Millionenschäden durch Tief „Quintia“
Transcription
Millionenschäden durch Tief „Quintia“
Versicherungen & Finanzen vom 19.8.2014 Millionenschäden durch Tief „Quintia“ Ende Juli fegte wieder eine regen- und hagelreiche Unwetterlage über Deutschland. Besonders betroffen waren Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Die LVM und die Westfälische Provinzial müssen als Folge Schäden in bis zu achtstelliger Höhe regulieren. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass es künftig noch deutlich mehr Unwetter dieser Art geben wird. Doch viele Deutsche sind dagegen nicht ausreichend versichert. In vielen Regionen Deutschlands gilt der Sommer 2014 schon jetzt als einer der niederschlagsreichsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits Pfingsten hatte Unwetter „Ela“ die Assekuranz über eine halbe Milliarde Euro gekostet. Zuletzt brachte Tief „Quintia“, das zur Großwetterlage „Mitteleuropa“ gehörte, heftige Sommergewitter und Unwetter mit schweren Schäden in weite Teile Nordrhein-Westfalens mit Schwerpunkt Niederrhein und Münsterland. Bis zu 100 Liter Regen fielen teilweise pro Quadratmeter. Noch verbreiteter waren die Unwetter nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Baden Württemberg, dort vor allem in der Region Stuttgart und an den Hängen von Schwäbischer Alb und Schwarzwald. Auch „Quintia“ hat Schäden in Millionenhöhe verursacht, melden die Versicherer. Die Westfälische Provinzial Versicherung AG rechnet aktuell mit wenigstens 14.000 Schäden in Höhe von mindestens 67 Millionen Euro. Betroffen seien vor allem die Hausrat- und Wohngebäudeversicherung. „Neben dem Verlust vieler persönlicher Gegenstände sind durch die Wassermassen häufig auch Heizkessel, Elektroinstallationen und Hauswände beschädigt worden“, teilte der Versicherer mit. Schäden in Millionenhöhe Das Unternehmen erwartet auch etwa 300 Schäden an Fahrzeugen, die über die Kaskoversicherung reguliert werden. „Ein vergleichbarer Aufwand ist der Provinzial im vergangenen Jahr durch die beiden Sturmtiefs Manni und Andreas entstanden.“ Auch die LVM-Versicherung vermeldet rund 5.000 Schäden und Kosten von mehr als 15 Millionen Euro. „Regional konzentrieren sich die Schäden vor allem auf das Münsterland, größtenteils sind Elementarschäden im Wohngebäude- und Hausratbereich gemeldet worden“, erklärte das Unternehmen. Besonders stark habe es die Städte Münster und Greven getroffen. „In Münster haben rund 1.400 LVM-Versicherte ihre Sachversicherung beansprucht und erhalten im Schnitt 5.350 Euro. Dies bedeutet einen Gesamtaufwand von circa 7,5 Millionen Euro für die LVM Versicherung.“ Die 256 betroffenen Kunden aus Greven bekämen durchschnittlich 3.870 Euro, hier betrage der Gesamtaufwand 991.340 Euro. Das Unternehmen erwartet noch Nachmeldungen von rund 700 Schäden. „Diese eingerechnet weist die Quintia-Bilanz über 4.500 Sachschäden bundesweit mit einer Schadenshöhe von 13,5 Millionen Euro aus.“ Unwetter treten immer häufiger auf Solche Extremwetterereignisse werden nach Experten zunehmen. „Bei Großwetterlagen wie Tief Mitteleuropa muss man in Deutschland im Hochsommer mit einem Unwetterereignis wie am 28. Juli 2014 an einem oder mehreren Orten grundsätzlich rechnen“, erklärte der Deutsche Wetterdienst. Untersuchungen zeigten, dass solche Wetterlagen zum Ende dieses Jahrhunderts fast doppelt so häufig auftreten werden wie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Das bestätigen auch Auswertungen der Deutschen Rückversicherung AG. Sie haben gezeigt, dass in den letzten Jahren das Risiko hagelintensiver Unwetter in Deutschland deutlich gestiegen ist. „So ging beispielsweise im Jahr 2013 der extreme Hagelschlag des Tiefs ‚Andreas‘ mit einer Schadenhöhe allein in der Sachversicherung von 1,9 Milliarden Euro in die Geschichtsbücher ein – als eines der schadenträchtigsten Sommerunwetter der letzten Jahrzehnte“, berichtet das Unternehmen. Die Deutsche Rück hat Schadendaten für 100 Sommerunwetter-Tage aus der Sach- und Kaskoversicherung von 1998 bis 2013 ausgewertet. Über 90 Prozent der Hagelunwetter Deutschlands traten demnach in Verbindung mit einer feuchten Südwestwetterlage auf. „Es zeigte sich zudem, dass sich hagelintensive Unwetter verstärkt an Tagen ereigneten, an denen in Deutschland Temperaturen deutlich über 30 Grad Celsius herrschten.“ 2013 erreicht die Spitzenposition (Bild: Deutsche Rück) Die feuchten Südwestwetterlagen treten deutlich häufiger auf als früher. „Etwa seit der Jahrtausendwende haben diese Wetterlagen im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren um rund 20 Prozent zugenommen“, erläutert der Meteorologe Dr. Matthias Klawa von dem Düsseldorfer Rückversicherer. Der Sommer 2013 habe sich eigentlich nicht durch eine besonders hohe Anzahl feuchter Südwestwetterlagen ausgezeichnet. „Ein ganz anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn die DeutscheRück-Wetterexperten als zusätzliches Kriterium eine Temperatur von 20 Grad Celsius in einer Höhe von etwa 1.500 Metern über Normalnull heranziehen“, sagt der Wissenschaftler. „In der Wettervorhersage gelten Temperaturen von 20 Grad Celsius in dieser Höhe als Indikator dafür, dass Bodentemperaturen von über 35 Grad Celsius möglich sind“, erklärt Klawa. „Das Gewitterrisiko ist dann bei entsprechender Wetterlage besonders hoch.“ Kombiniere man beide Kriterien – feuchte Südwestwetterlage und hohe Temperaturen – erreiche das Jahr 2013 laut der Sturmdoku der Deutschen Rück die Spitzenposition seit 1980. Seit dem Jahr 2000 habe die Häufigkeit feuchter und gleichzeitig besonders heißer Südwestwetterlagen gegenüber früheren Jahrzehnten merklich zugenommen, und damit auch das Risiko extremer Hagelunwetter. Zahlreiche amtliche Unwetterwarnungen In der Folge musste der DWD im meteorologischen Sommer 2014, der von Juni bis August reicht, an bisher 36 von 66 Kalendertagen amtliche Unwetterwarnungen herausgeben. „Immer wieder wurde auch die höchste Stufe der ‚extremen Unwetterwarnung‘ ausgerufen“, erklärte der meteorologische Dienst. Obwohl die Anzahl solcher Wetterlagen von Jahr zu Jahr sehr stark schwanke, steige sie langfristig gesehen an. Nach einer vom DWD durchgeführten Studie gab es um 1950 im Schnitt acht bis zehn solcher Wetterlagen pro Jahr, in heutiger Zeit dagegen schon meist zwischen neun und fünfzehn. Das entspricht einem Anstieg von etwa 20 Prozent. „Bis zum Jahr 2100 wird mit einem weiteren Anstieg auf eine Spanne zwischen 10 und 17 gerechnet. Die Szenarien deuten also an, dass wir künftig öfter mit solchen extremen Wetterlagen rechnen müssen“, erklärt der Wetterdienst weiter. Viele Haushalte ohne Elementarschaden-Deckung „Unwetter wie Quintia belegen erneut die Wichtigkeit einer Elementarschaden-Versicherung. Auch in vermeintlich ‚ruhigen‘ Gegenden, fernab von Bächen und Flüssen, kann es bei Starkregen zu Schadenereignissen kommen, die ganze Existenzen bedrohen“, erklärte Heinz Gressel, LVMAbteilungsleiter Sachversicherung. Ähnliches hatte auch die SV Sparkassenversicherung nach dem Juni-Hochwasser im vergangenen Jahr gemeldet. Bundesweit liege die Einschlussquote für Elementarschaden-Versicherungen der LVM-Kunden bei nur 26 Prozent in der Wohngebäude- und bei 19 Prozent in der Hausratversicherung und damit zu niedrig. Allerdings, so berichtet die Münstersche Zeitung, liegen ein Prozent der Haushalte in Münster in der Hochrisikozone und seien damit unter Umständen gar nicht versicherbar. „Dort prüft die LVM in jedem Einzelfall, ob und zu welchen Konditionen eine Elementarversicherung abgeschlossen werden kann.“ In Münster seien rund 42 Prozent der Haushalte gegen Elementarschäden versichert. Damit liegt die Stadt in Westfalen über dem Bundesdurchschnitt und über dem Schnitt von NordrheinWestfalen von 32 beziehungsweise 31 Prozent, wie die aktuellsten verfügbaren GDV-Zahlen zeigen. Am höchsten ist die Durchdringung von Elementarschaden-Deckungen in Baden-Württemberg, am niedrigsten in Bremen. Barbara Kriesten