, die nur durch Zufall am Ende ihres Lebens enthüllt wurde. Der New Yorker Journalist und Radiosprecher Robert Sherman wurde im Jahre 1976 auf Rebecca Clarke durch die Buchautorin Marian C. McKenna aufmerksam. McKenna schrieb damals an einem Buch (A Portrait, Myra Hess) über die grandiose und sehr bekannte britische Pianistin Myra Hess und war bei Sherman im Radio zu Gast, um über ihr Buch zu sprechen. Bei Recherchearbeiten in England, erzählte McKenna,wurde sie von jemandem auf Rebecca Clarkes Bekanntschaft mit der schon verstorbenen Pianistin aufmerksam gemacht. Im persönlichen Gespräch mit Rebecca Clarke wurde McKenna klar, dass sie nicht nur eine professionelle Musikerkollegin, sondern auch eine Freundin aus den ersten Studienjahren von der sehr bekannten britischen Pianistin war. Sherman wollte nun Hess in einer Radiosendung ehren und Rebecca Clarke als Zeitzeugin zu diesem Thema interviewen. Im Laufe dieses Gesprächs wurde Sherman bewusst, dass Rebecca Clarke nicht nur eine sehr geachtete Bratschistin und Kollegin Hess‘ war, sondern auch eine international bekannte und geehrte Komponistin der damaligen Zeit. Nachdem Sherman ein Konzertprogramm, in dem Hess und Clarke gemeinsam musizierten, sah und ausschließlich Stücke von Rebecca Clarke präsentiert wurden, wurde ihm klar, dass er es hier mit einer Frau von Weltrang zu tun hatte. Daraufhin wollte er Clarke ein zweites Mal, aber nun zu ihrem 90. Geburtstag interviewen und ihr eine weitere Radiosendung widmen. Abermals wurde das Interview in der Wohnung von Rebecca Clarke in New York aufgenommen, da es der 90-jährigen Rebecca Clarke zu anstrengend gewesen wäre, ins Radiostudio zu kommen. Das Interview zu Ehren Rebecca Clarkes 90. Geburtstag wurde am 30. August 1976 auf Radio WQRX im Programm „The Listening Room“ ausgestrahlt.3 Die Sendung beinhaltete ebenfalls eine Präsentation verschiedener KünstlerInnen von Werken von Clarke: Die Sonate für Bratsche, das Klaviertrio und die drei Lieder Shy one,The Seal Man und June Twilight. Seit dem ersten Interview im Februar 1976 standen Clarke und Sherman im regen Briefkontakt. Clarke teilte Sherman zum einen den Istzustand bezüglich 3 Vgl. Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Brandeis University 2004, S. 170. 4 der Beschaffung von Kopien ihrer eigenen, vergriffenen Werke mit, und zum anderen bedankte sie sich bei Sherman für seinen Einsatz, ihr ein zwar kleines, aber schönes Revival im Radio ermöglicht zu haben. In einem im Mai 1976 verfassten Brief an Sherman schreibt Clarke: „Your notes speak of thanking me for’ all my splendid help’, that is all wrong; it is I who should be thanking you for all you are doing! I appreciate it very much.“4 Durch Shermans Sendung im Radio und der künstlerischen Darbietung Clarkes Werken wurden viele junge Menschen, vor allem Studierende und MusikerInnen, auf Clarkes Musik aufmerksam. Ein Anstieg der Nachfrage nach Rebecca Clarkes Kompositionen wurde bemerkbar. MusikerInnen brachten große Begeisterung für Clarkes Musik auf. Der miserable Zustand der Zugänglichkeit ihrer Werke und die Qualität und Aussagekraft ihrer veröffentlichten Kompositionen machte MusikerInnen und MusikwissenschafterInnen neugierig darauf, mehr über ihr Leben und Werk zu erfahren und dem Grund nachzugehen, warum so wenig Information zu verschiedensten Musikerinnen und Komponistinnen vorhanden ist. 2.1 Biographie Rebecca Clarkes Vater Joseph Thacher Clarke (1856-1920) war US-Amerikaner aus Boston und kam als Vertreter der Firma Eastman Kodak Company nach Europa. Auf diesem Wege lernten sich Rebeccas Eltern in Deutschland kennen. Agnes Helferich (1861-1935), Rebeccas Mutter, war die Tochter des Professors Hans Helferich, der in München die Professur für Wirtschaftspolitik innehatte. Die Hochzeit von Joseph und Agnes fand 1885 in München statt. Als Joseph Clarke in London eine Tochterfirma von Eastman Kodak Company in Betrieb nehmen sollte, übersiedelte das jungvermählte Paar dorthin. Rebecca wurde als erste von vier Kindern am 27. August 1886 in der Kleinstadt Harrow/Middlesex geboren. Ihre Geschwister hießen Hans (1887-1972), Eric (1890-1968) und Dora (1895-1989). Die Familie Clarke führte ein typisches Leben einer gehobenen Mittelstandsfamilie in einem Londoner Vorort. Rebeccas Eltern führten eine sehr konservative und dem viktorianischen Zeitalter5 entsprechende Ehe, wobei Joseph das alleinherrschende Familienoberhaupt darstellte. In einem Interview mit der Musikologin Ellen D. Lerner erzählte Clarke, wie strikt ihr Vater zu 4 Curtis, Liane (Hg.):A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S.170. 5 Das Viktorianische Zeitalter beschreibt die regierenden Jahre der Königin Viktorias (1837-1901) des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland. 5 den Kindern gewesen sei, und auch in Daniela Kohnens Biographie Rebecca Clarke, Bratschistin und Komponistin ist ersichtlich, welch harte und brutale Erziehungsmethoden ihr Vater an den vier Kindern anwendete. Ganz nach dem Zeitbild viktorianischer Kindererziehung war körperliche Züchtigung nach Nichterfüllung von Aufgaben oder Fehlverhalten eine vorzufindende Praxis. Der damalige Zeitgeist besagte, dass Kinder ihre Väter dazu „zwangen“ solch harte Bestrafungen anzuwenden und Väter lediglich Ausübende von Behandlungsformen seien. So wurden alle vier Kinder der Familie Clarke regelmäßig brutal geschlagen. Die Mutter Agnes musste vor der Türe des Elternschlafzimmers stehen bleiben und konnte das Geschehen nur weinend abwarten. Spricht Rebecca Clarke in ihren Interviews aus den späten 1970er Jahren stehts sehr wohlwollend über ihre Mutter, kommt die Härte und Kälte ihres Vaters immer wieder zum Vorschein. Aus der Biographie Daniela Kohnens ist zu entnehmen, dass Rebecca Clarke ihr ganzes Leben mit dem Liebesentzug seitens ihres Vaters zu kämpfen hatte. Joseph Clarke hat nicht nur seine Kinder erniedrigt und gedemütigt, sondern auch seine eigene Frau. Schon kurz nach der Hochzeit hatte Joseph Affären mit anderen Frauen. Er gab diese auch in der Öffentlihckeit preis brachteeines Tages eine dieser Frauen in einem Flügel des Familienhauses unter. Agnes hatte sich ihrem Mann voll und ganz untergeordnet und all diese Erniedrigungen über sich ergehen lassen. Ihr jedoch ist es zu verdanken, dass ihre vier Kinder immer einen guten Kontakt zueinander hatten, auch über Kontinente hinweg. Agnes sorgte dafür, dass ein intaktes Familienleben gelebt wurde und ein Zusammenhalt bestand. Neben all den grauenhaften Dingen, die Joseph seiner Familie angetan hatte, war er die Person, die Rebecca Clarke Zugang zur Musik ermöglichte, zunächst jedoch nur als Zuhörerin. In einem weiteren Interview, mit Nancy Usher (A Rebecca Clarke Reader), erzählt Clarke, dass ihr jüngerer Bruder Hans die Erlaubnis bekam, Geigenunterricht zu nehmen. Rebecca durfte jedoch nur zuhören im Unterricht ihres Bruders. Nach einiger Zeit, da Rebecca sehr aufnahmefähig war, war sie jedoch viel besser auf der Geige als er selbst, und somit wurde auch ihr der Unterricht auf der Geige gestattet. Rebecca Clarke wurde, trotz des Status der Ältesten unter vier Geschwistern, immer Verantwortungsbewusstsein abgesprochen, da der damalige Zeitgeist Jungen erwachsener erscheinen ließ als Mädchen, unabhängig ihres Alters. Diese Herabwürdigung wurde mit einem Spitznamen „Beccle“ verstärkt, während ihr jüngerer Bruder Hans im Gegensatz nie einen verniedlichenden Spitznamen bekam. Joseph Clarke war ein begeisteter, wenn auch nur mittelmäßiger Amateurcellist und Liebhaber von Kammermusik. Die ganze Familie musste, da es der viktorianischen 6 Lebensweise entsprach, mit ihm musizieren. Agnes musste bei Quartetten oft der Bratsche spielen, obwohl sie Klavierspielen gelernt hatte und vor allem das Primavista-Spiel gut beherrschte. Auch hier gehorchte sie ihrem Mann ohne Widerrede. Rebecca empfand die gemeinsame Hausmusik unter der Leitung ihres Vaters wie folgt: „Wir wurden konfrontiert mit einigen der sogenannten ‘leichten‘ Haydnquartette (was ist eigentlich noch schwerer, als ein simples Haydnquartett gut zu spielen?). Es muß schrecklich geklungen haben. Ich war die erste Geige, Hans die zweite, und Mama tappte auf der Bratsche herum, ich bezweifle, daß sie schon jemals eine zuvor in der Hand gehalten hatte, aber wahrscheinlich hatte Papa ihr einfach eine in die Hand gedrückt und befohlen zu spielen. Er selbst zeigte sich ganz in seiner Herrlichkeit, schnaufte und grunzte über die hohen Noten in seinem Cellopart und sage uns, was wir zu tun hatten.“6 Rebeccas musikalisches Talent und ihr Interesse für Musik hatte bei Hauskonzerten für Freunde der Familie einen, für ihren Vater, großen Vorzeigeeffekt und machte ihm große Freude. Aus diesem Grund (wahrscheinlich) nahm Joseph seine Tochter Rebecca in klassische Konzerte mit. London hatte sich in dieser Zeit zu einer der blühendsten Musikmetropolen Europas etabliert, und Rebecca Clarke kam sehr früh mit Musik von hochrangigen MusikerInnen in Berührung. Dies prägte Rebeccas musikalische Persönlichkeit von Kindesbeinen an. Literatur von Joseph Hadyn, vor allem ein Trio aus einem seiner Quartette, oder Lieder für Singstimme, Viola und Klavier von Johannes Brahms beeindruckten sie sehr. Vor allem aber der Klang der Viola blieb nachhaltig in ihrer Erinnerung und beeinflusste Clarke in ihren späteren Studienjahren stark. Ein krönendes Erlebnis für die vierzehnjährige Rebecca war der Besuch der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 gemeinsam mit ihrem Vater. Dieser reiste, mit Rebecca in Begleitung, als Vertreter der Eastman Kodak Company dorthin, um am künstlerischen und technischen Puls der Zeit zu bleiben. Zur Jahrhundertwende machte sich ein Trend bemerkbar, der sich vor allem mit fern -östlicher Musik und Kultur auseinandersetzte. Eines der prägendsten klanglichen Erlebnisse für Rebecca war das im Zuge der Weltausstellung stattfindende Konzert eines Javanesischen Gamelan-Orchesters. Sie konnte sich für diese Musiksprache sehr begeistern, und in einigen ihrer Werke nutzte sie diese Tonsprache (Chinese Puzzle, oder 2. Satz der Violonsonate). Nach der Parisreise fasste Rebecca Clarke den Entschluss, sich auf ein Studium der Violine an der Royal Academy of Music ernsthaft vorzubereiten. 1902 wurde sie dann an der RAM 6 Johnson, Christopher, Introduction to the Trio for piano, violin and cello by Rebecca Clarke. Da capo Press New York 1980. 7 mit sechzehn Jahren aufgenommen und kam in die Klasse des österreichischen Geigenpädagogen Hans Wessely. In seiner Klasse hatte auch Lionel Tertis, Clarkes späterer privater Bratschenlehrer studiert. Dieser schreibt über Wessely: „Professor Wessely war ein guter Geiger, ein klassischer Spieler, eher kalt, aber mit gutem technischen Können ausgestattet. Er war diktatorisch, mit der Neigung zum Eingebildetsein, und als Lehrer eher streng. Er unterrichtete gut bis auf den Punkt, jedoch nur bis auf den Punkt, denn die wichtigsten Kniffe der Materie behielt er eifersüchtig für sich selbst.“7 Trotz seines Drills und seiner strikten Unterrichtsmethode kam Clarke gut mit ihm zurecht. Clarke spielte im Akademieorchester zweite Geige unter der Leitung von Alexander Mackenzie, der zu dieser Zeit auch Direktor der RAM war. In dieser Zeit an der RAM lernte Clarke die Pianistin Myra Hess kennen, die zuvor erwähnt wurde. Ein weiterer Kommilitone Clarkes war der Komponist Arnold Bax (1883-1953), dem Clarke noch einige Male in ihrem Leben begegnen würde. Es zeigte sich sehr früh, dass Clarke sich inmitten der aufstrebenden MusikerInnen und KomponistInnen bewegte und dies sie in ihren ersten Studienjahren stark beeinflusste. Als Nebenfach zur Violine belegte Clarke Harmonielehre und Kontrapunkt bei Percy Hilder Miles. Er war ein Freund ihres Vaters, und als Miles der sehr attraktiven 16-jährigen Rebecca einen Heiratsantrag machte, nahm er seine Tochter wieder von der RAM und beendete ihr Violonstudium unmittelbar. Das traf Rebecca Clarke hart. Ein Leben von künstlerischer Fülle, Austausch und musikalischer Zukunft fand sich nun in einem tristen, vom Vater tyrannisierten Elternhaus wieder. Die Zeit an der RAM hatte sie sehr inspiriert und diese musikalischen Einflüsse setzte sie in den drei Jahren im Elternhaus in Form von Liedern in Musik um. Es ist bekannt, dass Rebecca schon 1903 ihr erstes Lied, während ihrer Zeit an der RAM, schrieb. Diese Zeit war sehr intensiv für Rebecca Clarke, und viele Jahre später verglich sie die Momente des Schaffens mit dem Gefühl, das sie beim Liebesakt hatte.8 In ihr reifte der Gedanke heran, anstatt Musik zu interpretieren, Musik kreieren zu wollen und dies als Beruf auszuüben. Joseph Clarke war natürlich gegen das Berufsziel seiner Tochter und um ihr alle Hoffnungen zu nehmen, schickte er dem Kompositionslehrer dieser Zeit, Sir Charles Stanford, einem Bekannten Clarkes, einige der Werke, die Rebecca zwischen 1903 und 1907 komponierte. Standford war eine der einflussreichsten Gestalten im nationalen Musikleben 7 Tertis, Lionel: My Viola and I, Kahn & Averill, London 1991, S.15. Vgl.Kohnen, Daniela: Rebecca Clarke, Komponistin und Bratschistin, in: Deutsche Hochschulschriften Nr. 1157, Dr. Markus Hänsel-Hohenhausen (Hg.), Egelsbach, 1999, S. 26. 8 8 und hatte die Professur für Komposition am Royal College of Music inne. Clarke erwartete sich ein hartes, vernichtendes Urteil, um seiner Tochter alle Hoffnungen zu zerschlagen. Joseph Clarke und viele andere Männer dieser Zeit meinten, eine intellektuelle Bildung, in diesem Fall ein Kompositionsstudium, wäre für eine junge Frau schädlich. Weiters war der allgemeine gesellschaftliche Konsens vorherrschend, dass, wenn junge Frauen mit Männern auf wissenschaftlicher Ebene konkurrierten, geistige Zusammenbrüche der Frauen die Folge wären. Der Psychologe Henry Maudsely schrieb zu diesem Thema 1879: „Girls are more liable to suffer at this period, I think, than youths; and it is not difficult to understand why. In the first place, the affective life is more developed in proportion to the intellect in the female than in the male sex, and the influence of the reproductive organs upon the mind more powerful; secondly, the range of activity of women is so limited, and their available paths of work in life so few, compared with those which men have in the present social arrangements, that they have not, like men, vicarious outlets for feelings in a variety of healthy aims and pursuits; [...]“9 Zu Joseph Clarkes Verwunderung zeigte sich Stanford jedoch auf die Zusendung der Werke, ausschließlich Lieder, sehr interessiert. Stanford bot Clarke nun an, seine Tochter in die berühmte Kompositionsklasse am RCM aufzunehmen, um zu sehen, ob sie sich durch seinen Unterricht verbessern und weiterentwickeln würde. Nun hatte Joseph Clarke keine Mittel mehr, Rebecca dieses Vorhaben auszureden. Rebecca Clarke war zwar nicht die erste Frau, die in England an einer Universität Komposition studierte, doch war sie die erste Studentin von Charles Stanford, wodurch sie sich sehr geehrt fühlte. Im Herbst 1907 begann Rebecca Clarke mit dem Kompositionsstudium bei Charles Stanford und Fuge und Kontrapunkt bei Sir Frederick Bridge. Clarke verzeichnet die folgenden Jahre als sehr glückliche und bereichernde. Sie war sehr strebsam und empfand den einmal pro Woche stattfindenden Unterricht bei Stanford als Höhepunkt. Stanford, der als „father of modern British music“ bezeichnet wurde, beeinflusste nicht nur Rebecca Clarke maßgeblich, sondern eine ganze aufstrebende KomponistInnengeneration, darunter Vaughan Williams, Gustav 9 Maudsley, H.: The Pathology of Mind. London: Macmillien 1879, in: Showalter, E.: The female malady, Pantheon Books, New York 1985, S.130. 9 Holst, John Ireland, Frank Bridge, Arthur Bliss, Charles Wood. Auch Clarkes späterer Ehemann James Friskin hatte in der Kompositionsklasse Stanfords studiert. Rebecca Clarke kam in ihren ersten Studienjahren mit der Tonsprache Debussys und Ravels in Berührung, was ihre eigene Tonsprache erweiterte. Benutzte sie zuvor eine spätromantische Klangsprache, bereicherte sie diese mit impressionistischen Elementen mit nichtfunktionsgebundenen Harmonien (Sept-, Nonakkorde und Akkorde mit hinzugefügter Sext ohne Auflösungstendenz) sowie Quint- und Dreiklangsparallelen. Für Clarke stand ein klangfarblicher Ausdruck des poetisch musikalischen Gedankens näher als tonalen Funktionen und deren Normen zu folgen. Atmosphäre, Ausdruckskraft und sehr diffizile Stimmungen durchzogen ihr Schaffen schon nach kurzer Zeit im Studium. Dafür nutzte sie Dissonanzen und Akkorde in der Gestalt von Akkordparallelen oder baute Tritoni und übermäßige Akkorde ein, um Sekundreibungen und Verwischung von Tonartengeschlechtern zu erreichen. Neben dem Bezugssystem der Diatonik beherrschte Clarkes Schaffen auch: Pentatonik, Chromatik, Ganztonleitern und Kirchentonarten. Wie in der Einleitung erwähnt lehrte Stanford Clarke sowie allen anderen Studierenden den Brahms-Stil und wirkte als starkes Vorbild der Pflege und Beachtung des englischen musikalischen Erbes von Folklore. Dieses nationale Bewusstsein und die Verbindung englischer Wurzeln mit modernem Zeitgeist ist der Generation Stanfords zu verdanken. Rebecca Clarke feierte rasch kompositorische Erfolge am RCM und konnte sich durch Geldpreise Teile ihrer Ausbildung, die immense Höhen betrugen, selbst bezahlen. Dies waren eine einsätzige Sonate für Violineund Klavier und das Stück Danse bizarre für zwei Violinen. Joseph Clarke, der nach wie vor gegen den Berufswunsch seiner Tochter war, verweigerte ihr im Jahre 1910 weitere finanzielle Unterstützung, woraufhin Rebecca sich für immer von ihrem Vater abwandte. Rebecca war nun finanziell auf sich selbst gestellt. Durch die Hilfe des Direktors des RCM, Sir Hubert Parry (1848-1918), war es Rebecca Clarke möglich, ihr Studium weiterzuverfolgen. Ob sie ihr Studium 1910 abschloss oder abbrach, konnte bis heute nicht belegt werden. Rebecca Clarke war eine sehr kontaktfreudige und humorvolle Person, und sie war mit anderen KommilitonInnen gut vernetzt. Während des Studiums war sie Mitglied eines Amteurgesangsvereins, der sich „Palestrina Society Choir“ nannte. Dieser Verein wurde von verschiedenen KomponistInnen genutzt (darunter wahrscheinlich auch Rebecca Clarke), um neue Chor- und Gesangskompositionen auszuprobieren. Darüberhinaus stand Clarke in Kontakt mit der „Society of Women Musicians“ und machte sich als mittlerweile sattelfeste 10 Bratschistin einen Namen.10 Mit diesen Kontakten konnte sie sich als Bratschistin über Wasser halten und sogar ein Zimmer in London bezahlen. Zunächst spielte sie jeden Sonntag in einer Theosophischen Kirche, später hatte sie zeitlich begrenzte Anstellungen in verschiedenen kleineren Ensembles und Orchestern im Umkreis von London und sogar Soloauftritte. Das erste namhafte Ensemble, dem Clarke, mit Empfehlung von Sir Charles Stanford, nach Beendigung ihres Studiums beitrat, war das nur aus Frauen bestehende „Clench Streichquartett“. Ihre Kolleginnen waren Norah Clench und Lucy Stone (Violinen) sowie May Mukle (Cello), alles Musikerinnen mit internationalem Rang. Das Ensemble war bekannt für Interpretationen zeitgenössischer Werke, wie zum Beispiel Max Regers Streichquartett in d- Moll in der englischen Erstaufführung, oder Cyril Scotts Streichquartett op. 28.11 1912 bekam Clarke, als eine der ersten Frauen eine feste Anstellung in dem von Sir Henry Wood geleiteten „Queen´s Hall Orchester“ in London, die sie zwei Jahre innehatte. Auch hier war Rebecca Clarke u.a. mit neuesten Komposititonen aus dem In- und Ausland konfrontiert. Als sich das „Clench Quartett“ auflöste, gründete und leitete Rebecca Clarke „The English Ensemble“ mit den Musikerinnen May Mukle, Marjorie Hayward (Violine) und der Pianistin Kathleen Long (Piano), und sie feierten bald internationale Erfolge. Ab 1914 spielte Clarke auch im „Pro Musica String Quartet“ mit Jelly d´Aranyi und Adila Fachiri an den Geigen und der portugisischen Cellistin Guilhermina Suggia. Clarke gehörte bald zu den gefragtesten Musikerinnen in England. Viele ihrer weltweit verstreuten Kontakte verdankt Rebecca Clarke dem musikliebenden Ehepaar Paul und Muriel Draper, die 1911 von Italien nach England emigrierten und durch Glücksspiel recht bald zu großen Reichtum kamen. Mit dem Geld errichteten sie sich ein Studio im Eigenheim, wo regelmäßig international hochrangige MusikerInnen zusammentrafen, um sich auszutauschen und gemeinsam zu musizieren, darunter auch Rebecca Clarke. Clarkes Bekanntheitskreis wurde immer größer, und viele KomponistInnen baten sie, ihre Neukompositionen zu spielen und uraufzuführen. Darunter waren Vaughan Williams, Maurice Ravel, Gustav Holst, Ethel Smyth, Frank Bridge, Arnold Bax, William Walton und Percy Grainger. In diesen Jahren komponiert Rebecca Clarke sichtlich weniger, 10 Standford riet Clarke auf die Viola zu wechseln und im Hochschulorchester zu spielen, da man seiner Meinung nach von dieser Position gut das jeweilige Werk samt seinen Verläufen gut beobachten kann. Lionel Tertis, der damalige Pionier in der Etablierung der Bratsche war Clarkes Privatlehrer ab 1910. Tertis nahm später Werke Clarks in sein Konzertprogramm auf. 11 http://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/May_Mukle (26.01.2016) 11 doch hat sie großen Erfolg in Konzerten und mit der Herausgabe zweier 1912 komponierten Lieder Shy One und Clothes of Heaven. 1916 startete Clarke mit ihrer Kollegin May Mukle eine Amerika-Konzertreise, die eine Saison dauern sollte, doch für Clarke im Endeffekt vier Jahre dauerte. Auf ihrer Reise lernte Clarke im Sommer 1917 Elisabeth Sprague Coolidge (1864-1953), eine bedeutende Musikmäzenin, kennen. Durch diese Begegnung fand Rebecca Clarke, die Jahre davor sehr wenig komponierte, wieder Raum und Energie, sich dem Komponieren zu widmen. Diesmal wendet sie sich das erste Mal einer größeren Form, der dreisätzigen Sonate, zu. Wie in der Einleitung erwähnt, gewann Clarke mit diesem Stück den zweiten Platz beim internationalen Berkshire Kompositionswettbewerb, wozu sie von der Gründerin Coolidge, die Clarkes kompositorisches Können sehr schätze, angeregt wurde. Die Tatsache, dass das zweitplatzierte Stück aus der Feder einer Frau stammte, sorgte für Furore und machte Clarke auf einen Schlag berühmt. Als Clarkes Vater 1920 in England stirbt, kehrt sie nach zehn Jahren erstmalig wieder nach Hause zurück und wohnt einige Zeit mit ihrer Mutter und der jüngsten Schwester Dora zusammen. Clarke war zu dieser Zeit sehr produktiv, und es war ihr sogar möglich, einige ihrer Werke bei Londoner Verlagen („Winthrop Rogers“, „Cester Music“) zu veröffentlichen. Das Trio für Violine, Cello und Klavier vom Jahr 1920 etablierte sich neben der Viola Sonate von 1919 als zweites Hauptwerk in Clarkes Schaffen, und es gewann 1921 abermals den zweiten Platz bei Coolidges Wettbewerb in Pittsfield, Massachusetts. 1922 entstand The Seal Man, ein Lied für Singstimme und Klavier nach dem Prosatext von John Masefield, dessen Legende Clarke sehr lieb war, sowie Clarkes erster, von insgesamt fünf publizierten Artikeln in der Zeitschrift „Music and Letters“ zum Thema The History of the Viola in Quartet Writing.12 Coolidge, die im ständigen Briefkontakt mit Clarke stand, vergab für das Jahr 1923 zwei Auftragswerke für ihr Festival in Berkshire, Pittsfield. Eugéne Goossens sollte ein Streichsextett vertonen und Rebecca Clarke bekam den Auftrag, für Cello und Klavier zu komponieren. Die Uraufführung, als erstes Auftragswerk der Komponistin, das die Form einer Rhapsodie bekam, spielten keine anderen als May Mukle und Myra Hess am 29. September 1923 beim Berkshire Festival. Clarke widmete die Rhapsodie Elisabeth Sprague Coolidge. 12 Vgl. Kohnen, Daniela: Rebecca Clarke, Komponistin und Bratschistin, in: Deutsche Hochschulschriften Nr. 1157, hg. von Dr. Hänsel-Hohenhausen, Markus, Egelsbach 1999, S. 74. 12 Ende des Jahres kam Clarke nach England zurück, und zu ihrer Freude beschloss das Komitee der British Music Society, darunter Frank Bridge, Arnold Bax, Eugéne Goossens, Clarkes Klaviertrio den Verantwortlichen der Salzburger Festspiele zu unterbreiten. Leider hat das Festspielgremium Clarkes Werk abgelehnt, doch sie selbst fühlte sich sehr geehrt, als nationale Vertreterin ausgewählt worden zu sein.13 Darüberhinaus fand ein Portraitkonzert Rebecca Clarkes 1925 in der Wigmore Hall in London statt, das ihre Anerkennung als Komponistin festigte. Clarkes, schon in Studienzeiten geknüpfte Kontakte, wie zur „Society of Women Musicians“, und die Gründung zweier hochrangiger Ensembles, „The English Ensemble“ und „Pro Musica string quartet“, trugen in den 1930er Jahren Früchte. Clarke konzertierte nicht nur europaweit mit ihren Ensembles, sie trat auch solistisch auf, für Aufnahmen der BBC (British Broadcasting Corporation). Clarkes Schaffen weist Mitte der 1920er Jahre eine voranginge Auseinandersetzung mit englisch, irischer Literatur auf. Vor allem die Arragements zu Three Old English Songs und Three Irish Country Songs zeugen von Clarkes Heimatbezogenheit und der „English Renaissance“. Aus Clarkes Biographie geht hervor, dass sie über eine längere Zeitspanne eine Affäre mit dem verheirateten Bariton John Goss hatte. Diese sehr schwierige Situation, der Tod ihrer Mutter Agnes Clarke 1935 und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lässt darauf schließen, dass ihr Schaffen von 1930 bis zum Beginn der 1940er Jahre stark darunter litt und ihre Schaffensenergie bis zu Gänze forderte. Es sollten zehn Jahre vergehen, bevor Clarke eine weitere Reise nach Amerika antrat. Nach zwei kurzen Reisen 1934 und 1937 wollte sie auch 1939 für kurze Zeit nach Amerika, doch der Ausbruch des Krieges zwang sie, in den USA zu bleiben. Im Herbst 1940 fand Clarke Beschäftigung bei einem New Yorker Radio Sender und 1942 nahm sie aus finanziellen Nöten und zu wenig bezahlten Engagements als Solistin eine Anstellung als Haushälterin und Kindermädchen in Conneticut an. Das letzte Stück, mit dem Clarke vor ihrer Eheschließung mit James Friskin 1944 Erfolg feiern konnte, war eine Suite für Viola und B-Klarinette, Prelude, Allegro, and Pastorale. Clarke wurde in die Liste der Englischen Gruppe beim „International Society of Contemporary Music“ in Berkeley (Kalifornien), wie sie sagt, als 13 Diese Ablehnung Clarkes Werk mag auch auf die finanziell schlechte Lage, die Zerstrittenheit innerhalb der Festspielleitung und dem Nutzungsverbot der Kollegienkirche zurückzuführen sein. Im Jahre 1924 gab es keinen einzigen musikalischen Betrag im Rahmen der Festspiele. Dies war im darauffolgenden Festspieljahr jedoch wiedergegeben und kann auf folgender Website nachgesehen werden: http://www.salzburgerfestspiele.at/geschichte/1924. 13 einzige Frau aufgenommen. Clarke hatte das Werk ursprünglich für ihren Bruder, einen sehr guten Amateurklarinettisten, geschrieben. Friskin war ein ehemaliger Kommilitone aus Stanfords Kompositionsklasse am RCM, der an der Juilliard School in New York unterrichtete. Beide waren zu diesem Zeitpunkt 58 Jahre alt und konzertierten einige Jahre als Kammermusikduo. Clarke, wie sie selbst in Interviews erzählte, interessierte sich damals immer stärker für die Arbeit ihres Mannes. Ab 1945 lehrten beide am „Chautauqua Institute“, der Rebecca Clarke ab 1949 als Präsidentin bevorstand. Rebecca Clarke erkrankte an Arthritis Ende der 1940er Jahre und musste ihre Konzerttätigkeit zur Gänze beenden. Zwischen 1946 und 1956 hielt Clarke regelmäßig Konzerteinführungen und Vorträge über Kammermusik, u.a. am „Chautauqua Institute“ und im „WQXR radio“ in New York City. Zu diesem Zeitpunkt komponiert Clarke nur mehr wenig, ausschließlich im privaten Rahmen. 1954 beendet sie ihr letztes Werk, ein Lied mit dem Titel God Made a Tree. 14 1967 starb James Friskin in New York, mit dem Clarke fast 23 Jahre verheiratet gewesen war. Als 83jährige Frau begann Clarke ihre Memoiren zu schreiben. Es sollte vier Jahre dauern, bis das Buch mit dem Titel I had a father too-; or The Mustard Spoon fertig gestellt wurde. Vor ihrem Tod erlebte Clarke ein kleines Revival als Komponistin, wie am Beginn dieses Kapitels besprochen. Sie starb kinderlos im Alter von 93 Jahren am 13. Oktober 1979 in New York.14 14 Vgl. Kohnen, Daniela: Rebecca Clarke, Komponistin und Bratschistin, in: Deutsche Hochschulschriften Nr. 1157, Dr. Hänsel-Hohenhausen, Markus, (Hg.)Egelsbach 1999. S. 96-97. 15 2.2 Werk Rebecca Clarkes Werk ist in folgenden Unterkapiteln chronologisch aufgelistet. Es sind insgesamt 58 Lieder oder Duette mit Klavier- oder Streicherbegleitung, 12 Chorwerke und 28 Instrumentalwerke, davon zwei für Klavier Solo. 15 2.2.1 Lieder Wird keine Besetzung angegeben kann davon ausgegangen werden, dass es für Singstimme und Klavier geschrieben wurde. 1. Wandrers Nachtlied, T.: Johann Wolfgang Goethe, evtl. 1903, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 2. Chanson, T.: Maurice Maeterlinck, evtl. 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 3. Ah, for the red spring rose, T.: unbekannt, 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 4. Shiv, Who Poured the Harvest, T.: Rudyard Kipling (aus dem DschungelbuchShiv and the Grasshopper), 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 5. Aufblick, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 6. Klage, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, evtl. 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 7. Stimme im Dunkeln, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, evtl. 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 8. Welt, T.: unbekannt, evtl. 1904, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 9. Oh, Dreaming World, T.: unbekannt (evtl. Arthur O´Shaughnessy 1844-1881), evtl. 1905, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 10. Du, T.: Richard Schaukal, 1905, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 11. The moving finger writes, T.: Khayyám, aus dem „Rubaiyát“, übers. von Edward Fitzgerald 1859, evtl. 1905, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 15 Vgl. Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool 2004, S. 248-284, http://www.rebeccaclarke.org (26.01.2016) und http://mugi.hfmthamburg.de/artikel/Rebecca_Clarke (10.10.2015). 16 12. Vor der Türe, für Stimme, Violine und Klavier, T.: unbekannt, evtl. 1905, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 13. Wiegenlied, für Stimme, Violine und Klavier, T.: Detlev von Liliencron, evtl. 1905, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 14. Nach einem Regen, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, evtl. 1906, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 15. Durch die Nacht, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, 1906, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 16. Vergissmeinnicht, T.: Richard Dehmel aus Aber die Liebe 1893, April 1907, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 17. Manche Nacht, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896, Juni 1907, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 18. Nacht für Nacht, für 2 Stimmen (Sopran, Contraalt) und Klavier, T.: Richard Dehmel aus Weib und Welt 1896), August 1907, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 19. Magna est veritas, T.: Coventry Patmore aus der Nummer XII im Buch I To the UnknownEros 1877-78, September 1907, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 20. Ah for the red Spring Rose, T.: Pedro Calderón, übers. Edward Fitzgerald, 1907. 21. Das Ideal, T.: Richard Dehmel aus Aber die Liebe 1896, evtl. 1907, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 22. Spirits, für 2 hohe Stimmen und Klavier, T.: Robert Seymour Bridges veröffentlicht in Shorter Poems, Buch IV, Nr. 18 (Oktober 1890), evtl. 1909, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 23. The Color of Life, T.: Clarke schreibt “Old Chinese Words” auf die Noten, der Text ist von Ssu-K´ung T´u (AD 834-903), evtl. 1910, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 24. Return of spring, T.: Clarke schreibt “Old Chinese Words”, Ssu-K´ung T´u (AD 834903), evtl. 1910, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 25. Tears, T.: Clarke schreibt “Chinese words”, Wang Seng-ju, übers. von L. CranmerByng in A Lute of Jade (1911), evtl. 1910, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 26. One that is ever kind, T.: William Butler Yeats The folly of being comforted aus In the Seven Woods (veröffentlicht 1903), evtl. 1911, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 17 27. Shy one, T.: William Butler Yeats To an Isle in the Water von Crossways 1889, Für Gervase Elwes, evtl. 1912, UA: unbekannt, London: Winthrop Rogers, 1920, Boosey & Hawkes, 1994. 28. The Cloths of Heaven, T.: William Butler Yeats He wishes for the Cloths of Heaven aus The Wind among the Reeds 1899, Für Gervase Elwes, evtl. 1912, UA: unbekannt, London: Winthrop Rogers, Boosey& Hawkes, 1920/1995. 29. Weep you no more sad fountains, T.: John Dowland, Für Dora, evtl. 1912, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 30. Away delights, für 2 Stimmen (hoch und mittel) und Klavier, T.: John Fletcher aus The Captain Akt III, Szene IV, Für Dora, evtl. 1912-13, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 31. Hymn to Pan, für Tenor, Bariton und Klavier, T.: John Fletcher The Faithfull Shepherdess Akt I, Szene I (ca.1608-09), Für Dora, evtl. 1912-13, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 32. Infant joy, T.: William Blake III von Songs of Innocence (1784-85), evtl. 1913, UA: unbekannt, London: Winthrop Rogers, 1924, London: Boosey & Hawkes, 1994. 33. Down by the salley gardens, T.: William Butler Yeats Crossways 1889, 1. Februar 1919, UA: unbekannt, London, Arragement 1955 für Stimme und Violine, UA: Version Stimme und Violine, Privat in New York City von Hellen Boatwright (Sopran) und Howard Boatwright (Violine) 1955, Winthrop Rogers, 1924, London: Boosey & Hawkes, 1994, Arr. für Stimme und Violine, Oxford und New York: Oxford University Press, 2001. 34. Psalm 63, A Psalm of David when he was in the Wilderness of Judah, T.: Bibel, August 1919 – 29. Dezember 1920, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 35. The Seal Man, T.: John Masefield von A Mainsail Haul (Elkin Mathews, London, 1905), 24. Januar 1922, UA: 11. Juni 1925 von John Goss (Bariton) und Reginald Paul (Klavier) in Wigmore Hall, London, Winthrop Rogers, 1926, London: Boosey & Hawkes, 1994. 18 36. Three Old English Songs Arr. für Stimme und Violine: 1. It was a lover and his lass (Morely), T.: William Shakespeare, 2. Phyllis on the new mown hay, 3. The tailor andhis mouse, Januar 1924, UA: 26. Mai 1924, Aeolian Hall London von Norman Notley (Bariton) und Rebecca Clarke (Violine): Winthrop Rogers, 1925, London: Boosey & Hawkes, 1994. 37. June twilight, T.: John Masefield, Für John Goss, 1. Januar – 7. Februar 1925, UA: unbekannt, London: Winthrop Rogers, 1926, London: Boosey & Hawkes, 1994. 38. Come, O come, my life's delight, T.: Thomas Campion, Januar 1926, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 39. A dream, T.: William Butler Yeats, 1926, UA: unbekannt, London: Winthrop Rogers, 1928, London: Boosey & Hawkes, 1994. 40. Sleep [Version I u II], für Tenor, Bariton und Klavier, T.: John Fletcher, Für David Brynley and Norman Notley, evtl. 1926, UA: im Haus von Julian Huxley, unveröffentlicht. 41. Take, O Take Those Lips Away, T.: John Fletcher, Für David Brynley and Norman Notley, evtl. 1926, UA: im Haus von Julian Huxley, unveröffentlicht. 42. Three Irish Country Songs, arr. für Stimme und Violine: 1. I know my love, 2. I know where I'm goin, 3. As I was goin to Ballynure, T.: Aus der Edition von Herbert Hughes, April 1926, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1928, Neuauflage 2002. 43. The Cherry-Blossom Wand, T.: Anna Wickham, Für Anne Thursfield, 10. Jänner - 26. Juni 1927, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1929, Neuauflage 2002. 44. Eight o'clock, T.: A. E. Housman, Für Lawrence Strauss, 26. Mai – Juli 1927, UA: London 23. November 1927, London, Winthrop Rogers, 1928, London: Boosey & Hawkes, 1994. 45. Greeting, T.: Ella Young, evtl. 1928, UA: unbekannt, Winthrop Rogers, 1928, London: Boosey & Hawkes, 1994. 46. Cradle song, T.: William Blake aus Songs of Innocence, 6. März 1929, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1929, Neuauflage 2002. 19 47. The Aspidistra, T.: Claude Flight, Für Adolphe Hallis, 1929, UA: 11. Juni 1929 von Anne Thrusfield (Sopran), Pianist unbekannt, London: J&W Chester Ltd, 1930, New York: Oxford University Press, 2002. 48. Tiger, Tiger, T.: William Blake aus Songs of Experience, 1929-33, überarb. 1972, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 49. Lethe, T.: Edna St. Vincent Millay aus The Buck in the Snow 1928, 1941, überarb. 1976. UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 50. Daybreak, für hohe Stimme und Streichquartett, T.: John Donne, evtl. frühe 1940er Jahre, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 51. The Donkey, T.: Gilbert Keith Chesterton, Für Povla Frijsch, November 1942, UA: New York Town Hall mit Polvla Frijsch (Sopran) und Celiws Dougherty (Klavier), 1984, Faksimile in: British Music Society Journal, Vol. VI, New York: Oxford University Press, 2002. 52. Binnorie, T.: traditionelle schottische Ballade, auch bekannt als The twa sisters und The cruel sister, evtl. 1945, UA: Boston Public Library 27. Oktober 2001 mit Eileen Strempel (Sopran) und Sylvie Beaudette (Klavier), New York: Oxford University Press, 2002. 53. God made a tree, T.: Katherine Kendall, 1954, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 54. Up-Hill, T.: Christina Rossetti, Entstehungszeit unbekannt, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 2.2.2 Instrumentalwerk 1. Prelude, für 2 Violinen und Klavier, 1907/08, UA: London 24. März 2003, unveröffentlicht. 2. Danse Bizarre, für 2 Violinen und Klavier, 1907/08, UA London 24. März 2003, unveröffentlicht. 3. Nocturne, für 2 Violinen und Klavier, 1907/08, UA: London 24. März 2003, unveröffentlicht. 4. Finale, für 2 Violinen und Klavier, 1907/08, unvollständig, evtl. Teil eines mehrsätzigen Werkes mit den Sätzen Prelude, Danse Bizarre, Nocturne und Finale. 20 5. Thema and Variations, für Klavier Solo, 1907/08, UA: London: 24. März 2003, unveröffentlicht. 6. Sonata (einsätzig), für Violine und Klavier, I. Molto moderato in G-Dur, 1907/09, UA: 21. September 2000 Bosten, unveröffentlicht. 7. Sonata (dreisätzig), für Violine und Klavier, 1908/09, UA: 21. September2000, unveröffentlicht. 8. Lullaby, für Viola und Klavier, 1909, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 9. Lullaby and Grotesque, für Viola (oderVioline) und Violoncello, evtl. 1916, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1930, Neuauflage 2002. 10. Untitled movement, für Viola und Klavier, 1917/18, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 11. Morpheus, für Viola und Klavier, 1917, UA: New York, Aeolian Hall, 13. Februar 1918, uraufgeführt unter dem Pseudonym Anthony Trent, New York: Oxford University Press, 2001. 12. Sonata, für Viola (oder Violoncello) und Klavier, 3. Juli 1919, UA: Berkshire Festival of Chamber Music September 1919, London: Chester, 1921, reprinted New York: DaCapo, 1986, Mount Airy, PA: Hildegard Publishing Company, 1999. 13. Chinese Puzzle, für Violine und Klavier, 1921, UA: 1921, New York: Oxford University Press, 1925, Arrangement für Viola, New York: Oxford University Press, 2002, Neuauflage 2005. 14. Epilogue, für Violoncello und Klavier, Für Guilhermina Suggia, evtl. 1921, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 15. Trio für Violine, Violoncello und Klavier, 1921, UA: New York City, Februar 1922, London: Winthrop Rogers, 1928, Neuauflage New York: DaCapo 1981, London: Boosey and Hawkes, 1994. 16. Rhapsody, für Violoncello und Klavier, Für Elisabeth Sprague Coolidge, 29. August 1923, UA: Berkshire Music Festival September 1923, unveröffentlicht. 17. Comodo et amabile, für Streichquartett, 1924, UA: Brandeis University 25. September 1999, New York: Oxford University Press, 2004. Gemeinsam mit Poem als Two movements for string quartet veröffentlicht. 21 18. Midsummer Moon, für Violine und Klavier, Für Adila Fachiri, April 1924, UA: London 12. Mai 1924, New York: Oxford University Press, 1926, reprinted 2005. 19. Chinese Puzzle, für Flöte, Violine, Viola und Violoncello, 1925, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 20. Poem, für Streichquartett, 1926, UA: Music Library Association Berkeley ca. 1994, New York: Oxford University Press, 2004. Gemeinsam mit „Comodo et amabile“ als „Two movements for string quartet“ veröffentlicht. 21. Cortège, für Klavier, Für William Busch, evtl. 1930, rev. in den 1970er Jahren, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 22. Untitled, 2 pieces for two instruments, evtl. 1940, UA: unbekannt, unveröffentlicht. 23. Dumka, für Violine, Viola und Klavier, evtl. 1941, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2004. 24. Prelude, Allegro, and Pastorale, für Viola und B-Klarinette, Für Hans and Fietzchen, 1941, UA: International Society of Contemporary Music Festival Berkeley, ca. August 1942, New York: Oxford University Press, 2000. 25. Passacaglia (on an Old English Tune, attributed to Tallis), für Viola (oder Violoncello) und Klavier, Für BB, evtl. 1941, UA: Datum unbekannt, New York City, New York und London: G. Schirmer und Chappell 1943, Mount Airy, PA: Hildegard Publishing Company, 2001. 26. Combined Carols, für Streichquartett oder Streichorchester, 1941, UA: in WQXR Radio in den 1940er Jahren, unveröffentlicht. 27. I'll bid my heart be still (Old Scottish border melody), für Viola und Klavier, 1944, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2002. 2.2.3 Chormusik 1. Now fie on love, T T Bar B, T.: anonym, evtl. 1906, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 2. Music, when soft voices die, SATB, T.: Percy Βysshe Shelley, 1907, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 3. A Lover's Dirge (Come Away Death), SATB, T.: William Shakespeare Twelfth Night, evtl. 1908, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 22 4. When Cats run home and light is come (The Owl), SATB, T.: Alfred Lord Tennyson, evtl. 1909, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 5. My Spirit like a charmed bark doth float, SATB, T.: basierend auf Percy Bysshe Shelley, evtl. 1911-1912, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 6. Come, oh come, my life's delight, SATB, T.: Thomas Campion, evtl. 1911-1912, arr. Für Stimme und Klavier 1924, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 7. Weep you no more sad fountains, SATB, T.: John Dowland, evtl. 1911-1912, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 8. Philomela, SATB, T.: Sir Philipp Sidney, evtl. 1914, UA: 2003, New York: Oxford University Press, 2003. 9. He that dwelleth in the secret place (Psalm 91), SATB Chor, SATB Solisten, Chor häufig geteilt, T.: Bibel, 1921, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 10. There is no rose of such virtue, Solo Bariton, ATBarB, T.: basierend auf einem englischenWeihnachtslied des 15. Jh., 1928, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 2003. 11. Ave Maria, SSA, T.: traditionell, basierend auf Lukas 1,28, 1937, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1998. 12. Chorus from Hellas, SSSAA, T.: Percy Bysshe Shelley, evtl. 1943, UA: unbekannt, New York: Oxford University Press, 1999. 2.3 Zusammenfassung Es ist erstaunlich, welchen Umfang Rebecca Clarkes Werk mittlerweile aufweist. 1999 waren ihre 12 Chorstücke noch nicht entdeckt, und auch verschollen geglaubte Stücke wie Danse Bizarre aus 1909 und Variationen für Solo Klavier aus 1908 u.a. wurden beim Durchsuchen ihres Nachlasses wiedergefunden. Der Grund, warum erst 20 bzw. 30 Jahre nach Rebecca Clarkes Tod diese verschollen geglaubten Stücke zugänglich wurden, liegt daran, dass Clarkes Nachlass zu einem beträchtlichen Teil von Christopher Johnson (Neffe von Clarke) 23 unter Verschluss gehalten wurde.16 Diese Erkenntnis, dass Clarke ein umfangreiches kompositiorisches Interesses und Können in verschiedene Genres dargebracht hat, unterstreicht die Fragestellung dieser Masterarbeit nach einem symphonischen Werk. Dieser Frage ist die Komponistin Ruth Lomon aus den USA auf ihrer Weise auch nachgegangen. Sie hat die Viola Sonate von Clarke (2007) orchestriert und am 18. und 19. Februar 2012 mit dem „North State Symphony Orchester“ in Chico und Redding in Californien unter der Leitung von Kyle Wiley Picket erfolgreich aufgeführt. Live Mitschnitte dieser Aufführungen findet man auf der Website der Rebecca Clarke Society: http://www.rebeccaclarke.org/matson-stunning/. Verfolgt man weiters die Arbeit und den Einsatz von Liane Curtis (uvm.), Präsidentin der Rebecca Clarke Society, Rebecca Clarkes Werk zur Aufführung zu bringen, lässt sich eine beträchtliche Anzahl an Konzerten in den USA, London und Finnland in den letzten Jahren erkennen. 16 Diesbezüglich kann hier http://media.wix.com/ugd/b8bb1e_69766cd033f84b7cbb6048d937afecad.pdf nachlesen werden. Liane Curtis gewährt einen Einblick in ihre Arbeit an der Erforschung Rebecca Clarkes Musik, und den Widerstand Christopher Johnsons, dies zu ermöglichen. 24 3 Frauen im öffentlichen Kontext um die Jahrhundertwende Wie in der Einleitung angesprochen, wurden Mädchen von Kindheit an erzogen, dem Ziel des häuslichen Lebens zu folgen. Buben wurden sehr oft bevorzugt, von den Mädchen getrennt, mit unterschiedlichem Lehrplan unterrichtet und vor allem umfangreicher als diese. Auch die Anzahl der Unterrichtsstunden waren bei Schülern höher als bei Schülerinnen, da ihnen nicht nur physische und psychische Schwäche nachgesagt wurde, sondern es auch gegen die Natur war, sich mit Männern zu konkurrieren, da dies nur im psychischen Zusammenbruch für junger Frauen enden könnte. Diese Frauen benachteiligenden Unterrichtsmethoden und -ansätze wurden bis zum (Aus)Bildungsniveau von Konservatorien und Universitäten fortgesetzt, wo Frauen das Studieren um 1900 zwar gestattet wurde, ihnen jedoch viel weniger Unterricht gegeben wurde als Männern. Erhielten Studenten einen dreijährigen musiktheoretischen Kurs, wurden Studentinnen nur für zwei Jahre zu einem speziell für sie zugeschnittenen Kurs zugelassen. In Paris wurde Studentinnen bis in die 1870er Jahre der Unterricht in geschriebener Harmonielehre, im Gegensatz zu Solfège und Harmonielehre am Klavier, sogar vollends verwehrt. Frauen sollten Sängerinnen, Pianistinnen oder Harfenistinnen werden und nicht Dirigentinnen, Komponistinnen oder Universitätsprofessorinnen. Die deutsche Komponistin, Feministin und Pianistin Luise Adolpha Le Beau äußerte sich schon 1878 mit den Worten: „Just do not limit, then, the training of girls. Rather, teach them the same things that are taught to boys. Grow accustomed to a system that has this same fundamental condition for every education, and then see what [girls] can do after acquiring technical skills and intellectual independence, rather than entrench yourselves against female capabilities by limiting the education of women!“17 Frauen, denen es möglich war ein Kompositionsstudium zu beginnen, stammten ausschließlich aus bürgerlichem Haus. Diese Tatsache lässt sich anhand vieler Komponistinnen nachvollziehen wie z.B. Ethel Smyth, Rebecca Clarke oder in weiterer Folge Elisabeth Lutyensuvm. Gerade in dieser bürgerlichen Schicht war jedoch ein starres, ordnungsgemäßes Frauenbild wirkend. Der Einfluss von Familien auf junge Studentinnen, 17 Le Beau, Luise, Adolpha: Über die musikalische Erziehung der weiblichen Jugend, Allgemeine Deutsche Musik-Zeitung, 1. November1878, S. 365–6. 25 meist der Väter, gewährte ihnen zwar ein gewisses Ansehen, half ihnen jedoch nicht annähernd den gleichen Status wie den ihrer männlichen Kollegen zu erlangen. Vor allem das viktorianische Zeitalter und die politischen Ziele Englands im 19. Jahrhundert zielten darauf ab nicht nur für genügend Nachkommen (Imperialismus) zu sorgen, sondern auch das gesellschaftliche Gefüge „Familie“ als oberste Prämisse zu vertreten. Die Aufgaben der Frauen waren dadurch von vornherein klar abgesteckt: Gebären und Erziehen der Kinder, häusliche Tätigkeiten wie Putzen und Kochen, eventuell das Spielen eines Instrumentes (Harfe, Gesang oder Klavier) für kammermusikalische Zwecke sowie die emotionale Stärkung des Ehemannes. Diesbezüglich ist Alma Schindler (Alma Mahler-Werfel) zu erwähnen, die zugunsten ihres zukünftigen Ehemannes Gustav Mahler ihre künstlerische Karriere abbrechen sollte und von dem Zeitpunktan nur mehr leben sollte um ihn, den Komponisten Mahler, glücklich zu machen. Sprich: sie sollte nach gesellschaftlichen Vorgaben funktionieren, Kinder gebären und seine Muse sein. Laut Unseld wurde im Zuge des 19. Jahrhunderts ausgehend von der Französischen Revolution, musikgeschichtlich betrachtet, der kämpferische Mann, der Held, als Idealbild nicht nur in der Öffentlichkeit verehrt, sondern auch in die Kunst eingearbeitet. Kennzeichnend für die Musik der Französischen Revolution ist die Zerschlagung der höfischen Musikkultur.18 Märsche, Triumph-Oden und die Vorliebe für Bläserklänge waren dementsprechend männlich konnotiert und demzufolge als ausschließlich positiv zu bewerten. Beethovens 3. Symphonie (Eroica) wurde als das Stück des Umbruchs bewundert und faszinierte durch seinen Männlichkeits-Typus. Beethoven wurde zum musikalischen Helden, zum Genie, stilisiert. Diese Stilisierung hat ihren Ursprung in der klaren Trennung von Geschlechtern, wobei das Weibliche als emotionsgeleitet, passiv, abhängig, irrational, sexuell passiv galt, währenddessen die männlichen Attribute kämpferisch, klar im Geiste, rational, sexuell aktiv, auch aktiv in der Öffentlichkeit lauteten. Diese im damaligen Bürgertum Englands tief verankerten Zuschreibungen gaben Frauen keine Möglichkeit sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. Die Folge dieser geschlechterpolaren Zuweisungen war, dass es dem Manne von Natur aus gegeben war kompositorisch kreativ zu sein wie der Frau das Gebären von 18 Unseld, Melanie: Lexikon Musik und Gender, Bärenreiter-Metzler, Kassel 2010, Kreutziger-Herr, Annette und Unseld, Melanie, (Hg.) S.89. 26 Kindern.19 War es der Frau nicht möglich sich als Komponistin zu etablieren, gab es nur noch die Möglichkeit der interpretierenden Sängerin oder Instrumentalistin. Aber auch diese Karriere war nur bis zu einer Eheschließung gestattet, da es sich nicht ziemte als verheiratete Frau in der Öffentlichkeit auf einer Bühne zu stehen. Das eigentliche Ziel war immer noch eine Familie zu gründen und sich ausschließlich häuslichen Aufgaben zu widmen. Frauen waren dadurch gezwungenermaßen Außenseiterinnen, sobald sie sich für den Weg der Musikerin entschieden. Wichtig ist dabei zu vermerken, dass die Entscheidungsfreiheit von Frauen im musikschaffenden Kontext nur unter Berücksichtigung von gesellschaftspolitischen Entwicklungen betrachtet werden kann, bedenkt man, dass Frauen erstmals 1906 in Finnland sowie 1918 in Deutschland und England berechtigt waren an politischen Wahlen teilzunehmen und in der Folge als mündige Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen wurden. Dass Frauen ab 1918 nach Ende des 1. Weltkrieges mit dem Alter von 30 Jahren und nur unter der Voraussetzung eines Grundeigentums wählen durften, stellte einen Meilenstein in der Frauengeschichte dar. Dies ist unter anderem den vielen Forderungen der „Suffragetten“ zu verdanken, die sich für bessere Bedingungen am Arbeitsplatz, Lohngleichheit und das Wahlrecht einsetzten. Zumindest Letzteres konnte als große Errungenschaft bis heute durchgesetzt werden. Dass es Anfang des 20. Jahrhunderts für manche Frauen überhaupt möglich war (und bis heute ist!), wählen zu gehen,verdanken sie also der Frauenbewegung der „Suffragetten“, unter der Führung von Emmeline Pankhurst, die 1903 die „Women’s Social and Political Union“ gründete.20Sie und ihre Anhängerinnen trugen öffentliche Proteste aus, organisierten politische Demonstrationen und machten mit Hungerstreiks auf sich aufmerksam. Diese friedlichen Proteste endeten 1910 nach einer gescheiterten Gesetzesinitiative zum Frauenwahlrecht und führten soweit, dass 80 „Suffragetten“ wegen Vandalismus ins Gefängnis kamen. 1912 zerstörten 150 „Suffragetten“ mit Steinen und Hämmern 270 Schaufenster in einer Londoner Einkaufsstraße, was zu 220 Festnahmen führte. Eine der Aktivistinnen davon war Ethel Smyth, auf deren Verbindung zu den „Suffragetten“ wir später noch zu sprechen kommen. 19 Unseld, Melanie:Lexikon Musik und Gender, Bärenreiter-Metzler, Kassel, 2010, Kreutziger-Herr, Annette und Unseld, Melanie,(Hg.) S. 90. 20 Zwar gibt es vereinzelte weibliche Personen, die sich für die Gleichstellung schon ab dem 18. Jahrhundert einsetzten, doch traten sie nicht wie die „Suffragetten“ als große Gruppe auf und wurden eingesperrt oder sogar hingerichtet, wie u.a. Olympe de Gougeswegen ihrer 1791 verfassten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. 27 Leider waren Zustände wie die zivilrechtliche Mündelschaft (aus dem Englischen: Coverture) ein noch bestehender, unwürdiger Zustand für Frauen, da ihnen jedes Recht über ihr Leben selbst zu entscheiden abgesprochen wurde. Commentaries on the Laws of England von William Blackstone aus dem18. Jahrhundert gibt die Gesetzeslage zwischen Mann und Frau nach der Eheschließung wieder: „By marriage, the husband and wife are one person in law: that is, the very being or legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incorporated and consolidated into that of the husband: under whose wing, protection, and cover, she performs everything; and is therefore called in our law-French a feme-covert; is said to be covertbaron, or under the protection and influence of her husband, her baron, or lord; and her condition during her marriage is called her coverture. Upon this principle, of a union of person in husband and wife, depend almost all the legal rights, duties, and disabilities, that either of them acquire by the marriage. I speak not at present of the rights of property, but of such as are merely personal. For this reason, a man cannot grant anything to his wife, or enter into covenant with her: for the grant would be to suppose her separate existence; and to covenant with her, would be only to covenant with himself: and therefore it is also generally true, that all compacts made between husband and wife, when single, are voided by the intermarriage.“21 Wie übte sich diese Tatsache nun auf Musikerinnen, Komponistinnen und ihren Lebensalltag aus? Wie bewegten sie sich in der Öffentlichkeit? Was passierte im Elternhaus, wenn sich junge Frauen entschlossen eine musikalische Laufbahn einzuschlagen? Wie wurden in der Öffentlichkeit erfolgreiche Frauen rezensiert? Welche Folgen hatte die damalige Situation von Frauen in Außenseiterinnenrollen auf deren Privatleben, Psyche und Schaffen? Wie haben sich Frauen vermarktet? Und welche Verbindungen lassen sich zur Verwaltung des Nachlasses von Komponistinnen und Komponisten finden? In den folgenden Unterkapiteln werden die Lebensumstände von Rebecca Clarke und Ethel Smyth, die beide Vorreiterinnen in vielerlei Hinsicht waren, beleuchtet. Betrachtet man Rebecca Clarke und Ethel Smyth bezüglich ihrer charakterlichen Eigenschaften, fällt auf, dass diese beiden Frauen trotz ihrer bürgerlichen Herkunft und daraus resultierenden Erziehung unterschiedlicher nicht sein könnten. Genau deshalb ist es 21 Blackstone, Sir William: Of Husband and Wife. Commentaries on the Laws of England (1765– 1769). Lonang Institut 2009. 28 interessant diese beiden Frauen im Lichte des auslaufenden 19. Jahrhunderts gegenüberzustellen. 3.1 Rebecca Clarke Wie aus dem vorherigen Kapitel hervorgeht, kommt Clarke aus einem gut situierten, bürgerlichen Haus: ihre Mutter stammte aus einer Münchner Akademikerfamilie, die berufliche Identität ihres amerikanischen Vaters kann trotz seiner Anstellung bei der Kodak Company nicht klar benannt werden.22 Ohne britische Abstammung nahm die ganze Familie eine Außenseiterrolle in England ein und der Atheismus des Vaters steuerte zusätzlich dazu bei. Beide Elternteile teilten die Liebe zur Musik: Kammermusik und Singen. Allen vier Kindern wurde das Erlernen eines Instrumentes, wie Jones Bryony in ihrer Dissertation schreibt, aufgezwungen. Rebecca, die wirklich Interesse und Talent zeigte, durfte im Gegensatz zu ihren Brüdern Hans und Eric zunächst nicht mit dem Violinspiel beginnen, doch für kammermusikalische Zwecke bekam Rebecca dann doch die Erlaubnis. Nicht bekannt ist, wie es der jüngsten Schwester Dora ergangen war, die später auch den Weg der bildenden Künste einschlug.23 Diese Liebe für Musik trug die talentierte Rebecca, nachdem sie einige Konzerterlebnisse mit ihrem Vater teilte, weiter. Nach dem Besuch der Weltausstellung in Paris und der Begegnung mit fern östlicher Musik eines Gamelan-Orchesters, die sie überwältigte, fasste sie den Entschluss Musikerin zu werden. Joesph Clarke war natürlich zunächst dagegen, konnte es seiner Tochter jedoch nicht absprechen an die Londoner „Royal Academy of Music“ zu gehen, um ein Violinstudium zu beginnen. Es ist zu vermuten, dass Joseph nur darauf gewartet hatte, dass es auf der RAM einen Vorfall geben würde, woraufhin er seine Tochter wieder von der Universität nehmen konnte. Diesen hatte es dann mit Percy Hilder Miles, Rebeccas Harmonielehre- und Kontrapunktprofessor an der RAM, und einem von ihm gehaltenen Heiratsantrag an die junge Studentin auch gegeben. Nicht der harte Eingriff des Vaters, Rebecca von der RAM zu nehmen (die eine gesetzlich legitime Handlung darstellte, 22 Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S. 21. 23 Dora Clarke war eine Bildhauerin und begann in sehr jungen Jahren (15 Jahren) ihrStudium an der Slade School of Art. Sie eröffnete eine Vielzahl von Ausstellungen in London zwischen1916 und 1938. Sie heiratete Admiral GB Middleton, behielt jedoch ihren Mädchennamen als Künstlerin. (Siehe Dunford, Penny: A Biographical Dictionary of Women Artists in Europe and America Since 1850, Hertfordshire, Harvester Wheatsheaf 1990, S. 66.) 29 da Rebecca noch nicht volljährig war) und die darauffolgende Zurückgezogenheit im Elternhaus brachten Rebecca dazu mit dem Komponieren zu beginnen, sondern die florierende neue Umgebung mit vielen kultur- und kunstinteressierten jungen, komponierenden Menschen von der RAM und die ständige Austauschmöglichkeit mit KommilitonInnen zu verschiedensten philosophischen, lyrischen und musikalischen Fragestellungen und Ideen. In den drei Jahren, die Rebecca zuhause verbrachte, so schreibt auch Liane Curtis, konnte sie diese Erlebnisse und musikalischen Ideen in Form von Liedern umsetzen.24 Es scheint als hätte Rebecca Clarke über 20 Lieder im Geheimen und ohne Wissen des Vaters vertont. Eine andere Möglichkeit wäre, dass dieser das Schaffen seiner Tochter schlicht und einfach nicht ernst genommen hat, da, wie wir schon wissen, das kreative Schaffen ausschließlich Männern vorbehalten war und er die Stücke wohl nicht einschätzen konnte. Es ist nicht möglich, diese Phase (1904-1907) in Rebecca Clarkes Leben nachzuvollziehen, da ihre Memoiren von dem Verwalter ihres Nachlasses, Christopher Johnson, nach wie vor unter Verschluss gehalten werden. Es ist jedoch bekannt, dass Joseph Clarke seine Kinder nicht nur brutal mit einem 50 cm langen Architektenlineal schlug, sondern sie auch als Zielobjekt nutzte, wenn er mit seinem Luftgewehr trainierte.25 Es stellt sich demnach die berechtigte Frage, wie sich Joseph Clarke tatsächlich gegenüber Rebecca verhielt, als sie sich für ein Musikstudium, das sich für eine Frau im viktorianischen Zeitalter eigentlich nicht ziemte, entschied. War verstärkte körperliche Züchtigung die Konsequenz? Becky Evans, die Nichte Rebecca Clarkes, erzählte in einem Interview auf BBC darüber, wie schrecklich der Vater Rebecca und ihre drei Geschwister behandelt hatte. Sie meinte sogar, die Kinder mussten mit ihm als Vater die Hölle auf Erden durchqueren.26 Der psychische Druck und die Handgreiflichkeiten des Vaters mussten einen großen „Fußabdruck“ in Rebecca Clarkes Psyche hinterlassen haben. Welchen Einfluss Agnes Clarke auf Rebecca hatte, die sie mit Poeten wie Dehmel, Schaukal, von Liliencron und Goethe vertraut machte, ist auch nicht bekannt. Agnes Clarke dürfte eine Bezugsperson für Rebecca gewesen sein, die sehr oft von ihrem Mann betrogen und gedemütigt wurde, was die innige vor dem Vater geheim gehaltene Verbindung zwischen den beiden Frauen erklären könnte, da beide solche Erniedrigungen erleiden mussten. 24 Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S.21. 25 Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 5. 26 http://www.bbc.co.uk/programmes/p02l52z0 (Min 2:25-2:47) 30 Als Rebecca den Entschluss fasste, nach einem abgebrochenen Instrumentalstudium noch einmal eine Laufbahn an einer Universität, diesmal als Kompositionsstudentin, anzutreten, wollte der Vater dieses Vorhaben verhindert wissen. Kurzerhand schickte er zwei von Rebeccas Liedern zu dem ihm flüchtig bekannten Kompositionsprofessor Charles Stanford vom Londoner „Royal College of Music“. Joseph Clarke erhoffte sich ein vernichtendes Urteil seitens Stanford, was zu seiner Verwunderung nicht passierte. Dies trat wahrscheinlich auch zur Verwunderung des Professors nicht ein, da dieser die Stücke zwar amateurhaft fand, jedoch ein, zwei Funken von Talent entdeckte, wie es Rebecca Clarke in einem Interview selbst wiedergab.27 Stanford bot Clarke an, seine Tochter in seine Klasse aufzunehmen, um herauszufinden, was durch seinen Unterricht in ihr geweckt und geformt werden könne. Sonderbar erscheint diese Entscheidung Charles Stanfords eine Frau aufzunehmen, da er, nachdem er Rebecca Clarke 1907 in seine Klasse aufgenommen hatte, 1908 in seinen Memoiren schrieb, dass Britische Institutionen von Frauen überrollt würden.28 Das hieße, er stünde nicht wirklich hinter den Gleichstellungsannäherungen zwischen Frauen und Männern. Ein weiterer Grund, warum es zur Aufnahme von Clarke bei Stanford kam, mag wohl der sein, dass sie aus einem bürgerlichen Haus stammte und das RCM auf die Studiengebühren angewiesen war und eine Quote (aus politischen, finanziellen Gründen) erfüllen musste. Stanford musste nun auch Frauen in seine Klasse zulassen. Es ist nicht bekannt, dass Rebecca Clarke über Stanford als schlechten Lehrer und Menschen berichtete. Ganz im Gegenteil, den Kompositionsunterricht bei ihm empfand sie immer als Höhepunkt der Woche und erzählte später über ihn: “I shall always remember with gratitude and affection the lessons he gave me, feeling myself fortunate to have been his pupil. From the very beginning he was entirely charming to me. I remember so well how I waited outside the glass door of his room before my first lesson, too nervous to go in; and how an older student, chancing to pass by, advised me to speak up for myself and not give him the impression of being frightened. Sir Charles's amused quizzical glance of course took in the situation in an instant, and we were friends from that moment. I can see now the hovering of his familiar gold pencil, and hear the picturesque exaggerations of his praise or blame.”29 27 http://www.bbc.co.uk/programmes/p02l52z0 (Min 1:19-1:50) http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/ grove/music/52554pg2 29 Sir Charles Stanford and his Pupils, RCM Magazine, Vol. 58 (1962), zitiert in Rodmell, Charles Villiers Stanford, Aldershot, Ashgate, 2002, S. 352. 28 31 Ganz offenslichsichtlich ist Clarke jedoch auch wegen ihres Talents aufgenommen worden, was sich mit Geldpreisen des RCM 1909 und 1910 für die Werke Sonate für Violine und Klavier und Danse Bizarre aufzeigen lässt. Es scheint als hatte die Gesellschaft, vor allem die Männer selbst, zu dieser Zeit sehr gespaltene Ansichten zum Thema Frauen in der Öffentlichkeit. Waren sie eventuell privat einverstanden damit, dass man sich von nun an auch mit Frauen konkurrierte und empfanden sie eventuell sogar Gefallen an dem weiblichen kompositorischen Schaffen, konnten sie dies in der Öffentlichkeit nicht äußern, aus Angst, selbst als Außenseiter degradiert zu werden. Eine Universität hingegen hatte vielleicht eine Sonderstellung und konnte es sich leisten, auch Frauen für Wettbewerbe mit Geldpreisen zuzulassen. Dieses öffentliche Ansehen seiner Tochter war Joseph Clarke sichtlich nicht recht. Er strich mit einem Mal alle finanziellen Mittel für Rebecca. Von diesem Zeitpunkt an war Rebecca Clarke auf sich alleine gestellt und hat Zeit ihres Lebens nie wieder Geld von ihm angenommen, worauf sie sehr stolz war.30 Es ist weiters bekannt, dass Rebecca, gestärkt durch ihre steigende Anerkennung in ihrem kompositorischen Schaffen, ihren Vater aufgrund der vielen Liebschaften neben Agnes Clarke konfronierte und er sie deshalb aus dem Haus warf. Erst nach 10 Jahren, kurz nach seinem Tod, betrat sie ihr Elternhaus wieder. Mit einer sehr wertschätzenden und großzügigen finanziellen Unterstützung von Sir Hubert Parry, Direktor des RCM, konnte Clarke das laufende Studienjahr noch abschließen. Er tarnte den privat bezahlten Betrag als eine Art Stipendium seitens des Colleges.31 Durch die Unterstützung und den Einfluss ihrer Professoren und KommilitonInnen am RCM (siehe auch die langjährige Beziehung zur „Society of Women Musicians“, bei deren Gründungstreffen Clarke anwesend war) konnte Clarke, die 1910 auf Raten Stanfords von der Violine auf die Bratsche wechselte und bei Lionel Tertis Privatschülerin wurde, sich mit privaten wie öffentlichen Auftritten mit der Bratsche über Wasser halten und sich sogar ein Zimmer in London leisten. Nancy Reich beschreibt Clarkes Lebenssituation sehr treffend: 30 http://www.bbc.co.uk/programmes/p02l52z0 (Min 1:56-2:24) Kohnen, Daniela:Rebecca Clarke, Komponistin und Bratschistin, in: Deutsche Hochschulschriften Nr. 1157, Dr. Markus Hänsel-Hohenhausen, (Hg.), Egelsbach, 1999, S.32. 31 32 „...a most unusual situation for a proper upper-middle-class Englishwoman in the first decade of the twentieth century.“32Clarke genoss einen besonderen Stellenwert im Universitätskreis und galt als Ausnahmeerscheinung neben Maude Valerie White (18551937), die 1879 den Mendelssohn-Förderpreis an der RAM erhielt. Diese universitäre Anerkennung des Schaffens von Frauen zeigt von sehr modernen Ansichten seitens Stanford, Parry und der weiteren Kollegschaft am RCM. Der Bekanntheitsgrad Clarkes in England stieg in den darauffolgenden Jahren immens an und sollte ihren Höhepunkt in den 1920er Jahren als Komponistin und Bratschistin erreichen. Zunächst wurde sie eine der ersten Frauen in einem professionellen Orchester („Queen´s Hall Orchestra“) unter der Leitung von Henry Wood (auf Drängen von Ethel Smyth).33 Rebecca Clarke war in der Zeitung abgebildet, was eine große Sensation gewesen sein musste. Eine interessante Beobachtung ist, dass die sechs Frauen in der gleichen Höhe entlohnt wurden wie ihre männlichen Kollegen, sie jedoch bei den im Sommer abgehaltenen Proms nicht spielen durften aufgrund des ewigen Vorwurfs, sie wären physisch nicht in der Lage, das ganze Jahr ohne Pause zu musizieren. Die Reaktion der männlichen Kollegen im Orchester war sehr herabwürdigend, wie aus Clarkes Gespräch mit Dr. Ellen Lerner hervorgeht: „I remember the men in the orchestra were disgusted, but then they got friendly after we got in”, oder “Well then the war came, and we women were what they called ‘extra strings’ for the big symphony concerts when they wanted a particularly large string contingent”. Rebecca Clarke erzählt weiter über den ersten Auftritt mit dem „Queen´s Hall Orchestra“: „Anyhow, we were so shy of being women in the orchestra; the first concert we played at we sort of slunk into our places. Well now, I was rather tall of slinking, and when I came in it was impossible to do it conspicuously. And a man, who evidently was a feminist, up in the gallery in Queen´s Hall, cheered when I came in, as much as to say, “well good enough, they´ve got some women”. And I felt as if I would have dropped into the floor, because I knew how the orchestra was annoyed at having women, they thought it was a fearful comedown.”34 32 Cutis, Liane:A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc.,Indiana University Press2004, S.11. 33 The others were Dora Garland, Jessie Grimson, E. M.Dudding and Jean Stewart (violins) and S. Maturin (viola).Siehe Jacobs, Arthur: Henry J. Wood, Maker of the Proms, London, Methuen 1994, S. 142. 34 Cutis, Liane:A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc.,Indiana University Press 2004, S. 214. 33 Obwohl Sir Henry Wood hinter seiner Entscheidung stand, Frauen in seine beiden Orchester (Queen’s Hall Orchestra bzw. Philharmonic Orchestra) aufzunehmen, da sie seiner Meinung Musikerinnen nach waren, gleichwertge waren sie die Sündenböcke bei schlechten Rezensionen nach einem Konzert. Da es Frauen bis auf Ausnahmen nicht möglich war, in Orchestern mitzuspielen, begannen Frauen in den 1920er Jahren ausschließlich von Frauen besetzte Orcherster zu gründen und diese auch zu leiten. Das „British Women´s Symphony Orchestra“, gegründet 1924, war das erste Orchester dieser Art und wurde in den ersten Jahren von Gwynne Kimpton geleitet.35 Zusätzlich gründeten Rebecca Clarke und einige ihrer Zeitgenossinnen Kammermusikensembles, die rein von Instrumentalistinnen besetzt waren. Diese Ensembles, wie z.B. das „Clench Quartett“, „The English Ensemble“ und das „Pro Musica String Quartet“ wurden mit den Jahren international bekannt und geschätzt. Doch der Weg bis dorthin war schwer, wie es ein Brief aus dem Jahr (eventuell) 1923 von Clarke an Elisabeth Sprague Coolidge belegt: „I have been thinking a lot about the plans you spoke of for next year…. And there is one thing I am simply longing to say to you, but I hardly dare to, because it is awfully presumptuous of me to offer an opinion. Still, I know you are a lover of frankness, so I will take my courage in both hands, and believe you will understand well enough not to be offended. I have been wondering, if, when you said you were undecided about the cellist for the cello recital next year, you had ever thought of the possibility of having a woman! I can´t help feeling, and I believe you do too, that a great cause is served in putting the work of women executants on an equal footing with that of men – that is, only when it really is equal, I mean, of course. This would make such a splendid opportunity, for the woman I am thinking of is an exceptionally fine example, as everyone knows she is one of the very finest artists on any instrument, quite irrespective of sex. Please do not think for a minute that May Mukle knows I am writing this, I am doing it absolutely off my own bat, so that if you do not like my having spoken of it, please be offended 35 Saremba, Meinhard, Elgar: Britten & Co. Eine Geschichte der britischen Musik in zwölf Portraits, M&T Verlag Ag, Zürich/St. Gallen, 1994, S. 142. 34 with me only. It is only my tremendous faith in the whole subject that gave me courage to do such a hard thing as to write to you about it, and I do believe that you will feel my sincerity enough not to mind my having done so!”36 Diese Vorsicht, die Clarke hier (unter Frauen!) aufzeigt, bestätigt, wie schwierig es war, sich als Frau, sogar als Instrumentalistin, durchzusetzen. Es mag unter anderem daran liegen, dass Konzerte und Kompositionen von Frauen in den öffentlichen Medien immer zu Unrecht schlecht rezensiert wurden. Bryony Jones hat einige Rezensionen, Rebecca Clarke betreffend, zusammengestellt und soll hier mit diesen Beispielen Einsicht dazu geben: ... „The possible half was Rebecca Clarke's ‘Shy One’; her other song ‘Had I the heaven's embroidered cloths, ‘ which was sung three times, we tried hard to think worthy of Yeats's words, but did not succeed.” (The Times, 1919). Das Publikum fand das Lied Clothes of Heaven so wunderbar, dass sie es dreimal hören wollten, und in der Rezension wurde das vom Journalisten negativ festgehalten. Eine weitere Kritik, bekam Clarke 1921: “… Although showing strong evidence of the influence of the French school, notably Cesar Frank, Miss Clarke's music is by no means devoid of fancy and imagination, suggesting that she will ultimately develop a style of her own. She is apt to be a little discursive and has not learnt how to make her climaxes really conclusive, but she has managed the simpler form of her Scherzo quite skilfully, while the writing for both instruments is decidedly effective and interesting throughout.” (The Times)37 Zunächst klingt letztere Kritik nicht so negativ wie die davor, doch zeigt auch diese eine sexistisch determinierende Richtung mit den Worten „but she has managed the simpler form of her Scherzo quite skillfully“. Frauen wurde unterstellt, sie wären nicht in der Lage größere musikalische Formen zu vertonen und wurden deshalb in öffentlichen Kritiken immer darauf reduziert. Weitere Beispiele dafür sind: “…but we could not but prefer the lesser "Lullaby" -a work of real feminine charm -…” oder “…’Midsummer Moon’, for violin and piano, is melodious but diffuse, at any rate at first hearing: it has plenty of agreeable moments, but they do not seem somehow to make a complete whole.”.38 36 Zitat nach: Cutis, Liane:A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press2004, S. 15. 37 Zitat nach: Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S.293f. 38 Zitat nach: Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 296. 35 Werden die folgenden Kritiken betrachtet, fällt auf, dass immer wieder das Geschlecht im Vordergrund steht und das Weibliche als schwach dargestellt wird: The Musical Times Vol. 67, 1926, 810: “In reading Miss Rebecca Clarke's 'Chinese Puzzle' and 'Midsummer Moon' (Oxford University Press), our first impression is one of relief and gratitude; for the new "woman composer" is at least free from the cloying sentimentality of the old. She seems quite impervious to the feelings of her predecessors. May nights and moonlight are no longer the source of gushing platitudes. The modem woman looks upon these things with the detachment to f a scientist.” The Musical Times Vol. 137: “Rebecca Clarke ... is, as all women composers, largely reflective of the preceding masculine creations. She has, however, real feminine personality in such things as her ‘Lullaby’ for viola and piano, and a true feminine bent towards the grotesque and intricate in ‘Grotesque’ and ‘Chinese Puzzle’.39 Wurden Stücke gelobt, waren es meist männliche Attribute, wie in der Einleitung dieses Kapitels erwähnt, die ihr zugeschrieben wurden, oder Vergleiche mit Komponisten: „... She had a strong right arm. She can lay down the foundation of a big chamber work, like her piano trio last night, with all the emphasis of a Liszt and carry on with the sturdiness of a John Ireland or Frank Bridge.”(London, Star)40 Clarkes Position zu diesen Unterstellungen und Zuschreibungen war eindeutig: “Art ... has nothing to do with the sex of the artist. I would sooner be regarded as a sixteenth rate composer than be judged as if there were one kind of musical art for men and another for women.”41 39 Curtis, Liane: A Case of Identity: rescuing Rebecca Clarke, Mai 1996, S. 17-19.Zugänglichdurch die Rebecca Clarke Society, Inc. 40 Zitat nach: Curtis, Liane: A case of identity: rescuing Rebecca Clarke, The Musical Times, May 1996, S. 17f, Zugänglichdurch die Rebecca Clarke Society, Inc. 41 Haddon Squire, W. H.: Rebecca Clarke Sees Rhythm as Next Field of Development, Christian Science Monitor, 9. December 1922, S. 18. 36 Es ist nicht verwunderlich, dass Rebecca Clarke im Jahr 1918 versuchte, ein männliches Pseudonym („Anthony Trent“) für ihr Stück `Morpheus‘ ` bei einem Konzert in New Yorkzu verwenden. Hinzu kam, dass sich Rebecca Clarke laut ihren Memoiren geschämt hatte, drei Stücke von sich selbst ins Programm aufzunehmen und daher für das Stück, das sie am schlechtesten empfand, einen männlichen Namen kreierte. kreierte. In der Folge wurde in der Rezension aus der „Vogue“ dieser „Newcomer Anthony Trent“ neben Frank Bridge als neuer Stern am Komponistenhimmel bejubelt, während Clarkes Werke nur am Rande erwähnt wurden: „One should not, too, overlook Miss Clarke´s owen picturescque picturescque compositions the „Lullaby“ and „Grotesque“ for viola und cello.“42So ist es nicht weiter verwunderlich, dass es in der Geschichte keinen Einzelfall darstellt, dass Frauen männliche Pseudonyme nutzten, um Werke überhaupt zu veröffentlichen. 42 Curtis, Liane: A Case of Identity:rescuing Identity: Rebecca Clarke, Mai 1996, S. 18.Zugänglichdurch Zugänglichdurch die Rebecca Clarke Society, Inc. 37 Schlechte Kritiken beeinflussten auch die Möglichkeit der Veröffentlichung von Stücken bei Verlagen, vor allem weil Stücke von Komponistinnen generell nur spärlich seitens der männlichen Verleger auserwählt wurden. Clarkes erste Veröffentlichung von ihren LiedernShy One und Cloths of Heaven 1920 bei Winthrop Rogers war durch die Bekanntschaft Clarkes mit der Frau des Verlegers möglich. Einen weiteren wichtigen Meilenstein in Clarkes Karriere stellte der Bershire Kompositionswettbewerb dar. Die Teilnahme an diesem Wettbewerb im Jahr 1919 schien für Clarke eine gute Gelegenheit, wahrgenommen zu werden, da das eingesandte Werk ohne namentliche Nennung der/des Komponierenden von einer Jury, quasi anonym, bewertet wurde. Die Tatsache, dass eine Frau so gut komponieren konnte und die Aussage von Elisabeth Sprague Coolidge „And you should have seen their faces, when they saw it was by a woman”, musste zum einen für Rebecca Clarke eine Genugtuung bedeuten, zum anderen einen großen Wirbel in der Öffentlichkeit erzeugt haben. Viele von Rebecca Clarkes Werken wurden erst viele Jahre nach ihrem Tod veröffentlicht und nur wenige fanden Zeit ihres Lebens den Weg in die Öffentlichkeit (20 Werke). Dies trug dazu bei, dass Clarke ab den 1950er Jahren immer mehr in Vergessenheit geriet. Die Schuld liegt nicht nur bei den Komponistinnen wie Clarke selbst (und an der Realität, dass sie als weibliche Musikschaffende von Grund auf benachteiligt waren), sondern auch daran, dass ihr Nachlass nicht wie sonst üblich vom Ehepartner (in diesem Fall starb Clarkes Ehemann James Friskin vor Clarke selbst) oder den Kindern verwaltet und an Verlage verkauft wurde, geschweige denn, dass versucht wurde, die Stücke zur Aufführung zu bringen. In der Musikgeschichte waren es oft die Ehefrauen, die den Ehemann überlebten und versuchten sein Werk lebendig zu halten. Dies ist zum Beispiel anhand Constanze Mozarts Nachlassverwaltung der Werke ihres Mannes nach seinem Tod bekannt.43 3.2 Ethel Smyth Auch Ethel Smyth (1858-1944) stammt aus einer bürgerlichen Familie. Ebenfalls in London geboren wuchs Ethel Smyth nach viktorianischen Vorstellungen auf. Es ist bekannt, dass Ethel Smyths Mutter eine kunst- und musikliebende Frau mit aristokratischen Wurzeln war, die in Paris einen musikalischen Salon unter dem Namen Madame de Stracey führte. Der 43 Vgl. Unseld, Melanie: Lexikon Musik und Gender, Bärenreiter-Metzler, Kassel, 2010, KreutzigerHerr, Annette und Unseld, Melanie, (Hg.), S. 93-94. 38 Vater war ein Generalmajor der Königlichen Artillerie. Die Musik war ein wichtiger Bestandteil im Leben der Familie Smyth. Ethels musikalisches Talent wurde schon früh beim Singen und Spielen mit ihren Schwestern entdeckt. Einen Beitrag auf Ethels späteren Deutschlandbezug übte eine im Hause Smyth angestellte Gouvernante, die in Deutschland Klavier studiert hatte, aus. Ethel kam schon in frühen Jahren mit der Musik Beethovens in Berührung. When I was twelve a new . . . [governess] arrived who had studied music at the Leipzig Conservatorium, then in the heyday of its reputation in England; for the first time I heard classical music and a new world opened up before me. Shortly after, a friend having given me Beethoven’s Sonatas, I began studying the easier of these and walked into the new world on my own feet. Thus was my true bent suddenly revealed to me, and I conceived the plan, carried out seven years later, of studying at Leipzig and giving up my life to music.44 Ethel machte außerde, in jungen Jahren mit ihrer burschikosen und wilden Art auf sich aufmerksam. Ihr Interessen und die Ausübung von Sport wie Reiten und Jagen waren für ein Mädchen ihres Standes durchaus unüblich. Ethel galt bald als schwer erziehbar und wurde mit 14 Jahren in ein Mädchen-Internat gesteckt. Diese Strafmaßnahme musste sie drei Jahre lang erdulden. Wieder im Elternhaus angekommen musste Ethel, da ihre älteren Schwestern mittlerweile verheiratet waren, Hausarbeiten übernehmen. Diese Tatsache nahm die junge Rebellin jedoch nicht hin und setzte sich stattdessen dafür ein, ebenfalls wie die Gouvernante nach Leipzig gehen zu dürfen, um Komposition zu studieren. Trotz der Züchtigungen des Vaters mit einer 73 cm langen, hölzernen Stricknadel und der Schläge ihrer Mutter auf ihre Ohren, wie sich die Komponistin später erinnert, blieb die junge Ethel hartnäckig und willensstark und konnte ihre Eltern schließlich mit Hungerstreiks und der Verweigerung zu sprechen, dazu überreden, in Leipzig zu studieren. Eine Bedingung der Eltern war jedoch, dass Ethel einmal im Jahr nach England zurückkehrte. In Leipzig studierte sie zunächst am Konservatorium, wo sie jedoch nicht beabsichtigte, ihre Klavierkenntnisse weiter auszubauen und nahm bald darauf privaten Harmonielehre- und Kontrapunktunterricht bei einem Komponisten Namens Heinrich von Herzogenberg. Unter ihren ersten Werken finden sich ausschließlich Klavier- und Kammermusikwerke. Sie schaffte sich in wenigen Jahren ein lebendiges Umfeld mit intellektuellen Bekanntschaften und Freundschaften. Nicht nur das Leipziger Gewandhaus mit seinen hochwertigen Konzerten und Opern zog Ethel Smyth in seinen Bann, auch die Nähe zu 44 Smyth, Ethel: Impressions that Remained, London: Longmans, Green & Co. 1919. 39 Künstlerpersönlichkeiten wie Peter Tschaikowsky, Edward Grieg, Clara Schumann und Johannes Brahms waren für die junge Musikerin anziehend. Tschaikowsky beeinflusste und regte Smyth schließich auch an, sich im Bereich der Instrumentationslehre weiter zu entwickeln, was Smyth umsetzte und anhand von Opern, Orchesterliedern und Solokonzerten verwirklichte. Ethel verband bald eine innige Freundschaft mit der Frau ihres Privatlehrers Herzogenberg. Diese hieß Elisabeth („Lisl“) und war Pianistin. Zwischen den beiden entstand eine Art Mutter-Tochter-Beziehung mit erotischen, sehr innigen Momenten, u.a. da die kinderlose Frau Herzogenberg einen leeren Platz in ihrem Leben auffüllen wollte. Ethel Smyth äußert sich in einem Brief an ihren langjährigen Freund, künstlerischen Partner und späteren Lebenspartner, Henry Brewster (verheiratet mit der Schwester von Frau Herzogenberg) zum Thema Sexualität: „Ich frage mich manchmal, weswegen es so leicht für mich ist – und wohl auch für zahlreiche andere Engländerinnen –, mein eigenes Geschlecht leidenschaftlicher zu lieben als das Deine. ... Selbst die Liebe zu meiner Mutter besaß eine intensive Qualität, die man nur als Leidenschaft bezeichnen kann. Wie erklärst du dir das? Ich kann es nicht ergründen, denn ich halte mich für eine sehr gesunde Person. Es ist ein ewiges Rätsel.“45 Die Anziehung zu Frauen hat sich höchstwahrscheinlich in den Jahren im Mädchen-Internat gefestigt. Als Bewsters Frau starb, hielt er um Ethels Hand an, doch diese lehnte ab und verwies in einem Brief auf das Schicksal der Anna Karenina in Tolstois Roman und führte andere mahnende Beispiele gegen die Ehe an: „Einige produktive Männer sind sogar unfähig zu weiteren Anstrengungen, und wenn sie sie unternehmen, bringen sie nur Unheil für sie selbst, ihre Frauen oder das gesellschaftliche Gefüge mit sich – sieh´ Dir nur Carlyle und Goethe an, und als Beispiel für eine Frau, die - zu furchtsam, um für sich selbst einzustehen – heiratete und ihr Werk durch dieses Aufgeben der Freiheit verdarb: G. Eliot.“46 Einen Heiratsantrag abzulehnen, und Bisexualität zu leben, zeugten von gesundem Geist, in einer Zeit wo Homosexualität als Krankheit gesehen wurde. Ethel Smyth lebte ihr Leben wie jeder Mann es für sich in Anspruch nehmen würde und unterstellte sich ihren männlichen Kompositionskollegen nie. Smyths Messe in D-Dur wurde 1894, nach den erfolgreich aufgeführten Stücken 1890 Serenade in D und Antony and Cleopatra mit der Royal Choral Society unter der Leitung von Joseph Barnby in der Royal Albert Hall uraufgeführt, worüber die Komponistin Folgendes berichtete: [...] „I found myself 45 46 Zitat nach: Rieger, Eva (Hg.): Ein stürmischer Winter, Kassel 1988, S. 230. Zitat nach: St. John, C.: Ethel Smyth, London 1959, S. 72. 40 up against a brick wall. Chief among the denizens of the Groove at that time where Parry, Stanford, and Sullivan. These men I knew personally; also Sir George Grove; Parry and Sullivan I should have ventured to call my friends ... not one of them extended a friendly finger to the newcomer...”47 Aufgrund zahlreicher finanzieller Unterstützung seitens reicher und einflussreicher FreundInnen wie Kaiserin Eugènie, deren Kontakte zum Präsidenten der Royal Choral Society, Herzog von Edinburgh, sehr gut waren, wurde Smyth von der breiten Öffentlichkeit (u.a. Musical Times) vorgeworfen, dass ihr Stück normalerweise nicht die erste Wahl gewesen wäre und nur durch Smyths Beziehungen aufgeführt wurde.48 Demzufolge wurde die vom Publikum enthusiastisch aufgenommene Messe in den Zeitungen verrissen: „It is but seldom“, schrieb die „Morning Post“, „that a lady composer attempts to soar in the loftier regions of musical art.”49 Auch der „Star“ verfasste eine nicht minder sexistische Kritik: “Is a female composer possible? No, says your psychologist. … With women, however, it is just the impossible that is sure to happen.”50 Unter sehr vielen negativen Kritiken waren jedoch einige Stimmen, die Smyth ausschließlich wohlgesonnen waren, wie die von George Bernhard Shaw, der in „The World“ schreibt, dem Werk liege: „[…]bei allem äußeren Anspruch, höchst würdevoll aufzutreten, eine Weltlichkeit zugrunde, die den Hörern ihre Aufgabe leichtmacht.“... „Aber die Messe hat großartige Stellen, zum Beispiel das ‚I look for the life of the world to come‘, Stellen, die alle Menschen rühren, in denen überhaupt noch Glauben und Hoffnung lebt, ob das Leben, das sie erwarten, sich nun auf Londoner Straßen und Plätzen abspielen soll oder in einer anderen Welt. Stellen, die sich in werkgerechten modernen Vertonungn gottesdienstlicher Texte aus der abgebrauchten toten Messe herausheben, mit der Glaubensbekenntnisse im Laufe der Jahrhunderte unweigerlich belastet werden.“ Ferner bemerkte Shaw Miss Smyth assoziiere auch „auf seltsam heidnische, aber durchaus angenehme Weise das Himmlische mit dem Pastoralen“, und er schrieb ihr „ein echtes Gefühl für die Instrumente“ zu. Shaws abschließende Aussage lautete: „Nachdem Frauen in Victor Hugos Beruf auch fallende Erfolge erziehlt haben, sehe ich nicht ein, warum ihnen das nicht auch in Liszts Beruf 47 Smyth, Ethel: Female Pipings in Eden, London 1933, S. 38-39. Vgl. Saremba, Meinhard: Elgar, Britten & Co. Eine Geschichte der britischen Musik in zwölf Portraits, M&T Verlag Ag, Zürich/St. Gallen, 1994, S. 131. 49 Zitat nach: Collis, Louise: Impetuous Heart: The Story of Ethel Smyth, William Kimber, London 1984, S. 63. 50 Zitat nach: Collis, Louise: Impetuous Heart: The Story of Ethel Smyth, William Kimber, London 1984, S. 64. 48 41 gelingen sollte, sobald sie ihm erst einmal ihre Aufmerksamkeit zuwenden“51 Zu einem späteren Zeitpunkt stehen Shaw und Smyth in Briefkontakt, worin ihr Shaw mitteilt, seine Anichten Frauen gegenüber reformiert zu haben: „You are totally and diametrically wrong in imagining that you have suffered from a prejudice against feminine music. On the contrary you have been almost extinguished by the dread of masculine music. […] It was your music that cured me forever of the old delusion that women could not do man’s work in art and all other things. […] You scorned sugar and sentimentality; and you were exuberantly ferocious. You booted Elgar contemptuously out of your way as an old woman52. Ethel Smyth sah den Ursprung der oftmaligen Ablehnung ihrer Werke in der Erstarrung des britischen Kulturestablishments und dem Umstand, dass sie eine Frau war, wie sie hier in einem ihrer Schriften festhält: „Year in year out, composers of the Inner Circle, generally University men attached to our musical institutions, produced one choral work after another – not infrequently deadly dull affairs – … automatically went the round of our Festivals and Chorals Societies. … Was it likely, then, that the Faculty would see any merit in a work written on such very different lines – written too by a woman who had actually gone off to Germany to learn her trade? “53 Smyths andauerndes Aufzeigen von Diskriminierung gegen Frauen in ihren Essays, ihr Auftreten als Feministin in der Öffentlichkeit sowie der Verlust ihres Freundes Henry Brewester mündeten in die aktive Unterstützung der 1903 gegründeten parteiunabhängigen Organisation der „Suffragetten“. Sie beteiligte sich nicht nur an Demonstrationen, sondern komponierte auch den berühmten March of the Women, der am 21. Jänner 1911 von einem Suffragettenchor unter der Leitung der Komponistin zum Erklingen gebracht wurde. Wie 220 andere Suffragetten, wurde auch Ethel Smyth nach den Gewaltaktionen nach einer gescheiterten Gesetzesinitiative zum Frauenwahlrecht 1920 für zwei Monate inhaftiert. Der Dirigent Thomas Beecham besuchte Smyth im Gefängnis und hielt Folgendes fest: „... I went to see her a several times. But on this particular occasion when I arrived ... There were the ladies, a dozen ladies, marching up and down, singing hard. He [guard] pointed up to a window where Ethel appeared; she was leaning out, conducting with a toothbrush, also with 51 Zitat nach: Shaw, G. B.: Musikfeuilletons des Corno di Bassetto, Leipzig 1972, S. 195. Harris, Amanda: The Smyth-Brewster Correspondence. A Fresh Look at the Hidden Romantic World of Ethel Smyth, Women and Music: A Journal of Gender and Culture, Volume 14, 2010,S. 92-93. 53 Smyth, Ethel: As Time went on, London 1936, S.172. 52 42 immense vigour, and joining in the chorus of her own song.”54Zwar nahm die aktive Teilnahme viel Zeit in Anspruch, die Smyth zum Komponieren verwenden hätte können, doch es schien als würde sie etwas von ihrer persönlichen Kreativität aufgeben, um anderen die Möglichkeit zu geben kreativ zu sein. Ihr politischer Aktivismus verhalf vielen Frauen der nächsten Generationen zu mehr künstlerische Freiheiten.55 Da es in England nur ein professionelles Opernhaus gab, musste Ethel Smyth es an einem der deutschen Häuser versuchen. Smyth reiste also durch ganz Deutschland, um ihre Opernkompositionen an Opernhäusern vorzustellen. Ihre erste Oper, Fantasio, kam 1889 am Hoftheater Weimar zur Uraufführung, Der Wald 1902 in Berlin, 1903 in London und New York. Ethel Smyth war die erste Komponistin, die an der Metropolitan Oper ein Stück aufführte und erntete eine zehnminütige Ovation des Publikums. Im Musical Courier vom 18. März 1903 wurde rezensiert: “Not as the music of a woman should Miss Smyth’s score be judged. She thinks in masculine terms, broad and virile. … Her climaxes are full-blooded and the fortissimos are real. There is no sparing of the brass, and there is no mincing of the means that speak the language of musical passion. ... The gifted Englishwoman has successfully emancipated herself from her sex.”56 In den 1920er Jahren war Smyth die meistgespielte Komponistin an Deutschen Opernhäusern. Ihre Musik und auch ihr Auftreten, wenn sie eigene Stücke dirigierte, erfreuten sich weitreichender Beliebtheit.57 Verträge mit Opernhäusern verliefen jedoch nicht immer nach Vorstellungen der Komponistin. Sie musste im Laufe ihrer Karriere und trotz der großen Anstrengungen, die sie aufbrachte, viele Niederlagen wegstecken. Mit dem Jahr 1910 waren alle Hauptwerke Ethel Smyths zur Aufführung gekommen und im gleichen Jahr erhielt Ethel Smyth die Ehrendoktorwürde der University of Durham, der 1926 eine zweite durch die Universität Oxford und 1928 eine dritte durch die University of St. Andrews folgten. 1922 machte König Georg V. Ethel Smyth zur „Dame Commander“ des Order of the British Empire. 54 Beecham, Thomas: Dame Ethel Smyth (1858-1944), Musical Times, Band XCIX, Nr. 4 1958, S. 364. 55 Vgl. Abromeit, Kathlee A.: Ethel Smyth, The Wreckers, and Sir Thomas Beecham, The Music Quarterly, Vol. 73, Nr. 2, 1989, S. 205. 56 Aus: A New Opera in New York, Musical Courier 46, 18. März 1903, S. 12. 57 Vgl. Saremba, Meinhard: Elgar, Britten & Co. Eine Geschichte der britischen Musik in zwölf Portraits, M&T Verlag Ag, Zürich/St. Gallen, 1994, S. 135. 43 In den 1930er Jahren lernte Smyth die Schriftstellerin Virginia Woolf kennen und lieben. Beide kämpften für professionelle Karrieren in Branchen, die traditionellerweise von Männern dominiert waren und hielten diese Unterrepräsentationen und Diskriminierungen von Frauen in Büchern und Essays fest. Ethel Smyth machte im Laufe ihres Lebens viele weitere wichtige, hilfreiche und einflussreiche Bekanntschaften und Freundschaften, wie zum Beispiel jene mit dem Dirigenten Bruno Walter oder Thomas Beecham. Letzterer dirigierte zum Anlass des 75. Geburtstag Ethel Smyths ein Festival mit ihren Kompositionen in der Royal Albert Hall in London, dem Smyth, aufgrund völliger Ertaubung, nicht beiwohnen konnte. Trotz zahlreicher UnterstützerInnen und BefürworterInnen Smyths geriet sie nach ihrem Tod in Vergessenheit. Erst in den 1980er Jahren wurden Smyth und ihr Schaffen wiederentdeckt und erforscht. Der Verbleib des Nachlasses von Ethel Smyth ist unbekannt. Smyths schriftstellerische Arbeit hinterlässt jedoch nicht nur ein Zeitdokument zu frauenpolitischen, gesellschaftlichen, ästhetischen und musikalischen Themen58, sondern gewährt ebenso Einblick in ihren harten Alltag als Frau in einer Männerwelt, die in der Musik Karriere machen wollte. 3.3 Zusammenfassung Betrachtet man die Biographien und das qualitative Schaffen der beiden Komponistinnen, ist es sehr verwunderlich, dass sich Rebecca Clarke trotz ihres kompositorischen und kreativen Talents im Gegensatz zu Ethel Smyth nie orchestralen Werken annahm. Ethel Smyth war schon als Kind von „wilder“ Natur und hat sich dies Zeit ihres Lebens, sogar bis ins hohe Alter, erhalten. Ethel Smyth war von Kindesbeinen an davon überzeugt die gleichen Rechte zu haben wie ihre männlichen Mitmenschen. Dieser natürlichen Logik folgte Smyth bis zum Ende ihres Lebens. Rebecca war zwar, wie sie selbst sagte, immer das „frechste“ der vier Kinder, doch im Vergleich zu Ethel Smyth eingeschüchtert und ruhig. 58 Auflistung aus Saremba, Meinhard, Elgar: Britten & Co. Eine Geschichte der britischen Musik in zwölf Portraits, M&T Verlag Ag, Zürich/St. Gallen, 1994, S. 147: Neben zahlreichen Zeitungs- und Rundfunkbeiträgen folgten noch ihre Essaysammlungen Streaks of Life 1921, A Final Burning of Boats 1928, Female Pipings in Eden 1933 und Beecham and Pharao 1936, die Erinnerungsbände A Three-legged Tour in Greece 1927, As Time Went On 1925 und What Happened Next 1940, sowie eine Biographie des Schriftstellers Maurice Baring 1928 und Inordinate Affection 1926 – ein Buch über die Hunde in den moisten Fällen Schäferhunde, die sie zwischen 1888 und 1929 besaß. Unvollendet blieb der autobiographische Band A Fresh Start. 44 Werden die Mütter der beiden Britinnen gegenübergestellt, lässt sich erkennen, dass Nina Smyth, die immerhin einen Salon in Paris führte, ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Leben führte (zumindest bevor sie Kinder bekam). Dieser Umgang Nina Smyths mit verschiedenen KünstlerInnen und das Darstellen einer öffentlichen Person gaben der Tochter Ethel Smyth bestimmt das nötige Selbstbewusstsein. Aus Ethel Smyths Essays, die autobiographische Züge haben, geht hervor, dass ihre Mutter stets eifersüchtig auf den Lebensstil ihrer Tochter war, da diese noch stärker für ihre Rechte eintrat und sich weigerte, sich unterzuordnen. Agnes Helferich hingegen nahm nie die Rolle einer starken, selbstbewussten Frau für Rebecca Clarke ein. Es scheint, als ob diese Mutter-Tochter-Beziehungen einen Schatten auf das Leben der Töchter warfen. Darüberhinaus ist zu erwähnen, dass Ethel Smyth ihre eigenen Stücke stets mit Selbstbewusstsein, Können und der nötigen Aufdringlichkeit an Menschen gebracht hat, sich sozusagen immer gut verkauft hat. Smyth hat stets über ihre eigenen Stücke gesprochen, was Rebecca Clarke nie in diesem Ausmaß, höchstens mit FreundInnen oder geschätzten KollegInnen, unternommen hat. Beide Frauen teilen das Schicksal, dass ihr Nachlass nicht ordnungsgemäß verwaltet wurde und viele ihrer Stücke schwer oder gar nicht bei Verlagen veröffentlicht wurden. Im Laufe der Recherchen entdeckte ich, dass sich die beiden Komponistinnen privat, wenn auch nicht sehr gut, kannten und vor allem sehr schätzten. Ein Unterschied, der hier aufzuzeigen ist, ist der, dass Rebecca Clarke sich stets als feminin und wohlerzogen in der Öffentlichkeit präsentierte, Smyth hingegen für ihre markanten Modestile und eigensinnigen, lauten Gestikulierungen bekannt war. Einblicke dazu geben Lichtbildabbildungen beider Frauen: 45 Zu erkennen ist, dass Rebecca Clarke eine sehr private, zurückgezogene, wenn nicht sogar schüchterne Ausstrahlung erkennen lässt, Ethel Smyth hingegen selbstsicher, mit dem Blick zielgerichtet in die Zukunft und den Händen in den Jackentaschen den Eindruck aufkommen lässt, sehr genau zu wissen, wer sie ist und was sie will. Ein weiterer Punkt ist die finanzielle Unterstützung, die den Frauen im Laufe ihrer Schaffensphasen gegeben war. Während Clarke nur auf vereinzelte Unterstützung zurückgreifen konnte, war es Smyth für einige Zeit möglich, sich künstlerisch zu entfalten, da der finanzielle Boden ausreichend gegeben war. Beleuchtet man Rebecca Clarkes Schaffensphase 1919 bis 1923, entstanden die Werke (Sonate für Viola, Klaviertrio und Rhapsodie), mit denen Clarke auch nach ihrem Tod in Erinnerung blieb. Interessant ist, dass Clarke in dieser Phase von der sehr wohlhabenden Kunstmäzenin Elisabeth Sprague Coolidge nicht nur finanziell, sondern auch emotional unterstützt wurde. Smyth hat sich hingegen ein umfassendes, dichtes Netzwerk aus Mitgliedern der Aristokratie, dem Militär, der Politik und natürlich der Musik gesponnen und durch ihren Verkaufsgeist, ihrer musikalischen Stärke, die Gesellschaftskritik ebenso wie Witz enthielt, ihr Hauptwerk zur Aufführung gebracht. Beide Komponistinnen waren damit konfrontiert, in Kritiken zu ihren Werken auf ihre Weiblichkeit reduziert zu werden, wobei nicht auf die Stücke an sich eingegangen wurde. Was sie außerdem verband, war ihre Freude am Komponieren. Clarke hat im Gegensatz zu Smyth relativ früh aufgehört zu komponieren, sie sagte in einem Interview „I wanted to, but I 46 couldn´t“59, wobei Smyth wegen des Gehörverlusts nicht mehr komponieren konnte, da sie auf das Anhören der Stücke nach deren Beendigung angewiesen war.60 59 Zitat nach: Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S. 176. 60 Vgl. Saremba, Meinhard, Elgar: Britten & Co. Eine Geschichte der britischen Musik in zwölf Portraits, M&T Verlag Ag, Zürich/St. Gallen, 1994, S. 147. 47 4 Rebecca Clarke und die English Musical Renaissance 4.1 Was ist die English Musical Renaissance? Die English Musical Renaissance steht für die Etablierung einer englischen Identität auf musikalischer Ebene und findet erste Initiativen ab 1840. Dicht verwoben mit den Entscheidungen der Politik entstanden in den 1840er Jahren erste Fakultäten wie die Royal Academy of Music (RAM) in London. Ziel war es, englische KomponistInnen und MusikerInnen heranzuziehen, die den Bestand von ausländischen, vor allem deutschen MusikerInnen, in England minimierten. England haftete bis dato der Ruf an, es wäre ein Land ohne Musik, da doch viele dort tätige MusikerInnen und KomponistInnen aus Deutschland waren, oder zumindest in Deutschland studiert hatten. Der Beruf des Musikers/der Musikerin war nicht angesehen, sondern nur als Hobby neben einer geldbringenden Tätigkeit gängig. Musik als Medium für Kunst sollte daher im Zuge der English Musical Renaissance den bildenden Künsten und der Schriftstellerei ebenbürtig werden. Darum galt es in der frühen Phase (1850er Jahre) den Stellenwert nationaler Komponisten zu steigern. Die Industrialisierung, der ansteigende Wohlstand und der daraus resultierende Zugang zu Bildung für mehrere Gesellschaftsschichten machten diese Entwicklung möglich. Möchte man das Bewusstsein einer Bevölkerung hinsichtlich nationaler Musik und MusikerInnen schärfen, braucht es eine klare Kategorisierung und das Aufzeigen der nationalen (Musik)Geschichte. Hierfür trat George Grove in den Dienst der Politik, um die Meister der englischen Geschichte aufzuzeigen und in das Bewusstsein der Bevölkerung zurück zu bringen. Er verfasste das Dictionary of Music and Musicians, auf welches später eingegangen wird. Der Reverend H.R. Haweis beeinflusste mit seinem Buch Music and Moral die Entwicklung eines musikalischen Englands. Dieses Buch erschien in 20 Neuauflagen und blieb bis 1906 in Druck, was beweist, welchen Stellenwert dieses Buch für England hatte. In dem Buch schreibt Haweis über die Dringlichkeit der EngländerInnen, Kunstmusik als Instanz zu betrachten, um die moralische Gesundheit einer Gesellschaft zu sichern. Dies sei laut Haweis aber nur mit einem Komponisten möglich, der sehr gut ausgebildet ist und intensive, nicht sinnliche, Emotionen mit hoher Kontrolle in Musik umsetzt. Haweis meint, Mendelssohn (und generell deutsche Musik) habe dieses Maß an Kontrolle und Ausbildung und sei demnach nachzufolgen. Haweis kritisiert weiters, dass englische Komponisten nicht 48 für das englische Volk komponierten, sondern nur für den Adel und das hohe Bürgertum. Eine Entwicklung hin zur Zugänglichkeit von Kunstmusik für eine breitere Masse sollte erreicht werden und Ausbildungsstätten sollten seitens der Politik gegründet werden, in denen diese Werte und Fertigkeiten weitergegeben würden. Neben anderen der rasanten musikalischen Entwicklungen im Ausland, werden die 1870er Jahre als Wendepunkt im kulturellen Denken in England gesehen.61 Die Hinwendung zur Volksmusik in Verbindung mit der besten Ausbildung gelte als vielversprechende Richtung, wie Haweis in Music and Moral schreibt: „[...] The music of the people was ballads – the music of the people is still ballads. Our national music vibrates between ‘When other lips’ and ‘Champagne Charly’ […] this will be so until music is felt here, as it is felt in Germany, to be a kind of necessity – to be a thing without which the heart pines and the emotions wither – a need, as of light, and air, and fire.”62 Er hebt eine bereits positive musikalische Entwicklung in England hervor, die durch Mendelssohns Einfluss, den stetigen Anstieg von Klavierbesitzern und einem stärker auftretenden Konzertleben anzufinden sei. Für Englands Zukunft und das Bestehen einer starken Gesellschaft, sollte es sich musikalisch weiterentwickeln, damit Musik erstmalig seine Mission im moralischen und kulturellen Leben erfüllen könne.63Er schreibt weiters: “We must not be content with foreign models […] but we must aim at forming a real national school, with a tone and temper expressive of England […] When we have a national school of music, and not before, we shall have high popular standards, and the music of the people will be as real as an instrument of civilization in its way, and as happily under the control of public opinion, as the Press , the Parliament, or any other of our national institutions.”64 Haweis’ Music and Moral wirkte lehrbuchartig auf die beiden Musiklehrinstitutionen RAM und RCM (Royal College of Music) in London, welche seine Maßstäbe in Realität umsetzten. Ersteres leitete Henry Cole, ein vielbereister Wirtschafter, der in enger Verbindung zum 61 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Routedge Verlag, London und New York 1993, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001. S. 5-7. 62 Zitiert aus Hawais, H. R.: Music and Morals, Strahan 1871, S. 492-493. 63 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Routedge Verlag, London und New York 1993, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 7. 64 Hawais, H. R.: Music and Morals, Strahan 1871, S. 573-574. 49 Königshaus (vor allem zu Prinz Albert65) stand, der wie Haweis die Zukunft Englands in der Übernahme von Traditionen aus Deutschland sah. Cole beobachtete, dass zum Beispiel in München Politik, Wirtschaft, Kunst und vor allem Musik als Zentrum von Rationalität und Kreativität gemeinsam funktionierten und das vorherrschende Wissen der Garant für Fortschritt war. Nach dem Tod Prinz Alberts 1861 gründete Cole die Royal Society of Arts 1867. Alfred, Duke von Edinburgh (Alberts zweiter Sohn), wurde der Präsident der Society, und mit staatlichen Geldern wurde die Royal Academy of Music als Ausbildungsstätte für englische MusikerInnen, jedoch auch für zukünftige Lehrpersonen, finanziell unterstützt. Coles Gedanken vor dem Komitee der Royal Society of Arts dazu waren: “I think music is to be encouraged in order not that any special class, but that the country at large, may derive benefit and pleasure from it […] As almost all civilized governments of the world have thought it good state policy to devote some portion of their revenues to the encouragement of musical education, so I think the time is come when our own government may be fairly asked to do the same without stepping beyond its functions.”66 Diese geänderten Perspektiven zu Kunst, und der Beziehung zwischen Gesellschaft und Kunst, wurden als Geburtsstunde der English Musical Renaissance betrachtet. Zwei weitere Bücher, die veraltete gesellschaftliche Strukturen kritisierten, waren: Jakob Burckhardts The Civilization of the Period of the Renaissance in Italy 1860 und Walter Paters Studies in the History of the Renaissance 1873. Für das bereits erwähnte Dictionary of Music and Musicians war Grove nicht nur Herausgeber, sondern er schrieb auch viele Artikel selbst. Die weiteren Autoren waren auch verwoben mit der Gründung und Führung der in London entstehenden Infrastruktur, angefangen von der Royal Academy of Music bis hin zum Royal College of Music. Diese beiden waren, und sind bis heute, die führenden Ausbildungseinrichtungen für MusikerInnen und KomponistInnen in England. Teile der Inspiration Groves für die Enzyklopädie gehen auf 1870/71 zurück, dem Franko-Preussischen Krieg und einer daraus folgenden Krise in Europa. Grove war ein Kriegsgegner und konnte es nicht akzeptieren, dass zwei der zivilisiertesten Staaten Europas so viele Menschenleben aufs Spiel setzten, um ihre Macht zu erweitern. In dieser Atmosphäre reichte die vorhandene englische Musik nicht aus und wurde eine 65 Die nationalistische Entwicklung Englands, in Bezug auf die politische Verbindung zwischen England und Deutschland sei hier erwähnt, da Königin Viktoria mit dem Deutschen Prinzen Albert von Sachsen-Anhalt verheiratet war. 66 Cole, Henry: Fifty Years of Public Work, In two Volumes, Volume 2, George Bell and Sons, London 1884, S. 24-25. 50 politische Priorität. Groves erste Ausgabe des Dictionary of Music and Musicians gewährt Einblicke in Groves Vorgangsweise. Er selbst schrieb längere Artikel über Beethoven und Mendelssohn, auch vor allem über die zeitgenössischen, noch lebenden Komponisten wie Hubert Parry, Arthur Sullivan und Charles Stanford. Es gab auch Einträge über Komponisten aus früheren Epochen, wie Henry Prucell, wessen Artikel viel länger war als der von Johann Sebastian Bach. Es sollte zeigen, dass auch England einen großen barocken Komponisten aufzeigen kann. In Zusammenarbeit mit den Adeligen Duke von Edinburgh und Duke von Albany trat Grove an die Öffentlichkeit, um für die Integration von englischer Musik in der Bevölkerung zu werben. Drei Hauptpunkte, die vertreten wurden, waren der soziale und moralische Wert von Musik, die Musikgeschichte Englands und die daraus folgende Identifizierung mit dem eigenen Erbe und die positiven Auswirkungen auf das zwischenmenschliche Alltagsleben in Familien.67 Der innere Zirkel von Lehrpersonen am RCM bestand aus Hubert Parry (Komposition, Musikgeschichte), Charles Stanford (Komposition und Orchesterleitung) und Walter Parratt (Orgel), die alle drei der Vision folgten, ein musikalisches Zentrum Englands, und in weiterer Folge Europas aufzubauen und dabei auf die Bedürfnisse der Studierenden einzugehen. Stanford, der in Deutschland studierte und dessen musikalische Vorbilder Bach, Beethoven und Brahms waren, hatte eine sehr wichtige Rolle als Kompositionslehrer und Leiter des Orchesters am RCM, da er für eine nächste KomponistInnengeneration verantwortlich war. Stanford war es, der seine enge Verbindung zur Englischen Folklore und die Wichtigkeit des Volksliedes für eine nationale Einheit und Entwicklung an seine Studierenden weitergab. 1889 konstatierte er die essentielle Verbindung zwischen nationaler Musik und der Folklore folgendermaßen: „Without the foundation of such music no healthy taste can be fostered in the population. From all times it has been the germ from which the great composers have come … The greatest composers have sprung from the heart of the people.“68Als Leiter des Orchesters war er auch verantwortlich für die Entwicklung einer eigenen Tradition im Orchesterspiel und Dirigieren. Grove wollte, dass Stanford das Repertoire des Orchesters stark auf vorhandene englische Literatur ausrichtete, um dem Dictionary of Music and 67 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R. M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 26. 68 Hughes, M. & Stradling, R. M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 32f. 51 Musiciansund den darin besprochenen englischen KomponistInnen eine aktive Interpretation zu gewährleisten. Stanfords KompositionsschülerInnen sollten seiner Meinung nach alle InstrumentalistInnen in diesem Orchester sein, damit sie ein Gefühl für musikalische Verläufe der unterschiedlichen Instrumentalgruppen bekämen. Die Meinung, dass Musik notwendig sei für eine gesunde Gesellschaft führte so weit, dass sich viele weitere Schulen wie das London College of Music auf Abendstunden beschränkte, um arbeitenden StädterInnen auch einen Zugang zu Musikunterricht zu ermöglichen. Stanford sah die Zukunft jedoch in der Elementaren Bildungsriege. In seiner Vorlesung zum Thema Music in Elementary School sagte er: „The first effect of education upon the uneducated masses is the development of socialistic and even of revolutionary ideas amongst them … the systematic development of art is a lever in the hands of education … [which] will act more powerfully than any means of socialistic repression; by raising the standard of refinement it will in time counteract by fair means the dangers born of knowledge.“69Diese Entwicklung zeigt von einer Bildungsrevolution, deren Auswirkungen den Lebensstandard aller sozialen Schichten erreichen sollte. Groves zweite Hinterlassenschaft für England und die Entwicklung der nationalen Musik war der Bau des bereits mehrfacht erwähnten Royal College of Music. Er war nicht nur Architekt (für Leuchttürme), sondern hatte auch Talent als Spendensammler und Veranstaltungsorganisator zum Lukrieren von Geldern. Seine Reden beeindruckten königliche Unterstützer und führten zu hohen Geldspenden. Grove war es, der England auf ein Podest im Musikhimmel zurückholte und alle Vorurteile, England wäre ein Land ohne Musik, ausräumte. Seine Theorie war, dass Englands Musik die erste ausgereifte Schule im westlichen Christentum darstellte und das „Goldene Zeitalter“ erst mit dem Tod Purcells endete. Die darauffolgende Übernahme ausländischer Instanz, durch Händel und die italienische Oper, wurde „Dunkles Zeitalter“ genannt. Für mehr als ein Jahrhundert war England überschattet von Kräften aus dem Ausland. Einzig die Chortradition hatte überlebt. Parry, als Professor für Musikgeschichte, hatte die Aufgabe diese Betrachtung der Geschichte an seine Studierenden weiterzugeben (was ihm laut Hughes und Stradling exzellent gelungen 69 Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 46. 52 ist) und ist in Form seines Buches The Art of Music, in schriftlicher Form den Anforderungen der modernen English Musical Renaissance gerecht geworden.70 Nach der Era Groves, 1891, war nicht nur ein gutes Team am RCM entstanden, dass die Zukunft für Englands Musik garantierte, sondern auch ein Netzwerk zwischen RCM und der RAM unter der starken Leitung von Arthur Mackenzie, samt seinen Verbindungen zur Presse, wie der Musical Times. London hatte sich nun ein Zentrum aufgebaut, das Englischen KomponistInnen, noch dazu aus allen gesellschaftlichen Schichten, die Möglichkeit gab, ein geistiges Zentrum zu teilen. Die Renaissance hatte Züge einer Revolution, doch wie auch andere Revolutionen hatte die English Musical Renaissance stets starke konservative Komponenten und musste sich bald die fundamentale Frage stellen: Hat das Festhalten von Traditionen Vorrang oder Weiterentwicklung und Veränderung? Die Bewegung Art for art’s sake wurde immer stärker und fand mit Edward Elgar einen würdigen Vertreter. Elgars Gönner waren Anhänger Wagners, und sahen dessen kompositorischen Weg (“In the unprecedented flux of the postWagnerian musical climate – the Pandora´s Box of experimentation opened by Tristan – this seemed designed to ensure the fossilisation of English Music.”71) zukunftsweisend. Stanford und Parry waren hingegen der Tradition Brahms verschrieben und sahen eine musikalische Zukunft nur in Verbindung mit dem Volkslied. Diese beiden Kraftachsen in England wirkten gegensätzlich und erzeugten eine Kluft, die Raum für weitere Möglichkeiten schaffte. Einer, der davon Gebrauch machte, war der Dirigent Henry Wood (1869-1944). Er gründete 1895 die Promenade Concerts, kurz Proms, die den Sinn hatten, einer breiten Masse für wenig Geld die Möglichkeit zu geben, gute Orchestermusik zu hören. Diese Erneuerung in der englischen Konzertwelt, dass auch niedrige Schichten Anteil hatten an der Musik, schlug Wellen, und forderte die Vertreter der English Musical Renaissance, darunter Parry und Stanford, auf, sich solchen Veränderungen anzupassen. Woods Ziel war es, nicht nur englische Musik anzubieten, sondern auch Musik aus Russland, Frankreich, Deutschland und Österreich, um eine musikalische europäische Entwicklung und vor allem verschiedene 70 (Vgl.) Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Routedge Verlag, London und New York 1993, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 45-46. 71 Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Routedge Verlag, London und New York 1993, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S.57. 53 Ästhetiken aufzuzeigen. Henry Wood war es auch, der das erste Orchester leitete, in dem auch Frauen mitspielten (Rebecca Clarke war eine der sechs Streicherinnen). Der Erste Weltkrieg führte zu einer unmittelbaren Abwendung von der deutschaffinen Haltung der Wagner AnhängerInnen, aber auch fundamentalen Ideale Deutschlands, die sich Grove und Parry als Bausteine für die Englische Renaissance zurechtlegten, wurden abgelehnt. Der Angriff Deutschlands auf das neutrale Belgien, die Gewalt gegen Zivilpersonen, das Zerstören von Städten samt Bibliotheken, das Einsetzen von Giftgas und der erste Luftangriff auf London am Weihnachtsabend 1914, führten zu einer profunden Reaktion seitens der Engländer. Anti-Deutsche Einstellungen führten dazu, dass das Royal House selbst den Namen von Sachsen-Coburg-Gotha auf den Namen House of Windsor änderte. Politische Verbindungen wurden somit kurzerhand abgebrochen. Der mahnende Artikel The War and the Future of Music von Ernest Newman sollte England darauf hinweisen, dass ein Zurückweichen auf „Little England“ ein fataler Schlag gegen die Entwicklung der Musik in England wäre.72 Insbesondere, da sich England in den letzten 20 Jahren zu einem kosmopolitischen Zentrum entwickelt hatte, hätte diese Richtung einen (deutsch)nationalen Beigeschmack. Newman hatte auch schon in vorangegangenen Artikeln in der Musical Times die ‚folk-song friends‘ darauf hingewiesen, dass Nationalismus einem nationalen Komponisten nicht helfe national zu sein.73 Nach einem Spielverbot von deutscher Musik (Musik des Feindes) und dem Auftrittsverbot von deutschen MusikerInnen seitens der Britischen Regierung begann ein regelrechter Boom britischer Werke an Opernhäusern und Konzertsälen. Komponisten, wie Elgar und Parry, komponierten einige propagandistische Kriegswerke, durch die Elgar seinen Bekanntheitsgrad erweiterte und auch sehr gut verdiente, wobei Parry vermehrt in Konflikt mit sich selbst stand, da die deutschen Traditionen für ihn einen hohen Stellenwert hatten. Während und schon vor den Kriegsjahren erlitt England auch innerhalb des Landes eine Krise. Irland wollte die Unabhängigkeit erreichen und die Burenkriege kosteten dem Land viele Ressourcen. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte eine Neubesetzung am RCM, was zur Folge hatte, dass Parry und Stanford von dem jungen aufstrebenden Komponisten Ralph 72 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction , Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 84. 73 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction , Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S. 84. 54 Vaughen Williams und dessen langjährigen Freund Hugh Allen, einem Industriellensohn, nachbesetzt wurden. Beide waren loyale Anhänger der Renaissance und der Deutschen Tradition, vor allem Bach und Brahms. Vaughan Williams war bekannt durch seine umfangreichen Sammlungen von Volksliedern aus ganz England Bushes and Briars aus 1903. Williams galt stets als Komponist, der dem Volk nahestand. Er lehnte die Musik Schönbergs, Stravinskys und Bartóks ab, da er Atonalität als hässlich empfand. In den 1920er Jahren war Williams als „der nationale“ Komponist in England angesehen. Mit Ende der 1920er Jahre war die Folksong School sehr populär und garantierte ein weiteres Fortbestehen. Die in England vorherrschende Beliebtheit Stravinskys stieg trotz der Bemühungen Williams und seiner Anhänger, dies zu verhindern. Neben Stravinsky waren auch Jazz, die schöpferische Musik aus Frankreich – vor allem Ravel, Satie und die KomponistInnen aus Les Six – große Einflüsse auf die englische Musikszene. Diese Einflüsse aus dem Ausland ließen Journalisten der Musical Times wie Robin Hull die Meinung äußern, dass das Folksong Revival in England nun dem Ende zuginge.74 Die stattfindende Kommerzialisierung der Musik im Radio, also der Gründung und Entwicklung der BBC (British Broadcasting Corporation) in England, trug weiter dazu bei, dass England eine Öffnung zu Musik aus dem Ausland durchführen musste und Filmmusik, Jazz und Musicals ebenso ausstrahlte wie Klassische Musik. Ein Faktor war, dass Menschen nach dem Krieg eine „leichtere“ Musik hören wollten, um sich den Kriegsschrecken zu entziehen. In den 1940er Jahren schlossen das RCM und die BBC Abkommen ab, viele Konzerte des RCM im Radio zu übertragen. Blickt man zurück auf die Anfänge Englands in den 1840 Jahren, das Land in ein „Land mit Musik“ zu verwandeln, können viele Konzerte namhafter KomponistInnen genannt werden, die im Ausland, vor allem Deutschland, Erfolge feierten. Charles Stanford war mit einem Konzert 1889 in Berlin, das ausschließlich seine Werke beinhaltete (darunter die Irish Symphonie), eine beachtete kreative Figur im Deutschen Musikleben. Auch Ethel Smyth konnte mit drei Opernpremieren in Deutschland punkten sowie Edward Elgar, der von dem führenden deutschen Komponisten Richard Strauss nach der Aufführung von dessen Werk The Dream of Geronitus mit dem Titel „Meister“ gekürt und als Inbegriff des Englischen Progressivismus bezeichnet wurde. 74 Vgl. Hughes, M. & Stradling, R.M.: The English Musical Renaissance 1860-1940, Construction and deconstruction, Erste Auflage: Routedge Verlag, London und New York 1993, Zweite Auflage: Manchester University Press, Manchester und New York 2001, S.101. 55 4.2 Rebecca Clarke und die English Musical Renaissance Geht man davon aus, dass Clarke nicht nur an den zwei Hauptinstitutionen, nämlich der RAM und dem RCM, studierte sowie Kompositionsstudentin von Sir Charles Stanford war, der gemeinsam mit Grove und Parry eine der Schlüsselfiguren der English Musical Renaissance darstellte, könnte davon ausgegangen werden, Clarke sei unbedingter Teil der English Musical Renaissance. Erkennt man jedoch, dass Clarke nicht mit einem einzigen Wort in dem Buch The English Musical Renaissnce 1840 -1940 von Hughes und Stradling erwähnt wurde oder in Groves Dictionary for Music and Musicians von 1980 mit einem nur zwei Zeilen langen Eintrag: „Rebecca Clarke, b. Harrow, 2 Aug 1886. English viola player and composer, wife of James Friskin.“75vermerkt wurde, stellt man sich die Frage, warum Clarke so spärlich festgehalten wurde. Liane Curtis war die erste Musikologin, die eine Verbindung von Clarke zur Renaissance aufstellte (Rebecca Clarke and the English Musical Renaissance findet sich in Curtis‘ A Rebecca Clarke Reader S. 19). Bryony Jones hält fest, dass zu Clarke über den Namen ihres Mannes James Friskin mehr Informationen über sie als Komponistin und ihr Leben zu finden sind als über ihren eigenen Namen selbst. Dies ist als Konsequenz patriarchaler Strukturen zu sehen, die sich in der Reproduktion männlicher Macht durch den Ausschluss von Frauen und zeitgleichen Erhalt von Männerbünden (in weiten Teilen bis heute in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen) widerspiegeln. Diese Strukturen mach(t)en natürlich auch nicht vor dem weiten, prestigeträchtigen Sektor des Musikschaffens Halt. Ein weiteres Beispiel solcher vorhandenen Männerbünde ist die Universität, die auch ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt(e) und durch ihre späte Öffnung für Frauen auch in dieser Arbeit bereits thematisiert wurde.76 Erst in den 1980er Jahren, mit Gründung der Rebecca Clarke Society, kam der Forschungsgegenstand „Rebecca Clarke und ihr Schaffen“ ins Rollen. Nach genauerem Hinsehen änderten sich die Ansichten seitens Musikwissenschaft gegenüber Rebecca Clarke: „significant British figure ... who wrote with impressive technical command, individual expression, and a refreshingly international outlook"77; „one of the most interesting and independent-minded British composers - of either sex – in the first 75 Sadie, S. (Hg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians, IV, London 1980, S. 448. Vgl. Rath, Anna: Wenn frau Wissen schaffen will. Universitäre gleichstellungsorientierte Weiterbildung zur Karriereförderung von Wissenschafterinnen. http://static.unigraz.at/fileadmin/Koordination-Gender/Gleichstellung/Masterarbeit_Anna_Rath.pdf 77 MacDonald, C: Rebecca Clarke's Chamber Music; Tempo, Nr. 160, March 1986, S. 15, Zitat nach: Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 2. 76 56 half of the twentieth century”78;“one of the most accomplished British composers of her generation”79 Um so verwunderlicher ist es, dass Clarke zum einen in Stephen Benfields Studie Sensibility and English Song (1985) ausgeschlossen blieb, und zum anderen im sehr umfangreich ausfallenden Buch Women and Music - A History (1991) von Karin Pendle ebenfalls nicht erwähnt wurde.80 Erst im New Grove Dictionary of Women Composers, und mit viel Druck seitens der Rebecca Clarke Society81, kam es zu einem umfangreichen Eintrag von mehr als 1000 Worten, der einen Einblick in ihre Errungenschaften und ihre Wichtigkeit für die britische Musikgeschichte gewährt.82 Betrachtet man zunächst nochmal die Anzahl der Einträge von Frauen im Buch The English Musical Renaissance 1840-1940, empfinden Hughes und Stradling nur fünf Komponistinnen als würdig, in 100 Jahren Musikgeschichte erwähnt zu werden. Vergleicht man dies mit der Aussage von Marin Ruth Tollefson Jacobson in ihrer Dissertation Stylistic development in the choral music of Rebecca Clarke aus dem Jahr 2011, erscheint es nahezu unverantwortlich, wie stark eine so faszinierende Komponistin vernachlässigt wurde: “As Clarke‘s music gains wider circulation and as further scholarship draws attention to her excellent writing and beautiful, expressive compositions, Rebecca Clarke may be recognized as one of the finest English composers of the early twentieth century.”83 Tollefson Jacobson spricht in ihrer Dissertation, ebenfalls wie Curtis, auf die sich T. J. immer wieder bezieht, den Grund an, warum Clarke als Teil der Renaissance in der Geschichtsschreibung immer ausgelassen wurde. Sie führt dieses Phänomen darauf zurück, dass Clarke nie ein Orchesterwerk vertonte und somit auch nie im Zuge größerer Konzerte der breiten Masse vorgeführt werden konnte, wie zum Beispiel Ethel Smyth mit ihren Opernkompositionen. Jedoch versprachen Clarkes kompositorische Erfolge auf dem RCM eine vielversprechende Zukunft als Komponistin, welche durch finanzielle Umstände, die die 78 MacDonald, C: Introduction to the Boosey and Hawkes edition of Clarke's Trio (1994), Zitat nach: Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 2. 79 Oliver, M E: Gramophone, 73, October 1995, S. 81, Zitat nach: Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 2. 80 Vgl. Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 2. 81 Die Rebecca Clarke Society wurde 2000 von Dr. Liane Curtis von der Brandeis University gegründet. Ziel ist es Clarkes Werk zu verbreiten, um das Interesse an der Komponistin zu erhöhen. Weiters bemüht sich die Society Clarkes Stücke auf die Bühne zu bringen. 82 Vgl. Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke(1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 3. 83 Tollefson Jacobson, Marin Ruth: Stylistic development in the choral music of Rebecca Clarke, in: Theses and Dissertations, Iowa Research Online, University of Iowa 2011, S. 204. 57 junge Studentin dazu zwangen, als Bratschistin ihren Lebensunterhalt zu verdienen und das Komponieren aus Zeitmangel zu vernachlässigen, zunichtegemacht wurde. Aus diesem Lebensumstand heraus entwickelte sich Rebecca Clarkes Karriere in eine instrumentale, kammermusikalische Richtung: Clarke wurde zu einer der renommiertesten Bratschistinnen in ganz England. Tollefson Jacobsons Dissertation behandelt eine Behauptung Curtis‘, die besagt, dass Clarke sich dazu entschlossen hätte, nie größere Werke zu vertonen, da Frauen immer wieder gesagt würde, sie seien nicht fähig kreativ zu sein, hätten weniger intellektuelles Potential als Männer und würden im Kompositionsprozess ihre feminine Seite verlieren. Bedenkt man Clarkes Fixstelle als Bratschistin im Queen‘s Hall Orchestra und die öffentliche Aufregung und Abneigung Frauen in Orchestern gegenüber, ist es möglich, dass sich Clarke diesem öffentlichen Druck, der auf sie eingefallen wäre, hätte sie Orchesterwerke vertont, nicht aussetzen wollte, trotz ihrer Leidenschaft für das Komponieren. Mit dem Lebensumstand als Kammermusikerin konnte sie in ihrem Fachbereich ihre kompositorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten auf sehr hohem Niveau in experimentierfreudigem Umfeld ausprobieren, umsetzen und einem Publikum präsentieren, das auch Interesse an neuer Musik hatte (Kritiken nicht einberechnet). Ein wichtiger Faktor war bestimmt auch, dass sie sich das Komponieren größerer Werke schlicht und einfach nicht leisten konnte, da sie, bis auf Elisabeth Sprague Coolidge, keine Gönner aufzuweisen hatte. Die Spezialisierung auf Kammermusik, vor allem auf Lieder, die Clarke vertonte, waren nach Ansichten der Vertreter der English Musical Renaissance keine repräsentativen Arbeiten. Charles Stanford hatte seinen Studierenden zum Beispiel das Vertonen von Liedern zwar stets ans Herz gelegt, ihnen jedoch auch zu verstehen gegeben, dass das Komponieren von Liedern immer nur eine beiläufige Tätigkeit darstellen sollte, um die Handhabung mit kleinsten musikalischen Teilen stets zu trainieren, bis das Handwerk soweit gereift war, um absolute Musik zu schreiben.84 Da die English Musical Renaissance gesellschaftlichen Normen, vor allem jenen der Viktorianischen Zeit, unterlag war, stand eine Frau als Kompositionsstudentin im Widerspruch zum gängigen Sittlichkeitsbild der Frau, wie Clarke selbst schrieb: „When I was a student a female composer was about as much of a freak as the bearded lady of the 84 Vgl. Jones, Bryony: The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 19f. 58 circus.“85Curtis geht davon aus, dass die starren Viktorianischen Ansichten Clarkes Komponistinnendasein sehr stark geformt haben. In der Folgte konnte sich Clarke als Frau kaum herausnehmen, sich überhaupt zu entscheiden, große oder kleinere Werke zu schreiben, sondern sah den einzigen Weg in der Kammermusik. Dies unterstreicht auch Paula Gilletts Aussage, der zufolge Frauen, die große Werke veröffentlichen wollten, nicht nur dasselbe Problem hatten wie Männer, überhaupt einen Verlag zu finden, sondern bei einer fallweisen Gegenüberstellung die Stücke von Frauen immer als schlechter bewertet wurden als die der Männer.86 In Curtis‘ Artikel Rebecca Clarke and the English Musical Renaissance bespricht diese, dass Clarke einen gewissen Einfluss auf verschiedene männliche Zeitgenossen wie Gurney und Vaughen Williams und deren Liedkompositionen hatte. Tollefson Jacobson geht sogar von noch vielen weiteren Komponisten aus, die Clarke mit ihrer sehr fortschrittlichen, europäisch offenen Kompositionsweise beeinflusste (und von denen sie auch umgekehrt beeinflusst wurde). Dazu zählen Parry, Holst, Granville, Bantock, Frank Bridge, Roger Quilter und andere, von denen Clarke als Kollegin und Komponistin auch sehr geschätzt wurde. Rebecca Clarke, die als Kind brutal von ihrem Vater geschlagen und gedemütigt wurde, führte zwar ein selbstbestimmtes Leben, hatte jedoch mit Depressionen zu kämpfen, wie aus ihren Memoiren hervorgeht. Diese äußerten sich unter anderem in Form von Minderwertigkeitskomplexen, die sich bis ins hohe Alter zogen, wie der Eintrag in ihren Memoiren bezeugt: „I loved the Royal College, and made many more friends there than I had at the Royal Academy. It was extremely stimulating to think of the well known composers who had been there and passed through Stanford’s hands: Gustav Holst, Vaughan Williams, Frank Bridge, George Butterworth and a host of others, all of whom I ultimately came to know. That I was the only woman he had accepted was a source of great pride to me, though I knew full well that I never really deserved it.”87Im nächsten Absatz sieht sich Clarke selbst zwar als Teil ihrer Zeitgenossen, doch dies sehr zurückhaltend und den anderen gegenüber sehr bewundernd: „Awestruck, I gazed at composition students whose names were already known to me. There they were in person at the Fortnightly concerts – Benjamin Dale, York 85 Zitat nach: Curits, Liane: The Woman Composer - Then and Now. Facsimile of typescript reproduced with Morpheus: for Viola and Piano by Rebecca Clarke, Appendix 2, New York: Oxford University Press 2002. 86 Gillett, Paula. Musical Women in England, 1870-1914. New York: St. Martin’s Press 2000, S. 18. 87 Clarke, Rebecca: I Had a Father, Too; or The Mustard Spoon. Unveröffentliches Manuskript, private Kollektion, S. 154. 59 Bowen…, and, grandest of all, Arnold Bax, resplendent in a pale-greenish suit with a pink carnation in his buttonhole. Pig-tailed nonentity that I was, it never crossed my mind that later on, in my professional life, I should become acquainted with these gods.”Somit lässt sich Clarkes musikalischer Stil im Sinne der English Musical Renaissance verstehen.88 Der Wechsel von der Violine auf die Viola, auf Anraten Stanfords, verhalf Clarke zu einer Orchesterpraxis im College Orchester unter der Leitung von Hubert Parry.: „You must come into the orchestra…Change over to the viola…because then you are right in the middle of the sound, and can tell how it‘s all done. And from that moment the viola became my instrument. I had felt an affinity for it ever since I was a child and first heard the two Brahms songs with viola obbligato; so the switch from violin felt very natural. I have always been glad I made it”89. Clarkes Werk lässt eine Verbindung zur Renaissance anhand einiger Beispiele erkennen, die sie letztendlich als Renaissancekomponistin identifizieren. Three Old English Songs aus dem Jahr 1923 und die darauffolgenden Three Irish Country Songs von 1926 werden zu ihren bekanntesten Werken gezählt un sind Arrangements für Stimme und Violine. Hier lässt sich eine Verbindung zu Ralph Vaughan Williams herstellen, der für seine Volksliedsammlungen bekannt war. Es hat den Anschein, dass Clarke, die mit Williams befreundet war, durch ihn oder zumindest sein Umfeld für diese Stücke inspiriert wurde. Dr. Liane Curtis verweist, wie vorhin angeschnitten, in Rebecca Clarke and the English Musical Renaissance darauf, dass es offensichtliche Ähnlichkeiten zwischen zwei Liedern von Clarke und Williams gibt. Es handelt sich um Clarkes The Seal Man (1922) und Vaughan Williams The New Ghost (1925). Curtis zeigt einige Ausschnitte auf, die hier kurz beleuchtet werden sollen. 88 Vgl. Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press2004, S. 21. 89 Clarke, Rebecca: I Had a Father, Too; or The Mustard Spoon. Unveröffentliches Manuskript, private Kollektion, S.158-159. 60 Dem voran geht Curtis‘ Vermutung, die besagt, dass Vaughan Williams,, ein Studienkollege und Freund von Clarke, The Seal Man bei einem informellen Konzert gehört und un einige ihrer Vorgehensweisen übernommen hatte (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1 Clarke, The Seal Man, Takt 6-8 Abbildung 2 Vaughan Williams, The New Ghost, Takt 1-3 61 Abbildung 3 Anfang desTextes, The Seal Man, von John Masefield Abbildung 4 Anfang des Textes, The New Ghost, von Fredegond Shove Die Stimmführung der Melodien, aus The Seal Man und The New Ghost, teilt eine gewisse deklamatorische Qualität, deren Ausprägung im Verlauf des Liedes lyrischer und von einer Arpeggiobewegung im Klavier begleitet wird. Der erste Aspekt, den Curtis erkannte war, dass beide Texte unmittelbar in die Geschichte einsteigen und beide Stimmeinsätze unbegleitet beginnen. Außerdem stimmen die Inhalte der Erzählungen insofern überein, als dass sich zwei Wesen in erotisch geladener Stimmung treffen, wobei ein Wesen sterblich und das andere von mystischer Natur ist.90 Der zweit Aspekt, der darauf schließen lässt, dass Clarke in Verbindung zur Renaissance stand, war ihre Textwahl für ihre Werke. Hier ist Clarke in Verbindung mit Ivor Gurney zu setzen. Beide vertraten das Komponieren des Genre Lied als Zentrum ihres Schaffens. Clarke greift auf ähnliche Textdichter wie ihre bekannteren Zeitgenossen zurück, darunter Housman, Yeats, Masefield, Blake, John Fletcher, sowie anonyme Texte mit Verbindung zum Folklied.91 Rebecca Clarkes Verbindung zur Society of Women Musicians bestand ab der Gründung 1911 über viele Jahre, wenn auch nicht immer gleich intensiv. Die Society wurde von der Sängerin Gertrude Eaton, der Komponistin Katharine Eggar und der Musikologin Marion Scott gegründet, die sich als Ziel setzten, Komponistinnen und Instrumentalistinnen zu 90 Vgl. Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S. 24 - 25. 91 Vgl. Cutis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S. 25. 62 fördern und sich bei regelmäßigen Treffen auszutauschen und zu unterstützen. Die Aufnahme von Amateurmusikerinnen im Verein, schreibt Laura Seddon, könnte ein Grund dafür sein, dass sich Clarke immer wieder von der SWM distanzierte, um als professionelle Instrumentalistin und nicht als Amateurin angesehen zu werden.92 92 Seddon, Laura: The Instrumental Chamber Music of British Women Composers in the Early Twentieth Century, PhD diss., City University, London 2011. 63 5 Stilistik und kompositorische Entwicklung Rebecca Clarkes Rebecca Clarke komponierte ab 1903 im Alleingang ihre ersten Lieder für Klavier und Stimme, nachdem sie ihr Studium an der RAM abgebrochen hatte. Die Auswahl der Textutoren fiel damals fast ausschließlich auf deutsche Dichter wie Goethe, von Liliencron, Dehmel und Schaukal. Die Stücke sind geprägt von romantisch bis spätromantischer Stilistik und sehr einfacher Umsetzung. Trotz der Einfachheit hat Charles Stanford, als er zwei Lieder von Rebecca Clarke über ihren Vater bekam, einige Spuren von Talent anhand eigenständiger musikalischer Ideen entdeckt und wollte diese fördern (siehe auch Kapitel 2). Aus Rebecca Clarkes Memoiren ist bekannt, dass Clarke einen sehr produktiven Unterricht bei Stanford genoss und trotz seiner bekannten rauen Art sehr gut mit ihm zurechtkam. Das Variieren von Motiven stand im Unterricht an der Tagesordnung und das ganz im Stile Brahms, den Stanford selbst in Deutschland studierte. In diesem Stil wird davon ausgegangen, dass man das kleinste musikalische Fragment variiert wiederholen und entwickeln kann. Im Fachjargon ist dieser Stil unter dem Namen „Entwickelnde Variation“ bekannt und wurde von Arnold Schönberg in Grundlagen der musikalischen Komposition (1937-1948) geprägt.93 Abbildung 5 zeigt uns, wie Clarke zum Beispiel im Stück He That Dwelleth in the Secret Place of the Most High, die Sopranmelodievon Takt 8 – 16 mit der entwickelnden Variation umgeht.94 93 Entwickelnde Variation: Dieser definierte e. V. als „Variation der charakteristischen Züge einer Grundeinheit“, welche „all die thematischen Gebilde“ erzeugt, „die für den Fluß, die Kontraste, die Vielfalt, die Logik und die Einheit einerseits und für den Charakter, die Stimmung, den Ausdruck und jegliche notwendige Differenzierung andererseits sorgen und so den Gedanken eines Stückes ausarbeiten“ (Stil und Gedanke). Der Begriff besagt, dass mithilfe traditioneller „Variations“Techniken wie Abspaltung, Umkehrung oder Reduktion mitunter kleinste intervallische und/oder rhythmische Bestandteile einer „Grundeinheit“ in fortwährender Veränderung zu einem umfassenden musikalischen Zusammenhang verknüpft werden. Der Anspruch auf „Entwicklung“ des Variierten soll dem Hörer zugleich eine anschauliche Nachvollziehbarkeit der Abfolge von Gestaltbildungen gewährleisten: als „Wachstum, Vermehrung, Erweiterung und Ausdehnung“, aber auch in der „Verminderung, Kondensierung und Intensivierung“ von Satzelementen (Schönberg, Grundlagen der musikalischen Komposition). Zitat aus: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_E/Entwickelnde_Variation.xml 94 Tollefson Jacobson, Marin Ruth: Stylistic development in the choral music of Rebecca Clarke, Theses and Dissertations, University of Iowa 2011, S.125-126. 64 Abbildung 5 Clarke, Melodieverlauf von He That Dwelleth in the Secret Place ofthe Most High Der Ausgangston g1 der aufsteigenden Melodie wird immer weiter ausgedehnt, zunächst mit einer großen Sekunde, danach mit einer kleinen Terz und schließlich einer Quarte. Ab Takt 12 wird die Melodie, von h1 ausgehend, nun nochmal gesteigert, doch diesmal spinnen sich die ausbreitenden Intervalle der Melodie in einer Ganztonstruktur bis zurverminderten Quinte, auf den Ton f2.95 Es ist hier eine Entwicklung hin zur Septime und weiters zu Septakkordklängen erkennbar, die Clarkes Stil in weiterer Folgeprägen. Mit dem Unterricht am RCM kam Clarke mit einer Vielzahl an Stücken der English Musical Renaissance in Berührung, wie Lieder mit Klavierbegleitung, Streichquartette und Orchesterstücke. Zudem lernte Clarke im Zuge ihrer Karriere als Bratschistin Musik aus den kontinentalen Ländern Europas wie Frankreich, Deutschland, Ungarn, Russland und Österreich (2.Wiener Schule) kennen. Hier wurde sie mit verschiedensten musikalischen Sprachen konfrontiert, die über die Palette der Tonalität hinausgingen und modale und atonale Expressivität erforschten. Clarke war nicht nur ausübende Musikerin, sie nahm auch als Zuhörerin teil am regen Konzertleben Londons, das die neuesten Errungenschaften der Musikgeschichte offerierte. Mit englischer Musik von Parry, Stanford, und Elgar war sie ebenso umgeben wie mit Musik von Stravinsky96 und Bartók. Wie bereits im zweiten Kapitel erwähnt, war der französische Impressionismus ein stetiger Begleiter von Clarke und trug wesentlich in ihrer kompositorischen Entwicklung als 95 Tollefson Jacobson, Marin Ruth: Stylistic development in the choral music ofRebecca Clarke, Theses and Dissertations, University of Iowa 2011, S. 126f. 96 Clarke mochte Stravinskys Musik, wie sie in ihrem Tagebuch vom 20. Juni 1920 festhielt: “Stravinsky concert at Wigmore Hall. Crowded audience, mostly laughing at it. I couldn´t help liking a good deal of it, and it is all interesting.“ Zitat aus: Tollefson Jacobson, Marin Ruth: Stylistic development in the choral music ofRebecca Clarke, Theses and Dissertations, University of Iowa 2011, S. 317. 65 Komponistin bei. Clarke hatte beim Besuch der Weltausstellung mit ihrem Vater 1900 höchstwahrscheinlich neben dem prägenden Erlebnis des dort auftretenden GamelanOrchesters, auch die Möglichkeit, französische Vertreter der Musikgeschichte, wie Debussy oder Ravel, zu hören. Ihr Kommilitone Ralph Vaughan Williams hatte 1908 in weiterer Folge Unterricht bei Maurice Ravel, wodurch Clarke über zweite Hand wieder mit Impressionismus in Berührung kam. Auf ihre Musik bezogen heißt das, dass sie sich von einer strengen Tonalität abwandte und mit nicht-funktionsgebundenen Harmonien, darunter Sept- und Nonakkorde sowie Akkorde mit hinzugefügter Sext ohne Auflösungstendenz ihre Tonsprache erweitern wollte. Die für Stanford nicht der damaligen Ästhetik entsprechenden Quintparallelen wurden ebenso wie Dreiklangsparallelen Teil Clarkes musikalischen Ausdrucks. Rebecca Clarke war eine sehr belesene Person und wollte dem Wort (den Gedichten ihrer Lieder) mit musikalischer und rhythmischer Expressivität gerecht werden. Dies war mit der spätromantischen Klangvorstellung und Struktur nicht mehr möglich. Im Laufe ihrer kompositorischen Entwicklung erweiterten sich auch ihre rhythmischen Ausdrucksformen, die sich an den russischen Nationalismus und vor allem an Stravinsky anlehnen, die anhand vieler Taktwechsel und expressiven Rhythmen erkennbar sind. Der atmosphärische und diffizile Stimmungsgehalt ihrer ausgereifteren Lieder wird bestimmt durch Dissonanzen, Akkorden in Gestalt von Akkordparallelen, Akkorden plusTritoni sowie übermäßigen Akkorden, um Sekundreibungen und Verwischungen von Tonartengeschlechtern zu erzielen. Clarkes harmonisches Spektrum beinhaltet Pentatonik, Chromatik, Kirchentonarten und Ganztonleitern. Ihre Lieder unterscheiden sich grundlegend, durch Perspektive, Länge und Stil. Sehr bemerkenswert ist, dass auch ihre kürzesten Lieder (ShyOne, 18 Takte) eine Dichtheit an Konstruktion und eine motivische Fertigkeit aufweisen wie ihre größeren Werke (Binnorie: A Ballad, 245 Takte). Viele ihrer Texte, die sie vertonte, hatten ähnliche Themen: Liebe, Tod und Träume, aber auch Kombinationen dieser. Es zeigt sich, dass Clarke eine Affinität zu mysteriösen und unheimlichen Stimmungen hatte. The Seal Man (1922) und Binnorie: A Ballad beinhalten beide Tod mit Ertrinken, und Eight O’Clock (1927) beschreibt die letzten Momente eines Gefangenen kurz vor seiner Hinrichtung. Bryony Jones schreibt in ihrer Dissertation über die Verbindung von leeren Quinten (vgl. Spätwerk von F. Liszt), die Clarke in ihren Liedern oft am Beginn oder als Schlussakkord 66 verwendet, und deren Bezug zu Henry Purcell. Bestätigt wird dies durch ihre persönlichen Tagebucheinträge.97 Erst seit einigen Jahren wird in der Forschung die Wichtigkeit der Lieder Clarkes anerkannt. Ihr Name war vielen KammermusikerInnen nur in Verbindung mit der Violinsonate und dem Klaviertrio bekannt. Erst in den 1980er Jahren wurden auch Clarkes Liedschaffen sowie ihre zwölf Chorwerke analysiert, wodurch der Umfang und die Qualität ihrer Stücke bekannt wurde.98 Die Entwicklung Clarkes kompositorischen Stils wird nun anschließend anhand dreier Lieder, The Clothsof Heaven, The Seal Man und Tiger, Tiger chronologisch nach ihrer Entstehungszeit und ihrem Entwicklungsstand besprochen. Diese Analyse soll trotz des wenig beachteten Genres Lied Clarkes herausragende und präzise Arbeit als Komponistin aufzeigen. Ihre Prämisse war: Qualität statt Quantität. 5.1 The Cloths of Heaven (1920) The Cloths of Heaven ist neben Shy One eines der ersten Lieder, die Clarke 1920 bei Winthrop Rogers veröffentlichte. Die Textvorlage ist von William Butler Yeats, der als erster irischer Dichter den Nobelpreis erhielt. Das Gedicht ist aus dem Gedichtband The Wind among the Reeds aus dem Jahr 1899 und stellt zur Zeit der Vertonung nicht sein aktuellstes Werk dar. The Clothsof Heaven hatte ursprünglich den Titel Aedh Wishes for the Cloths of Heaven und wurde später umbenannt in He Wishes for the Cloths of Heaven (Aedh war ein schottischer König ca. aus der Zeit 840 -878 n. Chr.). Dies lässt vermuten, dass die lyrische Person ein Mann ist, der sich wünscht, alle Farben des Himmelslichtes in Form von Tüchern unter die Füße seiner Geliebten legen zu können. (Möglicherweise könnte dies eine Anspielung auf den Kavaliersakt des Mannes sein, der seinen Mantel über eine Pfütze legt, damit sich die Frau beim Überqueren der Pfütze nicht schmutzig macht.) Doch der lyrischen Person ist der gewünschte Akt des Unterlegens der Füße mit Tüchern in allen Farben des Himmelslichtes nicht möglich, sie hat „nur“ ihre Träume und legt diese dem Gegenüber anstatt der Tücher unter die Füße. Es soll sanft betreten werden, sind es doch Träume, auf die die Geliebte steigt. 97 Vgl. Jones, Bryony:The Music of Rebecca Clarke(1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 158. Vgl. Jones, Bryony:The Music of Rebecca Clarke (1886-1979), Dissertation, Liverpool, 2004, S. 156. 98 67 Had I the heavens embroidered cloths, Enwrought with golden and silver light, The blue and the dim and the dark cloths Of night and light and the half-light, I would spread the cloths under your feet: But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet; Tread softly because you tread on my dreams Das rhythmische Konstrukt der Vertonung im Lied ist beherrscht von Zweier- gegenüber Dreierrhythmen und weist durchgehende Taktwechsel auf zwischen alla breve, 5/4 und 3/4. Diese technische Anwendung findet sich auch bei Clarkes ZeitenossInnenen wie zum Beispiel Vaughan Williams wieder. Für die harmonische Analyse ist zu erwähnen, dass das Stück in einem modalen A-Moll beginnt, in der Textstelle But I beingpoor in eine der Harmonie des Beginns sehr fremden Tonart H-Dur übergeht und zum Schluss hin in ein A-Dur mündet. Dies führt zu einer Vertiefung des Stückes, verliert dabei aber nie seine Leichtigkeit. Die Form des Stückes ist von einem Klaviervorspiel von zwei Takten und einem Nachspiel von ebenfalls zwei Takten umrahmt und bereitet somit die Atmosphäre des Textes vor. Im Nachspiel kommt die Vermutung auf, dass die oben genannten Wünsche des Schenkenden mit seinen intimsten Gedanken (Träumen) zärtlich angenommen werden. Das Lied soll keine euphorische Liebeserklärung darstellen, sondern vermittelt eine verworrene Stimmung, die eine Doppelbödigkeit entstehen lässt. Betrachtet man den Text des Gedichtes mit den verschiedenen Farben des Lichtes golden and silver wirkt die Stimmung mit einem modalen A-Moll wie eine Vorwegnahme der Textstellen blue, dim und dark im Takt 7-8. Auch die Gesangslinie, die einen Tonumfang von zweieinhalb Oktaven aufweist, wandert in ein sehr tiefes Stimmregister und fordert von InterpretInnen eine ausgereifte Stimmtechnik. Erst bei Takt 10 kommt auf das Wort half lightein helles D-Dur im Klavier, das Clarke in ein H-Dur weiterführt, eingeleitet vom lyrischen Ich mit einem kleinen Sextsprung. Clarke nutzt eine breite dynamische Palette, wobei die sehr anspruchsvolle Stelle des Sextsprunges in ein Pianissimo, weiters sogar in ein dreigestrichenes Pianissimo geführt wird und für kurze Zeit sogar ein Forte erreicht, das sofort in einem Pianissimo endet. Im Takt 7 findet sich ein ebenso ausbruchsartiger dynamischer Schwung, der jedoch nach einem Takt schon wieder vorbei ist. 68 Die rechte Hand des Klavieres beginnt mit sehr dichten Akkorden, wobei die Gesangslinie in der Klavierstimme verdoppelt wird. Diese Technik kann man auch bei Debussy erkennen, wie zum Beispiel in dem Stück Claire de lune. Die Gesangslinie wird hier nicht überdeckt, sondern die Klavierstimme bettet die Gesangsmelodie in einen weichen Farbklang ein, der aus den verschiedenen Oktavlagen der Melodiestimme hervorgeht. Auch die syllabische Verarbeitung des Textes ist eine Methode aus der französischen Tradition. Betrachtet man die vielen Wortwiederholungen im Gedicht (cloths dreimal, dreams dreimal, light dreimal, spreadzweimal, tread zweimal und underyourfeet zweimal), verwendet Clarke diese sehr unterschiedlich. Die cloths werden jeweils an unterschiedliche Tonhöhen gesetzt und unterschiedlichen Notenwerte unterlegt. Dreams hingegen erklingt die ersten beiden Male auf dem Ton D²: beim ersten Mal in Form einer punktierten Halben, beim zweiten als halbe Note und beim letzten Mal auf dem Ton A1, um als punktierte Halbe mit folgender Viertelnote, die mit einem Haltebogen übergezogen ist, mit der Tonhöhe A1 auch ein harmonisches Zentrum (Dur Tonika) zu erzielen, was jedoch erst im Nachspiel des Klavieres erklingt und als subtile Schlussformel fungieren soll. Durch diese Vorgehensweise wird auch das Word dreams noch einmal betont und scheinbar vergrößert. Ein formaler Überblick schafft Klarheit der einzelnen Gruppierungen: 2 Takte Klaviervorspiel 2+2+2+2 2+2+3+2+4 3 Takte Nachspiel Die Tatsache, dass das Gedicht sowie das Lied sehr kurz ist (26 Takte), hindert Clarke nicht daran, in großen Bögen zu denken bzw. sich vergrößernde Bögen weiter zu entwickeln und zu nutzen (dynamische Bögen). Harmonisch bleibt sie im engeren Sinne im modalen A-Moll Klang, der mit D-Dur, H-Dur und der endenden A-Dur eher einen Funken Hoffnung für die geschilderte Liebe im Gedicht darstellen könnte. Dieser A-Dur-Klang wird schon in Takt 7 vorweggenommen und im ersten ausschweifenden musikalischen Bogen und der Textstelle The blueandthedimandthedarkcloths für einen Takt vorgestellt. Bryony Jones behauptet, Clarke bevorzuge es, die Gesamtstimmung eines Stückes auszudrücken und nicht einzelnen Wörtern und Passagen Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser Meinung stimme ich nicht ganz 69 zu, sieht man in Takt 9 von The Clothes of Heaven, welche klanglichen Farben den Worten night (As-Dur), halflight (Es-Dur und D-Dur) unterlegt werden, um einzelne Worte, zwar subtil, hervorzuheben. Die erwähnte Verwendung von parallelen Quinten, wie sie Claude Debussy verwendete, sollen mit folgendem Ausschnitt (vgl. Abbildung 6) aus einem Gespräch zwischen dem Komponisten und seinem Lehrer Ernest Guiraud aufgezeigt und deren Handhabung dargestellt werden. Abbildung 6 Ausschnitt aus dem Kompositionsunterricht: Debussy bei Guiraud Sie sollen Clarkes Vorstellung von Klang, Schönheit und der 99 Überwindung musiktheoretischer Regeln veranschaulichen.100 Rebecca Clarke hat The Cloths of Heaven mit 26 Jahren vertont. Das Stück zeichnet sich durch kreative Ideen, Empathie für die Stimmung des Gedichts undkompositorische Feinarbeit aus, welche das beschriebene schimmernde Farbenspiel musikalisch erfasst. Clarkes Expressivität ist zart und tiefgehend zugleich und zeugt von sehr hohem Niveau. 99 DeVoto, Mark: Some Aspects of Parallel Harmony in Debussy, Artikelin der Festschrift SerieNr. 19: Liber amicorum Isabelle Cazeaux:Symbols, Parallels and Discoveries in Her Honor, (Hg.) Bempéchat, Paul-André, Pendragon Press 2005, S. 460. 100 DeVoto, Mark: Some Aspects of Parallel Harmony in Debussy, Artikelin der Festschrift SerieNr. 19: Liber amicorum Isabelle Cazeaux:Symbols, Parallels and Discoveries in Her Honor, (Hg.) Bempéchat, Paul-André, Pendragon Press 2005, S.459-485. 70 71 72 73 5.2 The Seal Man (1922) Ein Jahrzehnt nach den frühen Liedern Shy One und The Clothsof Heavenvertonte Clarke einen Teil von John Masefields A Main SailHaul, nämlichThe Seal Manim Jahr 1922. Masefield war nicht nur ein Meister im Geschichteschreiben und Poet der Meere, sondern auch ein glühender Schüler von Yeats und in weiterer Folge ein sehr beliebter Textdichter der KomponistInnen aus der English Musical Renaissance. The Seal Man ist die Erzählung eines jungen Mädchens, das der Legende nach von einem Seehund, in Gestalt eines Mannes, zur See gelockt wird und ertrinkt. Das Gedicht zeigt das Verlieren des eigenen Selbst gegen eine Kraft jenseits des eigenen Verständnisses. Clarke verwendet den Schluss von Masefields Text nicht, bei dem der Mann über dem Körper der toten Frau weint. Diese Abänderung Clarkes ist sehr aufschlussreich und zeigt, dass Clarke die Frau der Geschichte im Fokus behalten wollte und nicht die Trauer des Mannes. Deborah Stein interpretiert in ihrem Artikel Dare SeizetheFire, An Introductiontothe Songs of Rebecca Clarkedas Stück als Vorhersage für Clarkes Kompositions“durststrecke“ Ende der 1920er Jahre und 1930er Jahre. Clarkes Methode im Umgang mit Prosatexten unterscheidet sich vom Umgang mit lyrischen Texten. Sie achtet bei Prosatexten auf die Natürlichkeit des Wortflusses und verarbeitet dies bei The Seal Man rezitativisch. Die Melodielinie verläuft hierbei eher in Sekundschritten und wirkt statisch. Diese rezitativischen Teile sind im Klavier nur mit einzelnen liegenden Akkorden oder Tönen unterlegt und geben der Gesangslinie Klangteppiche, um sich darüber fortzuspinnen. Clarke verwendet tonale Elemente, doch insbesondere den verminderten Septakkord mit nicht-tonalen und modalen Elementen. 74 And he came by her cabin to the west of the road, calling. There was a strong love came up in her at that, and she put down her sewing on the table, and "Mother," she says, "There's no lock, and no key, and no bolt, and no door. There's no iron, nor no stone, nor anything at all will keep me this night from the man I love." And she went out into the moonlight to him, there by the bush where the flow'rs is pretty, beyond the river. And he says to her: "You are all of the beauty of the world, will you come where I go, over the waves of the sea?" And she says to him: "My treasure and my strength," she says, "I would follow you on the frozen hills, my feet bleeding." Then they went down into the sea together, and the moon made a track on the sea, and they walked down it; it was like a flame before them. There was no fear at all on her; only a great love like the love of the Old Ones, that was stronger than the touch of the fool. She had a little white throat, and little cheeks like flowers, and she went down into the sea with her man, who wasn't a man at all. She was drowned, of course. It's like he never thought that she wouldn't bear the sea like himself. She was drowned, drowned. Faszinierend ist, dass Clarke die mystische Darstellung des Seehundes als Mann aus dem Meer mit tonalen Elementen versieht und nicht die Welt der Lebenden. Clarke verwendet metaphorische Klänge (Dreiklangsgruppierungen), die in folgenden Beispielen gezeigt werden sollen101: Abbildung 7 sich wiederholende metaphorische Gruppierung im Stück The Seal Man 102 Dieser a-tonale Klang kehrt in verschiedenen variierten Ausformungen wieder, wie in tonalen, a-tonalen und modalen Kontexten und beinhaltet eine Dualität der Intervalle innerhalb des 101 Stein, Deborah: Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke, Artikel in Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004. S. 63. 102 Stein, Deborah: Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke, Artikel in Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader, The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004. S. 63. 75 Akkords, der auf Stravinsky zurückzuführen ist.103 Eine klare Benennung von a-tonalem oder tonalem Zusammenhang verschwimmt in Clarkes Vorgangsweise. Im Gegensatz zu tonalen Bezügen stellt Clarke Intervallzusammenhänge dar, worin Tonabstände aus einer kleinen Sekunde, kleiner und großer Terz und einer reinen Quarte bestehen. Abbildung 8The Seal Man, Liegende Dreiklänge ab Takt 10 sind nicht eindeutig harmonisch zu zuordnen Clarke unterteilt den Text in acht Teile, deren Differenzen in unterschiedlichen Tonhöhen, musikalischen Aussagen und Schwankungen zwischen Rezitativ und lyrischem Gesang zu erkennensind. Weiterführend sind auch Taktwechsel angeführt, die zeigen, dass Clarke im Vergleich zu The Clothsof Heaven die Textausdeutung für The Seal Man (Prosa) vielfältiger anlegen musste. EinigeTaktwechselsuggerieren expressive Ausdehnungen wie: 2/4: There was a strong 3/4: love came up in her at that (Takt 10-12), oder 4/4:Then they went down into the sea together, and the moon made a track on the sea, and they walked down it; it was like a flame before them 2/4: There was no 4/4: fear at all on her, only a 2/4: great 4/4: love like the love of the Old Ones (Takt 37-50). Metrische oder rhythmische 103 Vgl. Stein, Deborah: Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke, Artikel in Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader,The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press2004. S. 54. 76 Einheiten lassen sich durchwegs nicht finden und sind auf den dramatischen Inhalt des Stückes zurückzuführen. Teil 1: 6-taktiges Klaviervorspiel, 3/4 + 2/4 + 5/4 + 3/4 Teil 2: 13 Takte 4/4: And he came by the cabin to the west of the road, calling. 2/4: There was a strong 3/4: love came up in here at that, and she punt down her 4/4: sewing on the table, and“mother”she says, “there’s no lock, and no key, and no bolt, and no door. There’s no 3/4: iron, nor no stone, nor anything at all will keep me this night from the man I 2/4: love.” Teil 3: 6 Takte And she 4/4: went out into the moonlight to him, there by the bush where the flow’rs is 3/4: pretty, beyond the river. Teil 4: 5 Takte And he says to her: “You are 4/4: all of the beauty of the world, will you come where I go, over the waves of the3/4: sea?” And she says to him: Teil 5: 6 Takte “My treasure and my strength,” she says, “I would 2/4: follow you on the 3/4: frozen hills, my feet bleeding.” Teil 6: 8 Takte 4/4: Then they went down into the sea together, and the moon made a track on the sea, and they walked down it; it was like a flame before them. Teil 7: 11 Takte 2/4: There was no 4/4: fear at all on her; only a great love like the love of the Old Ones, that was stronger 2/4: than the touch of the 3/4: fool. She had a 4/4: little white throat, and little cheeks like flowers, Teil 8: 20 Takte 3/4: and she 4/4: went down into the sea with the man, 3/4: who wasn´t a man at all. Sheewas drowned, of course. It’s like he never thought that she wouldn’t bear the sea like himself. She was drowned, 2/4:drowned. 77 The Seal Man wird als Meisterstück Clarkes angesehen und überzeugt mit seiner Ausdruckskraft und Stärke, dessen Szenerie eine/n in eine andere Welt versetzt. Clarke beschreibt dieses Lied in einem Brief an Elisabeth Sprague Collidge als eines ihrer Lieblingslieder.104 Ein Kritiker der Daily Telegraph’szeigte sichnach der Premiere des Stückes 1925 in der Wigmore Hall nicht begeistert von The Seal Man und bemängelte, dass Clarke das Stück auf die gleiche Weise beendet hätte, wie sie esauch begonnen hätte. Sie jedoch imitierte Masefields Geschichte, der sie im Meer beginnen und enden lässt. Eine genaue harmonische Analyse des Stückes The Seal Man hat Deborah Stein in Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke auf Seite 65 vorgenommen, der hier zur Veranschaulichung in der Abbildung 9 dargestellt werden soll. 104 Vgl. Clarke, Rebecca and Elizabeth Sprague Coolidge.Correspondence.Coolidge Foundation.Rebecca Clarke Correspondence.Library of Congress. 78 Abbildung 9 Harmonische Analyse von The Seal Man 79 Abbildung 9 Harmonische Analyse von The Seal Man Fortsetzung 105 Clarke schafft es den Text in einer sehr verzauberten Art und wiederzugeben. Dies kann man zum Beispiel daran erkennen, dass Clarke schon den Textbeginn rezitativisch und noch dazu in einer sehr tiefen Gesangslage darstellt, und ZuhörerInnen in eine sehr mystische Stimmung versetzt, die durch den liegenbleibenden Ton im Klavier verstärkt wird. Im Verlauf des Stückes lassen sich musikalische Ausbrüche erkennen, die durchgehend mit einer dynamischen Verstärkung zusammenhängen und wieder in ein Piano des sehr tief liegenden Reziatives zurückführen. Zu erkennen ist dies zunächst in Takt 11 bis 26, wo auch der verzauberte Zustand des Mädchens und die drohende Gefahr musikalisch ausgedrückt werden. Eine sehr besondere Stelle ist der Dialog zwischen dem Mädchen und dem verzauberten Mann, der als Dialog und rezitativisch, zunächst ohne Klavierbegleitung eine sehr intime Stimmung hervorruft, die zunächst kein Gefühl von Gefahr aufkommen lässt. Zu erwähnen ist das Wort „love“ das im Verlauf des Liedes wiederholt und immer mehr verstärkt wird, und auch die Gefahr dieser „Liebe“ wiederspiegelt. (Takt 11 und 49) Im Takt 49 finden 105 Stein, Deborah: Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke, Artikel in Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader,The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press2004. S. 65f. 80 wir den dynamischen Höhepunkt im Fortissimo, sowie den höchsten Ton g2 der Gesangsstimme. Das Mädchen ist dem mystischen Wesen nun endgültig ausgeliefert und ertrinkt im Meer. Der Ton c1 scheint eine Verbindungsebene vom Diesseits und Jenseits zu sein, da der Beginn des Liedes in der Gesangsstimme auch auf dem gleichen Ton beginnt und am Ende, nachdem das Mädchen im Meer ertrinkt, und das mystische Wesen seinen Willen durchgesetzt hat, wieder mündet. 81 82 83 84 85 86 87 88 89 5.3 Tiger, Tiger Dieses sehr bekannte Gedicht, von William Blake, erkundet die dunklen Abgründe des Lebens, die durch die ständige Bedrohung des Tigers heraufbeschworen werden. Der/die ErzählerIn hinterfragt die Natur von Angst und Gefahr und sucht eine spirituelle Antwort auf seine bzw. ihre beunruhigenden Fragen. Tiger, tiger, burning bright, In the forests of the night: What immortal hand or eye, Could frame thy fearful symmetry? In what distant deeps or skies Burnt the fire of thine eyes? On what wings dare he aspire? What the hand dare seize the fire? And what shoulder, and what art, Could twist the sinews of thy heart? And when thy heart began to beat, And what dread hand?And what dread feet? What the hammer? What the chain? In what furnace was thy brain? What the anvil? What dread grasp, Dare its deadly terrors clasp! When the stars threw down their spears, And watered heaven with their tears, Did he smile His work to see? Did He who made the lamb make thee? 90 Tiger, tiger burning bright, In the forests of the night: What immortal hand or eye, Dare frame thy fearful symmetry? Clarke hat insgesamt drei Blake-Texte vertont; Infant Joy 1913, Cradle Song 1929 und Tiger, Tiger 1929, wobei nur die erstgenannten in Clarkes Lebzeiten veröffentlich wurden. Mit 64 Takten ist das Stück zwar um 11 Takte kürzer als The Seal Man, doch immernoch länger als viele ihrer anderen Lieder. Werden nun Tiger, Tiger und The Seal Man gegenübergestellt, lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden: Tonhöhenbezüge als harmonische Zentren im Gegensatz zur Tonika, die Verwendung von modalen und pentatonischen Reihen, wiederkehrende motivische Teile mit Fokus auf Intervallsprüngen. Die Tonhöhenstruktur in der Gesangslinie lässt sich zum einen als chromatisch und abstrakt und zum anderen abgehakt und sprunghaft beschreiben. Das rhythmische Konzept von Tiger, Tiger unterscheidet sich grundsätzlich von jenen von The Clothes of Heaven und The Seal Man. Die wenigen auftretenden Taktwechsel beziehen sich auf einzelne Worte und sollen deren Expressivität unterstreichen oder einen musikalischen Gedanken erweitern und dadurch verstärken (siehe Abbildung 10). Clarke nutzt Off-Beats und Akzentuierungen von einzelnen Worten, um das vorherrschende Metrum zu verzerren. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Verwendung markanter Sforzati, wie im Takt 2, oder im Einsatz von Septolen, Sextolen und Triolen. 91 Abbildung 10 Musikalische Textausdeutung: Intervalle stehen im direkten Zusammenhang mit dem Text 106 Die angeführte Abbildung soll eine Übersicht über die Tonhöhenstruktur des besprochenen Stückes geben, die den Ton g als Ausgangs- und Endton hat. Tiger, Tiger wirkt sehr orchestral durchdacht, und ist mit energetischen Pianissimo und tiefen Trillern umgesetzt. Die Begleitung, die Clarke mit vielen unterschiedlichen, technischen Möglichkeiten und rhythmischen Figuren im Klavier abdeckt, lässt durch das Spiel beider Hände im Basschlüssel eine dunkle, verschwommen teuflische Energie entstehen. Clarke weist eine große Sensibilität für den dramatischen Stil auf, was sich auch in ihren drei Coolidge-Vertonungen widerspiegelt. Trotz der Erfolge mit den Instrumentalstücken kehrte Clarke wieder zum Genre Lied zurück, da dies schlicht ihre Leidenschaft war. Kritiker und Kollegen haben sich gegen ihren Hang für dunkle Themen ausgesprochen und behauptet, dass dies nicht für eine Frau passend wäre. Clarke ist ihren künstlerischen Inspirationsquellen jedoch treu geblieben. Nach Tiger, Tiger vertonte sie auch Binnorie: A Ballad, ihr längstes Lied, worin sie ihrer musikalischen Ausdrucksstärke treu blieb und das Dunkle und Düstere beibehielt. Diese beiden genannten Lieder wurden erst 2002 in Oxford University Press veröffentlicht. Erwähnenswert ist das Faktum, dass Tiger, Tiger von Oxford University Press 1929 abgelehnt wurde, ihr „Lullaby“ Cradle Song jedoch sehr wohl aufgenommen wurde. (Dies geht aus ihrem Tagebucheintrag vom 21. Juli 1929 hervor.) Beim Lullaby handelte es 106 Stein, Deborah: Dare Seize the Fire, An Introduction to the Songs of Rebecca Clarke, Artikel in Curtis, Liane: A Rebecca Clarke Reader,The Rebecca Clarke Society, Inc., Indiana University Press 2004, S. 75. 92 sich um eine musikalische Form, die als sehr feminin angesehen wurde, was die Entscheidung der Oxford University Press erklärt. 93 94 95 96 97 98 99 6 Was hätte Rebecca Clarke komponiert, hätte sie ein größeres Werk vertont? In Anbetracht des Umfanges des momentan bekannten Gesamtwerks Rebecca Clarkes aus ihrer Schaffenszeit zwischen 1908 und 1944, das eine Anzahl von 93 Stücken umfasst und sich unterschiedlicher Genres wie Lied, instrumentale Kammermusik und Chormusik bedient, darf vermutet werden, dass sie die Fähigkeiten und Fertigkeiten gehabt hätte, ein orchestrales Werk zu verfassen. Darüber hinausweisen sowohlihre Studienzeit auf der Royal Academy of Music als auch einige Jahre später am Royal College of Music darauf hin, mit dem notwendigen Wissen und dem Handwerkszeug ausgestatten worden zu sein, um ein größeres Werk zu vertonen. Hinzu kommt Clarkes jahrelange Orchestererfahrung als Bratschistin, die ihr ermöglichte, Kompositionen inmitten des Orchesterklanges genau verfolgen zu können. All diese Faktoren sprechen für Clarkes kompositorische Kenntnisse, die sie zu mehr hätten befähigen können als sie letztendlich umsetzte. Dieser Meinung war auch einer der renommiertesten DirigentenEnglands, Sir Henry Wood. Er, der die Promenade Concerts (Proms) ins Leben rief und der erste Dirigent war, der in seinem Orchester Frauen spielen ließ, fragte Rebecca Clarke, ob sie nicht ein Stück für das Queen’s Hall Orchester schreiben wollte, das im Zuge der Proms aufgeführt werden sollte. Sie lehnte jedoch ab, weil sie das Werk in kürzester Zeit schreiben hätte sollen und diese Herangehensweise ihrer Überzeugung widersprach, stets Qualität Quantität vorzuziehen. Höchstwahrscheinlich war der Lohn für das Stück auch nicht hoch genug und somit stellte der Auftrag kein lukratives Geschäft dar. Nichtsdestotrotz ist das Angebot seitens Woods ein weiterer Indikator für Clarkes Fähigkeiten. Geht man jetzt derFrage nach, welches Stück sie geschrieben hätte, hätte sie ein orchestrales Stück in Noten gesetzt, sind hier Clarkes kompositorische Methoden, ihr Wissen und die jeweilige Umsetzung bei vorhandenen Werken in den Fokus zu stellen. Viele von Clarkes ZeitgenossInnenwaren geübte PianistInnen, sie hingegen hatte das Spiel mit der Violine mit dem achten Lebensjahr begonnen und dieses mit Anfang 20 mit der Bratsche fortgesetzt, bei dem sie ihr kompositorisches Denken und ihre technischen Spielmöglichkeiten gut umsetzten konnte. Betrachtet man ihre grandiosen Klavierbegleitungen ihrer Lieder, fällt auf, dass sie auch für den Klavierpart eine intensive Vorstellungskraft besaß – eine wichtige Grundlage für jegliches orchestrale Schaffen. 100 Herausragend ist auch Clarkes musikalisches Gehör bei ihren ausgereiften Stücken. Hierfällt eine Erweiterung der Klangausdeutung auf differenzierte Orchesterklänge ihre Lieder betreffend auf, wie man es im vorigen Kapitel anhand von Tiger, Tiger gut nachvollziehen kann. Clarkes enge Verbindung zum Genre Lied, das sich über ihre ganze musikalische Schaffensphase zieht, führt zur Annahme, dass auch ein großes Werk in enger Verbindung mit der menschlichen Stimme beruhend auf einer Textgrundlage entstehen hätte können. Ein weiterer Hinweis dafür ist Clarkes Chormusikbezug, der 2011 in der Dissertation von Tollefson Jacobson auf ihre kompositorische Weiterentwicklung analysiert wurde. Clarke konnte in diesem Genre nicht nur alte Meister wie Purcell und Palestrina in gekonnter Manier verewigen, sondern diese Stile mit zeitgenössischen Techniken und Klangfarben in eine modernere Zeit manövrieren. Dass sie in 31 Jahren zwölf Chorstücke vertonte und diese heute, wie aus Tollefson Jacobsons Dissertation hervorgeht, als sehr hochwertig einzustufen sind, unterstreicht die Vermutung der Verwendung von Stimme(n) auch in einem orchestralen Werk. Aus den Interviews mit Rebecca Clarke geht hervor, dass sie immer wieder Ideen für neue Stücke hatte und in ihrem Leben noch ein großes, wichtiges Werk schreiben wollte. Auf die Frage, warum sie das nicht gemacht hätte, antwortete Clarke: „I wanted to, but I couldn’t. I had lots ofsketchesofthings. I know and I miss it, because there’s nothing in the world more thrilling – or practically nothing… But you can’t do it – at least I can’t – maybe that’s where a woman’s different – I can’t do it unless it’s the first thing I think of every morning when I wake and the last thing I think of every night before I go to sleep – I’ve got to have it in my mind all the time and if one allows too many other things to take over one is liable not to be able to do it, that’s been my experience.”107 Sie, die in ihren Memoiren und Interviews von der Erfüllung schreibt, die sie beim Akt des Komponierens stets hat(te), wirkt in diesem Auszug, als ob sie das Ideal einer Komponistin wohl nie mehr erreichen könnte. Dieses Idealbild einer Komponistin beinhaltet in ihren Vorstellungen die ausschließliche Auseinandersetzung mit der Materie, die das Erste sein sollte, woran sie denkt, wenn sie morgens aufsteht und das Letzte, bevor sie zu Bett geht. Dieser Umstand war ihr nur selten beschieden (Anfang der 1920er Jahre, mit der 107 Zitat nach: Curtis, Liane: A case of identity: rescuing Rebecca Clarke, The Musical Times, May 1996, S. 20, Zugänglichdurch die Rebecca Clarke Society, Inc. 101 Unterstützung von Elisabeth Sprague Coolidge). Nach der Eheschließung mit James Friskin 1954 war dies keine mögliche Alltagspraxis, trotz Anraten ihres Mannes weiter zu komponieren. Beschäftigt man sich mit Clarkes ZeitgenossInnen und deren Schaffen, lassen sich neue Formen der Symphonie erkennen. Da die Instrumentalmusik der Chormusik im England des 19. Jahrhunderts sehr unterlegen war und es keine Tradition der Symphonie wie z.B. in Deutschland gab, war im Zuge der Entstehung und Etablierung der Englischen Musikszene ein ausdrückliches Ziel, die Instrumentalmusik zu fördern. Der Komponist und Dirigent Josef Holbrooke schrieb in seinem Buch Contemporary British Composers (London 1925, S. 321): “Yes, there are British symphonies.”1925 hatte sich die Renaissance schon einen guten Platz in Europa erarbeitet und wies eine große Anzahl an Symphonien und Tondichtungen auf. Auch Sonderformen der Symphonie, wie die Chorsymphonie oder die Pastoralsymphonie, aber auch kleinere Symphonien für Kammerorchester, wurden präsentiert.108 Clarke hatte als regelmäßige Konzertbesucherin und aktive Instrumentalistin höchstwahrscheinlich einen großen Überblick über diese Symphonienlandschaft und den jeweils aktuellen Stand technischer Erneuerungen. In Verbindung mit ihrem Interesse für kontinentaleuropäische Musik und deren technischen Errungenschaftenstand Clarke eine große Auswahl an kompositorischen Möglichkeiten zur Verfügung. In Anbetracht Clarkes starker Expressivität in ihrer Sonate, in den Klaviertrios und der Rhapsodie sowie in einigen ihrer Lieder, kann davon ausgegangen werden, dass ihr Stück eine Tiefe und Abgründigkeit aufgewiesen hätte. Eine Mischung aus Chorsymphonie und Requiem wäre eine logische Möglichkeit. Diese Expressivität und Tiefe,die in dieser Konstellation aus Chorsymphonie und Requiem zum Ausdruck gebracht werden hätte können, hätte sich gut in Clarkes bestehendes Schaffen eingeordnet. Auch Clarkes Auseinandersetzung mit religiösen und spirituellen Themen lässt auf diese Vermutung schließen. Die Besetzung mit einer Solostimme, vielleicht Bariton oder Mezzosopran, da ihr der tiefere, warme Klang zusagte, was sich auch in der Wahl der Bratsche widerspiegelte, wäre eine weitere naheliegende Option für ein potentielles orchestrales Werk gewesen. Das Requiem hätte wohl dem Requiem When Lilacs Last in the Dooryard Bloom'd: A Requiem for those we love von Paul Hindemith geähnelt. Dieser Vergleich lässt sich durch die Bekanntschaft von 108 Vgl. Schaarwächter, Jürgen: Die britische Sinfonie 1914-1945, Verlag Dohr, Köln 1995. 102 Clarke und Hindemith zurückführen, sowohl der Kenntnis vieler Stücke von Hindemith seitens Clarke. Ausserdem teilen beide den gemeinsamen Europa-Amerika-Bezug und den . Hindemiths rhythmische Techniken und seine starke Expressivität sprechen außerdem für eine Annäherung an sein kompositorisches Schaffen. Auch der Europa-Amerika-Bezug ist bei beiden KomponistInnen gegeben. Das Requiem wäre ausgehend von Clarkes bestehenden Textauswahlen nicht nach einem lateinischen Text vertont gewesen, ebenso wie bei Hindemith. Die Offenheit für Musik aus ganz Europa lässt darauf schließen, dass die Textvorlage jedoch nicht unbedingt von einem Englischen Autor stammen hätte müssen, sondern sie hätte genauso aus dem Amerikanischen, oder aus anderen Teilen des europäischen Raums stammen können. Eine intensivere Durchforstung sämtlicher Ideen Clarkes wäre notwendig, um diese Annahmen weitgehend zu bekräftigen.Die Besetzung für das Orchester hätte eine eigenwillige Besetzung sein können, da Clarke eventuell nach neuen Klangwirkungen und vor allem einem eigenen Orchesterklang gesucht haben könnte. Auch die Soli einzelner Instrumente neben der Gesangssolostimme und dem Chor könnten Clarkes Ideen entsprechen, zeigt sie in ihren vorhandenen Stücken oft eine Unterschwelligkeit. Holzbläser wie Klarinetten und Fagotte sowie ein dichtes Streicherensemble und eine starke rhythmische Komponente kämen in meinen Vermutungen Clarkes Ideen nahe. Eine weitere Möglichkeit könnte ein Violakonzert mit Orchester sein. Betrachtet man Ruth Lomons Orchestrierung Clarkes Violasonate, deren Noten ich freundlicherweise zur Einsicht von Liane Curtis, der Präsidentin der Rebecca Clarke Society zugesendet bekommen habe, zeigt sich eine Besetzung von zwei Flöten (ein Piccolo), zwei Oboen, zwei Klarinetten in Bb, zwei Fagotte, zwei Hörner in F, Pauke, Harfe, Erste und Zweite Violine, Viola, Cello und Kontrabass. Dass die Komponistin Ruth Lomon nur Hörner als Blechbläser ausgewählt hat, empfinde ich einer Klangvorstellung nahe, die Rebecca Clarke womöglich in der Tat in Erwägung gezogen hätte. Die Wahl der Harfe lässt klangliche Annäherungen zu Werken Debussys und Ravels aufkommen. Beide Komponisten hinterlassen mit ihren jeweiligen Kompositionsstilen und -elementen Fingerabdrücke in Clarkes Schaffen, was allein durch das Zuhören ihrer Werke erkennbar ist. Um einen Eindruck der Orchestrierung Lomons zu bekommen, gibt es die Möglichkeit, einen Livemitschnitt auf der Website der Rebecca Clarke Society anzuhören.109 109 http://www.rebeccaclarke.org 103 Eine noch präzisere Theorie über eine mögliche orchestrale Komposition Clarkes verlangt die Einsicht ihrer Notizen, Tagebucheintragungen und die Benennung jener Werke, die sie eventuell studiert haben könnte. 104 7 Zusammenfassung Die große Anstrengung, die England mit seiner Politik im 19. Jahrhundert aufbrachte, um Musik als gleichwertige Kunst neben der Malerei und Literatur zu etablieren, führte zur Schaffung einer neuen Identität in ganz England und wird unter dem Begriff English Musical Renaissance zusammengefasst. Zusätzlich zu dieser (Bildungs-)Politik mobilisierten sich auch Frauen, die erstmals Zugang zu renommierten Bildungseinrichtungen erhielten. Diese Frauen, die ausschließlich aus wohlhabenden Gesellschaftsschichten stammten, setzten sich für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ein und konnten durch ihren großen politischen und waghalsigen Einsatz erzielen, dass Frauen in England 1928 das uneingeschränkte Wahlrecht erhielten. Die damalige Gesellschaft, unter der Herrschaft von Königin Viktoria bis 1901, vertrat sehr strenge Ansichten, wie sich Männer und Frauen zu verhalten hatten. Dieses Bild wurde von immer mehr Frauen (u.a. bestärkt durch die Bildungsreformen) durchbrochen, die in berufliche Bereiche vordrangen, die bis dahin nur von Männern eingenommen wurden. Eine dieser Frauen war Rebecca Clarke, die in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs in England zu studieren begann, in der studierende Frauen eher als „Freaks“ denn als ernstzunehmende Studentinnen wahrgenommen wurden. Ihnen wurde nachgesagt, sie würden keine kreativen Fähigkeiten besitzen. Als erste Studentin am Royal College of Music in London in der Klasse des namhaftesten Kompositionsprofessors Englands, Charles Stanford, gilt sie als Vorbild für viele weitere weiblichen Generationen. Im Zuge der Recherchen zu Rebecca Clarke, ihrem Leben und Schaffen, fand ich heraus, dass viele ihrer Werke bis vor einigen Jahren nicht zugänglich waren. Die erste Literatur, die mir zur Vefügung stand, war die Biographie von Daniela Kohnen, die mich über ihre Bibliographie auf die amerikanische Musikologin Liane Curtis aufmerksam machte. Nach weiterer Literaturrecherche wurde ich vor allem im Internet fündig. Liane Curtis, die Gründerin der Rebecca Clarke Society, die es sich zum Ziel gemacht hat, das sehr hochwertige Werk Rebecca Clarkes zur Gänze zu erforschen und zur Aufführung zu bringen, um somit ihren Platz in der Musikgeschichte neu zu schreiben, ermöglichte mir einen tiefen Einblick in die Situation um Rebecca Clarke und ihren Nachlass. Der Verwalter Rebecca Clarkes Nachlasses, Christopher Johnsen (Ehemann einer Nichte Clarkes), zeigte Liane 105 Curtis, die ein Buch mit dem Titel A Rebecca Clarke Reader veröffentlichen wollte, aufgrund der Verletzung des Urheberrechts an. Ein Prozess zwischen diesen beiden Personen führt bis in die Gegenwart und brachte Liane Curtis dazu, alle Informationen zu Rebecca Clarke, die ihrer Meinung nach zu Unrecht der Öffentlichkeit ferngehalten werden, auf eigene Faust an Menschen heran zu bringen, indem sie eigenhändige Kopien ihres A Rebecca Clarke Readers anfertigte und verschenkte. Heute ist das Buch als Googlebook online gratis einsichtig und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich zu allen weiteren wichtigen Informationsquellen gelangte.110 Im Rechercheprozess wurde mir bewusst, wie viele Stücke von Rebecca Clarke erst in den letzten fünf Jahren veröffentlicht wurden (z.B. die gesamten Chorwerke im Jahr 2011) und wie viele wohl noch bis heute versteckt vor der Öffentlichkeit sein müssen. Weitere Informationen zu Clarkes Werkschaffen gewann ich aus Bryony Jones‘ Dissertation The Music of Rebecca Clarke (1886-1979) aus dem Jahre 2004. Schon am Ende des Verfassens meiner Arbeit bin ich auf eine weitere Dissertation von Marin Ruth Tollefson Jacobson mit dem Titel Stylistic development in the choral music ofRebecca Clarke aus 2011 gestoßen. Diese drei genannten Bücher und Dissertationen halfen mir einen genauen Blick auf Clarkes Werk werfen zu können. Vor allem Clarkes Liedschaffen, das mich am meisten fasziniert und einen Großteil ihrer Arbeit ausmacht, gibt besondere Einblicke in ihre Entwicklung als Komponistin und ihre Techniken. Die Frage, welches orchestrale Werk sie verfasst haben könnte, hätte sie andere Lebens- bzw. Arbeitsumstände erfahren, bildete den Ausgangspunkt für diese Arbeit und wurde im vorangegangenen Kapitel 6 ausführlich diskutiert. Nach Recherchen zu ihrem Leben und Schaffen komme ich zum Schluss, dass sie als Teil der English Musical Renaissance sowie durch ihre Ausbildung am RCM die fachlichen Voraussetzungen für ein größeres Werk aufwies. Ob es tatsächlich in der Art komponiert worden wäre, wie es im Kapitel 6 dargestellt wurde, kann wohl nie endgültig beantwortet werden. Dies war ein Versuch meinerseits, der großen, Komponistin mit all den Wissensgrundlagen, die ich in meiner Recherchearbeit erworben habe, ein Denkmal zu setzen, indem ich ausgehend von ihren Voraussetzungen als Komponistin den Ansatz eines fiktiven Stücks kreierte, das ihr und ihrer Qualität gebührt. 110 https://books.google.at/books/about/A_Rebecca_Clarke_Reader.html 106 Die Frage, inwieweit Clarke für ihre Karriere von der English Musical Renaissance gefördert wurde, lässt sich an dieser Stelle insofern beantworten, als dass Rebecca Clarke kompositorischen Unterricht bei Schlüsselfiguren der Renaissance bekam und diese Personen, darunter Parry und Stanford, ihr auch weiterhin zu Auftritten mit der Bratsche und vielen einflussreichen Bekanntschaften verhalfen, die sie schließlich bis zum Berkshire Kompositionswettbewerb führten. Rebecca Clarke wurde über Jahrzehnte als eine der schillerndsten Komponistinnen des beginnenden 20. Jahrhunderts in der Musikgeschichte verschwiegen. Erst langsam wird sie als ebenbürtige, wenn nicht sogar zukunftsweisende Komponistin der English Musical Renaissance wahrgenommen. Mit meiner Arbeit möchte ich zu diesem Prozess der hoffentlich steigenden Popularität dieser Ausnahmekomponistin positiv beitragen. 107 8 Literaturverzeichnis Abromeit, Kathleen A.: Ethel Smyth, The Wreckers, and Sir Thomas Beecham, The Music Quarterly, Vol. 73, Nr. 2, 1989, S. 196-211. Beecham, Thomas: Dame Ethel Smyth (1858-1944), Musical Times, XCIX, Nr. 4 1958. Blackstone, Sir William:Of Husband and Wife, Commentaries on the Laws of England (1765– 1769). Lonang Institut 2009, S. 363-365. Briscoe R. James (Hg.): New Historical Anthology of Music by Women, Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis, 1987. Cole, Henry: Fifty Years of Public Work, Two Volumes, Volume 2, George Bell and Sons, London 1884. Collis, Louise: Impetuous Heart: The Story of Ethel Smyth, London, William Kimber, 1984. 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