Gabriel García Márquez
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Gabriel García Márquez
García MárqueZ GabrIel rzählungen eDition Der >auDio<verLaG Mit Jan Josef Liefers I n h a lt Inhalt/Produktionsangaben/Tracks Gabriel García Márquez – Eine Chronologie Steckbrief eines Literaten Über das Schreiben: Gabriel García Márquez im Gespräch mit Plinio Apuleyo Mendoza Die Erzählungen Von und über Gabriel García Márquez Der Sprecher: Jan Josef Liefers Der Regisseur: Ralf Becher Impressum Seite 3 Seite 6 Seite 16 Seite 20 Seite 22 Seite 24 Seite 26 Seite 26 Seite 28 D i e s e H ö r b u c h e di t i o n e n t h ä l t C D 3 C D 1 An einem dieser Tage 01 An einem dieser Tage Künstliche Rosen [07:37] In diesem Dorf gibt es keine Diebe 2 In diesem Dorf gibt es 0 keine Diebe 3 Seit drei Monaten 0 4 Plötzlich verblaßten die Bilder 0 5 Damaso war wieder der alte 0 6 Ana fühlte sich an jenem 0 Morgen erschöpft 7 Ich hab’s dir gesagt 0 8 Betäubt vom Schmerz 0 1 Künstliche Rosen 0 2 Da Trinidad sich aufs Kräuseln 0 von Blüten verstand [08:06] Das Leichenbegängnis der Großen Mama [08:45] 3 Das Leichenbegängnis 0 4 Es war wie eine Erinnerung 0 5 Nun fehlte nur noch die 0 eingehende Aufzählung 6 Zurück blieben die 0 leuchtenden Pfirsichfelder [09:48] [08:19] [09:26] [10:08] [07:13] [06:17] [09:19] [10:44] [11:39] [10:45] [08:00] Dienstag mittag Laufzeit [70:09] 7 Dienstag mittag 0 8 Die Hintertür ging auf 0 [08:54] Laufzeit [73:05] [08:14] C D 2 Die Witwe Montiel 1 Die Witwe Montiel 0 2 Der einzige Unterschied 0 [07:49] C D 4 [08:27] Baltazars wundervoller Nachmittag Ein Tag nach dem Samstag 3 Ein Tag nach dem Samstag 0 4 Doch schon viele Jahre 0 vor dem Krieg 5 Nun vergaß er alles 0 6 Zum ersten Mal 0 an diesem ganzen Tag 7 Nach neun Uhr wurde er 0 ins Hinterhaus geleitet 8 In ihrer Bettnische 0 [10:29] Laufzeit [75:28] cd 1, cd 2, cd 3, cd 4 (Track 01, 02) Erzählungsband 1: Das Leichenbegängnis der großen Mama (© 1962) [10:56] 1 Baltazars wundervoller 0 Nachmittag 2 In Wirklichkeit war José Montiel 0 weniger reich [08:49] [10:10] [09:44] Das Meer der verlorenen Zeit [10:04] [09:37] [08:22] 3 Das Meer der verlorenen Zeit 0 4 Der alte Jakob 0 5 Es war zwölf Uhr vorüber 0 6 Der alte Jakob war sofort 0 auf dem laufenden 7 Als Senator Herbert erwachte 0 [08:39] Laufzeit [62:18] [08:07] [08:09] [10:14] [08:10] »Berstend voll von Geschichten und Legenden, Realismus und Mythos miteinander verflechtend, ein illusionsloser Schilderer der Menschennatur, aber zu ironisch, um ein Misanthrop zu werden, hat García Márquez, der sich selber nicht zu den Intellektuellen zählt, das seltene Kunststück fertig gebracht, die Achtung der Literaten und gleichzeitig die Liebe seiner weltweiten Leserschaft zu gewinnen.« D i e t e r E . Z i mm e r , C D 5 [07:23] L a u f z e i t [08:38] [44:44] Laufzeit [08:54] [10:39] C D 6 C D 8 Der schönste Ertrunkene von der Welt Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter 2 1 Der schönste Ertrunkene 0 von der Welt 2 Das dachten die Frauen 0 [07:42] [08:13] Beständiger Tod über die Liebe hinaus 3 Beständiger Tod 0 über die Liebe hinaus 4 Nelson Farina begrüßte 0 zum ersten Mal 5 Laura Farina setzte sich wieder 0 Die Zeit Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter 1 1 Die unglaubliche 0 und traurige Geschichte 2 Als es tagte 0 3 Die Großmutter wartete sitzend 0 4 Ein mit Käfigen beladener 0 Lastwagen erschien 5 Eréndira warf einen 0 nachdenklichen Blick 6 Eines Nachts fuhr dicht neben ihr 0 [09:10] Ein sehr alter Herr mit riesengroßen Flügeln 4 Ein sehr alter Herr 0 mit riesengroßen Flügeln 5 Pater Gonzaga bot 0 der leichtfertigen Menge G a b r i e l G a r c í a M á r q u e z C D 7 Blacamán der Gute, Wunderverkäufer 1 Blacamán der Gute, 0 Wunderverkäufer 2 In seinen Ruhmeszeiten 0 war er Einbalsamierer 3 So begann mein großes Leben 0 »Es ist Pflicht des Schriftstellers, revolutionäre Pflicht, gut zu schreiben.« [07:07] [07:56] [07:40] Die letzte Reise des Gespensterschiffs 6 Die letzte Reise 0 des Gespensterschiffs 7 Er stahl sich nämlich ein Boot 0 [07:14] Laufzeit [53:42] 1 Ulysses hatte den ganzen 0 Nachmittag 2 Das sind die Orangen, 0 die wir zur Grenze fahren 3 Diesmal nahm die Großmutter 0 unverzüglich ihre Zuflucht 4 Das war das einzige Mal 0 5 Am anderen Ende des Zelts 0 6 Eréndira hörte von Ulysses 0 erst zwei Wochen später Laufzeit [11:19] [08:25] [09:05] [10:01] [09:59] [11:27] [60:16] [09:25] [09:32] [10:03] [09:06] [11:14] [10:49] [60:10] [07:50] Gesamtlaufzeit [500:13] cd 4 (Track 03 bis 07), cd 5, cd 6, cd 7, cd 8 Erzählungsband 2: Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter (© 1972) Gabriel García Márquez – Ei n e C h r o n o l o gi e »Meine Großmutter war eine einfallsreiche und abergläubische Frau, die mir Abend für Abend mit ihren Geschichten von jenseits des Grabes Angst machte. Sie berichtete mir die unglaublichsten Dinge, als hätte sie sie eben gesehen. Beim Schreiben von ›Hundert Jahre Einsamkeit‹ habe ich mich dieser Methode bedient. Der Schutzengel meiner Kindheit war ein alter Mann, mein Großvater, die wichtigste Figur meines Lebens, er zeigte mir die Dinge. So entstand meine Welt.« G a b r i e l G a r c í a M á r q u e z 1927 Gabriel García Márquez wird am 6. März in Aracataca geboren, einem Dorf an der Karibikküste Kolumbiens. Die Eltern, Luisa Santiaga Márquez Iguarán und der Telegrafist und Homöopath Gabriel Eligio García, lassen ihren Erstgeborenen bei Luisas Eltern in Aracataca: Ihr Haus liegt in der Nähe der Bananenplantage »Macondo«. Die Geschichten der Großmutter und die starke Persönlichkeit des Großvaters, eines Liberalen und ehemaligen Obersts, prägen den Jungen nachhaltig. 1928 Im Dezember wird der Streik der Arbeiter der United Fruit Company in der »Bananenzone« (Ciénaga, Aracataca, Fundación) gewaltsam niedergeschlagen. 1948 Er arbeitet gegen Zeilenhonorar, schreibt eine Kolumne unter dem Titel Punto y aparte (Punkt, Absatz). Im Juli veröffentlicht »El Espectador« seine vierte Erzählung La otra costilla de la muerte (Die andere Rippe des Todes). Im September kommt er in Barraquilla mit einigen Literaturbesessenen in Kontakt: Alfonso Fuenmayor, Alvaro Cepeda Samudio und Germán Vargas. Mentor der »Gruppe von Barranquilla« (so die spätere Bezeichnung) ist der hochgebildete Katalane und Ex-Buchhändler Ramón Vinyes. Im Dezember besteht García Márquez die Prüfungen des zweiten Studienjahres Jura. 1930 Enrique Olya Herrera, der Kandidat der Liberalen, gewinnt die Präsidentschaftswahlen nach fünfunddreißig Jahren konservativer Herrschaft. 1933 Gabriel García Márquez lernt seine Mutter kennen. 1934 Wahl des Liberalen Alfonso López Pumajero. Beginn der »Revolución en marcha«. 1936 Der Großvater stirbt: »Nichts interessierte mich mehr seit jenem Tag.« Gabriel García Márquez lebt bei seinen Eltern, die vorübergehend in Barranquilla wohnen. Besuch der Grundschule »Simón Bolivár«, später des Jesuitenkollegs San José. Seine ersten Texte erscheinen in der Schulzeitung »Juventud«. 1943 Gabriel tritt als Internatsschüler in das staatliche Gymnasium von Zipaquirá ein, fünfzig Kilometer von Bogotá entfernt. Das neue Leben in der düsteren Andenregion ist für den Jungen von der Karibikküste ein Schock: Er flüchtet sich in die Lektüre. 1945 1947 1949 Im Januar erscheint seine fünfte Erzählung in der Beilage von »El Espectador«, Diálogo del espejo (Zwiesprache des Spiegels). Im März/April verbringt García Márquez wegen einer Lungenentzündung mehrere Wochen bei seinen Eltern in Sucre. Seine Freunde aus Barranquilla schicken ihm Bücher: Er entdeckt Faulkner und Virginia Woolf, arbeitet an einem Roman mit dem Titel La casa (Das Haus). Im November setzt die konservative Regierung Verfassung und demokratische Rechte außer Kraft. »El Espectador« veröffentlicht García Márquez’ sechste Erzählung Amargura para tres somnámbulos (Bitterkeit für drei Schlafwandler). Im Dezember gibt García Márquez sein Studium endgültig auf und zieht nach Barranquilla. 1950 wird er Mitarbeiter gegen Zeilenhonorar bei »El Heraldo« in Barranquilla – es ist ein schlechtbezahlter Job, García Márquez wohnt in einem Stundenhotel, wo man ihm jede Nacht ein anderes Zimmer zuweist. Beginn seiner Kolumne La jírafa (Die Giraffe), die er mit dem bei Virginia Woolf entlehnten Pseudonym Septimus unterzeichnet. Im Gymnasium von Zipaquirá gründet García Márquez die Zeitschrift »Literatura« – es erscheint nur eine Nummer. 1946 Spaltung der Liberalen, die im Lande die Mehrheit haben. Der Konservative Ospina Pérez wird Präsident. Beginn der »violencia«. García Márquez macht Abitur. Jurastudium an der Universidad Nacional in Bogotá. Kommilitonen sind Plinio Apuleyo Mendoza und der spätere »Guerillapriester« Camilo Torres. García Márquez betreut die Universitätsbeilage der Tageszeitung »La Razón«, liest Kafkas »Verwandlung« und beschließt, Schriftsteller zu werden. Im September erscheint seine erste Erzählung in der literarischen Beilage von »El Espectador«, La tercera resignación (Die dritte Entsagung), kurz danach die Erzählung Eva está dentro de su gato (Eva ist in ihrer Katze). In literarischen Kreisen wird García Márquez bald zur ersten Garde der kolumbianischen Literatur zählen. Im Dezember besteht er die Prüfungen am Ende des ersten Studienjahres Jura. Veröffentlichung der dritten Erzählung in der literarischen Beilage von »El Espectador« Tubal-Caín forja una estrella (Tubal-Caín schmiedet einen Stern). Jorge Eliécer Gaitán, Präsidentschaftskandidat der Liberalen, wird am 9. April ermordet. Blutige Unruhen (»bogotazo«). Schließung der Universität. García Márquez verläßt Bogotá und zieht zu seinen Eltern nach Cartagena. Halbherzig nimmt er sein Jurastudium wieder auf und veröffentlicht seinen ersten Artikel in der lokalen Tageszeitung »El Universal«. Mit seiner Mutter kehrt er nach Aracataca zurück, um das Haus seiner Kindheit zu verkaufen. Die Reise weckt in ihm den Wunsch zu schreiben. Chefredakteur der Wochenzeitung »Crónica«, des Organs der »Gruppe von Barranquilla«. Veröffentlichung von fünf Erzählungen und drei Notizen für einen Roman. Arbeit an La hojarasca (Laubsturm). 1951 García Márquez kehrt nach Cartagena zurück, wohin auch seine Eltern gezogen sind; er arbeitet für »El Heraldo« von Barranquilla. Ohne die Artikel zu unterzeichnen, schreibt er auch wieder für »El Universal«. Im September gründet er die Zeitung »Comprimido«, von der zwei Nummern erscheinen. 1952 Rückkehr nach Barranquilla, wo er La jírafa bei »El Heraldo« wiederaufnimmt. Der Verlag Losada in Buenos Aires lehnt La hojarasca ab, man rät García Márquez vom Schreiben ab. »Er hat schon immer gefunden, daß seine Freundschaft zu Fidel Castro zum guten Teil von einer besonderen Art, die Realität zu sehen, herrührt, einer Form der Intelligenz und einer Sprache, die zu ihrem gemeinsamen geographischen Raum, der Karibik, gehört.« P l i n i o Ap u l e y o M e n d o z a 1953 Reisevertreter einer Buchhandlung. Im Juni Militärputsch gegen die Regierung der Konservativen; General Rojas Pinilla übernimmt die Macht. Im Oktober kehrt García Márquez zum Journalismus zurück. Mit seinem Freund Álvaro Cepeda Samudio fungiert er als Chefredakteur von »El Nacional« in Barranquilla. 1958 1954 Redakteur bei »El Espectador« in Bogotá. Mit seinen brillanten Reportagen ist er bald der Star-Journalist der Zeitung. Im Juni schießt die Armee in eine Studentendemonstration in Bogotá. Die »violencia« lebt im Landesinneren wieder auf. Mit der Erzählung Un día después del sábado (Ein Tag nach dem Samstag) gewinnt García Márquez einen nationalen Literaturwettbewerb. 1955 Die Reportage Relato de un náufrago (Bericht eines Schiffbrüchigen) über Luis Alejandro Velasco wird zum nationalen Skandal, sie kompromittiert die Regierung des Diktators Rojas Pinilla. Um García Márquez zu schützen, schickt »El Espectador« ihn als Korrespondent nach Europa. Er berichtet über die Konferenz der »Großen Vier« in Genf, von den Festspielen in Venedig, reist nach Polen und in die Tschechoslowakei und zieht schließlich nach Paris. Im Mai war La hojarasca erschienen, nachdem Freunde das Manuskript in einer Schublade seines Büros in Bogotá entdeckt hatten. 1956 »El Espectador« wird durch die Militärregierung geschlossen – Anlaß ist unter anderem Relato de un náufrago. García Márquez ist ohne Einkommen, verkauft sein Flugticket, sammelt leere Flaschen und Altpapier. Wegen seiner ärmlichen Erscheinung und seines »algerischen Gesichts« wird er als »verdächtiger Araber« verhaftet. 1957 Im Januar beendet García Márquez El colonel no tiene quien le escriba (Der General hat niemand, der ihm schreibt). Im Mai muß General Rojas Pinilla die Macht an eine Júnta abgeben, die die Rückkehr zum parlamentarischen System vorbereitet. García Márquez reist in die ddr, in die udssr, nach Ungarn, kehrt nach Paris zurück und schreibt die Reportage Neunzig Jahre hinter dem Eisernen Vorhang, die in Auszügen in Caracas erscheint, bis sie 1959 vollständig in Bogotá herauskommt. Im Dezember vermittelt Plinio Mendoza ihm eine Redakteursstelle bei der venezolanischen Wochenzeitschrift »Momento«; Übersiedlung nach Caracas. In Kolumbien wird durch Volksentscheid das System der Nationalen Front eingeführt, die Teilung der Macht zwischen Liberalen und Konservativen. 1959 Nach dem Einmarsch von Fidel Castro in Havanna beginnen im Januar die Prozesse gegen die Schergen der Batista-Regierung. García Márquez nimmt an einem Prozeß teil und unterschreibt eine Petition gegen das verhängte Todesurteil. García Márquez und Plinio Mendoza eröffnen die kolumbianische Dependance der kubanischen Presseagentur »Prensa Latina« in Bogotá. Geburt des Sohnes Rodrigo. 1960 García Márquez kehrt nach Havanna zurück und arbeitet für »Prensa Latina«. 1961 reist er als stellvertretender Leiter des Büros von »Prensa Latina« mit seiner Familie nach New York. Im Juni tritt er zurück und zieht nach Mexiko – Angehörige der alten kubanischen kp hatten die Agentur übernommen. Noch Jahre später wird García Márquez kein Einreisevisum für die usa bekommen. In Mexiko leitet er die Familienzeitschrift »La familia« und das Revolverblatt »Sucesos«. Das Manuskript von La mala hora gewinnt den ersten Preis beim esso-Literaturwettbewerb. 1962 Geburt des Sohnes Gonzalo. Los funerales de la Mamá Grande wird von der Universität Veracruz (Mexiko) herausgegeben (Auflage: 2000 Exemplare). Veröffentlichung von La mala hora in einer nicht autorisierten Ausgabe. 1963 Tritt bei der Walter Thompson Publicity Agency ein, schreibt mit Carlos Fuentes das Drehbuch zu El gallo de oro (Der goldene Hahn) und arbeitet an einer ersten Fassung von El otoño del patriarca (Der Herbst des Patriarchen). 1964 schreibt er das Drehbuch zum Western Tiempo de morir (Zeit des Sterbens). 1965 Weitere Drehbücher. Während einer Autofahrt nach Acapulco hat er die Idee zu einem neuen Roman: Er kehrt um und beginnt mit der Arbeit an Cien años de soledad (Hundert Jahre Einsamkeit), der endgültigen Fassung des Romans La casa unter neuem Titel. 1958 Sturz des venezolanischen Diktators Pérez Jiménez. García Márquez heiratet Mercedes Barcha Pardo in Barranquilla. Im Mai verläßt García Márquez »Momento« – Anlaß ist der Streit mit dem Herausgeber wegen eines Besuches des us-Präsidenten Richard Nixon. García Márquez wird Chefredakteur des Sensationsblattes »Venezuela Gráfica« und arbeitet für »Elite«. Im Mai/Juni erscheint der Roman El colonel no tiene quien le escriba in der literarischen Zeitschrift »Mito« in Bogotá (die Buchausgabe erscheint 1961). García Márquez schreibt verschiedene Erzählungen, die später in Los funerales de la Mamá Grande (Das Leichenbegängnis der Großen Mama) gesammelt werden, und arbeitet weiter an dem Roman La mala hora (Die böse Stunde). 1966 Tod von Camilo Torres in der Guerilla. Neuauflage von La mala hora bei era (erste vom Autor anerkannte Ausgabe). 1967 Im April erscheint Cien años de soledad in Buenos Aires – nie zuvor hatte ein Buch aus Lateinamerika einen derartigen Erfolg. Es folgen zwölf Nachauflagen allein in den ersten beiden Jahren. Neuauflagen früherer Bücher. Begegnung mit Mario Vargas Llosa. Übersiedlung nach Barcelona. Erstmals kann García Márquez von Autorenhonoraren leben. »Im Werk von García Márquez findet eine Begegnung zwischen einer zutiefst schöpferischen Phantasie und der blutigen Geschichte eines ganzen Kontinents statt sowie dem unbezähmbaren Wunsch seiner Völker nach Freiheit und menschlicher Würde.« Ol o f P a lm e anläßlich der Verleihung des Nobelpreises, 1982 1977 García Márquez, mit Fidel Castro befreundet, wird zum Anwalt der kubanischen Revolution. Fliegt als Mitglied der panamanischen Delegation nach Washington zur Unterzeichnung der Kanalverträge. Im Dezember verläßt Reynold González, der frühere Führer der katholischen Arbeiterjugend, Kuba. Man hatte ihn zu dreißig Jahren Haft verurteilt, García Márquez hatte sich für seine Freilassung eingesetzt. 1978 1971 Affäre Herberto Padilla: Der kubanische Lyriker wird im März verhaftet. García Márquez weigert sich, mit dem System Fidel Castro zu brechen. Vargas Llosa veröffentlicht die erste umfassende Studie zum Leben und Werk von García Márquez in Barcelona. Ehrendoktorwürde der ColumbiaUniversität, New York. Gründet die Stiftung »Habeas« für die Verteidigung der Menschenrechte und den Schutz und die Befreiung der politischen Gefangenen in Lateinamerika. Mitbegründer der politischen Bewegung »Firmes« in Kolumbien. Im Auftrag von »Habeas« Treffen mit dem Papst und dem spanischen König. Weitere humanitäre Missionen. Am 6. September verkündet der neu gewählte Präsident Turbay Ayala den Ausnahmezustand. García Márquez arbeitet mit Costa Gavras an einem Film, der Panamas Anspruch auf die Kontrolle des Panama-Kanals rechtfertigen will. 1980 Übernimmt eine Kolumne für »El Espectador«, Bogotá. 1972 Der Band La increíble y triste historia de la cándida Eréndira y su abuela desalmada (Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter) erscheint mit Erzählungen aus den Jahren 1968 – 1972. Romulo-Gallegos-Preis. García Márquez übergibt das Preisgeld von 22700 Dollar der linken venezolanischen Partei mas, die gegen die kp und die beiden Massenparteien des Landes antritt. 1981 1973 Zur Finanzierung des mas-Wahlkampfes autorisiert er die Buchveröffentlichung von Artikeln aus den Jahren 1957 / 1958. Textos costeños (Texte von der Küste), der erste Band des journalistischen Werkes mit Beiträgen von 1948 bis 1952, erscheint in Barcelona. Im März flieht García Márquez nach Mexiko ins politische Exil – man hat ihn mit der Guerillagruppe m-19 und kubanischem Waffenschmuggel in Verbindung gebracht, die kolumbianischen Militärs drängen auf Verhaftung. García Márquez erklärt, seine Freundschaft mit Fidel Castro sei der Grund für die Anschuldigungen. Crónica de una muerte anunciada (Chronik eines angekündigten Todes) erscheint in Bogotá, Barcelona und Buenos Aires (Gesamtauflage über anderthalb Millionen Exemplare), obwohl Pinochet nach wie vor an der Macht ist. García Márquez präzisierte sein Versprechen von 1975 bereits 1977: »Was ich sagen wollte, ist, daß mich der Kampf gegen Pinochet so in Anspruch nehmen wird, daß ich glaube, keine Zeit für andere Dinge zu haben.« Später erklärt er, chilenische Freunde hätten ihn bewogen, seinen Schwur zu brechen. Im Dezember wird er vom französischen Staatspräsidenten François Mitterrand in die Légion d’honneur aufgenommen. 1969 Cien años de soledad erhält den französischen Preis für das beste ausländische Buch. 1970 Manipulierte Präsidentschaftswahlen in Kolumbien; der frühere Diktator Rojas Pinilla wird um seinen Wahlsieg betrogen. Eine Buchausgabe von Relato de un náufrago erscheint in Barcelona. Lange Reise durch die Karibik, nachdem García Márquez abgelehnt hat, Konsul seines Landes in Barcelona zu werden. 1974 Alfonso López Michelsen wird in Kolumbien zum Präsidenten gewählt: die Zeit nach der Nationalen Front beginnt. García Márquez zieht nach Mexiko. Mitbegründer der linken kolumbianischen Wochenzeitschrift »Alternativa«. Ojos de perro azul (Augen eines blauen Hundes), ein Band mit Erzählungen, erscheint in Barcelona. Als »geheimer Botschafter« vermittelt García Márquez in Zentralamerika und der Karibik, nimmt als Geschworener am Russell-Tribunal teil, mehrere amtierende und Ex-Präsidenten Lateinamerikas zählen zu seinen Freunden. 1975 1982 El otoño del patriarca (Der Herbst des Patriarchen), der lang erwartete neue Roman, erscheint in einer Auflage von 500000 Stück. García Márquez bezieht Position zu Pinochet: Er will kein literarisches Buch mehr veröffentlichen, solange der General in Chile an der Macht ist. 10 11 Mitglied der Jury beim Filmfestival in Cannes. Die Gespräche mit Plinio Mendoza erscheinen unter dem Titel El olor de la guayaba (Der Geruch der Guayave) in Barcelona. Weitere journalistische Arbeiten werden veröffentlicht. García Márquez erhält im Oktober den kubanischen Felix-VarelaOrden und den mexikanischen Aguila Azteca. Im Dezember nimmt er den Nobelpreis für Literatur in Stockholm entgegen. Die Preissumme investiert García Márquez in »El Otro«, eine neue kolumbianische Tageszeitung. »Man sagt mir oft, das Drehbuchschreiben gefährde meine Zukunft als Romancier. Dasselbe sagte man mir, als ich Journalist war oder für die Werbung arbeitete. Dennoch habe ich seither fünf Bücher geschrieben. Für das Kino zu schreiben hat mich nicht steril werden lassen, sondern hat mir neue Perspektiven eröffnet. Im Unterschied zu früher bin ich heute von den unbegrenzten Möglichkeiten des Romans überzeugt.« G a b r i e l G a r c í a M á r q u e z 1984 Publikation weiterer journalistischer Arbeiten. Rückkehr nach Kolumbien. 1985 Die Liebe in den Zeiten der Cholera erscheint in Bogotá, Buenos Aires und Mexiko City. Der spanische Verlag Bruguera erhält die Rechte nur unter der Bedingung, daß er ausstehende Honorare begleicht: über 70 Autoren profitieren. Francesco Rosi verfilmt Chronik eines angekündigten Todes. 1986 Vargas Llosa nennt García Márquez einen »Höfling Castros« – die Feindschaft zwischen den Autoren spaltet Lateinamerikas Intellektuelle in zwei politische Lager. Das Abenteuer des Miguel Littín – Illegal in Chile erscheint. Bei den Friedens- und Abrüstungsgesprächen der Gruppe der Fünf in Mexiko hält García Márquez die Eröffnungsrede. Er unterstützt den Aufbau der Internationalen Hochschule für Kino und Fernsehen in Kuba, die bei Havanna eröffnet wird, steuert Devisen und Kontakte bei. 1987 In Cannes wird Chronik eines angekündigten Todes gezeigt, ein Film von Francesco Rosi. Privataudienz mit Gorbatschow, García Márquez sichert ihm die Unterstützung der Intellektuellen Lateinamerikas zu. 1988 Uraufführung des Theaterstückes Liebestirade gegen einen sitzenden Mann in Buenos Aires. 1989 El general en su laberinto (Der General in seinem Labyrinth) erscheint. 1990 Drehbücher für sechs Fernsehfilme unter dem Titel Amores difíciles. 1991 redigiert García Márquez die neue kolumbianische Verfassung. »Ich versuche, neue Antworten auf die immer gleichen alten Fragen zu geben. Dabei kommt nicht immer die Wahrheit heraus, und das Interview wird zum Roman.« Gabriel García Márquez zu dem Umstand, daß er Fragen zu seiner Biographie variantenreich beantwortet. 1992 Leitung einer Nachrichtensendung des kolumbianischen Fernsehens. Doce cuentos peregrinos (Zwölf Geschichten aus der Fremde) erscheint. 1994 Gründung einer internationalen Journalistenschule, der »Fundación de Nuevo Periodismo Iberoamericano« (fnpi), in Cartagena. Der Roman Del amor y otros demonios (Von der Liebe und anderen Dämonen) erscheint. 2002 Der erste Band der Autobiographie Vivir para contarla (Leben, um davon zu erzählen) wird veröffentlicht. 2004 Memoria de mis putas tristes (Erinnerung an meine traurigen Huren) erscheint. Gabriel García Márquez lebt heute vorwiegend in Mexiko. 12 über Gabriel García Márquez »Ich halte ihn für eine einmalige Erscheinung … weil bei ihm das, was wir Engagement nennen, mit dem, was wir Poesie nennen, vollkommen übereinstimmt. Diese sehr spezifisch bourgeoise Trennung zwischen engagierter und sogenannter reiner Literatur, die ich für eine Schizophrenie halte, ist bei ihm vollkommen aufgehoben.« »Die Knie an den Heizkörper gepreßt, schrieb Gabriel jede Nacht bis zum Morgen an einem Roman, der ›Die böse Stunde‹ werden sollte. Gut sichtbar hing an einer Nadel ein Foto seiner Verlobten Mercedes an der Wand. Paris war nicht mehr das Paris der ersten Tage, sondern die bittere und harte Stadt, wie sie so viele Lateinamerikaner in eiskalten Zimmern und mit zerrissenen Pullovern kennengelernt hatten; eine Stadt, wo eine warme Mahlzeit und ein Eckchen am Feuer schon einen heimlichen Glanz ausstrahlten.« H e i n r i ch B ö ll P l i n i o Ap u l e y o M e n d o z a »Sie gehören zu der Welt, die ich liebe.« François Mitterrand »Jedes Buch [von García Márquez] war auf seine Weise das herausragende Meisterwerk eines spezifischen literarischen Sujets.« W o l f r a m Sch ü t t e , »Seine Arbeitsutensilien bestehen aus einem halben Dutzend Lexika, allen möglichen Enzyklopädien (sogar eine speziell über Luftfahrt), einem Fotokopierer, einer geräuschlosen elektrischen Schreibmaschine und, immer griffbereit, fünfhundert Blatt Papier.« »ggm stellt die Tätigkeit des Journalisten und Reporters der des Schriftstellers gleich; aus seinen Zeitungsartikeln macht er Literatur; seiner Literatur eignen die Knappheit, Genauigkeit, Unmittelbarkeit seiner Reportagen. Er bevorzugt den Tonfall der Chronik, des Berichts. Der erste Satz einer Erzählung, eines Romans muß von entwaffnender Treffsicherheit sein und den Ton des Ganzen anschlagen, den Inhalt fast vorwegnehmen, auf den Schluß hinweisen. Die Pflicht des revolutionären Schriftstellers Lateinamerikas lautet für ihn: Gut schreiben. ggms Erfolg, von weiten Schichten seines Kontinents gelesen zu werden, verdankt sich seiner Doppelnatur: ggm schreibt leichtverständliche Weltliteratur.« P l i n i o Ap u l e y o M e n d o z a »Gabriel García Márquez, unter Freunden Gabito, scheint der große Erzähler zu sein, auf den das Land seit langem mit so viel Geduld und so viel Skepsis wartet.« Al f o n s o F u e n m a y o r in »El Heraldo« »Natürlich hat er sich verändert; er war Fisch, und heute ist er Stier. Er war schlank, schüchtern und rauchte viele Zigaretten; heute raucht er nicht, hat zehn Kilo zugenommen und macht den Eindruck gediegener Gesetztheit, die überrascht, wenn man ihn früher gekannt hat. Keine Spur mehr von seinem Bohèmeleben als junger Mann, wo er bis zum Morgengrauen im Redaktionssaal, einer Bar oder irgendeinem Zimmer saß. Seine Verabredungen werden von einem strengen Terminkalender überwacht. Dank seiner Frau und seiner literarischen Agentin gelingt es ihm, sich unauffällig vor denen zu schützen, die daran interessiert sind, ihn zu sehen: Journalisten, Professoren oder Studenten, die über sein Werk sprechen wollen. Bei ihm ist alles vorausgeplant. Er kann im Januar eine Verabredung für September treffen und sie auch einhalten, was für einen Lateinamerikaner bemerkenswert ist.« P l i n i o Ap u l e y o M e n d o z a , »Die Seele Lateinamerikas.« Curt Meyer-Clason, Übersetzer von Hundert Jahre Einsamkeit »Gabriel García Márquez zu lesen, bedeutet Liebe auf den ersten Satz.« C a r l o s W i dm a n n , Süddeutsche Zeitung »Dein bestes Buch ist ›Der Herbst des Patriarchen‹. Wir sind alle so, wie du schreibst.« G e n e r a l Om a r T o r i j o s , 1983 Cosmopolitan 14 Frankfurter Rundschau 15 De-facto-Präsident von Panama S t e c k b r i e f e i n e s Li t e r a t e n Das erste Buch »Ich wohnte in Stundenhotels, genau wie die Nutten. Das Zimmer kostete einen Peso fünfzig pro Nacht. El Heraldo zahlte mir drei Pesos pro Spalte und manchmal noch weitere drei für den Leitartikel. Wenn ich keinen Peso fünfzig mehr hatte, um das Zimmer zu bezahlen, hinterlegte ich beim Hotelpförtner die Originalmanuskripte von ›Laubsturm‹ als Pfand. Er wußte, daß das für mich sehr wichtige Papiere waren … Fünf Jahre vergingen, bis ich einen Verleger gefunden hatte.« Macht »Für mich geht eine große Faszination von Macht aus. Ich glaube, das wird bei vielen Figuren in meinen Büchern deutlich. Die Macht ist zweifellos der höchste Ausdruck menschlichen Willens und Strebens.« D a s wi c h t ig s t e B u c h »›Der Herbst des Patriarchen‹ …, das Buch, das ich immer schon schreiben wollte und in dem ich mit meinen persönlichen Bekenntnissen am weitesten gegangen bin.« P o l i t ik »Ich habe eine unbändige Lust am Leben, und ein Aspekt davon ist die Politik. Aber das ist nicht der Aspekt, der mir am besten gefällt, und ich frage mich, ob ich mich damit überhaupt beschäftigen würde, wenn ich auf einem Kontinent mit weniger politischen Problemen als Lateinamerika geboren wäre. Das heißt: Ich halte mich für einen NotfallPolitiker.« Das beste Buch »Ich mußte ein Buch schreiben, das ich streng unter Kontrolle hatte, und ich glaube, mit ›Chronik eines angekündigten Todes‹ habe ich das erreicht. … Das ist mir vorher nie passiert.« S o zi a l i s m u s »Ich bin, was meine persönlichen politischen Überzeugungen angeht, ein engagierter Mensch, ein politisch engagierter Mensch. Ich will, daß die Welt sozialistisch wird, und ich glaube, früher oder später wird sie es auch.« H u n d e r t J a h r e Ei n s a mk e i t »… hätte mir fast mein Leben zerstört. Nach seiner Veröffentlichung war nichts mehr wie vorher. Weil der Ruhm den Sinn für Realität stört, vielleicht genauso wie die Macht, außerdem ist er eine ständige Bedrohung des Privatlebens. Was in ›Hundert Jahre Einsamkeit‹ erzählt wird, ähnelt jedermanns Leben. Außerdem ist es einfach, flüssig, geradlinig und oberflächlich geschrieben. Aber die Tatsache, zu wissen, daß es mit allen Mitteln und Tricks des Handwerks geschrieben ist, ließen mich schon, bevor ich es geschrieben hatte, annehmen, daß ich es übertreffen könnte … ja, schlagen.« Ruhm »Niemals und bei keiner Gelegenheit habe ich vergessen, daß ich im Grunde meiner Seele niemand anderes bin als eines der sechzehn Kinder des Telegrafisten von Aracataca. In den Jahren, in denen mich der Ruhm überrollt hat wie etwas Unerwünschtes, war meine schwerste Arbeit, den Fortbestand meines Privatlebens zu sichern … Nein, Erfolg, den wünsche ich niemandem. Es geht einem wie den Bergsteigern, die sich fast umbringen, um auf den Gipfel zu kommen, und wenn sie oben sind, was dann? Absteigen oder versuchen, möglichst unauffällig wieder herunterzukommen.« S c h r if t s t e l l e r »Es gibt keinen einsameren Beruf als den des Schriftstellers, und zwar in dem Sinne, daß ihm zum Zeitpunkt des Schreibens niemand helfen kann und niemand wissen kann, was er eigentlich machen will. Nein, man ist allein, absolut einsam vor dem weißen Blatt Papier ... Überhaupt glaube ich, daß man am besten schreibt, wenn die Bedingungen in jeder Beziehung angenehm sind. Ich glaube nicht an den romantischen Mythos, daß der Schriftsteller Hunger und Sorgen haben muß, um produktiv zu sein. Mit vollem Bauch und einer elektrischen Schreibmaschine schreibt es sich besser.« Freunde »Das einzige, das mich schließlich und endlich im Leben interessiert, ist die Zuneigung meiner Kinder und Freunde. Die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mich wirklich als ich selbst fühle, ist dann, wenn ich mit ihnen zusammen bin. Ganz wenige Freunde habe ich unterwegs verloren.« 5 0 0 B l a t t P a pi e r »Ich fange eine Seite auf der Schreibmaschine an … Und wenn ich mich verschreibe, sei es, daß mir das geschriebene Wort nicht mehr gefällt oder daß ich einfach einen Tippfehler mache, dann lege ich aus einer Art Unsitte, Wahn oder Skrupel heraus das Blatt beiseite und spanne ein neues ein. Ich kann bis zu fünfhundert Blatt verbrauchen, um eine zwölfseitige Erzählung zu schreiben. Das heißt, ich kann mich nicht dem Wahn entziehen, daß ein Tippfehler für mich dasselbe wie ein Kunstfehler ist.« D e r id e a l e P l a t z z u m S c h r e i b e n »Morgens eine einsame Insel und abends die große Stadt. Am Morgen brauche ich Ruhe, am Abend etwas Alkohol und gute Freunde, um mich mit ihnen zu unterhalten. Ich brauche immer den Kontakt mit den Leuten auf der Straße und muß über alles Aktuelle Bescheid wissen. All das entspricht dem, was William Faulkner mit der Bemerkung gemeint hat, das geeignetste Haus für einen Schriftsteller sei ein Bordell, denn in den Morgenstunden ist es dort ganz ruhig, am Abend aber wird gefeiert.« Kinder »Es ist die begeisterndste Erfahrung meines Lebens gewesen, meinen beiden Söhnen zu helfen, erwachsen zu werden, und ich glaube, was mir im Leben am besten gelungen ist, sind nicht meine Bücher, sondern meine Kinder.« Die schönste Farbe »Das Gelb des karibischen Meeres um drei Uhr nachmittags, von Jamaica aus gesehen.« F id e l C a s t r o »Meine Freundschaft mit Fidel Castro hat mit der Literatur begonnen. Fidel Castro ist ein leidenschaftlicher Leser, Liebhaber und ernst zu nehmender Kenner der guten Literatur. Nachdem er ›Bericht eines Schiffbrüchigen‹ gelesen hatte, kam er zu meinem Hotel, nur um mir zu sagen, daß in der Berechnung der Schiffsgeschwindigkeit ein Fehler stecken müßte und die Ankunftszeit, die ich geschrieben hatte, nicht möglich sei. Er hatte recht. Deshalb habe ich ihm vor der Veröffentlichung das Manuskript von ›Chronik eines angekündigten Todes‹ gebracht, und er hat mich auf einen Fehler bei der genauen Bezeichnung eines Jagdgewehres hingewiesen.« Aberglaube »Solange gelbe Blumen dastehen, kann mir nichts Böses widerfahren. Um da ganz sicher zu sein, brauche ich gelbe Blumen (am besten gelbe Rosen), oder ich muß von Frauen umgeben sein.« Ei n s a mk e i t »Ich glaube, das ist ein Problem aller Menschen. Jeder drückt es auf seine Art und mit seinen Mitteln aus. Viele Schriftsteller, einige, ohne es zu merken, bringen in ihrem Werk nichts anderes zum Ausdruck. Ich bin einer davon.« Frauen »In jedem Moment meines Lebens gibt es eine Frau, die mich an der Hand durch die Finsternisse einer Realität führt, die Frauen besser kennen als Männer … ich spüre, daß mir nichts Böses zustoßen kann, wenn ich unter Frauen bin. Sie schaffen bei mir ein Gefühl von Sicherheit, ohne das ich nichts Gutes im Leben hätte vollbringen können. Vor allem, glaube ich, hätte ich nicht schreiben können.« K a r i b ik »Die Karibik hat mich gelehrt, die Realität auf andere Weise zu sehen und die übernatürlichen Elemente als einen Teil unseres täglichen Lebens zu akzeptieren. Die Karibik ist eine Welt für sich. Sie ist nicht nur die Welt, die mich gelehrt hat zu schreiben, sie ist auch die einzige Gegend, in der ich mich nicht als Fremder fühle.« Zitate aus: Plinio Apuleyo Mendoza, Der Geruch der Guayave. Gespräche mit Gabriel García Márquez. Kiepenheuer & Witsch. Köln 1983 16 17 »Ich habe durch Zufall zu schreiben begonnen, vielleicht nur, um einem Freund zu beweisen, daß meine Generation in der Lage ist, Schriftsteller hervorzubringen. Dann bin ich in die Falle gegangen, weiterzuschreiben, weil ich Geschmack daran gefunden hatte, und dann in die andere Falle, daß mir nichts auf der Welt mehr gefallen hat als das Schreiben.« G a b r i e l G a r c í a M á r q u e z Über das Schreiben Gabriel García Márquez im Gespräch mit Plinio Apuleyo Mendoza »Es gibt in meinen Romanen keine Zeile, die nicht auf der Wirklichkeit beruht.« pam (Plinio Apuleyo Mendoza): Um von der handwerklichen Seite zu s prechen: Könntest du mir sagen, wer dir in deiner langen Lehrzeit geholfen hat? ggm (Gabriel García Márquez): In erster Linie meine Großmutter. Sie hat mir völlig ungerührt die ungeheuerlichsten Dinge erzählt, als hätte sie sie eben gelesen. Ich habe inzwischen entdeckt, daß genau diese unbeirrbare Art und der Bilderreichtum ihre Geschichten so glaubhaft machten. Beim Schreiben von Hundert Jahre Einsamkeit habe ich die Methode meiner Großmutter benutzt. pam: Bist du über sie darauf gekommen, Schriftsteller zu werden? ggm: Nein, über Kafka, der auf deutsch in derselben Art erzählt wie meine Großmutter. Als ich Die Verwandlung las, kam ich darauf, Schriftsteller zu werden. Ich sah, daß Gregor Samsa eines Morgens in einen riesigen Käfer verwandelt erwachen konnte, und ich sagte mir: »Ich wußte nicht, daß man das machen kann, aber wenn so etwas möglich ist, dann interessiert mich das Schreiben.« pam: Was ist dir daran so besonders aufgefallen? Die Freiheit, alles zu erfinden, was man will? ggm: Ich begriff plötzlich, daß es in der Literatur noch andere als nur die rationalistischen und sehr akademischen Möglichkeiten gab, die ich bis dahin in den Schulbüchern kennengelernt hatte. Es war, als hätte ich mich von einem Keuschheitsgürtel befreit. Mit der Zeit habe ich jedoch entdeckt, daß man doch nicht alles erfinden oder sich einbilden kann, wozu man gerade Lust hat, sonst läuft man Gefahr zu lügen, und Lügen wiegen in der Literatur schwerer als im wirklichen Leben. Trotz scheinbar größter Willkür gibt es dennoch Gesetze. Man kann das Feigenblatt des Rationalismus zwar ablegen, aber nur, wenn man nicht ins Chaos verfällt, in den vollkommenen Irrationalismus. pam: In die Phantasie. ggm: Ja, in die Phantasie. pam: Warum verachtest du sie? ggm: Weil ich glaube, daß die Einbildungskraft allein ein Werkzeug ist, um die Wirklichkeit herauszuarbeiten. Die Quelle der Kunst ist schließlich und endlich doch immer die Wirklichkeit, und die Phantasie, das heißt die glatte Erfindung à la Walt Disney, ohne jede Anlehnung an die Wirklichkeit, ist das Abscheulichste, was es gibt. Ich weiß noch, einmal wollte ich ein Buch mit Kindergeschichten schreiben und habe dir als Kostprobe Das Meer der verlorenen Zeit geschickt. In der gewohnten Offenheit hast du mir geschrieben, die Geschichte gefiele dir nicht, und gemeint, es läge an deiner Beschränktheit: Mit Phantasie könntest du nichts anfangen. Aber der Einwand war für mich vernichtend, denn auch Kindern gefällt Phantasie nicht. Was ihnen natürlich gefällt, ist Einbildungskraft. Der Unterschied zwischen beiden ist derselbe wie der zwischen einem Menschen und der Puppe eines Bauchredners. pam: Was ist für dich Inspiration? Gibt es so was? ggm: Die Romantiker haben das Wort in Verruf gebracht. Ich verstehe darunter keinen Zustand der Gnade und auch keine göttliche Eingebung, sondern eine Aussöhnung mit dem Thema – durch Beharrlichkeit und Kompetenz. Wenn du etwas schreiben willst, entsteht zwischen dir und dem Thema so etwas wie eine wechselseitige Spannung; du reizt das Thema, und das Thema reizt dich. Es gibt dann einen Augenblick, in dem alle Hindernisse in sich zusammenbrechen, alle Konflikte beiseite treten und einem Dinge widerfahren, von denen man nicht einmal geträumt hätte: Dann gibt es nichts Besseres im Leben als Schreiben. Das würde ich mit Inspiration beschreiben. pam: Passiert es dir manchmal im Verlauf eines Buches, daß du diesen Zustand der Gnade verlierst? ggm: Ja, und dann überlege ich mir alles noch einmal von Anfang an. Das sind die Zeiten, in denen ich mit dem Schraubenzieher alle Schlösser und Stecker im Haus repariere und die Türen grün anstreiche, denn manuelle Arbeit hilft manchmal, die Angst vor der Wirklichkeit zu verlieren. pam: Du hast einmal gesagt, jeder gute Roman sei eine poetische Übertragung der Realität. Könntest du dieses Konzept erklären? ggm: Ja, ich glaube, ein Roman ist eine verschlüsselte Wiedergabe der Realität, eine Art Welt-Rätsel. Die Wirklichkeit in einem Roman ist anders als die Wirklichkeit des Lebens, obwohl sie sich darauf stützt, wie sich die Träume darauf stützen. pam: Die Behandlung der Wirklichkeit in deinen Büchern, besonders in Hundert Jahre Einsamkeit, hat einen Namen bekommen: magischer Realismus. Ich habe den Eindruck, daß deine europäischen Leser die Magie der Dinge, die du erzählst, bemerken, die Wirklichkeit aber, von der sie inspiriert sind, nicht sehen … ggm: Bestimmt, ihr Rationalismus hindert sie nämlich daran, zu sehen, daß die Wirklichkeit sich nicht im Preis von Tomaten und Eiern erschöpft. Der Alltag in Lateinamerika beweist uns, daß die Wirklichkeit voller außergewöhnlicher Dinge steckt. In diesem Zusammenhang pflege ich immer den nordamerikanischen Entdecker F. W. Up de Graff zu zitieren, der am Ende des vorigen Jahrhunderts eine unglaubliche Reise durch die Welt des Amazonas gemacht und dort unter anderem einen Bach mit kochendem Wasser gesehen hat sowie einen Ort, an dem der Klang der menschlichen Stimme wolkenbruchartige Regengüsse entfesselte. In Comodoro Rivadavia, im äußersten Süden von Argentinien, hatten Polarwinde einen ganzen Circus mit sich durch die Luft fortgerissen. Am Tag darauf fingen die Fischer in ihren Netzen tote Löwen und Giraffen. Im Leichenbegängnis der Großen Mama erzähle ich von einer völlig unvorstellbaren, unmöglichen Reise des Papstes in ein kolumbianisches Dorf. Ich weiß noch, ich habe den Präsidenten, der den Papst empfangen hat, als einen untersetzten Mann mit Glatze beschrieben, denn er sollte dem damaligen Präsidenten, der groß und hager war, nicht ähnlich sehen. Elf Jahre nach der Niederschrift dieser Erzählung reiste der Papst nach Kolumbien, und der Präsident, der ihn empfing, war wie in der Erzählung untersetzt und hatte Glatze. Nach der Veröffentlichung von Hundert Jahre Einsamkeit tauchte in Barranquilla ein junger Mann auf, der bekannte, daß er einen Schweineschwanz hätte. Es reicht schon, die Zeitungen aufzuschlagen, um zu merken, daß mitten unter uns jeden Tag außerordentliche Dinge geschehen. Es gibt in meinen Romanen keine Zeile, die nicht auf der Wirklichkeit beruht. pam: Dann hat also alles, was du in deinen Büchern schreibst, einen realen Ausgangspunkt? ggm: Es gibt in meinen Romanen keine Zeile, die nicht auf der Wirklichkeit beruht. pam: Bist du sicher? In Hundert Jahre Einsamkeit passieren ziemlich außergewöhnliche Dinge. Remedios die Schöne steigt zum Himmel auf. Gelbe Schmetterlinge umflattern Mauricio Babilonia … ggm: All das geht von der Wirklichkeit aus. pam: Zum Beispiel … ggm: Zum Beispiel Mauricio Babilonia. Als ich fünf Jahre alt war, kam eines Tages ein Elektriker in unser Haus in Aracataca, um den Zähler auszuwechseln. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen, denn der breite Gurt, mit dem er sich an den Masten festmachte, um nicht herunterzufallen, faszinierte mich. Er kam noch mehrere Male. Dabei sah ich einmal, wie meine Großmutter versuchte, einen Schmetterling mit einem Lappen zu verscheuchen, und hörte sie sagen: »Immer, wenn der Mann ins Haus kommt, ist der gelbe Schmetterling da.« Das war der Keim für Mauricio Babilonia. pam: Und Remedios die Schöne? Wieso bist du darauf gekommen, sie in den Himmel zu schicken? ggm: Anfangs hatte ich vor, sie im Flur des Hauses beim Stricken mit Rebeca und Amaranta verschwinden zu lassen, aber diese fast filmische Lösung kam mir dann unan gebracht vor. Jedenfalls blieb Remedios einfach da, bis mir einfiel, sie mit Leib und Seele zum Himmel auffahren zu lassen. Das wirkliche Ereignis? Eine Frau, deren Enkelin im Morgengrauen entflohen war, hatte, um diese Flucht zu verheimlichen, beschlossen, das Gerücht in Umlauf zu setzen, sie wäre zum Himmel aufgefahren. pam: Du hast irgendwo einmal erzählt, daß es dir nicht leichtgefallen sei, sie fliegen zu lassen. ggm: Nein, sie kam nicht hoch. Ich war verzweifelt, denn es gab keine Möglichkeit, sie aufsteigen zu lassen. Eines Tages kam ich, in Gedanken mit diesem Problem beschäftigt, in den Hof meines Hauses. Es ging ein starker Wind. Eine große und schöne schwarze Frau, die bei uns Wäsche wusch, versuchte, die Laken auf eine Leine zu hängen. Es gelang ihr aber nicht, der Wind trug die Wäsche fort. Da hatte ich eine Erleuchtung. »Das ist es«, dachte ich. Remedios die Schöne brauchte Laken, um in den Himmel aufzufahren. In diesem Fall waren die Laken das von der Wirklichkeit beigesteuerte Element. Als ich an die Schreibmaschine zurückkehrte, stieg Remedios die Schöne auf, stieg und stieg ohne Schwierigkeiten. Und nicht einmal Gott hätte sie aufhalten können. aus: »Der Geruch der Guayave. Gespräche mit Plinio Apuleyo Mendoza« von Gabriel García Márquez Aus dem Spanischen von Tom Koenigs © 1983, 1993 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 20 21 Mitten in Macondo: Die Erzählungen Ei n k a r i b i s c h e r S c h r if t s t e l l e r Gabriel García Márquez selbst hat das Buch, das ihm Weltruhm brachte, nie gemocht. Erstens, weil es ihm Weltruhm brachte, den er als Bedrohung erlebt. Zweitens, weil es nicht sein bestes sei, wie er sagt. Hundert Jahre Einsamkeit, der sensationellste Erfolg, den Lateinamerika je auf dem Buchmarkt zu verzeichnen hatte, wird dennoch von Lesern und Kritikern, Literaturwissenschaftlern und Schriftstellerkollegen geliebt und verehrt. »Die Bibel Lateinamerikas« nannte Carlos Fuentes die Saga, die zu einer Art Nationalepos für den Kontinent wurde. Pablo Neruda bezeichnete sie als das beste Buch seit Cervantes’ Don Quijote. 1967 begründet das Erscheinen von Hundert Jahre Einsamkeit den »Mythos von Macondo«: Das imaginäre Dorf in den kolumbianischen Tropen wird zu einem literarischen Ort, der von nun an für García Márquez und seine Bücher steht. Der wiederum hat schon viele Jahre vor dem Entstehen von Hundert Jahre Einsamkeit versucht, die Welt von Macondo, die Welt seiner Kindheit, mit Worten zu verorten. Sein erster, später aufge gebener Romanversuch La casa ist ein Beispiel dafür, aber auch die Erzählungen. Die Erzählungen: Wieso sollte man sich mit ihnen befassen, wo doch Hundert Jahre Einsamkeit der Dreh- und Angelpunkt im Werk von García Márquez ist? Tatsächlich wird die Einteilung oft gemacht in Erzählungen vor und nach Hundert Jahre Einsamkeit. Und doch sind sie mehr als nur Fingerübungen oder ein Dekor, herumdrapiert um den großen literarischen Wurf, im Gegenteil: Im Gesamtwerk von García Márquez spielen sie eine ganz wesentliche Rolle. Über die literarische Form der Erzählung hat er überhaupt zum Schreiben gefunden und sich dem »Kosmos Macondo« Schritt für Schritt angenähert. In den folgenden Jahren kann García Márquez weitere Erzählungen in »El Espectador« publizieren und schlägt eine weitere Laufbahn ein: die des Journalisten. Erste Stationen sind 1948 die lokale Tageszeitung »El Universal« in Cartagena und 1949 »El Heraldo« in Barranquilla. Die Erfahrungen, die er als Kolumnist und Reporter sammelt, untermauern seine Erzählungen und verändern sein Selbstverständnis als Autor entscheidend. Denn mit seinen journalistischen Anfängen ist García Márquez in die Karibik zurückgekehrt. In Bogotá, in Kolumbiens unzugänglicherem Teil, hatte er als Internatsschüler Literatur als etwas erlebt, das mit dem Leben und der Realität des Landes wenig zu tun hatte. Entsprechend abstrakt und intellektuell sind seine frühen Erzählungen. In Cartagena und Barranquilla dagegen trifft er auf die karibische Kultur seiner Kindheit, die ihm entspricht und die keine Trennung von Literatur und Wirklichkeit kennt. Jetzt hat García Márquez sein großes Thema gefunden: Kolumbien als Teil Lateinamerikas, als Kontinent unter dem fremden Einfluß vor allem der usa. In seinen Erzählungen und allen folgenden Büchern schreibt er über drei Epochen in der Geschichte Kolumbiens, die er mit- und untereinander verwebt: die Ära der Bürgerkriege, des Bananenfiebers und der »violencia«. Die wichtigste Erfahrung seiner Schriftstellerkarriere, wie García Márquez selbst sagt, ist eine Reise an seinen Geburtsort Aracataca: Aus ihr sei sein erster Roman hervorgegangen – und wohl auch alle folgenden. Anfang der 1950er Jahre begleitet er seine Mutter dorthin, um das Haus seiner Kindheit zu verkaufen. Hier wird ihm schlagartig klar, daß sein literarischer Kosmos die Welt von Macondo ist: »Es war, als ob alles, was ich sah, geschrieben stünde, und ich nichts anderes tun müßte, als mich hinzusetzen und alles, was ich dort las, aufzuschreiben.« García Márquez’ erste Erzählung über Macondo, Isabels Monolog beim Betrachten des Regens in Macondo (1955), ist insgesamt seine elfte. Zum literarischen Wendepunkt wird Das Leichenbegängnis der Großen Mama (1962). In dieser Geschichte, die als Vorläufer zu Hundert Jahre Einsamkeit gilt, schlägt García Márquez einen neuen Tonfall an, pathetisch ironisierend und voller Mythen, Magie und Unmäßigkeit. Hier tritt erstmals ein politisierender, engagierter, ja wütender García Márquez auf. Macondo wird zum utopischen Ort, in dem sich Geschichte und Politik Kolumbiens spiegeln und die Einsamkeit Lateinamerikas: Sie ist ein historisches, strukturelles Problem, eine Folge der Kolonialisierung. Das Leichenbegängnis der Großen Mama ist ein Quantensprung auf dem Weg zu dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit. Geburt eines Autors Literatur fasziniert García Márquez früh. Er ist ein verschlossener Junge, die Lektüre ein Fluchtort. Den ersten Versuch, eine eigene Erzählung zu schreiben, macht er 1944 als Internatsschüler des »Liceo Nacional« von Zipaquirá, unweit von Bogotá. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich in den Kopf gesetzt, Poet zu werden, und versucht sich an Gedichten. Als Calderón Hermida, sein Lehrer für Spanisch und Literatur, Gabriels erzählerisches Talent erkennt, ermutigt er ihn, es mit Prosa zu versuchen – erfolglos. Calderón Hermida greift zu einem Trick: Er läßt den in dieser Zeit offenbar recht undisziplinierten Jungen Erzählungen schreiben, als Strafarbeit. Sicosis obsesiva (Zwangspsychose), García Márquez’ erste Erzählung, entsteht so quasi über Nacht. Sie handelt von einem Mädchen, das sich in einen Schmetterling verwandelt. Der Lehrer, höchst angetan von diesem Debüt, reicht es an den Schulverwalter weiter. Den erinnert die Erzählung an Kafkas »Verwandlung« – die Ähnlichkeit muß auffallend gewesen sein. Kafka ist im zeitgenössischen Kolumbien noch kaum bekannt, die Klasse wagt sich an Auszüge der »Verwandlung«. García Márquez selbst liest den Text erst einige Jahre später in ganzer Länge, als er Jura studiert. Er ist so beeindruckt, daß er sofort beschließt, ein großer Erzähler zu werden. »So also war sein Schicksal besiegelt«, resümiert der Biograph Dasso Saldívar. »Von jetzt an und für alle Zeit würde Gabriel García Márquez ein Geschichtenschmied und Erzähler sein, wie es auch Scheherazade, Franz Kafka und Tranquilina Iguarán Cotes gewesen waren.« Während García Márquez umgehend nach der Kafka-Lektüre eine neue Erzählung beginnt, stößt er in der Zeitung »El Espectador« auf einen Aufruf: Der Schriftsteller Eduardo Zalamea Bordas sucht Beiträge junger, unbekannter kolumbianischer Autoren. García Márquez beendet die Geschichte Die dritte Entsagung an einem Wochenende und sendet sie ein. Zwei Wochen später wird sie in der Literaturbeilage von »El Espectador« gedruckt. Zalamea Borda kommentiert: »Mit Gabriel García Márquez ist ein neuer, bemerkenswerter Autor aufgetreten.« »El Espectador« bringt zwei weitere Erzählungen, Eva ist in ihrer Katze und TubalCaín schmiedet einen Stern: García Márquez, knapp zwanzigjährig, hat innerhalb von nur vier Monaten drei Prosatexte in der überregionalen Presse veröffentlicht und wird als literarische Entdeckung gefeiert. »Das ist der Moment, in dem wir die Träume mitträumen, in dem wir Wirkliches und Unwirkliches, Glaubhaftes und Unglaubhaftes nicht mehr zu unterscheiden vermögen, sie nicht länger unterscheiden wollen, sondern nach immer neuen wilden Mären verlangen.« W a l t e r B o e hl i ch in »du« 22 V o r u n d n a c h » H u n d e r t J a h r e Ei n s a mk e i t « Und so schreiben die Erzählungen, die diese Hörbuchedition enthält, den Mythos von Macondo vor und fort. Thematisch sind alle Texte miteinander verwoben, es ist eine phantastische Welt von Gewalt, Tod und Einsamkeit, in der einzelne Figuren hier als Hauptperson fungieren, um dort am Rande wieder aufzutauchen. Die ersten neun Erzählungen, von An einem dieser Tage bis Das Meer der verlorenen Zeit, sind vor Hundert Jahre Einsamkeit entstanden. In ihnen tauchen verstärkt Figuren auf, wie die Mitglieder der Familie Buendía, die dem Leser auch im Roman begegnen. Die weiteren sechs Erzählungen, von Blacamán der Gute, Wunderverkäufer bis zu Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter sind nach Hundert Jahre Einsamkeit entstanden. Hier treten neue, bislang unbekannte Charaktere auf, wie der gefallene Engel, Blacamán der Wunderverkäufer, die Große Mama und Eréndiras böse Großmutter mit dem grünen Blut. Die Erzählungen von García Márquez: Sie können durchaus allein stehen und als solche gelesen werden, literarisch wie thematisch, aber eben auch in Kombination mit Hundert Jahre Einsamkeit. Ohnehin: Will man García Márquez im Ansatz verstehen, gilt, was er einmal gesagt hat: Daß jeder Autor nur einen einzigen Roman in seinem Leben schreibe. Seiner sei der von der Einsamkeit. Die Einsamkeit seines Kontinents, über die er in seiner Literaturpreisrede 1982 auf beeindruckende Weise gesprochen hat, die Einsamkeit des einzelnen, auch des Schriftstellers – García Márquez’ Erzählungen sind eine kunst- und facettenreiche Variation all dessen. »Bei literarischer Arbeit ist man immer allein; wie ein Schiffbrüchiger mitten im Meer. Ja, es ist der einsamste Beruf auf der Welt.« G a b r i e l G a r c í a 23 Márquez Von und über Gabriel García Márquez García Márquez auf Deutsch Das Werk von ggm in deutscher Übersetzung erscheint bei Kiepenheuer & Witsch, Köln. Ersterscheinungsdaten seiner Bücher in spanischer Sprache stehen in Klammern. Erzählungen Das Leichenbegängnis der Großen Mama und andere Erzählungen, 1970 (1962) Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter. Sieben Erzählungen, 1986 (1972) Augen eines blauen Hundes. Frühe Erzählungen, 1982; zuerst erschienen unter dem Titel Die Nacht der Rohrdommeln, 1980 (1974) Zwölf Geschichten aus der Fremde, 1993 (1992) Romane Laubsturm. 1975 (1955) Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt, 1976; Neuübersetzung 1983 (1961) Die böse Stunde, 1979 (1962) Hundert Jahre Einsamkeit, 1970 (1967) Der Herbst des Patriarchen, 1978 (1975) Chronik eines angekündigten Todes, 1983 (1981) Die Liebe in den Zeiten der Cholera, 1986 (1985) Der General in seinem Labyrinth, 1989 (1989) Von der Liebe und anderen Dämonen, 1994 (1994) Erinnerung an meine traurigen Huren, 2004 (2004) H ö r s pi e l e nach Romanen und Erzählungen von García Márquez im deutschsprachigen Rundfunk Chronik eines angekündigten Todes Produktion: wdr/hr 1985 Länge: 46 Minuten Bearbeitung und Regie: Walter Adler Mit Wolf-Dietrich Sprenger, Ernst Jacobi, Ulrich Beseler u. v. a. Die Frau, die um sechs kam Produktion: wdr 1983 Länge: 19 Minuten Regie: Klaus Mehrländer Journalistische Arbeiten Bericht eines Schiffbrüchigen, 1982 (1970) Das Abenteuer des Miguel Littín – Illegal in Chile, 1987 (1986) Die Giraffe aus Barranquilla – Journalistische Arbeiten 1948 – 1952, Ausgewählt von Ricardo Bada und José Moral, 1984 Der Beobachter aus Bogotá – Journalistische Arbeiten 1954 – 1955, Ausgewählt von Ricardo Bada und José Moral, 1985 Zwischen Karibik und Moskau – Journalistische Arbeiten 1955 – 1959, Hrsg. von Ricardo Bada, 1986 Nachricht von einer Entführung, 1996 (1996) Frei sein und unabhängig. Journalistische Arbeiten 1974 – 1995, 2000 Das Leichenbegängnis der Großen Mama Produktion: wdr 1975 Länge: 28 Minuten Regie: Heinz von Cramer Bearbeitung: Heinz von Cramer Macondo Produktion: wdr/rias 1975 Länge: 104 Minuten Bearbeitung und Regie: Heinz von Cramer Mit Horst Michael Neutze, Ernst Jacobi, Günther Böhnert, Wiltrud Fischer u. v. a. Autobiographisch Leben, um davon zu erzählen, 2002 (2002) Zeit zu sterben Produktion: ddr 1975 Länge: 46 Minuten Regie: Wolfgang Schonendorf Bearbeitung: Ulrich Kunzmann Komposition: Reiner Bredemeyer Mit Kurt Böwe, Gerd Ehlers, Ruth Glöss u. v. a. Über García Márquez Gabriel García Márquez von Dagmar Ploetz. Rororo Monographie. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg, 1992 Der Geruch der Guayave. Gespräche mit Gabriel García Márquez von Plinio Apuleyo Mendoza. Kiepenheuer & Witsch Köln, 1983/ Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/Main, 2004 G a r c í a M á r q u e z im I n t e r n e t http://www.garcia-marquez.de http://nobelprize.org/literature/laureates/1982/index.html (in englischer Sprache) http://www.libyrinth.com/gabo/(in englischer Sprache) http://www.themodernword.com/gabo http://www.cvc.cervantes.es/actcult/garcia_marquez http://www.fnpi.org/splash.asp (Zur Journalistenschule, die Márquez gegründet hat) http://www.mundolatino.org/cultura/garciamarquez http://www.lyrikwelt.de Reise zum Ursprung. Eine Biographie über Gabriel García Márquez von Dasso Saldívar. Kiepenheuer & Witsch Köln, 1998 Gabriel García Márquez. Die Magie der Wirklichkeit von Harald Irnbeger. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/Maink 2005 Gabriel García Márquez – Ein Kontinent bricht auf du – Die Zeitschrift der Kultur. Zürich. Heft Nr. 9, September 1988 24 25 D e r Sp r e c h e r : J a n J o s e f Li e f e r s Geboren 1964 in Dresden. Bis 1987 Schauspielstudium an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin. Es folgen Engagements am Deutschen Theater Berlin und am Thalia-Theater Hamburg. 1989 erste Kinohauptrolle in Die Besteigung des Chimborazo. Große Leinwanderfolge als Charakterdarsteller in Filmen wie Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief und Knocking on Heaven’s Door, mit denen er sich 1997 als »eine der großen Schauspielhoffnungen der 90er Jahre« (film-dienst) etablierte und den Bayerischen Filmpreis für Nachwuchsschauspieler erhielt. Fernsehrollen u. a. in Das Wunder von Lengede (2003), Die Nachrichten (2004) und in dem »Tatort« Das ewig Böse (2005). Regiedebüt mit Jack’s Baby, der 2000 mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Jan Josef Liefers ist Sprecher in den dav-Hörbüchern Die Nachrichten von Alexander Osang, Nacht des Orakels von Paul Auster, Schlachthof 5 von Kurt Vonnegut und Mama, du bist die Allerbeste!. Alexander Osang Paul Auster Die Nachrichten Nacht des Orakels 6 CDs 5 CDs Laufzeit 389 min. 65 Tracks. Laufzeit 362 min. 43 Tracks. STEREO. STEREO. ISBN 3-89813-130-0 ISBN 3-89813-298-6 Kurt Vonnegut Mama, du bist die Allerbeste! Schlachthof 5 4 CDs 1 CD Laufzeit 312 min. 36 Tracks. Laufzeit 51 min. 19 Tracks. STEREO. STEREO. ISBN 3-89813-397-4 ISBN 3-89813-508-X D e r R e gi s s e u r : Ralf Becher Geboren 1948. War von 1978 bis 1984 als Regieassistent der Feature- und Hörspielabteilung des sfb u. a. bei den Regisseuren Klaus Lindemann und Heinz von Cramer tätig. Seit 1985 arbeitet er dort als Regisseur und produzierte u. a. Jahrestage von Uwe Johnson, Hermann Hesses Siddhartha sowie Das sterbende Tier von Philip Roth. Für den dav produzierte Ralf Becher bereits Dektivgeschichte von Imre Kertész, Schlachthof 5 von Kurt Vonnegut, Nacht des Orakels von Paul Auster und Place de la Bastille von Leon de Winter. 26 Jan Josef Liefers I mp r e s s u m »Über allen Werken von Gabriel García Márquez liegt ein poetischer Zauber.« B u ch v o r l a g e Süddeutsche Zeitung Titel der Originalausgabe: Titel der Originalausgabe: »Los Funerales de la Mamá Grande« »La Increíble y Triste Historia De La Cándida Eréndira © 1974 by Gabriel García Márquez y De Su Abuela Desalmada« p Gabriel García Márquez for the Recording © 1981 by Gabriel García Márquez »Das Leichenbegängnis der großen Mama und andere p Gabriel García Márquez for the Recording Erzählungen« von Gabriel García Márquez »Die unglaubliche und traurige Geschichte von der Aus dem Spanischen von Curt Meyer-Clason einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter« © 1974, 1987, 1990, 1998 von Gabriel García Márquez by Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln Aus dem Spanischen von Curt Meyer-Clason © 1986, 1990 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln Weitere Titel von Gabriel García Márquez bei uns im Programm: Der Erwerb dieser Aufnahme berechtigt nur zur nicht öffentlichen und nicht gewerblichen Wiedergabe. Alle Autorenrechte, insbesondere das Recht der Rundfunksendung und der öffentlichen Aufführung liegen beim Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln. Nachweis Zitat Seite 32: aus: »Leben, um davon zu erzählen« von Gabriel García Márquez. Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. © 2002, 2004 by Verlag Kiepenheuer & Witsch Vier Bände im Schmuckschuber € (D) 45,– / € (A) 46,30 / sFr 78,– Jeder Band auch einzeln erhältlich R e g i e Ralf Becher G a b r i e l G a r c í a M á r q u e z T o n u n d Sch n i t t Monika Steffens Erinnerungen an meine traurigen Huren R e d a k t i o n Claus Ulrich Bielefeld Mit Hanns Zischler 3 CDs mit Booklet K o mp o s i t i o n D AV - J i n gl e ISBN 3-89813-560-8 Wolfgang Dauner, Gesamtlänge: 15 sec Sollten trotz sorgfältiger Nachforschungen einzelne B o o k l e t - T e x t Katja Ernst Rechteinhaber nicht ermittelt worden sein, B o o k l e t - R e d a k t i o n Britta Brugger bitten wir diese, sich ggf. an den Verlag zu wenden. G e s t a l t u n g www.doppelpunkt.com T i t e l f o t o © mauritius images/Norbert Fischer Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte F o t o a u f R ü c k s e i t e © ThomasRusch.com vorbehalten. Kein Verleih! Keine unerlaubte Verviel- Bookletfotos fältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung! S. 1, S. 4, S. 13 © Ulf Andersen/Gamma/StudioX, S. 2, S. 7, S. 18/19 © Marie-Laure De Decker/ Gamma/StudioX S. 8 © Jacques Torregano/Opale/StudioX, Vier Erfolgsromane in besonderer Ausstattung im Schmuckschuber: Hundert Jahre Einsamkeit Die Liebe in den Zeiten der Cholera Von der Liebe und anderen Dämonen Chronik eines angekündigten Todes »Ohne die reichen Bücher von Gabriel García Márquez wäre unsere Welt entschieden ärmer.« S. 9 © Pavlo Ibarra/Gamma/StudioX, S. 10 © Caleb Bach/Polaris/Studio X S. 11 © Charlon Bernard/Gamma/StudioX, Frankfurter Allgemeine Zeitung S. 25 © Daniel Mordzinski/Opale/StudioX S. 27 © ThomasRusch.com 28 www.kiwi-koeln.de CD IN ORIGINALZIGARRENKISTE Feature.1 CD. 64 min. 978-3-89813-526-9 € 14,99 unverb. Preisempf. Lesung mit Hanns Zischler 3 CDs. 320 min. 978-3-89813-560-3 € 22,99 unverb. Preisempf. Das kann sich hören lassen! %BT8FSLWPO(BCSJFM(BSDrB.gSRVF[ JN'JTDIFS5BTDIFOCVDI7FSMBH %BT"CFOUFVFSEFT.JHVFM-JUUrO *MMFHBMJO$IJMF "VHFOFJOFTCMBVFO)VOEFT 'SIF&S[jIMVOHFO #FSJDIUFJOFT4DIJGGCSDIJHFO %JFCzTF4UVOEF 3PNBO $ISPOJLFJOFTBOHFLOEJHUFO5PEFT 3PNBO Lesung mit Hans Peter Hallwachs 4 CDs. 310 min. 978-3-89813-550-4 € 24,99 unverb. Preisempf. »Perfekte Mischung aus Altersweisheit und JungsCharme.« Brigitte &SJOOFSVOHBONFJOFUSBVSJHFO )VSFO 3PNBO BC%F[FNCFSFSIjMUMJDI %BT-FJDIFOCFHjOHOJTEFS (SPFO.BNB &S[jIMVOHFO %JF-JFCFJO;FJUFOEFS$IPMFSB 3PNBO %FS0CFSTUIBUOJFNBOEEFS JINTDISFJCU 3PNBO %JFVOHMBVCMJDIFVOEUSBVSJHF(F TDIJDIUFWPOEFSFJOGjMUJHFO&SnOEJ SBVOEJISFSIFS[MPTFO(SPNVUUFS &S[jIMVOHFO %FS(FOFSBMJOTFJOFN-BCZSJOUI 3PNBO 7POEFS-JFCFVOEBOEFSFO %jNPOFO 3PNBO %FS)FSCTUEFT1BUSJBSDIFO 3PNBO ;XzMG(FTDIJDIUFOBVTEFS'SFNEF &S[jIMVOHFO )VOEFSU+BISF&JOTBNLFJU 3PNBO -BVCTUVSN 3PNBO Mehr Infos unter www.der-audio-verlag.de -FCFOVNEBWPO[VFS[jIMFO »Ich erinnerte mich so daran, wie es gewesen war: ein ort, in dem es sich gut leben ließ, wo jeder jeden kannte, am ufer eines Flusses mit kristallklarem Wasser, das dahinschoß durch ein bett mit polierten steinen, weiß und riesig wie prähistorische eier. Gegen abend, besonders im Dezember, wenn der regen vorüber war und die luft sich in Diamant verwandelte, schien die sierra nevada de santa Marta mit ihren weißen bergspitzen bis an die bananenplantagen am anderen ufer heranzurücken. Von hier aus konnte man die arhuacoIndios wie ameisen in reihen über die bergpfade der sierra eilen sehen, sie hatten Ingwersäcke auf dem buckel und kauten cocakugeln, um das leben abzulenken. Wir Kinder träumten damals davon, aus dem ewigen Weiß schneebälle zu formen und damit in den glutheißen straßen schlachten auszutragen. Die hitze war so unglaublich, vor allem in der siestazeit, daß die erwachsenen darüber klagten, als handele es sich um eine täglich neue Überraschung.« GabrieL GarCía Márquez Leben, um davon zu erzählen