selbst bewusst sein

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selbst bewusst sein
OKTOBER 2015
ICON
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Oktober 2015
SELBST
BEWUSST
SEIN
ARMANI.COM/ATRIBUTE
DER CHANEL MOMENT
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CHANEL-Kundenservice - Tel. 01801-24 26 35 (3,9 Ct/Min. aus dem Festnetz, max. 42 Ct/Min. aus Mobilfunknetzen).
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Selbst und
bewusst sein
D
DAL CALENDARIO PIRELLI, 2005 DI RICHARD AVEDON 11
ie Chance, dass einem so ein Model
beim Spaziergang durchs Herbstlaub
begegnet, ist wohl eher gering. Der
Fotograf Richard Avedon hat die Szene
für den Pirelli-Kalender 1995 inszeniert. Das Bild
stammt aus dem Best-of-Band „50 Jahre und mehr“,
den Taschen kürzlich verlegt hat. Wir haben es ausgewählt, klar, wegen der Laub-Assoziation, aber vor
allem, weil Christy Turlington ein Typ ist. Denn das
ist doch eine der großen Herausforderungen heute.
Eine (elegante) Marke zu sein, eine Identität zu haben, eine Basis, auf der alles andere wächst. Das gilt
für Labels wie für Leute. Oder um es mit Tomas
Maier von Bottega Veneta zu sagen: „Es geht um
mehr als das übliche Branding. Es geht eher um
Sensibilität und Empfinden, eine Würdigung von
Individualismus.“ Und so finden Sie in dieser Ausgabe auch eine Geschichte über die Anfänge von Jil
Sander, die wie keine das deutsche Stil-Empfinden
geprägt hat, oder auch eine Modestrecke mit den so
berühmten wie zugleich bodenständigen Schauspielern Alexandra Maria Lara und Sam Riley. Modisch haben wir Kurs auf die Cruise-Kollektionen
genommen, einst als Reisekleidung für die „Happy
Few“ erfunden, inzwischen die umsatzstärksten
Teile der großen Häuser.
Schon weil uns die UrIdee daran so gut gefällt.
Weniger vielleicht den
„Few“-Aspekt, aber die
Unbeschwertheit, das
Träumen, brauchen wir
unbedingt. Also, gehen
Sie nicht durchs Laub.
Springen Sie doch
einfach hinein.
JIL SANDER & PETER LINDBERGH „Strand geht immer“. So ein typischer Satz von Peter Lindbergh. Er bezog das auf die Kulisse
für Fotoaufnahmen. Auch für Jil Sander, die Norddeutsche, geht Strand immer, vor allem als
Ort der Erholung, der Besinnung, der reinen Freude. Beide verbindet seit Jahrzehnten eine enge Freundschaft. Unabhängig davon, dass sie sich nur
noch selten begegnen. „Wir knüpfen immer da an, wo wir aufgehört haben“, sagte Peter Lindbergh nur, und lachte sein warmes Lachen, als die Designerin ihn kürzlich anrief. Schon früh haben sie auch zusammen gearbeitet, und als die Kampagne mit Linda Evangelista für die Herbst-Winter
Kollektion 1993 am Strand von Arles in der Camargue entstand, bat Lindbergh auch Freundin Jil vor die Kamera. Ein rarer Moment. Wir danken
sehr, dass wir die Bilder abdrucken dürfen. Ab Seite 76
COVER: CHRISTIAN ANWANDER; DIESE SEITE: MARIO TESTINO; PETER LINDBERGH, OLIVER MARK
INGEBORG HARMS Wie nähert man sich Jil Sander? Am besten über Arbeit und Ethos. In ihnen spiegelt sich die Seele der Designerin.
So gesehen hat Ingeborg Harms einen ungewöhnlich direkten Zugang zu einer sonst eher als verschlossen geltenden
Frau. Seit 2009, als Frau Sander ihre Kooperation mit dem japanischen Modekonzern Uniqlo verwirklichte, stand Ingeborg Harms ihr immer wieder
beratend zur Seite. Die Autorin und Professorin für Designtheorie an der UdK Berlin attestiert ihr absolute Integrität und eine charmante Kompromisslosigkeit bei ihrer Arbeit: „Sie würde nie mit dem Fuß auftreten, um ihre Linie zu bestimmen. Sie bleibt immer freundlich und leise, aber sie weiß
genau, was sie will, und setzt es auch durch.“ Mit dieser Strategie ist Jil Sander weit gekommen. Die Autorin erzählt in dieser Ausgabe vom Aufstieg
der Designerin aus Hamburg, die sie bis heute als „durch und durch Avantgarde“ beschreibt. Ab Seite 76
Die Berge von Österreich bieten schon viel. Die Wolkenkratzer von New York aber noch viel mehr, fand
auch unser Fotograf Christian Anwander. Seit rund zehn Jahren lebt und arbeitet der gebürtige Bregenzer
nun in Brooklyn im Stadtteil Williamsburg. Dort schätze er besonders das internationale Klima und die Weltoffenheit, mit der Neuankömmlinge
empfangen würden. Beruflich musste er sich am Anfang dennoch durchboxen. Es hat sich gelohnt. Heute hat sich der 31-Jährige einen Namen als
Modefotograf gemacht, dazu inszeniert er Stars wie die Rennfahrer Lewis Hamilton und Jenson Button. Die Heimat hat Anwander aber nie ganz
aus den Augen verloren. Er bringt sie sich bei seinen regelmäßigen Besuchen mit, in kleinen Brocken in Form von Käse. Für unser Shooting ist er gen
Westen gereist, ins kalifornische Palm Springs, um dort die Cruise Collection von Louis Vuitton ins rechte Wüstenlicht zu setzen. Mehr ab Seite 54
Auf dem Cover: Model Egle trägt ein Kleid von Louis Vuitton
CHRISTIAN ANWANDER
IMPRESSUM ICON
Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger; Nicola Erdmann, Julia Hackober (Icon.de)
Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Fashion Editor in New York: Nadia Rath. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke
Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver, Rebecca Bülow Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Katja Schroedter Fotoredaktion: Julia Sörgel; Elias Gröb
Bildbearbeitung:Thomas Gröschke, Tom Uecker, Kerstin Schmidt
Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stefan Mölling; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 15. November 2015. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
15
ICON
OKTOBER 2015
AUSGEWÄHLT
NE UE JAHRESZEI T,
NE UE S GLÜCK
Unsere Stil-Experten freuen sich auf neue
Kollektionen, Kunst und Kulinarik
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FALLING F OR FALL
Icona und Iken lieben den Herbst –
und sich natürlich auch
34
COCO CON F IDEN TI AL
Die Attribute „privat“ und „ausgestellt“
scheinen sich zu widersprechen. Nicht
jedoch in der Ausstellung „Mademoiselle
Privé“ – Inga Griese hat geluschert
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GLÄNZ EN DE REI S EBEGLEI TER
Dieser Schmuck braucht Licht, Luft und
Leidenschaft – Juwelen für die Kreuzfahrt
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Vor 83 Jahren konzipierte
Coco Chanel eine Ausstellung
für ihre erste und einzige
High-Jewellery-Kollektion in
London. Nun findet sie statt.
Mehr zu „Mademoiselle Privé“
auf Seite 34
48
E IN HE RBS T WIRD KOMM EN
Und hoffentlich auch ein Schiff. Für alle
Fälle sollten Sie sich die Cruise Collections
von Gucci, Chanel und Dior ansehen
54
KING VUI TTON
Coole Kleider, dachten wir uns – und
widmen der Cruise-Kollektion von Louis
Vuitton eine Fotostrecke in Palm Springs
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E NTROP I E? UN D WIE!
Rodolfo Paglialunga über die Übernahme
von Jil Sanders Posten, die Verjüngung
eines Erwachsenenlabels und Chaos
72
STOFF GEBEN !
Viel Stoff gegeben haben das Haus Zegna
für ein Sondermodell von Maserati und
auch Philip Cassier bei einer Testfahrt
durchs Piemont
76
DUFT E KARRI ERE
Kosmetik bildete das solide Fundament der
Marke Jil Sander. Und auch ihre Mode war
niemals abgehoben. Ingeborg Harms erzählt von den Anfängen einer mutigen Frau
EDITH HELD
WIR SIND DANN M AL WEG
Damit die Gesichter nicht so lang werden
wie der Winter in Mitteleuropa, gibt es
Cruise-Kollektionen. Wir haben schönste
Looks für Sie rausgesucht. Gute Reise!
s
44
uli
BILDE RBUCH
Bilder sagen (und verkaufen) mehr als
Worte. Ein Fotobuch zeigt nun die imposantesten Kampagnen von Bottega Veneta
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ILLUSTRATION: MARIA AGERKOP; FOTOS:CHANEL; MONTAGE: ICON
MODE
Traumpaar: Schauspielerin Alexandra Maria Lara und ihr Angetrauter Sam Riley sind für unser
Shooting durch Moorlake in Berlin flaniert. Diese und alle anderen Outfits gibt es ab Seite 90
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ICON
OKTOBER 2015
DESIGN
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LE BE N MI T LIAI GRE
Der Möbeldesigner Christian Liaigre ist für
raffiniertes Interieur bekannt. Und für seine
berühmte Kundschaft. Über die er auch
gern mal lästert
88
LÜCKE NFÜLLER
Diese Möbel lassen sich gern in die Ecke
stellen. Und sehen dabei auch noch gut aus
GESCHICHTEN
68
I’M A WA N DERER
Allein, um dort zu flanieren, reiste Autor
Wolfgang Büscher nach Biarritz. Plus:
Schönste Begleiter für den Weg ohne Ziel
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FOTO LOVE STORY
Ein Ausflug mit Alexandra Maria Lara,
ihrem Mann Sam Riley und herrlicher
Herbstmode. Außerdem: ein Happy End!
110
GROSSSTADTCOWBOYS
Vergessen Sie die Hamptons! Silke Bender
war in Millbrook, wo nicht nur Manhattan
ganz locker zu sich selbst kommt
113
GLOBAL DI ARY
Diesmal geht es nach Toronto und Sansibar
114
DE R BAU P LAN
Insiderwissen: Wir durften zusehen, wie die
„Inside Bag“ von Prada gefertigt wird
KOSMETIK
100 SCHÖN DURCH DEN HERBS T
Mit diesen Produkten leuchten Sie mit der
goldenen Jahreszeit um die Wette
101
FLÜSSIGE P ROVOKATION
Frédéric Malles neuer Duft „Cologne
Indélébile“ orientiert sich an seinen Vorgängern: Er fordert heraus. Wir stachelten
den Parfümeur zu einem Gespräch an
102
ALLE NASE LAN G ...
... bringt die Industrie neue Düfte auf den
Markt. Und es gibt Nasen wie Alberto
Morillas. Wir haben ihn in Genf besucht
Exquisite Mode verlangt
nach extravaganten Orten. Für
die Präsentation ihrer CruiseKollektion wählte (von oben)
Chanel das Dongdaemun Design
Plaza von Zaha Hadid in Seoul
und Dior das Privathaus
„Palais Bulles“ von Pierre Cardin
an der Côte d’Azur, Louis Vuitton
mietete hingegen das Haus von
Bob Hope in Palm Springs und bei
Gucci wurde in einer alten Garage
im New Yorker Stadtteil West
Chelsea defiliert
AGENCE / BESTIMAGE USA; GETTY IMAGES(2); DIOR
104 NE W D OC S ON THE BLOCK
„Dr. Brands“ erfreuen sich schon seit einigen
Jahren an Beliebtheit. Zu Recht, finden wir:
Die besten Produkte – ohne Rezept
105
GRUSS VON DER KÜS TE
Warum ein schwedisches Ehepaar sich voll
und ganz auf Naturkosmetik stürzte und
Erfolg damit hat, weiß Caroline Börger
108 TANZ DER M OLEKÜLE
Die Poesie des Francis Kurkdjian
Hätte auch den Schauen gut gestanden: Sessel „Tokyo Pop“ von
Tokujin Yoshioka. Über unseren Wohnblog iconist.de. Übrigens:
The Iconist wurde für den LEAD Designaward 2015 in der
Kategorie „Webmagazin des Jahres“ nominiert
21
STILISTEN
ES IST HERBST – UND UNSERE STILWEISEN FEIERN DIE BUNTE JAHRESZEIT
BRIGITTE LACOMBE
Guck
mal,
wie
gemütlich
hier!
Nachts sind alle Katzen grau. Aber tagsüber ist die eine schicker, dachte sich Fotografin Brigitte
Lacombe. Für den guten Zweck lud Moncler-Chef Remo Ruffini sie und einige ihrer Kollegen wie
Annie Leibovitz und Bruce Weber ein, die Maya-Daunenjacke in Szene zu setzen.
Die „Art for Love“-Ergebnisse wurden versteigert und die Einnahmen
„Amfar“ einer Stiftung zur Aids-Forschung, gespendet.
BLAUE WINTERZEIT
Halloween im
Anmarsch:
Schöner gruseln
mit Glow-in-the
Dark-Spinnennetz
V O N C H A R L O T T E O LY M P I A
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Immer schwanken wir zwischen den Reizen, uns der kurzlebigen Faszination des Augenblicks hinzugeben oder lieber
auf die Sicherheit von Produkten mit ästhetischen Werten zu vertrauen, die Trend und Saison überleben und für immer Teil unserer modischen Identität sein werden. Die Fähigkeit zur Orientierung wird von multimedialen Botschaften
immer mehr geschult – oder schleichend zerstört –, doch der Stil, den wir aus unserer Kultur schöpfen, und den wir im
Laufe der Zeit weiter ausgeprägt haben, verleitet uns zu einer „persönlichen“ Auswahl. Ganz oben auf meiner
Wunschliste dieser Wintersaison, die Tradition und Innovation einzigartig verbindet, steht der Füllfederhalter Montblanc „M“ nach einem Entwurf von Marc Newson. Blau und Schwarz durchziehen die Musthaves der Saison: von der Bottega Veneta Tasche in Blau, über die Herrenjacke für den Abend mit geometrischen Motiven von Tom Ford und die maßgeschneiderte Bluejeans von Valentino bis zum, klar,
blauen Filzmantel in Übergröße von Balenciaga. Und gern natürlich der Blazer aus blauem Rossleder von
Pal Zileri, kombiniert mit einem Rollkragenpullover aus blauem Kaschmir und Hosen aus Schurwolle von
Neil Barret. Bei den Schuhen fällt der Blick auf die unvergänglichen Church’s oder die neuen Chelsea
Boots von Lanvin. Nun kann der Winter kommen.
Mauro Krieger
Kreativdirektor von
Pal Zileri in Mailand
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HOW TO ART – TEIL V:
Kitsch me if you can
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FLORENTINE JOOP; GETTY IMAGES
Man kommt nicht daran vorbei, spätestens wenn man Kinder in einem bestimmten
„Oh wie süß“-Alter hat, dann scheint der Kitsch einen förmlich zu umzingeln. Meine
Tochter und mein Sohn leben in einer rosa, pinken, türkisen Glitzerchen- und Sternchen-Welt, die sich aus glupschäugigen Stofftieren und geflügelten Plastikpüppchen
zusammensetzt. Mein Versuch, dieser Welt ab und an eine „gute“ Käthe-Kruse-Puppe beizusteuern, scheiterte kläglich (von dem peinlichen Streit mit der Verkäuferin
darüber, dass diese Puppen erst seit Kurzem aus Plastik sein können, schließlich habe
ich doch noch die mit den zerbrechlichen Köpfchen gehabt, und die mir dann etwas
sarkastisch sagte, dass seit Kurzem in meinem Fall eben schon 35 Jahre
sein dürften, möchte ich hier nicht berichten).
Der Begriff „Kitsch“ muss neu definiert werden. Auch in der Kunst hat er ja
längst eine Reformation erhalten, denn nicht wenige meiner ehemaligen
Studienkollegen verdienen sich, nun als gestandene Maler von Füchsen
und Häschen im Zwielicht, goldene Näschen. Sei es die Kuckucksuhr
(Danke, Herr Strumbel) oder das Porzellanfigürchen mit Goldlasur (Herr
Koons lässt im Erzgebirge seine pornografischen Figuren drechseln). In
Florentine
Zeiten von Manga-Graphics und Disney-3-D-Animationsfilmen (Elsa sei
Joop
Dank, trägt meine Tochter immerhin Mütze, Ohrschützer und gekämmtes
llustratorin
Haar), können wir uns nicht mehr einfach so verschließen und uns schau- und Autorin
dernd abwenden, wenn im Vorgarten ein Plastikzwerg rumsteht. Kitsch ist in Berlin
einer der am schwierigsten zu definierenden Begriffe. Niemand weiß genau, woher er stammt, ob aus dem Jiddischen „verkitschen“, jemandem etwas andrehen, was er nicht braucht, oder aber von „kitschen“, was „Schmutz zusammenkehren“
bedeutet. Kunst und Kitsch kamen sich immer wieder sehr nah, manchmal berühren
sie sich auch, neuerdings tauschen sie auch mal die Plätze. Da wird sich der Eindeutigkeit beziehungsweise der Unzweideutigkeit des Kitsches bedient und mit dieser
Erwartung lässig gespielt.
Unzweifelhaft ist, dass sich der Begriff „Kitsch“ früher leichter eingrenzen ließ, denn
man wusste, wo er einem begegnet. Meist in sogenannten Souvenirläden, wer schon
mal nach Lourdes gepilgert ist, weiß, wovon ich rede. Heute ist man nirgendwo mehr
sicher, nicht in Museumsshops (ich sag nur: Edvard Munchs „Der Schrei“ als Plastikballon zum aufblasen) und nicht mehr in den ehrwürdigen Hallen selbst – „dem Innovationsdruck der modernen Kunst“ geschuldet –, und es wird immer komplizierter,
Kunst und Kitsch auseinanderzuhalten.
Auf die Frage: „Mama, ist mein Einhorn schön?“, ist eine schlichte Antwort unmöglich geworden. „Nein“, liegt auf der Hand, doch das Glück in den Augen des Kindes,
gepaart mit dem emotionalen Wert, den eine pinke Glitzerplastik für das noch junge
Leben zu haben scheint, inklusive mythischer Bedeutung der Sagenfigur an sich,
macht „Nein“ unaussprechbar und sie zum Konzept. Die Figur erfährt eine Mehrdeutigkeit. Ergo wird sie Kunst. Und die Kunst spricht auch nur aus, was Eltern schon lange vermuten: Der Kitsch ist ÜBERALL. Wir müssen damit umgehen oder wir werden
darin untergehen. Es ist nicht damit getan, ihn zu banalisieren und abzutun. Die eindeutige Emotion, die sich nicht umdeuten lässt, ist nichts, wovor man sich fürchten
muss. Er sollte eben gut gemacht sein. Ein paar rote Zipfelmützen im Zwielicht im
Birkenwäldchen, oder so.
Am
Urlaubshimmel
2015 JOSEF HOFLEHNER. ALL RIGHTS RESERVED
Ferien: endlich Ruhe. Nicht so am
Strand von St. Maarten. Nebenan
befindet sich nämlich der Flughafen.
Fotograf Josef Hoflehner schaute
daher nur zum Arbeiten vorbei. Der
Österreicher kommt viel rum, fängt
ein, was er sieht – mit Vorliebe in
Schwarz-Weiß. Das Fotobuch
„Retrospective 1975–2015“ wirft in
rund 150 Fotografien einen Blick
zurück, teNeues Verlag.
TRENDBAROMETER
VON WOLFGANG JOOP
Herr Haka
Marken sind eigentlich völlig out, denn der
Konsument ist ziemlich enttäuscht. Frustriert auch davon, dass im einstigen Sehnsuchtsland Italien zunehmend chinesische
Arbeiterkolonnen in den wunderbaren
alten Fabriken sitzen. Die Reaktion,
natürlich auf die Welt überhaupt:
Freestyle ist in. Mode nicht als Kleid,
sondern individuell und als intelligentes Chaos. Fusion ist der neue Code.
ANACHRONISMUS
Die Winter in Berlin sind lang, kalt und düster ... in diesen unendlichen Monaten, in denen die
Dämmerung schon um 15 Uhr einsetzt und der Himmel in seinen Grauschattierungen unseren Gemütszustand widerspiegelt, ist jeder Lichtblick willkommen. Bei uns im Corner Berlin
heißt die wirksame Medizin: The Cruise Collection! In den ersten mürrischen Novembertagen erhalten wir erste Teile. Farben, Muster, leichte Stoffe, Beschwingtheit ... Schnell in unsere Auslagen gestellt, sind sie Vorboten des Frühlings. Viele Betrachter denken dabei sicher an
einen Trugschluss, eine Verrücktheit. Weshalb beim Einbruch der winterlichen Temperaturen plötzlich leichte, bunte, transparente Modelle zeigen? Wäre es nicht der richtige Zeitpunkt, um dicke Pullover und warme, kuschelige Wintermäntel zu lancieren?
Ja, und weshalb zeigt man mitten im Juni, bei 30 Grad Sommerhitze Lammfelljacken
Du meinst die Couture-Puffärmel von
und Winterstiefel, wo das Wetter doch nach einer leichten, ärmellosen Bluse verlangt?
J. W. Anderson mit Schleifenband
Willkommen in der wunderbar verrückten Welt der Mode und des Anachronismus!
zusammengehalten, Adidas HooDie Heldin dieses internationalen Spektakels: la Fashionista! Ihr Motto: so schnell wie
die drüber, Bomberjacke vom Pomöglich die Paradestücke der kommenden Saison erwerben. Bevor sie ausverkauft
Emmanuel
lenmarkt, seine Sachen, ihre Sachen, morde Bayser
sind oder vielleicht gar von einer Freundin ergattert, die ihr Foto womöglich bereits bei
gens, abends – alles gemischt ohne gesellInstagram gepostet hat. Schnell, schnell die mit Pelz gefütterten Slippers aus der GucMitbesitzer von
schaftliche Grenzen? So als wäre alles
The Corner
ci-Werbung, die neue Patchwork-Puzzle-Tasche von Loewe, in limitierter Auflage und
gleichgültig? Aber man darf dabei nicht
Berlin
innerhalb von zwei Tagen überall ausverkauft, genauso wie das rosa Kübeltäschchen
vergessen: Das Regellose ist eine Kunst.
von Mansur Gavriel. Man kauft nicht mehr überlegt und innerhalb der herrschenden
Saison, man kauft nach Laune und nicht nach Jahreszeiten, egal ob Winter, Sommer, Cruise ... Der Ursprung der Verrücktheit? Die reiUND SONST NOCH
chen Amerikanerinnen, die in ihren Villen in
Palm Beach und auf ihren Yachten in der Karibik
FRÜHSTÜCK IN PRADA: Gutes muss bewahrt werden. Die Fondazione Prada hat daher in
überwinterten. In den Winterkollektionen der
Mailand eine Filiale der Traditionskonditorei „Pasticceria Marchesi“ eröffCouturiers gab es nichts Adäquates für diese
net. Ganz in Prada-Optik, versteht sich. (Via Montenapoleone 9) ——— DIE LIEBEN
Breitengrade, voilà, die Geburt der Cruise ColKOLLEGEN: Die Ausstellung „Daniel Biskup Budapest – Berlin. Mein Weg zur Einlections. In der Zwischenzeit reisen wir alle unheit“ und der gleichnamige Fotoband einen
entwegt in verschiedene Zeit- und Klimazonen.
sehr persönlichen Blick auf die WiederDie Cruise Collections sind wichtige kommervereinigung (The Kennedys Museum, Berzielle Bestandteile der internationalen Modeindustrie. Und von mutigen Fashionistas können
lin, bis 29. November; Buch: Salz & Silber
die sommerlichen Sandalen auch in den winterliVerlag) ——— AUS ALT MACH NEU: Die Koreanechen europäischen Metropolen getragen werrin Dylan Ryus peppt in die Jahre gekommeden: als Fashionstatement, mit dicken Wollsone Chanel-Taschen mit handgenähten Vercken angezogen, sind sie viel mehr trendy als ein
zierungen wieder auf. Exklusiv über AproAufenthalt auf St. Barth oder den Seychellen!
pos The Concept in Köln, Hamburg, München
26
COURTESY OF PRADA
Frau Dob
Top Pop
Wenig hat heute das Potenzial, zum Begleiter einer ganzen
Generation aufzusteigen. Das Berliner Magazin „Style &
The Familie Tunes“ dagegen war von den 80er- bis in die
2000er-Jahre bei allen zu finden, die sich in Sachen Popkultur vorn sahen: Mode, Musik und Kunst bestimmten Inhalte
und Optik, wie hier von Hung N’Guyen. Zeit, die besten
Fotos aus 130 Ausgaben in einem Buch zu bündeln.
„Style & The Family Tunes – The Book“, Hatje Cantz Verlag.
BLIESWOOD
SPAZIERT IN
ERINNERUNG
Leben heißt, unvergessliche Augenblicke
zu zaubern – ein Paradies der Erinnerungen.
Hellmuth Karasek, 81, ist im Himmel. Letzte
Schwimmbahnen im Hamburger „Club an
der Alster“. Er wollte noch zum Spiel
Deutschland-Polen kommen – leider zu
müde. Er ging zu schnell, aber sanft.
Ach! Als wir in der Karibik eine Flasche Moët
auf der „MS Europa“ tranken! Ach! Ahoi.
HUNG N GUYEN
Oktoberfest. Mittags is o’zapft. Die erste
schaumige Maß im Käfer-Zelt. Sonne. Sorglosigkeit. Freunde. Der Rest verfließt. Viele
Visitenkarten bleiben. Aufwachen im „Bayerischen Hof“. Blasmusik. Ein Frei-Bier am
Trachtenzug (9 km lang!). Gott ist Bayer.
Fliegen wie früher. Hamburg–London City
Airport. Die Dornier Turboprop umkreist
die glitzernde Glas-Pyramide an der Tower
Bridge. Gefühl wie Indiana Jones auf Business-Trip im Privatjet.
Rotkäppchen würde
heutzutage wohl
dieses Cape von
Missoni M tragen.
Gute Wahl.
Kino-Legende Robert
de Niro (72, 320 Mio.
schwer) mit NY Times,
Nokia-Handy auf der
Couch im Soho House: „Sie sind 61!? That’s
nothing, boy!“
Mit krankem Bruder,
70, im ICE nach
Regensburg. Die
Fenster werden zum
Heimatfilm:
„Die Bäume – wie
früher auf der Jagd!
Die Kirchen
haben Zwiebel-TürmDavid Blieswood
chen.“ Glocken-GeConnaisseur aus Hamburg
läut. Heimat umarmt
dich. Schweinsbraten im „Bischofshof“
(Papst Benedikts Lieblings-Lokal) vom
Ex-Thurn-und-Taxis-Koch – dazu zwei Knödel und den guten „L’ Osservatore Romano“.
Amen. Lese im Zug parallel zwei Krimis:
„Das Schloss in der Normandie“ von Ulrich
Wickert und „Nullnummer“ von Umberto
Eco. Wickert ist spannender.
28
Ü B E R FA S H I O N I D . C O M
SCHRÄGLAGE
Ich sitze auf der Bank vor meinem Restaurant und schaue aufs Wasser. Hinten am Horizont
schippern Yachten und Kreuzfahrtschiffe vorbei. Irgendwann verschwinden sie
hinter der magischen Kante, fallen einfach hinten runter von der Scheibe des Sichtbaren. Ich sitze lieber hier. Mir wird auf Booten schwindelig. Das hängt vielleicht
mit meinen schwäbischen Wurzeln zusammen. Einmal im Jahr lade ich auf die „MS
Europa“ – ein fabelhaftes Schiff mit allem Komfort und Komzurück. Ich bleibe zur
Party und rette mich noch, bevor die Schiffsschrauben zum Leben erwachen an
Land. Konträre Sinneseindrücke, die vermeintlich feststehenden Wände und der
durchgeschüttelte Gleichgewichtssinn, senden SOS. Einmal habe ich mich
Herbert Seckler
durchgerungen, eine Kreuzfahrt in den Süden zu machen, hinunter bis zum
Kultwirt vom
Sylter „Sansibar“
Suezkanal. Auf dem Lido-Deck ließ sich das gerade so aushalten. Den Blick fest
auf den Horizont gerichtet, mit einem Glas fruchtig-süßem Château Pigoudet
Classic Rosé in der Hand. Die Pose ist geblieben, der Wein wechselt gelegentlich. Nur in die
Ferne muss ich nicht mehr. Den besten Fernseher, das beste Bett und die beste Dusche
habe ich hier. So reduzieren sich die Wünsche.
Herbst-Power:
Kerze „Gypset“
von Baobab
GIBT’S NUR BEI
APROPOS
( T E L . 0 2 21 / 2 7 0 5 71 0 )
JOHANNES HAAS
TSCHAKKA!
Im Herbst rollen die Würfel aus. Das bisherige Jahr hat entweder die eigenen Erwartungen erfüllt und die geplanten Vorhaben wurden umgesetzt oder das Leben hat durch
unerwartete Turbulenzen einen anderen Weg genommen. Träume sind realisiert ... oder
geplatzt. Der Herbst ist für mich eine hervorragende Zeit, um Bilanz zu ziehen, beruflich
und privat. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um gegebenenfalls noch Korrekturen
vorzunehmen und noch einmal auf das Wesentliche zu fokussieren. Bin ich bereits
mit den Ergebnissen zufrieden, dann nutze ich den Herbst zum Entschleunigen und
Dankbarkeit zu leben. Sind aber noch Punkte offen, so ist jetzt gerade noch genügend Zeit, die Umsetzung anzugehen und nicht im Jahreswechsel wehmütig in das
kommende Jahr zu ziehen oder Vorgenommenes komplett fallen zu lassen. Gleichzeitig ist der Herbst der perfekte Anlass, über die nächsten Vorhaben zu sinnen.
Bereits jetzt eine stichpunktartige Visualisierung für das kommende
Jahr auf einem weißen Blatt Papier festzuhalten wirkt Wunder. Jeder
Nina Klein
kennt die Euphorie des Jahresbeginns, ich empfinde diese Euphorie
Agentin für
bereits jetzt im Herbst. Ich liebe es, frei und frisch ins neue Jahr zu
Make-up-Artists
und Stylisten
starten – mit neuer Vision und Vorfreude. Mein persönlicher Frühund Business
jahrsputz ist eigentlich ein Herbst-Cleansing und er ist ein
Coach
hervorragendes Detox, um unbeschwert das Jahresende
genießen zu können.
30
Talent gesichtet! Der Fashion
Council Germany, eine Initiative zur
Förderung deutscher Designtalente,
wird neben der Modedesignerin
Marina Hoermanseder im kommenden Jahr auch Nobi Talai
begleiten und mit Rat zur Seite
stehen (rechts: Look aus ihrer
aktuellen Kollektion)
Manchmal braucht es nicht viel, um
Bekanntes wieder neu und inspirierend
wirken zu lassen. Der Künstler Alex
Katz stilisiert bei seinen Landschaftsmalereien Gesehenes, lässt aus schnellen Pinselstrichen Blätter werden und
bei seinem Werk „Sunset“ keinen Zweifel an der Tageszeit. Im Guggenheim
Museum Bilbao zeigt der Amerikaner
bis 7. Februar in der Ausstellung „This is
now“ eine Auswahl.
UND SONST NOCH
THINK BIGGER: Der Tom Ford Flagshipstore in München ist jetzt umgebaut
und hat eine zusätzliche, riesige
Menswear-Etage (Falckenbergstr. 9)
——— BLAU SEHEN: Bildschirme von PCs
und Smartphones belasten die Augen
häufig
mit
einem zu hohen Blauanteil.
Die
Screenbrille von seeconcept.com
filtert
40
Prozent des
Blauanteils
heraus,
schont
die
Augen und sieht auch noch gut aus. ———
PINK HILFT: Im Oktober sammelt Estée
Lauder wieder mit einer Sonderedition von acht Produkten Geld für die
Brustkrebsforschung. Dabei sind unter anderem: La Mer,
Aveda und Clinique
(bcacampaign.com).
——— LOGOMANIA: Das
Buch „Logo Modernism“
zeigt, wie sich die Logos verschiedener Marken zwischen 1940 und
1980 verändert haben
(Taschen).
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dem Land: Trenchcoat aus Kaschmir
von Burberry
Iken vertritt sich gern
die Beine in Chinos
von Uniqlo
+
Goldenes Laub:
Die Ohrringe
sind von H.Stern
+
Geerdet in Halbschuhen von Dr.
Martens Originals
ROMANTIKEN
Flauschig: Baby-Kaschmirpullover „Girocollo
Mosaik“ von Loro Piana
LOVELICONA
+
+
Stets blauer Himmel mit der
Brille von Paul Smith
+
Dufter Tag mit „Acqua
Essenziale“ von Salvatore
Ferragamo
Schönstes Blattwerk:
Kaschmir-Schal von
8 Eden Avenue
ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
32
Gute Zeit: die „Geographic True Second“
von Jaeger-LeCoultre
+
+
+
Prima Rückendeckung:
Rucksack „Christopher
PM” von Louis Vuitton
+
Hält bombig warm:
Bomberjacke von
Tommy Hilfiger Denim
„Schiefer“ Schick: Brille „Leopold Quarz Slate“ von Kerbholz
über misterspex.de
Junge, Junge, ist die schön!
Die Tasche „Boy“ von Chanel
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In denen streift Icona
gern durch’s Herbstlaub:
Stiefel von Hermès
Herbst-Blues?
Ja! Dunkelblaue
Lederhose von
Schacky
= 19.899 €
AUSTELLUNGSJUWEL
Feine
Privatsache
Im Dutzend prächtiger,
jedenfalls wenn es um Schmuck
geht. Das wollte Coco Chanel
schon 1932 den Londonern
zeigen. Nun ist es so weit
LEILA SMARA(5)
Begleitend zur Londoner Ausstellung „Mademoiselle
Privé“ hat Karl Lagerfeld Prominente und Freunde des
Hauses (wie Lily-Rose Depp mit Perlenbrille, Anne
Hathaway im berühmten verspiegelten Treppenhaus und
Model Stella Tennant) in der Pariser Privatwohnung von
Mademoiselle Chanel fotografiert. Alle tragen Stücke
aus der „Bijoux de Diamants“-Reedition, der einzigen
High-Jewellery-Kollektion von Gabrielle Chanel aus
dem Jahr 1932 sowie extra angefertigte Haute Couture
G
34
ut Ding will Weile haben.
Wobei – 83 Jahre sind
dann doch eine lange Zeit.
Eigentlich wollte Coco
Chanel nämlich im Dezember 1932 ihre aufregende „Bijoux de Diamants“
Kollektion, ihre einzige je gefertigte High Jewellery, in London ausstellen. Doch da war
der britische Zoll vor. Nun aber hat es geklappt. Sie selbst erlebt es nicht mehr. Und
wohl auch der damalige Zollbeamte nicht. Das
Haus Chanel widmet seiner Gründerin in der
Londoner Saatchi Gallery unter dem Titel
„Mademoiselle Privé“ eine sehr persönlich
konnotierte Ausstellung, die die Besucher auf
einen verträumten Ausflug durch fünf Themenräume mitnimmt und dabei der Kreativität und den (durch Karl Lagerfeld) unvergänglichen Codes von Mademoiselle huldigt. Der
Schmuck, die Haute Couture, ihr bis heute unverändertes Appartement in der Rue Cambon
(in der Nacht ihres Todes im Januar 1971 ver-
schwanden von dort allerdings die kostbaren
Juwelen), ihr geliebter Place Vendôme, die
erste Boutique in Deauville, alles wird zitiert
und eingebettet – und natürlich das Parfum,
Chanel No. 5, das den ganz großen Erfolg erst
finanzierte und dem ein eigenes Zimmer, das
fünfte, gewidmet ist. Ein sehr gegenwärtiger
Raum mit interaktiven Spielereien und Vorführungen zeigt, welche handwerklichen Fähigkeiten noch heute kultiviert werden.
Überraschend mag der Auftakt draußen sein:
ein Garten!? Doch, Mademoiselle war sehr naturverbunden. Sie ritt wie ein Kerl (in Hosen,
nicht im Damensitz), und von Winston Churchill ist ein Brief vom Oktober 1927 an seine
Frau überliefert, in dem er bei einem Besuch
auf dem schottischen Anwesen seines Kumpels, des Duke of Westminster, von Cocos
Anglerkünsten schwärmt: „Sie fischt von morgens bis abends und hat innerhalb von zwei
Monaten 50 Lachse erlegt.“ Der nun von den
Landschaftsgärtnern Harry und David Finch
komponierte zeitgenössische Garten zitiert
allerdings andere große Lieben der Modeschöpferin: ihren unbedingten Freiheitswillen, ihr Sternzeichen, den Löwen und die
wohl größte, Boy Chapel. Ganz am Ende gibt
es dann noch einen Garten, „à la française“, 18.
Jahrhundert (Lagerfelds Lieblingsära) trifft
auf das große CC. Das die kleine Waise Gabrielle schon bevor sie wegen eines Liedes,
das sie in der Öffentlichkeit vortrug, den
Spitznamen Coco bekam, in den Fenstern bei
den Nonnen von Auberzine studiert.
Drinnen betritt man als Erstes eine Reminiszenz an ihr Appartement in der Rue Cambon,
zu dem die berühmte verspiegelte Treppe
führt, von der aus Coco Chanel bei ihren
Schauen unbeobachtet die Gäste beobachtete.
Wenn man sich in Paris dort aufhält, dann ist
man nicht allein, selbst wenn sonst kein
Mensch im Raum ist. Etwas ist präsent, umgeben von den ganzen persönlichen Schätzen ist
selbst für nüchterne Betrachter eine Aura
spürbar. Ohne dass es allzu museal wirkt, staubig schon gar nicht, was vielleicht auch 3
shop at santonishoes.com
36
3 damit zu tun hat, dass in dem Haus ansonsten noch Leben herrscht, die Haute-CoutureKunden eine Etage tiefer betreut werden und
noch eine Etage tiefer in der Boutique der
Umsatz unaufhörlich und in vielerlei Sprachen brummt. Drei Zimmer, üppig dekoriert,
die Wände mit Goldstoff bezogen, was vor lauter Büchern aber nicht zu protzender Geltung
kommt, überhaupt ist alles ausgestaltet in kultivierter Pracht, mit dem großen Kamin, Spiegeln, die die Sinne täuschen, mit den berühmten Coromandel-Wandschirmen, mit kostbarem Nippes und Symbol-Sammlungen, vieles
paarweise wie ihr Signet CC. Dazu Fotografien. Sehr innig mit Boy Chapel. Aber oft ist
sie allein darauf zu sehen. Die Kissen auf dem
Sofa sind diagonal gesteppt wie das Muster auf
den Handtaschen. Es gibt ein Speisezimmer
mit sechs Stühlen um einen Tisch aus Walnussholz, aber ein Schlafzimmer gibt es nicht.
Gab es nicht. Hier war Mademoiselle wach.
Träumte, döste, ruhte mal, aber übernachtet
hat sie woanders. Im Hotel „Ritz“ hatte sie bis
zum Ende ihres Lebens ein schlichtes Hotelzimmer in der obersten Etage. Fast so karg wie
der Raum in dem Kloster, in dem sie aufwuchs. Erstaunlich. Denn an diese Zeit, so
heißt es allenthalben, wollte sie sich doch nie
erinnern. Dieser „twist“ zieht sich auch durch
die Ausstellung – schließlich findet Karl Lagerfeld einen direkten Blick zurück in die
Vergangenheit generell langweilig.
Coco Chanel hat den Frauen das Korsett abgenommen, sie von dem übertrieben Kopfputz,
all dem Jahrhundertwende-Gerüsche und
-Getüdel befreit. Das ganze Zuviel war ihr ein
Graus. Es sei denn, es ging um Schmuck. Da
konnten es gern Perlen und Diamanten satt
sein. Dass das nicht automatisch zu neureicher Geschmacklosigkeit führt, ist ebenfalls in
London zu besichtigen. Die Franzosen haben
die komplette High-Jewellery Kollektion von
Inga Griese
1932 noch einmal aufgelegt.
„Mademoiselle Privé“, Saatchi Gallery in
London, täglich bis 1. November 2015
LIPNITZKI/ROGER VIOLLET/GETTY IMAGES
LEILA SMARA(5)
Kristen Stewart ruht in typischer Pose auf dem
Originalsofa von Coco Chanel in ihrem Pariser
Appartement. Niemand spielt die Modeschöpferin in ihren späten Jahren so überzeugend wie
Geraldine Chaplin. Karl Lagerfeld hatte sie vor
zwei Jahren für einen Kurzfilm engagiert, seither
gehört sie auch zu den Freunden des Hauses
(Mitte). Das sind auch die türkische Schauspielerin Tugba Sunguroglu und ihre britische
Kollegin Jemima Kirke. Das Schmuckstück (oben)
stammt aus der „Bijoux de Diamants“-Kollektion
Coco Chanel vor den Coromandel-Wandschirmen in
ihrem Pariser Appartement (1937)
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Südsee-Blau: TürkisCollier aus der
„Mystique“-Serie von
Elmar Grupp
STEINZEIT
Abtauchen mit
der Kette aus
der „Sea Stars“Reihe von
Sévigné
Meeresleuchten:
Ohrhänger von
Brahmfeld &
Gutruf
Ein Kunstwerk! Brosche „Vagues Mystérieuses“
von Van Cleef & Arpels
Glitzernde
Gischt: Ohrschmuck aus
der „Blue
Book 2015“Kollektion
von Tiffany
„Giardini Italiani“
Collier mit
Smaragd-Anhänger von
Bulgari
Meeresglitzern:
Ohrringe mit Saphiren
aus der ExtremelyPiaget-Kollektion
Pretiosi heil!
Edle Tropfen:
Ohrringe mit
Saphiren von
Bucherer
Im November werden die Cruise-Kollektionen ausgeliefert.
Doch nicht nur die Mode sticht zu dieser Jahreszeit am
liebsten in See. Auch die Schmuckwelt taucht jetzt ab in die
unendlichen Weiten des Ozeans. Diese prächtigen
Reisebegleiter glitzern so mysteriös wie das Meer
Kristallklar:
Ohrhänger „Lily
Ice“ von Vieri
Fangfrisch:
Ohrringe
„Big Shell“
von H.Stern
Deep Blue Sea: Ring aus der
Haute Joaillerie-Kollektion
von de Grisogono
Traumhaft:
Brosche „Fish’s
Dream“ von
Wallace Chan
Blaues
Wunder:
Armband
mit Saphiren
von Wempe
Blaupause: Kette
„Capri“ von Pomellato
38
Berauschend:
Anhänger aus der „Shellies“Serie von Susa Beck
GETTY IMAGES(6); ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
Ring aus
der „Paris
Nouvelle
Vague“Kollektion
von Cartier
Fishing for
compliments:
Ohrringe
„Coffret de
Victoire“
von Dior
B E R L I N - D Ü S S E L D O R F - F R A N K F U R T- A M - M A I N - M Ü N C H E N
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HANDSCHRIFT
Übersaisonal
Tomas Maier, Kreativdirektor von Bottega Veneta, macht vieles anders: Seine Arbeit ist von
Ruhe, Langfristigkeit, Überlegung und Ästhetik geprägt. Dass das selbst in der Werbung
funktioniert, zeigt er nun mit einem Bildband über die Kampagnen des Luxushauses
Herr Maier, was hat es mit dem Buch auf sich?
Es gibt ja schon ein großes „Coffee-table Book“
zur Marke. Reichte der Platz nicht aus?
Ich wollte alle Kampagnen vereinen, die wir
unter der Serie „Art of Collaboration“ fotografiert haben. Für jede Saison haben wir seit
2002 einen Fotografen oder Künstler für die
jeweilige Werbekampagne beauftragt. Inzwischen haben wir mit 27 verschiedenen Künstlern zusammengearbeitet. Und ich dachte mir,
dass es doch interessant wäre, alle diese Bilder
zu einer ganzheitlichen Arbeit zu bündeln.
Wofür steht „Art of Collaboration?
Alles, was wir produzieren, ist das Ergebnis
von Teamarbeit zwischen Menschen, angefangen bei meiner Rolle als Kreativdirektor bis
hin zu den Designern und Handwerkern, die
die Artikel fertigen. Wir sind sehr stolz auf unsere Handwerker, die im Atelier in Montebello
Vicentino arbeiten. In gewisser Weise ist die
Kampagne eine Erweiterung dieses Konzepts:
Nach der Fertigstellung der eigentlichen Produkte schafft die Zusammenarbeit mit den Fotografen zusätzlich Wert und Qualität.
Wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
Es gibt keine vorgegebenen Szenarien oder
Einflussnahmen. Die Kampagne, die wir kreieren, entsteht vollständig aus dem ausgewählten Fotografen selbst heraus. Einige Bilder
wurden direkt im Atelier aufgenommen. Andere Bilder haben eine komplizierte Geschichte, die erst einmal entdeckt werden muss.
Mein kreativer Prozess nimmt Einflüsse aus
verschiedenen Bereichen wie Kunst oder Design auf, doch auch der Film spielt eine 3
Wie passt das zum Markenmotto
„When your initials are enough“?
Eine meiner Aufgaben in diesem Unternehmen ist auch das Kreieren der
Werbekampagnen, und es war wichtig
für mich, über das Übliche hinauszugehen, denn ich weiß, wie emblematisch solche Bilder werden können.
Ich wollte die Kampagnen nutzen, um
die Wahrnehmung von Kreativität und
Handwerkskunst, für die Bottega Veneta ja steht, zu stärken, über die normalen Grenzen der Mode hinaus.
Hat diese Arbeit Ihre persönliche
Sammlerleidenschaft geweckt?
Ich habe fast mein ganzes Erwachsenenleben lang Fotografie gesammelt.
Das war schon so, bevor es einen Markt
gab, bevor ein Bewusstsein für die Rolle der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst aufkam. Ich habe mit Fotografen wie Erwin Blumenfeld, William Klein oder George Platt Lynes begonnen, bevor sie als Künstler
anerkannt waren. In den Jahren danach habe ich mich dann den Arbeiten
von zeitgenössischen Fotografen zugewandt, und meine Kollektion hat an
Breite und Tiefe gewonnen. Es hat
große Freude gemacht, mit vielen dieser Fotografen wie Sam Taylor-Johnson, Nan
Goldin und Philip-Lorca diCorcia während
der Kampagnen zusammenzuarbeiten.
40
ROBERT LONGO / COURTESY SCHIRMER/MOSEL VERLAG
Einfach mal loslassen: In den späten 70er- und frühen 80er-Jahren ließ Fotograf Robert Longo Geschäftsleute über den Dächern von New
York tanzen. Unter dem Titel „Men in Cities“ bewegten sich die nach ihrem eigenen Rhythmus, ohne Musik. Kraft und Macht sprengten
das Korsett der Geschäftsgebaren. Das gleichnamige Fotobuch (Schirmer/ Mosel Verlag) mit Texten von Cindy Sherman und Richard
Price zeigt 94 Aufnahmen der Reihe. Jahre später dient dem Amerikaner seine Arbeit als Vorlage für Bottega Venetas Herbst-WinterKollektion 2010. Zum ersten Mal präsentiert das Modehaus die Damen- und Herrenkollektion in einer gemeinsamen Kampagne (oben)
BOTTEGA VENETA: ART OF COLLABORATION BY TOMAS MAIER, RIZZOLI NEW YORK, 2015
Erwin Olaf studierte erst Publizistik,
bevor er sich der Fotografie widmete.
Klarheit kennzeichnet seine Arbeiten.
Auch die Bottega Veneta Herbst/
Winter Kampagne 2012, die der Niederländer fotografierte. Heute sind seine
Fotografien in Kunstgalerien auf der
ganzen Welt zu finden. Diese und
einige der folgenden Fotos stammen
aus dem Bildband „Bottega Veneta: Art
of Collaboration“ von Tomas Maier,
erschienen im Rizzoli Verlag
Im Whaler’s Cottage auf
Staten Island setzte die
Fotografin Nan Goldin
die Kollektion Frühjahr/
Sommer 2010 in weiches
Licht. Entwürfe und Kampagnen stellten damals
die sensible Seite der
Frau in den Fokus. Ein
Kontrast zu Sex,
Drogen und Gewalt, die
sonst die Fotos der Amerikanerin thematisch
bestimmen. 2007 wurde
sie mit dem „Hasselblad
Award in Photography“
ausgezeichnet
41
3 wichtige Rolle, wie im Übrigen auch für die
Laufsteginspirationen. Das emblematische
Beispiel ist die Kampagne Frühjahr/Sommer
2011 von Alex Prager mit ihrem deutlichen Bezug auf Alfred Hitchcocks Filme. Doch ich sehe auch Kinoinspirationen bei Ralph Gibson
für die Herbst-Winter-Kollektion 2013/2014,
die die unheimliche Noir-Stimmung der 50erJahre-Filme widerspiegelt. Oder auch in den
Fotos von Peter Lindbergh mit einem Szenarium, das mich an die Filme von Bertolucci erinnert.
Ein bisschen Einfluss nehmen Sie aber schon?
Der Arbeitsprozess ist sehr klar. Hat sich der
Fotograf oder Künstler bereit erklärt, mit uns
zusammenzuarbeiten, setzen wir uns an einen
Tisch und besprechen, wie die Kampagne aussehen könnte. Es ist immer jemand, den ich
stark bewundere, und es macht mir ungeheuren Spaß, die Kollektion mit den Fotografen
zu besprechen und zu sehen, was sie bei ihnen
auslöst. Wenn wir uns darauf geeinigt haben,
wie die Kampagne aussehen soll, werden die
Aufnahmen ohne Einmischung von außen gemacht, sodass das Ergebnis so rein wie möglich ist. Wenn man mit ihnen zusammenarbeitet, tritt man praktisch in ihre Welt ein.
42
häufig in unseren ersten Diskussionen angesprochen. Oft ist sie ein prägender Aspekt in
den Bildern, wie die Wall Street in der Kampagne von Philip-Lorca diCorcia. Die Models,
die wir einsetzen, haben immer Charakter
und individuelle Züge, die von einem Leben
jenseits des Bildes zeugen. Wir wählen sie
nicht, weil sie berühmt oder gefragt, sondern
weil sie für die Zusammenarbeit geeignet
sind und sowohl in die Welt von Bottega Veneta als auch in den Blick des Fotografen passen.
Wie unterscheidet sich ein Modefotograf von
einem anderen, der keine spezifische Verbindung zur Mode hat?
Einige meiner Lieblingskampagnen sind mit
Fotografen entstanden, die normalerweise
nicht in der Modebranche arbeiten. Modefotografen sind darauf trainiert, die Einzelheiten eines Gewebes, eines Accessoires zu sehen
und zu erkennen, was ein Kleidungsstück
über seinen Träger aussagt. Wenn sie dann
kommen und eine Werbekampagne fotografieren, bringen sie alle diese Fähigkeiten mit
und fotografieren die Kleidungsstücke, als ob
sie bereits ein Leben nach dem Laufsteg hätten, als ob sie getragen würden und in das Leben einer Person Einzug gehalten hätten.
Unsere Kunden sind kluge Menschen. Sie verdienen mehr Leistung, angefangen bei den
Kreationen bis zu den Werbekampagnen.
Mit wem würden Sie gern noch arbeiten?
Da gibt es einige. Ich möchte zum Beispiel
gern mit Martin Parr arbeiten, aber dazu brauche ich die richtige Kollektion. Bei der Auswahl achte ich sorgfältig darauf, dass ihre Arbeit auch zu unserer Kollektion passt, und
Martin brauchte etwas mit der richtigen Farbe
und den richtigen Details. Das ist ein langfristiges Projekt, und die passende Kollektion
kommt sicher eines Tages.
Die aktuellste Kampagne stammt von Juergen
Teller. Der ist ja recht inflationär in der Modefotografie vertreten.
Die Herbst-Winter-Serie 2015/2016 stammt
von ihm. Seine Arbeit habe ich schon immer
wegen ihrer Ehrlichkeit und Intensität gemocht und wollte sehen, was er für Bottega
Veneta kreieren würde. Ich mag die Üppigkeit
und die Haltung der Aufnahmen, die er für
uns gemacht hat, und finde sie sehr real.
Was denken Sie, wenn Sie die Strecken der letzten 14 Jahre betrachten?
Waren Sie schon mal
von einem Ergebnis
enttäuscht?
Für mich ist das immer spannend. Die
Kampagnen entstehen in echter Zusammenarbeit, ich bin
während der Arbeiten anwesend. Wichtig ist, dass jede Kampagne etwas Einmaliges und Originelles
über unsere Welt
sagt. Ich lasse die
Künstler die Kollektion auf ihre Weise interpretieren und der Peter Lindbergh gehört zu den renommiertesten Mode- und Porträtfotografen
Kampagne ihre eigene weltweit. Nebenbei macht er auch noch Filme. 2013 fotografierte er in den Universal
Prägung auferlegen. Studios in Los Angeles die Frühjahr/ Sommer-Kampagne. Rechts ein Foto vom Set
Es wäre sinnlos, sie
um Mitarbeit zu bitten und dann von ihnen zu Die Herangehensweise der „Künstler“ hat
Ich sehe die Bilder gern als ein Ganzes, und
verlangen, an ihrer eigenen Vision Abstriche mehr von einer Annäherung an die Seele des
die vergangenen 14 Jahre als ein Gesamtwerk
zu machen. Es macht mir richtig Spaß, da mit- Objekts wie zum Beispiel bei Nan Goldin oder
aus unterschiedlichen Erzählungen und Idezumachen, denn ich arbeite hier ja mit Per- Tina Barney – oder der sehr persönliche Sinn
en und Bottega Veneta als etwas, das in der
sönlichkeiten, deren Arbeit ich stark bewun- für Kompositionen wie bei Polidori oder
wirklichen Welt existiert, in der Taschen oder
dere. Meine Erwartungen an die Serie sind Ralph Gibson. Das Nichtwissen um Kleidung
Kleider zum Bestandteil des Lebens irgendimmer sehr hoch – und meistens werden sie wurde wettgemacht durch das Verständnis für
welcher Menschen geworden sind. Wenn ich
noch übertroffen.
Figur, Volumen, Farbe.
mir alle Kampagnen anschaue, vermitteln sie
mir diesen Eindruck, denn die Bilder erzählen
Muss Werbung eigentlich bunt sein?
Mode ist ja sehr schnelllebig. Werden die früheGeschichten und Szenarien, die über das typiDas Wichtige ist das Bild. Die meisten unserer ren Kampagnen von den aktuelleren überholt?
sche Modeimage hinausgehen.
Kampagnen sind in Farbe, aber wenn ein Foto- Es ist schön, dass die ersten Kampagnen
graf für seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen be- nichts von ihrer Frische eingebüßt haben. Ich
Zum Schluss eine Anekdote bitte!
kannt ist, gibt es auch in der Werbekampagne freue mich, dass sie kein Opfer der Zeit geDie Bilder von David Armstrong für die Kamkeine Farbe. Für eine grafischere Ausrichtung worden sind, sondern dass sie über die Saison
pagne „Cruise 2013“ sind ein perfektes Beisind Schwarz-Weiß Fotos die einzige Option, hinaus leben, für die sie in Auftrag gegeben
spiel für Zufall und Spontaneität in der Zuwie in unserer Kampagne mit Lord Snowdon.
worden waren. Im Endeffekt erhoffen wir uns
sammenarbeit. Wir hatten geplant, die Bilder
das für all unsere Arbeit bei Bottega Veneta,
bei Sonnenlicht in New York aufzunehmen,
Muss das Produkt stets die Hauptrolle spielen ? dass sie nämlich die Zeit überlebt.
aber der Tag war grau und trübe. Es regnete
Es ist immer ein Bestandteil der Erzählung,
ständig, und die Sonne kam den ganzen Tag
aber ich ziele darauf ab, es fast im Bild ver- Welche Rolle spielt Printwerbung heute noch?
nicht hervor. David fotografierte still und ohschwinden zu lassen. Das wünsche ich mir Werbekampagnen sind ein notwendiges Elene zu klagen den ganzen Tag. Es kamen perauch für die Kleidung: Sie sollte nicht ablen- ment in der Arbeitsweise der modernen Mofekte Bilder dabei heraus, und obwohl es eiken. Ich möchte, dass man nur die Person deindustrie. Für mich sind sie eine Chance,
gentlich hätte anders sein sollen, war dann
sieht. Das gilt auch für die Kampagnen. Sie um etwas anderes und Großzügigeres als das
IG
doch alles genau richtig.
sollten mehr zeigen als Kleidung.
Übliche zu tun. Wenn ich mir eine Kampagne
anschaue, möchte ich nicht an die Tasche oder
Wie wichtig sind der Ort und die Models?
die Kleidung denken. Viel wichtiger ist es, eiSie sind entscheidend. Die Location ist we- ne Stimmung oder ein Gefühl zu erzeugen,
„Bottega Veneta: Art of Collaboration“,
sentlich für die gesamte Erzählung und wird damit die Kollektion mit Leben erfüllt wird.
von Tomas Maier, auf Englisch, Verlag Rizzoli
Das Museum Casa Mollino in
Turin wurde jüngst zum Schauplatz der Herbst-Winter-Kampagne 2015 für die Damen- und
Herrenkollektion. Der Dirigent
hinter der Linse: Juergen Teller.
Für die auf Perfektion getrimmte
Modewelt ein Spiel mit Gegensätzen. Der Wahl-Londoner liebt
das Unperfekte, ungeschminkt
und gern mit Schönheitsfehlern
Im Botanischen Garten in New York
setzte Ryan McGinley die CruiseKampagne 2014 um (rechts). Der
Amerikaner begann seine Karriere
mit Polaroids von Freunden. Obwohl inzwischen sorgsam inszeniert, haben seine Arbeiten noch
heute Schnappschusscharakter, der
auch vor nackten Tatsachen nicht
zurückschreckt (kl. Bild r.). Das
Foto ist dem Buch „Ryan McGinley:
Way Far“ von David Rimanelli,
Rizzoli Verlag entnommen
RYAN MCGINLEY/ RIZZOLI BOOK
© BOTTEGA VENETA: ART OF COLLABORATION BY TOMAS MAIER, RIZZOLI NEW YORK, 2015
Wenn Fotograf Ralph Gibson
arbeitet, ist es, als würde er
träumen. Grobkörnig und in
Schwarz-Weiß. Der Amerikaner
veröffentlichte mehrere Fotobände mit seinen Arbeiten. Für
die Herbst-Winter-Kampagne
2013 von Bottega Veneta mixte
er in Mailand Farb- mit SchwarzWeiß-Aufnahmen (links eine
Set-Aufnahme; rechts ein
Kampagnen-Foto)
PIETER HUGO; COURTESY | PRISKA PASQUER,COLOGNE
Als Künstler beschäftigt sich der Amerikaner Jack Pierson neben
Fotografie auch mit Malerei, Kollagen, Skizzen und Installationen.
2012 setzte er die Kampagne Frühjahr/ Sommer um
Der Südafrikaner Pieter
Hugo konzentriert sich
normalerweise darauf, die
vielen Gesichter seiner
Heimat einzufangen. Die
verstörenden sind ihm
dabei die liebsten (oben,
ausgestellt in der Priska
Pasquer Kunstgalerie,
Köln). Darüber: Für Bottega Veneta fing er die Kollektion Frühjahr/ Sommer
2014 in New Jersey ein.
Ganz, oben eine „Behindthe-scenes“-Aufnahme
LAND IN SICHT
ZWISCHEN
WELTEN
UND ZEITEN
GETTY IMAGES; HERSTELLER; MONTAGE ICON
Die Cruise- oder auch
Resort-Kollektion steht
historisch für eine Saison,
die nichts mit Jahreszeiten
zu tun hat – sie war
die Garderobe für die
Reisemonate der
Hautevolee. Heute
richtet sie sich
an alle, denen der
Winter bereits im Herbst
zu lang wird. Und
das sind viele
FENDI
ALTUZARRA
RALPH LAUREN
BOTTEGA VENETA
MAX MARA
CALVIN KLEIN
DONNA KARAN
TORY BURCH
BOSS
diesel.com
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FRAUEN ZUERST
LICHT
UND
FARBE
GETTY IMAGES; HERSTELLER; MONTAGE ICON
Wenn gedeckte
Töne nicht nur
draußen, sondern
auch in den
Boutiquen und im
Kleiderschrank
dominieren,
bieten die
Cruise-Kollektionen
der Designer
belebende Akzente
MARNI
PRADA
AKRIS
TOMAS MAIER
MICHAEL KORS
VERSACE
NTA
OSCAR DE LA RE
GIORGIO ARMA
NI
KUNSTSTÜCK
SCHWESTERN
VON GESTERN
GETTY IMAGES (5); AP (5); GUCCI; MONTAGE ICON
Niemand lässt den Retrolook derzeit so zeitgemäß
aufleben wie der neue Liebling der Fashioncrowd –
Guccis Designer ALESSANDRO MICHELE
48
Besonderes Merkmal der Präsentationen der Cruise-Kollektionen: Sie finden oft nicht im Stammland des Labels
statt, und es wird an nichts gespart, um die Mode zu inszenieren. Für den sinnlich verspielten Mädchen-Nerd-Look
von Gucci wurden im New Yorker Galeristenviertel die Perserteppiche übereinandergelegt. Knallfarben auf
Mustermix – das kann nur ein Label, dessen Charme stets auch in der Übertreibung liegt
shop online
www.brax.com
IMMER DEN
EIGENEN WEG GEHEN.
ASIASHOP RELOADED
K(ARL)-POP
ISTOCK(3); CHANEL; MONTAGE ICON
Weit weg von zu Hause,
im südkoreanischen
Seoul, in einem Gebäude
von Zaha Hadid, zeigte
KARL LAGERFELD,
dass er die Signets
südkoreanischer
Kleidungskultur
leichter Hand
in die Luxusspähren
von Chanel erhebt
50
FIND OUT MORE AT
alsterhaus.de . kadewe.de . oberpollinger.de
DIOR; MONTAGE ICON
RETROFUTURISMUS
52
DER ARCHITEKT DER MODE
Bei Dior überbieten sich die Zitatebenen gegenseitig: RAF SIMONS präsentierte seine Cruise-Kollektion im
futuristischen Anwesen „Palais Bulles“ des 92-jährigen Designers Pierre Cardin an der Côte d’Azur. Scharfe
Taillen, Strick und aufgezogene Muster gingen mit der Umgebung eine organische Verbindung ein
53
HINTERGRUND
„Ihr macht
Fashion.
Wir haben
es kapiert!“
Das Getöse bei Louis Vuitton
ist vorbei. Nun gilt es, eine
DENIS ROUVRE/LOUIS VUITTON
Handschrift für die Mode zu finden.
Deshalb spielt die CruiseKollektion plötzlich eine wichtige
Rolle. Vor – das versteht sich
dann doch – großartiger Kulisse.
Inga Griese fuhr mit
Das feine Lächeln ist Programm: Michael Burke steuert als CEO von Louis Vuitton
seit 2012 mit Rückgrat und Weitblick die kostbarste Luxusmarke der Welt
nach Kalifornien
D
er Morgen danach. Der
Blick von der Terrasse
des neuen „Ritz Carlton“ in Palm Springs ist
fantastisch. Wüste, Weite, Amerikas Freiheit.
Es ist Anfang Mai, wir
sitzen weich gepolstert im Schatten, Michael
Burke, der eloquente CEO von Louis Vuitton,
trägt Sonnenbrille, ich auch. Die Party unter
freiem Himmel ging lang, die Präsentation
der Cruise-Kollektion zuvor war so stimulierend wie der verwunschene Garten vom „Parker Hotel“ und die Großzügigkeit der Gastgeber. Eigentlich wollte Louis Vuitton auch in
Seoul zeigen, wie Chanel es tat, man hatte sich
verabredet, die Termine aufeinander abzustimmen, schon aus Gründen der Journalisten-Logistik. Ein hoher Feiertag kam dazwischen, die spektakuläre Location, der Königspalast, musste für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben am geplanten Tag.
Es hätte nicht besser kommen können. Denn
das aufregende Glashaus, das sich Bob Hope
und seine Frau Dolores Anfang der 1970erJahre in die kalifornischen Wüstenberge bauen ließen, war eindeutig der passendere Rahmen für die Kollektion von Nicolas Ghesquière, wie überhaupt die neu erwachte Kreativität und Coolness dieser Region. Ein gutes
Stück weg vom Silicon Valley.
54
Monsieur Burke, nach dem Erfolg gestern
Abend – war es nicht eine glückliche Fügung,
dass Sie umdisponieren mussten?
Ich hätte die Show in Seoul nur im Königspa-
last gemacht. Aber um ehrlich zu sein, war
dies hier Nicolas auch sehr viel lieber. Dieses
Szenario hatte als Bühne so viel mehr Bezug,
es wirkte nicht überwältigend, obwohl es so
spektakulär war. Denn es war zugleich natürlich und bildete eine organische Einheit mit
seinem Gefühl für Design.
Es war interessant, die Gäste zu beobachten.
Gar keine Amerikanerinnen mit zu viel Haar
und zu viel Botox. Zwar so manche in VuittonTotal-Look, aber keiner hatte zu dick aufgetragen, selbst die Prominenten wirkten insgesamt
unaufgeregt.
Ich fand es wie in einem Spielfilm.
Apropos: Es ist inzwischen offensichtlich wichtig für eine Marke wie Louis Vuitton, die Cruise-Kollektion mit einer großen Show wie dieser
zu präsentieren. Liegt das daran, dass Chanel
und Dior das auch machen?
Nein, die Frage ist eher: Warum haben wir das
nicht schon früher getan? Und es hat mit dem
neuen Kapitel zu tun, das wir bei Louis Vuitton aufschlagen. Das erste Kapitel von Marc
Jacobs war genial, er hat alles immer auf den
gegenwärtigen Moment zugespitzt. Da ist die
Fashion Week der Moment, in dem man sich
beweist. Bei der Cruise-Kollektion geht es
eher darum, eine Erzählperspektive aufzubauen. Cruise ist die Saison mit der längsten
Lebensdauer. Es geht also weniger um die Zuspitzung als um das, wofür Louis Vuitton
steht. Das kann man sehr viel wirksamer mit
der Cruise-Kollektion ausdrücken. Man ist etwas entfernt von dem ganzen Fashion-Week-
Rummel, bei dem der tiefere Sinn verloren
gehen kann, weil sich alles um „den Moment“
dreht. Der ist natürlich auch wichtig, aber
manchmal verdrängt der Trend die tiefer liegende Botschaft. Bei der Cruise-Präsentation
steht man sozusagen allein auf der Bühne und
sollte sich in Acht nehmen, dass man dabei
nicht nackt ist. Die Cruise ist für die Perspektive also viel geeigneter als die Fashion Week.
Auch deshalb, weil ich drei Tage Zeit habe,
über meine Botschaft zu sprechen. Bei der
Schau in Paris habe ich nur zwölf Minuten
Zeit. In der 13. Minute haben Sie mich schon
vergessen, denn da sprechen Sie mit jemand
anderem ...
Wie könnte ich!
Und ich geb’ mir auch Mühe! Das ist eigentlich
eine gute Aufgabenbeschreibung: Wie sorge
ich dafür, dass Sie mich nicht vergessen?
(wir lachen, der Kellner bringt Cappuccino.
Trinkt man inzwischen auch in der Wüste)
Zu diesem neuen Kapitel gehört auch, dass
der Rahmen nicht die Kleider überstrahlt. Dabei spreche ich nicht nur von Louis Vuitton,
sondern ganz allgemein von der Mode. Ich
persönlich glaube, dass der Rahmen manchmal zu erdrückend ist, dass es mehr um ihn als
um die Mode zu gehen scheint.
Das richtige Setting spielt aber eine Rolle, um
die Mode erst lebendig werden zu lassen.
Aber das ist eine unterstützende Aufgabe. Bob
Hopes Haus hat diese Unterstützung geleistet.
Das Tal und die Berge – das alles dient als Rahmen. Es ist Zufall, dass Hollywood gleich um
die Ecke liegt, aber es ist wie ein großartiger
Film: Das Set ist wichtig, aber im Mittelpunkt
stehen das Drehbuch und die Helden.
Schreiben Sie schon am nächsten?
Wenn der Oktober vorbei ist, werde ich mich
mit Nicolas zusammensetzen, um zu erfahren,
wohin er sich bewegt und was seine Botschaft
unterstreicht und bekräftigt. Und das ist der
Grund, weshalb wir reisen: um Orte wie diesen zu finden.
Geht es nicht eigentlich noch immer genau darum bei Louis Vuitton: das Reisen? Ist also bei
diesem Markenkern eine Cruise-Kollektion
ganz einfach naheliegend?
Ja, denn das ist ja die ursprüngliche Bedeutung der Cruise-Kollektion. Man kaufte sie,
weil man in den nördlichen Klimazonen lebte
und zu den 0,0001 Prozent der Menschheit
zählte, die in den Süden reisen konnten, wenn
es kalt wurde. So begann es in den 50er-Jahren, als diese winzige Minderheit begann, sich
Reisen in wärmere Gefilde zu leisten. So ist es
heute nicht mehr. Vielmehr geht es darum,
dass wir einen Großteil unseres Geschäfts in
diesen Ländern machen. Unsere Kunden dort
sind nicht auf Reisen, sondern sie leben dort.
In Singapur, Dubai, Miami, Dallas, Südkalifornien und Shanghai. Das sind alles Orte mit
warmem Klima …
Aber auch in Europa leben noch Modekunden.
Manchmal scheint es, dass die Luxusmarken
vergessen, dass es diesen Markt gibt.
Europa steht als Markt ganz vorn. Irgendwann
wird China die Nummer eins sein, aber das
Luxussegment ist immer noch hauptsächlich
europäisch.
In China weiß man nie, ob sich nicht die Spielregeln plötzlich ändern?
Das sehe ich anders. Was passiert, ist, dass die
Chinesen nicht im eigenen Land konsumieren. Sie kaufen doppelt so viel im Ausland ein
wie in China. Und sie kaufen dieses Jahr mehr
als im Jahr davor. Deutlich mehr. Bezogen auf
die Wirtschaft in China haben Sie also absolut
recht, nicht aber, was die Chinesen als Kunden
betrifft. Das Geschäft mit ihnen ist sehr stabil,
das wird nicht wegbrechen. Auf keinen Fall.
Die Chinesen haben ein unbedingtes Bedürfnis danach, denn sie haben ihre eigene Geschichte und kulturelle Abstammung zerstört.
Sie haben keinen Bezug zu ihrer eigenen Vergangenheit, denn das Parteimotto lautete:
Zerstört die Vergangenheit. Sie sind wirklich
losgezogen und haben es buchstäblich zerschlagen. Wir haben unsere kulturelle Vergangenheit noch. Wenn man im Luxussegment wirklich bestehen will, braucht man einen dynastischen Unternehmensansatz.
Es heißt, Sie möchten Louis Vuitton eine neue
Art von Luxus-Image verleihen. Weniger ist
mehr und kostet mehr, so in der Art?
Es ist nicht neu. Ich möchte wieder anknüpfen an das Bestehende. Es mag eine kurze Zeit
gegeben haben, in der wir von unseren
Grundwerten abgewichen sind; die Handwerkskunst, die Kreativität wurden weniger
deutlich. Der wichtigste Wert aber ist Mut.
Wer nicht mutig ist, geht unter. Dass wir noch
heute da sind, nach 160 Jahren, liegt daran,
dass wir es immer waren. In der Selbstgefälligkeit der letzten zehn Jahre ist das eventuell
ein wenig verloren gegangen, darum knüpfen
wir jetzt wieder an unsere Tradition an. Aber
das tun wir auf moderne, relevante Weise. Wir
sprechen nicht nur über die Vergangenheit.
Was bedeutet Luxus heute? Diese Definition zu
finden gilt es doch heute.
Das Schwierigste ist, die richtige Balance zu
finden. Wenn man zu sehr im gegenwärtigen
Moment lebt und zu viel Gewicht auf die Zukunft legt, dann ist es nur noch Mode und entfernt sich zu weit vom Luxus. Andererseits
kann man auch nicht zu rückwärtsgewandt
sein und nur die Tradition erhalten. Man muss
den goldenen Mittelweg finden. Das ist es, was
Nicolas schaffen muss. Diese Shows müssen
also auf das verweisen, was wir waren, und
gleichzeitig ein neues Kapitel aufschlagen.
Es scheint, als gelänge es Nicolas Ghesquière,
das 70er-Jahre-Gefühl von Freiheit und
Bohème, das uns in gewisser Weise alle geprägt
hat und bei den jungen Leuten vielleicht andere, aber ebenfalls Emotionen auslöst, zu transportieren, ohne dass er zum Archivar wird.
Allerdings hat er auch insofern einen Vorsprung, als Louis Vuitton in den 70er-Jahren
keine Mode gemacht hat. Wir können also gar
nicht zum Opfer unserer eigenen Vergangenheit werden. Wir sind nicht Sklaven unserer
Geschichte. Wir können auf die Siebziger Bezug nehmen, ohne uns auf unsere damalige
Mode beziehen zu müssen. Das gibt uns eine
gewisse Freiheit. Manche Designer können
besser als andere die Looks aus dem eigenen
Hausarchiv neu interpretieren; manche können besser ein neues Kapitel aufschlagen und
einen neuen Stil prägen. Und darin liegt seine
große Chance. Ich persönlich glaube, dass diese Freiheit einer der wichtigsten Gründe war,
weshalb Nicolas zu uns gekommen ist. Aber
sie kann auch sehr beängstigend sein, denn
man muss das dann auch leisten: Man muss eine Silhouette erfinden.
Wie reagieren Ihre Kunden auf den Wandel?
Gehen sie mit oder gehen sie?
In den letzten Jahren haben sich unsere Kunden mehr Langlebigkeit gewünscht, etwas
Dauerhafteres in den Designs und der kreativen Arbeit. Sie haben sich manchmal verloren
gefühlt, denn wir haben sie im Grunde jede
Saison aufgefordert, eine ganz neue Frau zu
sein. Wenn man, wie wir damals, darauf aus
ist, sich Glaubwürdigkeit auf einem Gebiet
aufzubauen, nämlich in der Mode, dann ist das
angemessen. Wir hatten vorher keine Mode
gemacht, also musste Marc uns etablieren,
und das tat er mit extremer Mode, die jede Saison komplett anders aussah. Im Prinzip sagten die Kunden schließlich: „Schon gut, okay,
ihr braucht euch nicht mehr so anzustrengen.
Wir haben’s kapiert! Ihr macht Prêt-à-porter,
alles klar!“ Aber was sie wirklich wissen
möchten, ist, wofür wir stehen. Und dann entscheiden sie, ob ihnen das gefällt oder nicht.
Aber sie möchten Orientierung.
Heute mehr denn je, oder?
Genau. Man muss sich entscheiden. Man kann
nicht alles sein.
Haben Sie denn das Gefühl, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben?
O ja, sehr! Kein Platz für Zweifel! Wie sagt
Karl Lagerfeld immer: Kein Plan B!
Er fährt gut damit. Er macht einfach, hält sich
nicht auf mit Vergangenem und erst recht nicht
mit Zweifeln. Wobei er eine Weile gebraucht
hat, um sich diese Freiheit zu erarbeiten.
Dabei hat er ein so langes Gedächtnis. Und alles verweist auf etwas, das es schon gab, aber
er zitiert eben nicht einfach. Wissen Sie, ich
habe bei Fendi zehn Jahre lang mit ihm gearbeitet, manchmal redet er viel, aber wenn er
sagt, dass er sich nie die Archive ansieht, dann
stimmt das. In der ganzen Zeit hat er nicht
einmal gesagt: Kannst du mir mal raus suchen,
was ich 1973 gemacht hab? Nein, es hat sich
einfach in sein visuelles Gedächtnis eingeprägt. Er kennt alles und kann alles zeichnen.
Das ist wie mit seinen Büchern, richtig furchterregend – er könnte Ihnen jetzt hier genau sagen, in welchem Haus und auf welchem Regal
dieser oder jener Band steht.
Karl wuchs zu einer Zeit auf – und ich auch –,
in der Informationen nicht so leicht zugänglich waren. Man musste in die Bibliothek gehen und einen ganzen verfluchten Tag lang
nach einem einzigen Zitat aus einem bestimmten Buch suchen; man musste den Leihzettel ausfüllen, ihn der Bibliothekarin aushändigen und dann warten, bis das Buch kam.
Und wenn es da war, musste man es tatsächlich lesen, um etwas darin zu finden. Heute
weiß man, dass alles überall sofort zugänglich
ist, also muss man sich nichts mehr merken,
sondern hat sein Gedächtnis ausgelagert.
Das Google-Syndrom.
Und das ist gefährlich, denn wahre Kreativität
entsteht dann, wenn man neue Verbindungen
knüpft und die Synapsen neu verschaltet werden. Das ist das Wesen der Kreativität. Man
konfiguriert immer wieder neu. Niemand ist
zu 100 Prozent originell. Das gibt es einfach
nicht. Wir konfigurieren das Bekannte auf
neue, originelle Weise, aber unser Rohmaterial ist nicht völlig neu. Das meiste ist schon da;
es kommt darauf an, wie wir damit spielen.
Darin liegt die Originalität, und das ist es, was
Karl so gut kann. Und Nicolas kann es auch.
Denn er ist ein Modeschüler, ein echter Lernender. Er kann Bezüge zu etwas bilden, ohne
es zuerst zurate ziehen zu müssen.
Für einen solchen Abend muss man eine Menge
Geld ausgeben ...
Was meinen Sie? (lächelt) Das Haus war da,
ich musste nichts bauen! Ich hab nur die Tür
geöffnet und Leute zu mir eingeladen.
Ich könnte ja jetzt mal alles aufzählen: die Miete oder allein die Buffets hinterher.
Es ist jeden Cent wert, jeden. Entscheidend ist
aber nicht, dass man es sich leisten kann. Sondern, dass man sich traut. Ich erzähle Ihnen
mal etwas inoffiziell: Ich hatte dafür gar keine
behördliche Genehmigung. So etwas gibt es
nämlich nicht. Das ist ein Privatgrundstück in
einer Gated Community, dafür gibt es keine
Genehmigungen. Wenn man so eine Veranstaltung mit einigen Hundert Leuten beantragt, sagen die nur: „So was gab es noch nie
und so was soll es auch nicht geben, also sprechen Sie nicht weiter.“ Das war also das
Schwierigste. Es gibt viele Leute mit sehr viel
Geld. Ich könnte einige Unternehmen nennen, die sehr erfolgreich sind, aber die hätten
nie den Mut, so etwas zu organisieren. Vielleicht morgen, da es ja jetzt schon mal jemand
gemacht hat. Aber ich kann Ihnen sagen, dass
ich in leere Gesichter gesehen hab, als ich
Palm Springs sagte. Als wollten sie mich fragen: ‚Was hast du denn geraucht? Gehen da
nicht die Leute zum Sterben hin?‘ Von wegen!
Das war einmal. Jetzt wissen sie es.
55
DURCH
DIE OASE
CRUISEN
Kaufhausbesitzer
Edgar Kaufmann
wünschte sich ein
Refugium in der Wüste
von Palm Springs. Gute
Idee, fanden wir und
haben uns an seinem
Pool mit der Mode
niedergelassen, die
Louis Vuitton tags zuvor
beim Nachbarn
vorgeführt hatte. Ja, in
die Zimmer haben wir
auch mal geschaut
Fotograf: Christian Anwander c/o Schierke Artists; Styling: Nadia Rath; Model: Egle Tvirbutaite c/o Next
Models; Haare: Nathan Jasztal; Make-up: David Jones; Produktion: Beatrice Barkholz c/o Isabel Scharenberg
Creative Management LLC; Produktions-Koordinatorin: Gabrielle Roussos; Produktionsassistenz: Derec
Patrick; Fotoassistenten: Matthew Hawkes, Michael Moser, Styling-Assistentin: Malyssa Lyles
GETTY IMAGES, ULLSTEIN BILD; MONTAGE ICON
Asymmetrisches
Maxikleid aus Leinen
mit schwarzen Lochspitzenstickereien,
Spitzeneinsätzen und
Rüschen. Lederbesatz
an der ärmelfreien
Seite. Dazu ein Taillengürtel aus Lack- und
Glattleder mit Nieten.
Alles von Louis Vuitton
PICTURE ALLAINCE; MONTAGE ICON
Diese Seite:
Maxikleid aus
Seiden-Mousseline
mit Nieten. Der
Stoff darunter ist
in Biesen genäht.
Linke Seite:
Langarm-Top aus
Seide, bestickt mit
Lammleder-Plättchen. Gürtel aus
Lack- und Glattleder
und mit Nieten besetzt. Maxirock mit
hüfthohem Schlitz.
„Steamer Bag“ aus
Kalbsleder. Alles von
Louis Vuitton
Rock und Bluse aus
Seide mit PaisleyMuster und Ledereinsatz in der vorderen
Mitte, eingefasst mit
einer Rüsche. Daran
befestigt sind vier mit
Nieten besetzte
Gürtelfragmente, die
hinten geschlossen
werden. Am Rockbund
sind zwei mit Nieten
verzierte Lederklappen
aufgesetzt. Alles von
Louis Vuitton
REUTERS, GETTY IMAGES; MONTAGE: ICON
Model Egle trägt ein kurzes Leder-Jackett in Karamell mit schwarzer Kreuzschnürung und einem schwarzen Maxirock aus Seide mit
angesetzten Gürtellaschen und Cut-outs an der Hüfte. Poche-Tasche aus Kalbsleder mit Nieten. Alles von Louis Vuitton
63
Bauchfreies, diagonal geripptes Strick-Top aus Kaschmir mit Lederapplikationen an Armausschnitt und Dekolleté. Dazu ein schwarzer
Taillengürtel aus Glatt- und Lackleder und ein doppellagiger Maxirock aus Seide. „Twist Bag“ mit Palmenmotiv aus Epi-Leder
PICTURE ALLIANCE/WEINTRAU; MONTAGE/ICON
Diese Seite: Knöchellanges
Lammleder-Kleid mit von
Spitze inspirierten Cut-outs
Linke Seite: Knöchellanges
Lammleder-Kleid mit hohen
Seitenschlitzen und durchgehendem Reißverschluss in
der vorderen Mitte. Die
„Petite Malle“-Taschen sind
aus Krokoleder und Plexiglas
mit Kalbslederbeschlägen.
Alles von Louis Vuitton
AUFGERÄUMT
Im Chaos
liegt die
Präzision
Androgynität ist aber immer noch ein Thema,
das bei Jil Sander mitschwingt. Ist es eigentlich
einfacher, maskuline Akzente in weibliche Mode einfließen zu lassen als umgekehrt?
Grundsätzlich ja. Die maskuline Mode ist für
weibliche Einflüsse nicht so offen. Aber auch
das ist in Bewegung, denn die jungen Leute
stehen solchen Einflüssen wesentlich offener
gegenüber. Man sieht das zurzeit zum Beispiel
daran, dass junge Männer ganz selbstverständlich Schluppenblusen aus Seide tragen. Auch
ich möchte beide Kollektionen immer auch in
die jeweils andere Richtung öffnen. Das ist
heutzutage sehr wichtig.
Seit gut einem Jahr ist
Rodolfo Paglialunga
Kreativdirektor bei
Jil Sander. Heike Blümner
erzählte der Italiener, was
sich seitdem bei ihm im Haus,
Insgesamt hat man das Gefühl, dass die Mode,
die derzeit aus Mailand kommt, verspielter und
weniger konzeptionell wirkt. Hat das auch Einfluss auf Ihre Arbeit?
Ich sehe das anders. Es wird immer noch sehr
viel mit konzeptionellen, wiedererkennbaren
Motiven
und
Elementen, zum
Beispiel bei den
Accessoires, gearbeitet. Das Logo spielt bei einigen Labels traditionell
eine
große Rolle. Wir
bei Jil Sander
haben allerdings
noch nie mit einem Logo gearbeitet. Von daher sind wir
grundsätzlich
mit dieser Art
von Ansatz nicht
vergleichbar. Bei
uns geht es um
Understatement.
in Mailand und im Rest des
Landes alles getan hat
H
Herr Paglialunga, wie fühlen Sie sich nach der
Fashion Week. Eher erschöpft oder erleichtert?
Ich fühle mich ganz entspannt und bin glücklich über die positive Resonanz auf meine
Kollektion.
Liegt die Entspannung auch am „Rebirthing“,
das Sie praktizieren? Was ist das genau?
„Rebirthing“ ist eine Atemtechnik, bei der es
darum geht, durch gezielte Mundatmung
mehr Sauerstoff in den Körper zu pumpen.
Wenn man gestresst ist, ist das eine sehr nützliche Praktik, um sich zu entspannen.
Jil Sander stand historisch nicht nur für einen starken Look, sondern auch für einen
emanzipatorischen Lebensstil. Was macht
heute eine radikal moderne Frau aus?
Ich glaube, die moderne Frau kann sich
heute mehr Weichheit leisten, sich problemlos weicher und romantischer kleiden, ohne an Autorität zu verlieren. Früher
war das anders, da mussten Frauen noch,
vor allem bei der Arbeit, durch gewisse
maskuline Akzente in ihrer Kleidung ein
Signal setzen.
Ist die Übernahme von Jil Sander durch Sie
auch eine Art kreative Wiedergeburt?
Das wünsche ich mir, denn natürlich möchte
ich das Label mit meinem persönlichen Touch
versehen und eine neue Perspektive auf den
Minimalismus werfen. Es geht darum, das Erbe von Jil Sander weiterzuentwickeln und
nicht alles radikal umzukrempeln.
Ganz ehrlich: Können Sie die Worte Minimalismus, Purismus und Perfektion noch hören?
Natürlich passen diese Worte immer noch gut,
um Jil Sander zu beschreiben, aber ich möchte die Kollektionen öffnen und zeitgemäßer
machen, auch im Hinblick auf eine jüngere
Kundschaft – denn Jil
Sander war bisher eher
ein erwachsenes Label.
Die Verjüngung lässt
sich beispielsweise an
bestimmten Accessoires
erkennen, wie den Hüten aus der kommenden
Sommerkollektion.
66
GETTY IMAGES
Zuletzt zeigten Sie bereits weichere Linien. Ist
das der Schritt in eine
neue Richtung, oder testen Sie Ihre Grenzen?
Ich würde sagen, es ist
beides, und zwar jede
Saison aufs Neue. Ich
liebe es zu experimentieren. Dieses Mal haben
wir etwa versucht, den
Jil Sander-Look fließend zu gestalten, und
diese Leichtigkeit war
neu für das Label.
Der gegenläufige
Ansatz bekommt
aber derzeit viel
Aufmerksamkeit.
Ja, aber davon
lasse ich mich
gar nicht beirren. Wir folgen
unserem eigenen Code. Klar sehe ich auch, dass die Mode
gerade insgesamt lauter wird, dass Sachen
vom Flohmarkt neu interpretiert werden. Die
Leute lieben das, aber all das passt nicht zu einem Label wie unserem, das für Chic und Eleganz steht. Was die Leute doch an Jil Sander
besonders lieben, ist, dass wir nicht so laut
sind wie die anderen.
Weichere Linien, eine
größere Aufgeschlossenheit
gegenüber Mustern und
Farben – Rodolfo Paglialunga treibt die Evolution bei
Jil Sander voran. Looks
oben aus der aktuellen
Herbst-Winter-Kollektion
Und jenseits einzelner Labels: Befindet sich
Mailand gerade im Aufbruch?
Ja, in Italien allgemein und in Mailand ganz
besonders ist einiges in Bewegung. Viele Labels haben den Designer gewechselt, sie müssen frischen Wind zulassen.
In Ihrem Job werden Sie jeden Tag mit aufgeräumten Konzepten konfrontiert. Ist in Ihrem
Leben auch Platz für eine Prise Chaos?
Nicht nur eine Prise! Chaos ist absolut fundamental für kreative Prozesse. Und wahre Präzision findet sich oft mitten im Chaos.
W W W.O L E LY N G G A A R D.C O M
O L E LY N G G A A R D C O P E N H A G E N C O R P O R AT E PA G E
O L E LY N G G A A R D C O P E N H A G E N
C H A R LOT T E LY N G G A A R D _ D K
W W W.C H A R LOT T E LY N G G A A R D. D K
Unser Autor Wolfgang
Büscher, ein eleganter
Flaneur – in geliehenem
Mantel und Schuhen
von Hermès –
beim Spaziergang
am Strand von Biarritz
Und immer
bleibt
das Meer
Jedes Jahr gibt es eine Zeit, in der
der Sommer noch nicht vorbei ist,
und der Herbst noch nicht
begonnen hat. Wolfgang Büscher
flanierte dort, wo sich das gut
erleben lässt: Im Seebad Biarritz.
Massimo Rodari begleitete
ihn mit seiner Kamera
68
L
etzte Wärme auf dem
Gesicht, die Augen geschlossen, noch mal
Sand zwischen den Zehen, ein letzter Sprung
ins Meer – und über allem diese gewisse Stimmung, wenn der Sommer endet. Jeder spürt
es und möchte den Abschied ein wenig hinauszögern. Noch einmal barfuß die Grande
Plage entlang, noch einmal vor dem Lieblingscafé in der Sonne sitzen, wer weiß, wie
lange das noch geht. Still wirken die letzten
Sommergäste auf der Promenade, in sich gekehrter als noch vor Wochen. Alles schaut hinaus auf die Wellen und kehrt der Stadt und
dem Festland den Rücken zu, wie Figuren auf
einem Caspar-David-Friedrich-Bild. Es heißt:
„Der Mensch am Meer“.
Wohin auch sonst schauen? Biarritz ist ruhig
geworden, der Sommerlärm ist verebbt, das
Strandmobiliar abgeräumt, das große Kinderkarussell dreht sich nicht mehr, die Sensationen auch dieses Sommers sind abgereist. Nur
la mer bleibt, es ist immer da, war immer da,
sein immerwährendes Rauschen bei Tag und
bei Nacht. Dunkel herandonnernd, in heller
Wut anbrandend, dann das Spektakel, wenn
Welle auf Welle hoch aufschäumend die Felsen peitscht oder einen Flokati aus Gischt
nach dem anderen über den Strand ausrollt.
Mit dem Meer ist nicht zu spaßen, die Kreuze
auf etlichen vorgelagerten Felsen bezeugen es
– wie viele Schiffe mögen an ihnen zerschellt
sein? Und der Vieux Port, der alte Hafen von
Biarritz, erzählt von der Härte des Seefahrerlebens. Wie hoch seine Mauern sind, sie überragen die ankernden Boote mehrfach. So
klein er ist, beinahe niedlich, so sehr ist er
dem wütenden Meer abgetrotzt. Wer einst
diesen Hafen erreichte, der hatte die Fahrt
durch den stürmischen Golf von Biskaya, hatte Klippen und Felsen überlebt.
Der eigenwilligste Fels von Biarritz ist der Rocher de la Vierge, eine weiße Marienstatue bekrönt ihn. Auch hier oben letzte Sommergäste, die Blicke aufs Meer gewandt. Als ob es sich
davon provoziert fühlte, nimmt es wieder und
wieder Anlauf, und jede fünfte, sechste Welle
schafft es und spritzt bis ganz hinauf – dann
kreischt eine Dame und hüpft ein paar Schritte zurück vor der Gischt.
Ein alter Baske zeigt auf die Küste, die nach
Süden hin bergiger wird. „Ça c’est déjà l’Éspagne!“ Das sei schon Spanien da drüben. „Et ce
château-là“ – er deutet auf ein großes Haus an
der Küste, mit seinen Türmchen schaut es aus
wie eine Villa aus einem Schauerroman – „das
Schloss dort hat ein verrückter Milliardär gekauft.“ Eh bien, ein Verrückter mehr. Die Leute von Biarritz haben sich im Lauf der letzten
150 Jahre an allerlei schwerreiche und manchmal schwer schräge Vögel gewöhnt, die um
die Mitte des 19. Jahrhunderts anfingen, sich
ausgerechnet deren bis dahin ziemlich unbedeutendes Walfängernest zu ihrer Sommerfrische auszuerwählen.
Den Anfang machte Kaiserin Eugenie, eigentlich María Eugenia Ignacia Augustina Palafox
de Guzmán Portocarrero y Kirkpatrick, Tochter des Grafen – um es noch einmal in seiner
ganzen spanischen Grandezza zu sagen – Don
Cipriano Palafox de Guzmán y Portocarrero,
Conde de Teba, Conde de Montijo, und dessen
schottisch-spanischer Ehefrau Maria Manuela
Kirkpatrick. Das schöne Mädchen aus Granada
gefiel dem letzten Kaiser der Franzosen so
gut, dass er standesgemäßere Heiratspläne
aufgab und Eugenie zu seiner Frau und letz-
ten Kaiserin machte. Der Hof giftete, die englische Presse spottete über diesen albernen
Anfall von Romantik in Paris, aber dann geschah etwas, das auch in heutigen Königshäusern mitunter vorkommt – Eugenia erwies
sich als die richtige Wahl.
Eugenie verschaffte dem dritten Napoleon
noch einmal Ausstrahlung und seinem Hof
Eleganz, sie war gebildet und klug, verstand
etwas von Mode, und politisch ambitioniert
war sie auch. Von all ihren Taten in der damaligen Weltpolitik blieb jedoch eigentlich
nichts – mit Ausnahme von Biarritz. Als Kaiserin hätte sie ihre Sommer auch in einem eingeführten Seebad verbringen können – aber
nein, es musste dieses Fischernest sein. Wenige Hundert Einwohner, nichts Besonderes.
1854 kam Eugenie für zwei Monate nach Biarritz, woraufhin ihr sie liebender Kaiser ihr
dort eine Sommerresidenz errichten ließ, in
der das hohe Paar dann tatsächlich seine Sommer zu verbringen pflegte. Eugenie setzte
Biarritz beim europäischen Hochadel als
Sommerfrische der Belle Époque durch.
Kaiserin Elisabeth („Sisi“) von Österreich-Ungarn kam. Könige kamen, etwa die von Portugal und Belgien. Man sah englische Lords und
spanische Granden auf der Promenade spazieren. Am Ende des 19. Jahrhunderts beehrten rund 10.000 Sommergäste das ehemalige
Fischerdorf. Diese elegante Welt ist erloschen.
Sie flackerte zwischen den Weltkriegen noch
einmal auf, als man in Biarritz CharlestonKlänge aus den großen Hotels hörte und Silhouetten in Frack und Bubikopf dazu tanzen
sah.
Aus und vorbei. Sie stehen noch hier, die Villen der Belle Époque, die Hotels, aber ihre
hochadeligen Sommergäste sind längst weitergezogen. Eugenies Sommerpalast ist jetzt
ein Hotel, das prächtigste von allen, unbestritten, aber der russische Herr am Nebentisch
raunzt und poltert in sein Cellphone, völlig
unbekümmert um so etwas wie Etikette, und
der Kellner im schwarzen Anzug ist zu höflich, um es überhaupt wahrzunehmen. Genug
gesehen, „l’addition, s’il vous plaît!“ Vor dem
Palais tröstet der Anblick einiger antiker Maseratis über das Erlebte hinweg.
Doch Biarritz ist zu schön, um alten Zeiten
nachzutrauern. Es gibt ja neue. Und neue
Sommergäste. Es sind die Surfer, sie haben die
Belle Époque beerbt. Statt eleganter Uniformen und Kleider sieht man jetzt Männer und
Frauen in hautengen Neoprenanzügen am
Strand, das Brett unterm Arm. Sie suchen
nicht die Sommerfrische und nebenbei allerhand Liebschaften und diplomatische Spiele,
sie suchen den Rausch der idealen Welle. Es
zieht sie ins Meeresrauschen hinein wie einst
die Walfänger – aber aus freien Stücken, nicht
notgedrungen wie jene Männer in ihren Booten. Schon frühmorgens, bevor erste Sonnenstrahlen den Strand vergolden, eilen die Wellenanbeter zum Strand. Sie gehen nicht, sie
rennen, Brett unterm Arm, die Passage
Gardères hinab und weiter über den Sand und
in die Wellen hinein.
Ihr Tempo hat etwas Kultisches. Man macht
das so, man schlendert, man spaziert nicht
zum Surfen, man eilt zum Strand und rennt in
die Brandung, so gehört es sich. Das rituelle
Rennen der Surfer zum Meer erinnert an den
eiligen Schritt der Frommen von Jerusalem
auf dem Weg zum Freitagsgebet oder zur Klagemauer – was man liebt, will es sagen, zu
dem schlendert und trödelt man nicht, dahin
rennt man. Der Gott der Surfer ist die perfekte
Welle.
Die Surfer sind schön, wenn sie auch längst
nicht alle perfekt sind. Schälen sie sich, wenn
die Sonne sinkt, aus ihrer Surferhaut wieder
heraus, sieht man Halbgötter und Göttinnen,
aber auch gedrungene, mitunter massige Körper. Sie sind trotzdem schön. Schönheit ist
nichts, was mit Maßband und Waage zu messen wäre. Schon eher ist das Maß der Schönheit eine gewisse Stimmigkeit der Erscheinung. So wie man über das Blatt eines Zeichners sagt: Er hat den Strich. Schlank gleich
schön, das stimmt ja nicht. Ein Schlanker
kann klapprig sein, ein Dicker schön wie ein
praller Fisch. Als unschön empfinden wir, was
holpert und hapert und sich nicht zu einem
bewegten Ganzen fügt.
Einem Surfer kann das nicht passieren. Wer
ganze Tage in der Tiefebene zwischen zwei
Wellenkämmen auf der Lauer liegt, um die
beste Welle zu reiten, der wirft sich ganz aufs
Meer, und er kommt als ein Ganzes wieder heraus. Dutzende sind es immer noch jetzt im
Herbst, schwarze Körper, hier und da ein bunter Fleck. Eine Kolonie seltsamer Seewesen,
die sich da draußen niedergelassen hat, in sicherer Entfernung zu Land und Mensch, aber
auch zum offenen Ozean. Stunde um Stunde
lauern sie auf ihre Wellen. Zehn Sekunden
vielleicht reitet die Welle, wer sich im richtigen Moment aufs Brett stemmt, nur die Besten halten sich etwas länger oben beim Meeresrodeo.
Die Coolsten von allen sind die Rettungsschwimmer. Sie tun gar nichts. Sitzen reglos
da und tragen orangene Westen, darauf steht
ihr Ehrentitel: Sauveteur de Biarritz. Die Kapuzen ihrer Hoodies tief in die Stirn gezogen,
schauen sie hinaus, das reicht für heute.
Nichts los. Am 22. August 1862 war das anders,
da war hier was los. Ein groß gewachsener
Deutscher, nicht mehr der Allerjüngste mit
seinen 47 Jahren, schwamm aufs Meer hinaus,
und er war nicht allein. „Die köstlichste aller
Frauen“ schwamm mit ihm, so nannte er sie in
seinen Notizen: Katharina Orloff, 21 Jahre alt,
die Frau des russischen Fürsten Orloff. Es ist
nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie für Otto
von Bismarck die Liebe seines Lebens war.
Und anscheinend wurde seine Liebe erwidert.
Die beiden schwammen an jenem Augusttag
hinaus, Bismarck geriet in Seenot und wäre
wohl ertrunken, wenn nicht ein baskischer
sauveteur – die gab es damals schon – ihn aus
den Wellen gerettet hätte. Bismarck war so
dankbar, dass er der Patenonkel des Sohnes
seines Retters wurde.
Nun kann man spekulieren. Was wäre, wenn:
Bismarck ertrunken wäre; er nicht den siegreichen Krieg gegen Frankreich 1870/71 geführt hätte; er Napoleon III. und seine Eugenie nicht ins Exil gezwungen hätte; es noch
ein Weilchen weitergegangen wäre mit dem
französischen Kaisertum und das deutsche
Kaiserreich nicht im Spiegelsaal von Versailles ausgerufen worden wäre. Kein WK I?
Kein WK II? Alles auf null? Ach, lassen wir
das, es bringt ja nichts, schauen wir lieber aufs
Meer.
Sein wildes, alles übertosendes Rauschen,
jetzt im Herbst wird es stärker. Alleiniger,
wenn die Sommermusik verklingt. So wie
heute der ozeanische Rhythmus in den Schlaf
letzter Hotelgäste dringt, so drang er vor Jahrhunderten in die Träume der Männer, die auf
Walfang hinausfuhren, in den Schlaf der Frauen und Kinder in ihren Fischerkaten. Wo ist
die Belle Époque? Wo der dritte Napoleon?
Wo Bismarck? Nur das Meer ist immer noch
da. Und Eugenies Sommerpalast.
69
ACCESSOIRES
Im Windkanal
1
Jetzt im Oktober heißt es: Raus! Die letzten schönen Tage
auskosten. Es ist noch nicht so kalt, dass man dicke Daunen
brauchte. Darum hüllen wir uns jetzt besonders gern in Capes.
Wir fanden passende Modelle und die richtigen Accessoires zum
Flanieren – durch Stadt oder Wald
2
22
3
21
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6
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14
5
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15
9
16
17
11
1. Gut behütet: Modell „Kate“ von Maison Michel. 2. Kleine Taschen passen über jedes Cape:
von Furla. 3. Umhang und Daune gibt’s von Fay. 4. Auf hohen Hacken durchs Laub: Stiefel von
Etro. 5. Weich und warm: Stiefel „Abree“ von Ugg. 6. Kaschmir-Geometrie: Cardigan von Barrie. 7. Fransig:
Poncho von Iris & Ink (theoutnet.com). 8. Mrs Sherlock Holmes: graues Cape von Miu Miu (mytheresa.de). 9. Gewagt? Nö, gewalkt. Von Marc O’Polo. 10. Trägt sich bestens: Tasche von Giorgio Armani. 11. Gut kombiniert: Kaftan „Camille“
mit Lederfransen von Antonia Zander. 12. Stilvoll wärmen: Handschuhe von Dior. 13. Flotter Biber: mit Fellbesatz von Inès &
Marechal (matchesfashion.com). 14. Blau ist und bleibt Trend: Stiefel von Unützer. 15. Kuschelig: Kaschmir-Cape „Murillo“
von Iris von Arnim. 16. Außen grau, innen taupe: aus Double-Face von Joseph. 17. Windundurchlässiges gibt’s von Belstaff.
18. Zwei in eins: Bag-in-Bag-Tasche von Boss. 19. Streifen-Capechen: von Moncler. 20. Nicht nur für Offiziersanwärterinnen:
Umhang von Valentino (stylebop.com). 21. Meiner! Burberry verziert den Poncho aus einem Woll-Kaschmir-Mix auf Wunsch
mit einem Monogramm. 22. Zugeknöpftes gibt es diesen Winter bei Cos.
Schön kurz:
Cape „Rocabar“
von Hermès
Flausch: Bei
Michael Kors
Collection
gibt’s Capes
mit Fellkragen
GETTY IMAGES(2);MONTAGE: ICON; ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
10
FAMILIENSACHE
Ganz großer Stoff
Wenige Familien haben einen Landstrich so geprägt wie die Zegnas die
Gegend um Trivero. Nun kooperiert das exklusive Männerlabel mit Maserati.
Philip Cassier und Massimo Rodari (Fotos) haben erfahren, was Italien kann
O
asen sind aus der Mode gekommen. Was dem Verdurstenden einst in der Wüste Labsal versprach,
kann sich heute als 24-Stunden-Schnapshandel
entpuppen – oder gar als eine dieser „Wellnessoasen“, die dem Mann für ein paar Handvoll Euro
kurzfristige Erleichterung versprechen. Wenn
nun eine exklusive Bekleidungsmarke eine ganze
Region in den italienischen Alpen als „Oasi“ bezeichnet, könnte man
deshalb falsche Schlüsse ziehen: Es liegt nah, zu glauben, das sei ein
Ort, an dem im Akkord Füße massiert werden und man bei entsprechenden Gelüsten dazu Würfelzucker in die Ohren gepustet bekommt.
Manche Menschen halten so etwas ja für die Krone der Erholung.
In Zegnas Oase würde dieses Klientel allerdings so gut passen wie ein
Glitzersmoking ins Sonnenblumenfeld. Tiefrot leuchtet beispielsweise
der Teppich im Treppenhaus des vorsichtig renovierten Hotels „Bucaneve“, an der Wand des Speisesaals grüßt ein Hirschgeweih in Richtung massivhölzerne Tische. Den Blick hinab auf das von Orange beleuchtete Städtchen Trivero bezeichnet Zegnas „Fashion Communication Director“ Andreas Bergbaur auf Österreichisch als „Äl-Äj Stääihjl“
(Anm. des Übersetzers: L.A.-Style). Doch fragt man sich beim Genuss
des Risottos aus Reis und Pilzen, die vor der Haustür gedeihen, ob er
seinem Arbeitgeber damit einen Gefallen getan hat; Kalifornien, das ist
noch immer eine recht neue Welt. Hier im Piemont aber, auf bis zu
1500 Meter Höhe, zeigt Europa mal ganz nebenbei, auf was für einer
langen Tradition es fußt, ohne dabei alt zu wirken
Den Effekt könnte das Unternehmen kalkuliert haben. Es geht diesmal
darum, die Partnerschaft mit dem Sportwagenbauer Maserati erlebbar
zu machen, da sind Tradition und Innovation ein großes Thema. Wie
bei der Inneneinrichtung des Modells „Quattroporte S“: Wer mag (und
zahlt), erhält eine veredelte Seide aus der Weberei unter dem Dach und
in die Türen eingebaut. Die Stoffart ist schon lange bekannt, aber sie so
zu behandeln, dass er sich im Fond eines Autos nicht schnell abnutzt,
hat Zegna Jahre an Entwicklungszeit gekostet. Keine schlechte Investition – die Landschaft besteht hier im Frühherbst aus allen Arten von
Grün, dazu kommen Serpentinen und steile Winkel: Die Augen befinden sich also beim konzentrierten Fahren im Zustand ständiger Überflutung, da wirkt der ruhige Innenraum als entspannender Kontrast.
Noch dazu ist das Gefährt trotz seiner vier Türen ein wahrer Sportsmann. Touchiert man das Gaspedal auch nur minimal, geht es sofort
brutal voran, da mag die Straße noch so ansteigen, 410 Pferdestärken
lassen sich nur mühsam zähmen. Zegnas deutsche Besucher kommen
jedenfalls rasch überein, den Job des Fahrens in die Hände des Profis an
ihrer Seite zu legen: Pasquale ist ein Mann um die 50, mit Bäuchlein
und kurzem, grauem Haar. Sein Kommunikationsbedürfnis belegt, dass
man sich südlich der Alpen befindet – und die Inbrunst, mit der er die
Worte „Spaghetti Carbonara“ ausspricht, lassen vermuten, dass seine
Frau am Herd einiges zu tun haben dürfte.
Um das Geschoss zu ergänzen, hat die Firma eine Kollektion herausgebracht. Zentral ist der ultraweiche Nappalederblouson mit den
Hightechfaser-Ärmeln, er hält bei offenem Fenster warm und passt sich
dem Körper an. Sneaker, Sonnenbrille, Schal, Weekender und Lederwaren runden das Paket ab. Und wie das bei italienischem Design so ist,
braucht man keine Angst zu haben, in den Stücken unbemerkt zu bleiben. Fahrer Pasquale befindet passend dazu: „Mit der Brille sieht man
aus wie James Bond.“ Daniel Craig trägt als James Bond übrigens Anzüge von Tom Ford, der auch ein Kunde der Lanificio Zegna ist.
Den Werbeeffekt nimmt der CEO Gildo Zegna sicher gern mit. Doch
das ist nicht der Kern seiner Marke. Obwohl man global mehr als eine
Milliarde Euro erwirtschaftet, handelt es sich nach wie vor um ein reines Familiengeschäft. Gildos Schwester Anna beispielsweise kümmert
sich um eine Stiftung, ist Image-Beraterin der Group und Mitgründern
der „Oasi“, Cousin Paolo ist Vorsitzender der Gruppe – und so geht es
weiter. Doch überstrahlt werden sie alle noch immer vom Firmengründer Ermenegildo Zegna. Man kann sagen, dass dieser Mann im schweren Mantel, der 1965 starb, die ganze Region veränderte: Seit er 1910 als
18-Jähriger in die Firma seines Vaters einstieg, der hier eine kleine Weberei unterhielt, blieb in den Bergen buchstäblich kein Stein auf dem
anderen. Zegna ließ die Straßen bauen, über die Pasquale nun den Maserati lenkt; er ließ in den 30er-Jahren die Stofffabrik errichten, die
noch heute feinstes Tuch produziert; er sorgte dafür, dass seine Arbeiter in einem eigenen Krankenhaus medizinisch versorgt werden konnten; er ließ 500.000 Nadelbäume in die Berge pflanzen – und all das
sind nur die sichtbarsten Taten dieses Mannes, der heute auf einem
Friedhof mit Sichtachse zu seiner Fabrik liegt.
Nostalgiker könnten nun sagen: Das ist tiefstes 20. Jahrhundert, da gab
es eben noch Unternehmer, die Kapitalist, Gewerkschaftsboss und Naturschützer in einer Person waren, die glaubten, sie hätten es nur dann
am besten, wenn es allen anderen gut gehe. Doch wer so etwas behaup3
tet, der hat die Nachkommen des Gründers nicht erlebt. Was das
Zwischen den Gipfeln entstehen einige der besten Stoffe der Welt – manche finden
sich neben Leder in Zegnas Capsule Collection für den Maserati Quattroporte S
Impressionen aus Zegna-Land: Satte Farben, steile Winkel, ein Maserati mit
Sonnenbrille und kommunikativem Fahrer, das erste Geschäft des Unternehmens
atmet noch heute in Sachen Interieur den Geist der 30er-Jahre. Anna Zegna
gönnt sich im Hauptquartier ein Lächeln (unten), die Fabrik ist stilecht mit
Schornstein; Und Zegnas Maßkleidung kann man sich – bei entsprechendem
Körperbau – so stark taillieren lassen, dass der Look ins Britische geht
74
3 Arbeitsethos und den Habitus betrifft, könnte man Gildo oder Anna
Zegna für – Verzeihung – Protestanten halten. Die Kleidung schlicht
geschnitten, kommen sie in Gesprächen direkt zum Punkt – und wenn
sie in Trivero sind, essen sie in der Kantine mit den Arbeitern an weißen Tischen Dinge wie Gnocchi. So sehr man sich dann bemüht, aus
den Angestellten ein kritisches Wort herauszubekommen, es wird
nicht zu hören sein: „Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“,
sagt die PR-Referentin Alessia Milan, eine Mittzwanzigerin im Blazer
aus der Region, ohne einen Hauch von Ironie. Im sogenannten „Baby
Forest“ in der „Oasi“ wird für jedes neugeborene Kind der rund 7000
weltweit Angestellten ein Baum gepflanzt, manchmal im Beisein der
Familie; eine merkwürdige Vorstellung, Gildo Zegna da mit einer
Schaufel in der Hand ein Loch in den Boden buddeln zu sehen.
Doch auch dieses Imperium verändert sich rasant. Im Museum hängen
die Anzüge und Mäntel des Firmengründers als Zeugen der Vergangenheit hinter Glas, so massig, dass sie heute auf dem Markt keine Chance
mehr hätten. Selbst die hochgeknöpften Stücke aus den Neunzigern
wirken schwer – damals verkaufte das Unternehmen längst weltweit
eigene Kleidung und stellte nicht nur wie unter Ermenegildo Tuche
her. Doch ist derzeit auf dem Markt exklusiver Stoffe für Männer ein
Wettrüsten im Gange: Wer stellt die leichteste Ware mit der dünnsten
Faser her, die man noch verarbeiten und tragen kann? Zegna ist da mittendrin. Einst brach man die Vorherrschaft der Briten mit ihren schweren Qualitäten – daran gilt es stets anzuknüpfen, denn außer den eigenen Kollektionen beziehen eben Labels wie Tom Ford ihre Stoffe weiter aus Trivero.
So wird man in der Fabrik Beobachter eines beinahe absurden Aufwands: Da werden Merino, Seide, Kaschmir und Vikunja angeliefert,
Fasern für Kammgarne parallelisiert und Fäden gesponnen, die zu fein
fürs bloße Augen sind; da werden Farben und Garne gemischt, Zentimeter um Zentimeter auf vollelektronischen Stühlen komplizierte
Muster gewoben, von Frauen in Kitteln kontrolliert, korrigiert, wieder
kontrolliert, gewaschen und gebügelt, bis sie endlich aus dem lauten
Tohuwabohu der Hallen entlassen werden. Es macht einfach viel Mühe,
einen Anzug auf diesem Niveau von der Faser bis zum Knopfloch ganz
aus einem Unternehmen anzubieten. Hinzu kommt, dass Luxuskunden
nicht dafür bekannt sind, Abstriche zu verzeihen, es muss also ein geradezu Oli-Kahn’scher Druck herrschen.
Die zweite bedeutende Herausforderung kann das Unternehmen nicht
allein im Zegna-Land meistern. Längst hat die digitale Revolution dafür gesorgt, dass sich die ganze Idee des Exklusiven gewandelt hat –
das, wofür man früher ein Geschäft aufsuchen musste, kann man heute
mit ein paar Klicks kaufen. Spricht man Anna Zegna hinter ihrem weißen Schreibtisch im ultramodernen Mailänder Hauptquartier darauf
an, so wird sie zunächst leicht unwillkürlich mit dem Kopf nicken.
Selbstredend, erläutert sie dann, müsse eine Firma wie die ihre im ECommerce und überhaupt im Netz präsent sein: „Die meisten Informationen kommen ja dort her.“ Ihr Bruder Gildo hat dazu einmal gesagt,
man könne profitieren, weil Männer sich dadurch auch immer mehr
mit ihrem Äußeren beschäftigten.
Doch abseits dieser Strategie baut Zegna sein Geschäft mit Maßkleidung aus. Nicht nur im Mailänder Flagshipstore gibt es dafür eine eigene Etage. Wer sich hier am langen Holztresen in die Hände Angelo Semeranos begibt, merkt sofort, was hinter dem Konzept steht: Man will
ein Gesicht zum Anzug präsentieren – in Semeranos Fall sieht es aus
wie das des jungen Robert „I make him an offer no refuse“ De Niro;
man will eine Geschichte erzählen, und man will einen Begleiter bei
der Auswahl zur Verfügung stellen. Speziell der letzte Punkt scheint
wichtig zu sein: Semerano beginnt seine Sätze oft mit einem „In diesem Fall schlage ich vor ...“, denn die Möglichkeiten können selbst modebewusste Italiener überfordern, von Deutschen wollen wir hier
nicht reden. Viele reguläre Konfektionsanzüge können mit einem
Preisaufschlag nach Maß geordert werden, es gibt zwei Macharten: Bei
der einen kommen mehr Maschinen zum Einsatz, bei der anderen wird
alles, was geht, mit der Hand geschnitten und genäht.
Drei Wochen braucht Zegna vom Messen und Besprechen der Passform bis zum Ausliefern. Das ist weniger als bei der Konkurrenz. Doch
manchem ist das noch immer nicht schnell genug – ein russischer
Kunde, der 20 Stück kaufen möchte, will gerade von einem von Semeranos Kollegen wissen, warum er warten müsse. Darauf gäbe es nun
viele Antworten – die beste aber stammt aus der Familie. Auf die Situation angesprochen, zitiert Anna Zegna im Interview ihren Großvater
Ermenegildo. Der erklärte ihr, es sei besser, Zeit und Geld in höhere
Qualität zu investieren, weil die von größerer Dauer sei und dadurch
wieder günstiger werde. Dann gönnt sich die Frau im Hosenanzug die
Andeutung eines Lächelns: „Eigentlich könnte man sich mal fragen,
was man mit 20 neuen Anzügen machen will. Man kann sie ja nicht alle
auf einmal anziehen.“ So sprechen Menschen, die von sich behaupten
können, eine echte Oase geschaffen zu haben.
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Schnitzler/Münster, Wirschke/Düsseldorf, Engelhorn/Mannheim, Breuninger Stuttgart/Nürnberg, Lodenfrey/München,
Sträuli/Zürich, Sagmeister/Bregenz, Astile House/Tokyo.
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MIT DICKER SCHRIFT
ES KÖNNTE DER ELBSTRAND SEIN. ODER
DER VON SYLT. DER NORDEN HAT JIL
SANDER, GEBOREN IN WESSELBUHREN,
GANZ NAH DER KÜSTE, GEPRÄGT UND
NIE HAT SIE IHN BEI ALLER
INTERNATIONALEN KARRIERE
VERLASSEN ODER VERLEUGNET. DAS
NORDDEUTSCHE IST BEI IHR IMMER DER
INSTINKTIVE PERFEKTIONISMUS, DAS
GESPÜR FÜR PROPORTIONEN, DIE
ÄSTHETIK. UND DIE MODERNITÄT, DIE
SICH IM RÜCKBLICK ZEIGT. IRVING PENN
HAT IHRE BADSERIE FOTOGRAFIERT!
SIMS, MCDEAN, SCAVOLO, KNIGHT UND
IHR GUTER FREUND PETER LINDBERGH:
GANZ FRÜH SCHON HAT SIE MIT DEN
GROSSEN FOTOGRAFEN GEARBEITET.
DABEI WAR IHR ANSINNEN STETS, DASS
MODE „NICHT SO OFFENSICHTLICH“
SEIN DÜRFE. INGEBORG HARMS HAT
PETER LINDBERGH
AUFGESCHRIEBEN, WIE ALLES BEGANN
77
lles in Jil Sanders Karriere scheint sich beiläufig und wie von selbst ergeben zu haben. Immer soufflierte der Instinkt ihr den
nächsten richtigen Schritt. Die Räumlichkeiten für ihre erste Boutique boten sich
ihr an, als sie eine Freundin in Hamburg in
ein Lampengeschäft begleitete. Der Besitzer erwähnte plaudernd, dass er an den
Mittelweg umziehen und seinen aktuellen
Laden vermieten wolle. „Dann nehme ich den!”, sagte Jil Sander
ohne nachzudenken, machte die kühne Eingebung wahr und
stieg 1968 in die Selbstständigkeit ein. Ganz ähnlich klingt die
Geschichte ihres ersten Parfüms. Die junge Frau mit der feinen
hellen Haut debütierte 1974 vor der Kamera des Stern-Fotografen
Werner Bockelberg als Model für CD-Seife („An meine Haut lasse
ich nur Wasser und CD”). Kurz darauf meldete sich ein Headhunter, um sie für eine Estée Lauder-Werbung zu gewinnen. „Nein”,
sagte sie spontan, „so etwas würde ich gern selber machen”. Und
so, setzt sie im Rückblick auf die Genese ihres ersten Parfüms
hinzu, „ging die Kosmetikgeschichte los.”
„Woman Pure” kam drei Jahre später auf den Markt und war wie
alles bis ins kleinste Detail von ihr mitgestaltet worden. Jürgen
Scholz, der mit seiner Agentur Scholz & Friends gerade nach
Hamburg gezogen war, übernahm die Werbekampagne. „Wenn
Sie so dahinterstehen, dann bewerben Sie es doch selber”, schlug
er vor. Auch Peter Schmidt, der den Flakon entwarf, drängte dazu, „dass sie mit ihrem tollen Gesicht die Werbung trägt”. Also
A
78
flogen sie nach Paris zu Guy Bourdin, einem der renommiertesten Modefotografen seiner Zeit. Doch dieser sex- und popfarbenverliebte Helmut Newton auf Speed vermochte der verhaltenen
Aura der Hamburgerin nicht gerecht zu werden. Nach dem Flop
brachte die spätere „Vogue“-Chefin Angelica Blechschmidt den
Amerikaner Francesco Scavullo ins Spiel. „Ich musste in New
York meinen Kopf hinhalten”, erinnert sich Jil Sander. „Ich war
sehr nervös, es ging um viel Geld. Es stellte sich auch noch ein
Zucken in meinen Gesichtsnerven ein, das ein Heilpraktiker in
China Town beseitigt hat. Und dann war es ein solcher Erfolg.
Vielleicht hat man etwas über das Aussehen erreicht. Durch die
Glaubwürdigkeit.”
Die Zeitschriftenkampagne lief auf einer Doppelseite, links das
Porträt der Designerin mit bloßen Schultern, ungeschützt, nackt
wie Yves Saint Laurent für seinen „Opium”-Auftritt, rechts der
Flakon auf schwarzem Grund. Das Spiegelverhältnis sagte alles:
Ihre Essenz steckte in dieser magischen Flasche. Die Besessenheit, mit der Jil Sander die Produktgenese begleitete, machte
sich bezahlt. Auch in den für ihre Avantgardemode schwierigen
80er-Jahren unterstützte sie das Parfümgeschäft. Sie hatte auf
dem deutschen Markt eine Revolution eingeleitet. Zu einer Zeit,
in der sich die Damen französische Duftwolken wie Shalimar
und Mitsouko aufsprühten, modernisierte sie den Geruchssinn:
„Als jemand aus dem Norden bin ich empfindlich mit Gerüchen,
viele finde ich zu haftend und intensiv. ,Woman Pure’ war von einer pudrigen Leichtigkeit. Es war ungewöhnlich, seine Essenzen
3
hatten einen schönen Zusammenklang. Ich muss in den
PETER LINDBERGH
Am Strand von Arles in der Camargue hat Peter
Lindbergh 1993 die Porträtserie auf dieser und
den folgenden Seiten seiner guten Freundin
Jil Sander aufgenommen
FRANCESCO SCAVULLO (PORTRAIT) UND IRVIING PENN (STILL) FÜR DIE JIL SANDER PARFÜM KAMPAGNE
PETER LINDBERGH
Barfuß im Sand. Ein Moment und ein Lebensgefühl. Alles immer möglichst pur. Die Nähe
zum Wasser hat Jil Sander geprägt
3 Gesprächen mit Scholz & Friends immer ,pure, pure, pure’ gesagt haben. So kam der Name zustande.”
Längst ist der nicht mehr erhältliche Duft zum Mythos geworden, neben „Jil Sander Sun“, der noch heute ein Selbstläufer ist,
ist er für einen großen Teil der Fanpost verantwortlich, der sich
Jil Sander, vor allem in Internet-Blogs, weiter erfreut. Für den
„Woman Pure“-Flakon fuhr Peter Schmidt nach Italien: „Ich war
wochenlang in Parma und habe von den Handwerkern dort erst
richtig gelernt, wie man mit Glas arbeitet. So sind enge Freundschaften entstanden. Das war die schönste Zeit meines Lebens.
Sie haben mir Mut gemacht, diesen Flakon zu entwickeln. Die
hatten auch eine Sehnsucht nach einer neuen Form. Die Spitzen
an den Außenflächen sind so ausgereizt, dass wir am Anfang nur
Bruch hatten. Trotzdem haben wir es durchgesetzt.”
Für das Parfüm entstand ein perfekter Kubus mit vier quadratischen Seiten, das Eau de Toilette nahm die Gestalt eines aufrechten Doppelwürfels an. In ihrer Schwere, massiven Dichte und
konstruktiven Klarheit waren die Flakons von zukunftsweisender Klassizität. Die Wahl von Frosted Glas gab ihnen eine elegante, vornehme Aura, während die kantige Form auf sublimierte
Weise an industrielle Kolben, kondensierte Kraft und das Einrasten technischer Gelenke denken ließ. Dieser spannungsvolle,
wahrhaft androgyne Flakon hatte nichts mit dem Themenspektrum schwüler Nächte und üppiger Boudoirs zu tun, die damals
die Duftproduktion inspirierten. Statt von ätherischen Valeurs
und femininem Geheimnis sprach „Woman Pure” von einer klar
umrissenen Persönlichkeit mit strahlendem Kern. „Es war bei
uns überhaupt nicht so üblich, den Unterschied zwischen Mann
und Frau hervorzuheben”, bemerkt Peter Schmidt, “auch nicht in
den Düften”. „Ich bin immer sehr von mir selber ausgegangen”,
kommentiert Jil Sander die spätere Pflegeserie „Face Pure". „Ich
bin viel geflogen. In der Parfümerie erhielt man für die Haut eine
ganze Tüte mit Produkten. Ich wollte die Gesichtspflege einfacher gestalten und bin von der sensiblen normalen Haut ausgegangen. Ein dermatologisches Institut in Wien hat uns unterstützt.“
Peter Schmidts Flakon-Briefing durch Jil Sander war sehr bezeichnend für die Königin des Weniger: „Sie hat angefangen mit
allem, was sie nicht haben möchte. Nicht den Wiener Chic, dessen Auswüchse in den Parfümerien standen, darüber würde man
heute nur lachen.” Jil Sanders kreative Entscheidungen waren
instinktiv subversiv, auch wenn sie, die ihre Marke im Jahr der
Studentenbewegung gründete, „für Revolte keine Zeit hatte”.
Denn ihr Auge war unbestechlich und bedingungslos modern.
„Es ist immer beweglicher und feingliedriger geworden”, sagt sie
heute. Ihre Subversivität war dialektischer Natur, auf ihren
Marsch durch die Parfümerien und Boutiquen vergaß sie nicht,
Tradition und Handwerk mitzunehmen. In einer Modewelt, die
sich anschickte, zur Massenproduktion zu werden, setzte sie als
eine der ersten in Deutschland auf Prêt-à-porter und verbannte
doch die damit einhergehende Nichtigkeit aus ihren ornamentlosen Entwürfen. Dass Peter Schmidt für „Woman Pure“ die Glasbläserei in Parma studierte und über Scherbenhaufen zum Erfolg schritt, war ihr gerade recht. Sie lud Handwerk, Solidität 3
Es war eine Sensation, etwas ganz Neues, dass Jil Sander selbst für ihre Kosmetik- und Parfümlinie warb.
Den Anfang machte der Duft „Woman Pure“. Die Kampagnenfotos (links) wurden unter anderem von
Irving Penn geschossen. Das „Frottee“-Porträt der Modeschöpferin selbst ist von Francesco Scavullo
81
PETER LINDBERGH
SHALOM HARLOW BY CRAIG MCDEAN FOR JIL SANDER S/S 1995 LOOKBOOK
Die Aufnahme folgte aus einer Laune heraus,
aber man darf sie auch symbolisch verstehen.
Denn so ikonisch Jils Sanders Porträt in der
Kosmetik-Werbung wurde, so ungern lässt sie
sich eigentlich fotografieren
3 und Erfahrung in ihr Zukunftslabor ein. „Mach etwas ganz
Kräftiges, Starkes, nichts Schwächliches, sonst kriegen wir auch
die entsprechenden Frauen”, diktierte sie ihm ihren Markenschriftzug. „Das Logo durfte alles sein, nur nicht verspielt”, sagt
Peter Schmidt: „Als ich dann mit meinem Assistenten vor einem
Briefbogen saß, habe ich gesagt, wir müssen einfach den Raum
gebrauchen mit der dicksten Schrift, die wir finden.”
Indem der Assistent die Order befolgte und so die Jil-SanderBlockschrift kreierte, schlug er eine Brücke zwischen Modeästhetik und der neuen Macht politischer Plakate und Pamphlete,
die rund um Hamburgs Universität gang und gäbe waren. „Wir
hatten einen verrückten Werbetexter”, erzählt Peter Schmidt,
„und als er den Schriftzug gesehen hat, sagte er, den müssen wir
am Flughafen anbringen: ‚Jil Sander, zieh uns Nackte an!’ Weil
wir lieber nackt sein wollten, wenn sie uns nicht anzieht. Dieses
Plakat hat es dann auch wirklich gegeben, es war ganz aus dieser
Schrift gemacht, das war eigentlich die Taufe des Labels. Wir waren ja auch so kleine Revoluzzer, oder große, und haben nach
Deutlichkeit verlangt.”
Die Schwarz-Weiß-Ästhetik der ersten Jil Sander-Kampagne, das
Direkte und schnell Erfassbare stehen in der Tradition der Neuen
Sachlichkeit, die im Interesse der Klarheit den Effekt nicht unterschätzte. „Der Schriftzug ist ja keine Satzschrift”, betont Peter
Schmidt, „er ist ja modifiziert, wenn Sie ihn genau anschauen. Da
sind ganz kleine Ausspitzungen, die die Schrift noch schärfer
machen. Das konnte man sich nur mit Jil leisten, weil sie auch total verrückt mit ihren Nähten war, das waren ja die schönsten der
Welt, Doppelnähte und so weiter, das war alles Wahnsinn. Als ich
ihr die Ausspitzungen an den Ecken gezeigt habe, das hat sie geliebt!” Bei dieser Lösung kam Peter Schmidt seine Lithographielehre an der Kunsthochschule Kassel zugute, die noch von der
Bauhaus-Tradition profitierte: „Man arbeitete seitenverkehrt auf
Stein, und um die Schärfe zu erreichen, haben wir Ausspitzungen gemacht.” Jil Sander selbst spricht mit Blick auf ihren
Schriftzug von einer „energetischen Typo”. Auf den Einwand,
dass es sich bei den ausgespitzten Ecken fast schon um Dekor
handelt, sagt sie entwaffnend: „Funktionalität ist wichtig, aber
nicht absolut”. Und vielleicht ist gerade dies das Geheimnis Jil
Sanders, dass sie dem Seriellen eine Seele gibt. Immer wieder
kommt sie auf die Energie in der Reduktion. Das verbindet sie
mit dem Geist der Moderne, der Naturwissenschaft, die in ihren
Formeln nach der einfachsten möglichen Lösung sucht, getreu
der Devise: Less is more.
Dieses Beharren auf der der richtigen Lösung wirkte sich auch
auf die Wahl ihrer Sparringpartner aus. Was ihr als Unternehmerin half, war ihr immenses Gespür für Talente. Denn wer an den
Schlüsselstellen richtig besetzt, kann sich die Nachbereitung sparen. Für die Modefotografie nahm sie den jungen David Sims, für
die Gestaltung ihrer Geschäfte den Minimalisten Michael Gabellini, für eine Fotoserie, die ihre Persönlichkeit einfangen sollte,
ging sie mit Peter Lindbergh an den Strand. Und für ihre „Bath &
Beauty”-Kampagne wünschte sie sich keinen Geringeren als Irving Penn, den weltbesten Porträtfotografen. „Das war mein
3
Traum.” Er setzte die Bodycream so berückend ins Licht,
Kaum zu glauben, dass diese Kampagne 20 Jahre alt ist:
Shalom Harlow fotografiert von Craig McDean für das Jil Sander Frühjahr/Sommer 1995 Lookbook
83
3 dass man mit Jil Sander, die auf der Spiegelseite wie ein Boxer
mit Frotteehandtuch auf bloßen Schultern figurierte, in der
Steam Lounge zu sitzen meinte.
Zeitgleich mit der Gründung des Jil Sander-Labels kam in den
USA Clinique auf den Markt, eine Pflegeserie, die inhaltlich und
optisch auf Natürlichkeit und klinische Nüchternheit setzte. Ihr
Geist entsprach dem „American Sports Girl”, das in den 20er-Jahren als mühelose Alternative zur Sufragettenbewegung Furore
gemacht hatte und derzeit auch auf das deutsche Frauenbild Einfluss nahm. Am kalifornischen Strand konnte man dieser athletischen Gestalt des Weiblichen in Reinkultur begegnen. Für Jil
Sander, die nach ihrer Ausbildung zum Textilingenieur als Austauschstudentin zwei Jahre in Los Angeles verbrachte, musste
sie eine Offenbarung gewesen sein. Ihr Design übersetzte die attraktive Nacktheit des Beach Girls in europäische Kleider und
distinguierte Produkte. Insofern hatte der verrückte Werbetexter ganz recht, sie zog Nackte an, ohne das Bedürfnis des Körpers
nach freier Bewegung zu vergessen. Was schließlich ihre Vision
von etwas „Kräftigem, Starken” für ihren Markenschriftzug betrifft, so ist er der in Kalifornien allgegenwärtigen Billboard-Ästhetik vergleichbar. Ihre Nagellack-Fläschchen und Lippenstifte
gestaltete sie revolutionär klein, damit erstere nicht austrocknen
und letztere in die Hosentasche passen. Dass sie in der Magazinwerbung dann trotzdem und erst recht übergroß, wie Blickfänge
am Straßenrand auftraten, war auch ein Gruß an die transatlantische Werbekultur. Das graphische Denken überhaupt und ein
Gefühl für visuelle Aussagen führt Jil Sander vor allem auf ihre
84
Redaktionstätigkeit zurück. Dabei war ihr Ziel von Anfang an
statt Bauernfängerei das Coaching: „Als Moderedakteurin habe
ich auch das Missionarische erlernt, nicht nur gegenüber dem
Konsumenten, auch im Gespräch mit den Herstellern. So bin ich
überhaupt zum Design gekommen.”
Doch auch die Multiplikatoren wollten vom Jil Sander-Duft erst
überzeugt werden. Die Designerin erinnert sich an ein Treffen
mit den „Douglas”-Chefs und die entgeisterte Frage: „Finden Sie
die Flasche wirklich schön?” Der Duft kam trotzdem ins Programm. „Man kann sich gar nicht mehr vorstellen”, sagt Peter
Schmidt, „wie radikal das damals für Douglas war”. Als einmal
drei der bedeutendsten deutschen Produktdesigner in einer Jury
beisammen saßen, fiel die Bemerkung: „Peter Schmidt haben
wir verloren. Der macht jetzt Parfüm-Flakons.” Eine fataler Fehler, denn nicht auf das Was, auf das Wie kommt es an. Jil Sander
ging das frivole Geschäft der Mode mit der Ernsthaftigkeit eines
Buchumschlaggestalters oder Karosseriedesigners an. Das war
völlig neu, und deshalb sind auch ihre Flakons bis heute Ikonen
und die Düfte Legenden. „Woman Pure“ war im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt. „Da ist so eine Zeitlosigkeit in
meinen Entwürfen”, bemerkt sie in ihrem gedämpften, fast kritischen Tonfall über den vor ihr ausgebreiteten Kampagnenstrecken. „Vielleicht, weil ich Antimode bin und die Trends auf meine Art interpretiere, nicht so offensichtlich.” Ihr Wegbegleiter
Peter Schmidt spricht von einem „erhabenen Gefühl”, das tief im
Jil Sander-Brand steckt: „Das kriegt man Gott sei Dank auch nicht
mehr weg, da können die machen, was sie wollen”.
PETER LINDBERGH
Im Jahr 2007 kam Stylessence auf den Markt.
Der dunkle, lila schimmernden Flakon deutet es an:
Nichts für kleine Mädchen, dieser Mix aus
Orangenblättern, Petitgrain und Kardamom
„Kein Mensch braucht ein
Che-Guevara-Sofa“
Was haben Roman Abramowitsch, Roland Berger, Rupert Murdoch, Calvin Klein und Bryan
Adams gemeinsam? Sie leben in Christian-Liaigre-Design. Jetzt eröffnet der französische
Gezähmte Grandeur:
der Stil des Möbeldesigners
Christian Liaigre zeigt sich etwa
im Ferienhaus von Galerist
Larry Gagiosian auf St. Barth,
der Rupert Murdoch-Yacht
„Rosehearty“ und im Hotel
„Puerta America“ in Madrid
(von links)
86
INTERTOPICS; GETTY IMAGES; CHRISTIAN LIAIGRE
Edel-Einrichter auch eine Dependance in Deutschland. Silke Bender fühlte vor
C
hristian Liaigre ist Distinktion auf zwei Beinen. Schlank,
vornehm, zurückhaltend hat
er die tadellose Haltung eines Dressurreiters. Ton in
Ton sind das dunkelblaue Jackett und die Wildlederschuhe, die Jeans selbstverständlich nicht
blau sondern makellos cremefarben. Bevor
Liaigre als Autodidakt zum Möbeldesigner
und Einrichter der internationalen High Society wurde, studierte er Kunst in Paris und
verließ die Stadt während der „idiotischen
Studentenrevolution“ 1968 wieder, um zehn
Jahre lang Pferde in der Vendée zu züchten.
Seine in französischen Manufakturen hergestellten Möbel sind etwa so wie er: Mit dem
zeitgenössischem Zügel gezähmte Grandeur.
Schlichte Formen, dezente Farben, noble Materialien und eine perfektionsgetriebene,
handwerkliche Ausführung bis in den letzten
Nadelstich. Wir sprachen mit dem sehr selbstbewussten Designer über die Modernität des
18. Jahrhunderts und die innere Sicherheit
des Geldadels.
30 Jahre nach Gründung Ihres Hauses kommen Sie nun auch nach Deutschland. Sind wir
jetzt erst reif für französischen Luxus?
So kann man das nicht sagen (lacht). Wir haben erst seit 2009, durch den Verkauf an die
Rothschild-Gruppe, die Möglichkeit zu expandieren, und haben dann drei Jahre lang nach
einer guten Adresse in München gesucht.
Warum gerade München?
Alle unsere bisherigen Kunden aus Deutschland kommen aus München. Familie Strehle,
Familie Roland Berger. Also lag es nahe.
Wie empfinden Sie als Franzose den deutschen
Wohngeschmack?
Er ist nicht anders als überall. 90 Prozent unserer Kunden sind Ausländer, viel reisende
und erfahrene Menschen. Die meisten sind
auch Sammler und wählen unseren Stil, weil
er unaufdringlich ist und die Kunst im Raum
aufwertet, statt mit ihr zu konkurrieren.
Ihre Kunden sind dabei jedoch ziemlich heterogen – was ist der gemeinsame Nenner von Karl
Lagerfeld, Roman Abramowitsch und Bryan
Adams? Und warum glauben Sie, möchten diese Menschen in Christian Liaigre leben?
Vielleicht, weil wir nie den Trends hinterhergelaufen sind oder versucht haben, welche zu
kreieren. Ich glaube, wir stehen für so etwas
wie neutralen, zeitlosen Chic. Es gibt Menschen, die sich in diesen Kreisen bewegen und
nicht trendy sein wollen. Mit dem, was wir
wollen und tun, sind wir wohl am ehesten mit
Hermès zu vergleichen.
Gibt es also keine nationalen Unterschiede
mehr in Fragen des Geschmacks?
Die Codes im Luxus sind global geworden, ja.
Zudem kennen sich meine Kunden meist untereinander, das führt zu Mund-zu-Mund-Propaganda. Meine erste berühmte Kundin war
Carole Bouquet, dann kamen andere Schauspieler und so entwickelte sich das.
Wie bekommen Sie den Spagat hin, einerseits
erkennbar Christian Liaigre zu sein und für jeden dieser Kunden dennoch das Besondere, Individuelle zu geben?
Ich bin wie ein Schriftsteller, der die gleiche
Handschrift hat, aber immer wieder eine neue
Geschichte erzählt, in die die Biografie der
Kunden eingebunden wird. Es ist meistens
gar nicht einmal so kompliziert: Meine Kunden haben mehrere Häuser und keine Zeit
sich lange mit Einrichtungsfragen zu beschäftigen. Man trifft sich ein paar Mal und dann
geben sie mir einfach einen Schlüssel und die
Carte blanche.
Richten Sie diese Wohnungen oder Häuser
dann einfach so ein, wie Sie das für sich persönlich tun würden?
Im Prinzip schon – die Frage, die ich klären
muss, ist meist nur: Wollen die Bewohner viele Gäste empfangen oder nicht? Braucht man
einen großen Ess- und Sitzbereich oder
nicht? So etwas.
Apropos sitzen: Die Sitzstreiks im Paris der
68er haben Sie, damals noch Kunststudent,
weglaufen lassen ...
Was für eine idiotische sogenannte Revolution! Ich kam nach Paris, um Malerei zu studieren und zu lernen. Und ein Jahr ging gar
nichts mehr. Tagelange Diskussionen in den
Auditorien – alle taten politisch und wollten
eigentlich nur Party machen.
Sie waren 23 Jahre damals, wollten Sie nicht
auch Rock ’n’ Roll?
Nö. Ich war extrem begeistert von der Kunst
und Malerei. Es war eine Revolution, die mich
nicht betraf und die ich nicht brauchte. Ein
Jahr lang war das Land lahmgelegt von diesen
Volltrotteln. Als mein Großvater starb und
niemand sich um das Gestüt kümmern wollte,
bin ich also zurück aufs Land gegangen, um
die Geschäfte zu übernehmen.
Und wie sind Sie von dort zur Inneneinrichtung gekommen?
‚Elle‘ war damals das einzige Magazin in
Frankreich, das regelmäßig einige Seiten über
Interior Design brachte. Ein mit mir befreundeter Fotograf bat mich, die Studiodekoration
für ihn und die Fotostrecken zu machen. Damals sah die Möbellandschaft noch ziemlich
dürr aus: Zwischen Antiquitäten und den modernen Klassikern gab es fast nichts. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, immer nur
Knolls zu inszenieren, und fing an, selbst Möbel zu entwerfen.
Inspiration finden Sie im 18. Jahrhundert?
Es war das kreativste Zeitalter im Interior Design! Dort wurden die raffiniertesten Holzvertäfelungen entwickelt, kunstvolle Türschlösser, die gesamte Kunstfertigkeit der Möbelgestaltung kam zur vollen Blüte – das war eine
moderne Revolution für die Epoche und französisches Design setzte weltweit Maßstäbe.
Sehen Sie Parallelen zwischen der Zeit des
Sonnenkönigs und seinen Nachfolgern und
dem Geschmack der Oberschicht heute?
Wie die Könige und Kirchenoberhäupter früher, wollen auch die Firmenchefs heute ein
Interieur haben, das ihre Macht widerspiegelt.
Das Kunstsammeln ist heute das beliebteste
Statussymbol in diesem Club, und mir fällt
auf, dass Manager oft nicht kaufen, worauf sie
Lust haben, sondern was der Repräsentation
nach außen dient. Und wie bereits seit dem 18.
Jahrhundert beauftragt diese internationale
Klientel französische Inneneinrichter.
Welcher Wohnstil hat Sie geprägt?
Mein Vater war Tierarzt in der Nähe von La
Rochelle, das war damals eine stark protestantisch geprägte Region. Reichtum zu demonstrieren war ein Tabu. Innenräume waren fast
schon klösterlich karg, dafür aber die wenigen
Stücke darin exquisit. Diese aufgeräumte, diskrete Schlichtheit habe ich wohl verinnerlicht. Ich kann gar nicht sagen, warum ich einen Tisch, ein Sofa oder einen Stuhl heute so
oder so entwerfe, der kreative Prozess bleibt
für mich immer noch ein Mysterium.
Warum haben Sie eigentlich nie für Hermès gearbeitet?
Es gab eine Zeit, als Hermès mit seiner Wohnkollektion anfing, da wäre es fast dazu gekommen. Allerdings war die Frau des damaligen
Präsidenten selbst Interior Designerin, und
ich glaube, sie war neidisch auf das, was ich
bereits schon lange machte (lächelt).
Gibt es etwas, was Sie im zeitgenössischen Design ärgert?
Oh ja, diese um Show-off bemühten Interieurs. Diese Fußballspieler-Kultur.
Sie hatten noch keine Anfragen von Fußballspielern?
Nein, dafür fehlen mir wohl die Tätowierungen (lacht).
Immerhin – mit Bryan Adams haben Sie einen
Rockstar im Kundenkreis ...
Er ist aber eher ein klassischer Typ, genauso
übrigens wie Mick Jagger. Auch die Rolling
Stones sind Konservative nach Gutsherrenart.
Wenn Sie in Jaggers Schloss in der Touraine
kommen, würden Sie niemals glauben, dass
dort ein Rock ’n’ Roller wohnt. Dagegen das
Haus von Lenny Kravitz in Paris – das Paradebeispiel dessen, was ich im heutigen Interieur
verabscheue. Trendheischendes, Grelles, Poppiges. Eine Lampe mit vergoldetem Maschinengewehr, wie sie Philippe Starck machte –
einfach nur vulgär. Wer will denn schon im
Show-off und in Zeichen der Gewalt wohnen?
Ein schönes Zuhause bedeutet für mich eine
Oase der Ruhe.
Man kann das Maschinengewehr als Kommentar gesellschaftlicher Verhältnisse lesen ...
Aber Möbeldesign, so finde ich, ist nicht das
richtige Medium dafür. Dafür gibt es Schriftsteller, Sänger, Maler oder Filmemacher. Kein
Mensch braucht ein Che-Guevara-Sofa.
Und wie war Ihre Zusammenarbeit mit Karl
Lagerfeld?
Wir haben einige Möbel für sein Haus in Paris
entworfen und das Konzept für das Haus in
Biarritz. Es ist eine meiner schlimmsten Erinnerungen. Wie er sich manchmal in Wut hineinsteigerte. Uff, schwierig.
Sie wissen schon, dass ich das aufzeichne?
Ach, ich sollte vielleicht nicht so daherreden über Kunden, aber was soll’s.
Sie sind dieses Jahr 70 geworden. Keine Lust,
sich zurückzuziehen?
Das wäre ja langweilig, ein Leben ohne Arbeit.
Doch ich habe mein Kreativteam erweitert,
heute unterstützen mich meine Frau Deborah
und eine deutsche Mitarbeiterin, Frauke Meyer. Sie arbeitet bereits seit 18 Jahren mit mir.
Ich habe sie bei einem Studentenwettbewerb
entdeckt, wo ich in der Jury saß. Beide haben
durchaus ihren eigenen Stil, der aber den
Geist weiterträgt.
87
DESIGN
schönsten von ihnen genauer angesehen
Spot an für die Ecke! Architekten wie Daniel Libeskind oder Frank Gehry
sind durch sie berühmt geworden, kürzlich wurde Libeskinds erstes Wohngebäude in Berlin eingeweiht – ein Block mit mächtig spitzem Winkel.
Doch in der Inneneinrichtung werden Ecken vernachlässigt. Dunkel oft,
schenkt ihnen kaum ein Designer Beachtung. Dabei ist das Sofa längst von
der Wand in die Mitte des Raumes gewandert, die Essecke in der offenen Küche als Verlängerung des Arbeitsbereiches angekommen. Viel Raum für
neue Lieblingsecken! Zum Beispiel mit einem Regal, das wie ein Vogelhaus
auf Stelzen thront und im rechten Winkel einer Zimmerecke lehnt. Es dient
als Zwischenablage für „ungenaue Gegenstände“, so Designerin Marie Dessuant, deren „Étagère de Coin“ das Ergebnis einer Forschungsarbeit über das
Fantasieren und dessen Platz im Alltag ist. Lila Jang, Designerin aus Südkorea, lässt ihr Canapé die Wand hinaufklettern, wodurch ein Teil der Sitzfläche automatisch zur Rückenlehne wird. Designerin Aljoud Lootah aus Dubai entwirft Möbel, die wie Skulpturen jede Ecke zum Hotspot werden lassen. Ihre „Oru“-Serie bezieht sich dabei auf das japanische Falten (= oru).
„Die Idee war, zu zeigen, dass man aus einem zweidimensionalen Papier
dreidimensionale Formen und Objekte gestalten kann“, erklärt Lootah, die
ihre Entwürfe am Ende aber doch aus Holz und Filz fertigt.
Die niederländischen Produkt-Designer Peter van der Jagt, Erik Jan Kwakkel und Arnout Visser haben mit „DTile“ eine Nische gefüllt: „Kacheln sind
flach, aber die Welt ist rund“, stellen sie fest. Weswegen sich ihre Erfindung
in Küchen, Bädern, Bars oder Restaurants (unter anderem in Philippe
Starcks „La Cocotte“ in Paris) über spitze Ecken und scharfe Kanten
schlängeln. „Edgy“ könnte man das Sofa von Ron Arad finden,
das er jüngst entworfen hat. „Ich bin durch die Straßen von
Tel Aviv spaziert und da stand diese alte Matratze auf
dem Gehsteig“, berichtet der britische Architekt
und Designer und zeigt eine Handy-Aufnahme
von seiner Inspirationsquelle. Friedrich Hebbel hat es einmal so formuliert: „Jedenfalls
ist es besser, ein eckiges Etwas zu sein, als
ein rundes Nichts.“
Ordnungs-Stab: Garderobe von Kkaarrlls (Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe)
Klettermaxe oder Lieblingsecke: Canapé von Lila Jang
Winkeln ein Comeback. Esther Strerath hat sich die
die Ecke
Toter Winkel? Nicht mit der Wandleuchte „Wall
Lamp“ von anothercountry.com
Matroschka-System: Metallregale „Corners“
von Kyuhyung Cho. Über menu.as
88
Eckige Sache: An einer Straßenecke
entdeckte Ron Arad die Ur-Version
seines Matratzen-Sofas für Moroso
Auf Zack: Futuristische Version
eines fliegenden Teppiches
„Tapisofa“ von Olivier Gregoire
3-D-Schminkspiegel „Anamorphosis“ von Valérie
Windeck. Über atelierdexercices.com
Hochsitz für Gegenstände:
Eckregal „Etagère de Coin“
von Ligne Roset
Spitzenstuhl von Aljoud Lootah
Ab in
Lange vernachlässigt, feiern Möbelstücke mit spitzen
FRAU UND MANN
Grenzgänger
Alexandra Maria Lara und Sam Riley sind Schauspieler –
und außerdem ein Paar. Für uns präsentieren sie
Mode dort, wo Deutschland vor 25 Jahren sichtbar
die Teilung überwand: An der Glienicker Brücke, die
Berlin und Potsdam verbindet
Foto: Edith Held
Assistenten: Kosta Tzaniilidis & David von Kampe
Haare/Make-up: Sonja Shenouda c/o Bigoudi
Styling: Daniel Sartore
Produktionstrailer: Mike Car Connection
Wir danken dem „Wirtshaus Moorlake“ in Berlin
D
90
as Schönste ist hier, dass
dieser Ort, an dem all
diese Monstrositäten passierten, heute nur noch
die Kulisse für Fotos ist.
An der ehemaligen innerdeutschen
Grenze,
wo Berlin und Potsdam sich so nah sind wie
sonst nirgends, steht sie: die Glienicker Brücke. Schauplatz vielmaligen Agenten-Austausches – so im Jahr 1986 des letzten echten,
filmreifen zwischen der Bundesrepublik und
der DDR. Unten fließt die Havel, beim OstWest-Deal genau wie heute. Damals gammelte
von der Westseite im Park Glienicke das Johanniter Tor mit den Löwen vor sich hin. Heute funkeln die Raubtiere frisch vergoldet als
Teil des Unesco-Weltkulturerbes Schlösser
und Parks von Potsdam und Berlin. Touristen
flanieren über die (Stadt-)Grenze, die so bedrohlich war, zücken die Kameras und sind mit
Recht erfreut darüber, dass in Potsdam nun
auch restaurierte Klassizismus-Villen locken.
Edith Heldt zückt ebenfalls die Kamera. Die
Umgebung ist ihr allerdings nicht Kulisse für
einen Agentenstoff, wie sie es vor knapp einem Jahr war: Da drehte Steven Spielberg
„Bridges of Spies“ (im Kino Anfang 2016) und
sogar Angela Merkel schaute vorbei. Heute
sind Brücke und Umgebung Set für eine Lovestory, die erst einmal aus Deutschland wegführt: Ein Engländer trifft bei Dreharbeiten in
Nottingham auf eine Deutsche. „Control“, der
Film über die Band Joy Divsion, war der
Durchbruch für Sam Riley. Für Alexandra Maria Lara war es eine spannende Rolle – aber
vor allem war es für den deutschen Star der
Beginn ihrer großen Liebe.
Sie war es dann auch, die Sam Riley nach Berlin importierte. Seit nunmehr zehn Jahren
lebt der Brite in der deutschen Hauptstadt. Ob
er Großbritannien vermisse? „Ich bin ja oft genug da. Gerade heute Morgen bin ich von
Dreharbeiten aus Brighton zurückgekommen
und daher auch ein bisschen müde.“ Rileys
Stadtentdeckung an der Seite seiner Frau begann mit einem ganz schlichten Spaziergang.
„Alexandra ging neben mir mit gesenktem
Kopf, und ich dachte: Warum macht sie sich
so klein?“ Die Begründung folgte auf den Fuß
– die Ersten drehten sich nach der Schauspielerin um, und „einer rannte gegen einen Pfosten“, erzählt Riley in einem Mix aus Deutsch
und Englisch. Da habe er das erste Mal verstanden, dass er einen Star an seiner Seite habe. Alexandra Maria Lara empfindet sich allerdings nicht so: „Das, was mich an unserer
Arbeit fasziniert, ist nicht in erster Linie das
Rampenlicht und was dazugehört. Ich freue
mich am meisten über gute Dreharbeiten,
über kreative Kollegen und die Zeit am Set.
Aber wenn wir doch auf Premieren oder
Events unterwegs sind, macht es immer
Spaß, alte Bekannte zu treffen.“
Spaß haben. Das Stichwort. Gerade auch
wenn es um Mode geht. Alexandra Maria Lara
macht vieles mit, nur bei einem da ist sie
strikt: „„Mode hat für mich auch etwas mit
Identität zu tun. Wenn man sich in Sachen
wirklich wohlfühlt, kann man sie auch selbstbewusst tragen.“ Man könnte auch sagen: Alexandra Maria Lara ist präzise, nicht nur was
ihren Beruf angeht. Auch bei der Auswahl der
Outfits ist sie diejenige, die genau abwägt, ob
das, was fotografiert werden soll, zu ihr gehört. Ein Prada-Outfit aus schwerem Bouclé
übt auf der Stange eine starke Anziehungskraft auf sie aus. Angezogen fällt der Zweiteiler aus Rock und Oberteil aber durch: „Ich
glaube, wir passen nicht zusammen!“
Sam Riley outet sich während des Shootings
als Anzugliebhaber – seine Frau ist begeistert
von ihm im Burberry-Trenchcoat über dem
Slimline-Anzug. Und egal in welcher Location: Die Kamera liebt sie alle beide. Wäre eine
Modelkarriere eine Option für sie? Gelächter
im Duett. Dass ein Brite Ironie versteht, setzt
man voraus. Bei Deutschen hält sich ein Vorurteil der Humorlosigkeit wacker: „Dabei bin
ich diejenige, die gern auch mal schlechte
Witze erzählt“, sagt Alexandra Maria Lara
grinsend inmitten der Outfits. Prada, Hermès
– große Marken. Wie halten Sie es mit dem
Luxus? Immerhin fährt die kleine Familie ein
Auto aus dem oberen Preissegment. „Wir
sind begeistert von unserem Jaguar Sportbrake, es ist für uns das ideale Familienauto …
und was heißt hier nicht glamourös?“, sagt
Alexandra Maria Lara und spielt ein wenig
die Empörte. Was soll man sagen? In der Haute-Couture-Robe von Elie Saab auf dem roten
Teppich in Cannes ist Alexandra Maria Lara
ganz einfach zu hundert Prozent Hollywood.
Das Paar, derweil am „Wirtshaus Moorlake“
angekommen, genießt die Pause. Und das
Miteinandersein: „Ich fliege morgen zum
Dreh nach Südafrika, Sam nach Brighton.“
Moment? Da war doch noch der Nachwuchs?
Dass Ben immer mitkommt, ist möglich, da es
freundliche Geister gibt, die Alexandra Maria
Lara unterstützen. „Und so lange er nicht in
die Schule muss, versuche ich so viel Zeit wie
möglich mit ihm zu verbringen“, sagt sie.
Sam Riley muss los. Vom Waldweg in den
Flieger. In seine Heimat – ohne Anzug. „Ich
bin eher casual“, behauptet er. So casual, dass
der Jil-Sander-Kaschmirpulli zum Streichelobjekt wird. Dass mit dem Zegna-Anzug zwischen den Fingern gespielt wird: „Material,
gutes Material finde ich sehr tempting – wie
sagt man? – verlockend.“ Das Lieblingsstück
des Paares ist eine Lederjacke von Hermès.
Das Ende der Liebesgeschichte an der Grenze
steht an. Ein letztes Bild mit einer schönen
Frau, die in der Jury von Cannes sitzt, die Rollen erarbeitet, mal leichtfüßig wie bei „Rubbeldiekatz“, mal intensiv wie im neuen Streifen „Suite Française“, der am 19. November
startet. Da ist das Paar Riley-Lara mal wieder
in einem gemeinsamen Film zu sehen. Eine
Besatzungsgeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich. Als Brückenschlag zwischen Franzosen und Deutschen spielt ein
Klavier eine Rolle. Das Schönste ist doch,
Andreas Tölke
wenn Grenzen fallen.
Sam lehnt an seinen
Jaguar Sportbrake in
einem Pullover von Pal
Zileri und einer Hose von
Prada, Mantel: Hermès.
Schuhe: Santoni
Alexandra Maria trägt
einen Mantel aus der
Herrenkollektion von
Brunello Cucinelli
Sam in einem Anzug von Pal
Zileri, Rollkragenpullover:
Gucci. Alexandra Maria trägt
einen Pulli von Brunello
Cucinelli; Rock von Odeeh
Sam: Pulli: Pal Zileri. Hose:
Prada. Schuhe: Santoni.
Alexandra Maria: Top:
Patrizia Pepe. Rock: Talbot
Runhof. Schuhe: Hermès
Diese Seite: Alexandra Maria schreitet voran im Top von Patrizia Pepe, Hosen von Sportmax und Schuhen von Salvatore Ferragamo.
Auf dem Kopf ein Borsalino-Hut. Sam folgt ihr im Anzug von Boss Black, Pulli von Jil Sander und Stiefeletten von The Kooples.
Linke Seite: Alexandra Maria trägt einen Mantel von Sportmax und Sam einen Trenchcoat von Burberry, darunter einen Pullover von Jil Sander
Diese Seite vor dem Jaguar Sportbrake: Sam trägt einen Pulli von Pal Zileri mit einer Hose von Prada, Schuhe von Santoni
und eine Sonnenbrille von Oliver Peoples. Alexandra Maria trägt ein Top von Patrizia Pepe. Rock: Talbot Runhof.
Schuhe: Hermès. Linke Seite: Kleid von Ralph by Ralph Lauren
Nicht nur modisch Hand in Hand: Sam trägt einen Anzug von Boss Black mit einem Hemd von
Ermenegildo Zegna, Alexandra Maria einen Mantel mit Pythonbesatz von Miu Miu
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Küss mich.
Küss mich nicht.
Wie eine Leinwand wirkt das weiß abgepuderte Gesicht. Lippenstiftfarben in allen
Schattierungen durchschmieren das Grau –
akkurat wäre ja kein Signal. Irving Penn
fotografierte „Mouth“ 1986 für L’Oréal.
Ab 23. Oktober wird die Aufnahme in der
„Irving Penn: Beyond Beauty“-Ausstellung
im Smithsonian American Art Museum in
Washington zu sehen sein.
THE IRVING PENN FOUNDATION
Flakon-Kokon: Wie bitte soll man
Seide verflüssigen? Parfümeurin Marie
Salamagne hat für Sensai ihre Ideen
dazu verpuppt und das erste Parfüm
überhaupt für die Japaner entwickelt.
„Der Duft sollte transparent und warm
zugleich sein.“ Wie der kostbare Stoff
eben. Hat geklappt. „The Silk“.
EINFACH MANN
AUSGESTRAHLT?
Wann der Mann ein Mann ist?
Tja, wenn er sich eincremt.
Denn längst kommen die männlichen Kunden nicht mehr nur in
unsere Parfümerie, wenn es
darum geht, Weihnachtsgeschenke für die Gattin zu kaufen. Viele begeistern sich für
Cremes und Tinkturen, die
speziell für ihre „sensible“ Männerhaut gemacht ist. Und damit
kein Mann ratlos vor dem Regal
steht, empfehle ich gern eine
neue deutsche Marke: „Ebenholz“. Sie verzichtet auf Parabene, Silikone, tierische Bestandteile und auf komplizierte
Namen. Die Anti-Aging-Creme
nennt sich nämlich einfach
„Kraftpflege“. Will Mann mehr?
Neee, net nötig. Und einfach in
der Anwendung ist es auch.
Übertreiben wollen wir den
Beauty-Tick ja auch nicht, oder?
Dass unsere Haut im Sommer
leidet, ist nicht jedem bewusst.
Sie trocknet durch die Sonneneinstrahlung aus, verliert bei
allem Teint an Ausstrahlung.
Und die wollen wir im trüben
Herbst natürlich zurückgewinnen. Helferlein 1: das Puderpeeling von SBT. Einfach das feine
Puder morgens in den Handinnenflächen mit Wasser vermengen. Gern täglich. Helferlein 2: Im Anschluss an das
Peeling verwenden Sie das „Cell
Life Activation Serum“ von
SBT. Es soll die Langlebigkeit
der Zelle sichern. Und für die
ultimative Ausstrahlung könnten Sie die neue „Skin Caviar
Luxe Cream“ von La Prairie
cremen. Sie ist reichhaltig, lässt
die Haut jedoch nicht glänzen.
Und ja, zwischen Ausstrahlung
und Glanz liegt ein himmelweiter Unterschied.
Susanne
HinkerFinkbeiner
Claudia
Stetter
Inhaberin der
Parfümerie „Carl
Butta“ in VillingenSchwenningen
Inhaberin der
Parfümerie „Hinker“
in Baiersbronn
Pfötchen-Peeling: Das Eincremen der Hände ist
längst Alltagsroutine. Doch haben Sie – außer vielleicht bei einer Profi-Maniküre – schon einmal ein
Handpeeling ausprobiert? Von Molton Brown gibt’s
nun den „Alba White Truffle“-Exfoliator (duftet nach Muskat). In den
feuchten Handflächen verteilen, verreiben und schwups, sind die Hände samtweich. Ei.
Super-Duper: Ob das „Superstart“Fluid wirklich für eine schönere, ebenmäßigere Haut sorgt, weil es einen so
klangvollen Namen hat? Vielleicht.
Vielversprechend liest sich die Information allemal. Der Skin Renewal Booster
von Elizabeth Arden soll die oberste
(bislang eher sträflich beachtete) Hautschicht schützen und noch unter (!)
Serum und Tagescreme aufgetragen
werden. Tiefenpflege!
Eine Hand voll Pflege: Der
Schwede Ben Gorham ist
mit seiner Marke Byredo
für Parfüms bekannt. Doch
nun hat er eine Pflegeserie
für die Hände kreiert und
eigens dafür zwei neue
Düfte entwickelt: „Vetiver“
und „Suede“. Die Handlotion gibt’s im puristischen
Pumpspender (450 ml), die
reichhaltigere Creme in
einer ähnlichen Tube.
Nase zu, Lack ab:
Nagellackentferner stinkt. Ist so.
Der „Gentle Nail Polish Remover“ von
Treat Collection will das ätzende Vorurteil widerlegen. Denn er riecht nach?
Nix. Und funktioniert so: Der Entferner
wird selbst wie Lack über den Lack
gestrichen und nach 30 Sekunden
nimmt man die Farbe komplett ab.
Gibt’s etwa über lanur.de
Instincts
Basic
BRIGITTE LACOMBE; MONTAGE ICON
FÜR DIE NASE
B
ekannt ist, dass Frédéric
Malle gern provoziert. Im
persönlichen Umgang ist er
ein Mann mit ausgesucht
feinen Manieren, einer, der
leise spricht. Umso größer
ist dann der Effekt, wenn er,
watteweich verpackt, Bemerkungen raushaut, die – nun ja – recht weit
gehen. An diesem Tag empfängt er in seiner
Boutique in der Pariser Rue du Mont Thabor.
Wie ein Therapeut sitzt er hinter einem antiken spanischen Reisetisch aus dem 17. Jahrhundert; es geht um eine delikate Frage der
Persönlichkeit, nämlich welcher Duft zu einem passt. Vor ihm sind diverse Flakons aufgereiht. In ihnen haben sich die besten Parfümeure der Welt verwirklicht: Duftverleger
Frédéric Malle will mit seinen „Editions de
Parfums“ den Parfüm-Blockbustern quasi eine Art mit Herzblut betreutes Programmkino
entgegensetzen.
Dann geht es auch gleich los: Seine erste Frage
nach Lieblingsdüften ist ja noch einfach zu
beantworten. Aber schon setzt er nach: „Sind
Sie gerade in einer sexuell aktiven Phase?“
„Möchten Sie eher verführen oder sich binden?“ So distinguiert Malle über die Kunst der
Parfümkomposition parlieren kann, so direkt
spricht er über dessen Wirkung. Und der neue
Duft „Cologne Indélébile“ (waschechtes Cologne) sei ein „Killer“, der bei Frauen und Männern gleichermaßen funktioniere. Sein 18jähriger Sohn würde in den Pariser Clubs die
Mädels damit reihenweise schwach machen.
Dahinter steht der Parfümeur Dominique Ropion, der auf der ganz großen Bühne bereits
Düfte wie „Alien“ von Thierry Mugler oder
„La vie est belle“ von Lancôme erschuf. Malle
gibt eine Probe: „So duften Sie, wenn Sie mit
dem Parfüm an jemanden vorübergehen.“ Er
erwartet nicht sofort eine Antwort, ob und
wie der Duft gefällt. Man soll sich Zeit lassen.
Genauso wie er.
toshop schickten. Orangenblüten, Neroli, Zitrone und Bergamotte – all das findet sich
auch in 4711, nur haben wir die staubigen Duftkomponenten wie zum Beispiel Kumarin
oder Lavendel entfernt und moderne, natürliche und extrem kostbare Aromen hinzugefügt, die es haltbar auf der Haut machen.
In den 15 Jahren Ihrer Editions de Parfums
haben Sie mit 12 Parfümeuren gerade mal 22
Düfte herausgebracht. Sie lassen sich also Zeit.
Woher wissen Sie, wann ein Duft reif ist?
Dieser Duft allein hat über drei Jahre Konzept
und 300 Versuche gebraucht, um unsere Ansprüche an ein gutes Parfüm zu erfüllen. Eines, das modern riecht, auf jeder Haut funktioniert und sich linear entfaltet. Dominique
zum Beispiel schickt mir immer 15 Varianten,
von denen ich die besten vier auf meiner eigenen Haut teste. Mehrmals am Tag schnuppere
ich daran, mache Notizen und schreibe den
Parfümeuren meine Bewertung. Unsere Frage
ist immer: Würden wir mit einer Frau schlafen wollen, die so duftet? Würden unsere
Frauen diesen Duft an uns mögen?
Wenn Sie und Ihre Parfümeure nicht an die
breite Masse bei Ihren Kreationen denken , an
wen dann?
Unsere Arbeitsweise ist völlig gegenteilig zu
den großen Häusern. Wir definieren keine
Zielgruppe und machen keine Markttests. Ich
lasse den Supernasen die komplette Freiheit.
Allerdings muss ich sagen, dass unsere vier erfolgreichsten Parfüms die sind, bei denen ich
eine bestimmte Person im Sinne hatte.
Das Kölnischwasser 4711
stand Pate bei „Cologne
Indélébile“, dem 22. Duft des
Pariser Parfümeurs Frédéric
Malle. Wer bei dem Namen
glaubt, das Ergebnis rieche
altbacken, irrt gewaltig.
Silke Bender sprach mit ihm
über Düfte als Instrumente
der Verführung
Monsieur Malle, was macht diesen Duft Ihrer
Meinung nach zum Killer?
Weil er wie ein Doppelagent arbeitet. Zunächst einmal nehmen Sie eine zitrische,
leichte Frische wahr, aber dahinter befindet
sich ein Ozean aus Moschusdüften. Es hat 18
Monate gedauert, diesen Cocktail zu mixen, er
entfaltet sich einen ganzen Tag auf ihrer Haut.
Moschus waren ursprünglich ja Lockstoffe,
Pheromone, mit denen die weiblichen Moschustiere im Himalaja die Böcke verrückt
machten. Seit Jahrhunderten wird der Duft in
synthetischer Form für Seifen und Parfüms
verwandt, sodass unser Duftgedächtnis Moschus heute mit „sauber“ gleichsetzt. Dieses
Parfüm schaut uns an wie Nabokovs Lolita.
Unschuldige Kinderaugen, die gleichzeitig sagen: Nimm mich.
Kölnischwasser hat für uns Deutsche eher die
Assoziation von 4711. Ein Duft, der nach Nachkriegszeit riecht.
Das war genau die Idee von Autor Dominique
Ropion und mir! Ein luxuriöses, modernes
4711 zu schaffen, das wir quasi durch den Pho-
Zum Beispiel?
Dank meines Großvaters, der ‚Parfums Christian Dior‘ gründete und meiner Mutter, die
später die Kreativabteilung dort leitete, kannte ich die elegantesten Menschen von Paris. So
auch die schönste Französin, deren Namen ich
jetzt nicht nennen möchte. Mit 18 schenkte ihr
mein Opa ‚Miss Dior‘ – heute ist sie 80 und
trägt das Parfüm immer noch. Als ich mit Dominique ‚Portrait of a Lady‘ entwickelte, war
sie mein Bezugspunkt. Das Parfüm war für
mich, wie ein Kleid zu entwerfen, in dem ich
sie gern sehen würde.
Und welcher Ihrer Düfte ist ein Ladenhüter?
Eigentlich keiner, aber ‚Une Fleur de Cassie‘
ist so speziell, dass er sich nicht so oft verkauft. Aber wenn, dann an die elegantesten
Leute von Paris, London oder New York. Das
sind Frauen, die niemals in Turnschuhen herumlaufen würden und die eine klassische, im
gewissen Sinne elitäre Stil- und Geschmacksprägung haben, die heute rar geworden ist.
Wir sind dennoch sehr stolz auf diesen Duft
und würden nie auf die Idee kommen, ihn aus
dem Programm zu nehmen.
Wie passt dazu Ihre Entscheidung, die Firma
dem Konzern Estée Lauder zu verkaufen?
Ganz einfach, ich habe vier Kinder und noch
scheint keines in meine Fußstapfen treten zu
wollen – und ich will ihnen auch nicht meinen Weg aufzwingen. Zudem beobachte und
schätze ich Leonard Lauder seit Jahrzehnten,
der Mann, der das Familienunternehmen zu
dem gemacht hat, was es heute ist. Sein Angebot war für mich schmeichlerischer als wenn
mich Marilyn Monroe auf den Mund geküsst
hätte. Ich vertraue ihm, dass mein Baby in der
Firma in guten Händen ist und wir die gleiche
Vision teilen: So wie Hermès die Luxusreferenz für Leder und Seide ist, soll Frédéric Malle einmal für die Welt des Parfüms stehen.
1 01
HAUSBESUCH
Der Duft
von Wasser
Alberto Morillas macht nicht
Parfüms – er erschafft sie.
Silvia Ihring beobachtete ihn in
seinem Genfer Wohnzimmer
dabei, wie viel Gefühl dafür
nötig ist. Zu Besuch bei einem,
dessen Nase man gern hätte
10 2
Alberto Morillas – der Mann mit der feinen Nase liebt seinen Garten und Hundedame Heidi
MASSIMO RODARI (7)
D
as wichtigste Werkzeug
eines Parfümeurs, so
viel lässt sich behaupten, ist seine Nase. Doch
wer Alberto Morillas „in
Aktion“ erleben darf,
bekommt eher den Eindruck, dass sich der
Zauber in seinen Augen abspielt. Während
seine rechte Hand einen weißen in Iris-Essenz getauchten Papierstreifen unter seine
Nase hält, starrt er fast wie in Trance ins Leere.
Kein Blinzeln, kein Zucken in seinem Gesicht.
Unmöglich zu sagen, was in seinem Kopf vorgeht, während er den Duft der Iris aufsaugt.
Das sonderbare Eisblau seiner Augen lässt ihn
fast mystisch erstrahlen. Dabei ist der 65-Jährige ein herzlicher Mann. Dass sein Vater ein
Dandy mit einer Vorliebe für Maßschuhe war,
hat abgefärbt. Morillas trägt ein Navy-blaues
Sakko zu einem weißen Hemd mit Haifischkragen, eine pastellblaue Strickkrawatte
schaut heraus, die Rolex glitzert am Handgelenk. Die Vorführung seiner Arbeit vollzieht
er in seinem Wohnzimmer. Weiße Flügeltüren, Stuck an der Decke, eine Vitrine stellt seine Sammlung von Parfümflakons zur Schau.
Seit 20 Jahren lebt Morillas mit seiner Frau in
einer Villa in einem grünen Vorort am Genfer
See; die drei Kinder sind ausgezogen, die zwei
Jack Russel Terrier genießen die volle Aufmerksamkeit.
Auf einem Schreibtisch sind einige seiner Instrumente ausgebreitet: viele kleine Sprühflakons mit neutralem weißen Etikett, Papierstreifen, ein Notizblock, in den Morillas seine
Einfälle und Formeln per Hand notiert und
seine zwei iPads, in denen er seine gesamte
Bibliothek aus Formeln und Konzepten aufbewahrt. Normalerweise arbeite er jedoch nicht
in diesem Wohnzimmer, sagt er, „der Geruch
wäre viel zu stark“. Nur drei Minuten entfernt
habe er sein Atelier. Und dann ist da ja noch
der Hauptsitz des Schweizer Duftentwicklers
Firmenich, einem der wichtigsten Produzen-
Handwerkszeug und Archiv:
Morillas’ Sammlung von
historischen Flakons kann
man als beeindruckend
bezeichnen. Noch dazu hat
er für Marken wie Armani,
Calvin Klein und Kenzo
selbst berühmte Düfte (wie
rechts „Flower by Kenzo –
L’Élixir“) erschaffen
ten der Branche. Morillas, der 1950 in Sevilla
geboren wurde und später für das Studium an
der École des Beaux-Arts nach Genf zog, arbeitet seit 1970 für das Unternehmen.
Einst las er einen Artikel über den Parfümeur
Guerlain, es war eine Offenbarung. „Ich habe
plötzlich verstanden, dass hinter einem Parfum überhaupt ein ‚Créateur‘ steckte.“ Inzwischen ist er selbst zu einem der bedeutendsten Parfümeure der Gegenwart aufgestiegen.
„Acqua di Giò“ von Giorgio Armani, „cKOne“
von Calvin Klein, die „Daisy“-Düfte von Marc
Jacobs und die „Omnia“-Linie von Bulgari,
Parfums für Lancôme und Estée Lauder – Morillas’ Portfolio umfasst die bekanntesten Namen. Für die Marke Kenzo entwickelte er den
Klassiker „Flower by Kenzo“. In diesem Herbst
ist dessen Weiterentwicklung „Flower by Kenzo L’Élixir“ erschienen, ein wegen seines intensiven, süßen Charakters sogenannter
„Gourmand-Duft“. Himbeere, Bulgarische Rose, Vanille und Praline. Bei dieser Kombination überrascht es, dass der Duft zwar süß, aber
nicht aufdringlich wirkt. „Ich habe noch nie
allzu schwere Düfte mit zu viel Körper gemacht“, erzählt Monsieur Morillas. „Mir ist es
lieber, wenn sie luftiger sind. Wie ein Gemälde, das dem Betrachter die Möglichkeit gibt,
sich vorzustellen, was er sehen möchte.“
Er beschreibt Parfüms mit Bildern, die
manchmal wenig greifbar sind. Aber faszinieren Düfte nicht gerade, weil sie so vergänglich, so substanzlos und gleichzeitig so mächtig sind? Und es ist immerhin sein Job, auf der
Grundlage von Bildern, Gegenständen und
Gefühlen, Düfte zu entwickeln. Zu allem findet er in seinem inneren Duftlexikon die passende Note. Manchmal bekomme er von seinen Auftraggebern einen Lavastein oder ein
Schmuckstück als Leitmotiv. Oder, wie im Fall
von „Flower by Kenzo“, eine Mohnblume, die
nicht mal einen eigenen Duft besitzt. „Die ersten Worte, mit denen ein Auftraggeber seine
Vorstellung von einem Parfüm beschreibt,
sind immer die wichtigsten“, sagt Morillas.
„Gleichzeitig ist man als Parfümeur von Beginn an Egoist. Man möchte eben einen Duft
entwickeln, der einem sofort Lust und Freude
bereitet, der Gefühle hervorruft, während
man ihn erschafft. Ein richtig guter Parfümeur schafft es, seine Vorstellung mit der des
Kunden in Einklang zu bringen.“
Die Erinnerungen an seine Kindheit stecken
voller Aromen. „Wir Kinder nahmen uns
Orangenschalen und machten uns einen Spaß
daraus, uns damit einzureiben. Wissen Sie, in
Spanien haben wir sogar die Katzen parfümiert“, sagt er. Am Abend verteilte man den
Duft von verbranntem Lavendel oder Weihrauch in jedem Zimmer. Er könne durchaus
verstehen, warum manche Menschen gar eine
Abneigung gegen das Auflegen von Düften
verspürten. „Sich zu parfümieren bedeutet,
dass man seine Persönlichkeit offenbart.“
Selbstverständlich reagiert er selbst empfindlich auf Gerüche, doch anders, als man es erwartet. „Mir ist es immer noch lieber, jemand
riecht nach Schweiß als nach einem schlechten Parfüm“, sagt er und lacht.
Monsieur Morillas reist für seinen Beruf ständig um die Welt, doch keine Erfahrung hat ihn
je endgültig aus Genf herausgelockt. Das
Grün, das Wasser – der Parfümeur arbeitet
mit den edelsten Aromen, aber die schönsten
erwarten ihn zu Hause. „Ich kam mit zehn
Jahren erstmals nach Genf und sofort packte
mich der Geruch des Sees. In Spanien hatten
wir einen Brunnen. Der Duft von Wasser ist
etwas Wundervolles. Das ist Leben.“
Der See liegt direkt vor der Tür, das Haus umgibt ein Garten, ein lang gehegter Traum, den
sich Morillas beim Einzug erfüllte. Bäume,
Hecken, Blumenbeete und Sträucher sind so
angeordnet, dass sie verschiedene Stufen bilden, das sorgt für Tiefe. Die Pflanzen säumen
kleine Gassen mit Kieswegen, hinter jedem
Busch versteckt sich ein Baum, ein großer toskanischer Terrakotta-Topf oder eine antike
Büste: „Wie ein Geheimgarten“, schwärmt der
Besitzer. „Nachts ist es hier noch schöner.“
Wenn er von Reisen zurückkehrt, geht er als
Erstes in den Garten. Die Blumen und Pflanzen machen es ihm nicht immer leicht, nicht
alle fühlen sich in dem eher dunklen Umfeld
wohl. Aber Morillas sieht das, natürlich, mit
Poesie. „Erst das Vergängliche ist doch wirklich schön“, sagt er. „All das hier gehört uns eigentlich nicht. Es ist wie mit einem Parfum.“
Wer ist hier der Herr im Haus? Jack Russel
Terrier Althea Lina und Alberto Morillas nehmen während des Interviews auf dem Sofa
Platz, Heidi bleibt auf dem Boden
10 3
PSSS t!
S
Die Neulinge
DR.
--:
- : -------Problemlöserin
Fr. Dr. Weiß Bescheid
Dr. Christine Schrammek gilt
als die Ärztin, der man Problemhaut besonders gern
anvertraut (ihre „BB Creme“ ist
ein Bestseller). Nun gibt es ein
neues Serum für alle Hauttypen
jeden Alters. „Hyaluron Performance“ soll viel Feuchtigkeit in
die Haut pushen und diese
erfrischen. Was ja alle wollen.
Über schrammek.de
Von innen und außen
Sie wissen schon, bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt.
Oder zum Beispiel The Organic Pharmacy, die Kosmetikmarke der Londoner
Apothekerin Margo Marrone. Neben
Cremes und Tinkturen gibt’s nun auch
„Beauty Drops“ im Sortiment, quasi
Nahrungsergänzungsmittelchen und
Hautpflege in einem. Fünf Tropfen in
Wasser aufgelöst trinken, drei Tropfen
der Creme beimischen. Und strahlen.
Über greenglam.de
Wer, wenn nicht ein Dermatologe sollte wissen, was der
Haut gut tut, oder? Und darum macht auch die Regensburgerin Jutta Knauer seit 2013 „in Kosmetik“. Sie stopft in
die Produkte ihrer „Dr. JK Cosmeceuticals Privée“-Linie
selbstverständlich jede Menge Wirkstoffe. Das Starprodukt ist die „Uplift“-Maske. Soll die Haut ohne Skalpell
straffen. Hui. Mehr unter dr-jk.de
Royal Power
Dass der Königsfarn ungeahnte Heilkräfte birgt,
ist dem Münchner Dermatologen Dr. Timm
Golüke nicht etwa beim Waldspaziergang
aufgefallen. Vielmehr inspirierte ihn die Studie
eines New Yorker Krankenhauses, gemeinsam
mit einem Biochemiker einen einzigartigen
Wirkstoffkomplex zu entwickeln, der nun in
seinen vier „Royal Fern“-Kreationen steckt. Die
sogar bei Bergdorf Goodman verkauft werden.
Schub-iduuu
Noch ein Tiegel, mögen Sie beim Anblick der neuen
„Intensiv Cell Redensifying Cream“ von SBT denken.
Aber der kann mehr als gut aussehen. Die hautglättenden Inhaltsstoffe, die der Hamburger Dermatologe Prof.
Dr. Volker Steinkraus entwickelt hat, werden von der
sogenannten „Airless“-Technologie beschützt. Die
Creme kommt nur heraus, wenn man über einen weißen
Plastikdeckel streicht. Luft und Verschmutzungen bleiben draußen, die Creme bleibt frisch. Clever!
In Sachen „Wie kriege ich eine
faltenfreie junge Haut?“ sind uns
die Amerikanerinnen voraus.
Besonders beliebt sind dort
bereits seit 2005 die Produkte
von „iS Clinical“ (steht für innovative Skincare). Seit Juni gibt
es sie auch bei uns. Gründer der
Marke sind ein Finanzmanager
und ein Anti-Aging-Forscher aus,
klar, L.A.. Ihr neuester Coup: das
„Youth Serum“. Gibt’s etwa in der
Kosmed-Klinik in Hamburg.
Außen hui, innen pfui? Lassen Sie sich nicht von der schwarzen Formel der „Masque
Noir Détox“ täuschen. Sieht vielleicht komisch aus, was der Franzose Antoine Le Galloudec (stammt aus einer Arzt-Familie) da gemixt hat, aber helfen soll es: Zweimal pro
Woche sollte die Maske von Apotcare mit AHA-Fruchtsäure (entgiftend) für 15 Minuten einwirken. Danach bloß das Abwischen nicht vergessen. Über ausliebezumduft.de
;
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Schwarze Petra
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Fortschrittlich
IM NORDEN
Das Meer
birgt
die Kraft
Erst war es ein
Surferparadies. Dann
machten Monica Kylén und
Mats Johansson ein Mekka
der Naturkosmetik daraus.
Caroline Börger pilgerte mal
an die schwedische Westküste
M
itten im Raum steht eine mit Wasser gefüllte
Holzwanne, die aussieht, als ob da sonst alle sieben Bullerbü-Kinder drin planschen.
Doch etwas ist anders
als bei Astrid Lindgren:
Ein ganzes Bündel Algen hängt (noch dekorativ) am Rand. Und drinnen sitzt die Autorin,
die gleich von der Spa-Therapeutin gründlich
mit dem Grünzeug abgerieben wird. Selbst
für Wellness-Erprobte eine ungewöhnliche
Anwendung. Nach 20 Minuten zwischen den
schwimmenden Algen geht’s zurück in den
Bademantel, dann auf die Liege. Die entgiftenden und pflegenden Wirkstoffe zeigen
Wirkung: Der Körper ist schwer, die Haut
samtweich. Und bei dem grandiosen Ausblick
von der Liege des „Kurhotels“ im schwedischen Varberg auf das im Nebel fast verschwundene Meer wird die Seele ganz leicht
und der Mensch sehr bequem. Doch draußen
warten bereits Monica Kylén und Mats Johansson in ihrem tannengrünen Landrover,
stilecht in Gummistiefeln und Daunenmantel.
Sie sind die Gründer von L:a Bruket, der Marke, die das Algen-Bad populär gemacht hat.
„Das Tångbad ist unser Signature-Produkt.
Neun Monate im Jahr werden die Algen Tag
für Tag geerntet, unser Freund Bosse holt sie
hier aus dem Meer. Sie trocknen und werden
dann in Boxen gepackt. So hat man ein Stück
schwedische Westküste überall dort, wo man
möchte“, erzählt die 52-Jährige mit der sanften Stimme. Zufrieden sieht sie aus, ist wie die
meisten Schwedinnen kaum geschminkt und
hat die gesunde Gesichtsfarbe einer Frau, die
an der Küste, knapp 70 Kilometer südlich von
Göteborg, lebt und surft. „Wir lieben es, kamen schon vor 25 Jahren im VW-Bulli aus
Stockholm hierher. Vor 15 Jahren sind wir
ganz ins Surferparadies gezogen.“
Damals arbeitete das Ehepaar noch in der Textilbranche, beide für dasselbe Unternehmen.
Mats entwickelte Konzepte und Marken, Monica arbeitete im Merchandising. Doch sie
wollten etwas Eigenes stemmen. „Hauptsache
zusammen arbeiten“, erinnert sich Monica,
die sich zu dem Zeitpunkt bereits mehr und
mehr für die Keramikprodukte, die sie zu
Hause töpferte, interessierte. Sie fertigte kleine Seifenschalen unter dem Label L:a Bruket
(sprich: Laaaaa Brrrruket; bedeutet übrigens
Kleine Werkstatt) an und stellte sie 2009 auf
Damit begann es: aufwendig von Hand
gefertigte Seifen zum Aufhängen.
Oben: die naturverbundene L:a Bruket
Gründerin Monica Kylén
der Design Week in Stockholm aus. Damit sie
dort richtig zur Geltung kämen, produzierte
sie eigens Seifen dafür. Verkauft hat sie dann
beides. Der Erlös? Deckte die Standkosten.
„Immerhin“, sagt der 54-jährige Mats, Herr
über die Zahlen und lacht. Monica freut sich
noch immer über den kleinen Erfolg von damals. Es gab schließlich Menschen, die ihre
Produkte wollten. Davon motiviert, ließen
beide ihre gut bezahlten Jobs hinter sich und
stürzten sich ins Abenteuer Naturkosmetik,
„ganz jung war ich mit 45 damals schließlich
nicht mehr“, gibt Monica zu. Bis heute sind die
nach Kräutern wohltuend duftenden Seifen
Bestandteil der Marke und werden noch immer in recht mühseliger Handarbeit hergestellt. Und ja, der Name blieb.
Körperöle folgten, ein logischer Schritt, denn
die ätherischen Öle wurden bereits zur Seifenproduktion verwendet. Heute umfasst die
Kollektion knapp 40 Produkte unterschiedlicher Art – vom Shampoo über Kerzen bis hin
zu Gesichtscreme und sogar Spülmittel. Alles
wird mit natürlichen Zutaten aus der Umgebung hergestellt, immer noch in dem 27.000
Einwohner Ort Varberg. Fünf Mitarbeiter arbeiten in der Entwicklung, zwölf in der Produktion. Alles bleibt handmade in Sweden.
Die Badesalze etwa werden sehr appetitlich
direkt hinter dem Showroom, einem Lieblings-Souvenirziel der Sommerurlauber, gemischt und abgefüllt. Ja, von blonden, jungen
Schwedinnen.
Bevor jedoch neue Produkte auf den Markt
kommen, testet das Ehepaar selbst. Mats ließ
sich vor zwei Jahren extra einen Bart wachsen, um einen neuen Rasierschaum auszuprobieren. Danach hat er ihn dann behalten. Es
gibt mittlerweile ein „Beard Oil“... Ebenso wie
ein Hundeshampoo, zur Vater-Mutter-Teenager-Familie zählt nämlich auch Irish Terrier
Frasse, Monicas Begleiter auf ihren morgendlichen Strandspaziergängen. Und klar, haben
sie eine Seife für Surfer entwickelt, „um den
Geruch der Neoprenanzüge schneller loszuwerden“. Ein Verkaufshit in Los Angeles. Die
Amis sprechen übrigens von: L.A. Bruket.
Aber auch das sehen die Schweden entspannt.
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PARISER LUFT
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Französische
Kathedralen haben
den Parfümeur
Francis Kurkdjian
beim Ladenbau
inspiriert
Melodien aus
Molekülen
Er wollte Pianist sein und tanzen. Doch dann wurde der Franzose
Francis Kurkdjian zum Wunderkind der Parfum-Szene
er Blick wandert noch
suchend in der unauffälligen Seitengasse nahe
der Place Vendôme.
Doch die Neugier ist bereits geweckt: Eine Molekülmelodie schwebt heran. Zärtliche Piano- und
Parfumnoten vermischen sich in der kleinen
Boutique, im goldenen Licht präsentiert sich
das vollständige Ensemble des Maison Francis
Kurkdjian Paris (sprich: Kurkjean) und das
Herz des Parfumjunkies schlägt vivace. Die
Solisten heißen „Lumière Noire“, „Cologne
pour le Matin“ und „pour Le Soir“, „Oud Satin
Mood“, „Pluriel, „Amyris“, das neueste Ensemblemitglied ist „Aqua Vitae forte“. Auch wenn
die Düfte stets die erste Geige spielen, erst mit
dem Komponisten, Dirigenten und Interpreten, dem Künstler Francis Kurkdjian, erschließt sich die Faszination der Marke MFK
vollends.
Mit acht Jahren begann er, Klavier und Ballett
in Versailles zu studieren, scheiterte in der
Aufnahmeprüfung an der Pariser Oper, beschloss mit 15 Jahren Parfümeur zu werden,
ging mit 21 an die berühmte ParfümeursSchule ISIPCA. Gleich nach dem Examen ge-
D
10 8
wann er einen großen Pitch – mit einem minzig-seifigen, aber vanilligen Lavendelduft für
den Mann. Eine Provokation und ein Paukenschlag: „Le Male“, Jean Paul Gaultiers erster
und heute noch, nach 20 Jahren, BestsellerHerrenduft. Kein schlechtes Debüt für einen
25-Jährigen. Fortan komponiert der Franzose
armenischer Herkunft, dem nun wahlweise
das Etikett Wunderkind oder Rebell anhaftet,
vor allem für die großen Designer: Giorgio Armani, Dior, Ferragamo, Ungaro, Lanvin, YSL,
Versace, Kenzo und immer wieder Gaultier.
Sein „For her“ für Narciso Rodriguez gilt
schon bei Erscheinen als Klassiker.
2001 eröffnet er sein Atelier für maßgeschneiderte Düfte, setzt damit einen neuen Trend
und bietet Workshops an. Im gleichen Jahr
wird er mit dem „Prix François Coty“ ausgezeichnet, dem bedeutendsten Parfumpreis –
für sein Lebenswerk. Mit 32 Jahren. 2008
folgt die Ernennung zum Chevalier des Arts et
des Lettres des französischen Ministeriums.
Und 2009 dann sein eigenes Haus. Ausgerechnet in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Doch
Kurkdjian folgt dem einstigen Rat seines Vaters: „Mache gute Arbeit, dann kommt auch
der finanzielle Erfolg.“ Mit seinem engsten
Vertrauten, Marc Chaya, einem ehemaligen
Partner von Ernst & Young, realisiert er seinen Plan. Er verwendet Moleküle wie Musikinstrumente, orchestriert neue Aromen mit
ungekannter Tiefe, gleichzeitig transparent,
elegant – und immer emotional. Manche nennen es: neue Formen in der Luft. Wem das zu
theoretisch klingt, einfach mal der Nase „Oud“
oder „Lumière Noire pour femme“ vorspielen.
Sein Wunsch, dem Duft ein Zuhause zu geben
(„Ich sehe mich auch in der Tradition der französischen Parfümeriekunst, die die alltäglichen Dinge des Lebens beduftet“), nimmt Gestalt an. Der Bühnenbildner Jean Hugues de
Châtillon kreiert für’s Schaufenster ein Pas de
deux zwischen Paris und Parfum; die Künstlerin Anne Lévine verziert die Decke und den
Tresen der Boutique mit goldenen Blättern als
Zitat aus französischen Kathedralen und
Landschaften. Béatrice Ardison komponiert
einen Soundtrack inklusive einer Aufnahme
von Ravels „Pavane für eine tote Prinzessin“,
eigens für Kurkdjian von den Pianistinnen
Katia und Marielle Labèque interpretiert.
Auch für die Düfte schwebt ihm exklusiver
Stoff vor. „Da ich die Haute Couture liebe und
gern ein Modedesigner sein wollte, aber überhaupt nicht zeichnen kann, wollte ich eine
Garderobe der Düfte kreieren. Ganz unterschiedliche Outfits. Manche Stücke trägst du
oft, manche nur zu bestimmten Gelegenheiten.“ Wie ein fließendes Seidenkleid in flimmernder Farbe („Oud Satin Mood“), ein extravaganter Kaschmirmantel („Oud Cashmere
Mood“) oder ein transparenter Morgenmantel,
schnell übergeworfen, weil der Kaffee auf
dem Tisch steht („Pour le Matin Cologne“).
In üblichen Details will er sich nicht verlieren.
„Fragt jemand einen Maler, welche Farbnummern er für sein Porträt verwendet hat?“ Sicher, der Konsument müsse wissen, was ungefähr enthalten ist, aber für das Erlebnis bedeute das doch rein gar nichts. „Es geht um Emotionen, um pure Freude.“ Noch weniger gefällt
ihm die Diskussion um „Nische, Kunst oder
Kommerz?“ Alles habe seine Berechtigung,
wenn es nur gut sei. „Mein „À la rose“ ist ein
sehr kommerzieller Duft, wie ein schlichtes
weißes T-Shirt. Oder wie Jeans. Die sind auch
kommerziell, aber jeder wird zugeben, dass
die von Hedi Slimane doch anders sind als die
von H&M. Ich mache also einen kommerziellen Rosenduft, aber einen mit Qualität. Ich
brauche Denim in meinem Kleiderschrank.“
Parallel konzipiert Kurkdjian regelmäßig Installationen und Veranstaltungen. Etwa für
die Expo in Shanghai, die Genfer Oper oder
Schloss Versailles, wo er beduftete Fontänen
aus Brunnen schießen und parfümierte Seifenblasen über den Gästen schweben ließ.
Aktuell bestaunen Besucher der Expo in Mailand „Stratus 2015“ – einen duftenden Nebelschatten für das Kloster des „Palazzo delle
Stelline“. „Ich will mich nicht beschränken. Es
ist ja eine unabhängige Firma, ich allein bestimme, wie mein Haus aussieht und was ich
dort anbiete.“ Gerade hat er nach parfümierten Waschmitteln, Seifenblasen, Papier und
Armbändern das Sortiment um eine Lederkollektion erweitert. Hüllen für Visitenkarten,
Smartphone oder iPads, die ihren speziell
konzipierten Duft über Jahre bewahren sollen. Und soeben hat im Marais eine Dependance eröffnet. Nein, man muss nicht nach Paris, um MFK-Produkte erwerben zu können.
Doch wer würde nicht einmal gern hören
wollen, wie die Lieblingsarie am OriginalSusanne Opalka
schauplatz klingt?
T H E C U L T U R E O F T O TA L B E A U T Y
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Hocheffiziente Kosmetikprodukte auf Basis aktueller biologischer Zellforschung und deren Einfluss
auf die Physiologie von Haut, Kopfhaut und Haarwurzeln.
In ausgesuchten Friseur – Salons und auf www.labiosthetique.de
UNTERWEGS
N
imm Gummistiefel mit
statt High Heels“, riet
Daniel Adams vor der
Reise. Würde man nicht
gleich darauf kommen.
Denn in einem Atemzug hatte er Namen von
Menschen heruntergerattert, die wie er im
Dutchess County leben und denen man jederzeit auf dem Wochenendmarkt mit Porreestangen unterm Arm oder – noch besser – bei
einem privaten Dinner begegnen könnte:
Alain Wertheimer, Eigentümer von Chanel,
der Hotel-Impresario André Balazs, die
Schauspieler Bette Midler, Liam Neeson und
Richard Gere; Valeska Hermès, die Ferragamos, die Bulgaris, der New Yorker Star-Friseur
Frédéric Fekkai, das ehemalige Topmodel
Paulina Porizkova, Talkshow-Ikone David Letterman – nur ein kleiner Auszug, versteht
sich.
Doch gilt auch hier: Man sollte sich nicht von
Namen beeindrucken lassen, sondern auf einen Insider hören. Und so stehe ich leicht
overdressed, ich hatte das mit den Gummistiefeln natürlich nicht ernst genommen, mit
falschem Schuhwerk und falschem Gastgetränk – ein Sauvignon blanc – unterm Arm an
einem verregneten Samstagnachmittag knöcheltief in Matsch und Pferdemist und schaue
Bruce Colley und seinen Freunden beim Polospiel zu.
Der New Yorker Bonvivant, Geschäftsmann
und Spieler im US-Poloteam hatte mich am
Abend zuvor beim Dinner der deutschen Auswanderer Alicia und Daniel Adams eingeladen. Seit 2006 züchtet Adams, Mitbegründer
von „Design Hotels“ hier Alpakas, 2009 gründete seine Frau die Mode- und Homewear-Linie „Alicia Adams Alpaca“. Ihr köstliches Home-Cooking, das regelmäßig für bis zu zwölf
Leute an der privaten Tafel im Haus sorgt, hat
sich schnell herumgesprochen – besser als bei
den Adams kann man in die Gesellschaft von
Dutchess County nicht eingeführt werden.
„Komm morgen zum Polo vorbei und bring
was zu trinken für uns Cowboys mit“, meinte
Colley zum Abschied. „Bei gutem Wetter spielen wir auf dem Platz unserer Ranch, sonst in
der Halle.“
Die Cowboys und -girls aus Manhattan, die
jetzt mit uns an der Bande des überdachten
Platzes stehen, trinken Flaschenbier, keinen
Wein, tragen Reitkleidung, ausgebeulte
Sweatshirts und Regenjacken.
„Du bist das erste Mal hier?“, fragt eine Frau
lachend. „Das sieht man. Das sind nicht die
Hamptons, dear. Bei uns im Dutchess County
geht es lockerer zu.“ Früh am Morgen, so erzählt sie, waren alle auf Kojoten-Jagd, zu Pferd
und mit Hunden. Selbst Colleys Vater Dean
war dabei, ein 84-jähriger ganzer Kerl und
McDonald’s-Betreiber im großen Stil, der mir
von seiner Zeit in München in den frühen
Siebzigern vorschwärmt, als er dort die ersten
deutschen Restaurants der Kette eröffnete.
Das Geschäft und die Liebe zum Landleben
hat er dem Sohn vererbt: 46 Pferde, Hunderte
von Rindern und eine ganze Jagdhundemeute
halten sich beide zu ihrem Wochenend-Vergnügen. Jeder spricht hier mit jedem. Kennst
du einen, kennst du alle.
„Die Pferdefreunde“, so erklärt mir ein anderer Gast, „treffen sich samstags immer bei
Bruce. Die Fußballfans bei Massimo Ferragamo auf der Farm.“ Der Vorsitzende des USZweigs des italienischen Luxuslabels Salvatore Ferragamo habe sich nämlich ein eigenes
Fußballfeld bauen lassen, wo er stets mit DorfPolizisten, Hauswarten, Nachbarn, Starfriseur
Frédéric Fekkai und allen kickt, die sonst noch
Lust darauf haben. Nur heute nicht: der Regen. Nach dem Polo lädt Bruces Polo-Kumpel
Eddie Taylor deshalb in sein neues Bar-Restaurant „Purdy’s Farmer & the Fish“ ein.
Erst vor zwei Jahren eröffnete der ehemalige
Fischer, heute ein Großhändler für Meerestiere, seine erste Gaststätte außerhalb Manhattans. Die Kombination aus familiärer Kneipe
und einem exquisiten Homegrown-Menü, das
Gemüse kommt von der angeschlossenen BioFarm, ist ein Erfolg: Es ist proppenvoll, das
Bier fließt in Strömen, heitere SocietyKlatschgeschichten aus erster Hand kursieren
– und spätestens jetzt versteht man den besonderen Charme der Gegend, die sich so betont leger vom Hamptons-Jetset distanziert
und spätestens seit „9/11“ wieder als Wochenenddomizil in den Fokus wohlhabender New
Yorker gerückt ist.
Die Cowboys
von New York
Vergessen Sie die Hamptons! In Dutchess County, anderthalb
Stunden Fahrt vom Big Apple entfernt, liegt ein viel
entspannteres Bilderbuch-Amerika. Silke Bender ließ mal locker.
Katharina Poblotzki fotografierte
110
Anderthalb Fahrtstunden von Manhattan beginnt die nordamerikanische Idylle, in der
schon zur Belle Époque die New Yorker Geldund Geisteselite die Landfrische suchte. Der
Zug, gefüllt mit Fahrrad- und Wander-Ausflüglern, gleitet gen Norden: Wälder, so weit
das Auge reicht, Weiden, auf denen Pferde
wiehern, grüne Hügel, in die sich prachtvolle
Landhäuser und postkartenschöne Farmen
schmiegen. Eine seltsam vertraute Landschaft, die mich an meine Heimat, den Teutoburger Wald, erinnert, nur in XXL-Dimension. Hält man sich hier im Dutchess County
doch schon für Nachbarn, wenn man 50 Kilometer entfernt wohnt.
Das County umfasst neben der Hauptstadt
Poughkeepsie rund 40 Puppenstuben-Ortschaften mit alten Holzhäusern und kaum
mehr als 2000 Einwohnern, ein properes Ideal-Amerika wie bei den Waltons. In der Vanderbilt Mansion und dem Franklin D. Roosevelt House kann die Geschichte von Dutchess
County, geprägt von niederländischen Einwanderern, besichtigt werden. In Millbrook
residierte einst der geschasste Harvard-Professor und Drogenpapst Timothy Leary, wo er
von 1963 bis 1967 im Schutz seines reichen
Gönners die wohl berühmteste LSD-Kommune der Welt unterhielt. Das zehn Quadratkilometer große private Anwesen namens „Daheim“ wurde im 19. Jahrhundert im bayerischen Stil von einem deutschen Einwanderer
erbaut und später von der Bankiersfamilie
Hitchcock gekauft. Deren Spross, der PoloSpieler Tommy Hitchcock Jr., soll in den 20erJahren das Vorbild zu Tom Buchanan im
F.-Scott-Fitzgerald-Roman „The Great Gatsby“
gewesen sein. Leider hat der heutige Bewohner und Nachkomme keine Lust auf Besucher,
die sich speziell für die Leary-Episode seines
Anwesens interessieren.
Dafür öffnet sich am nächsten Tag leise summend und bei strahlender Sonne ein anderes
Tor in Millbrook. Man fährt einige Minuten
durch steile, grüne Hügel hinauf bis man standesgemäß unter Kieselknirschen vor das Haus
der Bulgaris rollt. Von dem 1934 im Kolonialstil erbauten Herrenhaus hat man eine endlose Sicht auf das Hudson Valley und seine Wälder. „Es ist der Ort, an dem ich durchatmen
kann“, sagt Veronica Bulgari, die Tochter des
einstigen Bulgari-Chefs Nicola, der in den
70er-Jahren nach New York kam, um die Expansion des römischen Schmuckimperiums
voranzutreiben. Sie selbst arbeitete 14 Jahre
lang im Familienunternehmen, bis es 2011 an
LVMH verkauft wurde. Heute ist sie als Markenbotschafterin aktiv und kümmert sich um
die Charity-Projekte der Familie. „Hier habe
ich die Muße, Freunde zu treffen, Fahrradtouren zu machen und meine Kinder unbeaufsichtigt spielen zu lassen. In Greenwich Village in New York geht das nicht“, erzählt sie.
Ihre Mutter Anna gesellt sich zu uns an den
Tisch in der Landküche, wo die Köchin selbst
gebackenen Bananenkuchen und Cappuccino
serviert. „Ich kam damals ja aus Rom nach
New York“, sagt sie. „Ich liebte es, aber irgendwann schienen mich die Hochhäuser zu erdrücken. 1990 dann fand ich dieses Anwesen
und diesen Blick, seitdem bin ich jedes Wo3
chenende hier.
Die Gegend um Poughkeepsie
ist jetzt im Indian Sommer
besonders schön
Vom Tegernsee an den
Hudson: Alicia und Daniel
Adams züchten jetzt Alpakas
in Upstate New York
Pferde, Pferde, Pferde: Samstags
spielen die Wochenend-Cowboys
Polo oder gehen zur Jagd, hier
Bruce Colley
Landlust auf
Amerikanisch
– Hunde und
Gummistiefel
sind zwingend
erforderlich
111
Ross und Reiterin: Diandra Douglas
mit ihrem Hengst Mexicano
Zu Hause bei den Bulgaris: Auf dem Landsitz
gibt es viel Platz zum Spielen
Das Hotel „The
Beekman Arms“
von 1766 nennt
sich „das älteste
Amerikas“
„Hier im Dutchess County
sind die Menschen sehr auf
dem Boden geblieben, hier
kann ich entspannen“
D I A N D R A M O R R E L L D O U G L A S , Fa r m b e s i t z e r i n
112
3 Das Schöne an Millbrook ist, dass es mitten
in der Natur liegt, aber überhaupt nicht provinziell ist. Die interessantesten Leute aus
New York trifft man hier.“ Veronicas Sohn Oliver stürmt mit Neffe Simon und Carla, der
Tochter der Köchin, herein. „Mama, wann fahren wir denn endlich?“
Die Kinder wollen zur Sister’s Hill Farm, ein
Bio-Anbau-Projekt örtlicher Nonnen. Gegen
eine Jahresgebühr kann man jedes Wochenende dort Gemüse selbst ernten oder abholen.
„Sister’s Hill Farm ist der In-Treff von Millbrook“, sagt Veronica lachend. „Und die Kinder lieben es, ihre Tomaten selbst zu pflücken,
die Karotten aus der Erde zu ziehen und zu
wiegen.“ Und während sie ihre Gummistiefel
anzieht, ruft sie uns noch zu: „Guckt euch un-
bedingt das Dia Beacon Kunstmuseum und
den Storm King-Skulpturenpark auf der anderen Hudson-Seite an. Und geht zum Essen unbedingt ins ‚Serevan‘, ein Armenier mit der
besten orientalischen Fusionküche.“
Leider haben wir keine Zeit, die nächste Einladung wartet 20 Autominuten weiter. Diandra Morrell Douglas hat sich hier mit ihrem
brasilianischen Lebensgefährten, dem GastroUnternehmer Paulo de Oliveira, vor zwei Jahren einen Lebenstraum erfüllt: Sie erwarben
nach langer Suche eine eigene Farm. Noch leben sie in einer umgebauten Scheune und
dem alten Farmhaus, das „richtige“ Haupthaus
soll erst noch gebaut werden.
Die ganze Familie samt Angestellten und Tierpark erwartet zum Picknick in der Sonne: ihre
drei Kinder, die Zwillinge Hawk und Hudson,
Tochter Imara, Viviane, die Freundin ihres
Sohnes Cameron, die Hunde Blanca, Pasha
und Namate und der andalusische Hengst Mexicano. Auf dem offenen Jeep, einem Relikt
aus dem Zweiten Weltkrieg, den sie mit der
Farm erwarben, stapeln sich Picknickkörbe
mit Kaffee, Tee, Nüssen und Keksen. Zu Fuß
ist das Anwesen kaum zu fassen – eine ehemalige Schaf- und Maisfarm, die sich auf fast einen Quadratkilometer, drei größere Weiher
und einen Privatwald erstreckt. Während
Diandra mit dem Jeep eine kleine Tour durchs
idyllische Gelände gibt, erzählt sie von ihren
Zukunftsplänen: Auf der Farm sollen bald fast
alle Blumen, Gräser, Sprossen und Kräuter
wachsen, die sie für ihre neu gegründete Naturkosmetiklinie „Carpe Diem Farm“ benötigt. „Wissen Sie, ich bin auf Mallorca aufgewachsen, sehr ländlich und behütet. Genau
dieses Gefühl und ein europäisches Flair habe
ich hier in Millbrook wiedergefunden – und
das möchte ich meinen jüngsten Kindern vermitteln. In Los Angeles habe ich mich nie
wirklich zu Hause fühlen können.“
Die Diplomatentochter war Politikstudentin
und Praktikantin im Weißen Haus, als sie mit
19 dort Michael Douglas kennenlernte. Hals
über Kopf heiratete sie den 13 Jahre älteren
Schauspieler, zog zu ihm nach Los Angeles.
Die Scheidung 23 Jahre später ging als eine
der teuersten in die Geschichte der Hollywood-Annalen ein.
„Hier im Dutchess County sind die Menschen
sehr auf dem Boden geblieben, hier kann ich
entspannen“, erzählt sie weiter. „Mein Lieblingsplatz ist der japanische Innisfree Garden,
einer der schönsten von Amerika.“ Die besten
Restaurants für sie: Das „Café Le Baux“ in Millbrook und das „Stissing House“, wegen ihrer
französisch-mediterranen Küche mit ausschließlich lokalen Produkten.
Die Zugstrecke zurück führt den Hudson entlang. Nach Tagen im ländlichen Luxusidyll erreicht einen der Anblick der Großstadt nur
noch bedingt – aber wenigstens sind die High
Heels dort nicht deplatziert.
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SONNTAG, 18. OKTOBER 2015
Global Diary
LIFE PERFORMANCE SOLUTIONS
Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt WhatsApp und E-Mail
noch Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer.
Illustriert von Tim Dinter
TORONTO
Schwarze Lobbywände, auf ihnen weiße Stadtskizzen, knallbunte Loungesessel: Das „Thompson
Boutique Hotel Toronto“ führt von Beginn an Kontraste vor – in der Bar mit Livemusik setzt sich das
fort. Hier geht es unkompliziert zu, wie überall in
der Stadt. Schwarz-Vorliebe im Design auch auf
den Fluren und im Fahrstuhl. Umso erhellender erscheinen die Zimmer und Suiten: Holzboden, orange- oder lilafarbene Stoffe, ein Bad mit Ausblick. Durch
die Räume weht eine Vintage-Brise, durch das glücklicherweise zu öffnende Fenster eine andere, meerähnliche
Brise herüber vom Lake Ontario. Doch wozu dort verweilen, wenn
es im 16. Stock die Rooftop-Bar gibt? Abends sind hier kaum Ü-30-Besucher auszumachen. Die
Sicht auf die City bis nach Mississauga mit spektakulärem Sonnenuntergang ist sicher ein
Grund. Der andere das Snack-Angebot, das sich deutlich von der verbreiteten Fast-Food-Kultur unterscheidet. Nationenauthentisch zubereitete Antipasti, Tacos oder Tapas, bunte Cocktails, internationale Weinauswahl samt kenntnisreicher Barchefin. Glasbalustraden sichern den
Pool, in ihm zu schwimmen vermittelt mir die Illusion, über der Stadt mit ihrem Sound zu schweben. Das Faible der Kanadier für europäische Küche ist enorm, dem Hotel angeschlossen ist
das Restaurant „Colette“ mit französischer Haute Cuisine, die kein bemühter Abklatsch ist, dafür sprechen die vielen Franzosen, die sich hier regelmäßig einfinden. Samstags am frühen
Morgen die Überraschung: Auf der großen Sonnenterrasse des Hotels kommen gefühlt 150
Leute zusammen zum gemeinsamen Yoga und Sonnengruß – ein magischer Moment angesichts der optischen Umarmung durch das Skyline-Halbrund.
Uta Petersen hat sich fest vorgenommen, Europa bald wieder Richtung Kanada zu verlassen
SANSIBAR
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der inneren und äußeren
Blutbahnen
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Wo sonst findet man das: Imperiale Kolonialarchitektur
trifft weißen Palmenstrand. Der Sand so fein, dass er
durch eine Eieruhr rieseln könnte. Und nicht nur das. In
Sansibar und seinem Unesco-Weltkulturerbe Stone
Town wirbelt bei jedem Schritt uralte Geschichte auf.
Exotische, elitäre und grausame Geschichte. 2000 Jahre lang war Sansibar nämlich bedeutender Umschlagplatz im indopazifischen Handelsverkehr, mit allem Glanz
und Elend. Zigtausend afrikanische Sklaven wurden hier verschachert, ein Großteil erlag bereits vor Ort Hunger und Durst.
Arabische Kaufleute brachten den Islam ins Land. Dazu kamen Zimt
aus Sri Lanka, Nelken aus Indonesien, Ingwer aus China – Reichtum entstand. Dem konnte auch der Sultan von Oman, zugleich Regent über Ostafrika, nicht widerstehen. Er verlegte 1840 seine Residenz von Muskat auf die Insel. Kaiserreich Deutschland und
die englische Krone unterhielten in jener Epoche Konsulat und Handelshäuser.
Auf meinem Bummel durch das Gassenlabyrinth von Stone Town staune ich quasi an jeder
Wegbiegung über das koloniale Erbe – vierstöckige Bauten mit geschnitzten Türen und hölzernen Veranden. Dennoch mischt sich in den Zauber eine gewisse Melancholie. Denn die sozialistische Regierung hat wenig Sinn für den Erhalt von Feudalbauten: Zahlreiche von ihnen
verfallen. Andere aber fanden private Liebhaber und wurden sorgfältig restauriert. Märchenhafte Gästehäuser wie „Emerson on Hurumzi“ mit romantischem Rooftop-Restaurant entstanden. Ein ehemaliges Kontorhaus am Meer fungiert jetzt als historischer Flügel des neuen „Park
Hyatt Zanzibar“. Ein zweiter im angeglichenen Orient-Stil kam dazu. Viel Marmor, Säulen und
Springbrunnen sowie breite Himmelbetten in Zimmern und Suiten verpassen dem Hotel
Pracht und zeitgemäßes Flair. Auf seiner hundert Meter langen Terrasse über dem Strand
schwelge ich zum Abend gewissermaßen in zwei Welten. Vor meinen Augen segeln altertümliche Holzschiffe vorbei. Ich lasse die Eiswürfel im Gin Tonic klimpern und denke an Sindbad
den Seefahrer. Tapas werden gereicht, anschließend eine Shisha. Das originale Tausendundeine-Nacht-Gefühl. Und wie einst auf der Promenade von Stone Town flanieren SansibarSchönheiten wispernd auf und ab. Farbenfrohe Gewänder fließen um schlanke Körper, Mandelaugen blitzen, schwerer Goldschmuck funkelt an Hals und Händen. Ich ahne, dass der Sultan damals noch einen weiteren Grund hatte, um von Oman nach Sansibar zu ziehen.
Der Mix von Strand und Altstadt hat Autorin Kiki Baron den Abschied schwer gemacht
FALKE Ultra Energizing, Art. Nr. 15730
FEEL THE 24 HOUR ENERGIZING EFFECT
BAUPLAN
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PRADA
1
DIE
„INSIDE BAG“
VON PRADA
In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden
weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu
Bei Prada sieht man nun doppelt. Wer das neue Modell „Inside Bag“ aufzippt, wird durch eine zweite kleine Tasche im Inneren überrascht, beide sind aus
Krokodil-, Straußen- oder Kalbsleder. Experimentierfreudige wählen Innen- und Außentasche in Kontrastfarben. Oder doch lieber ganz trendbewusst in
Monochrom? In jedem Fall darf die Innere cool rausgucken. Gefertigt wird traditionell in der Nähe von Florenz. Wir haben uns angeschaut, wie aus 90 Einzelteilen in rund sechs Arbeitsstunden eine Tasche wird: 1. Basis ist die technische Zeichnung. 2. Aus einem Stück Nappaleder entstehen die Einzelteile mittels Schablonen und einem Zuschneidemesser. Den Anfang macht die Innentasche. 3. Alle da? Die ausgeschnittenen Einzelteile werden mit der technischen Zeichnung abgeglichen. 4. Auf links gedreht werden sie zusammen mit dem Reißverschluss vernäht. Das läuft bei beiden Taschen gleich ab 5. Die Innentasche ist fertig. Mit den Seitenflügeln wird sie später im Innern der Außentasche fixiert. 6. An der Außentasche wird der erste Teil der glockenförmigen Griffbefestigung genäht. Der Henkel liegt später gut vernäht zwischen dem ersten und zweiten Teil 7. Eine Paspel säumt die Außenränder und schafft
einen sauberen Abschluss. Später wird hier der Reißverschluss befestigt 8. Die verbliebenen Teile der Außentasche können vernäht werden. 9. Innen- und
Außentasche finden endlich zueinander. Finito! Übrigens: Die Inside Bag gibt es in drei Größen. Wir haben uns für die größte Variante entschieden.
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Tel. 0211 / 86 47 00 louisvuitton.com